Regulatorische Steuerung von Märkten am Beispiel des Regelreservemarkts: Normsetzungskompetenz – Höherrangige Grenzen – Rechtsschutz [1 ed.] 9783428583416, 9783428183418

Sollen wettbewerbliche Märkte zur Erreichung festgelegter politischer Ziele transformiert werden, entfaltet sich ein Spa

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Regulatorische Steuerung von Märkten am Beispiel des Regelreservemarkts: Normsetzungskompetenz – Höherrangige Grenzen – Rechtsschutz [1 ed.]
 9783428583416, 9783428183418

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Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Band 14

Regulatorische Steuerung von Märkten am Beispiel des Regelreservemarkts Normsetzungskompetenz – Höherrangige Grenzen – Rechtsschutz

Von Anna Halbig

Duncker & Humblot · Berlin

ANNA HALBIG

Regulatorische Steuerung von Märkten am Beispiel des Regelreservemarkts

Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Herausgegeben von Ralf Brinktrine und Markus Ludwigs

Band 14

Regulatorische Steuerung von Märkten am Beispiel des Regelreservemarkts Normsetzungskompetenz – Höherrangige Grenzen – Rechtsschutz

Von Anna Halbig

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2198-0632 ISBN 978-3-428-18341-8 (Print) ISBN 978-3-428-58341-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Aktualisierungen hinsichtlich des Rechtsstandes sowie der einschlägigen Literatur konnten in weiten Teilen bis Ende Dezember 2020 eingearbeitet werden. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. Markus Ludwigs, für die bereichernde Betreuung. Der fachliche Austausch mit ihm war stets sehr inspirierend und seine Ratschläge ein Gewinn für das Gelingen meiner Arbeit. Zu schätzen weiß ich insbesondere die gewährte wissenschaftliche Freiheit sowie das Vertrauen in mich als externe Doktorandin. Danken möchte ich ebenfalls Prof. Dr. Florian Bien, Maîre en droit, für die außergewöhnlich zügige Erstellung des umfassenden Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in diese Schriftenreihe danke ich den Herausgebern Prof. Dr. Ralf Brinktrine und Prof. Dr. Markus Ludwigs. Gleicher Dank gebührt meinen Kolleginnen und Kollegen der Stiftung Umweltenergierecht, Würzburg, für die zahlreichen fachlichen Diskussionen, insbesondere aber auch für die tolle zwischenmenschliche Arbeitsatmosphäre während meiner dortigen promotionsbegleitenden Beschäftigungszeit. Besonders hervorheben möchte ich Herrn Thorsten Müller, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, der mich bei der Themenfindung inspiriert und mir stets Freiräume für die Anfertigung meiner Dissertation eingeräumt hat. Bedanken möchte ich mich ebenso herzlich bei allen Teilnehmenden des stiftungsinternen Dissertationstreffens, die mit vielen wertschätzenden Hinweisen und gewinnbringenden Diskussionen den Fortgang der Arbeit von der Themensuche bis zur Veröffentlichung begleitet haben. Schließlich gilt besonderer Dank meiner Familie, meinem Mann sowie meinen Freundinnen und Freunden für die Unterstützung und Begleitung auf dem Weg meiner Promotion, aber auch während meines persönlichen und akademischen Werdegangs in der Zeit davor. Würzburg, Februar 2021

Anna Halbig

Inhaltsübersicht Teil 1

Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 23

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Produktqualitäten der Regelreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Teil 2

Rechtsrahmen des Regelreservemarkts 65

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Sonderregelungen im Regelreservemarkt für einzelne Akteure und Technologien . . . 89 C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften . . . . . . . . . 90

Teil 3

Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen als regulatorische Steuerungsinstrumente 101

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . 102 B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Teil 4

Normsetzungskompetenz bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 142

A. Dimensionen und Grade der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Hoheitliche und private Normsetzung beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

8

Inhaltsübersicht Teil 5



Höherrangige Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 192

A. Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen . . . 286

Teil 6

Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 292

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern . . . . . . . 292 B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke von privaten Akteuren . . . . 308

Teil 7

Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 326

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Inhaltsverzeichnis Teil 1

Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 23

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Problemstellung und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Der Regelreservemarkt als Referenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Einsatz von Regelreserve zur Frequenzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Regelreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Regelleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Regelarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Abgrenzung zur Ausgleichsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 D. Produktqualitäten der Regelreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Frequenzhaltungsreserve „FCR“ (Primärregelleistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Frequenzwiederherstellungsreserve „FRR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung „aFRR“ (Sekundärregelleistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ (Minutenreserve) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Ersatzreserve „RR“ (Stundenreserve) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Liberalisierung des (nationalen) Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Klimaschutzpolitische Transformation des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . 45 III. Europäisierung des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 IV. Ergebnis: Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Merkmale eines Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Kategorisierung des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

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Inhaltsverzeichnis 1. Regulierte Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Eingriffe in Vertragsfreiheit durch Ausschreibungsbedingungen . . . . . . . . 56 b) Marktzutrittsregeln durch das Präqualifikationsverfahren . . . . . . . . . . . . 57 c) Angebots- und nachfrageunabhängige Dimensionierung des Bedarfs . . . 58 2. Marktbasierte Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Wettbewerbliche Ermittlung der Vergütungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Marktöffnung für weitere Marktakteure und Technologien . . . . . . . . . . . . 61 c) Keine verpflichtende Teilnahme am Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . 61 d) Haftung bei Vertragsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Regelreservemarkt zwischen Wettbewerb und Regulierung . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Zwischenergebnis: Kategorisierung Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Teil 2

Rechtsrahmen des Regelreservemarkts 65

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Rechtsquellen des Präqualifikationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Präqualifikationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Rahmenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Rechtsquellen des Ausschreibungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Allgemeine Vorgaben zur Gestaltung des Regelreservemarktdesigns . . . . . . . 73 2. Ausschreibungsbedingungen bis 02. 11. 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzhaltungsreserve „FCR“ . . . . . . 74 b) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung „aFRR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Einführung eines Regelarbeitsmarkts zum 02. 11. 2020 für aFRR und mFRR 80 a) Europarechtliche Vorgaben hinsichtlich des Regelleistungsmarkts . . . . . . 81 b) Europarechtliche Vorgaben hinsichtlich des Regelarbeitsmarkts . . . . . . . . 82 c) Konkrete Gestaltung des Regelarbeitsmarkts für aFRR und mFRR . . . . . 83 4. Einführung europäischer Plattformen ab 2022 für den gemeinsamen Austausch von aFRR und mFRR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Ergebnis: Rechtsquellen des Regelreservemarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 B. Sonderregelungen im Regelreservemarkt für einzelne Akteure und Technologien . . . 89 C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften . . . . . . . . . 90 I. Vorrang des Unionsrechts und Normwiederholungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Inhaltsverzeichnis

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II. Bedeutung für das Verhältnis der Regelreserve-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Keine Übernahme der neuen europäischen Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Fehlender expliziter Hinweis auf die Einführung eines Regelarbeitsmarkts . . 95 3. Kollisionen des nationalen und des europäischen Rechtsrahmens . . . . . . . . . 96 4. Inkonsistenzen aufgrund nicht widerrufener – teils inhaltlich abweichender – Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 5. Redundanzen der nationalen und europäischen Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . 98 III. Überarbeitungsbedarf und Handlungsempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Ergebnis: Verhältnis der nationalen Regelreserve-Vorschriften zu den europäischen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Teil 3

Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen als regulatorische Steuerungsinstrumente 101

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . 102 I. Regulierungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Regulatorische Steuerungsinstrumente: die Steuerungsfunktion des Rechts . . . . 105 III. Formen der regulatorischen Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Unterscheidung anhand der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Unterscheidung anhand der Wirkung auf den Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Unterscheidung anhand des Umfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Erlass von Sonderregelungen für einzelne Akteure oder Technologien . . . . . . . . 110 V. Systematisierungsansätze und Begrifflichkeiten im Kontext von regulatorischen Steuerungsinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Steuerungssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Steuerungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Steuerungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4. Steuerungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Marktzutrittsregeln als Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Systematisierung von Marktzutrittsregeln anhand der Steuerungsmethode . . . . . 117 1. Produkteigenschaftssteuernde Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Direkte Eigenschaftssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Indirekte Eigenschaftsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Akteurssteuernde Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Mengensteuernde Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

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Inhaltsverzeichnis III. Das Präqualifikationsverfahren als Beispiel für eine Marktzutrittsregel . . . . . . . 124 IV. Ergebnis: Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln . . . . . . . . . . . . . . . 127

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Marktmodalitätenbestimmungen als Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Systematisierung von Marktmodalitätenbestimmungen anhand der Steuerungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Produkteigenschaftssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . 131 2. Akteurssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Marktverhaltenssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Allgemeine Marktverhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Marktspezifische Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 III. Die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen als Beispiel für Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Ergebnis: Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . 140

Teil 4

Normsetzungskompetenz bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 142

A. Dimensionen und Grade der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Hoheitliche und private Normsetzung beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Imperative Regulierung durch Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Wirtschaftssteuerung durch unmittelbares hoheitliches Handeln . . . . . . . . . . 147 a) Formen unionsrechtlicher Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Formen hoheitlicher Normsetzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Zwischenergebnis: Imperative Regulierung durch Hoheitsträger . . . . . . . 149 2. Hoheitliche Normsetzung im Regelreservebereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Überblick über die hoheitlichen Regelungen des Regelreservemarkts . . . 150 b) Vertiefend: Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur . . . . . . 151 aa) Rechtsprechung und herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Andere Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 cc) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 dd) Rechtsnatur der Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts 156 ee) Zwischenergebnis: Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Ergebnis: Hoheitliche Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Inhaltsverzeichnis

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II. Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Wirtschaftssteuerung durch hoheitliches Handeln unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Hoheitliche Normsetzung unter Aufnahme von Elementen privater Regulierung im Regelreservebereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Ausarbeitung und Erlass von Kommissionsleitlinien nach der Strom­ handelZVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Ausarbeitung und Erlass von EU-Netzkodizes nach der StromhandelZVO 166 c) Sonderfälle der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation: Überführung von EU-Netzkodizes in Kommissionsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Zwischenergebnis: Hoheitliches Handeln unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Regulierte Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Wirtschaftssteuerung durch hoheitlich reguliertes Handeln privater Akteure . 173 a) Fehlende demokratische Legitimation privater Akteure . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Normerlass durch private Akteure im Rahmen der sogenannten regulierten Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Das Konzept der regulierten Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Private Normsetzung als Teilaspekt der regulierten Selbstregulierung 178 2. Private Normsetzung im Regelreservebereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Begriffsbestimmung „Ausführungsakt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Verfahrensgang der Ausarbeitung der Ausführungsakte . . . . . . . . . . . . . . 184 c) Rechtsnatur der Ausführungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Erlass der Ausführungsakte als Anwendungsfall der regulierten Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 e) Zwischenergebnis: Private Normsetzung im Regelreservebereich . . . . . . 190 3. Ergebnis: Regulierte Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Teil 5

Höherrangige Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 192

A. Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Primärrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Grundfreiheiten zur Sicherung des grenzüberschreitenden Verkehrs . . . . . . . 195 a) Anwendbarkeit der Grundfreiheiten im Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . 195

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Inhaltsverzeichnis b) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Unionsorgane als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Private als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Meinungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (4) Folge für die Normsetzung durch die ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 dd) Zwischenergebnis: Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . 206 c) „Maßnahme gleicher Wirkung“ durch Präqualifikationsverfahren und Ausschreibungsbedingungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Maßnahme gleicher Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Präqualifikationsbedingungen – Maßnahme gleicher Wirkung? . . . . . 208 cc) Ausschreibungsbedingungen – Maßnahme gleicher Wirkung? . . . . . 210 d) Zwischenergebnis: Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Europäischer Grundrechteschutz der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Unionsorgane als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 cc) Private als Verpflichtungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 dd) Zwischenergebnis: Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . 216 b) Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Schutz der wirtschaftlichen Betätigung von Unternehmen . . . . . . . . . 218 bb) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Eigentumsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer . . . . . . . . . 222 aa) Schutz des Eigentums der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 bb) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Keine Übertragbarkeit der Rechtslage beim Atomausstieg . . . . . . . . . 225 d) Zwischenergebnis: GRCh im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. EU-Wettbewerbsrecht im Kontext privater Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Anwendbarkeit des EU-Wettbewerbsrecht neben dem Energierecht . 228 bb) Exklusivität der Warenverkehrsfreiheit gegenüber den Wettbewerbs­ regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 cc) Normsetzung als wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens . . . . . 230 b) Verbot bezüglich kartellrechtlicher Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . 233

Inhaltsverzeichnis

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c) Schutz vor missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Regelreservemarkt als relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Marktbeherrschende Stellung der ÜNB auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch ÜNB . . . . . . . . 241 dd) Eignung, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen 245 d) Zwischenergebnis: Wettbewerbsrecht (Art. 101 ff. AEUV) . . . . . . . . . . . . 245 4. Ergebnis: Primärrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Verfassungsrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Verhältnis der nationalen zu den europäischen Grundrechten . . . . . . . . . . 250 c) Berufsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . 252 aa) Schutz der Berufsausübung in neuen Tätigkeitsbereichen . . . . . . . . . . 252 bb) Kein Schutz vor Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Drei-Stufen-Theorie des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 dd) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 d) Eigentumsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer . . . . . . . . . 258 aa) Eigentumsschutz für neue Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Eigentumsschutz für am Markt etablierte Unternehmen . . . . . . . . . . . 259 cc) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Zwischenergebnis: Verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 III. Ergebnis: Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 I. Primärrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Allgemeiner Gleichheitssatz zum Schutz vor (Un-)Gleichbehandlungen . . . 265 a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Verbot der ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Diskriminierungsverbot hinsichtlich Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. EU-wettbewerbsrechtliche Aspekte beim Erlass von Sonderregelungen . . . . 272

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Inhaltsverzeichnis a) Kartell- und Missbrauchsverbot als Grenze für die private Normsetzung . 272 b) Beihilferecht als Grenze für die hoheitliche Normsetzung . . . . . . . . . . . . 273 aa) Voraussetzungen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Beihilferechtliche Prüfung von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 cc) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Zwischenergebnis: Primärrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Verfassungsrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 1. Gleichheitsrechtliche Aspekte bezüglich Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . 279 a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Verbot der ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Verbot von Einzelfallgesetzen und Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Anforderungen aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Zwischenergebnis: Verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 III. Ergebnis: Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen . . . 286 I. Einerseits keine Bindungswirkung vieler materiell-rechtlicher Grenzen . . . . . . . 286 II. Andererseits Inbezugnahme zusätzlicher Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Ergebnis: Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Teil 6

Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 292

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern . . . . . . . 292 I. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Festlegungen der Bundesnetzagentur 293 1. Eröffnung des Zivilrechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 2. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Festlegungen der Bundesnetzagentur . 294 a) Beschränkung der Beschwerde auf einzelfallbezogene behördliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Rechtsnaturunabhängige Auslegung des Beschwerdegegenstands . . . . . . 294 3. Beschwerdebefugnis der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 4. Umfang der Beschwerdeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Inhaltsverzeichnis

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5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen formelle und materielle nationale Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Rechtssatzverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG . . . . . . . . 303 III. Unionsrechtlicher Individualrechtsschutz gegen europäische Rechtsakte . . . . . . 305 1. Klageberechtigung der Marktteilnehmer im Rahmen der Nichtigkeitsklage . 305 2. Umfang der Nichtigkeitsentscheidung im Erfolgsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 IV. Ergebnis: Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke von Hoheits­ trägern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke von privaten Akteuren . . . . 308 I. Private Normsetzung mit behördlicher Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Besonderes Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG und Aufsichtsverfahren gemäß §§ 65 ff. EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Drittanfechtungsbeschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Private Normsetzung ohne behördliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Behördlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 a) Besonderes Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . 312 b) Aufsichtsverfahren gemäß §§ 65 ff. EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Zivilgerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 aa) Zivilrechtliche Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . 315 bb) Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (1) AGB-Kontrolle der privaten Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (2) Kartellrechtlicher Beseitigungsanspruch gemäß § 33 GWB i. V. m. Art. 102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Leitlinienspezifische Beschwerdeverfahren zum Schutz vor Rechtsschutzdefiziten 318 1. Statthaftigkeit des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . 319 2. „Beteiligte“ als Beschwerdeführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Verfahrensabschließende Entscheidung durch die zuständige Regulierungs­ behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 4. Rechtsschutz gegen gemeinschaftliche Ausführungsakte mehrerer oder aller europäischen ÜNB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 IV. Ergebnis: Rechtsschutz bezüglich privater Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

18

Inhaltsverzeichnis Teil 7



Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 326

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ausschreibungsverfahren für Frequenzhaltungsreserve FCR (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Abbildung 2: Ausschreibungsverfahren für Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer bzw. manueller Aktivierung (eigene Darstellung) . . . . . . . . . . 88 Abbildung 3: Dimensionen der Urheberschaft (eigene Darstellung, basierend auf Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Abkürzungsverzeichnis ACER

Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER als englisches Akronym für Agency for the Cooperation of Energy Regulators) ACER-VO Verordnung zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER als englisches Akronym für Agency for the Cooperation of Energy Regulators) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aFRR Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung (aFRR als englisches Akronym für automatic Frequency Restoration Reserve) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ApoG Apothekengesetz Ärzte-ZV Ärzte-Zulassungsverordnung BAG Bundesarbeitsgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz BKartA Bundeskartellamt BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BNetzA Bundesnetzagentur BNotO Bundesnotarordnung BuchPrG Buchpreisbindungsgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz ChemG Chemikaliengesetz ChemVerbotsV Chemikalien-Verbotsverordnung DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. EE-Anlage Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EltRL Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie EltVO Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung Europäische Menschenrechtskonvention EMRK ENTSO-E Verband Europäischer Netzbetreiber Strom (ENTSO-E als englisches Akronym für European Network of Transmission System Oper­ ators for Electricity) EnWG Energiewirtschaftsgesetz EuG Europäisches Gericht EuGH Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union EUV

Abkürzungsverzeichnis

21

FCR Frequenzhaltungsreserve (FCR als englisches Akronym für Frequency Containment Reserve) Frequenzwiederherstellungsreserve (FRR als englisches Akronym FRR für Frequency Restoration Reserve) Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT als englisches AkGATT ronym für General Agreement on Tariffs and Trade) Gate Closure Time GCT GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungs­ GL EB system (GL EB als englisches Akronym für Guideline on Electricity Balancing) Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb (GL SO als englisches AkGL SO ronym für Guideline on System Operation) Gate Opening Time GOT GRCh EU-Grundrechte-Charta GVG Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB Horizontal-Leitlinien Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit Hz Hertz Internationaler Netzregelverbund (IGCC als englisches Akronym für IGCC International Grid Control Cooperation) LFR-Zone Leistungs-Frequenz-Regelzone Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung (mFRR mFRR als englisches Akronym für manual Frequency Restoration Reserve) MRL Minutenreserve(-leistung) MW Megawatt MWh Megawattstunde Ökodesign-RL Ökodesign-Richtlinie OLG Oberlandesgericht PBefG Personenbeförderungsgesetz PQ-Bedingungen Präqualifikationsbedingungen PQ-Verfahren Präqualifikationsverfahren PRL Primärregelleistung PRL-Kooperation Primärregelleistungskooperation ProdSG Produktsicherheitsgesetz RR Ersatzreserve (RR als englisches Akronym für Replacement Reserve) RRA Regelreserveanbieter SGB Sozialgesetzbuch SRL Sekundärregelleistung Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der WirtStabG schaft StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StromhandelZVO Stromhandelzugangsverordnung StromNZV Stromnetzzugangsverordnung

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Abkürzungsverzeichnis

SysStabV Systemstabilitätsverordnung TEHG Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz TKG Telekommunikationsgesetz ÜNB Übertragungsnetzbetreiber UrhG Urheberrechtsgesetz UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verb. verbunden(e) VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz ZPO Zivilprozessordnung Im Übrigen richten sich die Abkürzungen nach Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin 2018.

Teil 1

Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts A. Einführung I. Problemstellung und Ziel der Untersuchung Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung, wie wettbewerbliche Märkte zur Erreichung festgelegter politischer Ziele transformiert werden können. Bei der staatlich gelenkten Transformation wettbewerblicher Märkte entfaltet sich ein Spannungsfeld zwischen dem freien Wettbewerb und den regulierenden Eingriffen in den Markt. Einerseits ermöglicht die Privatautonomie den wettbewerblichen Marktteilnehmern eine freie wirtschaftliche Betätigung nahezu ohne hoheitlichen Einfluss, andererseits unterliegen die Marktstrukturen in staatlich gelenkten Transformationsprozessen einer starken Regulierung zugunsten der politisch festgelegten Ziele. Dieses Spannungsfeld zwischen freiem Wettbewerb und regulierenden Eingriffen zugunsten politischer Ziele birgt diverse regulatorische Herausforderungen, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Eine regulatorische Möglichkeit zur Operationalisierung der Systemtransformation ist der Erlass von Marktzutrittsregelungen und Marktmodalitätenbestimmungen.1 Eine Marktzutrittsregel liegt vor, wenn ein Steuerungssubjekt in den Markt eingreift, um bestimmten Akteuren bzw. Produkten den Marktzutritt zu ermöglichen oder aber auch zu verwehren. In anderen Worten: es geht es um Regelungen dafür, welche Akteure bzw. Produkte Zutritt zu einem Markt haben sollten und welche nicht.2 Hingegen wird durch Marktmodalitätenbestimmungen die Rahmenordnung eines gewissen Markts und ein Marktdesign vorgegeben; es geht folglich um die institutionelle Ausgestaltung eines spezifischen Markts. Hierbei beziehen sich die Regelungen unmittelbar auf die Organisation und / oder das Verhalten von aktuellen oder potenziellen Akteuren auf den wirtschaftlichen Märkten.3 Durch 1

Vergleiche vertiefend zu Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Teil 3. Neben den regulatorischen Marktzutrittsregeln bestehen auch ökonomische Marktzutrittsbarrieren wie zum Beispiel strategische und strukturelle Marktzutrittsschranken, vergleiche näher Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 14 ff. Aufgrund des rechtlichen Fokus dieser Arbeit wird nur auf regulatorische Aspekte beim Marktzutritt eingegangen, während die ökonomischen Fragestellungen nicht Untersuchungsgegenstand sind. 3 Fuchs, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. 9–36 (11). 2

24

Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

die beiden Steuerungsinstrumente „Marktzutrittsregeln“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“ kann Einfluss darauf genommen werden, welche Akteure und Produkte bzw. Technologien Zugang zu einem Markt haben und mit welchen Parametern das Marktdesign ausgestaltet ist. In diesem Rahmen besteht die Möglichkeit, die Regelungen einheitlich für alle Marktteilnehmer zu erlassen oder aber als Sonderregelungen, die nur bestimmte Akteure und Produkte bzw. Technologien betreffen, zu implementieren. Untersucht wird in der vorliegenden Dissertation die Frage, wie durch regulatorische Steuerungsmittel eine Systemtransformation in wettbewerblichen Strukturen zugunsten der gesetzten Steuerungsziele erreicht werden kann. Rechtliche Herausforderungen bezüglich der Transformation eines Markts ergeben sich unter anderem, wenn – wie beim Regelreservemarkt – unterschiedliche Organe zugleich in einem Mehrebenensystem in rechtsetzender Funktion tätig sind und / oder wenn der Normsetzungsprozess unter Einbindung privater Einrichtungen bzw. Organisationen stattfindet. Die breite Streuung der Normsetzung auf verschiedene Urheber und Ebenen hat nicht nur Auswirkungen auf die Rechtsnatur und -verbindlichkeit der einzelnen Regelwerke, sondern auch auf die Bindungswirkung der primär- und verfassungsrechtlichen Grenzen beim Erlass der Marktvorschriften sowie auf die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Marktteilnehmer gegen die entsprechenden Regelwerke. Die vorliegende Arbeit widmet sich daher auch den Themenkomplexen der Urheberschaft, den entsprechenden Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sowie den Rechtsschutzmöglichkeiten der Marktteilnehmer. Die Untersuchungen werden stets am Referenzfall des Regelreservemarkts verdeutlicht. Dessen Rechtsrahmen ist als beispielhafte Aufzeichnung für Gestaltungsmöglichkeiten zu verstehen, jedoch lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchung in vielen Aspekten auch auf andere Märkte übertragen, in die zugunsten diverser Steuerungsziele regulierend eingegriffen wird. Regelreserve wird in § 2 Nr. 9  Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV)4 definiert als „diejenige Energie, die zum Ausgleich von Leistungsungleichgewichten in der jeweiligen Regelzone eingesetzt wird“.5 Sie dient der Stabilisierung der Frequenz in Stromnetzen und stellt ein zentrales Element des Netzsicherheitsmanagements dar.6

4

Stromnetzzugangsverordnung vom 25. 07. 2005 (BGBl. I. S. 2243), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3138) geändert worden ist. 5 Während inzwischen in den europäischen Regelwerken der Begriff „Regelreserve“ verwendet wird, herrscht in vielen nationalen Regelwerken noch die inzwischen überholte nationale Terminologie vor. So erfolgt in § 2 Nr. 9 StromNZV die Legaldefinition zum Begriff „Regelenergie“, welcher synonym für Regelreserve verwendet wird. Vergleiche zur entsprechenden Begriffsentwicklung Teil 1 C. II. 1. 6 Regelreserve, früher auch als Regelenergie bezeichnet, wird in einem Ausschreibungsverfahren von den ÜNB beschafft. Eine Einführung erfolgt in Teil 1 A. II.

A. Einführung

25

Angesichts der skizzierten Problemstellung und des Ziels der Untersuchung geht die vorliegende Promotionsarbeit der Beantwortung der folgenden Forschungsfragen nach: 1) Wie kann in wettbewerblichen Märkten durch Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen eine Systemtransformation erzielt werden? 2) Welche Möglichkeiten und Grenzen für Marktzutrittsregeln und Marktmoda­ litätenbestimmungen bestehen im Referenzfall des Regelreservemarkts?

II. Der Regelreservemarkt als Referenzfall Der Regelreservemarkt eignet sich als Referenzfall für die vorliegende Arbeit, da hier eine Transformation eines wettbewerblichen Markts mittels Nutzung von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen stattfindet. Hintergrund für die Transformation des Regelreservemarkts ist die Energiewende, die einen grundlegenden Umbau des deutschen Energiesystems erfordert und insbesondere auf der Umstellung von nuklearen und fossilen Brennstoffen hin zur Nutzung von erneuerbaren Energien basiert.7 Gemäß den in § 1 Abs. 2 Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) 20178 gesetzlich verankerten energiepolitischen Zielen zur Umsetzung der Energiewende im Elektrizitätssektor soll der Strom aus erneuerbaren Energien im Jahr 2025 einen Anteil von 40 bis 45 % am Bruttostromverbrauch, im Jahr 2035 von 55 bis 60 % und bis zum Jahr 2050 mindestens 80 % betragen. Um diese Steigerung des Anteils von Strom aus erneuerbaren Energien sowie den gleichzeitigen Rückgang der Stromproduktion durch Kohle- und Atomkraftwerke bewerkstelligen zu können, bedarf es einer grundlegenden Umgestaltung des Elektrizitätssektors.9 Neben dem Zubau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus er-

7

BMWi, Die Energie der Zukunft, Zweiter Fortschrittsbericht zur Energiewende, Berichtsjahr 2017, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/fortschrittsberichtmonitoring-energiewende.pdf?__blob=publicationFile&v=12 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020); Danner, in: Danner / Kühling, EnWG, Einf. Rn. 32 ff. Die sogenannte Energiewende wurde maßgeblich infolge der Reaktor-Katastrophe von Fuku­ shima im März 2011 angestoßen. Die deutsche Bundesregierung beschloss wenige Monate nach dem nuklearen Unfall den endgültigen Atomausstieg Deutschlands bis 2022 unter gleichzeitigem Anstieg der Nutzung erneuerbarer Energien. Vergleiche für weitergehende Informationen zur Energiewende unter anderem die Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/energiepolitik/153722/energiewende (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 8 Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien vom 21. 07. 2014 (BGBl. I. S. 1066), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I. S. 1719) geändert worden ist. Das EEG 2017 wurde zum 01. 01. 2021 durch das EEG 2021 abgelöst, Erneuerbare-EnergienGesetz vom 21. 07. 2014 (BGBl.  I. S. 1066), das zuletzt durch Artikel  1 des Gesetzes vom 21. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3138) geändert worden ist. 9 Fehling, Die Verwaltung 47/2014, 313–348 (313); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 1 ff.; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 41 f.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

neuerbaren Energien (EE-Anlagen) und dem Netzausbau muss ebenso für die Netzund Systemstabilität zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit Sorge getragen werden.10 Die Systemstabilität der Stromnetze unterliegt infolge der Energiewende in zweierlei Hinsicht Herausforderungen. Einerseits kann die wetterabhängige und damit volatile Einspeisung von Strom aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen Auswirkungen auf die Netzstabilität haben, da es mangels präziser Prognostizierbarkeit zu kurzfristigen Abweichungen vom geplanten Einspeiseverhalten kommen kann.11 Andererseits ist ein Transformationsprozess im Bereich der Systemdienstleistungen, durch welche die Netzstabilität gewährleistet wird, erforderlich, da aufgrund der sinkenden Einsatzzeiten konventioneller Kraftwerke zukünftig die entsprechenden Dienste durch alternative Anbieter erbracht werden müssen.12 Mit der Novelle der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EltRL) 201913 im Rahmen des EU-Winterpakets „Saubere Energie für alle Europäer“14 fand erstmals eine Definition des Begriffs „Systemdienstleistung“ Eingang in das europäische Recht. Gemäß Art. 2 Nr. 48 EltRL 2019 bezeichnet der Ausdruck „Systemdienstleistung“ eine „zum Betrieb eines Übertragungs- oder Verteilernetzes erforderliche Dienstleistung, einschließlich Regelreserve und nicht frequenzgebundener Systemdienstleistungen, jedoch ohne Engpassmanagement“. Systemdienstleistungen sind somit Leistungen, die für ein stabiles und funktionstüchtiges Elektrizitätsnetz sorgen, indem sie Funktionen der Frequenzhaltung, Spannungshaltung, Betriebsführung und des Versorgungswiederaufbaus erfüllen.15 Unter den Systemdienstleistungen kommt der mittels eines Ausschreibungsverfahrens beschafften Regelreserve eine zentrale Bedeutung zu.16 Deren Einsatz

10 Fehling, Die Verwaltung 47/2014, 313–348 (313); Dena, Regelleistungserbringung aus dezentralen Energieanlagen, S. 4; Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 16 ff. 11 Dena, Regelleistungserbringung aus dezentralen Energieanlagen, S. 10. 12 Agricola / Seidl, EW 6/2015, 29–31 (29); Löfken, ne 2/2020, 32–33 (32). 13 Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 06. 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU, ABl. 2019, Nr. L 158/125. Die EltRL 2019 ist gemäß Art. 71 bis zum 31. 12. 2020 in nationales Recht umzusetzen. 14 Vergleiche zu den Änderungen durch das EU-Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ unter anderem den zweiteiligen Aufsatz von Pause / Kahles, ER 1/19, 9–17 und Kahles / Pause, ER 2/2019, 47–52. 15 Dena, Systemdienstleistungen 2030, S. 2; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 51 f. 16 Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 108; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 351, BNetzA, ­Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 4. Die Änderungen infolge der Energiewende betreffen nicht nur die Regelreserve, sondern alle Systemdienstleistungen gleichermaßen. Vergleiche beispielhaft für die Herausforderungen bei der Spannungshaltung infolge des wachsenden Anteils von Erneuerbare-Energien-Anlagen: Halbig, Blindleistung und Erneuerbare-Energien-Anlagen, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 11.

A. Einführung

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dient der Frequenzstabilität im Stromnetz.17 Treten Frequenzschwankungen auf, können diese Gefährdungen oder Störungen für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems verursachen.18 Der Regelreservemarkt bietet sich aus zweierlei Gründen als Referenzbeispiel für die Transformation eines wettbewerblichen Markts an. Zum einen findet hier im Zuge der klima- und energiepolitischen Ziele eine regulierte Umgestaltung der Struktur der Marktteilnehmer und Technologien statt. Traditionell wurde die Systemdienstleistung „Regelreserve“ überwiegend von fossilen Kraftwerken erbracht.19 Da durch die Energiewende jedoch die fossilen Kraftwerke langfristig stillgelegt werden sollen, sind alternative Anbieter für die Erbringung von Regelreserve erforderlich.20 Als neue Akteure kommen insbesondere Erneuerbare-Energien-Anlagen ebenso wie lastflexible Verbraucher und alternative Technologien – zum Beispiel Speicher und Power-to-Heat-Anlagen21 – in Betracht.22 Zudem soll durch den Einzug weiterer Akteure und Technologien die Wettbewerbsintensität und damit die Kosteneffizienz gesteigert werden.23 Angesichts dieser politisch gewünschten Systemtransformation im Regelreservemarkt besteht die Situation, dass 17

Riese / Killius, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 13 Rn. 15. Vergleiche vertiefend zur Funktion und Wirkweise von Regelreserve Teil 1 C. Die Systemstabilitätsverordnung (SysStabV) zielt – wie auch der Einsatz von Regelreserve – ebenfalls auf eine frequenzhaltende Wirkung ab, ist jedoch nicht Teil der vorliegenden Dissertation, da die Zielrichtung der beiden Instrumente unterschiedlich ist. Die SysStabV verpflichtet zur anlagenbezogenen Nachrüstung von bestimmten Erneuerbaren-Energien-Anlagen und Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, damit sich diese auch bei einer Über- oder Unterfrequenz nicht automatisch abschalten. Der Einsatz von Regelreserve soll hingegen bereits das Auftreten einer Über- oder Unterfrequenz im Stromnetz vermeiden. 18 Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 109. 19 Agricola / Seidl, EW 6/2015, 29–31 (29). 20 Vergleiche dazu unter anderem BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 11 ff.; Dena, Systemsicherheit 2050, S. 22 f. Siehe für den Einsatz von Speichern auf dem Regelreservemarkt auch CDU / CSU / SPD, Koalitionsvertrag, 19. Legislaturperiode, März 2018, Zeile 3323 ff., https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4c b2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). Zudem werden die konventionellen Kraftwerke sowie Pumpspeicherkraftwerke nach einer Dena-Studie bis 2030 aufgrund der äußerst geringen Grenzkosten von Erneuerbaren-EnergieAnlagen in Zeiten starken Dargebots aus dem Markt gedrängt und stehen somit für die Erbringung von Regelreserve nicht mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung, vergleiche Dena, Regelleistungserbringung aus dezentralen Energieanlagen, S. 11. 21 Eine Power-to-Heat-Anlage wandelt elektrischen Strom in Wärme um. Die Nutzung solcher Anlagen ist insbesondere dann interessant, wenn aus Stromüberschüssen Wärme erzeugt wird und somit eine Abregelung Erneuerbarer-Energien-Anlagen vermieden wird. Vergleiche zu den Grundlagen von Power-to-Heat ausführlich Eller, Integration erneuerbarer Energien mit Power-to-Heat in Deutschland, S. 7 ff. 22 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), S. 18, 30; Agricola / Seidl, EW 6/2015, 29–31 (30). 23 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), S. 22.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

die regulatorischen Rahmenbedingungen im Wesentlichen an die Anbieterstruktur der „alten“ Energiewirtschaft angepasst und somit nicht auf die Charakteristika der neuen Akteure bzw. Technologien abgestimmt sind.24 Für diese ist der Zutritt in den Regelreservemarkt daher oft durch den regulatorischen Rahmen gehemmt.25 Um im Zuge der Transformation des Energiesystems auch neuen Akteuren und Technologien einen Marktzutritt zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, wurde das Regelreserve-Marktdesign bereits mehrfach überarbeitet.26 Zudem wurden zur besseren Berücksichtigung der spezifischen technischen Fähigkeiten einzelner Technologien Sonderregelungen erlassen.27 Diese umfassen Sonderregelungen für Windenergieanlagen28 sowie für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher.29 Trotz der häufigen Überarbeitung der Regelwerke ist der Transformationsprozess noch nicht abgeschlossen. Zum anderen bietet sich der Regelreservemarkt als geeignetes Referenzbeispiel für die Transformation eines wettbewerblichen Markts an, da hier die Regulierung durch verschiedene Organe bzw. Einrichtungen hoheitlicher und privater Natur erfolgt. Auf nationaler Ebene enthalten Gesetze, Rechtsverordnungen, Festlegungen der Bundesnetzagentur und private Regelwerke der nationalen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Anforderungen an den Regelreservemarkt. Auf europäischer Ebene finden sich Vorschriften zum Regelreservemarkt in Richtlinien, Verordnungen, tertiären Rechtsakten – meist in Form von Kommissionsleitlinien – sowie in privaten Regelwerken von mehreren oder allen europäischen ÜNB.30 Aufgrund dieser Diversität der Normgeber gelten beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen jeweils andere materiell-rechtliche Grenzen des Primär- und Verfassungsrechts, da die einzuhaltenden Schranken unterschiedliche Verpflichtungsadressaten benennen. Dies wirkt sich auch in den Rechtsschutz­ möglichkeiten aus, die je nach handelndem Steuerungssubjekt und seiner Rechts 24 Ludwigs / L anger, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 1a Rn. 16; Dena, Regelleistungserbringung aus dezentralen Energieanlagen, S. 14; BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), S. 22; Fraunhofer IWES, Regelenergie durch Windkraftanlagen, S. 18 ff. 25 Laux, Die Notwendigkeit einer Kapazitätsreserve zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie deren europa- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, S. 19. 26 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 39. Vergleiche ausführlich zur historischen Entwicklung des Regelreserve-Marktdesigns Teil 1 E. 27 Vergleiche hierzu Teil 2 B. 28 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 2.9. 29 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, insbesondere Ziffer 2.6, 3. 1. 6 sowie 3. 2. 2. 30 Auf die einzelnen Regelwerke wird in Teil 2 A. im Zusammenhang mit den Rechtsquellen des Regelreservemarkts sowie in Teil 4 B. im Hinblick auf deren Urheberschaft und Rechtsnatur eingegangen.

B. Gang der Untersuchung

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form differenziert ausfallen. So sind Art und Umfang des Rechtsschutzes unterschiedlich, je nachdem welches Organ bzw. welche Einrichtung die Marktzutrittsregeln und die Marktmodalitätenbestimmungen erlässt. Die Probleme der einzuhaltenden Grenzen sowie des entsprechenden Rechtsschutzes der Marktteilnehmer bei Nichtbeachtung der Grenzen werden exemplarisch am Regelreservemarkt aufgezeigt.

B. Gang der Untersuchung Die vorliegende Dissertation ist in sieben Teile gegliedert. Der erste Teil dient der Einführung in die Grundlagen des Regelreservemarkts. Im Mittelpunkt stehen die Erläuterungen zur Funktion und Wirkweise von Regelreserve sowie deren Einsatz zur Frequenzhaltung im Stromnetz. Zudem werden Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen zu ähnlichen Begriffen vorgenommen. Nach der Darstellung der einzelnen Produktqualitäten der Regelreserve sowie deren jeweiligen technischen Anforderungen erfolgt eine Untersuchung der historischen Entwicklung des Regelreservemarkts, die sich in die Phasen „Liberalisierung“, „klimaschutzpolitische Transformation“ und „Europäisierung“ einteilen lässt. Abschließend wird das Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerb und Regulierung im Regelreservemarkt aufgezeigt und dessen Charakter als „Markt“ diskutiert. Im zweiten Teil wird der Rechtsrahmen des Regelreservemarkts erläutert. Infolge der Europäisierung erstrecken sich die Rechtsquellen inzwischen auf eine nur noch schwer zu überblickende Vielzahl von Regelwerken, die von unterschiedlichen Organen bzw. Einrichtungen hoheitlicher und privater Natur im nationalen und europäischen Mehrebenensystem erlassen wurden. In diesem Abschnitt wird insbesondere auf die Rechtsquellen des Präqualifikationsverfahrens sowie des Ausschreibungsverfahrens eingegangen. Zudem erfolgt eine Untersuchung des Verhältnisses der nationalen Vorschriften bezüglich der Regelreserve zu den entsprechenden Anforderungen im Unionsrecht. Im weiteren Verlauf wird die Frage adressiert, welche Gestaltungs- und Fortentwicklungsmöglichkeiten für den Rechtsrahmen des Regelreservemarkts bestehen. Hierbei werden unter anderem die einfachgesetzlichen Anforderungen an die Gestaltung des RegelreserveMarktdesigns, die Pflicht zur Anpassung des Rechtsrahmens an den technischen Fortschritt sowie die höherrangigen Anforderungen an den Erlass von Sonderregelungen aufgezeigt. Der dritte Teil widmet sich den Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, die als regulatorische Steuerungsinstrumente fungieren. Während zunächst Begrifflichkeiten, die Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten sowie mögliche Systematisierungsansätze skizziert werden, werden im Anschluss Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen mehrperspektivisch beleuchtet. In diesem Kontext wird zuerst jeweils deren Steuerungsfunktion aufgezeigt, in einem zweiten Schritt eine Systematisierung anhand der

30

Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

Steuerungsmethode durchgeführt und abschließend deren jeweilige Bedeutung für den Regelreservemarkt dargestellt. Der vierte Teil behandelt Aspekte rund um die Urheberschaft von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Frage, welche Organe und Einrichtungen zum Erlass von Rechtsnormen und Regelwerken ermächtigt sind. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Anforderungen an die unterschiedlichen Formen der Regulierung sowie mögliche Beteiligungsformen Privater bei der Ausarbeitung von Regelwerken aufgezeigt. Die Ausführungen werden mit konkreten Beispielen aus dem Regelreservemarkt angereichert, da im Regelreservemarkt inzwischen zu großen Teilen auf den Regelwerkerlass durch private Organisationen zurückgegriffen wird und der Markt somit nicht mehr nur von hoheitlichen Rechtsnormen, sondern in zunehmendem Maße von privaten Regelwerken gestaltet wird. Teil 5 zeigt die zentralen primär- und verfassungsrechtlichen Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen am Beispiel des Regelreservemarkts auf. Hierbei wird zunächst unterschieden, ob es sich um allgemeine, für alle Marktteilnehmer geltende Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen handelt oder um Sonderregelungen für einzelne Technologien und Akteure. Untersucht werden die für den Regelreservemarkt wesentlichen materiell-rechtlichen Grenzen des Primär- und des Verfassungsrechts. Neben den abstrakten Ausführungen wird stets die Bedeutung der jeweiligen Grenzen für den Regelreservemarkt beleuchtet. Der sechste Teil behandelt inhaltlich daran anschließend die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den potenziellen neuen sowie den bisherigen Marktteilnehmern zustehen, sofern die Regelwerke die in Teil 5 aufgezeigten Grenzen nicht einhalten. Hier liegt insbesondere der Fokus auf dem Rechtsschutz gegen privatrechtliche Regelwerke. Im siebten Teil  erfolgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Thesen.

C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve Dieses Kapitel behandelt die Frage danach, welche Funktion die Regelreserve im Stromnetz einnimmt und wie sie eingesetzt wird (I.). Zudem werden verschiedene Begriffe definiert (II.) und zu nahestehenden Mechanismen abgegrenzt (III.).

C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve

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I. Einsatz von Regelreserve zur Frequenzstabilität Regelreserve stellt durch ihre frequenzstabilisierende Funktion ein zentrales Element des Netzsicherheitsmanagements dar.31 Sie ist eine marktbezogene Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2  Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)32,33 deren Beschaffung dem Bereich der Systemverantwortung der ÜNB unterliegt.34 Die ÜNB, denen die Aufgabe eines sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs zukommt, sorgen im Rahmen des Systemausgleichs gemäß Art. 2 Nr. 10 Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung (EltVO)35 dafür, dass „die Netzfrequenz in einem vorbestimmten Stabilitätsbereich bleibt und die Menge der für die erforderliche Qualität benötigten Reserven eingehalten wird“. Ein stabiles Stromnetz setzt zur Gewährleistung der netzseitigen Versorgungssicherheit neben einer permanenten Spannungshaltung eine stabile Netzfrequenz von 50 Hertz (Hz) voraus.36 Diese ist nur dann gewährleistet, wenn sich Stromeinspeisung und -verbrauch stets die Waage halten und in einem (physikalischen) Gleichgewicht befinden.37 Folglich muss für eine konstante Frequenz von 50 Hz die erzeugte und in das Stromnetz eingespeiste Strommenge dem tatsächlichen Verbrauch entsprechen.38 Liegt ein Ungleichgewicht vor, hat dies eine Frequenzabweichung zur Folge. Wird zum Beispiel mehr Strom eingespeist bzw. weniger verbraucht als fahrplanmäßig angemeldet, kommt es zu einer Überspeisung des Stromnetzes, welche in eine Frequenzerhöhung resultiert.39 Dies kann unter anderem bedingt sein durch ein erhöhtes, nicht prognostiziertes Windaufkommen, da in diesem Fall mehr Strom als angemeldet erzeugt wird, oder durch den unerwarteten Ausfall eines großindustriellen Verbrauchers mit der Folge, dass der tatsächliche Verbrauch hinter dem erwarteten zurückbleibt.40 Umgekehrt kann es 31

Riese / Killius, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 13 Rn. 13. Energiewirtschaftsgesetz vom 07. 07. 2005 (BGBl.  I. S. 1970, 3621), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3138) geändert worden ist. 33 In den nationalen Regelwerken herrscht überwiegend noch die inzwischen europarechtlich überholte Terminologie vor. Daher erfolgt in § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG die Verwendung des Ausdrucks „Regelenergie“ anstelle des europäischen Begriffs „Regelreserve“. Vergleiche zur Begriffsentwicklung Teil 1 C. II. 1. 34 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 108 und 172. 35 Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 06. 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. 2019, Nr. L 158/54. 36 VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen), Version 1.1, August 2007, Abschnitt 3. 3. 11.1.; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 108. 37 De Wyl / Thole / Bartsch, in: Schneider / Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 16 Rn. 418; König, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 13 Rn. 68. 38 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 36; Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, S. 4. 39 Hartmann / Weise, in: Danner / Kühling, EnWG, § 13 Rn. 21; Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 108. 40 Halbig, EnWZ Aktuell 8–9/2017, VII (VII). 32

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

zu einer Unterspeisung des Stromnetzes kommen, wenn fahrplanabweichend weniger Strom erzeugt bzw. mehr Strom verbraucht wird.41 Ursachen können beispielsweise unvorhergesehene Windflauten oder ein Kraftwerksausfall sein.42 In diesem Fall sinkt die Netzfrequenz. Frequenzabweichungen können zu Gefährdungen oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems führen und schließlich Stromausfälle verursachen.43 Um eine Frequenzabweichung und damit einhergehende Gefährdungen des Energieversorgungssystems zu verhindern, wird Regelreserve eingesetzt. Hierbei wird zwischen positiver und negativer Regelreserve44 unterschieden. Während positive Regelreserve dazu dient, eine Unterspeisung auszugleichen, wird negative Regelreserve bei einer Überspeisung eingesetzt.45 Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass entweder zusätzliche Strommengen eingespeist bzw. Lasten vom Netz genommen werden, letztere durch gegenteilige Maßnahmen. Regelreserve kann folglich sowohl von Stromerzeugungsanlagen als auch von Lastseite wie beispielsweise von (großindustriellen) Verbrauchern bereitgestellt werden.46

II. Begrifflichkeiten Obwohl oftmals vom Regelreservemarkt die Rede ist, besteht streng genommen nicht ein Regelreservemarkt als solcher, sondern dieser setzt sich aus den Märkten für drei Produktqualitäten (Frequenzhaltungsreserve, automatisch und manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve)47 zusammen.48 Zudem werden die jeweiligen Märkte nochmals in einen Regelleistungs- und einen Regelarbeitsmarkt unterteilt.49 Die Differenzierung dieser beiden Märkte wurde in dieser Prägnanz erstmals durch die Kommissionsleitlinie Guideline on Electricity Balancing (GL EB)50 eingeführt, die am 23. 11. 2017 im Komitologieverfahren von der europäischen Kommission verabschiedet wurde und als EU-Verordnung unmittelbare

41

Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 259. Sötebier, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 13 Rn. 87. 43 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 36; Weindl, Junior Management Science 1/2016, 275–300 (277). 44 Synonym hierzu wird in den europäischen Rechtstexten von „Aufwärts- und Abwärtsregelung“ gesprochen. 45 Sauer, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, Rn. 28 StromNZV. 46 Ehricke / Breuer, RdE 10–11/2010, 309–316 (309). 47 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 48 Meeus / Schittekatte, Introduction to network tariffs and network codes, S. 30, online verfügbar unter http://cadmus.eui.eu/handle/1814/51326 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 49 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 6, online verfügbar unter http:// cadmus.eui.eu/handle/1814/51326 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 50 Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, ABl. 2017, Nr. L 312/6. 42

C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve

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Geltung entfaltet.51 In diesem Zusammenhang schreibt unter anderem Art. 19 ff. Guideline on Electricity Balancing vor, dass Regelarbeit zukünftig auf einem separaten Regelarbeitsmarkt ausgetauscht werden soll. Für ein besseres Verständnis der verschiedenen Märkte und deren unterschiedliche Funktionen sollen im Folgenden die Begriffe „Regelreserve“, „Regelleistung“ und „Regelarbeit“ erläutert werden. 1. Regelreserve Der Begriff der „Regelreserve“ wird als Oberbegriff für Regelleistung und Regelarbeit verstanden. Dies erfolgt im Einklang mit der entsprechenden Definition in Art. 2 Abs. 3 Guideline on Electricity Balancing, wonach Regelreserve „die Bereitstellung von Regelarbeit und / oder Regelleistung“ bezeichnet. In der vorliegenden Arbeit wird daher der Begriff der „Regelreserve“ immer dann genutzt, wenn es nicht erforderlich ist, zwischen Regelleistung und Regelarbeit zu unterscheiden. Im nationalen energierechtlichen Kontext galt bisher eine hiervon abweichende Terminologie. So wurde ursprünglich als Oberbegriff von Regelleistung und Regelarbeit der Begriff der „Regelenergie“ verwendet, die in § 2 Nr. 9 StromNZV definiert wird.52 Im nationalen energiewirtschaftlichen System ist grundsätzlich der Begriff der „Regelenergie“ präziser als der Ausdruck „Regelreserve“, denn unter Reservemaßnahmen werden gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG überwiegend solche Leistungen verstanden, die von Erzeugungskapazitäten im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (also außerhalb des Strommarkts) erbracht werden. Diese kommen erst subsidiär zu marktbezogenen Maßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG – wie zum Beispiel Regelreserve – zum Einsatz.53 Bei Regelreserveanbietern handelt es sich jedoch um Akteure des Strommarkts, die im Rahmen des Energy-Only-Markts54 marktbezogene Maßnahmen bereitstellen, mithin gerade nicht um Anbieter von Reservemaßnahmen.55 Daher ist der Begriff der „Regel­ 51

Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 52 Regelenergie ist „diejenige Energie, die zum Ausgleich von Leistungsungleichgewichten in der jeweiligen Regelzone eingesetzt wird“. 53 Vergleiche hierzu BT-Drs. 18/7317, S. 3, sowie zum Verhältnis ausdrücklich § 7 Abs. 2 der Netzreserveverordnung und § 25 Abs. 2 S. 2 der Reservekapazitätsverordnung. 54 Auf einem Energy-Only-Markt erhalten die Stromerzeuger ausschließlich für die physisch gelieferte Energie eine Vergütung, während dementgegen bei Kapazitätsmärkten auch die bloße Vorhaltung von Kapazitäten vergütet, siehe Preuß, Die Vereinbarkeit von Kapazitätsmechanismen mit der Warenverkehrsfreiheit, dem europäischen Beihilferecht und dem Energiebinnenmarkt, S. 15. 55 Obwohl beim Regelleistungsmarkt die Vorhaltung von Regelreserve im Vordergrund steht, ist der Regelreservemarkt insgesamt dem Energy-Only-Markt zuzuordnen, Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 171; Laux, Die Notwendigkeit einer Kapazitätsreserve zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie deren europa- und verfassungsrechtliche Zulässigkeit, S. 23.

34

Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

reserve“ irreführend. Um allerdings die neue europäische Terminologie der unmittelbar geltenden Kommissionsleitlinien und Elektrizitätsbinnenmarkt-Regelungen zu übernehmen, wird im Folgenden unbeschadet dessen einheitlich der Begriff der „Regelreserve“ verwendet – es sei denn, es handelt sich um wörtliche Zitate der nationalen Rechtstexte. 2. Regelleistung Der Begriff „Regelleistung“ betrifft die Leistungsvorhaltung,56 das heißt die Verpflichtung des Anlagenbetreibers, seine Anlage bereitzuhalten und im Bedarfsfall Regelreserve zur Verfügung zu stellen.57 Eine Legaldefinition der im Eng­ lischen als „balancing capacity“ bezeichneten Leistungsvorhaltung findet sich – bis auf einige terminologische Unterscheidungen – wortgleich sowohl in der Guideline on Electricity Balancing als auch in der EltVO. Die Guideline on Electricity Balancing versteht darunter gemäß Art. 2 Abs. 5 das „Volumen der Reservekapazität, zu dessen Bereithaltung sich ein Regelreserveanbieter verpflichtet hat und in Bezug auf das er sich verpflichtet hat, während der Vertragslaufzeit Gebote für ein entsprechendes Regelarbeitsvolumen an den ÜNB abzugeben“. Die EltVO definiert in Art. 2 Nr. 13 Regelleistung nahezu wortgleich als „das Volumen der Kapazität, zu dessen Bereithaltung sich ein Regelreservedienstleister verpflichtet hat und in Bezug auf das er sich verpflichtet hat, während der Vertragslaufzeit Gebote für ein entsprechendes Regelreservevolumen an den ÜNB abzugeben“.58 3. Regelarbeit Regelarbeit ist die tatsächlich abgerufene Regelreserve. Maßgeblich ist also der konkrete Einsatz der vorgehaltenen Leistung im Falle einer situativen Frequenzabweichung. Auch hier befinden sich sowohl in der Guideline on Electricity Bal­ ancing als auch in der EltVO nahezu wortgleiche Legaldefinitionen für die sogenannte „balancing energy“, welche in der Guideline on Electricity Balancing und der EltVO mit „Regelarbeit“ übersetzt wird.59 Art. 2 Abs. 4 Guideline on Electricity 56 https://www.50hertz.com/de/Maerkte/Regelenergie/Regelarbeit (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 57 Ehricke / Breuer, RdE 10–11/2010, 309–316 (310); Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 52. 58 In den frühen deutschen Entwurf-Fassungen der EltVO wurde der Begriff „balancing capacity“ noch mit „Regelenergiekapazität“ übersetzt. Erst in den späteren Fassungen wurde die deutsche Übersetzung derjenigen der Guideline on Electricity Balancing angepasst und mit „Regelleistung“ übersetzt. 59 In den frühen deutschen Entwurf-Fassungen der EltVO wurde der Begriff „balancing energy“ noch missverständlicher Weise mit „Regelenergie“ übersetzt. Erst in den späteren Fassungen wurde die deutsche Übersetzung derjenigen der Guideline on Electricity Balancing angepasst und mit „Regelarbeit“ übersetzt.

C. Funktion und Wirkweise der Regelreserve

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Balancing legaldefiniert „Regelarbeit“ als „die von einem Regelreserveanbieter bereitgestellte und von ÜNB für den Systemausgleich genutzte Energie“. Die EltVO sieht in Art. 2 Nr. 11 folgende, im Gegensatz zur Guideline on Electricity Balancing leicht verkürzte Definition vor: „Regelarbeit bezeichnet die von den ÜNB für den Ausgleich eingesetzte Energie“. Regelreserveanbieter, die in der Ausschreibung für Regelleistung einen Zuschlag erhalten haben, sind verpflichtet, auch ein Gebot auf dem Regelarbeitsmarkt abzugeben.60

III. Abgrenzung zur Ausgleichsenergie Von der Regelreserve ist die Ausgleichsenergie abzugrenzen. Die beiden Begriffe stehen zwar in einem engen Verhältnis zueinander, unterscheiden sich jedoch bezüglich ihrer Aufgaben. Regelreserve dient – wie oben erläutert – der Aufrechterhaltung der Frequenz bei 50 Hz durch einen physikalischen Ausgleich.61 Ausgleichsenergie hingegen betrifft das bilanzielle Leistungsungleichgewicht in den Bilanzkreisen:62 In jeder Regelzone sind gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 StromNZV von einem oder mehreren Netznutzern Bilanzkreise zu bilden. Der jeweilige Bilanzkreisverantwortliche ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StromNZV für eine ausgeglichene Bilanz zwischen Einspeisungen und Entnahmen innerhalb seines Bilanzkreises zu jeder Viertelstunde verantwortlich.63 Dabei sind die geplanten Entnahmen und Einspeisungen im Rahmen eines Fahrplans durch den Bilanzkreisverantwortlichen für jede Viertelstunde des Tages bei den zuständigen ÜNB anzumelden.64 Bilanzielle Abweichungen der tatsächlichen Entnahme- und Einspeisesituation vom angemeldeten Fahrplan werden durch Ausgleichsenergie verrechnet, die gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 StromNZV den Bilanzkreisverantwortlichen durch die ÜNB in Rechnung gestellt wird.65 Die bilanziellen Leistungsungleichgewichte der jeweiligen Bilanzkreise bzw. Regelzonen werden anschließend durch die ÜNB saldiert.66 60

Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 58. Sösemann, in: Greb / Boewe, EEG, § 3 Nr. 10 EEG Rn. 13. 62 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 249. 63 Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 110. 64 De Wyl / Thole / Bartsch, in: Schneider / Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 16 Rn. 244. 65 Growitsch / Müller / Remmerstorfer, in: Tschochohei, Governance und Marktdesign, S. 129–150 (131); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 53 f. 66 Seit Einführung des Netzregelverbunds durch die Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-08-111 vom 16. 03. 2010 wird die entsprechende Saldierung nicht mehr regelzonenintern, sondern regelzonenübergreifend durchgeführt (Modul 1 des Netzregelverbunds). Dadurch wird vermieden, dass eine Regelzone positive Regelarbeit einsetzen müsste, während eine andere aufgrund eines Leistungsüberschusses negativer Regelarbeit bedarf. Ergebnis dieser regelzonenübergreifenden Saldierung ist die Reduktion gegenläufiger Abrufe von Regelarbeit („Gegeneinanderregeln“) und den damit einhergehenden Kosten. Siehe zum Netzregelverbund https://www.regelleistung.net/ext/static/gcc (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). Die vier Regelzonen bestehen trotz Netzregelverbunds weiterhin eigenständig fort, Ehring, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 22 Rn. 51. 61

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

Nur der gegebenenfalls verbleibende Rest-Saldo wird anschließend in einem zweiten Schritt physikalisch durch den Einsatz von Regelarbeit ausgeglichen.67 Zusammenfassend betreffen Regelreserve und Ausgleichsenergie somit beide Leistungsungleichgewichte, erstere das physikalische Gleichgewicht im Stromnetz, letztere das bilanzielle Gleichgewicht im Bilanzkreis.

D. Produktqualitäten der Regelreserve Regelreserve wird in verschiedenen Produktarten, den sogenannten Produktqualitäten, ausgeschrieben. Bisher erfolgte in Deutschland eine Unterteilung in „Primärregelleistung“ (PRL), „Sekundärregelleistung“ (SRL) und „Minutenreserve“68 (MRL). Die einzelnen Produkte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten und technischen Anforderungen. Beim Eintritt von Frequenzschwankungen gleicht die Primärregelleistung das Leistungsungleichgewicht in den ersten Sekunden bzw. Minuten aus, danach kommt ergänzend die Sekundärregelleistung zum Einsatz und, sofern die Schwankung länger als 15 Minuten andauert, anschließend die Minutenreserve.69 Durch die in Form von EU-Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation (GL SO)70 wurden die bisher überwiegend national organisierten Regelreservemärkte der europäischen Mitgliedstaaten miteinander verbunden.71 So führten die Guideline on Electricity Balancing und die Guideline on System Operation partiell harmonisierende Vorschriften für die Regelreservebeschaffung und den -abruf ein, um schrittweise eine europäische Integration der mitgliedstaatlichen Regelreservemärkte zu erreichen.72 Infolge der (Teil-)Harmonisierung der europäischen Regelreservemärkte sehen die Guideline on Electricity Balancing und die Guideline on System Operation auch eine Mindestharmonisierung der in Europa verfügbaren

67

Sauer, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, Rn. 37 StromNZV; De Wyl / T hole / Bartsch, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 16 Rn. 419; Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 54; Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 36. 68 Minutenreserve wird teilweise auch als Minutenreserveleistung bezeichnet. 69 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 255. 70 Verordnung (EU) 2017/1485 der Kommission vom 02. 08. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb, ABl. 2017, Nr. L 220/1. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Ausarbeitung, dem Erlass und der Rechts­natur von Kommissionsleitlinien erfolgt in Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. Inhaltliche Bezüge auf die für den Regelreservemarkt zentralen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity ­Balancing und Guideline on System Operation finden sich durchgängig in der gesamten Arbeit. 71 Fritsche / Gerecht, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 5. 72 Vergleiche Art. 3 Abs. 1 lit. c) Guideline on Electricity Balancing sowie die Erwägungsgründe (4) und (5) Guideline on Electricity Balancing.

D. Produktqualitäten der Regelreserve

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Produktqualitäten vor. Dazu werden von allen europäischen ÜNB harmonisierte Standardprodukte für Regelreserve entwickelt.73 Diese gelten grundsätzlich für alle europäischen Mitgliedstaaten, teilweise besteht jedoch ein Gestaltungsspielraum der ÜNB bei der nationalen Ausgestaltung74 bzw. die Möglichkeit punktueller nationaler Abweichungen von grundsätzlich einheitlichen technischen Anforderungen.75 Darüber hinaus kann gemäß Art. 26 Abs. 1 lit. b) Guideline on Electricity Balancing jeder ÜNB spezifische Produkte entwickeln, sofern die Standardprodukte nicht ausreichen, um die Betriebssicherheit oder das Gleichgewicht im System effizient zu gewährleisten, oder einige Regelreserveressourcen nicht über die Standardprodukte am Regelarbeitsmarkt teilnehmen können.76 Die Integration der jeweiligen Regelreservemärkte war begleitet von der Einführung einer neuen Terminologie hinsichtlich der Produktqualitäten. Derzeit werden in der energiewirtschaftlichen Literatur sowohl die neuen englischen als auch die bisherigen deutschen Bezeichnungen alternativ verwendet.77 Die deutsche Primärregelleistung wird fortentwickelt durch die sogenannte Frequenzhaltungsreserve (frequency containment reserve – FCR). Neu eingeführt wurde das europäische Produkt der Frequenzwiederherstellungsreserve (frequency restoration reserve – FRR), das sich wiederum in die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung (frequency restoration reserve with automatic activation  – aFRR, im Folgenden auch als automatisch aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve bezeichnet) sowie die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung (frequency restoration reserve with manual activation – mFRR, im Folgenden auch als manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve bezeichnet) aufteilt.78 Dabei ähnelt die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung „aFRR“ der deutschen Sekundärregelleistung und die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ der deut-

73

Vergleiche Art. 25 Guideline on Electricity Balancing i. V. m. Art. 2 Abs. 28 Guideline on Electricity Balancing. 74 Vergleiche zum Beispiel Art. 6 Abs. 4 des Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, 18. 12. 2018 (mFRR-Umsetzungsrahmen). Art. 20 Guideline on Electricity Balancing sieht die Errichtung einer europäischen Plattform für den Austausch von manuell aktivierter Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR vor. Diese ist von allen europäischen ÜNB zu entwickeln, wozu sie einen Umsetzungsrahmen („implementation framework“) ausarbeiten. Vergleiche vertiefend zu den Umsetzungsrahmen für den aFRR- und mFRR-Regelarbeitsmarkt Teil 2 A. II. 4. 75 Vergleiche zum Beispiel Art. 25 Abs. 4 Guideline on Electricity Balancing. 76 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 51. 77 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, S. 13. 78 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 50.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

schen Minutenreserve.79 In der vorliegenden Arbeit werden die entsprechenden deutschen und englischen Begriffe jeweils synonym verwendet. Die im Folgenden aufgeführten Begriffsdefinitionen sind in Art. 3 Abs. 2 Guide­ line on System Operation für diese Kommissionsleitlinie festgelegt, finden gemäß Art. 2 S. 1 Guideline on Electricity Balancing jedoch auch auf diese Anwendung.

I. Frequenzhaltungsreserve „FCR“ (Primärregelleistung) In Art. 154 der Guideline on System Operation werden die technischen Mindestanforderungen an die Frequenzhaltungsreserve festgelegt. Tritt eine Frequenzabweichung im Stromnetz auf, muss die Aktivierung der Frequenzhaltungsreserve Art. 154 Abs. 7 lit. a) Guideline on System Operation „so bald wie möglich beginnen“. Die Funktion der Frequenzhaltungsreserve liegt in der Stabilisierung des IstWertes der Frequenz und soll eine weitere Abweichung verhindern.80 Dies ergibt sich aus der Begriffsdefinition in Art. 3 Abs. 2 Nr. 6 Guideline on System Operation, die die Frequenzhaltungsreserve als „die zur Stabilisierung der Netzfrequenz nach dem Auftreten eines Ungleichgewichts zur Verfügung stehenden Wirkleistungsreserven“ bezeichnet.81 Konkret legt die in Form einer Verordnung erlassene und somit unmittelbar geltende Guideline on System Operation82 in Art. 154 Abs. 7 lit. b) und c) i. V. m. Anhang V für Kontinentaleuropa fest, dass bei einer Frequenzabweichung von mindestens 200 mHz die bezuschlagten Regelreserveanbieter spätestens nach 15 Sekunden mindestens 50 % der vollständigen angebotenen Frequenzhaltungsreserve und nach spätestens 30 Sekunden 100 % der angebotenen Frequenzhaltungsreserve FCR erbringen müssen. Die Zeit bis zur vollständigen Aktivierung der Frequenzhaltungsreserve FCR darf somit 30 Sekunden ab Auftritt der Frequenzabweichung nicht überschreiten.83 Zudem muss sie über 15 Minuten hinweg kontinuierlich erbracht werden können.84 Gemäß Art. 154 Abs. 6 Guideline on System Operation erfolgt die Aktivierung der Frequenzhaltungsreserve FCR automatisiert bei einer auftretenden Frequenzabweichung. Weitere Vorschriften zur Bereitstellung der Frequenzhaltungsreserve FCR, insbesondere zur Verfügbar 79

Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 12. 80 Meeus / Schittekatte, Introduction to network tariffs and network codes, S. 29. 81 In § 2 Nr. 8 StromNZV wird die Primärregelung (PRL) definiert als „die im Sekundenbereich automatisch wirkende stabilisierende Wirkleistungsregelung der synchron betriebenen Verbundnetze durch Aktivbeitrag der Kraftwerke bei Frequenzänderungen und Passivbeitrag der von der Frequenz abhängigen Lasten.“ 82 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 83 Fraunhofer IWES, Regelenergie durch Windkraftanlagen, S. 21. Diese Studie befindet sich auf dem Stand von März 2014 und wurde somit vor Inkrafttreten der Kommissionleitlinien verfasst. Durch die Guideline on System Operation hat sich hinsichtlich des Aktivierungszeitraums jedoch nur die Rechtsgrundlage, nicht aber die zeitliche Dimension geändert. 84 Löfken, ne 2/2020, 32–33 (32).

D. Produktqualitäten der Regelreserve

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keit, Besicherung der Leistungserbringung85 und Kommunikation sind in Art. 156 der Guideline on System Operation enthalten.

II. Frequenzwiederherstellungsreserve „FRR“ Die zwei Formen der Frequenzwiederherstellungsreserven „FRR“ ergänzen bei länger anhaltenden Frequenzabweichungen die Frequenzhaltungsreserve. Sie dienen dazu, die Frequenz wieder auf den Soll-Wert zurückzuführen und werden daher in Art. 3 Abs. 2 Nr. 7 Guideline on System Operation definiert als „die Wirkleistungsreserven, die zur Verfügung stehen, um die Netzfrequenz auf ihren Nennwert zu regeln bzw. um in einem Synchrongebiet, das mehr als eine LFRZone86 umfasst, den Ist-Leistungsaustausch auf den Soll-Leistungsaustausch zu regeln.“ Die in Art. 158 Guideline on System Operation geregelten technischen Mindestanforderungen für die Anbieter von FRR enthalten sowohl allgemeine Bestimmungen für die Frequenzwiederherstellungsreserven als auch spezifische Regelungen für die Untergruppen der automatischen (1.) und der manuellen (2.) Frequenzwiederherstellungsreserven. 1. Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung „aFRR“ (Sekundärregelleistung) Die Reaktionszeit einer Anlage auf den Eintritt der Frequenzabweichung darf im Rahmen der Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Akti­ vierung „aFRR“ maximal 30 Sekunden betragen.87 Eine vollständige Aktivierung der aFRR muss spätestens innerhalb von 5 Minuten erfolgen.88 Dies ergibt sich ab 2022 aus dem europaweit harmonisierten Standardprodukt für aFRR, dessen Merkmale in Art. 6 des Umsetzungsrahmens für aFRR (Entwurf)89 festgelegt 85 Die Besicherung dient dem Fall des technischen Versagens der vorgehaltenen Anlagen und erfolgt über präqualifizierte Anlagen des Regelreserveanbieters oder Dritter, die nicht zugleich bei den Regelreserveausschreibungen kontrahiert sind. 86 LFR-Zone wird in Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 Guideline on System Operation definiert als „Leistungs-Frequenz-Regelzone“ oder „LFR-Zone“, was einen Teil eines Synchrongebietes oder ein vollständiges Synchrongebiet bezeichnet, der / das durch Messpunkte an Verbindungsleitungen mit anderen LFR Zonen abgegrenzt ist und von einem oder mehreren ÜNB betrieben wird, der / die die Verpflichtungen zur Leistungs- Frequenzregelung erfüllt / erfüllen. 87 Art. 158 Abs. 1 lit. d) Guideline on System Operation. 88 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 172. 89 Art. 21 Guideline on Electricity Balancing sieht die Errichtung einer europäischen Plattform für den Austausch von automatisch aktivierter Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR vor. Diese ist von allen europäischen ÜNB zu entwickeln, wozu sie einen Umsetzungsrahmen („implementation framework“) ausarbeiten. Die Standardprodukte des aFRR-Umsetzungsrahmens werden auf Grundlage der Art. 21 Abs. 3 lit. i), Art. 25 Guideline on Electricity Balancing erlassen. Vergleiche vertiefend zu den Umsetzungsrahmen für den aFRR- und mFRR-Regelarbeitsmarkt Teil 2 A. II. 4.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

wurden.90 Bis zum Jahr 2022 findet keine europäische Harmonisierung der Anforderungen hinsichtlich der Zeit bis zur vollständigen Aktivierung für die Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR statt, weshalb weiterhin die nationalen Regelungen Anwendung finden.91 Da jedoch auch aktuell nach deutscher Rechtslage die Sekundärregelleistung innerhalb von 5 Minuten vollständig aktiviert sein muss,92 tritt durch die europaweite Harmonisierung keine Änderung diesbezüglich ein. Den deutschen Regelungen entsprechend ist aFRR 15 Minuten lang kontinuierlich zu erbringen und wird anschließend von der mFRR abgelöst.93 Die europäischen ÜNB haben beschlossen, den Mindesterbringungszeitraum für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung nicht europarechtlich zu harmonisieren, weshalb diesbezüglich (vorerst) keine Änderungen zu erwarten sind.94 Die Aktivierung der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR erfolgt – wie der Name bereits vermuten lässt – automatisch, was jedoch in Art. 3 Abs. 2 Nr. 99 Guideline on System Operation nochmals explizit klargestellt wird (automatische FRR „bezeichnet FRR, die mithilfe eines automatischen Reglers aktiviert werden können“). 2. Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ (Minutenreserve) Auf der dritten Stufe wird die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ eingesetzt, die der Minutenreserve ähnelt.95 Diese muss derzeit innerhalb von 15 Minuten,96 ab Einführung der Standardprodukte im Rahmen

90

Gleichfalls verpflichtet Art. 157 Abs. 2 lit. c) Guideline on System Operation die ÜNB, die Zeit bis zur vollständigen automatischen FRR-Aktivierung festzulegen. 91 ENTSO-E, Explanatory Document to All TSOs’ proposal for the implementation framework for a European platform for the exchange of balancing energy from frequency restora­ tion reserves with automatic activation in accordance with Article 21 of Commission Regulation (EU) 2017/2195 of 23 November 2017 establishing a Guideline on electricity balancing, 20. 04. 2018, S. 12. 92 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 7. 93 Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Rn. 31; Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 117. 94 ENTSO-E, Explanatory Document to All TSOs’ proposal for the implementation framework for a European platform for the exchange of balancing energy from frequency restoration reserves with automatic activation in accordance with Article 21 of Commission Regulation (EU) 2017/2195 of 23 November 2017 establishing a Guideline on electricity balancing, 20. 04. 2018, S. 9. 95 Die Minutenreserve wird in § 2 Nr. 6 StromNZV definiert als „die Regelleistung, mit deren Einsatz eine ausreichende Sekundärregelreserve innerhalb von 15 Minuten wiederhergestellt werden kann.“ 96 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 2. 3. 1.

D. Produktqualitäten der Regelreserve

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der europäischen Plattformen97 innerhalb von 12,5 Minuten vollständig aktiviert sein und für mindestens 5 Minuten kontinuierlich erbracht werden.98 Insgesamt muss die Anlage bis zu 60 Minuten nach Eintreten der Störung mFRR erbringen können.99 Die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung mFRR dient der Ablösung der Frequenzwiederherstellungsreserve mit automa­ tischer Aktivierung aFRR.100 Die Aktivierung der manuellen Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR erfolgt – dem Namen entsprechend und in Art. 7 des Umsetzungsrahmens für mFRR (Entwurf) klargestellt – manuell. Dies unterscheidet die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung von der Minutenreserve, da diese in den deutschen Regelzonen zuletzt automatisch abgerufen wurde.101

III. Ersatzreserve „RR“ (Stundenreserve) Optional können in den Regelzonen ergänzend Ersatzreserven (Replacement Reserve – RR) gemäß Art. 19 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing zur Frequenzstabilisierung hinzugezogen werden.102 Diese sind in Art. 3 Abs. 2 Nr. 8 Guideline on System Operation legaldefiniert als „die zur Ablösung oder Unterstützung der erforderlichen Höhe der FRR zur Verfügung stehenden Reserven für zusätzliche Ungleichgewichte im Netz, einschließlich Erzeugungsreserven“. Die Ersatzreserve löst somit die Frequenzwiederherstellungsreserve ab bzw. wirkt zusätzlich zu dieser.103 Die technischen Mindestanforderungen für die Ersatzreserven werden in Art. 161 Guideline on System Operation festgelegt. Die Ersatzreserve muss gemäß Art. 19 Abs. 3 lit. i) und Art. 25 Guideline on Electricity Balancing i. V. m. Art. 6 des Umsetzungsrahmens für RR (Entwurf)104 innerhalb von 30 Minuten vollständig aktiviert sein und für mindestens 15 Minuten kontinuierlich 97

Vergleiche Teil 2 A. II. 4. Vergleiche Art. 20 Abs. 3 lit. i), Art. 25 Guideline on Electricity Balancing, Art. 157 Abs. 2 lit. c) Guideline on System Operation i. V. m. Art. 7 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018. 99 Löfken, ne 2/2020, 32–33 (32). 100 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 172. 101 Ehring, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 22 Rn. 43; Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 117. 102 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 51. 103 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 173. 104 The proposal of all Transmission System Operators performing the reserve replacement process for the implementation framework for the exchange of balancing energy from Replace­ ment Reserves in accordance with Article 19 of Commission Regulation (EU) 2017/2195 of 23 November 2017 establishing a guideline on electricity balancing, 19. 06. 2018 (Entwurf). Gleichfalls verpflichtet Art. 157 Abs. 2 lit. c) Guideline on System Operation die ÜNB, die Zeit bis zur vollständigen manuellen FRR-Aktivierung festzulegen. 98

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

erbracht werden. Die Aktivierung erfolgt gemäß Art. 6 des Umsetzungsrahmens für RR (Entwurf) manuell. In Deutschland wird aktuell keine Ersatzreserve ausgeschrieben, weshalb im Folgenden nicht näher darauf eingegangen wird.105

E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts In diesem Kapitel werden die historischen Entwicklungen des Regelreservemarkts im Kontext des Wandels der allgemeinen Energiewirtschaft aufgezeigt. Das Energierecht ist wie kaum ein anderes Rechtsgebiet von Transformation und Wandel geprägt.106 Maßgebliche Veränderungen wurden in den 1990er Jahren in Gang gesetzt, als durch die Liberalisierung der Energiewirtschaft und die Schaffung eines wettbewerblichen Energiebinnenmarkts in der Europäischen Union das traditionelle System der Demarkationsverträge verboten wurde. Zusätzlich riefen bzw. rufen die klima- und energiepolitischen Ziele stetig neue Rechtsentwicklungen hervor, welche insbesondere eine Minderung der Treibhausgasemissionen sowie die Integration von EE-Anlagen zum Ziel haben. Parallel hierzu bewirken die Schaffung eines europäischen Elektrizitätsbinnenmarkts und einer Energieunion maßgebliche Änderungen in der Energiewirtschaft. Diese allgemeinen energiewirtschaftlichen Transformationsprozesse spiegeln sich – mit leichten Abweichungen – in der Entwicklung des Regelreservemarkts wider, welche in der vorliegenden Arbeit erstmalig in die drei Dimensionen Liberalisierung, klimaschutzpolitische Transformation und (Teil)-Europäisierung unterteilt werden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine strikte Trennung der einzelnen Phasen aufgrund von bestehenden Überschneidungen nicht möglich ist.

I. Liberalisierung des (nationalen) Regelreservemarkts Die Liberalisierung der Energiewirtschaft stellte einen gewichtigen Wandel dar, der auch die heutige Struktur und Gestaltung des Regelreservemarkts maßgeblich (mit-)beeinflusste und prägte. In der traditionellen Energiewirtschaft bestand eine Aufteilung der Versorgungsgebiete in Gebietsmonopole, die jeweils ausschließlich nur von einem Energieversorgungsunternehmen bewirtschaftet wurden.107 In sogenannten Demarkationsverträgen verpflichteten sich die Energieversorgungsunternehmen, Konkurrenz in anderen Versorgungsgebieten zu unterlassen.108 Die Präambel des EnWG 1935 105

Fritsche / Gerecht, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 13. 106 Knauff, NVwZ 21/2017, 1591–1595 (1591). 107 Körber, in: Saenger, et al., FS Werner, S. 629–641 (633). 108 Säcker, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, Einl. A. Rn. 16.

E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts

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stufte Wettbewerb sogar als „volkswirtschaftlich schädlich“ ein.109 Mit der 1996 verabschiedeten europäischen Binnenmarktrichtlinie Strom110, die unter anderem die EnWG-Novelle 1998 zur Folge hatte, fand der Wettbewerbsgedanke erstmalig Einzug in das Energierecht.111 Die Aufhebung der Gebietsmonopole hatte eine Marktöffnung der Elektrizitätsversorgung zum Ziel, primär operationalisiert durch die Unbundling-Vorgaben für Energieversorgungsunternehmen112 sowie die Gewährung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs für Dritte.113 Die Verwirklichung eines wettbewerblichen Elektrizitätsbinnenmarkts wurde weiter durch die Beschleunigungsrichtlinie Strom 2003114 und das Dritte Legislativpaket115 der Europäischen Union sowie deren nationale Umsetzungsakte vorangetrieben.116 Die Einführung des Wettbewerbsprinzips in der allgemeinen Energiewirtschaft bewirkte auch eine Transformation bei der Beschaffung von Regelreserve im Speziellen. So ist auch dieser Bereich grundlegend von einer Marktöffnung gezeichnet, allerdings zeitlich leicht verzögert.117 Wettbewerbliche Elemente fanden erstmals im Jahr 2000 Einzug in die Beschaffungsweise – als Konsequenz von Fusions­ kontrollverfahren vor dem Bundeskartellamt. Das Bundeskartellamt genehmigte die Fusionen von energiewirtschaftlichen Unternehmen unter der Auflage, ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren zur Beschaffung von Regelreserve in der jeweiligen Regelzone118 einzuführen.119 Vor Einführung des Ausschreibungs 109

Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 6 Rn. 1. Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 12. 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. 1997, Nr. L 27/20. 111 Kühling / Rasbach / Busch, Energierecht, § 1 Rn. 13. 112 Durch die Binnenmarktrichtlinie Strom wurden Vorschriften zur Entflechtung (sogenanntes Unbundling) von integrierten Energieversorgungsunternehmen getroffen. Unter Unbundling versteht man die Separierung des Netzbetriebs von den anderen Stufen der Wertschöpfungskette (Erzeugung, Handel und Vertrieb). Im Rahmen der Neuorganisation der integrierten Energieversorgungsunternehmen sind diese zu einer rechtlichen, operationellen, buchhalterischen und informationellen Entflechtung verpflichtet, vergleiche ausführlich dazu unter anderem Scholz, in: Bartsch, et al., Stromwirtschaft, § 7. 113 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 2 Rn. 35. 114 Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 06. 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/96/EG, ABl. 2003, Nr. L 176/37. 115 Das Dritte Legislativpaket umfasst zwei Richtlinien und drei Verordnungen für die Bereiche Strom und Gas. Vergleiche vertiefend dazu Gundel, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, M. Rn. 111 ff. 116 Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 6 Rn. 14 ff. 117 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 257. 118 Die Versorgungsgebiete hatten nach der Liberalisierung weiterhin Bestand in Form von Regelgebieten (später: Regelzonen), in denen die jeweiligen ÜNB für die marktliche Beschaffung von Regelreserve verantwortlich waren, vergleiche Swider, Handel an Regelenergie- und Spotmärkten, S. 5. 119 BKartA, Marktöffnung und Gewährleistung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, S. 18, mit Verweis auf die Fusionskontrollverfahren RWE / V WE Entscheidung vom 03. 07. 2000, WuW / E DE-V 301 und Viag / Veba, EG-Kom., Entscheidung vom 13. 06. 2000, WuW / E EU-V 509 2000, 1214. 110

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verfahren bezogen die Netzbetreiber Regelreserve primär von den mit ihnen assoziierten Kraftwerken,120 wofür diese teilweise äußerst hohe Entgelte verlangten.121 Durch das Ausschreibungsverfahren sollte ein preissenkender Wettbewerb entstehen, wobei zunächst jeder Netzbetreiber selbst die Ausschreibungsbedingungen für seine Regelzone festlegen konnte. Zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Ausschreibungsdesigns der vier deutschen Netzbetreiber erließ die Bundesnetzagentur (BNetzA) erstmals im Jahr 2006 Festlegungen für ein einheitliches, regelzonenübergreifendes Ausschreibungsverfahren von Minutenreserve122, gefolgt von Festlegungen zur regelzonenübergreifenden Ausschreibung von Primär123- und Sekundärregelleistung124 im Jahr 2007.125 Die Bundesnetzagentur legte in diesen ursprünglichen, inzwischen mehrmals überarbeiteten Festlegungen unmissverständlich ihren Schwerpunkt auf die Stärkung des Wettbewerbs im Regelreservemarkt, indem sie einen „ungehinderten Markteintritt neuer Akteure“ sowie eine „diversifizierte Marktstruktur“ anstrebte.126 Zudem sollte die Wettbewerbsintensität durch Erleichterungen bei den Teilnahmebedingungen für Regelreserveanbieter und durch Erhöhung der Transparenz gesteigert werden.127 Der Marktbeitritt neuer Akteure wurde von der Bundesnetzagentur als essenziell eingestuft, um Wettbewerb zu erzeugen. So bestand zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegungen für Primärregelleistung im Jahr 2007 der gesamte Primärregelleistung-Markt lediglich aus fünf Anbietern und vier Nachfragenden, die sich die Marktanteile aufteilten. Die Bundesnetzagentur analysierte die Situation folgendermaßen: „Sie [die Regelreserveanbieter] teilen sich bisher den Markt friedlich untereinander auf und machen sich nicht im Wettbewerb gegenseitig ihre Position auf dem Markt streitig“.128 Bezüglich der Marktanteile war die Situation auf dem Sekundärregelleistung-Markt zur damaligen Zeit vergleichbar mit der des PrimärregelleistungMarkts, da sich auch hier der Markt auf nur wenige Anbieter aufteilte.129 Um den Markteintritt neuer Akteure zu erleichtern, wurden die Ausschreibungsbedingungen angepasst. Zum einen wurde der jeweils sechsmonatige Ausschreibungszeitraum von Primärregelleistung und Sekundärregelleistung auf jeweils einen Monat verkürzt. Dadurch verpflichteten sich die Regelreserveanbieter bei Gebotsabgabe nicht mehr dazu, für sechs Monate Regelreserve vorzuhalten 120 Growitsch / Müller / Remmerstorfer, in: Tschochohei, Governance und Marktdesign, S. 129–150 (132). 121 BKartA, Marktöffnung und Gewährleistung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft, S. 18. 122 BNetzA, Beschluss BK6-06-012 vom 06. 09. 2006. 123 BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007. 124 BNetzA, Beschluss BK6-06-066 vom 31. 08. 2007. 125 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 126 f.; Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 257. 126 BNetzA, Beschluss BK6-06-012 vom 06. 09. 2006, S. 9. 127 BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011. 128 BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 9. 129 BNetzA, Beschluss BK6-06-066 vom 31. 08. 2007, S. 15 f.

E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts

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und zu erbringen, sondern nur noch für einen Monat.130 Ebenso wurde die Mindestangebotsmenge von 10 Megawatt (MW) auf 5 MW für Primärregelleistung gesenkt.131 Dadurch sollten vor allem Kraftwerksbetreiber mit einem kleineren Kraftwerksportfolio sowie industrielle Unternehmen als Regelreserveanbieter gewonnen werden.132

II. Klimaschutzpolitische Transformation des Regelreservemarkts Neben der Marktöffnung der Energiewirtschaft spielten ebenfalls Umweltverträg­ lichkeitsbelange eine immer größere Rolle, sodass eine umweltverträgliche Energieversorgung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung gewann.133 Bevor auf die klimaschutzpolitische Transformation in concreto eingegangen wird, soll zunächst einleitend das abstrakte Verhältnis der Regulierungsziele „Liberalisierung“ und „Umweltverträglichkeit“ beleuchtet werden. Der Gegenstand der Regulierung hat sich schrittweise von monopol- und netz­ bezogenen Fragen hin zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele verlagert.134 So wurden in den Regulierungsrahmen mit dem ursprünglichen Primärziel der Wettbewerbsschaffung weitere Aspekte wie zum Beispiel Umweltverträglichkeit und Ressourcenschonung integriert.135 Dies mündete in einer Erweiterung der Regulierung um eine neue Bedeutungsebene. Hierbei liegen der zunächst als Primärziel angestrebten Liberalisierung und der nun zudem erwünschten Umweltverträglichkeit unterschiedliche Regulierungsziele zugrunde: Während durch die staatlichen Maßnahmen zur Liberalisierung überhaupt erst ein wettbewerblicher Markt einführt wurde (marktschaffend), greift die Regulierung zugunsten von Umweltverträglichkeit korrigierend in eben diesen Markt ein, um beispielsweise eine Marktintegration erneuerbarer Energien zu erreichen (marktkorrigierend).136 Staatliche Maßnahmen zugunsten von Wettbewerb einerseits und Umweltverträglichkeit andererseits schließen sich also nicht gegenseitig aus,137 sondern können koexistieren. Dies zeigt sich auch in den Zielen des EnWG, welches 130 BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 9 ff. sowie Beschluss BK6-06-066 vom 31. 08. 2007, S. 16. 131 BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 18 f. 132 BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 10 f. 133 Fehling, Die Verwaltung 47/2014, 313–348 (333); Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 1 f. 134 Eekhoff / Vossler, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 4. 135 Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 38; Klaue, EWeRK 2/2018, 45–46 (46). 136 Suck, Erneuerbare Energien und Wettbewerb, S. 33; Gundel / L ange, Die Energiewirtschaft im Instrumentenmix, S. 8. 137 Theobald, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 27.

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in § 1 Abs. 1 EnWG sowohl die den Wettbewerbsgedanken widerspiegelnde Preisgünstigkeit138 als auch die Umweltverträglichkeit neben einer sicheren, verbraucherfreundlichen und effizienten Energieversorgung als Zwecke des EnWG verankert. Da alle fünf Ziele gleichberechtigt zu berücksichtigen sind und keinem ein Vorrang zukommt,139 bestehen jedoch Spannungsverhältnisse zwischen einer möglichst preisgünstigen und zugleich umweltverträglichen Energieversorgung.140 Dieses Spannungsverhältnis zeigt sich beispielsweise in den Vorschriften zum Einspeisevorrang sowie den Vorschriften zur EEG-Förderung, da diese staatlichen Instrumente in den wettbewerblichen Markt der Energieerzeugung steuernd eingreifen.141 Die Umweltverträglichkeitsbelange zeigen sich in der allgemeinen Energiewirtschaft insbesondere in den nationalen und europäischen klimapolitischen Zielen, die unter anderem durch eine verbesserte Marktintegration von erneuerbaren Energien erreicht werden sollen. Damit im Jahr 2050 der gesamte Strom, der im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (Bundesgebiet) erzeugt oder verbraucht wird, treibhausgasneutral erzeugt werden kann (§ 1 Abs. 3 EEG 2021), gewährt das EEG den Betreibern von EE-Anlagen einen Einspeisevorrang142 sowie eine EEG-Förderung, um deren wettbewerbliche Nachteile auszugleichen.143 Als weiteres klimapolitisches Ziel ist die Erhöhung der Energieeffizienz zu vermerken. Zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden und Produkten sowie im Verkehrssektor verpflichten europäische und nationale Rechtsakte zur Energieeinsparung.144 Auch das Instrument des Emissionshandels soll zum Erreichen der Umweltbelange beitragen. So etablieren die europäischen Richtlinien zum Emissionshandel145 sowie 138

Salje, EnWG, § 1 Rn. 33; Lippert, in: Saenger, et al., FS Werner, S. 642–656 (649). Kment, in: Kment, EnWG, § 1 Rn. 2; Ludwigs, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 1 Rn. 11 ff., der sich in überzeugender Weise damit auseinandersetzt, warum die Ziele Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit keine Sonderstellung einnehmen. Ausdrücklich bezieht sich der Gesetzgeber in BT-Drs. 13/7274, S. 31 auf die Bundesregierung, welche die Gleichrangigkeit der Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit bestätigt. 140 Säcker / Timmermann, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, 3. Auflage, 2014, § 1 Rn. 4 ff.; Theobald, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 27. 141 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 14. 142 Vergleiche zur Neuordnung des Vorrangs erneuerbarer Energien im Energie-Winterpaket der EU-Kommission ausführlich Mai, RdE 10–11/2019, 449–455, sowie Kahles / Kahl / Pause, Die Vorschläge zur Neuregelung des Vorrangs erneuerbarer Energien im Energie-Winterpaket der Europäischen Kommission, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 5. 143 Körber, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. ­37–58 (S. 41). 144 Für eine ausführliche Aufzeichnung der europäischen Rechtsakte zur Energieeffizienz vergleiche Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 33 ff. 145 Rechtsgrundlage des Emissionshandels ist die Emissionshandelsrichtlinie Richtlinie 2003/87/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 10. 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. 2003, Nr. L 275/32. Diese wurde zuletzt reformiert durch die Richtlinie (EU) 2018/410 des europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 03. 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduk 139

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deren nationale Umsetzung im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG)146 ein System für den europäischen Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zur Minderung klimaschädlicher Emissionen.147 Elemente der Umweltverträglichkeit finden sich parallel dazu auch im Rechtsrahmen des Regelreservemarkts, insbesondere in den 2011148 und 2017149 von der Bundesnetzagentur erlassenen Festlegungen der Ausschreibungsbedingungen wieder. In den Begründungen der Festlegungen zeigt sich, dass nicht mehr allein eine Akteursvielfalt durch reine Steigerung der Anbieterzahlen (marktschaffend) angestrebt wird, sondern ebenfalls versucht wird zu steuern, welche Anbieter auf dem Regelreservemarkt ihr Gebot abgeben (marktkorrigierend). Im Zuge der energiepolitischen Ziele ist die Bundesnetzagentur bestrebt, neben den bisher vertretenen konventionellen Kraftwerken auch EE-Anlagen, dezentrale Anbieter, Verbraucher (insbesondere industrielle Unternehmen) sowie Speichertechnologien in den Regelreservemarkt zu integrieren. Angestrebt wird somit eine Diversität hinsichtlich der Technologien bei Erzeugungsanlagen und die Erleichterung des Marktzutritts solcher Akteure, die Regelreserve durch andere Formen als durch Erzeugungsanlagen anbieten.150 Hinsichtlich des Grades der Integration von EE-Anlagen zeigen sich deutliche Unterschiede in den Festlegungen von 2011 und denen von 2017. In den Regelreserve-Festlegungen zu Primärregelleistung, Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung aus dem Jahr 2011 sieht die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur zwar „große Potentiale in den dargebotsabhängigen Erneuerbaren Energien Anlagen für die Systemdienstleistung“ sowie deren „wachsende Bedeutung“, resümiert jedoch, dass diese „noch keine Marktreife erreicht [haben], so dass noch nicht davon ausgegangen werden kann, dass kurzfristig, das heißt bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorgaben aus [den] Festlegung[en], dargebotsabhängige Einspeiser in nennenswertem Umfang in den [Regelenergie-] Markt (…) eintreten.“151 Bei den Primärregelleistung- und Sekundärregelleistionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814, ABl. 2018, Nr. L 76/3. 146 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vom 21. 07. 2011 (BGBl.  I. S. 1475), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. 01. 2019 (BGBl. I. S. 37) geändert worden ist. 147 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 8 Rn. 18. 148 BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011 für Primärregelleistung; BNetzA, Beschluss BK6-10-098 vom 12. 04. 2011 für Sekundärregelleistung; BNetzA, Beschluss BK6-10099 vom 18. 10. 2011 für Minutenreserve. 149 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017 für Sekundärregelleistung; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017 für Minutenreserve. Bezüglich der Primärregelleistung erfolgte 2017 keine Fortentwicklung der Ausschreibungsbedingungen durch die Bundesnetzagentur. 150 BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011, S. 6 und 22; BNetzA, Beschluss BK610-098 vom 12. 04. 2011, S. 28; BNetzA, Beschluss BK6-10-099 vom 18. 10. 2011, S. 25. 151 So wortgleich die Festlegungen BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011, S. 28 f.; BNetzA, Beschluss BK6-10-098 vom 12. 04. 2011, S. 35; BNetzA, Beschluss BK6-10-099 vom 18. 10. 2011, S. 32.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

tung-Ausschreibungsbedingungen aus dem Jahr 2011 liegt somit insgesamt der Schwerpunkt (noch) überwiegend bei der allgemeinen Marktschaffung. Hintergrund ist, dass die liberalisierende Wirkung der ersten Regelreservefestlegungen der Bundesnetzagentur im Jahr 2006 in diesen Regelleistungsmärkten nicht wie erhofft eingetreten ist und diese Märkte durch Hinzutreten nur vereinzelter neuer Akteure weiterhin von wenigen großen Anbietern geprägt werden.152 Jedoch wird auch in diesen Festlegungen bereits an vielen Stellen auf potenzielle Änderungen zur einer verbesserten Marktintegration von EE-Anlagen Bezug genommen, diese allerdings überwiegend als „überstürzt“ und „verfrüht“ unter dem Vorbehalt einer späteren Einführung abgelehnt.153 Im Jahr 2017 kommt die Bundesnetzagentur zu einer anderen Bewertung: Aufgrund der veränderten Marktsituation der EE-Anlagen – im Jahr 2016 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland 29 % – anerkennt sie eine Teilnahme von EE-Anlagen am Regelreservemarkt als „unerlässlich“.154 Da die Bundesnetzagentur die bis dato geltenden Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelleistung und Minutenreserveleistung als „nicht geeignet [ansah], eine Marktteilnahme dargebotsabhängiger EE-Anlagen zu ermöglichen“, das Gelingen der Energiewende jedoch ein „herausragendes politisches Ziel“ darstelle,155 sei im Jahr 2017 eine erneute Fortentwicklung dieser Ausschreibungsbedingungen notwendig gewesen. In den daraufhin entwickelten Festlegungen steht der Aspekt der Umweltverträglichkeit unverkennbar im Zentrum des Bedarfs für die Fortentwicklung der Ausschreibungsbedingungen, da der Schwerpunkt der neuen Festlegungen auf der Berücksichtigung der Bedürfnisse von EE-Anlagen sowie von dezentralen Anbietern und einem entsprechenden Hemmnisabbau liegt. So wurde beispielsweise sowohl für Sekundärregelleistung als auch für Minutenreserveleistung eine kalendertägliche Ausschreibung eingeführt und das jeweilige Ausschreibungsende auf den Vortag des Erbringungstages gelegt.156 Dies diene einer verstärkten Marktteilnahme von EE-Anlagen, da sich diese mit der Gebotsabgabe zu einer Vorhaltung und Bereitstellung von Regelreserve verpflichteten und die Prognose hinsichtlich der tatsächlich verfügbaren Regelreservemenge präziser sei, je näher die Gebotsabgabe am Erbringungszeitraum und je kürzer dieser sei.157 Um kleineren, dezentralen Akteuren den Marktzutritt 152

BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011, S. 21 f.; BNetzA, Beschluss BK6-10-099 vom 18. 10. 2011, S. 28. 153 BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011, S. 26 f.; BNetzA, Beschluss BK6-06065 vom 31. 08. 2007, S. 33; BNetzA, Beschluss BK6-10-099 vom 18. 10. 2011, S. 32 f. 154 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 11; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 10. 155 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 11 f.; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 10 f. 156 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 13 ff.; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 11 ff. 157 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 13 ff.; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 11 ff.

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zu erleichtern, wurde von der Mindestangebotsmenge von 5 MW eine Ausnahme zugelassen. So können Akteure unter bestimmten Voraussetzungen ebenso Gebote ab 1 MW abgeben.158 Dadurch wurde ihnen die Möglichkeit einer eigenständigen Marktteilnahme eröffnet, gleichzeitig können sie sich jedoch auch weiterhin mit anderen Anbietern innerhalb der Regelzone im Rahmen des sogenannten Poolings zusammenschließen.159 Infolge der Möglichkeit zum Pooling stieg die Anzahl der präqualifizierten Anlagen deutlich an.160 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Festlegungen der Bundesnetzagentur im Jahr 2011 erste Anklänge zur Berücksichtigung von Umweltbelangen Eingang in die Ausschreibungsbedingungen für Regelreserve gefunden haben, diese jedoch noch überwiegend zögerlich und von Bedenken geprägt waren. Die Festlegungen aus dem Jahr 2017 hingegen weisen die Umweltverträglichkeit als Hauptziel der Fortentwicklung der Ausschreibungsbedingungen aus und sollen in der Folge der verbesserten Marktteilnahme von EE-Anlagen, Speichertechnologien, lastflexiblen Verbrauchern und dezentralen Anlagen dienen.

III. Europäisierung des Regelreservemarkts Ein Blick auf die Rechtsquellen des Regelreservemarkts macht noch eine weitere – jüngere – Dimension der Entwicklung sichtbar: die Europäisierung. Diese bezieht sich einerseits in rechtlicher Hinsicht auf die zunehmende Anzahl europäischer Rechtsquellen bezüglich des Regelreservemarkts zur (Teil-)Harmonisierung der Regelreservemärkte, andererseits in energiewirtschaftlicher Hinsicht auf die gemeinsame Beschaffung und den Austausch von Regelreserve zwischen den ÜNB verschiedener europäischer Staaten. Die (Teil-)Harmonisierung der Regelreservemärkte steht im Kontext der Erreichung eines europäischen Elektrizitätsbinnenmarkts, womit langfristig auch einheitliche Regelungen für die grenzüberschreitende Beschaffung von Systemdienstleistungen einhergehen. So soll das grenzüberschreitende Zusammenwirken von Erzeugern und Netzbetreibern zur Wahrung der Versorgungssicherheit und der Netzstabilität zur Normalität werden.161

158

BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 29 ff.; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 19 ff. 159 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 30, 34 ff.; BNetzA, Beschluss ­BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 19, 23 ff. Die Möglichkeit zum Pooling bietet insbesondere für virtuelle Kraftwerke ein interessantes Geschäftsmodell mit zusätzlichen Einkommensmöglichkeiten. Als virtuelle Kraftwerke werden Zusammenschlüsse vieler kleiner Kraftwerke bezeichnet, die mittels eines IT-Steuerungskonzepts miteinander intelligent verbunden und zentral fernsteuert werden, vergleiche Kahlbrandt, ZNER 4/2017, 252–259 (252) und Dena, EW 8/2017, 6. 160 Dethlefs / Behncke, et 10/2018, 63–65 (65). 161 Schulte-Beckhausen, in: Danner / Kühling, EnWG, Energiesicherungsgesetz Einf. Rn. 42.

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Als Beginn der Europäisierung des Regelenergiemarkts, der geprägt durch die europäische Terminologie fortan als „Regelreservemarkt“ bezeichnet wird, kann die Internationale Primärregelleistungskooperation (PRL-Kooperation), jüngst als FCR-Kooperation tituliert,162 betrachtet werden, bei der sich 2012 die ÜNB aus Deutschland und der Schweiz zur Koppelung der jeweiligen PrimärregelleistungsMärkte zusammengeschlossen haben. In den letzten Jahren traten ebenso ÜNB aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Österreich, Dänemark und Slowenien der Internationalen FCR-Kooperation bei.163 Durch die Koppelung dieser PRLMärkte entstand der europaweit größte FCR-Markt mit einem Gesamtbedarf von über 1.350 MW.164 Mit Ausnahme der Internationalen PRL-Kooperation waren die Regelreservemärkte weiterhin national gestaltet und unterlagen jeweils einem rein nationalen Regelwerk. Dies änderte sich mit den 2017 von der EU-Kommission erlassenen Verordnungen Guideline on System Operation und Guideline on Electricity Bal­ ancing165, mit denen erstmals verbindliche europarechtliche Regelungen für die Regelreservemärkte getroffen wurden. Mittels Kommissionsleitlinien soll gemäß Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit. aa) Stromhandelzugangsverordnung (StromhandelZVO)166 ein Mindestmaß an Harmonisierung erreicht werden, um die anvisierte Errichtung eines europäischen Elektrizitätsbinnenmarkts voranzutreiben.167 In diesem Sinne enthalten die in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on System Operation und die Guideline on Electricity Balancing Bestimmungen zu den Regelreservemärkten, die der europaweiten Harmonisierung der Regelreserveprodukte mit dem Ziel einer Marktintegration dienen sollen.168 Aus 162 Die Internationale FCR-Kooperation darf nicht mit dem 2011 geschaffenen Internationalen Netzregelverbund (International Grid Control Cooperation – IGCC) verwechselt werden. Dieser dient der regelzonenübergreifenden Saldierung von Leistungsungleichgewichten bezüglich der Sekundärregelleistung durch ÜNB aus derzeit 24 europäischen Mitgliedstaaten. Der Internationale Netzregelverbund wird aktuell durch die IN-Plattform nach Art. 22 Guideline on Electricity Balancing weiterentwickelt und soll darin aufgehen, vergleiche https://www. entsoe.eu/network_codes/eb/imbalance-netting/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 163 Bis zum 30. 06. 2019 galten zur Beschaffung und zum Austausch von der Frequenzhaltungsreserve FCR die auf dem deutschen Markt geltenden Ausschreibungsbedingungen der Bundesnetzagentur (BK6-10-097). Seit dem 01. 07. 2019 finden nun die neuen, gemeinsamen Auktionsmodalitäten entsprechend dem Antrag aller beteiligten ÜNB vom 27. 06. 2018 (geändert am 18. 10. 2018) Anwendung. Dieser Antrag wurde durch die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018 genehmigt. 164 https://www.regelleistung.net/ext/static/prl (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 165 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 166 Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 07. 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003, ABl. 2009. Nr. L 211/15, zuletzt geändert durch Art. 19 ÄndVO (EU) 543/2013 vom 14. 06. 2013, ABl. 2009, Nr. L 163/1 vom 14. 08. 2009. 167 Meier / Terboven, RdE 2/2020, 57–62 (57). 168 Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 258.

E. Historische Entwicklung des Regelreservemarkts

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drücklich werden im Zielkatalog der Guideline on Electricity Balancing eine zunehmende Integration der Regelreservemärkte und eine Stärkung des Austauschs von Regelreserve aufgezählt.169 Während die eher marktbezogene Guideline on Electricity Balancing eine Vereinheitlichung der mitgliedstaatlichen RegelreserveMarktdesigns bezweckt, betrifft die eher technikbezogene Guideline on System Operation insbesondere die (Teil-)Harmonisierung der Produktqualitäten,170 der Aktivierungsstrategie sowie der Ermittlung des Bedarfs an Regelreserve.171 Mit der zunehmenden Integration der Regelreservemärkte der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten sollen die bisher unterschiedlich ausgestalteten Marktdesigns sich schrittweise annähern und langfristig in einem pan-europäischen Markt aufgehen.172 Konkret umgesetzt wird die Mindestharmonisierung durch verschiedene Mechanismen. Insbesondere die Einführung von Standardprodukten für Regelarbeit gemäß Art. 25 Guideline on Electricity Balancing, die grundsätzlich von den europäischen ÜNB genutzt werden müssen, dient der Integration der Regelreservemärkte, indem die bisher unterschiedlichen Gestaltungen der Produktqualitäten hinsichtlich bestimmter Parameter vereinheitlicht werden. Zudem wird Regelarbeit zukünftig gemäß Art. 19–21 Guideline on Electricity Balancing bezüglich der Frequenzwiederherstellungsreserven und der Ersatzreserve auf europäischen Plattformen ausgetauscht, um eine gemeinsame, europaweite Aktivierung von Regelarbeit zu verwirklichen. Auch hinsichtlich der gemeinsamen Beschaffung von Regelleistung können optional Kooperationen zwischen zwei oder mehr ÜNB zum Austausch von Regelleistung gemäß Art. 33 Guideline on Electricity Balancing eingerichtet werden. Durch diese integrierenden Maßnahmen möchte der europäische Verordnungsgeber einen wirksamen grenzüberschreitenden Wettbewerb auf dem Regelreservemarkt schaffen, der einerseits mit einem Rückgang der Beschaffungskosten und andererseits mit einem Zuwachs an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt einhergeht.173 Konsequenz der auf der StromhandelZVO beruhenden Kommissionsleitlinien ist, dass nicht mehr – wie bisher – ausschließlich die Bundesnetzagentur für den Erlass der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen zuständig ist. Vielmehr verschiebt sich durch die in der StromhandelZVO festgelegten Regelungskompetenzen die Befugnis zum Erlass der Ausschreibungsbedingungen von der Bundesnetzagentur auf die EU-Kommission, welche wiederum weite Teile der Entwicklung an die ÜNB überträgt und den nationalen Regulierungsbehörden teilweise eine Genehmigungskompetenz einräumt. Im Zuge der (Teil-)Harmonisierung der Regelreservemärkte kommt den Regulierungsbehörden somit überwiegend keine 169

Art. 3 Abs. 1 lit. c) Guideline on Electricity Balancing. Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 171 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 50. 172 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 7 Rn. 23. 173 BNetzA, Beschluss BK6-18-064 vom 18. 12. 2018, S. 12. 170

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

gestaltende, sondern eine überwachende Funktion zu, während die EU-Kommis­ sion – insbesondere aber die ÜNB – in vielen Bereichen die Gestaltung des Marktdesigns übernehmen. Dies zeigt sich unter anderem im genehmigenden Beschluss der Bundesnetzagentur bezüglich der Auktionsbedingungen für die Frequenzhaltungsreserve im Rahmen der FCR-Kooperation.174 Hier äußert sie Bedenken hinsichtlich des Zeitpunkts der Schließung der FCR-Auktion, mangels eigener gestalterischer Kompetenzen kann sie jedoch nicht selbst eine Änderung der Ausschreibungsbedingungen herbeiführen, sondern ist auf das Kontrollins­trument des Widerrufsvorbehalts der entsprechenden Genehmigung bei negativen Auswirkungen beschränkt.175 Mit der im Zuge des EU-Pakets „Saubere Energie für alle Europäer“176 überarbeiteten EltRL 2019177 und insbesondere der die StromhandelZVO ablösenden EltVO178 wurden erstmals europäische Festlegungen auf Sekundärebene für den Regelreservemarkt getroffen. Im Vergleich zu den Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation beschränken sich die Elektrizitätsbinnenmarktregelungen auf die Regelung der wesentlichen Aspekte, sodass für eine Untersuchung der detaillierten Bestimmungen weiterhin die Kommissionsleitlinien zu konsultieren sind.179 Zusammenfassend zeichnet sich seit Beginn der FCR-Kooperation im Jahr 2012 eine zunehmende Europäisierung des Regelreservemarkts ab, die sich auch in der steigenden Anzahl europäischer Rechtsquellen widerspiegelt. So werden 174

BNetzA, Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018. BNetzA, Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018, S. 11. 176 Vergleiche zu den Änderungen durch das EU-Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ unter anderem den zweiteiligen Aufsatz von Pause / Kahles, ER 1/19, 9–17 und Kahles / Pause, ER 2/2019, 47–52. 177 Die EltRL 2019 ist gemäß Art. 71 bis zum 31. 12. 2020 in nationales Recht umzusetzen. 178 Die in dieser Arbeit relevanten Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation wurden noch auf Grundlage der StromhandelZVO erlassen. Die EltVO löste 2019 die StromhandelZVO ab und beinhaltet nun die Ermächtigungsgrundlage der Kommission zum Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes. Unter anderem änderten sich hierdurch die Befugnisse und das Verfahren beim Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes. Für tertiäre Rechtsakte, die nach Inkrafttreten der EltVO erlassen werden, gilt fortan der in Art. 54 ff. EltVO festgelegte Verfahrensgang. Insbesondere wurde das Komitologieverfahren durch delegierte Rechtsakte und Durchführungsmaßnahmen abgelöst. Vergleiche ausführlich zur Reform des Komitologieverfahrens sowie zu delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen Ponzano, in: Bergström / R itleng, Rulemaking by the European Commission, S. 37–54 (37). 179 In diesem Kontext ist allerdings zu beachten, dass die EltVO in einigen Aspekten Änderungen der Vorgaben der Guideline on Electricity Balancing enthält und diese teilweise modifiziert. Beispielsweise sieht Art. 34 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing noch den Sekundärhandel als Regelfall an, indem sie die ÜNB verpflichtet, die Übertragung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Regelleistung zu gestatten. Hierzu können die ÜNB jedoch Ausnahmen beantragen. Dem diametral entgegengesetzt legt Art. 6 Abs. 8 EltVO inzwischen fest, dass die Beschaffung von Regelleistung auf einem Primärmarkt stattfinden soll und nur ausnahmsweise hiervon abgewichen werden kann. 175

F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren

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derzeit allein noch die Festlegungen des MRL-Regelleistungsmarkts national von der Bundesnetzagentur gestaltet, während im Übrigen die Gestaltung des Regelreservemarkts durch europäische Kooperationen und mittels gemeinsamer (teil-)harmonisierter Bestimmungen zum Beschaffungsverfahren erfolgt.

IV. Ergebnis: Historische Entwicklung Wie dargestellt, verlief die Entwicklung des Regelreservemarkts in drei Dimensionen. Charakteristisch ist – wie auch bei der allgemeinen Entwicklung des Energierechts –, dass sich die verschiedenen Dimensionen nicht gegenseitig ablösen, sondern kumulativ ergänzen und eine regulatorische Symbiose eingehen. Während zunächst allein die Liberalisierung des Regelreservemarkts im Vordergrund der Steuerung stand, gewannen im Laufe der Zeit ebenso klimaschutzpolitische Belange an Bedeutung. Die jüngste Entwicklung ergänzt den Regelreservemarkt um grenzüberschreitende Aspekte, indem neben die Liberalisierung und den Klimaschutz die Schaffung des europäischen Elektrizitätsbinnenmarkts mit einer grenzüberschreitenden Beschaffung von Regelreserve tritt.

F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren Die Beschaffung von Regelreserve soll gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e) Guideline on Electricity Balancing und Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 in einem „marktbasierten“ („market-based“) Verfahren erfolgen.180 Jedoch unterliegt der Regelreservemarkt durch die Vielzahl von Rechts- und Regelungsakten einer intensiven Regulierung. In Anbetracht der festgelegten Parameter des Ausschreibungsdesigns wie der fest vorgeschriebenen Mindestangebotsmenge, dem Gebotstermin, den fest­gelegten Erbringungszeiträumen, der Festlegung eines Höchstpreises sowie der Präqualifikation als Marktzutrittsschranke erscheint die Qualifizierung als „Markt“ einerseits zweifelhaft. Da die Zuschlagserteilung allerdings allein aufgrund des gebotenen Preises erfolgt, scheint die Bezeichnung als „Markt“ andererseits nicht ganz fernliegend. Im Folgenden wird beleuchtet, inwiefern der Regelreservemarkt als „Markt“ qualifiziert werden kann. 180 Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 spricht in der deutschen Version von einem „marktgestützten“ Verfahren. Zur Vereinheitlichung der Terminologie wird in der vorliegenden Arbeit der Ausdruck „marktbasiert“ statt des Begriffs „marktgestützt“ verwendet. Hintergrund ist, dass die englische Fassung in Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 den Begriff „market-based“ verwendet, welcher in anderen europäischen Regelwerken (insbesondere der EltVO, der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation) in den deutschen Fassungen einheitlich mit „marktbasiert“ übersetzt wird. Die Begriffe „marktbasiert“ und „markt­gestützt“ legen somit das Verständnis nahe, dass sie nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers synonym zu verstehen sind und werden daher in dieser Arbeit einheitlich verwendet. Die EltRL 2019 ist gemäß Art. 71 bis zum 31. 12. 2020 in nationales Recht umzusetzen.

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I. Merkmale eines Markts Um die Charakterisierung des Regelreservemarkts vornehmen zu können, ist der Begriff „Markt“ zunächst allgemein zu erläutern. Hierzu soll sich der volkswirtschaftlichen Perspektive bedient werden, die eine Vielzahl von Definitionen hervorgebracht hat, die im Detail voneinander abweichen, aber in den Ansätzen vergleichbar sind. Kerngedanke ist stets, dass Angebot und Nachfrage aufeinander treffen und dadurch den Markt für ein gewisses Gut definieren.181 Aufgrund der Beziehung zwischen den verschiedenen Anbietenden und Nachfragenden bestimmt sich die Menge und der Preis für das entsprechende Gut.182 Besondere Relevanz für Marktmechanismen entfaltet das Prinzip der freien Preisbildung.183 Diesem liegt zugrunde, dass die Preisbildung frei von staatlichen Eingriffen und Vorgaben erfolgt und sich rein nach wettbewerblichen Mechanismen entwickelt.184 Der „vollkommene Markt“ wurde als Modell einer idealtypischen Marktform entwickelt und basiert auf allgemeingültigen volkswirtschaftlichen Grundsätzen.185 Ein vollkommener Markt ist dann gegeben, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:186 – Homogene Güter: Auf derartigen Märkten dürfen nur vollkommen gleichartige Güter nachgefragt oder angeboten werden. – Keine Präferenzen örtlicher, persönlicher, zeitlicher und sachlicher Art: Keiner der Akteure bevorzugt einen Marktpartner infolge von persönlichen, zeitlichen oder sachlichen Präferenzen oder wegen seines Standortes. – Generelle Markttransparenz: Sowohl Anbietende als auch Nachfragende besitzen eine vollständige Marktübersicht (wo werden welche Güter von wem angeboten) und eine Qualitätseinsicht (wie und mit welcher Beschaffenheit werden die Güter angeboten). – Sehr große Reaktionsgeschwindigkeit: Die Marktpartner reagieren äußerst schnell bei notwendigen zeitlichen Anpassungsvorgängen. Es besteht kein Anlass, wegen zeitlicher Vorteile einen Anbieter oder Nachfrager zu bevorzugen. – Offener Markt: Den Marktteilnehmern ist ein freier Markteintritt und -austritt möglich. 181

Mankiw, Principles of Economics, S. 66; Schumann / Meyer / Ströbele, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 22; Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 14; Mankiw / Taylor, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S. 14; Hufendiek, in: Schwintowski / ​ Scholz / Schuler, Handbuch Energiehandel, Rn. 7. 182 Pustlauk, EWeRK 2/2016, 71–73 (71). 183 Eekhoff / Vossler, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 10 ff. 184 Theobald, in: Danner / Kühling, EnWG, § 1 Rn. 51. 185 Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1, S. 57. 186 Lachmann, Volkswirtschaftslehre 1, S. 57 f.; Fischbach / Wollenberg, Volkswirtschaftslehre 1, S. 275.

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Aus den Bedingungen des vollkommenen Markts folgt das „Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise“ (law of indifference), das erstmals von William ­Stanley Jevons aufgestellt wurde. Demnach kann auf vollkommenen Märkten nur ein einheitlicher Preis für ein Gut gelten.187 Erfüllt ein Markt die genannten Modellanforderungen nicht, so handelt es sich um einen unvollkommenen Markt, auf dem sich für ein Gut unterschiedliche Preise bilden können.188 Auch wenn dieses Idealbild keine Beziehung zur wirtschaftlichen Umwelt hat, müssen tatsächliche Märkte nicht unbedingt schlechter funktionieren als das Modell.189 Neben dem Prinzip der freien Preisbildung basieren funktionierende Märkte ebenso auf den konstituierenden Prinzipien des freien Wettbewerbs auf offenen Märkten, der Vertragsfreiheit, der Geldwertstabilität, dem Haftungsprinzip und dem privaten Eigentum.190 Das Prinzip des freien Wettbewerbs ist für einen funktionierenden Markt unverzichtbar. Es zeichnet sich durch eine Konkurrenz der Marktteilnehmer untereinander aus, das heißt, diese versuchen sich hinsichtlich der Angebotsmerkmale wie Preis, Qualität, Service oder Werbung gegenüber den weiteren Marktakteuren eine verbesserte Position auf dem Markt zu verschaffen. Daneben umfasst das Prinzip der Vertragsfreiheit die Freiheit der Marktakteure, Verträge mit anderen Marktteilnehmern frei und ohne Kontrahierungszwang zu schließen.191 Dies berechtigt sie ebenso zur freien Gestaltung der Verträge im Rahmen der zivilrechtlichen Ordnung, insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Vertragspartner und der Festlegung der Vertragsbedingungen wie Preis, Erfüllungszeit und -ort.192 Geldwertstabilität wiederum liegt vor, wenn der Wert des Geldes aufgrund geringer Inflation auf Dauer gesehen stabil bleibt.193 Im Rahmen des Haftungsprinzips sind die Vertragspartner für Vertragsverletzungen verantwortlich und haften somit für die Erfüllung des Vertrages.194 Letztlich ist privates Eigentum eine weitere Voraussetzung für ein marktwirtschaftliches System, da dies einen ökonomischen Anreiz zum wirtschaftlichen Handeln setzt.195

187 Ott, in: Albers, et al., Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), S. 106, Stichwort „Marktformen“. 188 Lenk, in: Neubäumer / Hewel / Lenk, Volkswirtschaftslehre, S. 31–160 (105). 189 Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S. 67. 190 Eekhoff / Vossler, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 10 ff. 191 Schwab / L öhnig, Einführung in das Zivilrecht, Rn. 415. 192 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG Band II, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101 f. 193 Eger / Wagener, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEuR, Band 1, § 3 Rn. 130. 194 Eekhoff / Vossler, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 15. 195 Eekhoff / Vossler, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 1 Rn. 16.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

II. Kategorisierung des Regelreservemarkts Bei dem Ausschreibungsverfahren von Regelreserve treffen die Regelreserveanbieter (Erzeugungsanlagen, Verbraucher, Speichertechnologien usw.) mit den Regelreserve nachfragenden ÜNB zusammen, um über die entgeltliche Vorhaltung und den Abruf des Gutes „Strom“ einen Vertrag zu schließen. Der Regelreserve­ markt scheint folglich auf den ersten Blick wie ein regulärer Markt mit Angebot und Nachfrage zu funktionieren.196 Beschäftigt man sich jedoch näher mit dem Beschaffungsverfahren für Regelreserve, drängt sich auf, dass es eine Vielzahl an nicht für einen Markt typischen Charakteristika aufweist. Somit enthält der Regelreservemarkt neben marktbasierten auch regulierte Elemente und steht somit letztlich im Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerb und Regulierung. 1. Regulierte Elemente Der Regelreservemarkt unterliegt einer in Teilen starken Regulierung, da die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen197 eine Vielzahl von Vorgaben für die Marktteilnahme machen. Diese werden im Folgenden aufgezeigt. a) Eingriffe in Vertragsfreiheit durch Ausschreibungsbedingungen Besonders auffällig ist, dass die für einen „Markt“ charakteristische Vertrags­ freiheit im Bereich der Regelreserve deutlichen Eingriffen unterliegt. Die Regelreserveanbieter können sich nicht auf ihre Freiheit bezüglich der Auswahl des Vertragspartners berufen, sondern können ausschließlich mit den für die Beschaffung von Regelreserve verantwortlichen ÜNB kontrahieren.198 Diese Vorgabe basiert auf der in § 13 EnWG und Art. 40 Abs. 4 lit. a)  EltRL  2019 verankerten Systemverantwortung der ÜNB, welche für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems und damit auch für die Beschaffung von Systemdienstleistungen wie Regelreserve verantwortlich sind.199 Zur Erfüllung der Systemverantwortung sind die ÜNB in der Regel auf die Maßnahmen Dritter, meist Stromerzeuger, Speicheranlagenbetreiber und Verbraucher, angewiesen.200 Hierdurch entsteht eine Marktstruktur, die nicht einem typischen Wettbewerbs-

196

Vergleiche zu den Merkmalen eines Markts Teil 1 F. I. Vergleiche ausführlich zu den Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen Teil 2 A. 198 § 22 Abs. 2 EnWG i. V. m. § 6 Abs. 1 StromNZV. 199 Dena, Systemdienstleistungen 2030, S. 19. Vergleiche umfassend zur Systemverantwortung Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, sowie Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber. 200 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 36 f. 197

F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren

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markt entspricht, da als Nachfragende nur die vier gemeinschaftlich handelnden ÜNB in Betracht kommen.201 Eine freie Auswahl der Vertragspartner seitens der Regelreserveanbieter besteht folglich nicht.202 Auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Verträge sind die Vertragspartner durch die Ausschreibungsbedingungen gebunden. So werden durch die Vorgaben hinsichtlich des Regelleistungs- und Regelarbeitsmarkts eine Vielzahl der Vertragsinhalte im Vorfeld festgelegt. Beispielsweise bestehen Vorgaben hinsichtlich der Mindestangebotsmenge und der Granularität. Letztere bezieht sich auf Regelungen darüber, welche Menge an Regelreserve mindestens von den Regelreserveanbietern bei Gebotsabgabe angeboten werden muss und in welchen Schritten sich diese Menge erhöhen darf. Ebenso ist der Kontrahierungs- und Erfüllungszeitpunkt vorgegeben, da im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens die Gebote und die Bezuschlagung zu im Vorfeld festgelegten Zeiten stattfinden. Ein Vertragsschluss oder eine Erbringung von Regelreserve zu anderen Zeiten ist unzulässig. Viele vertragliche Bestandteile sind somit aufgrund der umfangreichen203 Ausschreibungsbedingungen der Disponibilität der Vertragspartner entzogen, wodurch die Vertragsfreiheit beschränkt wird. b) Marktzutrittsregeln durch das Präqualifikationsverfahren Zudem wird auf dem Regelreservemarkt durch das Präqualifikationsverfahren in das Prinzip des Wettbewerbs auf offenen Märkten eingegriffen. Wie in Teil 2 A. I. beschrieben, dient die Präqualifikation gemäß Art. 155, 159 und 162 der Guideline on System Operation204 dem Nachweis der für die Erbringung von Regelreserve notwendigen technischen Fähigkeiten. Nur erfolgreich präqualifizierte Regelreserveanbieter sind berechtigt, auf dem Regelreservemarkt teilzunehmen 201

BNetzA, Beschluss BK6-06-065 vom 31. 08. 2007, S. 9. Diese Beschränkung der Vertragspartner ist auch durch die Entscheidung bedingt, dass in Deutschland Regelreserve ausschließlich auf einem Primärmarkt beschafft wird. Bei einem Sekundärhandel könnten bezuschlagte Regelreserveanbieter ihre Verpflichtung zur Leistungsvorhaltung an präqualifizierte Dritte übertragen, vergleiche BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 20. Die ausschließliche Kontrahierung mit den ÜNB ist bei einem Sekundärmarkt somit – zumindest in Teilen – aufgehoben. In Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EltVO ist die Beschaffung von Regelreserve in einem Primärmarkt vorgeschrieben. 203 Knauff hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelungsdichte für leitungsgebundene Ausschreibungen, zu denen auch die Ausschreibung von Regelreserve gehört, im Vergleich zu den EEG-/KWKG-Ausschreibungen und Konzessionsvergaben als gering einzustufen und ein gesetzlich vorgegebenes Ausschreibungsdesign „weithin nicht erkennbar“ ist, vergleiche Knauff, NVwZ 21/2017, 1591–1595 (1594). Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als dass es kein gesetzlich vorgeschriebenes Ausschreibungsdesign bezüglich der Regelreserve gibt, daraus lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf eine geringe Regelungsdichte ziehen, da die umfangreichen Regelungen für die Regelreserveausschreibung untergesetzlich durch Beschlüsse der Bundesnetzagentur sowie Regelungsakte der ÜNB festgelegt werden. 204 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 202

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und Gebote abzugeben. Somit stellt das Präqualifikationsverfahren eine Marktzutrittsregel dar, aufgrund derer Anbieter mit Anlagen ohne die entsprechenden technischen Fähigkeiten vom Markt ausgeschlossen werden und anderen Regelreserveanbietern bei entsprechendem Nachweis die Marktteilnahme ermöglichen. Aufgrund dieser Marktzutrittsregel steht der Regelreservemarkt nicht allen interessierten Anbietern offen, sondern nur den präqualifizierten. Die Teilnahme am Wettbewerb ist somit auf einen bestimmten Akteurskreis beschränkt. Da der Markt dadurch nicht für alle natürlichen und juristischen Personen zugänglich ist, liegt ein Eingriff in das Prinzip des offenen Markts vor. c) Angebots- und nachfrageunabhängige Dimensionierung des Bedarfs Auch die von der Nachfrage losgelöste Dimensionierung des Bedarfs an Regelreserve scheint mit marktlichen Kriterien im Konflikt zu stehen. Auf einem wettbewerblichen Markt wird die Menge des angebotenen Guts anhand marktlicher Parameter ermittelt: in einem Markt ergibt sich die angebotene Menge aus der Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage.205 Im Regelreserve-Ausschreibungsverfahren hingegen wird der benötigte Bedarf an Regelreserve angebots- und nachfrageunabhängig dimensioniert. Bis 2019 wurde der Bedarf quartalsweise im Vorfeld ermittelt und blieb somit für drei Monate konstant. Pro Quartal wurde von den ÜNB stets die gleiche Menge an Regelreserve über die Plattform www.regelleistung.net ausgeschrieben.206 Die Umstellung auf das dynamische Dimensionierungsverfahren Ende 2019 führte dazu, dass die benötigte Regelleistung noch bedarfsgerechter bestimmt werden kann, da zum Beispiel saisonale und / oder tageszeitliche Abhängigkeiten besser berücksichtigt werden können.207 Auch bei dem neuen Bedarfsermittlungsverfahren orientiert 205

Pustlauk, EWeRK 2/2016, 71–73 (72). Bei der quartalsweisen Dimensionierung der jeweiligen Regelreserveprodukte nutzen die deutschen ÜNB seit Ende 2014 zur Bestimmung der Ausschreibungsmengen die gleichen Quartale der vier Vorjahre (aufgrund von saisonalen Abhängigkeiten) und ermitteln hieraus den durchschnittlichen Quartalsbedarf, vergleiche https://www.regelleistung.net/ext/tender/ remark/news/304 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 207 Vergleiche zur Einführung der dynamischen Dimensionierung bei der Frequenzhaltungsreserve FCR ENTSO-E, Vorschlag aller ÜNB für die Dimensionierungsregeln für die FCR gemäß Artikel 153 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/1485 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb vom 02. 08. 2017, eingereicht am 14. 09. 2018 und genehmigt von der Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-18-255 am 02. 04. 2019. Für aFRR und mFRR wurde die dynamische Dimensionierung mit dem Vorschlag aller ÜNB des LFR-Blocks (TNG,TTG,AMP,50HZT,EN,CREOS) für die FRR-Dimensionierungsregeln gemäß Artikel 157 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1485 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb vom 27. 05. 2019 beantragt und mit Beschluss BK6-18-185 der Bundesnetzagentur am 12. 08. 2019 genehmigt. Sie beruht auf den Erkenntnissen der Studie von Consentec, Verfahren zur dynamischen Bestimmung des Bedarfs für Sekundärregel- und Minutenreserve. 206

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sich die Menge der ausgeschriebenen Regelreserve nicht an den marktlichen Para­ metern Angebot und Nachfrage. Diese nicht-marktbasierte Bedarfsermittlung ergibt sich aus den Besonderheiten der Energiewirtschaft, insbesondere dem Prinzip der Gleichzeitigkeit, da in Abhängigkeit von saisonalen Umständen ein erhöhter bzw. reduzierter Bedarf an Regelreserve vorliegt. Aufgrund der Besonderheiten des Regelreservemarkts findet die klassische Angebot-Nachfrage-Beziehung eines Markts im Hinblick auf die angebotene Menge an Regelreserve keine Anwendung. 2. Marktbasierte Elemente Der Regelreservemarkt weist jedoch ebenso marktbasierte Elemente auf, auf die im Folgenden eingegangen wird. a) Wettbewerbliche Ermittlung der Vergütungshöhe Aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 muss die Beschaffung von Regelreserve in einem marktbasierten208 Verfahren erfolgen. Da die EltRL 2019 keine bestimmte Verfahrensart zur Beschaffung vorgibt, sind neben Ausschreibungen ebenfalls andere marktbasierte Beschaffungsformen denkbar. Diese europarechtlichen Vorgaben erfolgen in Fortführung der Art. 11 Abs. 6 EltRL 2003 und später Art. 15 Abs. 6 EltRL 2009, die jedoch noch allgemein auf die marktorientierte Beschaffung von Verlustenergie und Kapazitätsreserven abzielen und das Verfahren hinsichtlich Regelreserve nicht ausdrücklich adressieren. Eine Umsetzung der Vorgaben der EltRL 2003 erfolgte in § 22 EnWG. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit § 22 Abs. 2 EnWG auf die Einführung eines Ausschreibungsverfahrens zur Beschaffung von Regelreserve festgelegt und geht damit über die Anforderungen der Richtlinie hinsichtlich der Durchführung eines marktbasierten Verfahrens hinaus.209 Infolge der Durchführung von Auktionen prägen marktliche Elemente den Regelreservemarkt, da sich Ausschreibungen durch die wettbewerbliche Ermittlung der Vergütungshöhe auszeichnen.210 Ziel des Auktionsmodells ist die Schaffung eines wettbewerblichen Verhaltens zwischen den Regelreserveanbietern, das zu

208 Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 spricht in der deutschen Version von einem „marktgestützten“ Verfahren. Zur Vereinheitlichung der Terminologie wird in der vorliegenden Arbeit der Ausdruck „marktbasiert“ statt des Begriffs „marktgestützt“ verwendet. Vergleiche hierzu Teil 1, Fn. 180. 209 Mielke, in: Kment, EnWG, § 22 Rn. 23. 210 Gawel / Purkus / Bruttel, EnWZ 4/2016, 153–159 (158).

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Kostenreduzierungen bei der Beschaffung von Regelreserve führen soll.211 Die Durchführung von Ausschreibungen verfolgt somit den Zweck, den Wettbewerb zwischen den einzelnen Marktakteuren bzw. Technologien zu fördern.212 Aktuell erfolgt die Zuschlagserteilung für Regelreserve allein aufgrund des gebotenen Leistungspreises (Gebotspreisverfahrens, „pay-as-bid“).213 Für die Zuschlags­erteilung werden die gebotenen Preise in aufsteigender Reihenfolge (Merit-Order-­Liste)214 sortiert und alle Anbieter bis zur Bedarfsdeckung in der Höhe der gebo­tenen Preise bezuschlagt.215 Vergütet wird bei Zuschlagserteilung neben dem gebotenen Leistungspreis grundsätzlich ebenfalls der gebotene Arbeitspreis.216 Dieses Vergütungsverfahren findet jedoch nur bis zur Einführung von ­Standard-​Regel­ reserveprodukten im Rahmen der europäischen Plattformen für den Austausch von Regelarbeit Anwendung,217 da mit Art. 30 Abs. 1 lit. a) Guideline on Elec­tricity Balancing und Art. 6 Abs. 4 EltVO europäische Vorschriften die Preisbildung für Regelarbeit mittels des Grenzpreisverfahrens („pay-as-cleared“, „marginal

211 Fraunhofer IWES, Regelenergie durch Windkraftanlagen, S. 17; Kratzsch, Regelenergie  – Musterbeispiel mit Herausforderungen, Vortrag bei der 10. Göttinger Energie­ tagung, 15. 03. 2018, S. 7, Folien abrufbar unter https://www.efzn.de/de/veranstaltungen/efznveranstaltungsreihen/goettinger-energietagung/2018/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 212 Knauff, NVwZ 21/2017, 1591–1595 (1593); Kratzsch, Regelenergie – Musterbeispiel mit Herausforderungen, Vortrag bei der 10. Göttinger Energietagung, 15. 03. 2018, S. 7, Folien abrufbar unter https://www.efzn.de/de/veranstaltungen/efzn-veranstaltungsreihen/goettingerenergietagung/2018/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). Kritisch im Hinblick auf die Schaffung von Wettbewerb durch Ausschreibungen im PV-Sektor Pustlauk, EWeRK 2/2016, 71–73 (71). 213 BNetzA, Beschluss BK6-10-006 vom 12. 04. 2011, Tenorziffer 5 für PRL; BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 9 a) für SRL; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 10 a) für MRL. Zwischen Oktober 2018 und Juli 2019 führte die Bundesnetzagentur vorübergehend mit den Beschlüssen BK6-18-019 und BK6-18-020 vom 08. 05. 2018 für Sekundärregelenergie und Minutenreserve das Mischpreisverfahren ein, bei dem sich der Mischpreis aus dem Leistungswert und dem gewichteten Arbeitswert berechnet. Dieses wurde jedoch vom OLG Düsseldorf als unzulässig gewertet, da der Eingriff in die Interessen der Anbietertechnologien mit hohen Arbeitsgrenzkosten jedenfalls bei einem länger als einem Jahr andauernden Übergangszeitraum nicht mehr mit dem geringen Zeitaufwand zu rechtfertigen sei, wenn ohne Weiteres auch ein geeigneteres, da kostenoptimaleres und die Interessen der Anbieter gleichmäßiger berücksichtigendes Mischpreisverfahren mit individuellem Gewichtungsfaktor – zumindest für unterschiedliche Teilsegmente – hätte eingeführt werden können. Mit sofortiger Wirkung fand das ursprüngliche Verfahren wieder Anwendung, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. 07. 2019, Az. VI-3 Kart 806/18 (V). 214 Art. 2 Nr. 37 Guideline on Electricity Balancing definiert eine „gemeinsame Merit-­OrderListe“ als „eine nach Gebotspreisen geordnete Liste von Regelarbeitsgeboten, die zur Aktivierung dieser Gebote verwendet wird“. 215 BNetzA, Beschluss BK6-10-006 vom 12. 04. 2011, Tenorziffer  5 für PRL; BNetzA, ­Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 9 a) für SRL; BNetzA, Beschluss BK615-159 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 10 a) für MRL. 216 Vergleiche zu den aktuellen Vergütungsmaßstäben Teil 2 A. II. 2.  217 Vergleiche zur Einführung der europäischen Plattformen ab 2022 Teil 2 A. II. 4.

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pricing“ oder „uniform pricing“) verlangen.218 Bei diesem Vergütungsmodell erhalten die bezuschlagten Anbieter nicht den gebotenen Preis, sondern den in der Merit-Order-Liste höchsten Preis für die letzte benötigte Einheit.219 Alle bezuschlagten Teilnehmer empfangen somit dieselbe Vergütungshöhe pro eingespeiste Megawattstunde (MWh). Die Vergütungshöhe der Regelreserveanbieter bestimmt sich also nicht anhand einer festen, regulatorisch vorgegebenen Vergütung, sondern anhand der wett­ bewerblich entstandenen Gebotspreisen. b) Marktöffnung für weitere Marktakteure und Technologien Durch die stetige Fortentwicklung des Ausschreibungsdesigns wird der Abbau von regulatorischen Markteintrittshemmnissen und eine damit einhergehende Marktöffnung angestrebt. So ist es erklärtes Ziel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), dass Systemdienstleistungen wie Regelreserve zukünftig nicht mehr überwiegend von konventionellen Kraftwerken erbracht werden, sondern der Markt für alternative Technologien und erneuerbare Energien geöffnet wird.220 Die anvisierte Marktöffnung durch Weiterentwicklung der Festlegungen der Bundesnetzagentur mündete in einer schrittweisen Steigerung der Anzahl der präqualifizieren Regelreserveanbieter,221 der Prozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Infolge der Technologie- und Akteursvielfalt soll eine Verbesserung der Wettbewerbsintensität eintreten.222 Die Liberalisierung der Energiewirtschaft mit einer Marktöffnung des Regelreservemarkts für neue Anbieter zeigt die Verankerung wettbewerblicher Elemente im Regelreserve-Marktdesign. c) Keine verpflichtende Teilnahme am Regelreservemarkt Im Einklang mit dem Prinzip der Vertragsfreiheit besteht in Deutschland keine Pflicht für Regelreserveanbieter, Regelreserve vorzuhalten und einzusetzen. Die Regelreserveanbieter können freiwillig über ihre Marktteilnahme und ihre Gebotsabgabe entscheiden. Es ist folglich kein Kontrahierungszwang vorgesehen, aufgrund dessen sich Anlagen obligatorisch am Regelreservemarkt beteiligen müssen. Maßgeblich für die Teilnahme sind somit rein wirtschaftliche Über­legungen der 218 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopol­ kommission gemäß § 62 EnWG, S. 41. 219 Meister / Schneider, EnWZ 3/2015, 110–115 (111). 220 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), S. 30. 221 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Liste der präqualifizierten Anbieter, Stand 01. 03. 2020, verfügbar unter www.regelleistung.net (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 222 Vergleiche hierzu insbesondere die Ausführungen unter Teil  1  E. sowie exemplarisch BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, S. 19.

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

Marktakteure.223 Eine freiwillige, allein auf ökonomischen Faktoren basierende Teilnahme am Regelreservemarkt ist im europäischen Vergleich nicht selbstverständlich. So trifft beispielsweise in Frankreich alle Erzeugungsanlagen mit einer Kapazität von über 120 MW die Vorgabe, sich verpflichtend am Sekundärregelleistung-Markt zu beteiligen und Regelreserve gegen eine entsprechende Vergütung vorzuhalten und bereitzustellen.224 d) Haftung bei Vertragsverletzungen Ebenso entspricht das Haftungsregime des Regelreservemarkts marktlichen Maßstäben. Sowohl in den Muster-Rahmenverträgen für die entsprechenden Regelreserveprodukte225 als auch in §§ 16, 25 und 34 der Modalitäten für Regelreserveanbieter226 sind die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen durch die bezuschlagten Regelreserveanbieter geregelt: Erfüllen diese ihre Pflicht zur Vorhaltung von Regelleistung bzw. zum Einsatz von Regelarbeit nicht, so hat dies eine Kürzung bzw. einen Ausschluss der Zahlung von Leistungs- oder Arbeitspreisen zur Folge. Zudem behalten sich die Anschluss-ÜNB das Recht zur Verhängung von Vertragsstrafen (teilweise in Höhe des 10-fachen Kürzungsbetrags) vor. Sofern der Regelreserveanbieter die Vertragsverletzung zu verschulden hat, kann der Anschluss-ÜNB zusätzlich die Erstattung von kausalen Mehrkosten geltend machen. 3. Regelreservemarkt zwischen Wettbewerb und Regulierung Wie bereits beschrieben, erscheint eine eindeutige Qualifizierung des Regelreservemarkts als „Markt“ aufgrund des Zusammenspiels der soeben skizzierten regulierten und marktbasierten Elemente äußerst fraglich. Jedoch ist ein Markt ohne jegliche Form staatlicher Eingriffe äußerst selten.227 Daher ist der scheinbare Widerspruch zwischen Schaffung von Wettbewerb durch Liberalisierung und Regulierung dahingehend erklärbar, dass die Liberalisierung von Märkten in der Re-

223 Vergleiche beispielhaft die wirtschaftlichen Überlegungen für den Eintritt von Batteriespeichern in den Regelreservemarkt von Svoboda, et 4/2017, 35–38. 224 https://www.cre.fr/Electricite/Reseaux-d-electricite/Services-systeme-et-mecanisme-dajustement (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 225 Nach erfolgreichem Abschluss des Präqualifikationsverfahrens kann der potenzielle Regelreserveanbieter mit dem Anschluss-ÜNB einen Rahmenvertrag schließen. Ein solcher Vertrag ist die notwendige Voraussetzung für die anschließende Teilnahme an den Regelreserveausschreibungen durch Gebotsabgabe. Vergleiche zum Rahmenvertrag Teil 2 A. I. 2. 226 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020. Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 227 Seeliger, Energiepolitik, S. 45.

F. Regelreserve-Ausschreibung als marktbasiertes Verfahren

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gel neue Regulierung zur Folge hat und diese teilweise sogar erfordert (sogenannte Marktregulierung).228 Diese Konsequenz der zunehmenden Regulierung infolge der bzw. zur Marktöffnung lässt sich auch auf dem Regelreservemarkt beobachten. Zudem bedingt das Erreichen von wettbewerbsfremden Zielen wie beispielsweise die Berücksichtigung von Umweltaspekten einen zunehmenden Regulierungsgrad (sogenannte marktfremde, gemeinwohlorientierte Regulierung).229 Auf dem Regelreservemarkt führte die Berücksichtigung von Umweltbelangen und die damit verbundene Integration von EE-Anlagen unter anderem zu Sonderregelungen für gewisse Technologien sowie zu einer Fortentwicklung der einheitlichen Ausschreibungsbedingungen. Deutlich drückt sich diese Verknüpfung von Regulierung und Wettbewerb auch bei dem Ziel des EnWG aus, das in § 1 Abs. 2 EnWG festschreibt, dass „[d]ie Regulierung der Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze (…) den Zielen der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas (…)“ dient. Insgesamt löst sich das Spannungsverhältnis zwischen Regulierung und Wettbewerb hinsichtlich des Ausschreibungsdesigns des Regelreservemarkts dergestalt auf, dass die Regulierung nicht den Wettbewerb ersetzen soll, sondern vielmehr ergänzende Elemente jenseits der Kosteneffizienz regelt. Während einige Parameter marktlich per Ausschreibung bestimmt werden wie beispielsweise die Vergütungshöhe, werden andere Parameter der Beschaffung von Regelreserve wie beispielsweise der Erfüllungszeitraum per Regulierung festgelegt. Wettbewerb und Regulierung können somit hinsichtlich des Regelreservemarkts als komplementäre Elemente verstanden werden.230 4. Zwischenergebnis: Kategorisierung Regelreservemarkt Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses könnte man den Regelreservemarkt folglich als wettbewerblichen Markt qualifizieren, der einer verstärkten Regulierung unterliegt. Reguliert ist durch das Präqualifikationsverfahren insbesondere der Marktzutritt als auch durch das Ausschreibungsdesign die Markt­ modalitäten. Insgesamt besteht somit auf dem Regelreservemarkt ein wettbewerbliches Verhalten zwischen den Teilnehmern, welches durch eine regulatorische Rahmenordnung gesteuert und gefördert wird. Zudem dient die Rahmenordnung der Marktöffnung für neue Akteure und Technologien und damit wiederum der 228

Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 39. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 39. Teilweise wird auch der Begriff des „regulierten Wettbewerbs“ angewandt, vergleiche Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 282. 230 Wambach, Ausschreibungen – Komplement oder Substitut zur Regulierung?, Vortrag bei der 10. Göttinger Energietagung, 14. 03. 2018, Folien abrufbar unter https://www.efzn.de/de/ veranstaltungen/efzn-veranstaltungsreihen/goettinger-energietagung/2018/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 229

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Teil 1: Einführung und allgemeine Grundlagen des Regelreservemarkts 

Intensivierung des Wettbewerbs. Eine Rahmenordnung ist für einen Markt nicht untypisch und stellt keine Besonderheit des Regelreservemarkts dar.231 Daher ist die Untersuchung der Markzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen nicht allein auf den Regelreservemarkt beschränkt, sondern gilt grundsätzlich für alle vergleichbaren wettbewerblichen Märkte.

231

Vergleiche hierzu ausführlich Teil 3.

Teil 2

Rechtsrahmen des Regelreservemarkts Teil 2 zeigt den Rechtsrahmen des Regelreservemarkts auf, der einer steten – bis heute andauernden – Fortentwicklung unterliegt. Diese spiegelt die energiewirtschaftlichen Veränderungen infolge der Energiewende sowie die technologischen Fortschritte im Marktdesign wider,1 da die Bedingungen des Ausschreibungsverfahrens in regelmäßigen Abständen an die sich ändernde Energiewelt angepasst wurden:2 Während die frühen Fortentwicklungen primär der Liberalisierung und einem numerischen Zuwachs an Regelreserveanbietern dienten, verfolgten spätere Anpassungen zudem die Realisierung energie- und klimapolitischer Ziele. Im Rahmen der Energiewende sollten vermehrt umweltverträgliche Stromerzeugungsanlagen wie Erneuerbare-Energie-Anlagen, aber auch Speicher und Lasten wie zum Beispiel großindustrielle Verbraucher in den Regelreservemarkt integriert werden. Hierfür wurde der Rechtsrahmen stetig angepasst und fortentwickelt sowie Sonderregelungen für spezifische Technologien und Akteure erlassen, um deren Marktintegration zu erleichtern.3 In diesem Kapitel werden zunächst in Abschnitt A. die Rechtsquellen des Regelreservemarkts in deskriptiver Weise dargestellt.4 In Abschnitt B. werden die Sonderregelungen im Regelreservemarkt für einzelne Akteure und Technologien analysiert. Um auf Basis der beschriebenen Rechtsquellen den status quo des aktuell geltenden Rechtsrahmens bestimmen zu können, wird in Abschnitt C. eine Untersuchung des Verhältnisses zwischen den jeweiligen nationalen und den europäischen Regelreservevorschriften vorgenommen. Aufgrund der häufigen Anpassungen der Regelwerke sowie der Aktualität der Europäisierung besteht bisher 1 Die stetige Anpassung des Rechtsrahmens für Regelreserve und die damit verbundenen Gestaltungs- und Fortentwicklungsmöglichkeiten sind häufiger Gegenstand des energiewirtschaftlichen Diskurses, vergleiche unter anderem Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267; BVES, et 12/2017, 18; Dena, Regelleistungserbringung aus dezentralen Energieanlagen; Eble, Wirklich Hütchenspieler am Werk?, ZFK 1/2018, 9; Fraunhofer IWES, Optimierung der Marktbedingungen für die Regelleistungserbringung durch Erneuerbare Energien, sowie exemplarisch die Konsultationen im Vorfeld der Beschlüsse der BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017; BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017. 2 Vergleiche hierzu Teil 1 E. 3 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 37; BT-Drs. 19/2843, Frage 19 (Kleine Anfrage). 4 Bei Abgabe dieser Arbeit waren noch nicht alle Regelwerke verabschiedet bzw. genehmigt, sondern lagen teilweise nur in Entwurf-Versionen vor. Diese werden gleichwohl mit entsprechender Kennzeichnung im Kontext des aktuellen Rechtsrahmens erläutert, um das neue zukünftige Rechtssystem skizzieren zu können.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

keine umfassende, systematisierende Untersuchung des Rechtsrahmens der für die Netzstabilität wichtigen Systemdienstleistung Regelreserve.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts In diesem Abschnitt werden die Rechtsquellen des Regelreservemarkts dargestellt, die infolge der Europäisierung5 stark an Komplexität und Fülle zugenommen haben.6 Die europarechtlich induzierten Veränderungen brachten nicht nur eine Verlagerung der ursprünglich rein nationalen Rechtsquellen auf die europäische Ebene mit sich, sondern bargen zudem die Besonderheit, dass privaten Akteuren im Rechtsetzungsprozess eine hervorgehobene Stellung zukommt, die weit über deren Hinzuziehung bei Konsultationen hinausgeht. So sind in vielen Bereichen die ÜNB als private Akteure ermächtigt bzw. verpflichtet, Regelwerke zur Gestaltung des Marktdesigns zu erlassen. Um eine der Komplexität der Rechtsquellen angemessene Darstellungsform zu wählen, dienen die folgenden Ausführungen allein der Vermittlung der Grundlagen des (zukünftigen) Regelreserve-Designs – auf eine abschließende Darstellung aller Detailregelungen wird aus Gründen des Schwerpunktes auf rechtliche Aspekte in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Aufgezeigt werden in diesem Abschnitt somit nur diejenigen Rechtsquellen und inhaltlichen Bezüge, die für das gewählte Thema Relevanz entfalten. Im Folgenden werden zunächst die europäischen und nationalen Rechtsquellen des Präqualifikationsverfahrens (I.) und anschließend diejenigen des Ausschreibungsverfahrens (II.) dargestellt.

I. Rechtsquellen des Präqualifikationsverfahrens Das Präqualifikationsverfahren regelt den Marktzutritt der potenziellen Regelreserveanbieter zum Regelreservemarkt. Nur Anbieter, die im Vorfeld erfolgreich präqualifiziert wurden, dürfen anschließend an den Ausschreibungsverfahren teilnehmen und Gebote abgeben. Bei dem sogenannten Präqualifikationsverfahren (PQ-Verfahren) werden die technischen Eigenschaften der Anlage geprüft, die für die jeweilige Produktqualität7 erforderlich sind.8 Die Anlagenbetreiber können sich für die Erbringung einer oder mehrerer Regelreserve-Produktqualitäten präqualifizieren. Somit dient das Präqualifikationsverfahren als eine Art vorge 5

Vergleiche Teil 1 E. III. Janzig, ne 1/2020, 50–53 (50). 7 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 8 Ohms, Recht der Erneuerbaren Energien, Rn. 947. 6

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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lagerte Eignungsprüfung für die Teilnahme am Regelreservemarkt.9 Es wird von den Anschluss-ÜNB durchgeführt, das heißt die Präqualifikation erfolgt bei dem ÜNB, in dessen Regelzone die Anlage ihren Netzanschluss vorweist.10 Abgeschlossen wird das Präqualifikationsverfahren zum Nachweis der technischen Fähigkeiten (1.) mit Unterzeichnung eines Rahmenvertrags (2.). 1. Präqualifikationsverfahren Bevor die Regelreserveanbieter zum Regelreservemarkt zugelassen werden, müssen sie im Präqualifikationsverfahrens nachweisen, dass sie die technischen Anforderungen an Regelreserveanbieter erfüllen, wobei je nach Produktqualität unterschiedliche technische Fähigkeiten erforderlich sind.11 Der Begriff Prä­ qualifikation ist in Art. 3 Abs. 2 Nr. 147 Guideline on System Operation12 legaldefiniert als „das Verfahren zur Überprüfung der Übereinstimmung einer Reserveeinheit oder -gruppe mit den vom ÜNB festgelegten Anforderungen“. Richtungsweisende Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung des Präqualifikationsverfahrens befinden sich auf europäischer Ebene in Art. 6 der EltVO, der den Grundsatz der Nichtdiskriminierung als oberste Maxime des Regelreservemarkts festschreibt. So gibt Art. 6 Abs. 8 S. 3 EltVO vor, dass es bei dem Präqualifikationsverfahren zu keiner Diskriminierung zwischen den einzeln oder durch Aggregierung am Präqualifikationsverfahren teilnehmenden Marktteilnehmern kommen darf. Aufgrund dieser wirksamen Nichtdiskriminierung muss bei der Organisation der Regelreservemärkte den unterschiedlichen technischen Fähigkeiten zur Stromerzeugung aus variablen erneuerbaren Energiequellen sowie zur lastseitigen Steuerung und Speicherung Rechnung getragen werden.13 9

Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (248). Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020, § 3 Abs. 1 sowie https://www.regelleistung.net/ext/static/ prequalification (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 11 Consentec, Beschreibung von Konzepten des Systemausgleichs und der Regelreservemärkte in Deutschland, S. 13. 12 Die Guideline on System Operation wurde 2017 als Kommissionsleitlinie auf Grundlage des Art. 8 Abs. 6 lit. j), Abs. 12 i. V. m. Art. 18 der Stromhandelzugangsverordnung erlassen, der die Kommission zum Erlass von Regeln für den Austausch von Ausgleichsenergie, einschließlich netzbezogener Regeln für die Reserveleistung, ermächtigt. Die Kommissionsleitlinien wurden – ebenso wie Netzkodizes – in der Regel als Verordnungen im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV erlassen, das heißt sie sind verbindliches, unmittelbar anwendbares Recht und bedürfen keiner mitgliedstaatlichen Umsetzung, vergleiche Leffler / Fischerauer, in: Leffler /  Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 72. Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 13 Art. 6 Abs. 1 lit. a) und c) EltVO. 10

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Konkretisierungen dieser allgemeinen Rahmenvorgaben der EltVO zum Präqualifikationsverfahren befinden sich in den Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation,14 wobei erstere überwiegend marktbezogene und letztere größtenteils technikbezogene Anforderungen enthält.15 Gemeinsam ist ihnen, dass sie – im Gegensatz zu den allgemeinen Rahmenvorgaben der europäischen EltVO – detaillierte Anwendungsregeln bezüglich der Ausgestaltung des Präqualifikationsdesigns enthalten. Jedoch treffen auch sie nur bedingt konkrete Vorgaben, sondern verpflichten in vielen Aspekten die ÜNB zur Festlegung der präzisen technischen Details des Präqualifikationsverfahrens. Die Präqualifikationsbedingungen (PQ-Bedingungen) werden somit größtenteils nicht von der Europäischen Kommission durch die Kommissionsleitlinien vorgegeben, sondern jeweils von den nationalen ÜNB entwickelt.16 Bei der Ausführung der Verpflichtungen aus der Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation sind die jeweiligen ÜNB jedoch an die entsprechenden Vorgaben der unmittelbar geltenden Kommissionsleitlinien gebunden. Auch auf nationaler Ebene befinden sich Regelungen bezüglich der Präqualifikation von Anlagen. So wird per Gesetz die erfolgreiche Teilnahme am Präqualifikationsverfahren als Erfordernis für die Gebotsabgabe am Regelreservemarkt vorgeschrieben:17 In § 22 Abs. 1 und 2 EnWG i. V. m. § 6 Abs. 5 StromNZV ist festgelegt, dass potenzielle Anbieter von Regelreserveprodukten den Nachweis zu erbringen haben, dass sie die zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforderlichen Anforderungen für die Erbringung der unterschiedlichen Regelenergiearten erfüllen (Satz 1). Nachzuweisen sind insbesondere die notwendigen technischen Fähigkeiten und die ordnungsgemäße Erbringung der Regelleistung unter betrieblichen Bedingungen (Satz 2). Der Nachweis hinsichtlich der technischen Fähigkeiten dient der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erfolgt bei der Durchführung des Präqualifikationsverfahrens.18 Inhaltsgleiche Anforderungen an den Nachweis der technischen Fähigkeiten finden sich in Art. 155, 159 und 162 der Guideline on System Operation.19 Da die Präqualifikationsbedingungen durch die jeweils zuständigen nationalen ÜNB erlassen und nicht einheitlich auf europäischer Ebene erarbeitet werden, unterscheiden sie sich in jedem Mitgliedstaat. Durch die europarechtlichen 14 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 15 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 50, online verfügbar unter http:// cadmus.eui.eu/handle/1814/51326 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 16 Meeus / Schittekatte, Introduction to network tariffs and network codes, S. 20, online verfügbar unter http://cadmus.eui.eu/handle/1814/51326 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 17 Vergleiche zum Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften Teil 2 C. 18 Lüdtke-Handjery, in: Danner / Kühling, EnWG, § 6 StromNZV Rn. 3. 19 Vergleiche zum Verhältnis der nationalen zu den europäischen Vorschriften Teil 2 C.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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Vorgaben der Kommissionsleitlinien wird lediglich eine Mindestharmonisierung angestrebt.20 Die vier deutschen ÜNB haben die PQ-Bedingungen im Dokument Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“)21 vom 09. 11. 2018 festgelegt, die am 29. 05. 2020 in einer aktualisierten Version erschienen sind.22 Die Vorgaben gelten für alle Präqualifikationsanträge, die ab dem Datum des Inkrafttretens bei dem anschließenden ÜNB eingereicht werden.23 Für ältere Anträge sind weiterhin die Vorgaben des Transmission Code 200724 maßgeblich. Sowohl die derzeit geltenden Präqualifikationsbedingungen als auch diejenigen des Transmission Code 2007 stellen rechtlich unverbindliche Regelwerke der ÜNB dar.25 Die Präqualifikationsbedingungen adressieren schwerpunktmäßig die techni­ schen Anforderungen an die Anlagen, welche für die Bereitstellung von Regel­ reserve eingesetzt werden sollen wie zum Beispiel Anforderungen an die Informationstechnik des Regelreserveanbieters und die Aufzeichnung von Daten. Ebenso werden regelreserveartspezifische Anforderungen für die Frequenzhaltungs­ reserve, die automatisch und die manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungs 20 Vergleiche Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit. aa) StromhandelZVO. Die in dieser Arbeit relevanten Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation wurden noch auf Grundlage der StromhandelZVO erlassen. Vergleiche zur Reform der StromhandelZVO Teil 1, Fn. 178. 21 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.01 vom 09. 11. 2018. 22 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020. 23 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.01 vom 09. 11. 2018, Ziffer 1.1. 24 Der vom Verband der Netzbetreiber (VDN) erlassene Transmission Code 2007 enthält Netz- und Systemregeln. Bis zur Einfügung der Systemverantwortung in das EnWG (2005) bildete er die wirtschaftliche und verfahrenstechnische Grundlage der Netznutzung und diente der technisch-betrieblichen Koordination zwischen den systemverantwortlichen ÜNB und den Netznutzern, siehe Abschnitt 1.1 (2) des VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen), Version 1.1, August 2007. Er enthält technische Mindestanforderungen der deutschen ÜNB und operiert als Basis für die bilateralen Verträge zum Netzzugang und der Netznutzung. Aufgrund seiner privatrechtlichen Rechtsnatur entfaltet er nur Bindungswirkung zwischen den deutschen ÜNB als VDN-Mitgliedern, Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Fn. 47; a. A. Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (250), der aufgrund des Verweises in § 22 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 6 StromNZV die privatrechtliche Natur ablehnt. Viele Regelungen des Transmission Code 2007 sind inzwischen aufgrund von Überarbeitungen in anderen (oftmals ebenso privaten) Regelwerken nicht mehr anwendbar. Vergleiche die einführenden Erklärungen zum Transmission Code 2007 unter https://www.next-kraftwerke.de/wissen/ regelenergie/transmission-code (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020) sowie vertiefend Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 46. 25 Vergleiche zur Rechtsnatur der Präqualifikationsbedingungen insbesondere Teil 4 B. III.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

reserve festgelegt. Wesentlicher Bestandteil der Präqualifikation ist ein zweimal hintereinander durchgeführter probeweiser Regelreserveabruf.26 Diese sogenannte Betriebsfahrt27 besteht aus zwei aufeinanderfolgenden Vorhaltephasen sowie Erbringungsphasen und wird wegen ihres charakteristischen Verlaufs auch als „Doppelhöckerkurve“ bezeichnet.28 Neben der technischen Kompetenz müssen zudem eine ordnungsgemäße Erbringung der Regelreserve unter betrieblichen Bedingungen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des potenziellen Regelreserve­ anbieters gewährleistet sein.29 Für die Prüfung des Präqualifikationsantrags sind ab dem Zeitpunkt der Bestätigung der Vollständigkeit des Antrags nicht mehr als drei Monate vorzusehen.30 Die erteilte Präqualifikation von Anlagen gilt gemäß Ziffer 1.10 der PQ-Bedingungen i. V. m. Art. 155 Abs. 6 Guideline on System Operation und Art. 159 Abs. 6 Guideline on System Operation für fünf Jahre beginnend mit dem Datum der Präqualifikation. Vor dem Inkrafttreten der neuen Präqualifikationsbedingungen erstellte unbefristete Präqualifikationsbescheinigungen unterliegen nun ebenfalls einer Befristung der Präqualifikation auf maximal fünf Jahre.31 Bei Ablauf der jeweiligen Präqualifikation können die Regelreserveanbieter die bestehende Präqualifikation überprüfen lassen und, sofern die Anforderungen erfüllt werden, neu präqualifiziert werden.

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Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, S. 18. Im Glossar der Präqualifikationsbedingungen wird „Betriebsfahrt“ definiert als die „vom Anbieter über sein Leitsystem angesteuerte Testfahrt nach standardisierten Vorgaben einer Doppelhöckerkurve“, vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 6. 28 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regel­ reserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 2.3. 29 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.9. 30 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.9 i. V. m. Art. 155 Abs. 4 und 159 Abs. 4 Guideline on System Operation. In Deutschland dauert die Durchführung des Präqualifikationsverfahrens derzeit mindestens zwei Monate, https://www.regelleistung.net/ext/static/prequalification (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dieses Prüfungszeitraums nach europäischem Recht hegt Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (265). 31 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.10. 27

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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2. Rahmenvertrag Nach erfolgreichem Abschluss des Präqualifikationsverfahrens kann der potenzielle Regelreserveanbieter mit dem Anschluss-ÜNB einen Rahmenvertrag schließen.32 Ein solcher Vertrag ist die notwendige Voraussetzung für die anschließende Teilnahme an den Regelreserveausschreibungen durch Gebotsabgabe.33 Der Rahmenvertrag stellt eine individuelle, aber standardisierte Vertragsbeziehung zwischen dem Anschluss-ÜNB und dem Regelreserveanbieter dar.34 Für jede Regelreserve-Produktqualität haben die ÜNB Muster-Rahmenverträge entworfen,35 die bei unveränderter Übernahme bei Vertragsschluss in der Regel als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne des § 305 BGB36 einzuordnen sind.37 Inhalt der konkreten Rahmenverträge sind die technischen, rechtlichen, organisatorischen, operativen und kommerziellen Rahmenbedingungen für das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren sowie für die Vorhaltung und Erbringung der jeweiligen Regelreserveart und deren Abrechnung.38 Die vertraglichen Vereinbarungen enthalten insbesondere Angaben zur Menge der angebotenen positiven bzw. negativen Regelreserve39 in MW, zur Produktzeitscheibe, auf die sich der

32 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.6. 33 Ehricke / Breuer, RdE 10–11/2010, 309–316 (310); BBH / BET, Regelmarkt – Gutachten zu Marktgestaltung, Beschaffungskosten und Abrechnung von Regelleistung und Regelenergie durch die deutschen Übertragungsnetzbetreiber, S. 26; Consentec, Beschreibung von Konzepten des Systemausgleichs und der Regelreservemärkte in Deutschland, S. 14. 34 So die Legaldefinition in 50Hertz / Amprion / TenneT / Transnet BW, Begleitdokument für den Antragsentwurf der Modalitäten für die Frequenzhaltungsreserve (FCR) und Frequenzwiederherstellungsreserven (FRR), 13. 04. 2018, S. 4. 35 Der Inhalt der Muster-Rahmenverträge diente teilweise als Vorlage bei der Ausarbeitung der Modalitäten für Regelreserveanbieter, vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / Transnet BW, Begleitdokument für den Antragsentwurf der Modalitäten für die Frequenzhaltungsreserve (FCR) und Frequenzwiederherstellungsreserven (FRR), 13. 04. 2018, Ziffer 1. 36 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02. 01. 2002 (BGBl. I. S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 22. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3256) geändert worden ist. 37 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 259. 38 Vergleiche den wortgleichen § 1.1 (1) der jeweiligen Muster-Rahmenverträge für die Frequenzhaltungsreserve FCR, die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung aFRR und mit manueller Aktivierung mFRR (FCR Muster-Rahmenvertrag vom 01. 07. 2019, aFRR Muster-Rahmenvertrag vom 17. 06. 2020 und mFRR Muster-Rahmen­ vertrag vom 17. 06. 2020, jeweils abrufbar unter https://www.regelleistung.net/ext/static/pre​ qualification (zuletzt abgerufen am 17. 01. 2021)). 39 Es wird zwischen positiver und negativer Regelreserve unterschieden. Während positive Regelreserve dient dazu, eine Unterspeisung auszugleichen, wird negative Regelreserve bei einer Überspeisung eingesetzt. Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass entweder zusätzliche Strommengen eingespeist bzw. Lasten vom Netz genommen werden, letztere durch gegenteilige Maßnahmen. Vergleiche hierzu Teil 1 C. I.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve bezieht, zum angebotenen Leistungspreis in €/MW sowie zum angebotenen Arbeitspreis in €/MWh.40 Die Präqualifikationsunterlagen des Anbieters sowie die schriftliche Bestätigung der Präqualifikation durch den Anschluss-ÜNB sind gemäß dem Vertragstext ausdrücklich Vertragsbestandteil und dem Rahmenvertrag jeweils als Anlage beizufügen.41 Mit Abschluss des Rahmenvertrags besteht für die Regelreserveanbieter die Möglichkeit, Gebote im Rahmen des Ausschreibungsverfahren abzugeben,42 eine diesbezügliche Pflicht folgt aus der vertraglichen Beziehung jedoch nicht.

II. Rechtsquellen des Ausschreibungsverfahrens Herzstück der Beschaffung der Systemdienstleistung Regelreserve ist das Ausschreibungsverfahren. Hier wird im Rahmen eines Zuschlagsverfahrens ermittelt, welche präqualifizierten Anbieter im konkreten Fall Regelreserve vorhalten und bei Frequenzabweichung erbringen. Die Anzahl der Rechtsquellen des Ausschreibungsverfahrens ist seit und aufgrund der Europäisierung des Regelreservemarkts um ein Vielfaches angewachsen. Zugleich nahm die Komplexität des Rechtsrahmens durch die angestrebte europäische Integration der Regelreservemärkte deutlich zu. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausführung der Kommissionsleitlinien durch die ÜNB sich zeitlich mit der Ausarbeitung des sogenannten EU-Winterpakets „Saubere Energie für alle Europäer“43 durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament überschnitt.44 Während sich die Netzbetreiber noch in der Ausführungsphase der 40

Ohms, Recht der Erneuerbaren Energien, Rn. 948. Vergleiche § 2.1 (4) FCR Muster-Rahmenvertrag; § 22 aFRR Muster-Rahmenvertrag; § 22 mFRR Muster-Rahmenvertrag. 42 „Der Anbieter ist nach Abschluss des Rahmenvertrages berechtigt [Hervorhebung durch die Verfasserin], sich am Ausschreibungsverfahren (…) zu beteiligen“, vergleiche § 1.1 (2) FCR Muster-Rahmenvertrag; § 5 (2) aFRR Muster-Rahmenvertrag; § 5 (2) mFRR Muster-Rahmenvertrag. 43 Vergleiche allgemein zu den Änderungen durch das EU-Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ unter anderem den zweiteiligen Aufsatz von Pause / Kahles, ER 1/19, 9–17 und Kahles / Pause, ER 2/2019, 47–52. 44 Im Bereich des Regelreservemarkts ergeben sich insbesondere durch den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung), COM(2016) 861 final v. 23. 2. 2017 (inzwischen verabschiedet als Verordnung (EU) 2019/943) inhaltliche Überschneidungen mit den Kommissionsleitlinien. So verpflichtet beispielsweise Art. 34 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing die ÜNB, den Regelreserveanbietern grundsätzlich die grenzüberschreitende Übertragung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Regelleistung (= Sekundärmarkt) zu gestatten, während gemäß Art. 6 Abs. 8 UAbs. 2 EltVO die Beschaffung von Regelleistung grundsätzlich auf einem Primärmarkt basieren muss. 41

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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sehr detaillierten Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation mit der Entwicklung von Modalitäten und Methoden befanden, erfolgten zeitgleich bzw. kurz darauf verbindliche Änderungen der geltenden Rechtslage durch die Richtlinien und Verordnungen des EU-Pakets „Saubere Energie für alle Europäer“, die mit den Kommissionsleitlinien stellenweise kollidieren. Je nach Produktqualität bestehen unterschiedliche Ausschreibungsverfahren, denen jeweils eigene Ausschreibungsbedingungen in unterschiedlichen Formaten zugrunde liegen. Diese werden im Folgenden beschrieben, wobei auch ein Ausblick auf die in den nächsten Jahren zu erwartenden grundlegenden Änderungen des Regelreserve-Marktdesigns gegeben wird. 1. Allgemeine Vorgaben zur Gestaltung des Regelreservemarktdesigns Allgemeine Vorgaben zur Gestaltung des Regelreservemarktdesigns befinden sich auf europäischer Ebene in Art. 40 Abs. 4 EltRL 2019, Art. 6 EltVO, der Guide­ line on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation sowie in deren jeweiligen Ausführungsakten45 durch die ÜNB, in Deutschland insbesondere in den „Modalitäten für Regelreserveanbieter“46. Auf nationaler Ebene47 befinden sich die allgemeinen Vorgaben überwiegend in § 22 Abs. 1 und 2 EnWG i. V. m. §§ 6 ff. StromNZV. Alle genannten Vorschriften enthalten allgemeine Rahmenvorgaben, die bei der konkreten Entwicklung des Ausschreibungsdesigns von den für die Ausführung zuständigen Akteuren einzuhalten sind. Insbesondere müssen die Regelreservemärkte transparent, marktbasiert und diskriminierungsfrei organisiert sein. So trifft die ÜNB gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) EltVO die Pflicht, bei der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens einzeln oder durch Aggregation teilnehmenden Marktakteuren einen diskriminierungsfreien Zugang zum Markt zu verschaffen.48 Zudem wird durch die verpflichtende Durchführung eines marktbasierten Beschaffungsverfahrens, wie es unter anderem in Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019, Art. 2 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 lit. a) Guideline on Electricity 45

Vergleiche zu Begriff, Rechtsnatur und Verfahrensgang der Ausführungsakte der ÜNB zur Erfüllung ihrer Pflichten aus den Kommissionsleitlinien Teil 4 B. III. 2. 46 Die vier deutschen ÜNB erließen am 13. 04. 2018 zur Ausführung ihrer Verpflichtung aus Art. 18 Abs. 5 der Guideline on Electricity Balancing den „Antragsentwurf für die Festlegung der Modalitäten für die Frequenzhaltungsreserve (FCR) und Frequenzwiederherstellungsreserven (FRR)“, den sie gemäß Art. 5 Abs. 4 lit. c) Guideline on Electricity Balancing der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorlegten. Eine überarbeitete Version des Antrags wurde am 27. 02. 2019 veröffentlicht. Diese wurden am 02. 10. 2019 mit Beschluss BK6-18004-RAM der Bundesnetzagentur in einer Teilgenehmigung bestätigt. Die Vollziehung dieses Beschlusses wird bis einschließlich 01. 11. 2020 ausgesetzt, vergleiche BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM-Androhung vom 13. 03. 2020. Zum 02. 11. 2020 trat eine überarbeitete Version der Modalitäten für Regelreserveanbieter in Kraft. 47 Vergleiche zum Verhältnis der nationalen zu den europäischen Vorschriften Teil 2 C. 48 Ähnliche Vorgaben enthält Art. 40 Abs. 4 lit. b) EltRL 2019.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Balancing sowie § 22 Abs. 1 EnWG vorgeschrieben ist, eine nicht auf marktbasierten Elementen beruhende Beschaffung von Regelreserve unzulässig.49 Gemäß § 22 Abs. 2 EnWG i. V. m. § 6 StromNZV finden die Ausschreibungen von der Frequenzhaltungsreserve, der automatischen bzw. der manuellen Frequenzwiederherstellungsreserve jeweils getrennt nach Produktqualität und mit jeweils eigenem Marktdesign über die Internetplattform www.regelleistung.net statt.50 2. Ausschreibungsbedingungen bis 02. 11. 2020 Für die verschiedenen Regelreserve-Produktqualitäten51 bestehen jeweils unterschiedliche Ausschreibungsbedingungen und damit ein unterschiedliches Marktdesign. Im Folgenden wird ausführlicher auf die bis November 2020 geltenden Ausschreibungsbedingungen der Regelreservemärkte bezüglich der Produktqualitäten der Frequenzhaltungsreserve, der automatischen und der manuellen Frequenzwiederherstellungsreserve eingegangen. Diese waren geprägt von einer gemeinsamen Ausschreibung für Regelleistung und Regelarbeit. a) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzhaltungsreserve „FCR“ Die deutschen ÜNB beschaffen die Frequenzhaltungsreserve FCR in einem grenzüberschreitenden Beschaffungsverfahren: Als Mitglied der sogenannten Internationalen FCR-Kooperation schreiben die deutschen ÜNB FCR-Regel­ reserve gemeinsam mit den österreichischen, belgischen, niederländischen, schweizerischen, dänischen, slowenischen und französischen ÜNB aus.52 Insgesamt wird dabei ein Gesamtbedarf von ca. 1.350 MW FCR ausgeschrieben.53 Die Rechtsgrundlage dieses Zusammenschlusses bildet Art. 33 Abs. 1 Guideline on Electricity

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Beispielsweise durch eine verpflichtende Bereitstellung von Regelreserve. Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Rn. 39. 51 Vergleiche hierzu Teil 1 D. 52 Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018. Die Bestimmungen wurden von den europäischen ÜNB ausgearbeitet und am 13. 12. 2018 mit dem Beschluss BK6-18-006 von der Bundesnetzagentur genehmigt. Seit dem 01. 06. 2020 ist auch die Nutzung von technischen Einheiten in Luxemburg bei der Teilnahme an der gemeinsamen Ausschreibung der FCR-Kooperation möglich. Hierzu haben die beiden ÜNB Creos und Amprion ein Kooperationsmodell entwickelt. Dieses sieht vor, dass Amprion die Rolle des Anschlussübertragungsnetzbetreibers einnimmt und im Falle eines luxemburgischen Anbieters mit diesem einen entsprechenden Rahmenvertrag schließt. 53 Belgien, Dänemark und die Niederlande beschaffen nur einen Teil ihres FCR-Bedarfs durch die FCR-Kooperation, der andere Teil wird rein national ausgeschrieben. 50

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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Balancing, der die Option einer Kooperation zwischen zwei oder mehr ÜNB zum Austausch von Regelleistung unter gemeinsamen harmonisierten Bestimmungen und Verfahren einräumt. Die Ausschreibungsbedingungen für die gemeinsame Beschaffung der Frequenzhaltungsreserve FCR wurden von den an der Kooperation beteiligten ÜNB erarbeitet54 und befinden sich in dem Dokument „Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Art. 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem“ in der geänderten Version vom 18. 10. 2018, welches die Vorgaben der Guideline on Electricity Balancing sowie der Guideline on System Operation umsetzt. Die Bestimmungen wurden von den beteiligten europäischen ÜNB ausgearbeitet und am 13. 12. 2018 mit dem Beschluss BK6-18-006 von der Bundesnetzagentur genehmigt. Mit behördlicher Genehmigung des privatrechtlichen Regelwerks der beteiligten ÜNB findet der Vorgängerbeschluss der Bundesnetzagentur55 zum Verfahren zur Ausschreibung von Regelreserve in Gestalt der Primärregelung in der Praxis keine Anwendung mehr – soweit ersichtlich wurde dieser Beschluss jedoch formal bisher nicht widerrufen.56 In den FCR-Ausschreibungsbedingungen der beteiligten ÜNB werden Regelungen unter anderem zum Ausschreibungszyklus, zum Ausschreibungszeitpunkt, zu den Produktzeitscheiben,57 zur Angebotsmenge sowie zum Abrechnungsverfahren getroffen:58 Die Frequenzhaltungsreserve FCR wird als symmetrisches Produkt beschafft, das heißt, positive und negative Regelreserve59 werden nicht getrennt, sondern gemeinsam in einer einzigen Auktion ausgeschrieben.60 Die Frequenzhal 54 Anders noch die vorherigen Ausschreibungsbedingungen der Primärregelenergie, die durch die Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011 zum Verfahren zur Ausschreibung von Regelenergie in Gestalt der Primärregelung erlassen wurden. 55 BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011. 56 Ein ausdrücklicher Widerruf des Vorgängerbeschlusses ist jedoch üblich  – vergleiche unter anderem die Beschlüsse BK6-10-097, Ziffer 15, BK6-15-158, Ziffer 16 und BK6-15-159, Ziffer 15 – und rechtlich erforderlich. 57 Der Fachbegriff „Produktzeitscheibe“ bezieht sich auf den Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve. 58 Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018. Die Bestimmungen wurden von den europäischen ÜNB ausgearbeitet und am 13. 12. 2018 mit dem Beschluss BK6-18-006 von der Bundesnetzagentur genehmigt. 59 Positive Regelreserve dazu dient, eine Unterspeisung auszugleichen, negative Regelreserve bei einer Überspeisung eingesetzt, vergleiche hierzu Teil 1 C. I. 60 Gemäß § 6 Abs. 3 StromNZV ist die Frequenzhaltungsreserve FCR als symmetrisches Produkt auszuschreiben, das heißt positive und negative Frequenzhaltungsreserve gemeinsam und nicht getrennt. Dementgegen fordert Art. 6 Abs. 9 EltVO, dass grundsätzlich jede Produkt-

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

tungsreserveanbieter müssen somit grundsätzlich in der Lage sein, sowohl positive als auch negative Regelreserve zu erbringen. Im Rahmen der Frequenzhaltungsreserve geben die Regelreserveanbieter ein Gebot für die von ihnen im Falle eines Zuschlags bereitzustellende Regelleistung inklusive Angabe eines Leistungspreises in €/MWh ab.61 Für die Zuschlagserteilung werden die gebotenen Leistungspreise in aufsteigender Reihenfolge (MeritOrder-Liste)62 sortiert und alle Anbieter bis zur Bedarfsdeckung in der Höhe der gebotenen Leistungspreise bezuschlagt. Aktuell erfolgt die Zuschlagserteilung für die Frequenzhaltungsreserve noch nach dem Gebotspreisverfahren („pay-as-bid“), das heißt, die bezuschlagten Anbieter erhalten eine Vergütung in der Höhe des von ihnen geforderten Preises.63 Ein separater Arbeitspreis im Falle des Abrufs der Frequenzhaltungsreserve wird – im Gegensatz zu den Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer und manueller Aktivierung – nicht bezahlt.64 Der in Art. 11 des genehmigten Antrags65 festgelegte Implementierungsfahrplan sieht einen zweistufigen Zeitrahmen mit Änderungen des FCR-Marktdesigns vor. Die erste Stufe der Änderungen trat zum 01. 07. 2019, die zweite Stufe zum 01. 07. 2020 in Anwendung. Seit dem 01. 07. 2019 finden nunmehr die Frequenzhaltungsreserve-Ausschreibungen nicht mehr wöchentlich, sondern werktäglich statt. Diese Verkürzung des Ausschreibungszyklus erlaubt den Anbietern bei Angebotserstellung sowohl eine bessere Kapazitätsprognose – was insbesondere für qualität, also auch die Frequenzhaltungsreserve FCR getrennt beschafft werden muss, wobei Ausnahmen hiervon auf Antrag der ÜNB und nach Genehmigung der Bundesnetzagentur zulässig sind. Ein entsprechender ausdrücklicher Antrag wurde bisher noch nicht gestellt; gegebenenfalls kann der (jedoch bereits vor Verabschiedung der EltVO vorgelegte) Vorschlag der ÜNB zum neuen Marktdesign der Frequenzhaltungsreserve FCR vom 19. 10. 2018 als konkludenter Antrag ausgelegt werden. 61 Vergleiche § 4 FCR Muster-Rahmenvertrag vom 01. 07. 2019, abrufbar unter https://www. regelleistung.net/ext/static/prequalification (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 62 Art. 2 Nr. 37 Guideline on Electricity Balancing definiert eine „gemeinsame Merit-Order-Liste“ als „eine nach Gebotspreisen geordnete Liste von Regelarbeitsgeboten, die zur Aktivierung dieser Gebote verwendet wird“. 63 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018, Artikel 8. 64 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018, Artikel 8. 65 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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Anbieter mit dargebotsabhängigen EE-Anlagen relevant ist – als auch die Berücksichtigung kurzfristiger, zusätzlicher Informationen zur Marktsituation.66 Der Ausschreibungszeitraum beginnt 14 Tage vor der Ausschreibung (Gate Opening Time, GOT), das Ende der Auktion liegt gemäß der im Antrag festgelegten Abfolge zwischen zwei und vier Tagen vor dem Erfüllungszeitpunkt (Gate Closure Time, GCT). Zudem wurde zum 01. 07. 2019 die Produktzeitscheibe von einer Woche auf einen Tag verkürzt. Die Mindestangebotsmenge beträgt unverändert weiterhin 1 MW. Am 01. 07. 2019 wurde das Gebotspreisverfahren („pay-as-bid“) durch das Grenzpreisverfahren („pay-as-cleared“, „marginal pricing“ oder „uniform pricing“) abgelöst, sodass fortan die Abrechnung der FCR-Regelreserveanbieter zum Grenzpreis seines Landes stattfindet. Bei diesem Vergütungsmodell erhalten die bezuschlagten Anbieter nicht den gebotenen Preis, sondern den in der MeritOrder-Liste höchsten Preis für die letzte benötigte Einheit.67 Alle bezuschlagten Teilnehmer empfangen somit dieselbe Vergütungshöhe pro eingespeiste MWh. In einem zweiten Schritt wurden zum 01. 07. 2020 der Ausschreibungszyklus auf eine kalendertägliche Ausschreibung mit Ausschreibungsende am Vortag des Erbringungstages umgestellt und die Produktzeitscheibe auf vier Stunden verkürzt, sodass pro Tag sechs Produkte von jeweils vier Stunden bestehen.68 b) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung „aFRR“ Anders hingegen verläuft die Bereitstellung der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserven aFRR, deren gesamter Bedarf in den Regelblöcken Deutschland und Österreich in einer gemeinsamen Ausschreibung der beiden Länder beschafft wird. Der Abruf von Regelarbeit erfolgt anhand einer gemeinsamen Merit-Order-Liste, die aus den deutschen und österreichischen aFRR-Geboten besteht. Gemäß Art. 33 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing wurden die harmonisierten Ausschreibungsbestimmungen gemeinsam von den vier deutschen sowie dem österreichischen ÜNB getroffen. Die Regelungen des Ausschreibungsverfahrens befinden sich in dem Vorschlag der entsprechenden ÜNB vom 19. 06. 2018 „Gemeinsame harmonisierte Bestimmungen und Verfahren für die Beschaffung und den Austausch von Regelleistung aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung zwischen Deutschland und Österreich nach Art. 5 Abs. 3 lit. b, o, Art. 33 und Art. 58 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im

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BNetzA, Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018, S. 9 f. Meister / Schneider, EnWZ 3/2015, 110–115 (111). 68 Die Ausschreibung und Vergabe der Frequenzhaltungsreserve FCR erfolgt damit für jeden Kalendertag in den folgenden sechs Produktzeitscheiben: 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr, 4:00 Uhr bis 8:00 Uhr, 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr, 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr, 16:00 Uhr bis 20:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr. 67

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Elektrizitätsversorgungssystem“69, der von der Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-18-064 vom 18. 12. 2018 genehmigt wurde. Die grenzüberschreitende Ausschreibung findet kalendertäglich statt, wobei der Ausschreibungsbeginn sieben Tage vor dem Erbringungstag und das Ausschrei­ bungsende am Vortag des Liefertages um 9:00 Uhr70 liegen. Pro Tag bestehen sechs Produktzeitscheiben à vier Stunden,71 für die Gebote abgegeben werden können. Die Mindestangebotsmenge für die Teilnahme an der Ausschreibung wurde  – entgegen ursprünglicher Überlegungen  – nicht in Deutschland und Österreich harmonisiert, sodass weiterhin die jeweiligen nationalen Regelungen Anwendung finden.72 Gemäß den deutschen Ausschreibungsbedingungen für die automatisch aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR beträgt die Mindestangebotsmenge 5 MW, wobei abweichend hiervon auch eine Angebotsmenge von 1 MW, 2 MW, 3 MW oder 4 MW unter der Maßgabe zulässig ist, dass ein aFRR-Anbieter nur ein einziges Angebot je Produktzeitscheibe der positiven bzw. negativen73 Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung in der jeweiligen Regelzone abgibt.74 Im Rahmen der Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung geben die Regelreserveanbieter ein Gebot für die von ihnen vorgehaltene und im Falle eines Zuschlags bereitzustellende Regelreserve inklusive Leistungs- und Arbeitspreis ab. Aktuell erfolgt die Zuschlagserteilung für Regelreserve allein aufgrund des gebotenen Leistungspreises im Rahmen des Gebotspreisverfahrens („pay-as-bid“).75 Mit Zuschlagserteilung werden die Anbieter zur Vorhaltung von Regelleistung und gleichzeitig zur Erbringung von Regelarbeit im Bedarfsfall verpflichtet. Die Vergütung für die Vorhaltung von Regelleistung wird unabhängig davon gezahlt, ob der Regelreserveanbieter im Fall einer situativen Frequenz­

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Der Antrag wurde mit Schreiben der vier deutschen ÜNB vom 23. 10. 2018 präzisiert. Der ursprünglich vorgeschlagene Zeitpunkt der Marktschließung um 8:00 Uhr wurde um eine Stunde nach hinten verschoben, da dieser ab dem 01. 07. 2020 mit der Handelsschlusszeit für Frequenzhaltungsreserve FCR kollidieren würde, vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Änderung des Zeitpunkts der Marktschließung für die Beschaffung von Regelleistung aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung zwischen Deutschland und Österreich nach Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. November 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (EB-VO) vom 19. 07. 2019, der von der Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-19-160 vom 12. 12. 2019 genehmigt wurde. 71 Die Ausschreibung und Vergabe der Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung aFRR erfolgt damit für jeden Kalendertag in den folgenden sechs Produktzeitscheiben: 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr, 4:00 Uhr bis 8:00 Uhr, 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr, 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr, 16:00 Uhr bis 20:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr. 72 Vergleiche die Präzisierung der vier deutschen ÜNB vom 23. 10. 2018. 73 Vergleiche zur Erklärung von positiver und negativer Regelreserve Teil 1 C. I. 74 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 5. 75 BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 9 a). Vergleiche zur Entwicklung des Vergütungsverfahrens Teil 1, Fn. 213. 70

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abweichung auch Regelarbeit erbringt oder nicht.76 Der gebotene Arbeitspreis wird hingegen nur im Falle eines tatsächlichen Abrufs von Regelarbeit gezahlt.77 c) Ausschreibungsverfahren für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung „mFRR“ Während bei der Frequenzhaltungsreserve FCR und der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR bereits heute grenzüberschreitende Beschaffungsverfahren stattfinden, erfolgt die Beschaffung von manuell aktivierter Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR weiterhin rein national in einer regelzonenübergreifenden Ausschreibung der deutschen ÜNB. Von der optionalen Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Ausschreibung nach Art. 33 Guideline on Electricity Balaning wurde somit im Bereich der manuell aktivierten Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR (noch) kein Gebrauch gemacht. Die Ausschreibungsbedingungen werden daher nicht  – wie bei der Frequenzhaltungsreserve FCR und der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR – von den ÜNB aufgrund einer europäischen Verpflichtung entwickelt, sondern in der bisherigen Tradition stehend von der Bundesnetzagentur auf Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 StromNZV erlassen. Die Festlegungen bezüglich des aktuellen Ausschreibungsdesigns für die manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR wurden im Beschluss BK6-15-15978 der Bundesnetzagentur getroffen und enthalten unter anderem Regelungen zum Ausschreibungszyklus und -zeitraum, den Produktzeitscheiben, der Mindestangebotsmenge und den Vergabekriterien. Inhaltlich entsprechen die mFRR-Ausschreibungsbedingungen überwiegend den aFRR-Modalitäten. So erfolgt die Ausschreibung in einem kalendertäglichen Ausschreibungszyklus. Der Beginn der Ausschreibung liegt sieben Tage vor dem Erbringungszeitpunkt, das Ausschreibungsende am Vortag des Erbringungstages um 10:00 Uhr. Geboten wird auf eine Produktzeitscheibe von vier Stunden.79 Auch bei der manuellen Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR beträgt die Mindestangebotsmenge 5 MW, wobei abweichend hiervon auch eine Angebotsmenge von 1 MW, 2 MW, 3 MW oder 4 MW unter der Maßgabe zulässig ist, dass 76 Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, 121 f. 77 Breuer, REE 1/2012, 17–22 (21). 78 BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017. Ergänzend hierzu enthielt der Beschluss BK6-18-020 vom 08. 05. 2018 Regelungen zum Zuschlagsverfahren, dieser wurde jedoch am 22. 07. 2019 durch das OLG Düsseldorf gerichtlich aufgehoben, siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. 07. 2019, Az. VI-3 Kart 806/18 (V). 79 Die Ausschreibung und Vergabe der Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung mFRR erfolgt damit für jeden Kalendertag in den folgenden sechs Produktzeitscheiben: 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr, 4:00 Uhr bis 8:00 Uhr, 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr, 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr, 16:00 Uhr bis 20:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

ein mFRR-Anbieter nur ein einziges Angebot je Produktzeitscheibe der positiven bzw. negativen Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung in der jeweiligen Regelzone abgibt. Wie auch bei der Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung aFRR erfolgt bei der Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung mFRR die Zuschlagserteilung allein aufgrund des gebotenen Leistungspreises im Rahmen des Gebotspreisverfahrens („pay-as-bid“)80 und der gebotene Arbeitspreis wird nur im Falle eines tatsächlichen Abrufs von Regelarbeit gezahlt.81 3. Einführung eines Regelarbeitsmarkts zum 02. 11. 2020 für aFRR und mFRR Mit Inkrafttreten der Guideline on Electricity Balancing im Jahr 2017 – und bekräftigt durch die Verabschiedung von Art. 6 EltVO im Jahr 2019 – wurden die europäischen Mitgliedstaaten verpflichtet, einen separaten Regelarbeitsmarkt für die Regelreserve-Produktqualitäten aFRR und mFRR einzuführen. Infolge dessen sollen in den europäischen Mitgliedstaaten pro Produktqualität zwei hintereinandergeschaltete, voneinander getrennte Regelreservemärkte bestehen, nämlich ein Regelleistungsmarkt (balancing capacity market) und ein Regelarbeitsmarkt (balancing energy market).82 Ausschreibungsgegenstand auf dem Regelleistungsmarkt ist die Vorhaltung von Regelleistung. Im Fall einer Zuschlagserteilung verpflichten sich die Regelreserveanbieter zur Vorhaltung von Regelreserve, das heißt sie halten Regelleistung vor, um diese bei Frequenzabweichungen bereitstellen zu können.83 Im Regelarbeitsmarkt hingegen geht es darum, welcher Marktteilnehmer im konkreten Fall Regelreserve in Form von Regelarbeit bereitstellt.84 Dem Regelleistungsmarkt kommt damit zukünftig die Funktion eines „Versicherungsprodukts“ zu, auf das nur dann zurückgegriffen wird, wenn der Regelarbeitsmarkt bspw. wegen technischer Probleme ausfällt.85 Anders als bei den anderen Produktqualitäten ist für die Frequenzhaltungsreserve FCR kein Regelarbeitsmarkt vorgeschrieben.86 Mit der Einführung von Regelarbeitsmärkten für aFRR und mFRR wird sich ein gesteigerter Wettbewerb zwischen den Regelreserveanbietern erhofft, 80

BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 10 a). Vergleiche zur Entwicklung des Vergütungsverfahrens Teil 1, Fn. 213. 81 Breuer, REE 1/2012, 17–22 (21). 82 Der Begriff „Regelleistung“ betrifft die Leistungsvorhaltung, der Begriff „Regelarbeit“ die tatsächlich abgerufene Regelreserve. Eine Erläuterung dieser Begriffe befindet sich in Teil 1 C. II. 83 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 55 f. 84 Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 122. 85 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 7. 86 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 4.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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da durch die sinkenden Markteintrittsbarrieren für erneuerbare Energien ein zunehmender Druck auf die Arbeitspreise erwartet wird.87 Da Deutschland bis dato ein einheitliches Ausschreibungsverfahren für Regelleistung und Regelarbeit bezüglich der Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer und manueller Aktivierung aufweist, muss zur Ausführung der Vorgaben der Guideline on Electricity Balancing das deutsche Ausschreibungssystem grundlegend geändert werden. In Deutschland muss der Regelarbeitsmarkt spätestens zum 02. 11. 2020 eingeführt werden.88 Infolge der Einführung des separaten Regelarbeitsmarkts bestehen neben den genannten89 allgemeinen Vorgaben zur Gestaltung des Regelreservemarkts ebenso europarechtliche Spezialvorschriften, die Vorgaben entweder ausschließlich für den Regelleistungs- (a) oder für den Regelarbeitsmarkt (b) enthalten. Diese verpflichtenden Vorgaben wurden von den ÜNB entsprechend durch die Anpassung der Ausschreibungsbedingungen für aFRR und mFRR ausgeführt (c). a) Europarechtliche Vorgaben hinsichtlich des Regelleistungsmarkts Die europarechtlichen Vorschriften bezüglich der ersten Stufe des Ausschreibungsverfahrens (Regelleistungsmarkt) betreffen die Beschaffung und Vorhaltung von Regelreserve, der sogenannten Regelleistung. Ein Anbieter hält dann Regelreserve vor, wenn die technische Einheit unter Wahrung der zeitlichen Rahmenbedingungen jederzeit nach Aufforderung ihre aktuelle Leistungseinspeisung oder -aufnahme entsprechend der Leistungsanforderung anpassen kann.90 Präqualifizierte Marktteilnehmer, die Regelleistung gegen eine Vergütung vorhalten und bei einem Abruf zur Verfügung stellen möchten, können auf dem Regelleistungsmarkt ihr Gebot abgeben.91 Das Design des Ausschreibungsverfahrens zur Beschaffung von Regelleistung unterliegt inzwischen in vielfacher Hinsicht europarechtlichen Einflüssen. Zwar besteht keine Pflicht der europäischen ÜNB zur Einführung eines gemeinsamen, europäischen Ausschreibungsverfahrens. Der marktbasierte Beschaffungsprozess 87 Vergleiche vertiefend zu den weiteren Effekten der Einführung eines Regelarbeitsmarkts Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 52 ff. 88 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, Tenorziffer 2 und S. 52 ff. Die Vollziehung dieses Beschlusses wird bis einschließlich 01. 11. 2020 ausgesetzt, vergleiche BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM-Androhung vom 13. 03. 2020. 89 Vergleiche Teil 2 A. II. 1. 90 Vergleiche Nr. 20 der Anlage 5 (Begriffsbestimmungen) vom 04. 08. 2011 zum aFRR Muster-Rahmenvertrag vom 31. 07. 2019, abrufbar unter https://www.regelleistung.net/ext/ static/prequalification (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 91 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 52.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

kann somit grundsätzlich weiterhin national, das heißt ohne den Verbund mit den ÜNB anderer europäischer Staaten, erfolgen. Art. 33 Guideline on Electricity Balancing bietet jedoch jedem europäischen ÜNB die Möglichkeit, mit den ÜNB anderer Mitgliedstaaten einen gemeinsamen, grenzüberschreitenden Regelleistungsmarkt einzuführen. Allerdings kann auch bei Durchführung eines rein nationalen Ausschreibungsverfahrens für Regelleistung aufgrund europarechtlicher Einflüsse die Gestaltungsform des Regelleistungsmarkt-Designs nicht in allen Aspekten frei gewählt werden. So trifft die Guideline on Electricity Balancing spezielle Gestaltungsvorgaben für den Regelleistungsmarkt wie zum Bespiel das Recht der Regelreserveanbieter, bereits abgegebene Gebote noch bis Marktschließung ändern zu können, vergleiche Art. 16 Abs. 2 Guideline on Electricity Balancing. b) Europarechtliche Vorgaben hinsichtlich des Regelarbeitsmarkts Die dem Regelleistungsmarkt nachgelagerte Stufe stellt der Regelarbeitsmarkt dar, bei dem es nicht um die Vorhaltung von Regelreserve, sondern um deren tatsächlichen Einsatz im Fall einer Frequenzabweichung geht. Von der Erbringung von Regelarbeit spricht man, wenn die technische Einheit unter Wahrung der zeitlichen Rahmenbedingungen nach der Aufforderung ihre aktuelle Leistungseinspeisung oder -aufnahme entsprechend der Leistungsanforderung angepasst hat und Regelarbeit physikalisch im Übertragungsnetz im angeforderten Umfang wirksam wird.92 Präqualifizierte Regelreserveanbieter können ihre Gebote für die Bereitstellung von Regelarbeit in dem Ausschreibungsverfahren für die Beschaffung abgeben und erhalten nach erfolgreichem Zuschlag eine Vergütung in Form des gebotenen Arbeitspreises für die eingesetzte Regelreserve.93 Die Zuschlagserteilung für Regelarbeit erfolgt aufgrund des gebotenen Arbeitspreises – zunächst noch im Rahmen des Gebotspreisverfahrens („pay-as-bid“).94 Der Regelarbeitsmarkt für die entsprechende Produktqualität öffnet gemäß § 38 Abs. 1 der Modalitäten für Regelreserveanbieter mit Veröffentlichung der Vergabeergebnisse für die jeweilige Reserveleistung.95

92 Vergleiche Nr. 20 der Anlage  5 (Begriffsbestimmungen) vom 04. 08. 2011 zum aFRR Muster-Rahmenvertrag vom 31. 07. 2019, abrufbar unter https://www.regelleistung.net/ext/ static/prequalification (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 93 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 52. 94 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 21 f. Erst mit Einführung der Standard-Regelreserveprodukte und spezifischen Regelreserveprodukte muss die Abrechnung von Regelarbeit auf dem Grenzpreisverfahren („pay-as-cleared“, „marginal pricing“ oder „uniform pricing“) beruhen, vergleiche Teil 2 A. II. 4. 95 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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Der Kreis der Anbieter von Regelarbeit ist nicht zwingend identisch mit dem zuvor bezuschlagten Kreis der Regelleistungsanbieter: Zwar sind diejenigen Regelreserveanbieter, die im Regelleistungsmarkt bezuschlagt wurden, verpflichtet, anschließend ein Gebot auf dem Regelarbeitsmarkt für die entsprechende Vertragsperiode abzugeben.96 Jedoch können auch präqualifizierte Regelreserveanbieter, die keinen Zuschlag am Regelleistungsmarkt erhalten haben, ebenso am Auktionsverfahren des Regelarbeitsmarkts teilnehmen und reine Arbeitspreisangebote abgeben.97 Daraus folgt, dass anders als in der Vergangenheit der Kreis der Erbringer von Regelarbeit zukünftig nicht mehr durch den Kreis der Regelleistung vorhaltenden Regelreserveanbieter determiniert wird.98 Dies soll die Teilnahme von Anbietern erzeugungs- und lastseitiger Flexibilität fördern99 sowie den Wettbewerb um die Arbeitspreise intensivieren.100 c) Konkrete Gestaltung des Regelarbeitsmarkts für aFRR und mFRR Die konkreten Ausschreibungsbedingungen für die aFRR- und mFRR-Regelarbeitsmarktprodukte sind in den Modalitäten für Regelreserveanbieter101, die von den vier deutschen ÜNB vorgeschlagen und von der Bundesnetzagentur am 02. 10. 2019 genehmigt wurden,102 festgelegt. Um eine Kompatibilität zwischen Regelleistungs- und Regelarbeitsmarkt gewährleisten zu können, unterliegen gemäß § 38 Abs. 3 der Modalitäten für Regelreserveanbieter103 die jeweiligen Regelreserveprodukte auf dem Regelarbeitsmarkt den identischen Anforderungen wie die Produkte am Regelleistungsmarkt, das heißt es besteht eine identische Produktdauer, eine identische Mindestangebotsmenge, identische Möglichkeiten zur (Un-)Teilbarkeit von Geboten und der Angabe von einem Arbeitspreis für die gesamte Produktdauer. Hier gelten die bisher für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer sowie für die mit manueller Aktivierung festgelegten Ausschreibungsbedingungen unverändert fort. 96

Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 58. Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 41; Janzig, ne 1/2020, 50–53 (50). 98 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 7. 99 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 52 und 56. 100 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 45. 101 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020. 102 BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019. 103 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020. 97

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Der Regelarbeitsmarkt für aFRR und mFRR beginnt mit Bezuschlagung der Gebote im Leistungsmarkt und schließt eine Stunde vor Beginn der jeweiligen Produktzeitscheibe.104 Die am Regelarbeitsmarkt abgegebenen Gebote können gemäß § 38 Abs. 1 lit. a) der Modalitäten für Regelreserveanbieter noch bis zum Zeitpunkt der Schließung des Regelarbeitsmarkts angepasst werden und sind erst mit dessen Schließung verbindlich. Die Bezuschlagung und Vergütung im Regelleistungsmarkt erfolgt anhand des gebotenen Leistungspreises, im Regelarbeitsmarkt anhand des gebotenen Arbeitspreises.105 Der Arbeitspreis ist seit dem 19. 01. 2021 auf eine Preisobergrenze von 9.999,99 €/MWh beschränkt.106 4. Einführung europäischer Plattformen ab 2022 für den gemeinsamen Austausch von aFRR und mFRR Darüber hinaus werden ab 2022 europäische Plattformen für den europäischen Austausch von aFRR- und mFRR-Regelarbeit eingeführt, die von ÜNB oder von einer von den ÜNB geschaffenen Einrichtung betrieben werden. Dies ergibt sich aus den Art. 20 und Art. 21 Guideline on Electricity Balancing, die alle europäischen ÜNB zur Entwicklung eines gemeinsamen Vorschlags für den Umsetzungsrahmen von europäischen Plattformen für den Austausch aus Regelarbeit verpflichten. Die Teilnahme an diesen europäischen Plattformen ist für die europäischen ÜNB gemäß Art. 20 und Art. 21 Guideline on Electricity Balancing verpflichtend. Ziel dieses grenzüberschreitenden Austauschs ist eine bessere Integration der jeweiligen mitgliedstaatlichen Regelarbeitsmärkte. Zur Realisierung der Plattformen sind die europäischen ÜNB gemäß Art. 20 und Art. 21 Guideline on Electricity Balancing verpflichtet, einen Vorschlag für den Umsetzungsrahmen gemeinsam zu entwickeln. Am 18. 12. 2018 legten die europäischen ÜNB sowohl einen Vorschlag für einen Umsetzungsrahmen der europäischen Plattform für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung aFRR, die sogenannte PICASSO-Plattform107,108 als auch einen Vorschlag für einen Umsetzungsrahmen der europäischen Plattform für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung mFRR, die sogenannte 104

BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 8. BNetzA, Beschluss BK6-18-004-RAM vom 02. 10. 2019, S. 8. 106 BNetzA, Beschluss BK6-20-360 vom 16. 12. 2020, S. 2. 107 Die europäische Plattform für die automatisch aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR wird auch als PICASSO-Plattform bezeichnet, dabei steht PICASSO für „Platform for the International Coordination of Automated Frequency Restoration and Stable System Operation“. 108 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung gemäß Artikel  21 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Fest­ legung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018. 105

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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MARI-Plattform109, vor.110 Beide privaten Regelwerke befinden sich derzeit in der Genehmigungsphase: Bisher stehen die gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. a) Guideline on Electricity Balancing erforderlichen Genehmigungen des Umsetzungsrahmens durch die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Agency for the Cooperation of Energy Regulators – ACER) noch aus.111 ACER ist eine europäische Behörde mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gründung auf der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden112 basiert.113 Diese Verordnung wurde 2019 im Rahmen des EU-Winterpakets „Saubere Energie für alle Europäer“114 neugefasst; die überarbeitete Fassung wird im Folgenden als ACER-VO115 bezeichnet. Mit Betrieb der europäischen Plattformen werden die Ausschreibungsbedingungen künftig europaweit durch die Einführung von sogenannten Standardprodukten gemäß Art. 26 Guideline on Electricity Balancing harmonisiert. Die Produktzeitscheiben der Standardprodukte für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer und manueller Aktivierung betragen planmäßig ab 2022 nur noch 15 Minuten statt wie bisher in Deutschland vier Stunden.116 Zudem schließt der 109

Die europäische Plattform für manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR wird auch als MARI-Plattform bezeichnet, dabei steht MARI für „Manually Activated Reserves Initiative“. 110 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018. 111 Aufgrund des Inkrafttretens der Neufassung der ACER-VO am 04. 07. 2019 ist die Zuständigkeit für die Genehmigung des Vorschlags der europäischen ÜNB von den jeweiligen nationalen Regulierungsbehörden auf die europäische Agentur ACER übergegangen, Art. 5 Abs. 2 lit b) ACER-VO. 112 Verordnung (EG) Nr. 713/2009 vom 13. 07. 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. 2009, Nr. L 211/1. 113 Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (218). Der im März 2011 eröffneten Agentur ACER mit Sitz in Ljubljana, Slowenien, kommt gemäß Art. 1 Abs. 2 ACER-VO primär die Aufgabe zu, die Regulierungsbehörden dabei zu unterstützen, die in den Mitgliedstaaten wahrgenommenen Regulierungsaufgaben auf Unionsebene zu erfüllen und – soweit erforderlich – die Maßnahmen dieser Behörden zu koordinieren und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen zu vermitteln und diese beizulegen. Ferner leistet ACER einen Beitrag zur Festlegung gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsverfahren, vergleiche noch zur inzwischen überarbeiteten ACER-VO von 2009, Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, Einl. B. Rn. 10; Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (455). 114 Vergleiche zu den Änderungen durch das EU-Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ unter anderem den zweiteiligen Aufsatz von Pause / Kahles, ER 1/19, 9–17 und Kahles / Pause, ER 2/2019, 47–52. 115 Verordnung (EG) Nr. 2019/942 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 06. 2019 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. 2019, Nr. L 158/22. 116 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, 18. 12. 2018

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Regelarbeitsmarkt bereits 25 Minuten vor Beginn der Lieferviertelstunde des jeweiligen Produkts und nicht wie bisher schon eine Stunde vor Lieferzeitpunkt.117 Auch wird die Mindestangebotsmenge einheitlich auf 1 MW verringert.118 Die Regelungen bezüglich des Ausschreibungsbeginns (in Deutschland eine Woche vor dem Erbringungstag) sowie des -zyklus (in Deutschland kalendertäglich) wird trotz Einführung der europäischen Plattform vorerst nicht europaweit vereinheitlicht,119 wodurch die nationalen Vorschriften diesbezüglich weiterhin Bestand haben.120 Die aFRR- und mFRR-Gebote werden jeweils anhand einer gemeinsamen ­ erit-Order-Liste abgerufen, wobei die Abrechnung von Regelarbeit mit EinfühM rung der Standard-Regelreserveprodukte und spezifischen Regelreserveprodukte auf dem Grenzpreisverfahren („pay-as-cleared“, „marginal pricing“ oder „uniform pricing“) beruhen muss.121

(Entwurf), Artikel 7, und Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, 18. 12. 2018 (Entwurf), Artikel 7. 117 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, 18. 12. 2018 (Entwurf), Artikel 7, und Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, 18. 12. 2018 (Entwurf), Artikel 7. 118 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018, Artikel 7, und Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018, Artikel 7. 119 Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung gemäß Artikel  21 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018 und Vorschlag aller ÜNB für den Umsetzungsrahmen einer europäischen Plattform für den Austausch von Regelarbeit aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit manueller Aktivierung gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem (Entwurf), 18. 12. 2018. 120 Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 2. und 3. 121 Vergleiche Art. 6 Abs. 4 EltVO und Art. 30 Abs. 4 Guideline on Electricity Balancing.

A. Rechtsquellen des Regelreservemarkts

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III. Ergebnis: Rechtsquellen des Regelreservemarkts Der Regelreservemarkt wird durch eine Vielzahl an Rechtsquellen geprägt, die sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene angesiedelt sind. Zudem bestehen neben hoheitlichen Rechtsakten auch zahlreiche private Regelwerke der ÜNB mit Bestimmungen des Regelreserve-Marktdesigns. Das Präqualifikationsverfahren, das dem Nachweis der technischen Fähigkeiten dient und somit als eine Art technische Eignungsprüfung zu verstehen ist, wird von den vier deutschen ÜNB gemeinsam in den Präqualifikationsbedingungen festgelegt. Diese basieren auf den Vorgaben der EltVO, der Guideline on Electricity Balancing, der Guideline on System Operation, dem EnWG sowie der StromNZV. Die Ausschreibungsbedingungen unterscheiden sich je nach RegelreserveProduktqualität.122 Die Frequenzhaltungsreserve FCR wird gemeinsam von den ÜNB aus acht europäischen Ländern grenzüberschreitend im Rahmen der sogenannten Internationalen FCR-Kooperation beschafft.123 Das Ausschreibungsdesign hierzu wurde von den entsprechenden ÜNB entwickelt und von den betroffenen Regulierungsbehörden genehmigt. Die Beschaffung der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR erfolgt in einer grenzüberschreitenden Ausschreibung der deutschen und des österreichischen ÜNB, die hierfür auch die entsprechenden Regelwerke erlassen haben. Die Ausschreibungsmodalitäten des mFRR-Regelleistungsmarkts werden weiterhin von der Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassen und beschränken sich (noch) auf einen rein nationalen Regelreservemarkt. Hinsichtlich der Beschaffung und des Austauschs der automatischen und der manuellen Frequenzwiederherstellungsreserve sieht die Kommissionsleitlinie Guideline on Electricity Balancing zukünftig die verpflichtende Einführung eines Regelarbeitsmarkts für die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer und mit manueller Aktivierung vor. Diese Vorgabe wird in Deutschland zum 02. 11. 2020 umgesetzt. Zur Integration der mitgliedstaatlichen Regelreservemärkte verpflichtet die Guideline on Electricity Balancing die ÜNB zudem, aFRRund mFRR-Regelarbeit über europäische Plattformen auszutauschen. Hierzu haben die europäischen ÜNB gemeinschaftlich jeweils Umsetzungsrahmen für die europäischen Plattformen für den Austausch von aFRR bzw. mFRR vorgeschlagen, welche nun von ACER genehmigt werden müssen. Zusammenfassend sehen die konkreten FCR-Ausschreibungsbedingungen wie folgt aus:

122 123

Vergleiche hierzu Teil 1 D. und Teil 2 A. II. Cur / Kasper, et 11/2020, 50–52 (52).

88

Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Ausschreibungs­ zyklus Ausschreibungs­ zeitraum Aussschreibungsumfang Produktzeitscheibe Mindestangebotsmenge Vergütung Abrechnungs­ verfahren

bis 01. 07. 2020 werktäglich

seit 01. 07. 2020 kalendertäglich

Beginn der Ausschreibung: D-14 Ende der Ausschreibung: zwischen D-2 und D-4, 15 Uhr symmetrisches Produkt

Beginn der Ausschreibung: D-14 Ende der Ausschreibung: D-1, 8 Uhr symmetrisches Produkt

Tagesprodukt 1 MW

Zeitscheibe à 4 Stunden 1 MW

Leistungspreis Leistungspreis

Leistungspreis Grenzpreisverfahren

Abbildung 1: Ausschreibungsverfahren für Frequenzhaltungsreserve FCR (eigene Darstellung)

Die konkreten aFRR- bzw. mFRR-Ausschreibungsbedingungen sehen wie folgt aus:

Ausschreibungszyklus Ausschreibungszeitraum

Ausschreibungsumfang Produktzeitscheibe Mindestangebotsmenge

Vergütung Abrechnungsverfahren

bis Einführung des Regelarbeitsmarkts (02. 11. 2020) kalendertäglich

ab Einführung des Regelarbeitsmarkts (02. 11. 2020) kalendertäglich

ab Einführung der europäischen Platt­ formen (2022) kalendertäglich

Beginn der Ausschreibung: D-7 Ende der Ausschreibung: D-1, 9 Uhr (aFRR) bzw. 10 Uhr (mFRR)

Regelarbeitsmarkt: Beginn der Ausschreibung: Bezuschlagung Regelleistungsmarkt Ende der Ausschreibung: t-60 min getrennt nach posi­ tiver und negativer Regelreserve Zeitscheibe à 4 Stunden 5 MW Ausnahme: ab 1 MW unter bestimmten Voraussetzungen Leistungs- und Arbeitspreis Gebotspreisverfahren

Regelarbeitsmarkt: Beginn der Ausschreibung: Bezuschlagung Regelleistungsmarkt Ende der Ausschreibung: t-25 min

getrennt nach posi­ tiver und negativer Regelreserve Zeitscheibe à 4 Stunden 5 MW Ausnahme: ab 1 MW unter bestimmten Voraussetzungen Leistungs- und Arbeitspreis Gebotspreisverfahren

getrennt nach posi­tiver und negativer Regelreserve Zeitscheibe à 15 Minnuten 1 MW

Leistungs- und Arbeitspreis Grenzpreisverfahren für den Regelarbeitsmarkt

Abbildung 2: Ausschreibungsverfahren für Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer bzw. manueller Aktivierung (eigene Darstellung)

B. Sonderregelungen im Regelreservemarkt 

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B. Sonderregelungen im Regelreservemarkt für einzelne Akteure und Technologien Neben den soeben genannten, für alle Marktteilnehmer geltenden Vorschriften bestehen darüber hinaus aufgrund technischer Besonderheiten Sonderregelungen für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher und für Windenergieanlagen bei der Erbringung von Regelreserve.124 Durch diese 2015 bzw. 2016 erlassenen Ausnahmevorschriften sollen regulatorische Markthemmnisse im Regelreservemarkt für diese Technologien abgebaut und ein Marktzutritt, auch Markteintritt genannt, ermöglicht werden. Die Sonderregelungen waren ursprünglich in jeweils eigenständigen Dokumenten verankert,125 wurden seit der Überarbeitung der Präqualifikationsbedingungen im Jahr 2018 jedoch in diese integriert. Die technischen Sonderregelungen für Regelreserveressourcen mit begrenzten Energiespeichern befinden sich in den Präqualifikationsbedingungen der ÜNB.126 Mit diesen Sonderregelungen soll den technischen Besonderheiten von Anlagen mit begrenzter Energiespeicherung Rechnung getragen und gleichzeitig die Systemsicherheit gewährleistet werden. Unter anderem werden damit die Anforderungen an das Speicher- und Nachlademanagement sowie zeitliche Untergrenzen des Arbeitsvermögens geregelt.127 Die für Windenergieanlagen geltenden Sonderregelungen, die von den deutschen ÜNB im Jahre 2015 zunächst als Pilotphase verabschiedet wurden,128 führen spezielle Regelungen für das Verhalten von Windenergieanlagen bei der Erbringung von Regelreserve, insbesondere eine für volatile Anlagen geeignete Nachweis­

124 Da diese noch zeitlich vor der Europäisierung des Regelreservemarkts erlassen wurden, stellen sie kein spezifisches Produkt im Sinne des Art. 26 Guideline on Electricity Balancing dar. Vergleiche zu den Sonderregelungen für Windenergieanlagen und Anlagen mit begrenztem Energiespeicher im Rahmen der Präqualifikation Teil 2 B. 125 Die Sonderregelungen speziell für Batteriespeicher waren in dem Dokument 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Anforderungen an die Speicherkapazität von Batterien für die Primärregelleistung, 29. 09. 2015, enthalten. Für Windenergieanlagen galt das Dokument 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Leitfaden zur Präqualifikation von Windenergieanlagen zur Erbringung von Minutenreserveleistung im Rahmen einer Pilotphase, beschlossen von den vier deutschen ÜNB am 18. 11. 2016. 126 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, insbesondere Ziffer 2.6, 3. 1. 6 sowie 3. 2. 2. 127 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, insbesondere Ziffer 2.6, 3. 1. 6 sowie 3. 2. 2. 128 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.02 vom 23. 05. 2019, Ziffer 6 i. V. m. dem Leitfaden zur Präqualifikation von Windenergieanlagen zur Erbringung von Minutenreserveleistung im Rahmen einer Pilotphase.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

methode der bereitzustellenden Regelarbeit, ein.129 Die neu eingeführte Nachweismethode orientiert sich an der möglichen Einspeisung, das heißt der Referenzwert der bereitzustellenden Regelarbeit bemisst sich ausnahmsweise nicht anhand des angemeldeten „pauschalen Fahrplans“, sondern anhand der „möglichen Einspeisung“ der Anlage. Dabei wird der im konkreten Fall verfügbare Leistungswert der Anlage, der unter Ausnutzung des aktuellen Windangebots und der technischen Verfügbarkeit erreicht werden könnte, ermittelt.130 Auch bestehen Sonderregelungen für Letztverbraucher bei der Erbringung von Sekundärregelleistung und Minutenreserve. Diese wurden von der Bundesnetzagentur auf Grundlage der §§ 26a, 27 Abs. 1 Nr. 23 StromNZV erlassen.131 Die Festlegung betrifft die Durchführung von nachträglichen Fahrplananpassungen für den bilanziellen Ausgleich zwischen den Bilanzkreisen des Lieferanten und des Regelreserveerbringers. Dadurch soll der Bilanzkreis des Lieferanten bzw. dessen Bilanzkreisverantwortlichen so gestellt werden, wie er ohne den Regelreserveabruf stünde.132 Inhaltlich handelt es sich dabei um organisatorische Fragen hinsichtlich der Folgen der Teilnahme im Rahmen des Lastmanagements.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften Das vorliegend skizzierte Rechtsgefüge mit der Vielzahl an Regelwerken auf unterschiedlichen Ebenen entstand erst in jüngerer Zeit. Ursprünglich basierten die Rechtsquellen des Regelreservemarkts ausschließlich auf nationalem Recht, insbesondere auf den Paragraphen §§ 13 Abs. 2, 22 EnWG133 i. V. m. §§ 2, 6–9 StromNZV

129 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 2.9. 130 Vergleiche hierzu vertiefend Staake, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 483. 131 BNetzA, Beschluss BK6-17-046 vom 14. 09. 2017. 132 BNetzA, Beschluss BK6-17-046 vom 14. 09. 2017, S. 7. 133 § 22 Abs. 1 EnWG enthält allgemeine Anforderungen an die Beschaffung von Energie für die Deckung von Verlusten und für den Ausgleich von Differenzen zwischen der Ein- und Ausspeisung; Abs. 2 bezieht sich als lex specialis zu Abs. 1 speziell auf die Beschaffung von Regelenergie, Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Rn. 29. Zwar wurde § 22 Abs. 1 EnWG zur Umsetzung des Art. 11 Abs. 6 EltRL 2003 (später Art. 15 Abs. 6 EltRL 2009) eingeführt und basiert somit grundsätzlich auf europäischem Sekundärrecht, BTDrs. 15/3917, S. 60. Allerdings enthielt die EltRL 2003 noch keine spezifischen Vorgaben zu Regelreserve, da Art. 11 Abs. 6 EltRL 2003 (ebenso wie Art. 15 Abs. 6 EltRL 2009) lediglich in allgemeiner Form die Beschaffung von Verlustenergie und Kapazitätsreserven ohne eine Bezugnahme auf Regelreserve adressierte. Die inzwischen verabschiedete EltRL 2019, welche die EltRL 2009 aufhebt und bis zum 31. 12. 2020 in nationales Recht umgesetzt werden muss, formuliert in Art. 40 Abs. 4 lit. a) nun erstmals europäische Anforderungen unter expliziter Nennung von „Regelreserve“.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften 

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sowie den Festlegungen der Bundesnetzagentur. Im Zuge der Europäisierung zur Integration der Regelreservemärkte134 mit Verabschiedung der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation im Jahre 2017 fanden sich erstmals explizite Vorschriften zur Regelreserve auf europäischer Ebene. Hinzu kommen die 2019 im Rahmen des sogenannten EUWinterpakets „Saubere Energie für alle Europäer“135 in Kraft getretenen Rechtsakte der EltVO sowie der EltRL 2019136, die beide ebenfalls Vorschriften für den Regelreservemarkt enthalten. Insbesondere durch die Pflicht zur Einführung von Regelarbeitsmärkten137 ergaben sich im Rechtssystem des Regelreservemarkts erhebliche inhaltliche Änderungen gegenüber der ursprünglichen nationalen Rechtslage. Trotz Verabschiedung der europäischen Vorschriften, die zum größten Teil infolge des Verordnungscharakters unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, fanden auf nationaler Ebene bis dato keine inhaltlichen Anpassungen der entsprechenden Regelungen statt. Angesichts der teilweise parallel verlaufenden, teilweise gar kollidierenden nationalen Anforderungen stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die nationalen Regelreserve-Vorschriften zu den genannten europäischen Vorschriften stehen.

I. Vorrang des Unionsrechts und Normwiederholungsverbot Um die Frage nach dem Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften beantworten zu können, ist das Verhältnis von Unionsrecht zu innerstaatlichem Recht zunächst abstrakt zu beleuchten. In diesem Kontext sind insbesondere der Vorrang des Unionsrechts sowie das Normwiederholungsverbot relevant. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in ständiger Rechtsprechung aus Art. 249 EGV138  – heute Art. 288 AEUV139  – den Vorrang des EU-Rechts vor

134

Vergleiche Teil 1 E. III. Vergleiche zu den Änderungen durch das EU-Winterpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ unter anderem den zweiteiligen Aufsatz von Pause / Kahles, ER 1/19, 9–17 und Kahles / Pause, ER 2/2019, 47–52. 136 Die EltRL 2019 ist gemäß Art. 71 bis zum 31. 12. 2020 in nationales Recht umzusetzen. 137 Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 3. 138 Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft, in der Fassung vom 02. 10. 1997, zuletzt geändert durch den Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 25. 04. 2005 (ABl. EG Nr. L 157/11) m. W. v. 01. 01. 2007. 139 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Fassung aufgrund des am 01. 12. 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. 2008, Nr. C 115/47 vom 09. 05. 2008, zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2012, Nr. L 112/21 vom 24. 04. 2012) m. W. v. 01. 07. 2013. 135

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

nationalem Recht bekundet.140 Mit dem Grundsatzurteil Costa / E . N.E. L. vom 15. 07. 1964 hielt der EuGH fest, dass „dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll“.141 Aus europäischer Sicht wird der Vorrang des Unionsrechts demnach mit der Autonomie der europäischen Rechtsordnung begründet. Die Funktionsfähigkeit und einheitliche Geltung des Unionsrechts könne allein durch einen Vorrang des Unionsrechts gewährleistet werden, da nur so dessen „volle, uneingeschränkte und einheitliche Wirksamkeit“142 sichergestellt sei.143 Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anerkennt den Vorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht – seit der Solange II-Rechtsprechung aus dem Jahr 1986144 grundsätzlich auch vor nationalem Verfassungsrecht.145 Anders als der EuGH begründet das BVerfG jedoch den Vorrang mit dem Rechtsanwendungsbefehl aus Art. 23 Abs. 1 GG146 (vormals Art. 24 GG). Durch die Übertragung der Hoheitsrechte seitens der Mitgliedstaaten auf die Europäische Gemeinschaft (jetzt Europäische Union) sei eine selbstständige und unabhängige Staatsgewalt entstanden, deren Hoheitsakte vom 140

Unter anderem EuGH, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa / E. N.E. L.; EuGH, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4, Rn. 6 – Walt Wilhelm / Bundeskartellamt; EuGH, Rs. 11/70, ECLI:​EU:C:​ 1970:114, Rn. 3 – Internationale Handelsgesellschaft; EuGH, Rs. 106/77, ECLI:EU:​C:1978:49, Rn. 17/18 – Simmenthal II; EuGH, Rs. C-213/89, ECLI:EU:C:1990:257, Rn. 18 – Factortame I. Vergleiche ausführlich zum Anwendungsvorrang Berger, Anwendungsvorrang und nationale Verfassungsgerichte, sowie Kruis, Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts in Theorie und Praxis. Statt vieler Literaturstimmen Stettner, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, A.IV. Rn. 25 f.; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art. 288 Rn. 47 ff.; Hetmeier, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 36. 141 EuGH, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66, S. 1270 – Costa / E. N.E. L. 142 EuGH, Rs. 106/77, ECLI:EU:C:1978:49, Rn. 2/7 – Simmenthal II. 143 Ebenso EuGH, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66, S. 1269  – Costa / E. N.E. L.; EuGH, Rs. 106/77, ECLI:EU:C:1978:49, Rn. 2/7 – Simmenthal II; EuGH, Rs. C-213/89, ECLI:EU:C:​ 1990:257, Rn. 18 – Factortame I; EuGH, Rs. 11/70, ECLI:EU:C:1970:114, Rn. 3 – Internationale Handelsgesellschaft; EuGH, Rs. 48–71, ECLI:EU:C:1972:65, Rn. 5/10 – KOM / Italien; Kruis, Der Anwendungsvorrang des EU-Rechts in Theorie und Praxis, S. 47. 144 Im Beschluss BVerfGE 73, 339 (387) – Solange II hat das BVerfG ausgeführt, dass das unionale Sekundärrecht nicht am Maßstab der nationalen Grundrechte zu messen ist, solange das Gemeinschaftsrecht (nun Unionsrecht) einen wirksamen Schutz der Grundrechte gewährleiste, der mit dem Schutzniveau des Grundgesetzes vergleichbar sei. In der Solange I-Entscheidung aus dem Jahr 1974 (BVerfGE 37, 271) hatte das BVerfG den Vorrang des Unionsrechts vor nationalem Verfassungsrecht noch eingeschränkt. 145 Vergleiche unter anderem BVerfGE 22, 293 (296); BVerfGE 31, 145 (174); BVerfGE 73, 339 (375); BVerfGE 75, 223 (244). Für die Stimmen in der Literatur vergleiche statt vieler Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  288 Rn.  54 ff. 146 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100–1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. 09. 2020 (BGBl. I. S. 2048) geändert worden ist.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften 

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ursprünglichen Hoheitsträger anzuerkennen seien.147 Der Vorrang des Unionsrechts und die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH wurden mit der Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13. 12. 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, nochmals ausdrücklich bestätigt.148 Im Kollisionsfall kommt daher den betreffenden europäischen Normen ein Anwendungsvorrang zu. Dies bedeutet, dass die verdrängten nationalen Normen anders als beim Geltungsvorrang ihre Gültigkeit nicht verlieren, sondern „nur“ nicht angewendet werden.149 Der Anwendungsvorrang setzt sich auch gegenüber der lex-posterior-Regel durch, sodass es unschädlich ist, ob das kollidierende nationale Recht vor oder nach der entsprechenden europarechtlichen Vorschrift in Kraft getreten ist.150 Infolge des Vorrangs des Unionsrechts ist der Mitgliedstaat verpflichtet, auf den Erlass kollidierender innerstaatlicher Normen zu verzichten sowie zugunsten der Rechtssicherheit widersprechende nationale Vorschriften abzuschaffen.151 Ausfluss des Anwendungsvorrangs ist der Grundsatz der unionskonformen Auslegung, der auf der Pflicht zur Unionstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV152 basiert. Demzufolge muss die Auslegung des innerstaatlichen Rechts am Wortlaut und Zweck des Unionsrechts ausgerichtet werden.153 Ebenso ist für das Verhältnis zwischen Unionsrecht und innerstaatlichem Recht das sogenannte Normwiederholungsverbot im Hinblick auf Verordnungen im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV relevant. Dieses betrifft die Frage, ob der Normtext einer unmittelbar im Mitgliedstaat geltenden europäischen Verordnung inhaltsgleich in einer innerstaatlichen Vorschrift wiederholt werden darf.154 Einer 147 BVerfGE 22, 293 (296); BVerfGE 31, 145 (174); BVerfGE 73, 339 (375); BVerfGE 75, 223 (244). 148 Erklärung Nr. 17 zur Schlussakte der Regierungskonferenz, ABl. 2012, Nr. C 326/337. 149 Statt vieler Biervert, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 6; Ludwigs / Sikora, EWS 3/2016, 121–131 (121); Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  288 Rn. 53; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 1 AEUV Rn. 16. 150 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  288 Rn.  52. 151 EuGH, Rs. 74/86, ECLI:EU:C:1988:198, Rn. 10, 11 – KOM / Deutschland. Die Unvereinbarkeit lässt sich nur durch verbindliche nationale Regelungen ausräumen, die denselben rechtlichen Rang wie die zu ändernde Vorschrift haben, EuGH, Rs. C-160/99, ECLI:EU:C:2000:410, Rn.  22 f. – KOM / Frankreich. 152 Vertrag über die Europäische Union, Fassung aufgrund des am 01. 12. 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. 2008, Nr. C 115/13 vom 09. 05. 2008, zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2012, Nr. L 112/21 vom 24. 04. 2012) m. W. v. 01. 07. 2013. 153 Borchardt, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 19 EUV Rn. 34; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  1 Rn.  24. 154 Aktuell wird das Normwiederholungsverbot insbesondere im Kontext der europäischen Datenschutzgrundverordnung und dem nationalen Bundesdatenschutzgesetz diskutiert, vergleiche hierzu unter anderem Gola / Heckmann, in: Gola / Heckmann, Bundesdatenschutzgesetz, Einleitung Rn. 30 ff.; Greve, NVwZ 11/2017, 737–744 (743) sowie den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09. 04. 2019, Az. 1 ABR 51/17, Rn. 28.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

Verordnung kommt unmittelbare Geltung zu, weshalb eine mitgliedstaatliche Umsetzung in nationales Recht nicht erforderlich ist.155 Nach dem vom EuGH aufgestellten Normwiederholungsverbot ist eine wiederholende innerstaatliche Kodifikation sogar unzulässig, wenn hierdurch die unmittelbare Geltung der Verordnung verborgen wird.156 Das Normwiederholungsverbot soll verhindern, dass durch eine parallele nationale Normsetzung die Normadressaten über die unionsrechtliche Herkunft der entsprechenden Vorschrift im Unklaren gelassen werden und hierdurch die Zuständigkeit des EuGH beschnitten wird.157 Nur in besonderen Ausnahmefällen wurde vom EuGH eine punktuelle Wiederholung und der Erlass inhaltsgleichen nationalen Rechts anerkannt:158 Liegt zur Regelung einer Materie ein komplexes Gefüge an unionsrechtlichen, nationalen und regionalen Vorschriften vor, so kann es „in einem solchen besonderen Fall (…) nicht als ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht angesehen werden, dass [innerstaatliche Gesetze] im Interesse des inneren Zusammenhangs und ihrer Verständlichkeit für die Adressaten bestimmte Punkte der Gemeinschaftsverordnungen wiederholen“.159 Um eine uneingeschränkte Anwendbarkeit des europäischen Rechtsakts gewährleisten zu können, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die nationalen Vorschriften anzupassen und geeignete innerstaatliche Maßnahmen zu ergreifen.160

II. Bedeutung für das Verhältnis der Regelreserve-Vorschriften Ursprünglich wurde der Rechtsrahmen des Regelreservemarkts abschließend durch §§ 13 Abs. 2, 22 EnWG161 i. V. m. §§ 2, 6–9 StromNZV sowie die Festlegungen der Bundesnetzagentur vorgegeben. Mit Verabschiedung der europäischen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation 2017 sowie der EltVO und EltRL 2019, die jeweils Regelungen zur

155 Vergleiche unter anderem EuGH, Rs. 93/71, ECLI:EU:C:1972:39, Rn. 5/6  – Leonesio gegen Ministerium für Landwirtschaft und Forsten der Italienischen Republik; Biervert, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 288 Rn. 21. 156 EuGH, Rs. 39/72, ECLI:EU:C:1973:13, Rn. 17 – KOM / Italien; EuGH, Rs. 94/77, ECLI:​ EU:C:1978:17, Rn. 22/27  – Fratelli Zerbone; EuGH, Rs. C-272/83, ECLI:EU:C:1985:147, Rn.  26  – KOM / Italien; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 288 Rn. 20; Hetmeier, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 288 Rn. 8; Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 43; Kraus, EWS 3/2011, 89–92 (90). 157 EuGH, Rs. 34–73, ECLI:EU:C:1973:101, Rn. 11 – Fratelli Variola; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht, S. 389. 158 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  288 AEUV Rn.  101; Schroe­ der, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 288 Rn. 50. 159 EuGH, Rs. C-272/83, ECLI:EU:C:1985:147, Rn. 27 – KOM / Italien. 160 Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 47. 161 § 22 Abs. 1 EnWG enthält allgemeine Anforderungen an die Beschaffung von Energie für die Deckung von Verlusten und für den Ausgleich von Differenzen zwischen der Ein- und Ausspeisung; Abs. 2 bezieht sich als lex specialis zu Abs. 1 speziell auf die Beschaffung von Regelenergie, Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Rn. 29.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften 

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Mindestharmonisierung der Regelreservemärkte enthalten, verlagerten sich die Rechtsquellen vermehrt auf die Unionsrechtsebene. Trotz Inkrafttreten dieser Vorschriften wurde der nationale Rechtsrahmen dennoch unverändert beibehalten. Dies ist in mehrfacher Hinsicht kritisch zu hinterfragen. 1. Keine Übernahme der neuen europäischen Terminologie Die europäischen Vorschriften führten eine neue Terminologie für die Produktqualitäten ein, was sich jedoch im nationalen Recht größtenteils nicht widerspiegelt. Anstelle der bisherigen Begriffe „Primärregelenergie“, „Sekundärregelenergie“ und „Minutenreserve“, welche in § 2 StromNZV definiert sind, gelten nun europäisch einheitlich die Begriffe „Frequenzhaltungsreserve“, „Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung“ und „Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung“, die insbesondere in den Art. 3, 154 und 158 Guideline on System Operation definiert und konkretisiert werden.162 Zudem wird der Begriff der „Regelenergie“ durch den Begriff der „Regelreserve“ ersetzt. Die auf den europäischen Vorschriften basierende neue Terminologie wurde zwar bereits in den neueren Entscheidungen der Bundesnetzagentur berücksichtigt,163 jedoch sind dahingehende Anpassungen insbesondere der § 1a Abs. 6, § 3 Nr. 1, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 24 S. 4 und § 112 Nr. 5 EnWG und § 2 Nr. 6, 8–10, §§ 6–9, § 17 Abs. 1 Nr. 4, § 26a sowie § 27 Abs. 1 Nr. 1–3b, Nr. 21a, Abs. 2 StromNZV ebenfalls erforderlich. Zugunsten der Rechtseinheit und einer Konsistenz zwischen nationalem und europäischem Recht sollte der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die europäische Terminologie übernehmen. 2. Fehlender expliziter Hinweis auf die Einführung eines Regelarbeitsmarkts Darüber hinaus sind aus Sicht der Verfasserin inhaltliche Anpassungen des nationalen Rechtsrahmens nötig. Infolge der unveränderten Beibehaltung der nationalen Rechtsvorschriften erweckt das nationale System den Eindruck eines Fortgangs der Rechtslage. So berücksichtigt das nationale Recht nicht, dass zukünftig statt des einheitlichen Ausschreibungsverfahrens von Regelleistung und Regelarbeit ein zusätzliches Ausschreibungsverfahren mit einem separaten Regelarbeitsmarkt gelten wird. In § 22 Abs. 2 S. 1 EnWG wird allgemein die Durchführung eines „diskriminierungsfreie[n] und transparente[n] Ausschreibungsverfahren[s]“ festgehalten und in § 6 Abs. 1 StromNZV die Durchführung „einer gemeinsa 162

Vergleiche zu den Produktqualitäten Teil 1 D. Beispielsweise BNetzA, Beschluss BK6-18-064 vom 18. 12. 2018, der die deutsche und die englische Terminologie synonym verwendet. Ebenso verfährt die Bundesnetzagentur unter anderem in BNetzA, Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018 (berichtigt). 163

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

men, regelzonenübergreifenden anonymisierten Ausschreibung“ gefordert. Zwar wider­sprechen die betroffenen nationalen Normen nicht explizit den Vorgaben des Unionsrechts, da sie nicht ausdrücklich ein einstufiges innerstaatliches Ausschreibungsverfahren vorschreiben, jedoch weisen sie ebenso wenig auf die unionsrechtliche Überformung in Gestalt der verpflichtenden Inkorporation des zweistufigen Ausschreibungsverfahren hin. 3. Kollisionen des nationalen und des europäischen Rechtsrahmens Zudem bestehen zwischen dem nationalen und dem europäischen Rechtsrahmen Kollisionen. So steht § 6 Abs. 3 StromNZV dem unmittelbar geltenden Unionsrecht des Art. 6 Abs. 9 EltVO entgegen. Nach der nationalen Vorschrift ist die Frequenzhaltungsreserve FCR164 in einem symmetrischen Produkt, das heißt positive und negative Frequenzhaltungsreserve gemeinsam und nicht getrennt auszuschreiben. Dementgegen fordert Art. 6 Abs. 9 EltVO, dass grundsätzlich jede Produktqualität, also auch die Frequenzhaltungsreserve FCR getrennt beschafft werden muss, wobei Ausnahmen hiervon auf Antrag der ÜNB und nach Genehmigung der zuständigen Regulierungsbehörde zulässig sind. Diese Vorschrift, die gemäß Art. 71 EltVO ab dem 01. 01. 2020 anzuwenden ist, verdrängt nach der lex-posterior-Regel den kollidierenden Art. 32 Abs. 3 Guideline on Electricity Balancing, der „zumindest hinsichtlich der Frequenzwiederherstellungsreserven und der Ersatzreserven“ eine getrennte Beschaffung vorschreibt und somit für die Frequenzhaltungsreserve FCR keine Vorgaben enthielt. Die nationale Regelung kann nicht als Inanspruchnahme der Ausnahmevorschrift im Sinne des Art. 6 Abs. 9 EltVO betrachtet werden, da diese einen Antrag der ÜNB mit anschließender Genehmigung der zuständigen Regulierungsbehörde erfordert und für eine Verankerung durch den Verordnungsgeber in der StromNZV eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage in der EltVO fehlt. Somit kollidiert § 6 Abs. 3 StromNZV mit Art. 6 Abs. 9 EltVO. Bei Bedarf einer getrennten Ausschreibung müsste diese mangels Spielraums für eine normative Festlegung auf Antrag der ÜNB durch die Bundesnetzagentur genehmigt werden. Darüber hinaus soll bei der Gestaltung des Regelreservemarkts – abweichend von der bisherigen Vereinheitlichungspflicht des Regelwerks  – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) EltVO insbesondere eine stärkere „Berücksichtigung (…) der unterschiedlichen technischen Fähigkeiten der Stromerzeugungsquellen, Energiespeicherung und Laststeuerung“ stattfinden, um allen Marktteilnehmern Marktzutritt gewähren zu können. Es findet somit eine (leichte)  Abkehr von der nationalen Vereinheitlichungspflicht des § 22 Abs. 2 S. 1 a. E. EnWG hin zur verstärkten Betonung der Teilnahme aller Marktakteure unter Berücksichtigung der jeweili 164

In § 6 Abs. 3 S. 1 StromNZV wird noch die deutsche Terminologie der Primärregelung (Synonym zu Primärregelleistung) verwendet.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften 

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gen technischen Fähigkeiten statt. Durch die (leichte) Abkehr von der nationalen Vereinheit­lichungspflicht des § 22 Abs. 2 S. 1 a. E. EnWG liegt eine (wenngleich leichtere) Kollision mit dem Unionsrecht vor. 4. Inkonsistenzen aufgrund nicht widerrufener – teils inhaltlich abweichender – Regelwerke Inkonsistenzen im Rechtsrahmen ergeben sich weiterhin durch die systematischen und strukturellen Umgestaltungen infolge der (noch nicht abgeschlossenen) Europäisierung des Regelreservemarkts. Die Guideline on Electricity Balancing sowie die Guideline on System Operation sehen eine Kompetenzverschiebung hinsichtlich der Marktgestaltung vor: Während bisher die konkreten Ausschreibungsbedingungen durch die Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassen wurden, verpflichten die Guideline on Electricity Balancing sowie die Guideline on System Operation nun primär die ÜNB zur Entwicklung der Ausschreibungsbedingungen, wobei die nationalen Regulierungsbehörden in der Regel auf das Instrument der Genehmigung der privaten Regelwerke beschränkt sind.165 Auswirkungen hiervon sind systematische Inkonsistenzen infolge nicht widerrufener Regelwerke. So wurden die Festlegung der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Ausschreibungsbedingungen für Primärregelenergie (BK6-10-097) durch diese nicht widerrufen, als der inhaltlich stark abweichende Antrag der ÜNB zum neuen Ausschreibungsdesign mit Beschluss BK6-18-006 genehmigt wurde. Ein ausdrücklicher Widerruf des Vorgängerbeschlusses war jedoch bis dato üblich.166 In der Folge gelten nun zwei sich inhaltlich widersprechende Regelwerke, wobei in der Praxis jedoch allein das jüngere Regelwerk der ÜNB Anwendung findet. Eine vergleichbare Konstellation liegt im Rahmen der Sekundärregelenergie / ​ ­Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung vor. Auch hier wurde die Festlegung der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Ausschreibungsbedingungen für Sekundärregelenergie (BK6-15-158) nicht widerrufen, als der Antrag der ÜNB zum neuen Ausschreibungsdesign mit Beschluss BK6-18-064 genehmigt wurde. Da in dieser Konstellation die jeweiligen Vorgaben jedoch weitestgehend inhaltsgleich sind, ist das Risiko der Rechtsunsicherheit geringer. Ebenfalls bestehen inhaltliche Wiedersprüche im Rahmen des Mischpreisverfahrens. Mit Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 22. 07. 2019167 wurden die das Mischpreisverfahren einführenden Festlegungen der Bundesnetzagentur BK6-18-019 und BK6-18-020 vom 08. 05. 2018 aufgehoben. Daraufhin strichen die ÜNB zwar die Verweise auf das Mischpreisverfahren im Änderungsmodus 165 Vergleiche ausführlich zur Kompetenzverschiebung und zum Beitrag privater Akteure bei der Gestaltung des Regelreservemarkts Teil 4. 166 Vergleiche unter anderem die Beschlüsse BK6-10-097, Ziffer 15, BK6-15-158, Ziffer 16 und BK6-15-159, Ziffer 15. 167 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. 07. 2019, Az. VI-3 Kart 806/18 (V).

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

aus ihrem geltenden Regelwerk zur Beschaffung von Frequenzwiederherstellungs­ reserven mit automatischer Aktivierung168.169 Allerdings nimmt die entsprechende Genehmigung des aFRR-Regelwerks durch die Bundesnetzagentur170 weiterhin Bezug auf das Mischpreisverfahren. In der Praxis werden die entsprechenden Klauseln zum Mischpreisverfahren zwar nicht mehr angewandt, jedoch fand diesbezüglich bisher weder eine gerichtliche Aufhebung noch eine behördliche Änderung bzw. ein Widerruf der entsprechenden Passagen der Genehmigung statt, weshalb diese weiterhin bestandskräftig sind. 5. Redundanzen der nationalen und europäischen Regelwerke Viele Regelungen der §§ 6 ff. StromNZV sind inhaltsgleich mit den europäischen Vorgaben gestaltet, insbesondere mit denen der Guideline on Electricity Balancing, weshalb ein Verstoß gegen das Normwiederholungsverbot im Raum steht. So berechtigen sowohl § 6 Abs. 4 S. 1 StromNZV als auch Art. 25 Abs. 4 lit. d) Guideline on Electricity Balancing die ÜNB zur Festlegung von Mindestangebotsmengen. Auch das Recht der Regelreserveanbieter auf Teilbarkeit ihrer Gebote ist auf nationaler und unionsrechtlicher Ebene verankert (vergleiche § 6 Abs. 4 S. 2 StromNZV und Art. 25 Abs. 5 lit. b) Guideline on Electricity Balancing). Ebenso wird die Möglichkeit des Poolings, das heißt eines Zusammenschlusses mehrerer Regelreserveanbieter zur Bildung einer Anbietergemeinschaft, sowohl in § 6 Abs. 4 S. 4 StromNZV als auch in Art. 18 Abs. 4 lit. b) Guideline on Electricity Balancing in Form der Aggregation eingeräumt. Parallele Vorschriften finden sich darüber hinaus in § 6 Abs. 5 StromNZV und Art. 155, 159 und 162 Guideline on System Operation zur Erbringung des Nachweises über die festgelegten technischen und weiteren Anforderungen durch die Regelreserveanbieter anhand des erfolgreichen Durchlaufens des Präqualifikationsverfahrens. Hinsichtlich der konkreten Ausschreibungsbedingungen in Form der Festlegungen durch die Bundesnetzagentur bestehen zwar ebenfalls Doppelungen mit den Entwürfen der Umsetzungsrahmen für die europäischen Regelarbeitsmärkte für aFRR und mFRR.171 Letztere sind jedoch privatrechtliche Regelwerke der ÜNB und entfalten somit im Hinblick auf das Normwiederholungsverbot von unmittelbar geltendem Unionsrecht keine

168

50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Gemeinsame harmonisierte Bestimmungen und Verfahren für die Beschaffung und den Austausch von Regelleistung aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung zwischen Deutschland und Österreich nach Art. 5 Abs. 3 lit. b, o, Art. 33 und Art. 58 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitäts­ versorgungssystem. 169 https://www.regelleistung.net/ext/static/consultation-srl-cooperation-atde-2018-02 (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 170 BNetzA, Beschluss vom 18. 12. 2018, BK6-18-064. 171 Vergleiche zu den Umsetzungsrahmen der europäischen Plattformen Teil 4 A. II. 2. 4.

C. Verhältnis der nationalen zu den europäischen Regelreserve-Vorschriften 

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Anwendung.172 Unbeschadet dessen ergibt sich jedoch aus den vorherigen Ausführungen, dass in vielerlei Hinsicht eine Wiederholung des unmittelbar geltenden Normtextes der in Form einer Verordnung erlassenen Kommissionsleitlinien im deutschen Recht vorliegt. Obwohl dies nach dem europäischen Normwiederholungsverbot grundsätzlich unzulässig ist, greift bezüglich des Rechtsrahmens des Regelreservemarkts die Ausnahme des Normwiederholungsverbots, da der Regelreservemarkt durch ein kompliziertes rechtliches Geflecht auf mehreren Ebenen reguliert wird. Die europäischen Regelungen sind auf verschiedene Richtlinien, Verordnungen und Kommissionsleitlinien aufgeteilt und enthalten neben allgemeinen Vorgaben an den Regelreservemarkt insbesondere Anforderungen an den europäisch geregelten Regelarbeitsmarkt. Zudem finden sich Anforderungen an das konkrete Marktdesign im EnWG, der StromNZV sowie in den untergesetzlichen Festlegungen der Bundesnetzagentur. Die Rechtsquellen für den Regelreservemarkt sind somit in diversen Regelwerken über mehrere Ebenen hinweg verteilt. Um eine rechtssichere Darstellung dieser oftmals miteinander verwobenen und sich gegenseitig ergänzenden Vorschriften ermöglichen zu können, ist eine Wiederholung des Unionsrechts in Teilen unverzichtbar. Darüber hinaus lässt die EltVO gemäß Art. 62 EltVO ausdrücklich das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, „Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, die detailliertere Bestimmungen als diese Verordnung, (…) enthalten, sofern diese Maßnahmen mit dem Unionsrecht vereinbar sind“. Eine Konkretisierung der allgemeinen Vorschriften zum Regelreservemarkt in Art. 6 EltVO durch nationale Vorschriften ist somit in den Grenzen des Unionsrechts zulässig. Da Konkretisierungen unter Umständen ebenfalls eine teilweise Wiederholung des Unionsrecht voraussetzen, scheint der unionale Gesetzgeber selbst von einer gerechtfertigten Ausnahme des Normwiederholungsverbots auszugehen.

III. Überarbeitungsbedarf und Handlungsempfehlung Infolge der Europäisierung des Regelreservemarkts bestehen zahlreiche unionsrechtliche Vorgaben, die ein in sich geschlossenes Marktdesign bilden und neben das bisherige – ebenfalls in sich geschlossene – nationale Regelungsgefüge des § 22 EnWG i. V. m. §§ 6 ff. StromNZV und den Festlegungen der Bundesnetzagentur getreten sind. Um auf diese Veränderungen angemessen zu reagieren, bietet sich nicht nur eine partielle Anpassung des nationalen Rechtsrahmens im EnWG, der StromNZV sowie den Festlegungen der Bundesnetzagentur an, sondern eine ganzheitliche Überarbeitung. In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage nach dem weiteren Bedarf an den richtungsweisenden nationalen Vorgaben in §§ 6 ff. StromNZV seit Inkrafttreten des Art. 6 EltVO, der Guideline on ­Electricity Balancing und der Guideline on System Operation. Angesichts der 172 Vergleiche vertiefend zum privatrechtlichen Charakter der Regelwerke der ÜNB Teil 4 B. III.

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Teil 2: Rechtsrahmen des Regelreservemarkts

drohenden Konflikte einerseits mit dem unionsrechtlichen Anwendungsvorrang und dem Normwiederholungsverbot andererseits wäre es daher im Rahmen der Überarbeitung empfehlenswert, die nationalen Paragraphen auf die grundlegenden Anforderungen zu reduzieren und im Übrigen auf Art. 6 EltVO sowie die Vorgaben der Guideline on Electricity Balancing zu verweisen. Hierbei bietet sich eine mit § 19 Abs. 4 EnWG173 vergleichbare Gestaltung an, die sich auf eine Inbezugnahme der unionsrechtlichen Rechtsakte beschränkt, ohne selbst inhaltliche Anforderungen zu formulieren. Im Rahmen dieses Vorgehens könnten kollidierende nationale Normen beseitigt, die neue Terminologie eingeführt, inhaltsgleiche vermeidbare Wiederholungen vermieden und auf Neuerungen wie beispielsweise die Einführung des separaten Regelarbeitsmarkts reagiert werden. Durch einen solchen Verweis wird ebenfalls der unionsrechtliche Ursprung dieser Norm nicht verschleiert. Zudem sollte zur Erreichung von Rechtsklarheit und systemischer Konsistenz die Geltung der bisherigen Festlegungen der Bundesnetzagentur bei Erlass von Nachfolgeregelungen ausdrücklich widerrufen werden. Diese Maßnahmen stellen einen unabdingbaren Schritt für mehr Rechtsklarheit und Rechtseinheit dar.

IV. Ergebnis: Verhältnis der nationalen Regelreserve-Vorschriften zu den europäischen Vorschriften Infolge des ursprünglich rein nationalen Rechtsrahmens des Regelreservemarkts, welcher seit der Europäisierung in vielen Aspekten unionsrechtlich überformt ist, ergeben sich stellenweise inhaltsgleiche, teilweise auch kollidierende Vorschriften auf den beiden Rechtsebenen. Hinsichtlich des Verhältnisses der nationalen zu den europäischen Anforderungen ist insbesondere der Anwendungsvorrang des Unionsrechts sowie das Normwiederholungsverbot zu beachten. Zugunsten einer rechtssicheren Darstellung empfiehlt sich eine ganzheitliche Überarbeitung des nationalen Regelreserve-Rechtsrahmens im EnWG, der StromNZV sowie den Festlegungen der Bundesnetzagentur. 173

§ 19 Abs. 4 EnWG: „ Die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen erstellen gemeinsam allgemeine technische Mindestanforderungen. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. wird als beauftragte Stelle bestimmt, um die allgemeinen technischen Mindestanforderungen zu verabschieden 1. nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/631 der Kommission vom 14. April 2016 zur Festlegung eines Netzkodex mit Netzanschlussbestimmungen für Stromerzeuger (ABl. L 112 vom 27. 4. 2016, S. 1), 2. nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/1388 der Kommission vom 17. August 2016 zur Festlegung eines Netzkodex für den Lastanschluss (ABl. L 223 vom 18. 8. 2016, S. 10) und 3. nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/1447 der Kommission vom 26. August 2016 zur Festlegung eines Netzkodex mit Netzanschlussbestimmungen für HochspannungsGleichstrom-Übertragungssysteme und nichtsynchrone Stromerzeugungsanlagen mit Gleichstromanbindung (ABl. L 241 vom 8. 9. 2016, S. 1).“

Teil 3

Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen als regulatorische Steuerungsinstrumente  Wie in Teil 1 und 2 erläutert, soll im Bereich der Regelreserve eine Marktöffnung für und eine verstärkte Penetration durch neue Technologien und Akteure im Sinne der klima- und energiepolitischen Ziele erreicht werden. Durch diese Veränderungen in der Technologie- bzw. Akteursstruktur wird eine Transformation des Regelreservemarkts hin zu mehr Nachhaltigkeit angestrebt.1 Eine regulatorische Möglichkeit zur Operationalisierung einer solchen Transformation ist der Erlass von Marktzutrittsregelungen sowie Marktmodalitätenbestimmungen. Diese stellen Steuerungsinstrumente dar, die der regulatorischen Lenkung von Märkten dienen, und stehen im Fokus der vorliegenden Untersuchung. Dieses Kapitel liefert abstrakte Darstellungen zu Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, die anschließend am konkreten Fall des Regelreservemarkts verdeutlicht werden. Einführend finden eine Bestimmung des Begriffs und der Reichweite regulatorischer Steuerungsinstrumente sowie eine Darstellung allgemeiner Systematisierungsansätze statt (A.). Anschließend wird das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregel näher beleuchtet, wobei zunächst eine abstrakte Untersuchung und Systematisierung erfolgt und daraufhin die Vorgaben des Präqualifikationsverfahrens für den Regelreservemarkt als Beispiel näher analysiert werden (B.). Auch bezüglich des Steuerungsinstruments der Marktmodalitätenbestimmungen erfolgt zunächst eine abstrakte Untersuchung und Systematisierung, bevor anschließend die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen als Beispiel herangezogen werden (C.).

1

Hintergrund dieses Ziels ist es – wie eingangs dargestellt –, dass die Systemdienstleistungen nicht mehr wie bisher überwiegend von konventionellen Kraftwerken, sondern zukünftig von EE-Anlagen und alternativen Technologien erbracht werden müssen, da langfristig gesehen die konventionellen Kraftwerke vom Netz gehen. Zudem soll durch den Einzug weiterer Akteure und Technologien die Wettbewerbsintensität und damit die Kosteneffizienz gesteigert werden. Um eine umweltverträgliche Marktöffnung des Regelreservemarkts zu erreichen, greifen die deutschen Hoheitsträger bzw. die Europäische Union teils erheblich in die Marktgestaltung ein.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen verkörpern regulatorische Steuerungsinstrumente, die der Lenkung von wettbewerblichen Märkten durch Rechtsakte dienen. Bevor vertiefend auf die beiden Instrumente eingegangen wird, erfolgt zunächst ein allgemeiner Abriss über den Begriff und die Reichweite regulatorischer Steuerungsinstrumente. Dafür wird einführend der Begriff der „Regulierung“ bestimmt (I.), die Bedeutung regulatorischer Steuerungsinstrumente dargestellt (II.) und auf die unterschiedlichen Formen der regulatorischen Steuerung eingegangen (III.). Zudem werden die Vor- und Nachteile beim Erlass von Sonderregelungen für einzelne Akteure oder Technologien dargestellt (IV.). Im letzten Abschnitt werden verschiedene Systematisierungsansätze und Begrifflichkeiten im Kontext regulatorischer Steuerungsinstrumente erörtert (V.).

I. Regulierungsbegriff Begrifflich weist bereits der Terminus „regulatorische Steuerungsinstrumente“ darauf hin, dass die gegenständliche Steuerung mittels Maßnahmen der Regulierung erfolgt. Welcher Bedeutungsgehalt jedoch dem Regulierungsbegriff zukommt, ist nicht einheitlich geklärt und bedarf einer genaueren Bestimmung für die vorliegende Arbeit. Der ursprünglich dem amerikanischen Sprachgebrauch („regulation“)2 entstammende Begriff hat inzwischen Eingang in § 2 Telekommu­ nikationsgesetz (TKG)3 gefunden, dennoch liegt ihm aus einer interdisziplinären Perspektive jeweils ein unterschiedliches Begriffsverständnis zugrunde.4 In der Politik- und Sozialwissenschaft herrscht ein weites Verständnis des Regulierungsbegriffs vor. Demgemäß wird jede gezielte staatliche Intervention in gesellschaftliche Prozesse als Regulierung verstanden.5 Der Begriff ist eng mit der „Steuerungsdiskussion“ verknüpft, die die verschiedenen Formen der Einflussnahme des Staates und damit auch das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft adressiert.6 Die Bereiche, die der staatlichen Steuerung unterliegen, sind nach diesem Begriffsverständnis unbegrenzt.7 2

Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 23. Telekommunikationsgesetz vom 22. 06. 2004 (BGBl. I. S. 1190), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 06. 02. 2020 (BGBl. I. S. 146) geändert worden ist. 4 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 222 ff. 5 Mayntz, Soziale Dynamik und politische Steuerung, S. 275; Ludwigs, in: Baur / Salje / ​ Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 7 Rn. 11; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 12. 6 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 2. 7 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 12. 3

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

103

Demgegenüber beschränken Vertreter der ökonomischen Perspektive den Begriff auf eine staatliche Intervention allein in wirtschaftliche Prozesse. Erfasst sind alle hoheitlichen, auf den Markt und Wettbewerb bezogenen Maßnahmen, die der Erreichung von Gemeinwohlzielen dienen.8 Aber auch auf fehlende Märkte findet dieser Regulierungsbegriff Anwendung, da hier die Eingriffe des Staates die mangelhaften Marktmechanismen kompensieren.9 In diesem Zusammenhang bezweckt die hoheitliche Steuerung die Behebung von Marktversagen oder vergleichbaren defizitären Strukturen, um Wettbewerb zu schaffen bzw. zu erhalten und die Gemeinwohlziele zu sichern.10 Damit unterliegen jegliche in die Handlungs- und Verfügungsmöglichkeiten der Marktteilnehmer eingreifenden Regelungen, soweit sie über die allgemeinen Vorschriften hinausgehen, dem ökonomischen Regulierungsbegriff.11 Das ökonomische Verständnis von Regulierung weist Parallelen zu dem – nicht unumstrittenen12 – Begriff der Wirtschaftslenkung auf.13 Dieser findet insbesondere in der wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Diskussion Anwendung als Gegenpol zur Wirtschaftsaufsicht, die auf die Gefahrenabwehr ausgerichtet ist.14 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Begriff der Wirtschaftslenkung definiert als „alle staatlichen Maßnahmen, (…) durch die auf den wirtschaftlichen Prozeß eingewirkt werden soll, um einen wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitisch erwünschten Zustand oder Ablauf des Wirtschaftslebens herzustellen oder zu erhalten“.15 In der Rechtswissenschaft erfährt der Begriff der Regulierung je nach Rechtsgebiet unterschiedliche Deutungen. Während im Wirtschaftsrecht darunter primär Eingriffe in die marktlichen Strukturen subsumiert werden, wird er in der juristischen Steuerungsdiskussion als Oberbegriff für die verschiedenen Modi der Aufgabenerfüllung verstanden.16 Hierbei wird zwischen vier Grundtypen der Regulierung unterschieden, die von imperativer hoheitlicher Regulierung bis hin zur 8

Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 7 Rn. 11; Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 36. 9 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 12 ff. 10 Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 58; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 226. 11 Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 23; Eifert, in: Hoffmann-Riem /  Schmidt-​A ßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 3. 12 Vergleiche die ausführliche Auseinandersetzung hierzu in Hecker, Marktoptimierende Wirtschaftsaufsicht, S. 22 ff., und (bereits 1982) Funk, in: Korinek / R ill, Grundfragen des Wirtschaftslenkungsrechts, S. 53–82 (58). 13 Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 23. 14 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 15; Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 39. 15 BVerwGE 71, 183 (190). Ähnliche Definitionen verwenden auch Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 224; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 212, und Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 2. 16 Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 7 Rn. 12; Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 4.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

privaten Selbstregulierung reichen.17 Der engste Regulierungsbegriff findet sich im Kontext der Regulierung von Netzwirtschaften wie zum Beispiel der Telekommunikation oder Energie wieder und beschränkt sich auf die Bereiche, die in die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur fallen.18 Hintergrund der Begrenzung auf die Netzwirtschaften ist das Spezifikum der Netzstruktur als natürliches Monopol, welches die staatliche Intervention zur Schaffung und Sicherung von Wettbewerb im Rahmen der Liberalisierung der monopolistischen Strukturen rechtfertigt.19 Die Begriffsdefinitionen in den jeweiligen Disziplinen können nur als grobe Klassifikationen verstanden werden, da eine eindeutige Abgrenzung nur schwer möglich ist, wie die beiden nachfolgenden Beispiele veranschaulichen. So beschränkt sich die netzbezogene Regulierung nicht mehr allein auf den Wettbewerb um das Netz, sondern bezieht sich infolge der Energiewende ebenfalls auf die (erzeugungsseitige)  Versorgungssicherheit.20 Darüber hinaus dienen hoheitliche Eingriffe in die marktlichen Prozesse nicht zwingend allein ökonomischen Gründen, sondern können auch zugunsten nicht-ökonomischer Ziele wie Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz stattfinden. Aufgrund der Intervention mit den wettbewerblichen Märkten sind sie jedoch weiterhin als Form der ökonomischen Regulierung zu beschreiben.21 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist der Anknüpfungspunkt des netzbezogenen Regulierungsbegriffs zu eng gefasst, da der Anwendungsbereich von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen nicht allein auf die Netzwirtschaften begrenzt ist. Da durch die genannten Steuerungsinstrumente in die marktlichen Prozesse zugunsten der Sicherung von Wettbewerb und anderen Gemeinwohlbelangen eingegriffen wird, unterliegt die Verwendung des Regulierungsbegriffs in dieser Arbeit dem ökonomischen Verständnis. Im Sinne des marktbezogenen Bedeutungsgehalts dienen die hoheitlichen Maßnahmen typischerweise der Kompensation von Marktversagen oder anderen strukturellen Defiziten. Die ökonomische Bedeutung des Begriffs schließt Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen ein, da diese die hoheitliche Steuerung von Märkten zugunsten festgelegter Steuerungsziele bezwecken. In diesem Kontext

17 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300); Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 6. 18 Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 25; Ludwigs, in: Baur / Salje / SchmidtPreuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 7 Rn. 12. 19 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band  I, § 19 Rn. 4; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 226 f.; Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 7 Rn. 12; Schulte / Kloos / Apel, in: Schulte / K loos, Handbuch Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 112 f. 20 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 228; Schmidt-Preuß, RdE Sonderheft 2017, 1–9 (6). 21 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 14.

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

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ist zu beachten, dass bei Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen zwar der unmittelbare Eingriff in die marktlichen Prozesse im Vordergrund steht, dieser allerdings einzelfallbezogen auch von der Realisierung nicht-ökonomischer Ziele geprägt sein kann, was dem ökonomischen Begriffsverständnis jedoch nicht entgegensteht. Zudem ist der marktbezogene Regulierungsbegriff in der vorliegenden Arbeit nicht allein auf die imperative hoheitliche Regulierung durch Ge- und Verbote begrenzt, sondern umfasst auch andere hoheitliche Regulierungsformen unter Einbindung privater Akteure wie zum Beispiel die regulierte Selbstregulierung.22 Allein die private Selbstregulierung fällt nicht unter den hier gewählten Regulierungsbegriff, da diese keinerlei staatlichen Einflüssen und mithin keiner hoheitlichen Steuerung unterliegt.23

II. Regulatorische Steuerungsinstrumente: die Steuerungsfunktion des Rechts Regulatorische Steuerungsinstrumente stehen im Kontext der politischen Steuerung durch Hoheitsträger. Darunter versteht man, dass ein Steuerungssubjekt auf ein autonomes Objekt durch den Einsatz von Maßnahmen (Instrumenten) zur Verwirklichung eines Steuerungsziels (Intention) die Entwicklungsrichtung des Systems gezielt zu verändern sucht.24 Die lenkenden Eingriffe werden daher auch als „Steuerungsinstrumente“ bezeichnet, da unter „Instrument“ typischerweise alle Maßnahmen verstanden werden, die dem Erreichen eines politischen Ziels dienen sollen.25 Die Auswahl der richtigen Maßnahme zur Realisierung der Ziele erfolgt auf Basis von Erfahrungen aus vergangenen Sachverhalten und einer zukunftsorientierten Folgenabschätzung.26 Mit der Intervention in die marktlichen Prozesse verfolgt der Staat oftmals das Ziel, korrigierend zur Kompensation eines (potenziellen) Marktversagens zu wirken.27 Hierzu werden typischerweise durch 22

Vergleiche zur regulierten Selbstregulierung Teil 3 A. III. 1. und Teil 4 B. III. Vergleiche vertiefend zu den verschiedenen Grundtypen der Regulierung und der Urheberschaft der regulatorischen Steuerungsinstrumente Teil 4. 24 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 14; vertiefend hierzu Latzel, Verhaltenssteuerung, Recht und Privatautonomie, S. 158 ff. 25 Seeliger, Energiepolitik, S. 33. Traditionell ließen sich die Ziele der marktlichen Intervention aus dem Wohlfahrts- und Sozialstaatsauftrag des Staates ableiten, jedoch gewinnt in jüngerer Zeit ebenso der Schutz der natürlichen Lebengrundlagen (Art. 20a GG) als Steuerungsziel an Bedeutung, Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 212. 26 Franzius, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 5 Rn. 71 zur Steuerung durch Verwaltungsrecht. 27 Lehner / Schubert, in: Voigt, Recht als Instrument der Politik, S. 148–208 (186); Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 8; Latzel, Verhaltenssteuerung, Recht und Privatautonomie, S. 305 ff. 23

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

die steuernden Maßnahmen marktliche Rahmenbedingungen zum Erreichen der gewünschten Ziele aufgespannt.28 Grundsätzlich können nach dem Verständnis des Begriffs „Instrument“ alle legislativen und exekutiven Maßnahmen unabhängig von ihrer Rechtsnatur Steuerungsinstrumente darstellen.29 Es kann also allen Formen hoheitlichen Handelns eine steuernde Wirkung zukommen, namentlich der legislatorischen Programmsteuerung, der administrativen Maßnahmensteuerung sowie der judiziellen Urteilssteuerung.30 Vor allem Gesetzen und anderen normativen Maßnahmen kommt jedoch eine besonders gewichtige Steuerungs- und Lenkungsfunktion zu,31 weshalb sie die zentralen Gestaltungsinstrumente eines Rechtsstaats darstellen.32 Aus diesem Grund soll im Folgenden ausschließlich auf die Steuerung durch normatives Handeln – auch als regulatorische Steuerungsinstrumente bezeichnet – eingegangen werden. Erlässt der Staat regulatorische Steuerungsinstrumente, beschränkt er damit häufig die Rechte und die Entscheidungsfreiheit der Marktakteure,33 beispielsweise durch Limitierungen der Preissetzungs- und Vertragsfreiheit, der Produktion oder des Marktzutritts und -austritts.34 Das BVerfG hat es als grundsätzlich mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt, dass der Gesetzgeber durch wirtschaftspolitische Steuerungsinstrumente in das Marktgeschehen eingreift.35 Ob der regulierende Eingriff im konkreten Fall gerechtfertigt ist, muss allerdings stets im Wege einer Einzelfallbetrachtung untersucht werden.36 28 Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 4; Tschochohei / Zimmermann, in: Tschochohei, Governance und Marktdesign, S. 11–29 (11 f.); Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 39 f. 29 Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 12; Eifert, in: Kirchhof / Magen / Schneider, Was weiß Dogmatik?, S. 79–96 (93). 30 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 14; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik, S. 19. 31 Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 50 ff.; Engler, Private Regelsetzung, S. 37. Ein engeres Verständnis der Steuerungswirkung des Rechts vertritt Schuppert, der das Gesetz primär als Steuerungsinstrument gegenüber den beiden vollziehenden Gewalten Exekutive und Judikative einordnet (Art. 20 III GG), Schuppert, in: Schuppert, Gesetz als Steuerungsinstrument, S. 105–155 (105). 32 Schuppert, in: Schuppert, Gesetz als Steuerungsinstrument, S. 105–155 (108); Ritter, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69–112 (100); Voigt, in: Voigt, Recht als Instrument der Politik, S. 14–34 (15); Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 100 Rn. 21 ff.; speziell zur Rolle des Rechts als Steuerungsinstrument in der Energiewende Müller, dms 12/2019, 382–399 (383 f.). 33 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 679. 34 Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 29; Latzel, Verhaltenssteuerung, Recht und Privatautonomie, S. 322. 35 BVerfGE 39, 210 (225). 36 Die bei der Regulierung des Regelreservemarkts einzuhaltenden Grenzen zum Schutze der wirtschaftlichen Interessen und Rechte der (potenziellen) Marktteilnehmer sind Gegenstand von Teil 5.

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

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Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen „Marktzutrittsregeln“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“, da durch diese Einfluss darauf genommen werden kann, welche Akteure und Produkte bzw. Technologien Zugang zu einem Markt haben und mit welchen Parametern das Marktdesign ausgestaltet ist. Mit diesen normativen Maßnahmen greift das Steuerungssubjekt lenkend in die marktlichen Prozesse ein, um die festgesetzten Ziele wie zum Beispiel Umweltschutz zu erreichen. Damit verkörpern sie regulatorische Steuerungsinstrumente zur Transformation von wettbewerblichen Märkten. Die genaue Bedeutung und Wirkung der Steuerungsinstrumente „Marktzutrittsregeln“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“ ist Untersuchungsgegenstand von Teil 3 B. I. und C. I.

III. Formen der regulatorischen Steuerung Wie erläutert kann der Staat steuernd in wettbewerbliche Märkte eingreifen, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Hierbei stehen ihm regulatorische Steuerungsinstrumente zur Verfügung, mit deren Hilfe er in Form von Rechtsakten das Marktverhalten der am Wirtschaftsleben Beteiligten lenken kann. Je nach Steuerungsziel kommen zur Wirtschaftssteuerung unterschiedliche Instrumente in Betracht, wobei die regulatorischen Steuerungsinstrumente eine Vielzahl von Formen annehmen können. Regulatorische Steuerungsinstrumente können anhand ihrer Urheberschaft (1.), ihrer Wirkung beim Adressaten (2.) sowie ihres Umfangs (3.) typisiert werden.37 Die Entscheidung darüber, welche Lenkungsmaßnahme für die Erreichung des jeweiligen Steuerungsziels am effektivsten erscheint, muss stets anhand des Einzelfalls entschieden werden. 1. Unterscheidung anhand der Urheberschaft Regulatorische Steuerungsinstrumente können sich aufgrund ihrer Urheberschaft unterscheiden. Als Steuerungssubjekte treten in der Regel Hoheitsträger auf, die den Markt in Form der sogenannten imperativen Regulierung gestalten,38 das heißt, der Hoheitsträger ergreift selbst die Maßnahmen im Rahmen der hoheitlichen Erfüllungsverantwortung. Die Steuerungsziele sollen also durch unmittelbares staatliches oder unionsrechtliches Handeln erreicht werden.39 Erfolgt hingegen die Steuerung und Marktgestaltung durch private Akteure, deren Handeln staatlichem Einfluss unterliegt, fällt diese Steuerungsform unter den Begriff der 37 Weitere Typisierungen der Steuerungsformen finden sich unter anderem bei Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 14 f. 38 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 23. 39 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 23.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

regulierten Selbstregulierung.40 Auch die private Normsetzung ist Teil dieser Regulierungsform: Hierbei werden Inhalt, Umfang und Verfahren des privaten Regelwerkerlasses im Vorfeld normativ festgelegt und der Hoheitsträger trägt eine Kontroll- und Überwachungspflicht.41 Darüber hinaus bestehen je nach Grad der Involvierung Privater weitere Mischformen hinsichtlich der Einbindung verschiedener Steuerungssubjekte.42 Da die Urheberschaft bei der regulierten Transformation von Märkten eine wesentliche Rolle einnehmen kann, wird diese Thematik ausführlich in Teil 4 behandelt. 2. Unterscheidung anhand der Wirkung auf den Adressaten Lenkungsmaßnahmen können ebenso anhand ihrer Wirkung auf den Adressaten kategorisiert werden, wobei zwischen einer direkten (unmittelbaren) und einer indirekten (mittelbaren) Wirkung auf das Verhalten der Marktteilnehmer unterschieden wird. Eine unmittelbare Wirtschaftssteuerung liegt vor, wenn das Steuerungssubjekt einseitig in Form von Regelungen auf die Adressaten einwirkt, um ein bestimmtes Marktverhalten zu erzwingen.43 Typische Formen sind Gebote und Verbote, die gegebenenfalls auch mit Sanktionen versehen sind.44 Bei der mittelbaren Steuerung hingegen setzt das Steuerungssubjekt lediglich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Ordnung, in der gewirtschaftet werden soll, fest.45 Die Veränderung der Marktstrukturen geschieht somit nicht durch Ge- und Verbote, sondern aufgrund der individuellen, willentlichen Entscheidung der Wirtschaftsakteure, die jedoch durch die gesetzten Rahmenbedingungen beeinflusst wird.46 Beispiele indirekter Lenkungsmaßnahmen sind das Bereitstellen von Informationen und Empfehlungen oder die Einführung ökonomischer Steuerungsinstrumente wie zum Beispiel eine staatliche Wirtschaftsplanung, eine Konjunktursteuerung durch staatliche Haushaltspolitik und das Inaussichtstellen von finanziellen Vor- und Nachteilen.47 40

Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 77. Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (135 f.). 42 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). 43 Maly, Wirtschaft und Umwelt in der Stadtentwicklungspolitik, S. 217. 44 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 60 ff.; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, S. 85 ff.; Schuppert, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Schuppert, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65–114 (71). 45 Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 43. 46 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 62; Kloep­fer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 8; Stober, Allgemeines Wirtschafts­ verwaltungsrecht, S. 225. 47 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 595; Kloepfer, Staatliche Informationen als Lenkungsmittel, S. 8. 41

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

109

3. Unterscheidung anhand des Umfangs Des Weiteren kann danach differenziert werden, welchen Umfang die Steuerungs­ maßnahme einnimmt, das heißt, ob sie das gesamte innerstaatliche Wirtschaftssystem oder lediglich einen spezifischen wirtschaftlichen Teilbereich betrifft. Eine sogenannte horizontale Wirtschaftssteuerung liegt vor, wenn die Regulierung auf alle Wirtschaftsobjekte in allen Marktbereichen Anwendung findet.48 Dies gilt für alle Rechtsakte des allgemeinen Rechtsrahmens, insbesondere das Wettbewerbsrecht  – beispielsweise betrifft das Kartellrecht in universeller Weise alle Wirtschaftszweige gleichermaßen.49 Zudem sind hiervon alle makroökonomischen Maßnahmen erfasst, also solche, die steuernd die gesamtwirtschaftlichen Faktoren adressieren.50 Diese umfassen im Wesentlichen die in § 1 Stabilitätsgesetz (StabG)51 aufgezählten Parameter eines stabilen Preisniveaus, eines hohen Beschäftigungsstands, eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums sowie eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.52 Sofern im Rahmen dieser gesamtwirtschaftlichen Steuerungsinstrumente der freie Markt und die wettbewerblichen Strukturen völlig bzw. weitgehend außer Kraft gesetzt werden, bedürfen solche Maßnahmen im Hinblick auf den Grundsatz der offenen und wettbewerbsorientierten Märkte (Art. 173 AEUV) einer genauen rechtlichen Prüfung.53 Im Gegensatz dazu betrifft die vertikale Wirtschaftssteuerung nicht das gesamtwirtschaftliche System, sondern greift nur in einzelne Bereiche, zum Beispiel in bestimmte Wirtschaftszweige oder Märkte, gestaltend ein.54 Hierbei finden die strukturellen Besonderheiten des einzelnen Wirtschaftsbereichs besondere Berücksichtigung.55 So dient beispielsweise die Regulierung in den netzbezogenen Sektoren insbesondere der Schaffung oder Erhaltung von Wettbewerb in den monopolistischen Netzstrukturen unter zeitgleicher Sicherung des Gemeinwohls.56

48

Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 230. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 22; Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 230. 50 Wilhelm, in: Klatt / Willms, FS Voigt, S. 507–536 (507); Köhler, in: Köhler / Bornkamm / ​ Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl. Rn. 1.49. 51 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 08. 06. 1967 (BGBl. I. S. 582), das zuletzt durch Artikel 267 der Verordnung vom 31. 08. 2015 (BGBl. I. S. 1474) geändert worden ist. 52 Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 44; Wilhelm, in: Klatt / Willms, FS Voigt, S. 507–536 (507). 53 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 225. 54 Pöhn, Wirtschaftslenkung in den Formen des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, S. 44; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 21. 55 Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen, S. 230. 56 Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 24 f. 49

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

IV. Erlass von Sonderregelungen für einzelne Akteure oder Technologien Als mögliche Gestaltungstechnik im Zusammenhang mit Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen kann angedacht werden, Sonderregelungen für spezifische Akteure oder Produkte zu erlassen, anstatt für alle Marktteilnehmer einheitlich geltende Regeln einzuführen. Je nach Sachverhalt können hierdurch gegebenenfalls die gewünschten Steuerungsziele effektiver und einfacher erreicht werden. Beispielsweise wird zur Realisierung der klima- und energiepolitischen Ziele die Marktteilnahme von gewünschten Akteuren und Technologien am Regelreservemarkt durch Sonderregelungen gezielt gefördert. Mit der Einführung von Sondervorschriften bezweckt der Regulierer in der Regel, faktischen Unterschieden durch eine differenzierende Lösung gerecht zu werden. Ebenso können hierdurch auf Abweichungen von den Idealbedingungen in der Realität sowie auf Verteilungswirkungen und deren politischen Folgen reagiert werden.57 Für die Verabschiedung von Sonderregelungen kann es somit durchaus Rechtfertigungen geben. In diesem Zusammenhang müssen jedoch stets die Vorzüge mit den unerwünschten Folgen abgewogen werden, insbesondere welche (volkswirtschaftlichen) Kosten durch deren Erlass beglichen werden und welche Nachteile die Sondervorschriften für die anderen Marktteilnehmer und die Gesellschaft haben.58 Daher sind bei dem Erlass von Sonderregelungen zugunsten eines politischen Steuerungsziels stets deren kausale Nebeneffekte zu berücksichtigen. Zudem kann sich durch die aufgrund der Sonderregelungen ungleiche Marktsitua­ tion eine Wettbewerbsverzerrung ergeben. Um unerwünschte Nebeneffekte von Sonderregelungen zu vermeiden, müssen die Auswirkungen sorgfältig und umfassend prognostiziert und die Gestaltung der Bestimmungen entsprechend angepasst werden. Ein Beispiel für Sonderregelungen mit unerwünschten und unbedachten Folgen stellt die Privilegierung von Bürgerenergiegesellschaften bei Ausschreibungen von Windenergie an Land in § 36g EEG 2021 dar. Zur Stärkung der Akteursvielfalt wurden für Bürgerenergiegesellschaften59 gewisse Sonderregelungen im 57

Bach et al., Sonderregelungen zur Vermeidung von unerwünschten Wettbewerbsnachteilen, S. 25. 58 Bach et al., Sonderregelungen zur Vermeidung von unerwünschten Wettbewerbsnachteilen, S. 25. 59 „Bürgerenergiegesellschaft“ ist gemäß § 3 Nr. 15 EEG 2021 jede Gesellschaft, a)  die aus mindestens zehn natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern oder stimmberechtigten Anteilseignern besteht, b) bei der mindestens 51 % der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die seit mindestens einem Jahr vor der Gebotsabgabe in der kreisfreien Stadt oder dem Landkreis, in der oder dem die geplante Windenergieanlage an Land errichtet werden soll, nach § 21 oder § 22 des Bundesmeldegesetzes mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind, und c) bei der kein Mitglied oder Anteilseigner der Gesellschaft mehr als 10 % der Stimmrechte an der Gesellschaft hält, wobei es beim Zusammenschluss von mehreren juristi­

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

111

Ausschreibungsverfahren eingeführt.60 So wurden Bürgerenergiegesellschaften gemäß § 36g EEG 2021 von der Pflicht zur Vorlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vor Gebotsabgabe ausgenommen, mussten weniger Sicherheitsleistungen bieten, genossen längere Realisierungsfristen und – als wohl wichtigstes Privileg – es galt für sie das Einheitspreisverfahren.61 Diese neu eingeführten regulatorischen Privilegierungen führten jedoch zu unerwarteten Ergebnissen: In der ersten Ausschreibungsrunde von Windenergie an Land vom 01. 05. 2017 gingen 96 % des Zuschlagsvolumens an Bürgerenergiegesellschaften.62 In den beiden Folgeausschreibungen betrugen die Zuschläge für Bürgerenergiegesellschaften 95 % und 99 %.63 Die als Ausnahmeregelung konzipierte Privilegierung für Bürgerenergiegesellschaften stellte somit die Regel dar.64 Der Gesetzgeber reagierte auf diese hohen Zuschlagsquoten, indem er kurzfristig die Privilegierungen für Bürgerenergiegesellschaften für die nächsten Ausschreibungsrunden aussetzte.65 Die Sonderregelungen für die grundsätzlich schützenswerten Bürgerenergiegesellschaften erwiesen sich somit aufgrund der zu starken Verzerrungen der Ausschreibungsergebnissen als problematisch.66 Dies lag insbesondere darin begründet, dass die Begriffsdefinition der Bürgerenergiegesellschaft Interpretationsspielraum für die Entwicklung „kreativer“ Geschäftsmodelle zuließ und die Privilegien dadurch von mehr (unberechtigten) Bietern als erwartet in Anspruch genommen wurden.67 schen Personen oder Personengesellschaften zu einer Gesellschaft ausreicht, wenn jedes der Mitglieder der Gesellschaft die Voraussetzungen nach den Buchstaben a–c) erfüllt. 60 BT-Drs. 18/8860, S. 152. 61 Vergleiche vertiefend zu den Privilegien von Bürgerenergiegesellschaften unter anderem Hoffmann, Die Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften im EEG 2017, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 26; Antonow, NJ 9/2016, 372–376 (374) und Leutritz / Herms / Richter, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 324 f. 62 Von den 70 erteilten Zuschlägen erhielten lediglich drei Bieter mit insgesamt fünf Geboten, die nicht Bürgerenergiegesellschaften waren, einen Zuschlag, vergleiche zu den Ergebnissen BNetzA, Hintergrundpapier, Ergebnisse der Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land vom 1. Mai 2017, S. 4. 63 BNetzA, Hintergrundpapier, Ergebnisse der Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land vom 1. August 2017, S. 4, und BNetzA, Hintergrundpapier, Ergebnisse der Ausschreibung für Windenergieanlagen an Land vom 1. November 2017, S. 5. 64 Leutritz / Herms / Richter, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 325a. 65 Der Gesetzgeber beschloss zunächst in § 104 Abs. 8 EEG 2017: „In den Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land zu den Gebotsterminen 1. Februar 2018 und 1. Mai 2018 ist § 36g Absatz 1, 3 und 4 nicht anzuwenden. (…).“ In BT-Drs. 19/1320, S. 7, wurden die Ausschreibungen für Bürgerenergiegesellschaften bis zum 01. 05. 2019 ausgesetzt. Aktuell ist gemäß § 104 Abs. 8 EEG 2017 hinsichtlich der Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land zu allen Gebotsterminen bis einschließlich dem Gebotstermin am 01. 06. 2020 § 36g EEG 2017 nicht anzuwenden. 66 BT-Drs. 19/1320, S. 2. 67 Klessmann, Bisherige Erfahrungen mit Ausschreibungen für Erneuerbare Energien und KWK, Vortrag bei der 10. Göttinger Energietagung, 14. 03. 2018, Folie 16 und 24, Folien abrufbar unter https://www.efzn.de/de/veranstaltungen/efzn-veranstaltungsreihen/goettingerenergietagung/2018/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020); Stäsche, EnWZ 12/2017, 446–453 (449); Hoffmann, EnWZ Aktuell 8–9/2017, V (V).

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Das Beispiel der Bürgerenergiegesellschaften zeigt, dass Sonderregelungen beim Ausschreibungsverfahren erhebliche Missbrauchsgefahren bergen können. Jedoch ist aus diesen Erfahrungen nicht der pauschale Rückschluss möglich, dass die regulatorische Privilegierung gewisser Akteure per se zu unterlassen ist, sondern vielmehr, dass die rechtliche Ausgestaltung der Sonderregelungen entscheidend dafür ist, inwieweit diese für Missbrauch anfällig sind und ungewünschte Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen. Hierzu sind äußerst präzise Festlegungen der Voraussetzungen für die Privilegien erforderlich. Beim Erlass von Sonderregelungen sind grundsätzlich die primär- und verfas­ sungsrechtlichen Grenzen einzuhalten, insbesondere das deutsche und das europäische Gleichbehandlungspostulat, das Beihilferecht sowie das Verbot von Einzelfallgesetzen. Hinsichtlich der ausführlichen Untersuchung, welche materiellrechtlichen Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen eingehalten werden müssen, wird auf Teil 5 B. verwiesen.

V. Systematisierungsansätze und Begrifflichkeiten im Kontext von regulatorischen Steuerungsinstrumenten Die noch folgenden Ausführungen in Teil 3 B. und C. dienen einer Systematisierung und Kontextualisierung der Steuerungsinstrumente „Marktzutrittsregeln“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“. Als Grundlage hierzu sollen im Vorfeld mögliche Systematisierungsansätze sowie Begrifflichkeiten eingeführt werden, die für die folgenden Ausführungen gelten.68 1. Steuerungssubjekt Als Steuerungssubjekt wird der Akteur des Steuerungsvorgangs bezeichnet.69 Es handelt sich also um das „Wer“ der Steuerung. Als Steuerungssubjekte kommen hoheitliche, aber auch private Akteure, soweit eine entsprechende Legitimation vorliegt, in Betracht.70 Dabei ist sowohl ein individuelles als auch ein kollektives Agieren denkbar.71 Im Kontext der normativen Steuerung bezieht sich die Frage nach dem Steuerungssubjekt auf die Urheberschaft von Regelwerken. Eine intensive Auseinandersetzung mit hoheitlicher und privater Normsetzung, insbesondere dem Konzept der 68

Teilweise bestehen für einzelne Rechtsgebiete spezifische Systematisierungen, vergleiche unter anderem für das Umweltrecht Kloepfer / Neugärtner, Umweltrecht, § 5 Rn. 29 ff. 69 Walter, ZaöRV 2/2016, 363–389 (367). 70 Seeliger, Energiepolitik, S. 41 f.; Walter, ZaöRV 2/2016, 363–389 (367); Mayntz, in: Burth / Görlitz, Politische Steuerung, S. 17–27 (18). 71 Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 1 Rn. 20.

A. Begriff und Reichweite von regulatorischen Steuerungsinstrumenten 

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regulierten Selbstregulierung, erfolgt in Teil 4. Im Bereich der Regelreserve wirft die Urheberschaft von Normen sowie die Legitimation der Steuerungssubjekte eine Vielzahl von Fragen auf, da dort vermehrt private Akteure in die Gestaltung des Rechtsrahmens einbezogen werden. 2. Steuerungsobjekt Steuerungsobjekte sind „gesellschaftliche Teilsysteme bzw. Gruppen, deren Verhalten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll“.72 Somit ist das Steuerungsobjekt der Adressat der Steuerung.73 Maßgeblich ist insofern an „Wen“ sich die Steuerung richtet. In Betracht kommen hierbei sowohl personen- als auch sachbezogene Steuerungsmaßnahmen. An welchen Adressaten das vom Steuerungssubjekt erlassene Steuerungsinstrument konkret gerichtet ist, hängt insbesondere von der Art und dem Ziel der Maßnahme ab. Da die Wirtschaftssteuerung in der Regel mit einem Eingriff in die Interessen der am Wirtschaftsleben Beteiligten einhergeht, sind die Rechte und Freiheiten der bereits am Markt etablierten und der potenziell neuen Marktteilnehmer im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Betätigung Untersuchungsgegenstand von Teil 5. Bezüglich des Regelreservemarkts soll der Abbau regulatorischer Hemmnisse zu einem Marktbeitritt neuer Akteure und Technologien führen, wodurch eine normative Einwirkung sowohl auf das Verhalten der bereits am Markt etablierten als auch auf das der potenziell neuen Regelreserveanbieter stattfindet. Die jeweiligen Regelreserveanbieter sind somit die Adressaten der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen im Bereich des Regelreservemarkts. 3. Steuerungsziel Wird das Steuerungssubjekt tätig und erlässt ein Steuerungsinstrument, verfolgt es damit grundsätzlich ein bestimmtes Steuerungsziel. So soll meist durch die politische Steuerung die Lösung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme erreicht werden.74 Ein Steuerungsbedarf besteht dann, wenn die Ziele nicht im Wege der Selbststeuerung erreicht werden können.75 Dem Steuerungsziel liegt 72 Mayntz, in: Schuppert, Governance, S. 43–60 (43). Dementgegen qualifiziert Schuppert im Bereich des Verwaltungsrechts die Verwaltung als Steuerungsobjekt, da sie die Vorgaben des Rechts in ihren Entscheidungen und Handlungen umsetzt, vergleiche Schuppert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 65–114 (69). 73 Walter, ZaöRV 2/2016, 363–389 (367); Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / ​ Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 1 Rn. 20; Alt, Ökodesign und Kreislaufwirtschaft, S. 92. 74 Mayntz, in: Burth / Görlitz, Politische Steuerung, S. 17–27 (17). 75 Alt, Ökodesign und Kreislaufwirtschaft, S. 108.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

die Frage nach dem „Wozu“ der Steuerung zugrunde. Eine regulatorische Maßnahme ist dann hinsichtlich ihrer Zielrealisierung erfolgreich, wenn die erwünschten Wirkungen erreicht und die unerwünschten Folgen vermieden werden.76 Die Steuerungsziele von Vorschriften können sehr divers sein, wie die in Teil  1  E. dargestellte historische Entwicklung des Regelreservemarkts zeigt: Die Ziele reichen von der Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch Anforderungen an die technischen und betriebswirtschaftlichen Standards über die Schaffung von Wettbewerb durch eine zunehmende Marktöffnung für neue Technologien und Akteure hin zu einer Berücksichtigung von Umweltbelangen, angestrebt im Wege der Marktöffnung für EE-Anlagen. 4. Steuerungsmethode Regulatorische Steuerungsinstrumente können ebenso anhand der jeweiligen Steuerungsmethode unterschieden werden. Diese umfasst das „Wie“ der Steuerung, also die Art und Weise, mittels derer das Steuerungsziel erreicht werden soll. Zur Realisierung der politisch festgelegten Ziele können die Steuerungssubjekte auf diverse Steuerungsmethoden zurückgreifen. Die gewählte Methode bestimmt, auf welche Art und Weise die Ziele realisiert werden sollen. In Betracht kommen bei Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen im Wesentlichen die Methoden der „Mengensteuerung“, der „Akteurssteuerung“, der „Produkteigenschaftssteuerung“ sowie der „marktkonformen Verhaltenssteuerung“. Diese Kategorien der verschiedenen Steuerungsmethoden von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen werden im Folgenden in Teil 3 B. II. und C. II. erläutert.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln Im Regelreservemarkt stellt das Präqualifikationsverfahren eine Marktzutrittsregel dar, da nur solche Regelreserveanbieter am Regelreservemarkt teilnehmen und entsprechend Gebote abgeben dürfen, die im Vorfeld erfolgreich präqualifiziert wurden. Doch nicht nur in diesem Teilbereich des Energierechts bestehen Marktzutrittsregeln, auch in anderen Rechtsgebieten lässt sich diese Steuerungsform beobachten, wie sogleich gezeigt wird. Im Folgenden wird zunächst rechtsgebietsübergreifend die Steuerungsfunktion von Marktzutrittsregeln untersucht (I.) sowie eine Systematisierung anhand der jeweiligen Steuerungsmethoden vorgenommen (II.). Anschließend wird das Präqualifikationsverfahren des Regelreservemarkts als Beispiel für eine Marktzutrittsregel analysiert (III.). 76

Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 8.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

115

I. Marktzutrittsregeln als Steuerungsinstrumente Allgemein lässt sich feststellen, dass eine Marktzutrittsregel dann vorliegt, wenn ein Steuerungssubjekt mittels normativer Maßnahmen in den Markt eingreift, um bestimmten Akteuren oder Produkten den Marktzutritt, auch Markteintritt genannt, zu ermöglichen oder aber auch zu erschweren.77 In anderen Worten: es geht um Regelungen dafür, welche Akteure bzw. Produkte Zutritt zu einem Markt haben und welche nicht; sie betreffen also das „Ob“ der Teilnahme am Markt.78 Marktzutrittsregeln können somit in positiver als auch in negativer Dimension vorliegen, nämlich in Form von marktzutrittsermöglichenden Regelungen, aber auch in Form von Beschränkungen oder einem gänzlichen Marktausschluss. Um beiden Dimensionen gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff der „Marktzutrittsregel“ anstelle des vor allem im Regulierungskontext oft genutzten Begriffs der „Marktzutrittsschranke“79 verwendet, da nur Ersterer beide Dimensionen umfasst. Klassischerweise werden Marktzutrittsregeln in Form von Genehmigungs- und Zulassungsverfahren festgelegt. Als Beispiel sei auf die behördliche Genehmigung nach §§ 29 ff. Gewerbeordnung (GewO)80 als Voraussetzung für die Aufnahme bestimmter gewerblicher Tätigkeiten verwiesen. Hier kommen Vorgaben bezüglich des Marktzutritts, eingekleidet in das verwaltungsrechtliche Gewand des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt,81 zum Tragen, da die entsprechenden in der Gewerbeordnung genannten gewerblichen Tätigkeiten 77

Kantzenbach / Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 71 f. Neben regulatorischen Marktzutrittsregeln, auch institutionelle Marktzutrittsschranken genannt, bestehen zudem ökonomische Marktzutrittsbarrieren wie zum Beispiel strategische und strukturelle Marktzutrittsschranken, vergleiche näher Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 14 ff. Aufgrund des rechtlichen Fokus dieser Arbeit wird jedoch nur auf regulatorische Aspekte beim Marktzutritt eingegangen, während die ökonomischen nicht Untersuchungsgegenstand sind. 78 Kotthoff, in: Ekey, et al., Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 4 Rn. 561, dessen Aussage im Kontext des Wettbewerbsrecht steht, jedoch aufgrund der Allgemeingültigkeit auch auf andere Konstellationen übertragbar ist. Vergleiche zudem Hahn, Oligopolistische Marktbeherrschung in der Europäischen Fusionskontrolle, S. 289, welcher sich jedoch nur auf die Dimension von Marktzutrittsschranken, nicht jedoch auf die positive Dimension der Ermöglichung des Marktzutritts bezieht. 79 In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden (Markt-)Zutrittsschranken und (Markt-) Zugangsbarrieren in unterschiedlichen rechtsgebietsspezifischen Kontexten Beachtung. Vergleiche zum Marktzutritt von Energieversorgungsunternehmen nach §§ 4 EnWG beispielhaft Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 3, und Kment, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 30 ff.; zum Marktzutritt im Kontext der Warenverkehrsfreiheit Holst, Die Warenverkehrsfreiheit zwischen unbeschränktem Marktzugang und mitgliedstaatlicher Autonomie; zum Markteintritt im Arzneimittelrecht Bejrananda, Die kartellrechtliche Beurteilung unternehmerischer Strategien gegen den Markteintritt konkurrierender Arzneimittel; zum Marktzugang im Kapitalmarkt Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Teil  2; zu Marktzutrittsbeschränkungen im Taxengewerbe Bardarsky, Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe. 80 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 02. 1999 (BGBl. I. S. 202), die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 18. 01. 2021 (BGBl. I. S. 2) geändert worden ist. 81 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 35.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

aus Gründen der Gefahrenabwehr erst nach behördlicher Genehmigung angeboten werden dürfen.82 Ebenfalls finden Marktzutrittsregeln unter anderem in Form von Konzessionen im Casino-83 und Taxigewerbe,84 im Produktsicherheitsrecht85 sowie bei der Vergabe der mengenmäßig beschränkten Stellen für Apotheker,86 Ärzte87 und Notarassessoren88 Anwendung. Die Steuerung der Marktteilnahme gewisser Akteure oder Produkte erfolgt in der Regel zugunsten von übergeordneten Steuerungszielen wie beispielsweise der Gefahrenabwehr. Daher beziehen sich Marktzutrittsregeln grundsätzlich nur auf den Zutritt zu einem gewissen Markt, da hinsichtlich anderer Märkte die Steuerungsziele unterschiedlich ausfallen (können). Selbstverständlich wird nicht jeder Markt durch Zutrittsregeln gesteuert; eine Regulierung des Markteintritts wird nur dann verfolgt, sofern dies zur Erreichung bestimmter Steuerungsziele erforderlich erscheint. Die einem Markt zugrundeliegenden Marktzutrittsregeln bestimmen maßgeblich die Beziehungen zwischen den potenziellen Marktneulingen und den bisherigen Marktakteuren.89 Sollen Marktzutrittsregeln erlassen werden, sind deren Auswirkungen und Folgen nicht zu vernachlässigen. Einerseits dienen Marktzutrittsregeln dazu, nur denjenigen Akteuren oder Produkten den Marktzutritt zu gewähren, welche die dazu festgelegten Anforderungen erfüllen und damit im Einklang mit den politischen Zielen stehen. Andererseits kann die gezielte Steuerung der Akteurs- und Produktstruktur die Gefahr bergen, dass durch eine einge 82 Korte, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 69; Ehlers, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 1, § 18 Rn. 43. 83 § 4a Glücksspielstaatsvertrag zwischen den 16 deutschen Bundesländern, der die Rahmenvorgaben für die jeweiligen Landesgesetze vorgibt (Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15. 12. 2011). 84 § 2 PBefG (Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08. 08. 1990 (BGBl.  I. S. 1690), das zuletzt durch Artikel  4 des Gesetzes vom 03. 03. 2020 (BGBl. I. S. 433) geändert worden ist). 85 § 3 Abs. 1 ProdSG (Produktsicherheitsgesetz vom 08. 11. 2011 (BGBl.  I. S. 2178, 2179; 2012 I S. 131), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 28. 04. 2020 (BGBl. I. S. 960) geändert worden ist). 86 § 1 ApoG (Apothekengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 1980 (BGBl. I. S. 1993), das zuletzt durch Artikel 18 des Gesetzes vom 09. 08. 2019 (BGBl. I. S. 1202) geändert worden ist). 87 § 99 f. SGB V (Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. 12. 1988, BGBl. I. S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 18 Absatz 9 des Gesetzes vom 19. 05. 2020 (BGBl. I. S. 1018) geändert worden ist) i. V. m. §§ 12 ff. Ärzte-Zulassungsverordnung (Zulassungsverordnung für Vertragsärzte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 8230–25, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 06. 05. 2019 (BGBl. I. S. 646) geändert worden ist). 88 Vergleiche zur mengenmäßigen Steuerung von Notaren § 4 BNotO (Bundesnotarordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303–1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 30. 11. 2019 (BGBl. I. S. 1942) geändert worden ist). 89 Knieps, Wettbewerbsökonomie, S. 14.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

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schränkte Anzahl von Akteuren und Produkten auf dem Markt der Wettbewerb zurück geht und sich dies negativ auf die Kosteneffizienz auswirkt. Somit sind eine sorgfältige Gestaltung und Folgenabschätzung der Marktzutrittsregeln im Vorfeld des Erlasses essenziell.90

II. Systematisierung von Marktzutrittsregeln anhand der Steuerungsmethode Obwohl Marktzutrittsregeln in vielen Rechtsgebieten Anwendung finden, wurden sie in der rechtswissenschaftlichen Literatur in der Regel allein im Kontext des eigenen Rechtsgebiets analysiert;91 eine rechtsübergreifende systematisierende Untersuchung ist nach Auswertung der einschlägigen Literatur nicht bekannt. Um diese Lücke zu schließen, wird in der vorliegenden Arbeit eine rechtsübergreifende Systematisierung der bestehenden Marktzutrittsregeln vorgenommen. Anknüpfungspunkt der Klassifizierung ist die Steuerungsmethode der entsprechenden regulatorischen Maßnahmen. Es geht also um die Frage, auf welchem Wege und mittels welcher Methode das entsprechende Steuerungsziel erreicht werden kann. Da der Fokus der vorliegenden Arbeit auf der regulierten Markttransformation liegt, wurde von der Verfasserin eine Systematisierung anhand der „Steuerungsmethode“ ausgewählt: Ausgehend von der Forschungsfrage, wie auf wettbewerblichen Märkten durch Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen eine Systemtransformation erzielt wird, geht es insbesondere darum, mit welchen regulatorischen Methoden diese marktliche Wende erzielt werden kann. Eine Analyse der Steuerungsmethoden drängt sich in diesem Kontext somit geradezu auf.92 Die nachfolgende Untersuchung zeigt, dass sich Marktzutrittsregeln –  unabhängig von deren Rechtsgebiet und Steuerungsziel – in produkteigenschaftssteuernde (1.), akteurssteuernde (2.) und mengensteuernde (3.) Regelungen unterteilen lassen. Die hierfür in dieser Arbeit angeführten Beispiele sind plakativ gewählt und haben nicht den Anspruch einer umfassenden Darstellung.

90 Vergleiche in Bezug auf den Regelreservemarkt Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 41 f. Vergleiche zu den Vor- und Nachteilen von Sonderregelungen Teil 3 A. IV. 91 Vergleiche zu den Marktzutrittsregeln für Energieversorgungsunternehmen nach §§ 4 EnWG beispielhaft Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 3, und Kment, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 30 ff.; zum Marktzutritt im Kontext der Warenverkehrsfreiheit Holst, Die Warenverkehrsfreiheit zwischen unbeschränktem Marktzugang und mitgliedstaatlicher Autonomie; zum Markteintritt im Arzneimittelrecht Bejrananda, Die kartellrechtliche Beurteilung unternehmerischer Strategien gegen den Markteintritt konkurrierender Arzneimittel; zum Marktzugang im Kapitalmarkt Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Teil 2. 92 In einem anderen Kontext können je nach Ausrichtung und Fokus auch andere Systematisierungsansätze sinnvoll sein.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Im Rahmen der Systematisierung ist zu berücksichtigen, dass zur Erreichung des Steuerungsziels nicht nur auf eine, sondern kumulativ auf mehrere Steuerungsmethoden zurückgegriffen werden kann. So limitieren beispielsweise in einigen Wirtschaftszweigen mengensteuernde Zulassungen den Marktzutritt, wobei zusätzlich personenbezogene Anforderungen zum Zwecke der Akteurssteuerung gelten. Als Beispiel kann die Verteilung von Arztsitzen genannt werden, welche sowohl der Mengen- als auch der Akteurssteuerung dient. Einerseits bezweckt die räumliche und am Versorgungsbedarf orientierte Verteilung von Arztsitzen entsprechend der Bedarfsplanung eine Mengensteuerung der ärztlichen Versorgung.93 Andererseits setzt die Zulassungsberechtigung für einen entsprechenden Arztsitz unter anderem den Nachweis einer erfolgreichen Approbation voraus.94 Da der Zulassungsstatus höchstpersönlich ist und nicht übertragen werden kann, dient das Zulassungsverfahren der medizinischen Akteurssteuerung.95 1. Produkteigenschaftssteuernde Marktzutrittsregeln Die politisch vereinbarten Steuerungsziele können durch produkteigenschaftssteuernde Marktzutrittsregeln erreicht werden. Diese verfolgen das Ziel, dass nur Produkte mit einer bestimmten Eigenschaft an dem entsprechenden Markt teilnehmen dürfen. Anknüpfungspunkt für die regulatorische Steuerung ist somit der Marktzutritt und / oder -ausschluss von bestimmten Produkten. Die zu steuernden Eigenschaften können sich unter anderem auf die Qualität, Beschaffenheit oder Zusammensetzung eines Produkts beziehen. Erfüllen Produkte diese Anforderungen nicht, ist ihnen ein Marktzutritt verwehrt. Durch diese Form der regulatorischen Steuerung wird sichergestellt, dass der Marktzutritt nur für diejenigen Produkte möglich ist, die mit den festgelegten politischen Zielen im Einklang stehen, jedoch nicht für diejenigen, die im Widerspruch dazu stehen. Produkteigenschaftssteuernde Marktzutrittsregeln lassen sich in direkte (1.) und indirekte (2.) normative Maßnahmen unterteilen. a) Direkte Eigenschaftssteuerung Eine direkte Eigenschaftssteuerung liegt vor, wenn der Marktzutritt für Produkte mit im Einzelnen namentlich benannten Eigenschaften geregelt wird. In der Praxis liegt die direkte Eigenschaftssteuerung oftmals in Form eines Verbots gewisser Produkte vor, da diese beispielsweise bestimmte gefährliche Substan 93 Bäune, in: Bäune / Meschke / Rothfuß, Kommentar zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, § 12 Rn. 1. Vergleiche § 99 f. SGB i. V. m. §§ 12 ff. ÄrzteZulassungsverordnung. 94 Vergleiche § 18 Abs. 1 lit. a) i. V. m. § 3 Ärzte-ZV. 95 Bristle, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 17 Rn. 7.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

119

zen enthalten und somit gesundheitsgefährdende Wirkungen entfalten. In der Konsequenz sind die Produkte mit den in den Marktzutrittsregeln festgelegten unerwünschten Eigenschaften gänzlich vom Markt ausgeschlossen. Da ein vollständiger Marktausschluss einen intensiven staatlichen Eingriff darstellt, bedarf er zur Rechtfertigung im Rahmen der grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung eines besonders gewichtigen Steuerungsziels. Denkbar ist auch die umgekehrte Konstellation: dass zugunsten eines bestimmten politischen Ziels nur Produkte mit den in den Marktzutrittsregeln namentlich benannten erwünschten Eigenschaften Marktzutritt erhalten, also explizit die Positivprodukte aufgezählt werden. Aufgrund der oftmals vorliegenden Masse an Positivprodukten erscheint diese Herangehensweise aus regulatorischer Sicht jedoch wenig pragmatisch. Zudem begegnet die starke Limitierung der zugelassenen Produktgruppen Bedenken hinsichtlich der Innovationsoffenheit und Wettbewerbseffizienz des Markts. Als demonstratives Beispiel für die direkte Eigenschaftssteuerung ist das Chemikalienrecht zu nennen. Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 17 Chemikaliengesetz (ChemG)96 erlassene Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV)97 enthält Regelungen bezüglich des Inverkehrbringens von bestimmten gefährlichen Stoffen zum Schutz des Menschen und der Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen wie § 1 ChemVerbotsV als Anwendungsbereich umschreibt. So enthält § 3 Abs. 2 ChemVerbotsV ein grundsätzliches Verbot des „Inverkehrbringen[s] der in der entsprechenden Anlage 1 Spalte 1 bezeichneten Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, die solche Stoffe oder Gemische freisetzen können oder enthalten, in dem in Anlage 1 Spalte 2 genannten Umfang“. Somit ist es verboten, die ausdrücklich in der Anlage aufgeführten Stoffe gänzlich oder in einem gewissen Umfang in den Verkehr zu bringen. Dies stellt einen regulatorischen Ausschluss des Marktzutritts für die Produkte mit den namentlich genannten Eigenschaften dar. Eine direkte Eigenschaftssteuerung muss jedoch nicht grundsätzlich auf ein Verbot gewisser Produkte abzielen, sondern kann auch im Gegenteil in positiver Dimension einen privilegierenden Marktzutritt für bestimmte Produkte umfassen. Erleichterte Voraussetzungen der Marktteilnahme finden beispielsweise bei der geförderten Marktintegration von EE-Anlagen zum Erreichen einer gesteigerten Umweltverträglichkeit Anwendung.98 So regeln die §§ 8 ff. EEG 2021 die vorrangige Netzanschluss- und Abnahmepflicht des Netzbetreibers für Strom aus er­neuerbaren Energien und Grubengas. Die Betreiber von EE-Anlagen erhalten dadurch gegenüber den Betreibern von konventionellen Erzeugungsanlagen einen vorrangigen Netzanschluss, wodurch sie gegenüber den anderen Marktteilnehmern

96 Chemikaliengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. 08. 2013 (BGBl.  I. S. 3498, 3991), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 28. 04. 2020 (BGBl. I. S. 960) geändert worden ist. 97 Chemikalien-Verbotsverordnung vom 20. 01. 2017 (BGBl. I. S. 94; 2018 I S. 1389), die zuletzt durch Art. 5 des Gesetzes vom 18. 07. 2017 (BGBl. I. S. 2774) geändert worden ist. 98 Scholz, in: Säcker, Energierecht, Band 6, § 8 EEG 2017 Rn. 6.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

privilegiert werden.99 Die Marktintegration von EE-Anlagen wird nochmals verstärkt durch die in § 11 EEG 2021 verankerte Pflicht der Netzbetreiber, den gesamten angebotenen Strom aus erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Der Netzbetreiber kann somit die Abnahme nicht unter Berufung auf eine Auslastung des Netzes aufgrund anderweitig eingespeisten, konventionell erzeugten Stroms verweigern.100 Mit den Regelungen im EEG nutzt der Gesetzgeber Mittel des Zivilrechts, um die Markteinführung von Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern und umweltverträglichen Technologien einen erleichterten Marktzutritt zu ermöglichen.101 Die Steuerung liegt somit darin, Strom mit „grünen Eigenschaften“, sogenannten Grünstrom, gegenüber Strom aus konventionellen Anlagen zu privilegieren, um die Ziele der Energiewende zu erreichen.102 b) Indirekte Eigenschaftsteuerung Im Gegensatz zu der direkten Eigenschaftssteuerung, die explizit den Marktzutritt von namentlich bezeichneten Produkten regelt, bezieht sich die indirekte Eigenschaftssteuerung auf allgemeine Beschaffenheitskriterien, die die Produkte erfüllen müssen, wenn sie Zutritt zum Markt erhalten wollen. Typisch für diese Steuerungsmethode ist ein Kriterienkatalog, welcher allgemeingültige Anforderungen bzw. Qualitätsstandards hinsichtlich der Produkteigenschaften festlegt, ohne dabei Regelungen für namentlich bezeichnete Produkte zu enthalten. Bei der indirekten Eigenschaftssteuerung werden somit Maßstäbe aufgezählt, die eine Vielzahl von Produkten betreffen können. Diese Steuerungsmethode findet insbesondere im Rahmen der Normierung von erwünschten Eigenschaften Anwendung und kann der Einführung von Mindeststandards dienen. Als Beispiel für die indirekte Eigenschaftssteuerung lassen sich die auf der Ökodesign-Richtlinie (Ökodesign-RL)103 basierenden produktgruppenspezifischen 99

Cosack, in: Frenz, et al., EEG, § 8 EEG Rn. 14 f.; Scholz, in: Säcker, Energierecht, Band 6, § 8 EEG 2017 Rn. 17. 100 BT-Drs. 16/8148, S. 43. Vergleiche zur Neuordnung des Vorrangs erneuerbarer Energien im Energie-Winterpaket der EU-Kommission ausführlich Mai, RdE 10–11/2019, 449–455, sowie Kahles / Kahl / Pause, Die Vorschläge zur Neuregelung des Vorrangs erneuerbarer Energien im Energie-Winterpaket der Europäischen Kommission, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 5. 101 Vergleiche noch zum EEG 2014, das jedoch inhaltsgleich mit § 8 und § 11 EEG 2021 ist Altrock, in: Altrock / Oschmann / T heobald, EEG, § 5 EEG 2014 Rn. 13 f. und § 8 EEG 2014 Rn. 4. 102 Müller, dms 12/2019, 382–399 (387 f.). 103 Richtlinie 2009/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 10. 2009 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte, ABl. 2009, Nr. L 285/10. Ziel der Ökodesign-RL ist gemäß Erwägungsgrund (14) die Steigerung der Energieeffizienz zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Als Rahmenrichtlinie gibt sie selbst keine detail-

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

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Durchführungsmaßnahmen104 nennen.105 Diese enthalten konkrete energetische Anforderungen an energieverbrauchsrelevante Produkte. Damit die in den Durchführungsmaßnahmen erfassten Güter in den Verkehr gebracht und / oder in Betrieb genommen werden dürfen, müssen sie die entsprechenden Anforderungen erfüllen.106 Unter anderem ist die Gestaltung von Haushaltslampen mit ungebündeltem Licht in einer Durchführungsmaßnahme  – Verordnung (EG) Nr. 244/2009 der Kommission107  – geregelt, welche detaillierte Mindesteffizienz- bzw. Höchst­ verbrauchsstandards an Haushaltslampen enthält.108 Durch die technischen Vorgaben bezüglich des Lampenwirkungsgrads und der Betriebseigenschaften von Lampen sollen ineffiziente Leuchtmittel vom Markt verdrängt werden.109 Anstelle von namentlich benannten Produkten, die nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen, wurden stattdessen durch die Verordnung im Wege der indirekten Produkteigenschaftssteuerung allgemeingültige Anforderungen bzw. Qualitätsstandards (insbesondere der Energieeffizienz) festlegt. Diese Maßnahme führte zu ihrer intendierten Wirkung, da herkömmliche Glühbirnen die festgelegten Mindeststandards hinsichtlich der Energieeffizienz nicht erfüllen konnten und daher zunehmend vom Markt verschwanden.110 Im Gegensatz zu einer direkten Produkteigenschaftssteuerung wurden die herkömmlichen Glühbirnen jedoch nicht explizit verboten. Dies zeigt, dass nicht nur mittels direkter Regelungen, sondern auch indirekt durch Mindestanforderungen erreicht werden kann, dass der Marktzutritt von energieeffizienten Produkten begünstigt und zugleich ein Marktausschluss für Produkte mit einem hohen Energieverbrauch erreicht wird.

lierten Regelungen hinsichtlich der Produkteigenschaften vor, sondern enthält vielmehr die Rahmenbedingungen für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte, Jesse, Instrumentenverbund als Rechtsproblem am Beispiel effizienter Energienutzung, S. 20­. 104 Durchführungsmaßnahmen sind gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 3 Öko­ design-RL auf der Grundlage dieser Richtlinie erlassene Maßnahmen  – in der Regel EUVerordnungen – zur Festlegung der Ökodesign-Anforderungen für bestimmte Produkte oder zu bestimmten Umweltaspekten. Die Rahmenvorgaben für die produktgruppenspezifischen Durchführungsmaßnahmen und die freiwilligen Selbstregulierungsmaßnahmen der Industrie finden sich in Art. 15 Ökodesign-RL. Vergleiche ausführlich zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen Tölle, Der Rechtsrahmen für den Erlass von Ökodesign-Anforderungen, S. 73 ff. 105 Unter Verwendung einer anderen Terminologie Jänicke / Lindemann, in: Eifert / Hoffmann-Riem, Innovationsfördernde Regulierung, S. 171–195 (182). 106 Vergleiche Art. 1 Abs. 2 S. 1 Ökodesign-RL; Alt, Ökodesign und Kreislaufwirtschaft, S. 67. 107 Verordnung (EG) Nr. 244/2009 der Kommission vom 18. 03. 2009 zur Durchführung der Richtlinie 2005/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Haushaltlampen mit ungebündeltem Licht, ABl. 2009, Nr. L 76/3. 108 Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 429 f. 109 Wüstemann, Die Vorgaben der Europäischen Union im Bereich der Energieeffizienz, S. 135. 110 Jesse, Instrumentenverbund als Rechtsproblem am Beispiel effizienter Energienutzung, S. 21.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

2. Akteurssteuernde Marktzutrittsregeln Marktzutrittsregeln können nicht nur den Marktzutritt von Produkten steuern, sondern auch die Zusammensetzung der Marktakteure betreffen. Im Rahmen akteurssteuernder Marktzutrittsregeln werden personenbezogene Anforderungen festgelegt, deren Erfüllung die Voraussetzung für eine Marktteilnahme ist. Erfüllen die interessierten Marktteilnehmer diese Kriterien nicht, so bleibt ihnen der Marktzutritt verwehrt. Oftmals, aber nicht zwingend, beziehen sich die personenbezogenen Anforderungen auf die Zuverlässigkeit oder Qualifikation der potenziellen Marktteilnehmer. Durch die akteurssteuernden Marktzutrittsregeln soll folglich die Akteursstruktur eines Markts gelenkt werden. Von diesem regulatorischen Steuerungsinstrument wird insbesondere dann Gebrauch gemacht, wenn die Ziele des Staates (zum Beispiel Gesundheitsschutz, Verbraucherschutz, Gefahrenabwehr) nur durch einen beschränkten Marktzutritt erreicht werden können. Je nach Konstellation erfordern auch die grundrechtlichen Schutzpflichten eine staatlich geregelte Beschränkung des Marktzutritts. Akteurssteuernde Marktzutrittsregeln können in positiver Dimension auch dazu dienen, die Akteursvielfalt auf bestimmten Märkten zu steigern, indem sie für bestimmte Akteure privilegierend gestaltet werden und somit der Marktzutritt für gewisse Marktteilnehmer erleichtert wird. Als Beispiel für akteurssteuernde Marktzutrittsregeln kann die behördliche Genehmigungspflicht bestimmter Gewerbe nach der GewO genannt werden. Auch wenn der Grundsatz der Gewerbefreiheit gilt, wird in den gesetzlich abschließend aufgezählten Fällen die Ausübung eines bestimmten stehenden Gewerbes im Interesse eines Schutzes wichtiger Gemeinwohlbelange ausnahmsweise vom Vorliegen einer Genehmigung abhängig gemacht.111 Diese in §§ 30–34c GewO verankerte Marktzutrittsregel stellt eine Personalkonzession dar, da die Erlaubnis an die Person des Bewerbers gebunden ist und dieser bestimmte Anforderungen erfüllen muss wie beispielsweise Zuverlässigkeit, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Sachkunde.112 Durch dieses präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt soll sichergestellt werden, dass potenzielle Gefahren, die von den erfassten stehenden Gewerben ausgehen, durch die Festlegung von personenbezogenen Anforderungen an die Gewerbetreibenden verringert werden.113 3. Mengensteuernde Marktzutrittsregeln Marktzutrittsregeln können zudem eine regulatorische Mengensteuerung be­ zwecken. Diese bezieht sich auf die numerische Anzahl von Produkten oder Akteuren auf dem Markt, stellt jedoch – in ihrer Reinform – keine Anforderungen hinsichtlich der Eigenschaften der Güter oder Marktteilnehmer auf. Die Mengen 111

Ehlers, in: Ehlers / Fehling / P ünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 1, § 18 Rn. 43. Arndt / Fetzer, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 245. 113 Arndt / Fetzer, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 244. 112

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

123

steuerung kann einerseits als Kontingent ausgeprägt sein, das heißt, dass nur eine gewisse Maximalanzahl von Produkten bzw. Akteuren am Markt zugelassen wird und allen anderen der Marktzutritt verwehrt wird. Andererseits kann die Mengensteuerung auch so gestaltet werden, dass ein gewisser Mindestmarktanteil aus bestimmten Waren oder Akteuren vorliegen muss. In dieser Dimension geht es somit nicht um einen Marktausschluss, sondern um die Ermöglichung des Marktzutritts. Die mengenbezogenen Ausbauziele des EEG 2017 stellen ein Beispiel für eine Marktzutrittsregel zur Steuerung einer Produktmenge dar. Gemäß dem bisher geltenden § 1 Abs. 2 EEG 2017 soll der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 40 bis 45 % bis zum Jahr 2025, auf 55 bis 60 % bis zum Jahr 2035 und auf mindestens 80 % bis zum Jahr 2050 gesteigert werden.114 Das Gesetz statuiert mit diesen prozentual zu bestimmenden Ausbaukorridoren für die Jahre 2025 und 2035 sowohl Unter- als auch Obergrenzen für den Ausbau erneuerbarer Energien.115 Durch die Abkehr von den Mindestausbauzielen, welche bis zum EEG 2012 den Ausbaupfad regelten, sollen die Kosten für die Förderung der erneuerbaren Energien kontrollierbar werden.116 Für das Jahr 2050 hingegen ist die Zielvorgabe von „mindestens 80 %“ weiterhin als quantitatives Mindestziel formuliert.117 Diese mengenbezogene Steuerung des Ausbaus von EE-Anlagen dient gemäß § 1 Abs. 1 EEG 2017 dem Klima- und Umweltschutz, wobei durch die zeitgleiche Festlegung von Obergrenzen eine Synchronisation des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau ermöglicht werden soll.118 Die Einhaltung der unverbindlichen Zielvorgaben des § 1 Abs. 2 EEG 2017 soll durch den sogenannten „atmenden Deckel“ in Form der Degression der Fördersätze gemäß § 46a Abs. 2–4 EEG 2017 erreicht werden.119 Der Ausbaupfad für EE-Anlagen kann aufgrund seiner mengensteuernden Funktion folglich als Beispiel im Rahmen der Systematisierung herangezogen werden. Nicht der Mengensteuerung dienen hingegen die EEG- und KWKG-Ausschreibungen gemäß §§ 19 ff.  EEG 2017 und §§ 5 ff. KWKG, da ein entsprechender Zuschlag in der Ausschreibung allein über das Bestehen eines Zahlungsanspruchs nach dem EEG bzw. KWKG entscheidet.120 Erhält ein Betreiber von EE- oder KWK-Anlagen keinen Zuschlag, so kann er bei Vorliegen einer Genehmigung nach dem BImSchG121 auch ohne

114 Das EEG 2021 sieht davon abweichend eine Steigerung des Anteils des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 65 % im Jahr 2030 und Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 vor, § 1 Abs. 2 und 3 EEG 2021. 115 Mohr, in: Säcker, Energierecht, Band 6, § 1 EEG 2017 Rn. 127. 116 Kreuter-Kirchhof, NVwZ 21/2015, 1480–1486 (1481). 117 BR-Drs. 157/14, S. 154. 118 Mohr, in: Säcker, Energierecht, Band 6, § 1 EEG 2017 Rn. 129. 119 BT-Drs. 18/8860, S. 229. 120 Henning / Ekardt, in: Frenz, et al., EEG, EEG Vor §§ 19 ff. Rn. 1. 121 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. 05. 2013 (BGBl.  I. S. 1274), das zuletzt durch Artikel  2 Absatz  1 des Gesetzes vom 09. 12. 2020 (BGBl. I. S. 2873) geändert worden ist.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

entsprechende Förderung die Anlage bauen.122 Der Bau von EE- und KWK-Anlagen ist somit nicht auf den Kreis der bezuschlagten Betreiber begrenzt, weshalb keine unmittelbare Mengensteuerung durch die entsprechenden Ausschreibungsverfahren vorliegt. Auch die Beschränkung der Ausschreibungsvolumina für die EE-Auktionen gemäß § 28 EEG 2017 stellt keine Marktzutrittsregel im Sinne dieser Arbeit dar. Obwohl diese grundsätzlich der direkten Mengensteuerung des Ausbaus erneuerbarer Energien dient,123 verkörpert § 28 EEG 2017 keine Regelung des Marktzutritts. Ziel der Begrenzung der Ausschreibungsvolumina ist die Limitierung der installierten Leistung, welche eine Förderung nach dem EEG erhält. Dennoch bleibt es Anlagenbetreibern unbenommen, am Stromerzeugungsmarkt teilzunehmen und ihre Anlage auch ohne EEG-Förderung zu betreiben. Der Marktzutritt wird ihnen somit durch § 28 EEG 2017 nicht verwehrt.124

III. Das Präqualifikationsverfahren als Beispiel für eine Marktzutrittsregel Auch für den Regelreservemarkt bestehen Marktzutrittsregeln, da eine Marktteilnahme nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Zutritt zum Regelreservemarkt haben nur diejenigen Regelreserveanbieter, die im Vorfeld mit ihren technischen Einheiten erfolgreich am Präqualifikationsverfahren125 teilgenommen haben und dessen entsprechenden Komponenten erfüllen.126 Durch die Marktzutrittsregeln des Regelreservemarkts soll zugunsten der Versorgungssicherheit gewährleistet werden, dass nur solche Anlagen Regelreserve erbringen, die die technischen Fähigkeiten für die erforderliche Reaktionszeit aufweisen.127 Wie beschrieben stellt das Präqualifikationsverfahren eine Art technische Leistungsprüfung für den Marktzutritt dar.128 Hier wird die Erfüllung der technischen Anforderungen durch die Anlagen, die zur Bereitstellung von Regelreserve eingesetzt werden sollen, getestet.129 Dabei ist insbesondere relevant, ob diese innerhalb der vorgeschriebenen Zeit auf ein Signal reagieren können und entsprechend der Reaktionszeit der betroffenen Produktqualität130 aktivierbar sind. Nur Anlagen, die sekunden- bzw. minutenschnell ihre Fahrweise ändern können, erhalten Zutritt 122

Vergleiche zum Neubau von EE-Anlagen ohne Förderung Hilpert, Rechtliche Bewertung von Power Purchase Agreements (PPAs) mit erneuerbaren Energien, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 12, S. 7. 123 Schneider, in: Eifert / Hoffmann-Riem, Innovationsfördernde Regulierung, S. 257 (261). 124 Vergleiche zum Ausschreibungsvolumen des EEG 2017 unter anderem Leutritz / Herms / ​ Richter, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 210 ff. 125 Vergleiche hierzu Teil 2 A. I. 126 Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (248). 127 Lüdtke-Handjery, in: Danner / Kühling, EnWG, § 6 StromNZV Rn. 3. 128 Vergleiche zum Präqualifikationsverfahren Teil 2 A. I. 129 Ohms, Recht der Erneuerbaren Energien, Rn. 947. 130 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

125

zum Regelreservemarkt.131 Zudem wird im Präqualifikationsverfahren die grundsätzliche Erfüllung der Mindestangebotsmenge der Anlagen überprüft, also ob die Kapazität der Anlage die festgesetzte Mindestmenge an angebotener Regelreserve erreicht.132 Diese beträgt für Angebote der Frequenzhaltungsreserve FCR 1 MW,133 für Angebote der manuellen und der automatischen Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR und mFRR grundsätzlich zwar 5 MW, hiervon abweichend genügt jedoch in Ausnahmefällen auch eine Mindestangebotsmenge von 1 MW.134 Bei einer Unterschreitung dieser Menge ist eine Teilnahme am Regelreservemarkt nicht möglich.135 Im Rahmen des Präqualifikationsverfahrens müssen die Anlagenbetreiber gemäß Kapitel 4 der Präqualifikationsbedingungen ebenfalls nachweisen, dass sie die Anforderungen an die Informationstechnik sowie die Aufzeichnung von Daten erfüllen. Auch das kann die Akteure mangels Realisierbarkeit und / oder Wirtschaftlichkeit des Einbaus einer entsprechenden Informations- und Kommunikationstechnologie an einem Markzutritt hindern. Zudem müssen die Regelreserveanbieter eine ordnungsgemäße Erbringung der Regelreserve unter betrieblichen Bedingungen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewährleisten.136

131

Pritzsche / Vacha, Energierecht, § 4 Rn. 255 f. Die Frequenzhaltungsreserve FCR erfordert eine Reaktionszeit von maximal 30 Sekunden, die Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung aFRR von maximal 5 Minuten und Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung mFRR von maximal 15 Minuten, vergleiche Teil 1 D. 132 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreserveanbieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.6; 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020, § 4 Abs. 3 lit. f). 133 Art. 6 Abs. 1 Vorschlag der ÜNB für die Erstellung gemeinsamer harmonisierter Bestimmungen und Verfahren für den Austausch und die Beschaffung von Regelleistung (Frequenzhaltungsreserven – FCR) gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem in der geänderten Version vom 18. 10. 2018, der am 13. 12. 2018 mit dem Beschluss BK6-18-006 von der Bundesnetzagentur genehmigt wurde. 134 Ausnahmsweise ist eine Angebotsgröße von 1 MW, 2 MW, 3 MW oder 4 MW unter der Maßgabe zulässig, dass ein Anbieter von aFRR bzw. mFRR nur ein einziges Angebot je Produkt­ zeitscheibe der positiven bzw. negativen aFRR bzw. mFRR in der jeweiligen Regelzone abgibt. Vergleiche für aFRR: Art. 2 Abs. 6 Gemeinsame harmonisierte Bestimmungen und Verfahren für die Beschaffung und den Austausch von Regelleistung aus Frequenzwiederherstellungsreserven mit automatischer Aktivierung zwischen Deutschland und Österreich nach Art. 5 Abs. 3 lit. b, o, Art. 33 und Art. 58 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, die von der Bundesnetzagentur mit Beschluss BK6-18-064 vom 18. 12. 2018 genehmigt wurden. Vergleiche für mFRR: BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, Tenorziffer 5. 135 Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, S. 19. 136 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.9.

126

Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Die spezifischen Regelungen bezüglich des Marktzutritts zum Regelreservemarkt lassen sich in die allgemeine Systematik der Marktzutrittsregeln einordnen, da auch hierbei auf Steuerungsmethoden zurückgegriffen wird. Eine Produkteigenschaftssteuerung wird mit den Vorschriften des Präqualifikationsverfahrens nicht verfolgt. Das gegenständliche Produkt des Regelreservemarkts ist die vorgehaltene und situativ eingesetzte Regelreserve, mithin Strom. Anforderungen hinsichtlich dessen Eigenschaften werden im Präqualifikationsverfahren nicht festgeschrieben, da keine Eigenschaften der Elektrizität wie beispielsweise die Regionalität oder die Grünstromeigenschaft vorgeben werden. So ist es trotz des Ziels, mehr EE-Anlagen in den Regelreservemarkt zu integrieren, für die Regelreserveanbieter nicht erforderlich, beispielsweise einen gewissen Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien – sogenannten Grünstrom – einzuspeisen. Mangels unmittelbarer Differenzierung der Eigenschaften des eingespeisten Stroms im Präqualifikationsverfahrens findet keine Produktsteuerung statt. Demgegenüber kann jedoch im Rahmen des Präqualifikationsverfahrens eine Akteurssteuerung verzeichnet werden. Diese Steuerungsmethode findet sogar in zweifacher Hinsicht Anwendung: einmal im Hinblick auf die persönlichen Eigenschaften der Regelreserveanbieter und einmal hinsichtlich ihrer im Portfolio angebotenen Anlagen. Zum einen wird im Rahmen des Präqualifikationsverfahrens die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Regelreserveanbieter sichergestellt.137 Somit bezweckt das Präqualifikationsverfahren eine Akteurssteuerung, da durch diese wirtschaftliche Prüfung nur diejenigen Anlagenbetreiber Zutritt zum Regelreservemarkt haben, welche bestimmte Eigenschaften erfüllen. Zum anderen wird eine Diversifizierung der Anbieterstruktur angestrebt. Hierzu werden im Rahmen der Fortentwicklung der Präqualifikationsbedingungen regulatorische Hürden für den Marktzutritt gewisser Akteure abgebaut. Dadurch sollen zukünftig nicht nur – wie bisher – überwiegend Betreiber von Stromerzeugungsanlagen als Regelreserveanbieter auftreten, sondern es soll weiteren Akteuren wie beispielsweise Betreibern von Speichern, Power-to-Heat-Anlagen,138 aber auch (großindustriellen) Verbrauchern der Weg in den Markt geebnet werden. Die Präqualifikationsbedingungen stellen hierbei grundsätzlich einheitliche Anforderungen für alle Technologien und Anbieter auf und adressieren nicht den Marktzutritt / -ausschluss spezifischer Technologien und Akteure. Beispielhaft kann die kontinuierliche Herabsenkung der Mindestangebotsmenge auf zuletzt 5 bzw. 1 MW bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen aufgezählt werden, die zwar für alle Regelreserve 137

50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 1.9. 138 Eine Power-to-Heat-Anlage wandelt elektrischen Strom in Wärme um. Die Nutzung solcher Anlagen ist insbesondere dann interessant, wenn aus Stromüberschüssen Wärme erzeugt wird und somit eine Abregelung Erneuerbarer-Energien-Anlagen vermieden wird. Vergleiche zu den Grundlagen von Power-to-Heat ausführlich Eller, Integration erneuerbarer Energien mit Power-to-Heat in Deutschland, S. 7 ff.

B. Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln

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anbieter einheitlich gilt, jedoch speziell kleineren Anlagenbetreibern den Zutritt zum Regelreservemarkt ermöglichen soll. Durch die gewählte Gestaltung des Präqualifikationsverfahrens wird Art. 6 Abs. 1 lit. c) der EltVO Rechnung getragen, der fordert, dass der Präqualifikationsprozess so organisiert sein muss, dass „allen Marktteilnehmern, auch denjenigen, die aus Elektrizität aus fluktuierender [sic] erneuerbaren Energiequellen sowie Laststeuerung und Speicherung anbieten, entweder einzeln oder durch Aggregierung [ein] diskriminierungsfreier Zugang gewährt wird“. Die Sonderregelungen, die für die Präqualifikation von Windenergieanlagen und Speichern139 gelten, werden deren technischen Spezifika gerecht und erleichtern Anbietern mit diesen Technologien letztendlich den Marktzutritt. Das Ziel der Steigerung der Akteursvielfalt auf dem Regelreservemarkt sowie die energie- und umweltpolitischen Ziele führen somit zu einer regulatorischen Steuerung der Struktur der Anbieter und deren Portfolio. Mengensteuernde Marktzutrittsregeln finden im Regelreservemarkt keine Anwendung, da das Präqualifikationsverfahren allen interessierten Anlagenbetreibern offensteht und es keine Beschränkung hinsichtlich der Anzahl der präqualifizierten Anlagenbetreiber gibt. Auch die Deckelung des Bedarfs des Ausschreibungsvolumens stellt keine mengensteuernde Marktzutrittsregel dar, da diese ohne Einfluss auf die Anzahl der Präqualifizierungen erfolgt und damit der Marktzutritt nicht beeinträchtigt wird. Vielmehr ist das Ausschreibungsvolumen erst nach dem erfolgreichen Marktzutritt im Ausschreibungsverfahren relevant, da aus dem Kreis der bereits zugelassenen Marktteilnehmer diejenigen mit dem preisgünstigsten Angebot zur Deckung des Bedarfs ermittelt werden. Zudem stellt die Mindestangebotsmenge bei Gebotsabgabe keine mengensteuernde Marktzutrittsregel dar. Hierdurch wird vorgegeben, dass die Regelreserveanbieter mindestens einen in MW angegebenen Wert als Regelreserve im Ausschreibungsverfahren anbieten müssen. Die Mindestangebotsmenge ist somit als technische Voraussetzung im Präqualifikationsverfahren zu verstehen, eine quantitative Auswirkung auf die Anzahl der am Markt vertretenen Marktteilnehmer folgt hieraus jedoch nicht. Im Ergebnis stellt das Präqualifikationsverfahren somit eine Marktzutrittsregel zur Akteurssteuerung dar.

IV. Ergebnis: Das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln Eine Marktzutrittsregel liegt vor, wenn ein Steuerungssubjekt mittels regulatorischer Maßnahmen in den Markt eingreift, um bestimmten Akteuren oder Produkten den Marktzutritt zu ermöglichen oder aber auch zu verwehren. In anderen Worten: es geht es um Regelungen dafür, welche Akteure bzw. Produkte Zutritt 139 Vergleiche zu den Sonderregelungen für Windenergieanlagen und Anlagen mit begrenztem Energiespeicher im Rahmen der Präqualifikation Teil 2 B.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

zu einem Markt haben sollen und welche nicht; sie betreffen also das „Ob“ der Teilnahme am Markt. Zudem kann auf die Menge von Produkten und Akteuren lenkend Einfluss genommen werden. Marktzutrittsregeln können in positiver als auch negativer Dimension vorliegen, nämlich in Form von marktzutrittssichernden Regelungen, aber auch in Form von Beschränkungen oder eines gänzlichen Marktausschlusses. Eine Untersuchung der bestehenden Marktzutrittsregeln hat gezeigt, dass sich diese – unabhängig von ihrem Steuerungsziel – in produkteigenschaftssteuernde, akteurssteuernde und mengensteuernde Regelungen unterteilen lassen. Marktzutrittsregeln zur Produktsteuerung verfolgen das Ziel, dass nur Produkte mit einer bestimmten Eigenschaft an dem entsprechenden Markt teilnehmen dürfen, während Marktzutrittsregeln zur Akteurssteuerung dementsprechend Regelungen zum Zugang von Akteuren mit bestimmten Eigenschaften betreffen. Mengensteuernde Marktzutrittsregeln hingegen beziehen sich auf die numerische Anzahl von Produkten oder Akteuren auf dem Markt, stellen jedoch keine Anforderungen hinsichtlich der Eigenschaften der Güter oder Marktteilnehmer auf. Eine kumulative Anwendung der drei Steuerungsmethoden ist möglich. Im Regelreservemarkt finden sich akteurssteuernde Marktzutrittsregeln in Form des Präqualifikationsverfahrens wieder: Nur Regelreserveanbieter, die im Vorfeld einen Nachweis sowohl über die technischen Fähigkeiten ihrer Anlagen als auch über ihre wirtschaftliche Eignung erbracht haben, dürfen am Regelreservemarkt teilnehmen und Gebote abgeben.140

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen Im Anschluss an die Untersuchung des Steuerungsinstruments der Marktzutritts­ regeln sollen nun die Marktmodalitätenbestimmungen analysiert werden. Marktmodalitätenbestimmungen dienen der Steuerung der Rahmenbedingungen eines bestimmten Markts und setzen für diejenigen Produkte und Akteure Regeln fest, die einen Zugang zum Markt haben. Wie unter C. III. gezeigt wird, werden die Modalitäten des Regelreservemarkts durch die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen vorgegeben, da diese detaillierte Regelungen unter anderem zum Angebotsverhalten, zur Dauer, Menge und Art der Regelreserveerbringung sowie zur Kommunikationstechnik umfassen. Wie auch bei den Marktzutrittsregeln gilt, dass die regulatorische Vorgabe von Marktmodalitäten nicht nur auf den Regelreservemarkt beschränkt ist. Vielmehr wird eine Vielzahl von Märkten durch Marktmodalitätenbestimmungen geprägt und gelenkt. Daher wird im Folgenden – analog zu den Marktzutrittsregeln – das 140

Vergleiche ausführlich zum Präqualifikationsverfahren Teil 2 A. I.

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

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Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen zunächst rechtsgebietsübergreifend beleuchtet (I.) und anhand der Steuerungsmethode systematisiert (II.). Anschließend werden die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen als Beispiel für Marktmodalitätenbestimmungen untersucht (III.).

I. Marktmodalitätenbestimmungen als Steuerungsinstrumente Wettbewerbliche Märkte beruhen nur teilweise auf spontanen Ordnungen, sondern werden meist mittels rechtlicher Rahmenbedingungen konstituiert.141 In manchen Bereichen erschaffen Gesetze sogar erst den Markt, indem sie dessen Rahmenbedingungen aufspannen.142 Durch die Festlegung von Modalitäten für einen gewissen Markt werden eine marktliche Rahmenordnung und ein Marktdesign vorgegeben, es geht folglich um die institutionelle Ausgestaltung eines bestimmten Markts.143 Hierbei beziehen sich die Regelungen unmittelbar auf die Organisation und / oder das Verhalten der aktuellen oder potenziellen Marktteilnehmer auf den wirtschaftlichen Märkten.144 In anderen Worten gesagt regeln Marktmodalitätenbestimmungen die Art und Weise, wie ein spezifischer Markt gestaltet ist.145 Ziel der Einführung von Modalitätenbestimmungen ist die Schaffung bzw. Erhaltung funktionsfähiger und stabiler Märkte.146 Sie können unter anderem die Art des Rechtsgeschäfts, den Zeitpunkt und Ort der Vertragserfüllung, die preisliche Gestaltung, die Vertragskonditionen, vertragliche Nebenpflichten sowie das Marktverhalten der Akteure untereinander betreffen. Da diese regulatorischen Rahmenbedingungen klassischerweise die wechselseitige Beziehung der Marktteilnehmer beeinflussen sowie Vorgaben für deren wettbewerbliches Verhalten festlegen, stellen die Regelungen einen Eingriff in deren Privatautonomie ein und begrenzen diese.147 Die Abgrenzung von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen kann Schwierigkeiten bereiten, da das Ziehen eindeutiger definitorischer Grenzen nicht immer möglich ist. So können durch Marktmodalitätenbestimmungen die marktlichen Rahmenbedingungen (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) so gestal 141

Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 40. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 39 f. 143 Vergleiche zum Marktdesign der Energiewirtschaft Ströbele / Pfaffenberger / Heuterkes, Energiewirtschaft, S. 94. 144 Fuchs, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. 9–36 (11). 145 So Tschochohei / Zimmermann, in: Tschochohei, Governance und Marktdesign, S. 11–29 (11), ohne dies jedoch explizit als „Marktmodalitätenbestimmung“ zu bezeichnen. 146 So Fuchs, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. 9–36 (12) und Cassel / T homas, Marktdesign: Grenzen des Wissens beachten, Econwatch Policy-Brief, November 2017, ohne dies jedoch explizit als „Marktmodalitätenbestimmung“ zu bezeichnen. 147 Vergleiche zu den Grenzen beim Erlass von Marktmodalitätenbestimmungen Teil 5. 142

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

tet werden, dass eine Marktteilnahme für manche Akteure oder Produkte begünstigt und für andere erschwert wird. Je nach Art der Marktmodalitätenbestimmung können diese dann einer faktischen Marktzutrittsbeschränkung gleichkommen. Während Marktzutrittsregeln – in dem hier festgelegten Sinne – stets final dazu dienen, den Marktzutritt zu regeln, setzen Marktmodalitätenbestimmungen primär die Rahmenbedingungen für die Marktteilnahme von bereits zugelassenen Marktteilnehmern fest, wobei eine faktische Marktzutrittsbeschränkung bzw. -begünstigung als Nebeneffekt auftreten kann. Der Anknüpfungspunkt ist somit jeweils unterschiedlich.148 Da die Funktionsfähigkeit und Stabilität eines Markts maßgeblich von der Gestaltung der Marktmodalitätenbestimmungen beeinflusst wird, ist eine sorgfältige Auswahl des Marktdesigns erforderlich.149 Sichtbar wird der Einfluss des Marktdesigns auf die marktlichen Strukturen unter anderem bei den energiewirtschaftlichen Ausschreibungen. Die Qualität der Ausschreibungsbedingungen hat Einfluss auf die Einführung und Schaffung von Wettbewerb, die Erreichung der politischen Steuerungsziele und nicht zuletzt auf ein rechtssicheres Handeln der beteiligten Marktakteure.150 Für die Leistungsfähigkeit der Ausschreibung ist insofern die gesetzliche Gestaltung der Auktionsbedingungen von besonderer Bedeutung.151 Daher müssen beim Erlass von steuernden Regelungen die Verfahren und Parameter sorgfältig gewählt sowie deren Wirkungsmechanismen prognostiziert werden.152 148

Die Begriffe „Marktzutrittsregel“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“ sowie deren Abgrenzung untereinander mögen an die Keck-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit erinnern, welche seit dem Vertrag von Lissabon in Art. 34 AEUV geregelt ist. Demnach liegt eine rechtfertigungsbedürftige Maßnahme gleicher Wirkung vor, wenn der Eingriff in Form einer produktbezogenen Regel oder in Form von Verkaufsmodalitäten erfolgt, welche den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten stärker als den für inländische Erzeugnisse behindern (EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, ECLI:EU:C:1993:905 – Keck und Mithouard, Rn. 15 f.). Diese ähnlich klingende Terminologie ist jedoch missverständlich, da ihr durch den unterschiedlichen Kontext und Regelungsinhalt eine andere Bedeutung zukommt: Der Begriff „Marktzugang“ im Rahmen der Keck-Rechtsprechung ist im Sinne einer Marktteilnahme zu verstehen und nicht – wie der in der vorliegenden Arbeit verwendete Begriff des Marktzutritts – als Zulassungs- bzw. Genehmigungserfordernis, welches die Eintrittsvoraussetzung für den entsprechenden Markt bildet. Der Begriff der Verkaufsmodalitäten ist enger als der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Marktmodalitäten, da letzterer die Gesamtheit aller Rahmenbedingungen, also auch die produktbezogenen, erfasst. 149 Cassel / T homas, Marktdesign: Grenzen des Wissens beachten, Econwatch Policy-Brief, November 2017. 150 Knauff, NVwZ 21/2017, 1591–1595 (1594); Homann, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. 59–67 (63); Gawel / Purkus / Bruttel, EnWZ 4/2016, 153–159 (153 f.). 151 Knauff, NVwZ 21/2017, 1591–1595 (1594); Gawel / Purkus / Bruttel, EnWZ 4/2016, ­153–159 (153 f.). 152 Homann, in: Körber, Wettbewerbsbeschränkungen auf staatlich gelenkten Märkten, S. 59–67 (63); Maly, Wirtschaft und Umwelt in der Stadtentwicklungspolitik, S. 213. Vergleiche aus technischer Sicht hierzu ebenso Küster / Gärtner / Duerr, EW 9/2015, 52–57.

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

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II. Systematisierung von Marktmodalitätenbestimmungen anhand der Steuerungsmethode Wie bei den Marktzutrittsregeln lassen sich auch Marktmodalitätenbestimmungen rechtsgebietsübergreifend systematisieren. Anknüpfungspunkt der in der vorliegenden Arbeit vorgenommenen Typisierung der Marktmodalitätenbestimmungen ist – vergleichbar mit der Herangehensweise bei den Marktzutrittsregeln – die Steuerungsmethode der jeweiligen regulatorischen Maßnahme. Die Kategorisierung erfolgt somit anhand der Frage, auf welchem Wege und mittels welcher Methode das entsprechende Steuerungsziel (Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Versorgungssicherheit, Gefahrenabwehr etc.) erreicht werden kann. Die Marktmodalitätenbestimmungen, also die Regelungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen eines Markts, lassen sich in produkteigenschaftssteuernde, akteurs­ steuernde und marktverhaltenssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen einteilen. Eine Mengenbeschränkung durch Marktmodalitätenbestimmungen ist nicht möglich, sondern gelingt nur wie unter Teil 3 B. dargestellt mittels Marktzutrittsregeln. Zur Erreichung des Steuerungsziels kann bei Bedarf nicht nur auf eine, sondern kumulativ auf mehrere Steuerungsmethoden zurückgegriffen werden. So bestehen in vielen Märkten allgemeine und marktspezifische Rahmenvorgaben zur Verhaltenssteuerung, während zeitgleich auch die Produkteigenschaften und / oder die Akteursstruktur gesteuert werden. 1. Produkteigenschaftssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen Mittels Marktmodalitätenbestimmungen können Regelungen hinsichtlich der Eigenschaften der auf dem Markt befindlichen Produkte festgelegt werden. Je nachdem, wie die Parameter eines Markts regulatorisch gestaltet sind, hat dies Einfluss auf die Marktteilnahme bestimmter Produkte: Rechtliche Rahmenbedingungen können die Marktteilnahme für gewisse Güter wirtschaftlich attraktiv oder umgekehrt auch wirtschaftlich unattraktiv gestalten und so gezielt auf die Produktstruktur eines Markts einwirken. In Abgrenzung zu den Marktzutrittsregeln stellen die produkteigenschaftssteuernden Marktmodalitätenbestimmungen jedoch kein Zulassungs- oder Genehmigungserfordernis dar, dessen Erfüllung unabdingbare Voraussetzung für eine Marktteilnahme ist. Wie bei den Marktzutrittsregeln lassen sich die produkteigenschaftssteuernden Marktmodalitätenbestimmungen in direkte und indirekte Regelungen aufteilen. Während die direkten produkteigenschaftssteuernden Vorgaben namentlich bezeichnete Produkte adressieren, stellen die indirekten Marktmodalitätenbestimmungen allgemeine, für eine Vielzahl von Gütern geltende Kriterien und Anforderungen hinsichtlich der Produkteigenschaft auf. Als Beispiel für Marktmodalitäten, die mit einem Eingriff in die vertragliche Privatautonomie zugunsten einer Steuerung von Produkteigenschaften verbunden

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

sind, ist die Buchpreisbindung zu nennen. Diese ist in Deutschland im Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG)153 geregelt und legt eine gesetzliche Preisbindung für Bücher beim Verkauf an Letztabnehmer fest. Verlage müssen gemäß § 3 i. V. m. § 5 BuchPrG für die von ihnen verlegten Bücher Preise festsetzen, die beim Verkauf an Letztabnehmer in Deutschland verbindlich eingehalten werden müssen.154 Hintergrund ist, dass Bücher zugleich Wirtschafts- als auch Kulturgüter sind und aufgrund dieser Doppelfunktion einen besonderen Stellenwert einnehmen, der eine gesonderte rechtliche Behandlung erfordert.155 Bücher zeichnen sich durch eine große Nachfrageunsicherheit bei vielen Titeln aus, wodurch die Vorhaltung von Büchern ein unternehmerisches Risiko – insbesondere für kleinere Buchhändler und Verlage – darstellt.156 Durch die Buchpreisbindung können diese Risiken abgefedert werden, so das nicht unumstrittene Argument.157 Die Modalitäten des Bücherverkaufs werden somit hinsichtlich der Preisbildung durch gesetzliche Bestimmungen festgelegt. Diese gesetzliche Rahmenbedingung des Markts für Bücher soll gemäß § 1 BuchPrG den „Erhalt eines breiten Buchangebots“ sichern. Die Buchpreisbindung soll maßgeblich dazu beitragen, dass eine große Vielfalt an Titeln verfügbar ist.158 Die Ziele der gesetzlich festgelegten Preisbindung für Verlagserzeugnisse sind demnach die Absicherung der Titelvielfalt und der Schutz des Pluralismus. Hierdurch sind Bücher verschiedener Gattungen, also Bücher mit unterschiedlichen Produkteigenschaften, am Markt verfügbar.159 Mit der Buchpreisbindung verfolgt der Gesetzgeber somit eine Produkteigenschaftssteuerung.

153

Buchpreisbindungsgesetz vom 02. 09. 2002 (BGBl. I. S. 3448), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 31. 07. 2016 (BGBl. I. S. 1937) geändert worden ist. 154 Feldmann, Die Auslegung des § 5 V Buchpreisbindungsgesetz, S. 77. 155 Lamping / Ludwigs, ZfRV 1999, 51–58 (56). 156 Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000/IX, 558–564 (558); Monopolkommission, Die Buchpreisbindung in einem sich ändernden Marktumfeld, Sondergutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB, 2018, Rn. 193. 157 Monopolkommission, Die Buchpreisbindung in einem sich ändernden Marktumfeld, Sondergutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz  4 GWB, 2018, Rn. 193, wobei sich die Monopolkommission insgesamt gegen eine Buchpreisbindung ausspricht. 158 BT-Drs. 14/9196, S. 8; kritisch hierzu Feldmann, Die Auslegung des § 5 V Buchpreisbindungsgesetz, S. 34 ff. 159 Franzen / Wallenfels / Russ, Buchpreisbindungsgesetz, § 1 Rn. 2; Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000/IX, 558–564 (558). Das (umstrittene) Argument für diese Regelung ist die Mischkalkulation des Buchhandels: Der Buchhändler verdient durch den umsatzträchtigen Verkauf von Bestsellern genügend, um den Verkauf von seltener nachgefragten und ohne Buchpreisbindung teureren Büchern finanzieren zu können, Franzen / Wallenfels / Russ, Buchpreisbindungsgesetz, § 1 Rn. 15. Kritisch betrachtet dieses „Quersubventionierungspotenzial für die Publikation höherwertiger Literatur“ unter anderem Elsenbast, Wirtschaftsdienst 2000/IX, 558–564 (559).

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

133

2. Akteurssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen Ebenso kann durch Marktmodalitätenbestimmungen die Akteursstruktur, also der Grad der pluralistischen Zusammensetzung der Marktteilnehmer, gesteuert werden. Auch wenn die Marktteilnehmer – gegebenenfalls trotz bestehender Marktzutrittsregeln – grundsätzlich Zugang zu einem gewissen Markt haben, können die Marktmodalitätenbestimmungen so ausgestaltet sein, dass der Markt durch diese für die Akteure wirtschaftlich unattraktiv wird. Umgekehrt können steuernde Marktmodalitätenbestimmungen auch so festgelegt werden, dass bestimmten Akteuren gerade dadurch ein sinnvolles wirtschaftliches Handeln ermöglicht und eine Marktteilnahme erleichtert wird. Folglich kann eine gezielte Gestaltung der marktlichen Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Marktteilnehmer entfalten. Die EEG-Ausschreibungen sollen kraft Gesetzes so gestaltet sein, dass „die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erhalten“ bleibt.160 Damit ist eine pluralistische Zusammensetzung der Bieter gemeint, wobei im Rahmen der Akteursvielfalt insbesondere auch kleineren Anbietern und Bürgerenergiegesellschaften Rechnung getragen werden soll.161 Zur Steuerung der Akteursstruktur sowie zur Privilegierung von kleinen Akteuren und Bürgerenergiegesellschaften sieht der Gesetzgeber im Rahmen des EEG-Ausschreibungsdesigns folgende Maßnahmen vor: Durch die Einführung von Bagatellgrenzen für Windenergie-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen werden kleine Anbieter zur Vermeidung eines unangemessenen Bürokratieaufwandes von den Ausschreibungen gemäß § 22 Abs. 2–4 EEG 2021 ausgenommen und sie erhalten stattdessen eine Einspeisevergütung gemäß §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 EEG 2021.162 Darüber hinaus wurde „ein einfaches und transparentes Ausschreibungsdesign gewählt, das auf die Herausforderungen kleinerer Akteure zugeschnitten ist“.163 Zudem erhalten bei Windenergie an Land meist lokal verankerte Bürgerenergiegesellschaften (§ 36g EEG 2021) gezielt regulatorische Erleichterungen.164 Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass diese Akteure schwerer als andere Akteure mit dem Risiko umgehen können, die Kosten für die Vorentwicklung zu tragen, ohne später einen 160

Vergleiche § 2 Abs. 3 S. 2 EEG 2021. Vergleiche zum Begriff der Akteursvielfalt insbesondere Kahl / Kahles / Müller, Anforderungen an den Erhalt der Akteursvielfalt im EEG bei der Umstellung auf Ausschreibungen, Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 9; Gawel, EnWZ 6/2016, 241–242 (242); Mohr, EnWZ 3/2015, 99–105 (100). 162 BT-Drs. 18/8860, S. 4 und 147; Dany, VR 4/2020, 118–127 (118). 163 BT-Drs. 18/8860, S. 4. 164 Schulz, in: Säcker, Energierecht, Band 6, § 36g EEG 2017 Rn. 1 f. Da in allen Ausschreibungsrunden 2017 das Zuschlagsvolumen fast ausschließlich an Bürgerenergiegesellschaften ging, wurden einige Privilegien der Bürgerenergiegesellschaften vorübergehend bis 2020 ausgesetzt (§ 104 Abs. 8 EEG 2017), Schütte / Winkler, ZUR 7–8/2018, 442–445 (443). Vergleiche ausführlich zu den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften und der entsprechenden regulatorischen Entwicklung Teil 3 A. IV. 161

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Zuschlag zu erhalten. Deshalb können Bürgerenergiegesellschaften bereits zu einem früheren Zeitpunkt und nur mit einer geringeren finanziellen Sicherheit an den Ausschreibungen teilnehmen.165 Parallel hierzu initiierte die Bundesregierung spezielle Beratungs- und Unterstützungsangebote für kleinere Akteure.166 Diese Gestaltung der Modalitäten der EEG-Ausschreibung soll durch die spezielle Berücksichtigung der Bedürfnisse kleinere Akteure zum Erhalt der Akteursvielfalt unter gleichzeitiger Wahrung der Kosteneffizienz und des Wettbewerbs beitragen.167 Sie stellt folglich ein Beispiel für akteurssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen dar. 3. Marktverhaltenssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen Durch Marktmodalitätenbestimmungen kann ebenfalls das Verhalten der Marktteilnehmer gesteuert werden. Die Modalitäten eines Markts werden dabei so gestaltet, dass die Marktteilnehmer mittels regulatorischer Vorgaben zu einem bestimmten Marktverhalten verpflichtet bzw. angeregt werden. Somit fordern diese Bestimmungen ein markt- und wettbewerbskonformes Verhalten ein. Es geht also  – im Gegensatz zur Produkteigenschaftssteuerung und Akteurssteuerung – nicht darum, die Rahmenbedingungen eines Markts so zu gestalten, dass bestimmte Produkte und Akteure am Markt (nicht) teilnehmen können, sondern darum, das Verhalten der Marktteilnehmer zugunsten der Steuerungsziele zu beeinflussen. Die Marktteilnehmer sollen nur innerhalb eines gewissen rechtlichen Rahmens wirtschaften (dürfen). In diesem Zusammenhang kann zwischen einer allgemeinen Marktverhaltenssteuerung (a)) und einer marktspezifischen Verhaltenssteuerung (b)) unterschieden werden. a) Allgemeine Marktverhaltenssteuerung Rahmenbedingungen, die unter die allgemeine Marktverhaltenssteuerung fallen, gelten einheitlich für alle oder zumindest für eine Mehrzahl von Märkten. Sie finden somit nicht nur in einem Markt für ein bestimmtes Gut, sondern übergeordnet in allen bzw. vielen Märkten Anwendung. Zum überwiegenden Teil ist diese Form der Marktmodalitätenbestimmungen dem Zivilrecht zuzuordnen, da sie das Verhalten privater Marktakteure untereinander betreffen. Beispiele für Gesetze, die marktübergreifende Rahmenbedingungen für das Verhalten und die gegenseitige Beziehung der Marktakteure vorgeben, sind das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 165

Vergleiche § 36g Abs. 1 und 2 EEG 2017, der jedoch gemäß § 104 Abs. 8 EEG 2017 vorübergehend bis 2020 nicht anzuwenden ist. 166 BT-Drs. 18/8860, S. 4. Vergleiche vertiefend zu den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften Leutritz / Herms / Richter, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 321 ff. 167 Kritisch hierzu Boemke, NVwZ 1–2/2017, 1–7.

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

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(AGG),168 das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)169, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)170 und das Urheberrechtsgesetz (UrhG).171 Auch die die Verbraucher schützenden Vorschriften des BGB (§§ 312 ff.  BGB) sowie die Vorgaben zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) setzen marktübergreifend allgemeine Verhaltensregeln fest. Diese Rahmenbedingungen hinsichtlich gewisser Verhaltensweisen verfolgen unter anderem den Schutz der anderen Marktteilnehmer vor Benachteiligung und Diskriminierung, den Schutz eines unverfälschten Wettbewerbs und / oder den Verbraucherschutz. b) Marktspezifische Verhaltenssteuerung Neben den marktübergreifenden allgemeinen Verhaltensbestimmungen bestehen ebenso Regelungen, die die Rahmenbestimmungen für das Marktverhalten nur für einen spezifischen Markt aufspannen. Um den Besonderheiten des jeweiligen Markts für ein bestimmtes Gut gerecht zu werden, können zusätzlich marktspezifische Rahmenbedingungen festgelegt werden. Marktspezifische Regelungen sind erforderlich, wenn die allgemeinen Bestimmungen der Marktmodalitäten den Eigenheiten des entsprechenden Markts nicht gerecht werden, da diesem beispielsweise eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zukommt oder er spezifischen Marktablauflogistiken oder Strukturbedingungen (wie zum Beispiel natürlichen Monopolen) unterliegt.172 Ein Beispiel für Marktmodalitätenbestimmungen hinsichtlich einer marktspezifischen Verhaltenssteuerung ist das Kapitalmarktrecht, das durch eine Vielzahl von Regelungen das Marktverhalten der Akteure auf dem Kapitalmarkt regelt. So definiert Kümpel das Kapitalmarktrecht als „die Gesamtheit der Normen, Ge 168

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. 08. 2006 (BGBl. I. S. 1897), das zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 03. 04. 2013 (BGBl. I. S. 610) geändert worden ist. Ziel des Gesetzes ist gemäß § 1 AGG, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. 169 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 03. 03. 2010 (BGBl.  I. S. 254), das zuletzt durch Artikel  5 des Gesetzes vom 18. 04. 2019 (BGBl. I. S. 466) geändert worden ist. Dieses Gesetz dient gemäß § 1 UWG „dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“. 170 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 06. 2013 (BGBl. I. S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. 03. 2020 (BGBl. I. S. 674) geändert worden ist. 171 Urheberrechtsgesetz vom 09. 09. 1965 (BGBl. I. S. 1273), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. 11. 2018 (BGBl. I. S. 2014) geändert worden ist. Dieses verfolgt gemäß § 1 UrhG sowie gemäß der Gesetzesbegründung den Schutz des Urhebers, nicht den des Werkes, BTDrs. IV/270, S. 37. 172 Sturm et al., Regulierung und Deregulierung, S. 18.

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Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

schäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden soll“.173 Nationale marktspezifische Rechtsquellen sind neben dem allgemeinen, für alle Märkte geltenden Zivilrecht insbesondere das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)174, das Börsengesetz (BörsG)175 sowie zahlreiche Nebengesetze und Verordnungen zur Kapitalanlage.176 Im Folgenden wird exemplarisch auf die Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes eingegangen, um Marktmodalitätenbestimmungen hinsichtlich einer marktspezifischen Verhaltenssteuerung zu illustrieren. Das Wertpapierhandelsgesetz legt den Wertpapierdienstleistungsunternehmen zielmarktbezogene Organisations- und Verhaltenspflichten auf, um die Regelungsziele „Funktionsschutz des Kapitalmarkts“ und „Anliegerschutz“ zu erreichen.177 Die §§ 63 ff. WpHG sind mit der Abschnittsüberschrift „Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten“ versehen und werden daher in der Literatur teilweise auch als „Wohlverhaltensregeln“ für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bezeichnet.178 So sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 63 Abs. 1 WpHG verpflichtet, Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu erbringen und gemäß Abs. 2 Interessenskonflikte offenzulegen. Zusätzlich werden in § 63 und § 64 WpHG weitere detaillierte Verhaltensregelungen für allgemeine Dienstleistungen im Wertpapierhandel sowie für einzelne Arten von entsprechenden Dienstleistungen vorgeschrieben. § 82 WpHG legt fest, dass alle Vorkehrungen dafür getroffen werden müssen, dass bei der Ausführung der Kundenaufträge für den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten das für die Kunden bestmögliche Ergebnis erzielt wird und die Grundsätze des WpHG eingehalten wurden. Darüber hinaus wird in § 83 WpHG detailliert eine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht bei Anlageberatung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen festgeschrieben, um die Einhaltung der Verhaltenspflichten aus §§ 63 ff. WpHG sowie aus unionsrechtlichen Vorschriften nachweisen zu können. Speziell auf dem Kapitalmarkt sind also eine Vielzahl steuernder Detailregelungen für das Verhalten der dort aktiven Wertpapierdienstleistungsunternehmen – überwiegend zugunsten des Investorenschutzes – festgelegt.

173

Wittig, in: Wittig / Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 1.10. Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09. 09. 1998 (BGBl. I. S. 2708), das zuletzt durch Art. 5 des Gesetzes vom 18. 12. 2018 (BGBl. I. S. 2626) geändert worden ist. 175 Börsengesetz vom 16. 07. 2007 (BGBl. I. S. 1330, 1351), das zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 23. 06. 2017 (BGBl. I. S. 1693) geändert worden ist. 176 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 1 Rn. 30. 177 Frisch, in: Derleder / K nops / Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Band 2, § 54 Rn. 3. 178 Tonner / Krüger, Bankrecht, § 23 Rn. 15. 174

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

137

III. Die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen als Beispiel für Marktmodalitätenbestimmungen Die Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts sind in den Ausschreibungsbedingungen entweder in Form von Festlegungen der Bundesnetzagentur oder von genehmigungsbedürftigen Regelwerken der ÜNB niedergeschrieben.179 Diese Ausschreibungsbedingungen können als Marktmodalitätenbestimmungen aufgefasst werden, denn sie bestimmen die Art und Weise, nach welcher der Regelreservemarkt gestaltet werden soll. Aufgrund der für den Regelreservemarkt geltenden Marktzutrittsregeln in Form des Präqualifikationsverfahrens finden die Marktmodalitätenbestimmungen nur für diejenigen Regelreserveanbieter Anwendung, die bereits durch eine erfolgreiche Präqualifikation Zugang zum Markt erhalten haben. Die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Marktmodalitätenbestimmungen spannen die Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts auf und beziehen sich unter anderem auf die Produktzeitscheiben,180 den Ausschreibungszyklus, die Schließung der jeweiligen Regelreservemärkte, die Methoden zur Preisbildung und die Veröffentlichung von Daten. Hierbei gelten für die drei Produktqualitäten Frequenzhaltungsreserve, automatisch aktivierte und manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve181 jeweils unterschiedliche Ausschreibungsbedingungen mit abweichenden Anforderungen; wobei in jüngster Zeit gezielt eine Harmonisierung der jeweiligen Ausschreibungsbedingungen sowie eine Verzahnung der drei Ausschreibungszyklen erfolgte.182 Durch die Komponenten im Ausschreibungsdesign werden die Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts so gestaltet, dass eine gewisse Steuerung hinsichtlich der Marktstruktur erzielt werden kann: Die sorgfältige Justierung der Ausschreibungsbedingungen soll dazu führen, dass die Marktmodalitäten für alle interessierten Marktteilnehmer diskriminierungsfrei die gleichen Wettbewerbsbedingungen schaffen. Dies zeigt sich auch im Erwägungsgrund (8) der Guideline on Electricity Balancing183, der fordert, dass die Vorschriften zu den Modalitäten für den Systemausgleich so gestaltet werden, dass gleiche Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer geschaffen werden. Die Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts lassen sich wie folgt in die Systematik der Marktmodalitätenbestimmungen einordnen: Es werden die Steuerungsmethoden der Akteurssteuerung und der Marktverhaltenssteuerung angewandt. 179

Vergleiche ausführlich zu den Ausschreibungsbedingungen und den jeweiligen Rechtsakten Teil 2 A. II. Die Urheberschaft der Regelwerke wird vertieft in Teil 4 behandelt. 180 Der Fachbegriff „Produktzeitscheibe“ bezieht sich auf den Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve. Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 181 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 182 Vergleiche Teil 2 A. II. 183 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III.

138

Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Durch die konkrete Gestaltung der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen werden Rahmenbedingungen aufgestellt, welche Regelreserveanbietern mit bestimmten Anlagentypen im Portfolio einen Marktzutritt erleichtern sollen. Durch die gezielte Schaffung von marktzutrittsermöglichenden Rahmenbedingungen für Regelreserveanbieter, die EE-Anlagen, Speicher oder Power-to-Heat-Anlagen184 betreiben bzw. Lasten beziehen185, findet eine Akteurssteuerung statt: Zur Marktöffnung für weitere Regelreserveanbieter und damit einhergehend auch zur Förderung der Technologievielfalt wurden die Ausschreibungsbedingungen mehrmals fortentwickelt. Dies diente zuletzt ebenso dem Ziel einer stärkeren Integration von EE-Anlagen, Speicheranlagen und alternativen Technologien, um eine umweltverträgliche und versorgungssichere Bereitstellung von Regelreserve zu erreichen. So wurde unter anderem zur Erleichterung der Marktteilnahme von Betreibern dargebotsabhängiger EE-Anlagen die Auktionshäufigkeit der Frequenzhaltungsreserve FCR von einer anfänglich monatlichen auf eine wöchentliche und seit 01. 07. 2019 auf eine werktägliche Auktion erhöht. Seit 01. 07. 2020 erfolgt die Durchführung einer kalendertäglichen Ausschreibung. Durch diese stetige Verkürzung des Ausschreibungszyklus können insbesondere Betreiber dargebotsabhängiger EE-Anlagen eine bessere Kapazitätsprognose abgeben, wodurch ihre Marktbetätigung erleichtert wird. Infolge dieser steuernden Gestaltung der Ausschreibungsbedingungen wurde die Marktteilnahme für Betreiber von EE-Anlagen vereinfacht und damit die Technologievielfalt erhöht.186 Durch die Neugestaltung der Rahmenbedingungen wurden vermehrt Wettbewerbsbedingungen geschaffen, die keine regulatorischen Hürden mehr für Regelreserveanbieter mit bestimmten Technologien im Portfolio darstellen, wodurch die wirtschaftliche Attraktivität der Marktteilnahme für Betreiber von bisher unterrepräsentierten Technologien gesteigert wurde. Zudem bewirken die fortentwickelten Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts eine Erweiterung des Akteurskreises auf weitere Branchen. Während bisher meist die klassischen Akteure der Energiewirtschaft wie die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen am Regelreservemarkt teilgenommen haben, sollen mit der Anpassung der Rahmenbedingungen auch neue Anbieter wie beispielsweise Verbraucher angesprochen werden. Durch die Verkürzung der Produktzeitscheiben können beispielsweise großindustrielle Verbraucher nun leichter am Markt teilnehmen, da sie ihre Produktionsprozesse nicht mehr für einen halben Tag zur Vorhaltung von Regelreserve umstellen müssen, sondern lediglich für vier Stunden. Die Auswirkungen der Akteurssteuerung auf dem Regelreservemarkt lassen sich auch 184

Eine Power-to-Heat-Anlage wandelt elektrischen Strom in Wärme um. Die Nutzung solcher Anlagen ist insbesondere dann interessant, wenn aus Stromüberschüssen Wärme erzeugt wird und somit eine Abregelung Erneuerbarer-Energien-Anlagen vermieden wird. Vergleiche zu den Grundlagen von Power-to-Heat ausführlich Eller, Integration erneuerbarer Energien mit Power-to-Heat in Deutschland, S. 7 ff. 185 Zum Beispiel großindustrielle Verbraucher wie Aluminiumhütten. 186 Vergleiche weitergehend zum Einfluss der Rahmenbedingungen auf das Regelleistungspotenzial von fluktuierend einspeisenden EE-Anlagen Fraunhofer IWES, Optimierung der Marktbedingungen für die Regelleistungserbringung durch Erneuerbare Energien.

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

139

an einem weiteren Beispiel aufzeigen. So erschließt derzeit die Automobilbranche neue Geschäftsmodelle mit der Teilnahme am Regelreservemarkt: Hierzu werden die Batterien von Elektrofahrzeugen für die Vorhaltung und den Einsatz von Regelreserve genutzt, wodurch zusätzliche Erlösmöglichkeiten entstehen.187 Die Anpassungen der Ausschreibungsbedingungen an den aktuellen Stand der Technik bezwecken damit insgesamt eine verstärkte Teilnahme von Regelreserveanbietern mit bestimmten Anlagentypen im Portfolio, mithin eine Akteurssteuerung zugunsten der klima- und energiepolitischen Ziele. Neben den beschriebenen Methoden stellen auch Methoden zur Preisbildung eine akteurssteuernde Marktmodalitätenbestimmung dar. In diesem Kontext wird intensiv diskutiert, inwiefern sich einzelne Preisverfahren auf die Akteursstruktur auswirken. So verschiebt sich je nach Anwendung des Grenzpreisverfahrens, des Gebotspreisverfahrens oder des Mischpreisverfahrens mit einer Gewichtung des Regelarbeits- und Regelleistungspreises188 die Zusammensetzung der Regelreserveanbieter.189 Als weitere Steuerungsmethode wird eine regelreservemarktspezifische Verhaltenssteuerung durch die Ausschreibungsbedingungen bewirkt. Zusätzlich zu den allgemeinen Vorgaben bezüglich eines wettbewerbskonformen Verhaltens geben die Ausschreibungsbedingungen spezifische Anforderungen an das Verhalten der Marktteilnehmer auf dem Regelreservemarkt vor. So haben die Regelreserveanbieter beispielsweise nach der Erbringung der Regelarbeit den ÜNB gewisse Daten und Informationen zur Verfügung zu stellen, um eine vertragsgemäße Erfüllung der Erbringungspflicht nachzuweisen.190 Auch die ÜNB treffen Veröffentlichungspflichten für bestimmte Daten auf der gemeinsamen Internetplattform www. regelleistung.net, um im Gegenzug eine Markttransparenz zu gewährleisten.191

187

https://www.iwr.de/news.php?id=35349 (zuletzt aufgerufen am 12. 03. 2019). Auch am Hamburger Hafen sollen nach Umstellung der Schwerlastfahrzeugflotte auf Lithium-IonenBatterien Fahrzeuge, die nachgeladen werden oder sich in Wartepositionen befinden, Regelreserve erbringen, vgl. https://www.next-kraftwerke.de/neues/elektrifizierung-hafenlogistik (zuletzt aufgerufen am 06. 03. 2020). 188 Vergleiche zu den einzelnen Abrechnungsmethoden Teil 1 F. II. 2. a). 189 Vergleiche unter anderem zu den Auswirkungen der Preismethode auf die Akteurs­struktur Next Kraftwerke https://www.next-kraftwerke.de/neues/eilantrag-mischpreisverfahren-regel​ energie-bundesnetzagentur (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020), den Blogeintrag vom 05. 02. 2019 auf https://www.regelleistung-online.de/mischpreisverfahren-und-marktkonzentration-eineanalyse/ (zuletzt aufgerufen am 12. 03. 2019) und Svoboda, et 4/2017, 35–38. Ebenso führt ein zu hoher Gewichtungsfaktor möglicherweise zu einer Diskriminierung von Lasten, die im Rahmen des Demand Side Managements am Regelreservemarkt teilnehmen, EE-Anlagen und KWK-Anlagen, Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 46 f. 190 Vergleiche 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Modalitäten für Regelreserveanbieter gemäß Artikel 18 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, Überarbeitung vom 02. 11. 2020, § 8. 191 Vergleiche zum Beispiel BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 4.

140

Teil 3: Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen 

Eine Produkteigenschaftssteuerung findet im Rahmen der Ausschreibungs­ bedingungen nicht statt. Wie auch bereits unter Teil 3 B. III. erwähnt, bestehen keine bestimmten Anforderungen hinsichtlich der Eigenschaften des von den Regelreserveanbietern vorgehaltenen und bereitgestellten Produkts „Strom“. Eine Differenzierung der Produkteigenschaften beispielsweise anhand der Kriterien der Regionalität oder der Grünstromeigenschaft spielt im Ausschreibungsdesign für Regelreserve keine Rolle, sodass keine diesbezügliche Steuerung erfolgt. Eine Akteurssteuerung auf dem Regelreservemarkt wird unter anderem durch die Verkürzung des Ausschreibungszyklus und der Produktzeitscheiben erreicht, eine Verhaltenssteuerung durch Vorgaben an die Bereitstellung von Daten durch die Regelreserveanbieter. Im Ergebnis stellen die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen somit Marktmodalitätenbestimmungen zur Akteurs- und zugleich Verhaltenssteuerung dar.

IV. Ergebnis: Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen Durch die Bestimmungen der Modalitäten eines gewissen Markts werden eine marktliche Rahmenordnung und ein Marktdesign vorgegeben, es geht folglich um die institutionelle Ausgestaltung eines bestimmten Markts. Verkürzt ausgedrückt regeln Marktmodalitätenbestimmungen die Art und Weise, wie ein spezifischer Markt gestaltet ist. Mittels Marktmodalitätenbestimmungen können die Rahmenbedingungen von Märkten regulatorisch gesteuert werden, insbesondere können auf die Eigenschaften von auf dem Markt befindlichen Produkten und Akteuren Einfluss genommen sowie Regeln für ein marktkonformes Verhalten der Marktteilnehmer festgelegt werden. Die Regelungen beziehen sich also auf die Organisation und / oder das Verhalten von aktuellen oder potenziellen Akteuren auf den wirtschaftlichen Märkten. Die bestehenden Marktmodalitätenbestimmungen, also die Regelungen hinsichtlich der Rahmenbedingungen eines Markts, lassen sich in produkteigenschaftssteuernde, akteurssteuernde und marktverhaltenssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen einteilen. Durch produkteigenschaftssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen werden Vorgaben der rechtlichen Rahmenbedingungen eines Markts im Hinblick auf die Marktteilnahme gewisser Güter aufgespannt. Ebenso kann durch Marktmodalitätenbestimmungen die Akteursstruktur, also der Grad der pluralistischen Zusammensetzung der Marktteilnehmer, gesteuert werden. Durch marktverhaltenssteuernde Marktmodalitätenbestimmungen werden mittels regulatorischer Vorgaben die Marktteilnehmer zu einem bestimmten Marktverhalten verpflichtet bzw. angeregt. Der Regelreservemarkt weist eine Vielzahl von Marktmodalitätenbestimmungen auf. Die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen der Bundesnetzagentur

C. Das Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen

141

und der ÜNB sind als Marktmodalitätenbestimmungen zu qualifizieren, da sie die Rahmenbedingungen und das Marktdesign der Regelreserveausschreibungen festsetzen. Die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Marktmodalitätenbestimmungen konstituieren die Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts und beziehen sich unter anderem auf die Produktzeitscheiben, den Ausschreibungszyklus, die Schließung der jeweiligen Regelreservemärkte, die Methoden zur Preisbildung und die Veröffentlichung von Daten. Die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen dienen damit der Akteurs- und Verhaltenssteuerung.

Teil 4

Normsetzungskompetenz bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Nachdem in Teil  3 die Steuerungsinstrumente „Marktzutrittsregeln“ und „Marktmodalitätenbestimmungen“ eingeführt und systematisiert wurden, widmet sich Teil 4 der Normsetzungskompetenz bezüglich solcher Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen. Regulatorische Steuerungsinstrumente können von unterschiedlichen Steuerungssubjekten erlassen werden: Als Urheber von Normen können hoheitliche Akteure wie der Staat oder die Europäische Union auftreten, indem diese Regelwerke erarbeiten und erlassen. Aber auch private Akteure kommen als Urheber privater Normsetzung in Betracht, entweder im rein gesellschaftlichen Kontext ohne jeglichen staatlichen Bezug oder auch aufgrund gesetzlicher Ermächtigung bzw. Verpflichtung.1 Eine Zwischenrolle nehmen Regelwerke ein, die zunächst von privaten Akteuren erarbeitet und anschließend in einem formellen Gesetzgebungsverfahren verrechtlicht werden.2 In diesem Kapitel soll auf die verschiedenen Steuerungssubjekte eingegangen werden, also diejenigen Akteure, die Steuerungsmaßnahmen erlassen und damit Urheber der regulatorischen Steuerungsinstrumente sind. Hierbei stehen das Verhältnis zwischen hoheitlicher und privater Normsetzung sowie die Unterschiede hinsichtlich Wirkweise und (Rechts-)Folgen im Mittelpunkt. Relevant ist die Untersuchung, ob hoheitliche oder private Regelwerke vorliegen, insbesondere aus zwei Gründen: Zum einen gestalten sich die rechtlichen Grenzen und der Prüfungsmaßstab beim Regelwerkerlass anders, je nachdem ob hoheitliche oder private Akteure handeln.3 Zum anderen stehen gegen hoheitliche oder private Normen jeweils unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung.4 Je nach Marktstruktur, Sachverhalt, gesellschaftlichen Zusammenhängen und Steuerungsziel bieten sich unterschiedliche Gestaltungsweisen hinsichtlich der 1

Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 44. 2 Eine Verrechtlichung privater Regelwerke liegt beispielsweise bei den EU-Netzkodizes vor, welche von privaten Akteuren ausgearbeitet werden und anschließend im sogenannten Komitologieverfahren optional von der Europäischen Kommission verrechtlicht werden können, vergleiche hierzu ausführlich Teil 4 B. II. 2. b). 3 Siehe zu den Grenzen für den Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitäten­ bestimmungen Teil 5. 4 Siehe zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Marktzutrittsregeln und Markt­ modalitätenbestimmungen Teil 6.

143

A. Dimensionen und Grade der Urheberschaft 

Urheberschaft von Regelungen an. Denkbar ist in diesem Zusammenhang die Normsetzung durch hoheitliche und private Steuerungssubjekte. So kann es beispielsweise in einem sehr technisch geprägten Markt angebracht sein, dass der Staat mangels technischer Detailexpertise nicht selbst die Marktzutrittsregeln oder Marktmodalitätenbestimmungen erlässt, sondern diese Aufgabe auf kompetente Dritte überträgt. Diese und weitere Aspekte bezüglich der Dimensionen und Grade der Urheberschaft von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen werden in (A.) adressiert. Unter (B.) erfolgt eine differenzierte Analyse der einzelnen Regulierungsoptionen, wobei die abstrakten Darstellungen jeweils in den Beispielsfall des Regelreservemarkts eingebettet und an diesem konkreten Referenzgebiet veranschaulicht werden.

A. Dimensionen und Grade der Urheberschaft Im Rahmen der Urheberschaft lassen sich verschiedene Grade der hoheitlichen Steuerung erkennen, die auf einer gleitenden Skala typisiert werden können.5 Hierbei wird ersichtlich, dass Normen sowohl rechtlicher als auch nicht-rechtlicher Art sein können.6 Hoheitliche Rechtsakte sind abzugrenzen von Regeln, welche keine absolute, das heißt gegenüber jedermann wirkende, rechtliche Verbindlichkeit besitzen.7

Imperative Regulierung durch Hoheitsträger

Hoheitsträger

Regulierung durch Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbst­ regulierung

Regulierte Selbstregulierung

Private Selbst-­ regulierung

Private

Abbildung 3: Dimensionen der Urheberschaft (eigene Darstellung, basierend auf Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 6)

Die äußeren Pole der Steuerung in Abbildung 3 bilden die sogenannte imperative Regulierung und die private Selbstregulierung. Im Bereich der imperativ-hoheitlichen Regulierung ergreift der Hoheitsträger selbst Maßnahmen im Rahmen der hoheitlichen Erfüllungsverantwortung, wodurch die Steuerungsziele durch un 5

Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). 6 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 37. 7 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 37.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

mittelbares staatliches oder unionsrechtliches Handeln erreicht werden (sollen).8 Klassischerweise handelt der Staat bzw. die Europäische Union durch behördlich durchsetzbare und mit Sanktionen behaftete Ge- und Verbote im Rahmen der Eingriffsverwaltung.9 Doch auch im Bereich der Leistungsverwaltung realisiert sich die hoheitliche Regulierung, indem der Staat bzw. die Europäische Union Leistungen gegenüber den Bürgern erbringt.10 Hoheitliche regulatorische Steuerungsmaßnahmen liegen in der Regel in Form von Gesetzen und Rechtsverordnungen sowie gegebenenfalls in Form von Verwaltungsvorschriften vor.11 Den Gegenpol zur hoheitlichen Regulierung bildet die private Selbstregulierung.12 Diese wird von Schmidt-Preuß definiert als „individuelle oder kollektive Verfolgung von Privatinteressen in Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten zum legitimen Eigennutz“.13 Die private Selbstregulierung grenzt sich von der hoheitlichen Regulierung insbesondere durch die Nichtstaatlichkeit der Handelnden ab, da bei dieser Steuerungsform ausschließlich private Akteure autonom und ohne hoheitliche Einflussnahme tätig sind.14 Durch die privatautonome Gestaltung bestimmen und steuern die Akteure selbst ihr Verhalten.15 Hierbei verfolgen sie in der Regel keinen Gemeinwohlzweck, sondern einen privaten Nutzen.16 Die Privaten können individuell handeln oder sich zu einem Kollektiv wie zum Bei 8 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 23. 9 Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 68; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). Vergleiche zudem exemplarisch für das Umweltrecht Eifert, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 78. 10 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 24. 11 Eifert, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 79 f. 12 Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 316. 13 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (263 f.). 14 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 72; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 372; Sturm et al., Regulierung und Deregulierung, S. 29. Abzugrenzen von der privaten Selbstregulierung ist die Selbstverwaltung, die nicht von diesem Begriff erfasst ist. Hintergrund ist, dass die Selbstverwaltung nach der Rechtsprechung des BVerfG aufgrund ihrer Integration in den Staatsbau der Rechtsaufsicht unterliegt; sie ist daher dem Staat – und nicht wie bei der privaten Selbstregulierung der Gesellschaft – zuzuordnen, weshalb sie auch grundrechtsverpflichtet ist, Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (163 f.); Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 73 f. 15 Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 61; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 7; Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 73. 16 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band  I, § 19 Rn. 146. Jedoch ist die Gemeinwohlverwirklichung kein Monopol des Staates und auch private Einrichtungen können unter diesen Gesichtspunkten handeln, wobei

A. Dimensionen und Grade der Urheberschaft 

145

spiel einem Verband zusammenschließen, das durch eine eigene Regelsetzung verwaltet und gesteuert wird.17 Die Einhaltung der Regelwerke, zu deren Beachtung sich die Beteiligten freiwillig verpflichten, wird eigenverantwortlich und ohne staatliche bzw. unionsrechtliche Intervention überwacht.18 Es besteht somit ein nahezu vollständiger Verzicht auf eine öffentlich-rechtliche Aufsicht.19 Den privaten Regelwerken ermangelt es jedoch aufgrund der Nichtstaatlichkeit ihrer Urheber an allgemeingültiger Rechtsverbindlichkeit.20 Auch wenn sich die private Selbstregulierung durch eine Gestaltungsautonomie auszeichnet, so muss sich das Verhalten und die Regelsetzung der privaten Akteure innerhalb der Vorgaben der allgemeinen Rechtsordnung bewegen.21 Insbesondere sind die Grenzen des Grundgesetzes, insbesondere dessen Ausstrahlungswirkung auch hinsichtlich privater Regelwerke zu berücksichtigen.22 Auf der in Abbildung 3 dargestellten gleitenden Skala bestehen zahlreiche Zwischenformen, wobei eine Abgrenzung nicht immer klar möglich ist.23 Zwei weitere Grundtypen der Steuerung innerhalb der beiden äußeren Pole sind die Regulierung durch den Staat bzw. die Europäische Union unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung sowie die hoheitlich regulierte Selbstregulierung.24 Bei ersterer überwiegt die hoheitliche Regulierung, da der Staat bzw. die Europäische Union weiterhin als „aktive Gestalter (…) des Wettbewerbs“ fungiert, während den privaten Akteuren zugleich Möglichkeiten zur Gestaltung eingeräumt werden.25 Im Rahmen dieser Freiräume können beispielsweise Verbände abstrakt-generelle Regelwerke erlassen.26 Das private Handeln wird hierbei in die hoheitliche Regulierung integriert.27 ihre Dienste von Wirtschaftlichkeitsaspekten geprägt sind, Schmidt-Preuß, ZNER 4/2002, 262–266 (262). 17 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 73. 18 Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 68. 19 Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 317. 20 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (203). 21 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 372; Möslein, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, S. 137–162 (158). 22 BVerfGE 89, 214 (230). 23 Möslein, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, S. 1–27 (12). Vergleiche zu den graduellen Zwischenformen Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 59 ff. 24 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 7; Hoffmann-Riem, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). 25 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 7. Vergleiche für Beispiele der Regulierung durch Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 56 f. 26 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 372. 27 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 57.

146

Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Die Abgrenzung zur regulierten Selbstregulierung erfolgt fließend und lässt sich nicht immer eindeutig vornehmen.28 Dieses Steuerungskonzept zeichnet sich dadurch aus, dass sich der Staat bzw. die Europäische Union aus der Erfüllungsverantwortung (zumindest teilweise) zurückzieht.29 Sie schaffen vielmehr die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Tätigwerden von privaten Akteuren, indem sie unter anderem Ziele formulieren, Optionen aufzeigen und Strukturen schaffen.30 Hierbei bleibt den nichtstaatlichen Akteuren stets Spielraum für eigene Gestaltungsmaßnahmen, die jedoch im Gegensatz zur privaten Selbstregulierung meist nicht freiwillig, sondern verpflichtend ergriffen werden müssen.31

B. Hoheitliche und private Normsetzung beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen In den folgenden Ausführungen wird zunächst die hoheitliche Regulierung thematisiert. Anschließend wird auf den Typus der Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung sowie den Typus der hoheitlich regulierten Selbstregulierung eingegangen. Die private Selbstregulierung wird nicht weiter untersucht, da es bei der vorliegenden Arbeit um die Untersuchung einer regulierten Systemtransformation von Märkten geht, die private Selbstregulierung mangels hoheitlicher Steuerungskompetenz jedoch gerade keiner regulierten Lenkung unterliegt.32 Daher werden im Folgenden allein die hoheitliche Regulierung (I.), die Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung (II.) sowie die regulierte Selbstregulierung (III.) näher beleuchtet.

28

Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (301). 29 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (373). 30 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 75; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (301 f.). 31 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (135); Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 73. Kritisch hierzu Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 70. Vergleiche für Beispiele der regulierten Selbstregulierung Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 57 f. 32 Vergleiche zum Regulierungsbegriff dieser Arbeit Teil 3 A. I.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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I. Imperative Regulierung durch Hoheitsträger Staatliche und unionsrechtliche Akteure können das Wirtschaftsleben durch hoheitliches Handeln beeinflussen, indem sie regulatorische Maßnahmen ergreifen. Bezüglich des Regelreservemarkts ergreift der Staat bzw. die Europäische Union eine Vielzahl von hoheitlichen Maßnahmen zur Steuerung des Marktdesigns der Regelreserve-Ausschreibungen. Der vorliegende Abschnitt ist der hoheitlich-imperativen Regulierung durch den Staat bzw. die Europäische Union gewidmet, er bezieht sich also auf regulatorische Maßnahmen von Hoheitsträgern. 1. Wirtschaftssteuerung durch unmittelbares hoheitliches Handeln Der Staat bzw. die Europäische Union kann unterschiedliche Rechtsformen zur regulatorischen Wirtschaftssteuerung ergreifen, die sich hinsichtlich des Organs, welches die Normen erlässt, und der Rechtswirkung des Regelwerks unterscheiden. a) Formen unionsrechtlicher Normsetzung Hoheitliche Steuerungsmaßnahmen auf europäischer Ebene stellen die Handlungsformen des Art. 288 AEUV dar, welcher Richtlinien, Verordnungen, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen als europäische Rechtsakte vorsieht. Hierbei kommt vor allem Richtlinien und Verordnungen ein besonderes Gewicht zu. Die unionsrechtliche Verordnung stellt eine allgemeine, verbindliche und in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Regelung dar; sie bedarf folglich keines mitgliedstaatlichen Umsetzungsakts zur Entfaltung ihrer Geltung.33 Dementgegen stellt die Richtlinie nicht in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht dar, sondern richtet sich mit der verbindlichen Vorgabe an die Mitgliedstaaten, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.34 Richtlinien legen also ein verbindliches Ziel fest, welches die Mitgliedstaaten jeweils in ihrem nationalen Umsetzungsakt zu realisieren haben.35 Erfolgt die Rechtsetzung durch EU-Agenturen wie beispielsweise die Agentur ACER36, so müssen die in der Meroni-Rechtsprechung des EuGH entwickelten Voraussetzungen zur Wahrung des „institutionellen Gleichgewichts“ eingehalten werden.37 So dürfen bei der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen durch die Kommission auf andere Einrichtungen „keine weiterreichenden Befugnisse über 33

Geismann, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 288 AEUV Rn. 32 ff. 34 Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  288 Rn.  104. 35 Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 23. 36 Vergleiche zur Agentur ACER und zur ACER-VO Teil 2 A. II. 4. 37 Lange, JuS 8/2019, 759–763 (761 f.).

148

Teil 4: Normsetzungskompetenz 

tragen werden […], als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen“.38 Zudem müssen die Ausführungsbefugnisse „genau umgrenzt“ sein und „deren Ausübung von der (übertragenden) […] Behörde in vollem Umfang beaufsichtigt“ werden.39 b) Formen hoheitlicher Normsetzung in Deutschland Das deutsche Rechtsgefüge stellt dem Staat eine Vielzahl unterschiedlicher gesetzlicher Handlungsformen zur Verfügung, die als Rechtsquellen für die Wirt­schaftssteuerung fungieren können.40 Als Rechtsquellen sind insbesondere materielle Gesetze zu betrachten.41 Gesetze im materiellen Sinne sind abstraktgenerelle, also allgemeinverbindliche Rechtssätze, die Pflichten und Rechte für den Bürger oder andere Rechtspersonen begründen, ändern oder aufheben.42 Charakterisierend für materielle Gesetze ist somit, dass sie eine unbestimmte Anzahl von Fällen betreffen und ihre Wirkung gegenüber einem unbestimmten Adressatenkreis entfalten.43 Klassischerweise fallen Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und S ­ atzungen unter den Begriff des materiellen Gesetzes.44 Parlamentsgesetze sind vom Bundestag oder den Länderparlamenten erlassene Regelungen, die allgemeinverbindliche Wirkung entfalten.45 Rechtsverordnungen sind von der Exekutive auf Bundes- oder Landesebene erlassene abstrakt-generelle Rechtsnormen, die auf einer gesetzlichen Rechtsgrundlage basieren.46 Satzungen werden von Selbstverwaltungskörperschaften wie beispielsweise Gebietskörperschaften oder Universitäten zur Regelung

38

EuGH, Rs. 9/56, ECLI:EU:C:1958:7, S. 40 – Meroni; Häde, EuZW 17/2011, 662–665 (663). EuGH, Rs. 9/56, ECLI:EU:C:1958:7, S. 44 – Meroni. 40 Morlok / Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 915. 41 Gemäß dem dualistischen Gesetzesbegriff wird zwischen formellen und materiellen Gesetzen unterschieden. Während der formelle Gesetzesbegriff allein an die Urheberschaft – also das erlassende Organ – anknüpft und formelle Gesetze ausschließlich als solche des parlamentarischen Gesetzgebers betrachtet werden, ist für die Kategorisierung als materielles Gesetz dessen Inhalt maßgeblich, vergleiche Stern, Staatsrecht, Band II, § 37 I 3. Da sich diese Arbeit auf die hoheitliche Normsetzung im Allgemeinen und nicht auf die Normsetzung durch den parlamentarischen Gesetzgeber im Speziellen bezieht, wird vorliegend der materielle Gesetzesbegriff verwendet. 42 Stellvertretend für viele Maurer / Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 4 und Rn. 17; Detterbeck, Öffentliches Recht, § 2 Rn. 18. 43 Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 100 Rn. 11. 44 Vergleiche zur Frage, ob diese Rechtsetzungsformen einem Numerus clausus unterliegen, Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 100 Rn. 44. 45 Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 4 Rn. 10. Eine Ausnahme zur Allgemeinheit der formellen Gesetze bildet das Haushaltsgesetz, welches keine Außenwirkung entfaltet, da es allein das Innenverhältnis von Parlament und Exekutive betrifft, vergleiche Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 4 Rn. 11. 46 Morlok / Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 378 f. 39

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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ihrer eigenen Angelegenheiten erlassen.47 Auch Festlegungen der Bundesnetzagentur sind – sofern sie abstrakt-generelle Wirkung entfalten – als Form hoheitlicher Normsetzung zu qualifizieren.48 Die Frage, inwieweit der Bundesnetzagentur ein eigener Ermessensspielraum bei ihren administrativen Entscheidungen belassen werden muss, ist derzeit vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängig. Im Juli 2018 hat die Europäische Union hierzu ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen einer gerügten Verletzung der EltRL 2009. Sie rügte, dass die Bundesnetzagentur entgegen den Vorgaben des dritten Energiepakets zu sehr in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt sei, da sie im Rahmen der Regulierung des Netzzugangs und der Netzentgelte detaillierten Regelungen des Gesetz- und Verordnungsgebers unterworfen sei.49 In diesem Rechtsstreit geht es im Grundsatz um die Grundprinzipien des deutschen Regulierungsrechts im Energiesektor, nämlich um das deutsche Konzept der „normativen“ Regulierung im Gegensatz zum „administrativen“ Regulierungskonzept der EltRL 2009.50 Die ausstehende Entscheidung des EuGH legt somit Maßstäbe fest, inwieweit in bestimmten Bereichen Regelungen noch durch den Gesetzgeber getroffen werden dürfen oder ob dies der Bundesnetzagentur bei Erlass der Festlegungen vorenthalten ist.51 c) Zwischenergebnis: Imperative Regulierung durch Hoheitsträger Erlässt der nationale Staat bzw. die Europäische Union zur Wirtschaftssteuerung regulatorische Steuerungsinstrumente, so kommen diverse Rechtsquellen und Maßnahmen als Handlungsformen in Betracht. Namentlich sind hier auf europäischer Ebene vor allem Richtlinien und Verordnungen zu nennen, während auf nationaler Ebene Parlamentsgesetzen, Rechtsverordnungen und den Festlegungen der Bundesnetzagentur eine besondere Bedeutung zukommt. Folglich liegen auch die vom Staat oder von der Europäischen Union erlassenen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen überwiegend in diesen Rechtsformen vor.

47

Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 149. Vergleiche zur Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur sogleich Teil 5 B. I. 2. b). 49 Vergleiche die Pressemitteilung der Kommission https://ec.europa.eu/germany/news/​ 20180719-bundesnetzagentur-nicht-unabhaengig-kommission-verklagt-deutschland_de (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 50 Vergleiche Ludwigs, EnWZ 5/2019, 160–162 (160). 51 Vergleiche die Bewertung des BGH zur unionsrechtlichen Zulässigkeit von normativen Vorgaben für die Energie-Regulierungsbehörde und den Folgen im Falle der Unionsrechtswidrigkeit BGH, Beschluss vom 08. 10. 2019, Az. EnVR 58/18, EnWZ 2020, 61. 48

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

2. Hoheitliche Normsetzung im Regelreservebereich Der Regelreservemarkt wird geprägt durch eine immer weiter steigende Anzahl an unionsrechtlichen und staatlichen Rechtsquellen, die im gesetzlichen Mehrebenensystem von unterschiedlichen hoheitlichen Normsetzungsakteuren erlassen werden. Auf diese unterschiedlichen Rechtsquellen soll zunächst überblicksartig eingegangen werden (a)), bevor anschließend vertiefend die Rechtsnatur von Festlegungen der Bundesnetzagentur untersucht wird (b). a) Überblick über die hoheitlichen Regelungen des Regelreservemarkts Der Regelreservemarkt wird von einer Vielzahl an unionsrechtlichen und staatlichen Rechtsquellen bestimmt.52 Auf europäischer Ebene enthalten Richtlinien und Verordnungen, insbesondere Art. 40 EltRL 2019 und Art. 6 EltVO allgemeine Vorgaben zum Beschaffungsverfahren von Regelreserve durch die ÜNB. Beide Rechtsakte wurden im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 294 AEUV gemeinsam von dem Europäischen Parlament und dem Rat erlassen und entstammen damit unionsrechtlicher Urheberschaft. Ob auch die Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes, die ebenfalls Vorgaben zum Marktdesign von Regelreserve treffen, als unionsrechtliche Normsetzung zu werten sind oder nicht vielmehr der regulierten Selbstregulierung unterfallen, ist strittig und wird im Rahmen der Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung diskutiert.53 Auch auf nationaler Ebene bestehen staatliche Regelungen hinsichtlich des Beschaffungsverfahrens von Regelreserve, und zwar in Form des Parlamentsgesetzes EnWG (insbesondere § 22 EnWG) und der Rechtsverordnung StromNZV (insbesondere §§ 6 ff. StromNZV). Soweit sich der Erlass der konkreten Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts (noch) in der Kompetenz der Mitgliedstaaten befindet, werden diese in Deutschland von der Bundesnetzagentur in Form von sogenannten Festlegungen getroffen.54

52 Vergleiche vertiefend zum Inhalt der einzelnen Rechtsquellen des Regelreservemarkts Teil 2 A. 53 Vergleiche Teil 4 B. II. 2. 54 Vergleiche vertiefend zu den Festlegungen der Bundesnetzagentur im Bereich des Regelreservemarkts Teil 1 E. und Teil 2 A. II.

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b) Vertiefend: Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur Die Festlegungskompetenz der Bundesnetzagentur zum Erlass der Ausschreibungsbedingungen des Regelreserve-Ausschreibungsverfahrens folgt aus §§ 29 Abs. 1 Alt.  1, 24 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EnWG i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StromNZV. Da „Festlegungen“ im deutschen Verwaltungsrecht ursprünglich nicht als Handlungsform von Verwaltungsbehörden vorgesehen waren und die Terminologie auf unionsrechtlichen Einflüssen beruht, ist die Rechtsnatur dieser von einer Beschlusskammer erlassenen Beschlüsse umstritten.55 Diskutiert wird, ob die Festlegungen der Bundesnetzagentur den Einzelfall betreffende konkretgenerelle Allgemeinverfügungen oder abstrakt-generelle Regelwerke sind. Diese Frage erlangt deswegen Bedeutung, da die Festlegungen hinsichtlich des Regelreserve-Ausschreibungsverfahrens nur bei einer Einordnung als allgemein geltende, nicht jedoch als den Einzelfall betreffende Regelungen als „hoheitliche Norm“ im Sinne dieses Kapitels zu verstehen sind.56 Relevant ist die Einordnung insbesondere, da sie sowohl Folgen für die Außen- und Bindungswirkung als auch für die Wirksamkeits- und Rechtsmäßigkeitsanforderungen mit sich bringt.57 Zudem wirkt sich die Rechtsnatur der Festlegungen maßgeblich auf die in Teil 6 erörterten Rechtsschutzmöglichkeiten aus, da gegen konkret-generelle Allgemeinverfügungen andere Verfahrensarten statthaft sind als gegen abstrakt-generelle Regelwerke. aa) Rechtsprechung und herrschende Meinung Die Rechtsprechung58 sowie die herrschende Meinung der Literatur59 klassifizieren Festlegungen der Bundesnetzagentur als Allgemeinverfügungen im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG60. Im Gegensatz zum Gesetz, welches eine Regelung für eine unbestimmte Anzahl von Fällen (abstrakt) enthält, betrifft der Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG die Regelung eines Einzelfalls (konkret).61 Eine Sonderform des Verwaltungs 55

Kühling / Rasbach / Busch, Energierecht, § 12 Rn. 30; Pielow, in: Baur / Salje / SchmidtPreuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 34. 56 Vergleiche zur hoheitlichen Normsetzung Teil 4 B. I. 57 Britz, RdE 1/2006, 1–9 (4). 58 BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1655, Rn. 7 ff.). 59 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 29 Rn. 53; im Ergebnis wohl auch Schellberg, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 19 Rn. 11; Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (253); Wellerdt, Organisation der Regulierungsverwaltung, S. 200; Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 58 f.; Kühling / Rasbach / Busch, Energierecht, § 12 Rn. 30 ff. 60 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 01. 2003 (BGBl.  I. S. 102), das zuletzt durch Artikel  5 Absatz  25 des Gesetzes vom 21. 06. 2019 (BGBl. I. S. 846) geändert worden ist. 61 Gornig, Die sachbezogene hoheitliche Maßnahme, S. 78.

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akts stellt die Allgemeinverfügung gemäß § 35 S. 2 VwVfG dar, die sich nicht nur an eine einzelne bestimmte Person richtet, sondern an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis, weshalb ihr eine konkret-generelle Wirkung zukommt.62 Nach Ansicht der Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung der Literatur verkörpern Festlegungen konkret-generelle Regelungen und sind somit Allgemeinverfügungen. Als Argument hierfür wird vor allem der Wortlaut des § 60a Abs. 2 EnWG angeführt: „Vor dem Erlass von Allgemeinverfügungen, insbesondere von Festlegungen nach § 29 Abs. 1 EnWG (…)“.63 Hieraus wird geschlussfolgert, dass die Einordnung der Festlegung als Allgemeinverfügung dem Willen des Gesetzgebers entspricht.64 Zudem handele es sich um einen Akt konkret-genereller Natur im Sinne der adressatenbezogenen Allgemeinverfügung, da der Adressatenkreis der Festlegung hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar sei. Dieser könne durch eine Konkretisierung des Sachverhalts ermittelt werden. Ähnlich wie bei einem Verkehrszeichen sei zum Zeitpunkt des Erlasses zwar noch nicht klar, welche konkreten Adressaten betroffen sein werden, es genüge jedoch, wenn sich das Geschehen durch Zeitablauf vorhersehbar entwickele und die Konkretheit bei Erlass antizipiert werden könne.65 Außerdem handele es sich bei einer Festlegung um eine Regelung des Einzelfalls. Somit ist dieses Kriterium eines Verwaltungsakts grundsätzlich erfüllt. Die Anforderungen an die Konkretheit des Sachverhalts dürften nicht überspannt werden. So genügten auch vereinheitlichende Regelungen dem Erfordernis der Konkretheit, sofern ihnen lediglich eine normkonkretisierende Wirkung und ergänzende Regelungsfunktion zukomme. Mangels gestaltender Wirkung stellen sie einzelfallbezogene Konkretisierungsmaßnahmen und damit eine Allgemeinverfügung dar.66 Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im EDIFACT-Beschluss von 200867 mit der Rechtsnatur von Festlegungen im Bereich der Energieregulierung befasst. Konkret geht es in diesem Beschluss um eine Festlegung der Bundesnetzagentur 62

Stellvertretend für viele Sodan / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 74 Rn. 13 f.; Maurer / Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 30 ff. 63 Wellerdt, Organisation der Regulierungsverwaltung, S. 200. 64 Schellberg, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 29 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1655, Rn. 12). Kritisch hierzu Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 56. 65 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 19 Rn. 54. 66 Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 58; Kühling / Rasbach / Busch, Energierecht, § 12 Rn. 30. So im Ergebnis wohl auch Schellberg, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 29 Rn. 11, obwohl diese zunächst in widersprüchlicher Weise schreibt: „Eine Festlegung regelt demnach nicht bloß eine Einzelfallfrage, sondern enthält eine abstrakt generelle Regelung eines Sachzusammenhangs.“, bevor sie die Festlegung als einzelfallbezogene Allgemeinverfügung einordnet. 67 BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654.

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zu Datenaustauschprozessen und -formaten. Diese Festlegung wertete der BGH als Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG mit der Begründung, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht auf die Abwehr einer konkreten Gefahr oder die Untersagung eines konkreten Missbrauchs gerichtet, sondern dazu bestimmt sei, „durch generelle Handlungsanweisungen das Verhalten der Marktteilnehmer in (…) häufig wiederkehrenden einzelnen Situationen (…) zu steuern“.68 Die Festlegungen stellten somit eine Konkretisierung der Gesetze und Rechtsverordnungen im Hinblick auf die einzelnen, regelmäßig wiederkehrenden Geschäftsprozesse dar.69 Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Festlegung „für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen“ gelte und keine Begrenzung ihrer zeitlichen Geltung aufweise, da dies bei Dauerverwaltungsakten ebenso der Fall sei. Entscheidend sei, dass „nicht Sachverhalte geregelt werden, von denen ungewiss ist, ob sie sich überhaupt und in welcher Gestalt ereignen werden, sondern Sachverhalte, die, wenn auch in unbestimmter Anzahl, häufig wiederkehren  (…)“.70 Es handele sich somit um den typisierten Einzelfall, welcher eine Einordnung als Allgemeinverfügung rechtfertige.71 bb) Andere Ansicht Der Gegenmeinung zufolge weisen Festlegungen klassischerweise abstraktgenerelle Wirkung auf und sind daher nicht als Allgemeinverfügungen einzuordnen.72 Dies wird damit begründet, dass Festlegungen durch ihre vereinheitlichende Funktion eine Vielzahl von Fällen erfassen und nicht nur einzelfallbezogene Wirkung entfalten. Aufgrund ihrer Funktion als vereinheitlichende, normierende Regelungen unterlägen sie nicht dem Begriff der Einzelfallregelung und könnten somit nicht als Allgemeinverfügungen verstanden werden.73 Festlegungen könnten trotz ihrer abstrakt-generellen Natur jedoch auch nicht als Rechtsverordnungen betrachtet werden, da es einer entsprechenden Ermächtigungsbefugnis der Regulierungsbehörde zum Erlass einer Rechtsverordnung fehle.74 Auch eine Einordnung als Verwaltungsvorschrift schlage fehl, da diesen in der Regel keine Außenwirkung zukomme, der Gesetzgeber bei den Festlegungen jedoch gerade verbindliche Regelungen gegenüber den Adressaten treffen wollte.75 Insofern wird auch in der 68

BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1655, Rn. 13). BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1655, Rn. 13 f.). 70 BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1656, Rn. 17). 71 Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 38. 72 Britz, RdE 1/2006, 1–9 ff.; Britz, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 9 Rn. 56 f.; Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 34 ff.; Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 12 ff. 73 Britz, RdE 1/2006, 1–9 (4 ff.); Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 13. 74 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band  1 Halbband  1, § 29 Rn. 57; Britz, RdE 1/2006, 1–9 (6). 75 Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 15. 69

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Literatur teilweise vertreten, die Festlegungen der Bundesnetzagentur als Handlungsform sui generis anzusehen.76 cc) Eigener Ansatz Zur Lösung dieses Rechtsstreits ist nach Ansicht der Verfasserin eine vermittelnde Ansicht vorzugswürdig, wonach Festlegungen nicht pauschal in eine verwaltungsrechtliche Handlungsform eingeordnet werden, sondern deren Rechtsnatur stets anhand der konkreten Festlegung zu bestimmen ist.77 Dies lässt sich damit begründen, dass aus dem Wortlaut des § 60a Abs. 2 EnWG78 nicht gefolgert werden kann, dass jegliche Festlegung eine Allgemeinverfügung darstellt, ungeachtet der Frage, ob sie die Voraussetzungen für eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG erfüllt oder nicht.79 Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Allgemeinverfügung als klassische Form der Festlegung betrachtete, jedoch keine gesetzliche Ausnahmevorschrift zur Allgemeinverfügung schaffen wollte und er deshalb er den Anwendungsbereich des § 35 S. 2 VwVfG auch auf abstrakt-generelle Sachverhalte ausweitet. Gegen die pauschale Einordnung von Festlegungen als Allgemeinverfügung spricht auch der Gesetzeszweck des § 29 EnWG. Mit der Handlungsform der Festlegung sollen mittels standardisierter Vorgaben wiederkehrende Fragestellungen für künftig auftretende typische Sachverhalte geklärt werden; sie ersetzen damit sozusagen „auf Vorrat“ die ansonsten erforderlichen zahlreichen Genehmigungsverfahren hinsichtlich wiederkehrender Fragestellungen.80 Maßgeblich für Festlegungen im Sinne des § 29 EnWG ist somit, dass im Wege der Standardisierung Vorgaben für eine zum Erlasszeitpunkt noch nicht bestimmbare Vielzahl von Fällen gebündelt im Vorfeld getroffen werden. Eine Allgemeinverfügung muss als konkret-generelle Maßnahme stets an einen bestimmten Personenkreis gerichtet sein sowie den konkreten Einzelfall betreffen. Zwar ist hinsichtlich der generellen Wirkung der Maßnahme der herrschenden Meinung zuzubilligen, dass sich der Personenkreis der Festlegung der Bundesnetzagentur durch Zeitablauf ähnlich wie bei Verkehrszeichen hinreichend konkretisiert und die Verwaltungsmaßnahme somit an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet ist, weshalb ihr eine generelle Wirkung zukommt.81 Dies hilft jedoch nicht über den Umstand hinweg, dass sich die entsprechende Festlegung zudem auf den Einzelfall beziehen 76

So Britz, RdE 1/2006, 1–9 (7 f.), die diese Handlungsform jedoch im Ergebnis ablehnt. So auch angedeutet in Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 35 f.; Britz, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 9 Rn. 56 f.; Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 56. 78 Vergleiche zu dieser Argumentation Teil 4 B. I. 1. b) aa). 79 Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 56. 80 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 29 Rn. 11. 81 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 29 Rn. 54. 77

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und konkrete Wirkung entfalten muss. Ziel der Handlungsform der Festlegung ist es jedoch gerade, durch die vorweggenommene Standardisierung von künftigen Einzelfallprüfungen eine Vielzahl zukünftiger konkreter Maßnahmen zu bündeln und ein den Einzelfall überspannendes Verfahren zu schaffen. Die vorgenommene Standardisierung zur Bündelung zukünftiger Fragestellungen lässt eine pauschale Qualifizierung aller Festlegungen als konkrete Maßnahmen – wie von der herrschenden Meinung vertreten – anzweifeln. Denn bei Festlegungen im Sinne des § 29 EnWG ist die Einordnung als Einzelfallmaßnahme nicht immer eindeutig.82 Auch historische Gründe sprechen dagegen, dass Festlegungen per se als Allgemeinverfügungen zu qualifizieren sind. Ursprünglich bezog sich § 29 EnWG auf die sogenannte Methodenregulierung, das heißt auf die Vorgabe von Methoden zur Ex-ante-Steuerung der Netzzugangsentgelte. Um nicht jedem Netzbetreiber eine Einzelfallgenehmigung über dessen Netzzugangsentgelte zukommen lassen zu müssen, waren die einzelnen Genehmigungen zur Entlastung der Regulierungsbehörden durch die Methodenregulierung ersetzt worden.83 So entstanden abstrakt-generelle Vorabfestlegungen der Bedingungen und Entgelte hinsichtlich des Netzzugangs und der Netznutzung.84 Diese Gesetzeshistorie zeigt, dass die Festlegungen vom Gesetzgeber originär als abstrakt-generelle Verwaltungsmaßnahmen, die eine Vielzahl von Fällen betrafen, eingeführt wurden. Auch wenn sich der Anwendungsbereich des § 29 EnWG heute erweitert hat, stellt die Methodenregulierung weiterhin einen Schwerpunkt dieses Paragraphen dar.85 Angesichts der Gesetzeshistorie sowie des angesprochenen Zwecks des § 29 EnWG erscheint eine pauschale Einordnung als Maßnahme konkret-genereller Natur somit fragwürdig. Zudem birgt die Schlussfolgerung des BGH, Festlegungen, die für „eine unbestimmte Vielzahl von Fällen“ und „häufig wiederkehrende einzelne Situationen“ gelten, als Maßnahme konkreter Natur zu qualifizieren,86 die Gefahr, die Grenzen zwischen konkreter und abstrakter Wirkung bis zur Unkenntlichkeit aufzuweichen. Und zwar deswegen, weil wiederkehrende Situationen gerade ein Charakteristikum für abstrakt-individuelle Maßnahmen sind – man denke an das Lehrbuchbeispiel des Glatteisfalls –, und nicht für konkret-generelle Maßnahmen wie in diesem Fall vom BGH gewertet.87 Unter abstrakt-individuellem Verwaltungshandeln versteht man eine Verfügung gegenüber einer konkreten Person (individuell) für eine unbestimmten Vielzahl von Fällen (abstrakt).88 Bewertet der BGH nun Sachverhalte, die in unbestimmter Anzahl auftreten, sofern sie häufig wiederkehren, als einzel 82

Franke, in: Schneider / T heobald, Recht der Energiewirtschaft, § 19 Rn. 58. Britz, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 9 Rn. 56. 84 Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 8. 85 Schellberg, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 29 Rn. 5 f. 86 Vergleiche zur Rechtsprechung des BGH Teil 4 B. I. 2. b) aa). 87 Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 206a; OVG Münster, OVGE 16, 289. Kritisch bezüglich der Abstraktheit Maurer / Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 21. 88 VGH München, Beschl. v. 18. 6. 2012, Az. 8 ZB 12.76. 83

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fallbezogen (konkret), so löst er damit die Grenzen zwischen konkreten und abstrakten Maßnahmen auf. Eine Übertragung des Beschlusses des BGH auf andere Festlegungen der Bundesnetzagentur sollte insofern zögerlich erfolgen. Aufgrund der genannten Argumente lehnt die Verfasserin dieser Arbeit eine pauschale Kategorisierung der Rechtsnatur von Festlegungen ab und favorisiert eine individuelle Betrachtung der jeweiligen Festlegung. Diese Auffassung birgt auch keine Lücken im Rechtsschutz gegen die Entscheidungen der Bundesnetzagentur, da unabhängig von der Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur die Beschwerde aufgrund der spezialgesetzlichen Rechtsschutzvorschriften gemäß §§ 75 ff. EnWG der zulässige Rechtsbehelf ist.89 Eine Qualifizierung der Festlegung als Allgemeinverfügung ist somit auch aus Gesichtspunkten des Rechtsschutzes nicht zwingend.90 dd) Rechtsnatur der Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts Angesichts des soeben Dargestellten drängt sich die Frage auf, ob die Festlegun­ gen der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts91 als abstrakt-generelle Regelung oder als adressatenbezogene Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG zu qualifizieren sind. In letzterem Fall müssten sie für einen bestimmten oder bestimmbaren Adressatenkreis einen Einzelfall regeln, also gerade keine abstrakt-generelle Regelung darstellen. Die Ausschreibungsbedingungen der Bundesnetzagentur erklären ausdrücklich unter der Überschrift „Adressaten der Festlegung“ in der Begründung der Festlegung: „Das Verfahren richtet sich an die regelzonenverantwortlichen ÜNB“.92 Die Festlegung ergeht somit gemäß § 29 Abs. 1 Alt.  1 EnWG gegenüber „einer Gruppe von Netzbetreibern“, welche einen nach allgemeinen Gesichtspunkten bestimmten Personenkreis im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG darstellt. Das Erfordernis der generellen Wirkung ist somit erfüllt. Zweifelhaft ist jedoch, ob es sich auch um die Regelung eines Einzelfalls handelt. Die Ausschreibungsbedingungen betreffen durch ihre zeitlich unbeschränkte Dauer eine unbestimmte Anzahl von Fällen, da täglich eine Vielzahl von Ausschreibungen durchgeführt wird und mangels zeit 89

Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 12. Eine andere Ansicht vertritt Pielow, der entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des § 75 EnWG nicht die Beschwerde, sondern die Anfechtungsklage als zulässigen Rechtsbehelf gegen die Festlegungen bewertet, vergleiche Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regu­ lierung in der Energiewirtschaft, § 43 Rn. 39. 91 Dieser Abschnitt betrifft allein die Frage nach der Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Ausschreibungsbedingungen. Die Rechtsnatur der Genehmigungen der Bundesnetzagentur, die nach Art. 5 Guideline on Electricity Balancing für die Ausführungsakte der ÜNB erfolgen, kann sich hiervon unterscheiden, da diese einzelfallbezogen gegenüber dem Antragsteller stattfinden (§ 29 Abs. 1 Alt. 2 EnWG) und somit stets einen Verwaltungsakt darstellen. 92 Vergleiche exemplarisch BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017, S. 10. 90

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licher Befristungen der Festlegungen das Ende ungewiss ist. Durch den täglichen Ausschreibungszyklus betreffen die Festlegungen häufig wiederkehrende Situationen, was gegen eine Einordnung als Einzelfallmaßnahme spricht. Zudem zielen die Ausschreibungsbedingungen der Bundesnetzagentur auf eine Vereinheitlichung ab, das heißt eine Standardisierung des Regelreserve-Ausschreibungsdesigns, wie sich insbesondere aus der Historie der ersten Festlegungen im Jahr 2006 ergibt: Zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Ausschreibungsdesigns der verschiedenen deutschen Netzbetreiber erließ die Bundesnetzagentur erstmals im Jahr 2006 Festlegungen für ein einheitliches, gemeinsames Ausschreibungsverfahren von Minutenreserve, gefolgt von Festlegungen zur einheitlichen Ausschreibung von Primär- und Sekundärregelleistung im Jahr 2007.93 Hier zeigt sich durch die Funktion der Schaffung einheitlicher Vorgaben eine abstrakt-generelle Wirkung der Festlegungen. Die Einstufung der von der Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassenen Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen als abstrakt-generelle Regelung wird letztlich dadurch unterstützt, dass die Festlegungen das Marktdesign der Ausschreibungen umfassend regeln. Die gesetzlichen Vorgaben im EnWG und der StromNZV enthalten nur wenige gesetzliche Rahmenvorgaben, die bei Erlass der Festlegungen als Richtschnur und Grenzen dienen und geben mangels hoher Regelungsdichte keine detaillierten Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung vor. Vielmehr legt der Gesetz- und Verordnungsgeber die Konzeption des Marktdesigns in die Hände der Bundesnetzagentur. Die Ausschreibungsbedingungen erfüllen damit nicht nur rein normkonkretisierende Funktionen, sondern wirken vielmehr gestaltend. All diese Argumente zusammen sprechen eindeutig für eine deutlich abstrakte Wirkung der Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts, weshalb diese Festlegungen nicht als Allgemeinverfügung, sondern als abstrakt-generelle Verwaltungsmaßnahme zu qualifizieren sind. Der abstrakt-generelle Charakter legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Festlegungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen um Rechtsverordnungen handelt. Fraglich ist jedoch, ob die Bundesnetzagentur zum Erlass von Rechtsverordnungen formell ermächtigt ist. Gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG bedarf eine Rechtsverordnung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Deren Adressatenkreis ist jedoch auf die Bundesregierung, einen Bundesminister und die Landesregierungen beschränkt; Behörden wie die Bundesnetzagentur sind somit grundsätzlich nicht befugt, Rechtsverordnungen zu erlassen. Gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG kann jedoch in einem Gesetz vorgesehen werden, dass die Ermächtigung im Rahmen einer Subdelegation weiter übertragen werden kann. Macht der Gesetzgeber hiervon Gebrauch, ist mittelbar auch die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde zum Erlass von Rechtsver 93

Vergleiche hierzu Teil 1 E. I.

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ordnungen befugt.94 Die Übertragung der Ermächtigung im Rahmen der Subdelegation auf eine Behörde ist verfassungsrechtlich nur unter den Voraussetzungen zulässig, dass ein Ermächtigungsgesetz diese hinreichend erkennbar gestattet und die Subdelegation selbst wiederum in einer Rechtsverordnung verankert ist. Dabei muss die Subdelegationsbefugnis im Gesetz zwar nicht ausdrücklich erteilt werden, sich ihm aber mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lassen.95 Das Erfordernis einer ermächtigenden Rechtsverordnung ergibt sich daraus, dass die Subdelegation gesetzgeberisch nicht vorweggenommen werden darf.96 Eine gesetzliche Ermächtigung zur Subdelegation könnte sich für den Regelreservemarkt in § 24 S. 1 Nr. 2 EnWG befinden. Dieser ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde unter anderem die Bedingungen für die Beschaffung und Erbringung von Ausgleichsleistungen oder Methoden zur Bestimmung dieser Bedingungen festlegen oder auf Antrag des Netzbetreibers genehmigen kann. Ob der Gesetzgeber hiermit die Möglichkeit einer Subdelegation ausdrücken wollte, ist dem Wortlaut nicht ausdrücklich entnehmbar. Zweifelhaft könnte dies in der Zusammenschau mit anderen Normen des EnWG erscheinen, in denen die Subdelegation explizit formuliert wird, was prima facie für einen Umkehrschluss im Übrigen sprechen könnte.97 So sieht beispielsweise § 19a Abs. 3 S. 7 EnWG ausdrücklich vor, dass „[d]as Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Ermächtigung (…) durch Rechtsverordnung unter Sicherstellung der Einvernehmensregelung auf die Bundesnetzagentur übertragen“ kann. Allerdings muss das Gesetz die Subdelegationsbefugnis wie oben dargestellt nicht ausdrücklich, sondern nur hinreichend erkennbar erteilen. Denn in einer systematischen Zusammenschau mit § 24 S. 1 Nr. 1 EnWG sowie in der Gesetzesbegründung drückt der Gesetzgeber hinreichend deutlich seinen Willen zur Subdelegation in den Fällen des § 24 S. 1 Nr. 2 EnWG aus: Während der Gesetzgeber in Nr. 1 die Bundesregierung zur unmittelbaren Regulierung der Bedingungen und Methoden in Rechtsverordnungen ermächtigt, sieht Nr. 2 ergänzend hierzu vor, dass in den Fällen, in denen die Rechtsverordnung gemäß Satz 1 Nr. 1 nicht bereits unmittelbar eine Regulierung vornimmt, in der Rechtsverordnung festgeschrieben werden kann, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde mittelbar die Bedingungen und Methoden festlegen bzw. genehmigen kann.98 Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 24 EnWG enthält somit „Satz 1 (…) die Rechtsgrundlage sowohl für eine unmittelbare Regulierung der Bedingungen und Methoden in den Rechtsverordnungen selbst als auch durch 94

Britz, RdE 1/2006, 1–9 (6). Bauer, in: Dreier, GG, Band 2, Art. 80 Rn. 39; Brenner, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 2, Art. 80 Rn. 63; Wallrabenstein, in: von Münch / Kunig, GG, Band 2, Art. 80 Rn. 55. 96 Uhle, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 80 Rn. 34; vergleiche jedoch zur vorweggenommenen Subdelegation Britz, EuZW 15/2004, 462–464 (463 f.). 97 Britz, RdE 1/2006, 1–9 (6). 98 BT Drs. 15/3917, S. 61; Winkler, in: Kment, EnWG, § 24 Rn. 6 ff. 95

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die Regulierungsbehörde“.99 § 24 S. 1 Nr. 2 ermächtigt den Verordnungsgeber folglich in Zusammenschau mit Nr. 1 hinreichend erkennbar dazu, Handlungsermächtigungen für die Regulierungsbehörde bezüglich der Beschaffung und Erbringung von Ausgleichsleistungen zu schaffen.100 Der Verordnungsgeber hat im Fall der Ausgleichsenergie, die auch die Regelreserve umfasst, nicht unmittelbar die konkreten Methoden in einer Rechtsverordnung vorgeschrieben, sondern stattdessen mit der StromNZV eine Rechtsverordnung geschaffen, die in § 27 StromNZV der Regulierungsbehörde die Kompetenz zum Erlass von Festlegungen im Sinne des § 29 Abs. 1 EnWG zuschreibt. Dies umfasst gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StromNZV auch die Kompetenz der BNetzA zum Erlass von Festlegungen bezüglich des Ausschreibungsverfahrens von Regelenergie, insbesondere zu Mindestangebotsgrößen, Ausschreibungszeiträumen und Ausschreibungszeitscheiben, zum technisch notwendigen Anteil nach § 6 Abs. 2 StromNZV und zu einheitlichen Bedingungen, die Anbieter von Regelenergie erfüllen müssen, sowie zum Einsatz von Regelreserve. Zusammenfassend enthält § 24 S. 1 Nr. 2 EnWG somit eine hinreichend erkennbare, gesetzlich verankerte Ermächtigung zur weiteren Übertragung durch die Bundesregierung, während der Verordnungsgeber wiederum in § 27 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StromNZV der Bundesnetzagentur die Ermächtigung der Regelungen zuschreibt. Da somit die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG hinsichtlich der Subdelegation eingehalten wurden, ist die Bundesnetzagentur formell zum Erlass von Rechtsverordnungen bezüglich der Ausschreibungsbedingungen von Regelreserve ermächtigt. Diese sind folglich zulässigerweise in Form von Rechtsverordnungen erlassen worden. Ungeachtet des Charakters der Festlegungen im Bereich der Regelreserve als Rechtsverordnung gelten die Spezialvorschriften für die Entscheidungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich Zuständigkeit (§ 54 Abs. 3 S. 2 und 3 EnWG), behördlichem Verfahren (§§ 65 ff. EnWG), Revisibilität (§ 29 Abs. 2 EnWG), Zustellung (§ 73 Abs. 1 lit. a)  EnWG), Publikationspflicht (§ 74 EnWG) und Rechtsschutz (§§ 75 ff. und §§ 86 ff. EnWG).101 ee) Zwischenergebnis: Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur Während die Rechtsprechung und die herrschende Meinung der Literatur Festlegungen der Bundesnetzagentur als Allgemeinverfügungen im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG qualifizieren, wird dies in der Gegenansicht aufgrund der abs 99

BT Drs. 15/3917, S. 62. BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 28/07, NJW-RR 2008, 1654 (1655, Rn. 12); BGH, Beschluss vom 29. 04. 2008, Az. KVR 20/07, Rn. 12, BeckRS 2008, 14196; Winkler, in: Kment, EnWG, § 24 Rn. 9; Britz / Herzmann, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 24 Rn. 10. 101 Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 12. 100

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

trakt-generellen Natur von Festlegungen abgelehnt. Nach der hier vertretenen Ansicht ist stets anhand der konkreten Festlegung zu untersuchen, ob diese die Voraussetzungen der Allgemeinverfügung erfüllt – insbesondere ob sie die Regelung eines Einzelfalls erfasst oder vielmehr eine Regelung für eine Vielzahl von Fällen enthält und somit abstrakt-genereller Natur ist. Im Bereich des Regelreservemarkts sind die Festlegungen in Gestalt der Ausschreibungsbedingungen vereinheitlichend gestaltet und betreffen somit nicht nur einen Einzelfall. Ihnen kommt daher abstrakt-generelle Wirkung zu, weshalb sie als Rechtsverordnungen zu qualifizieren sind.102 3. Ergebnis: Hoheitliche Regulierung Untersucht man die hoheitlichen Rechtsquellen des Regelreservemarkts, so stellt man fest, dass eine Vielzahl von Hoheitsträgern sowohl auf unionsrechtlicher als auch auf staatlicher Ebene an der Gestaltung des Marktdesigns des Regelreservemarkts mitwirken. Namentlich seien hier das Europäische Parlament zusammen mit dem Europäischen Rat sowie die Europäische Kommission, der Bundestag, die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur genannt. Dabei steigt der Detaillierungsgrad der Normen grundsätzlich mit abnehmender Normhierarchieebene.

II. Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung Wird die hoheitliche Normsetzung um Partizipationsmöglichkeiten Privater ergänzt, so handelt es sich weiterhin um eine Regulierung durch Hoheits­träger, jedoch eine unter Aufnahme von Elementen privater Regulierung.103 Auch im Regelreservemarkt findet dieser Grundtypus der Urheberschaft von Normen Anwendung. 1. Wirtschaftssteuerung durch hoheitliches Handeln unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung Die hoheitliche Wirtschaftssteuerung kann mit Elementen privater Selbstregulierung angereichert werden. Hierfür werden synonym die Begriffe der „selbstregulativen Regulierung“104 oder der „staatlichen Regulierung unter Einbau selbst 102

Diese Einordnung ist für die Untersuchung der Rechtsschutzmöglichkeiten in Teil 6 maßgeblich. 103 Vergleiche zu den Dimensionen und Graden der Urheberschaft von Regelwerken Teil 4 A. 104 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 56.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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regulativer Elemente“105 gewählt. Das Konzept des hoheitlichen Handelns unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung findet oftmals im Umweltrecht Anwendung.106 Diese Steuerungsform ist grundsätzlich der hoheitlichen Regulierung zuzu­ ordnen,107 in diesen hoheitlichen Regelungsrahmen werden jedoch private Elemente eingebaut. So wird beispielsweise privaten Akteuren Verantwortung übertragen sowie deren Engagement, Sachverstand und Eigeninteresse genutzt, um die gesetzten Steuerungsziele zu erreichen.108 Im Bereich der Wirtschaftssteuerung bleibt der Hoheitsträger somit zwar der aktive Gestalter des Wettbewerbs, belässt jedoch Raum für die Möglichkeit privatautonomer Mitgestaltung.109 Der Einbau selbst­regulativer Elemente soll dem (erleichterten) Erreichen der Gemeinwohlziele dienen, da den von der Regulierung betroffenen Akteuren ein Mitentscheidungsspielraum verbleibt.110 Obwohl selbstregulative Elemente in die hoheitliche Regulierung integriert werden, verbleibt die Erfüllungsverantwortung weiterhin beim Staat111 – anders verhält es sich im Rahmen der regulierten Selbstregulierung, bei der sich der Staat aus seiner Gewährleistungsverantwortung zurückzieht.112 Die Verantwortung der Hoheitsträger gegenüber den betroffenen Dritten und der Allgemeinheit ist somit vergleichbar mit der im Rahmen der imperativen Regulierung.113 2. Hoheitliche Normsetzung unter Aufnahme von Elementen privater Regulierung im Regelreservebereich Mit Erlass der Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes im Energierecht durch die Europäische Kommission lassen sich grundlegende Veränderungen des Regelreservemarkts beobachten. So leiten die Kommissionsleitlinien und EUNetzkodizes die Europäisierung und Mindestharmonisierung der Regelungen hinsichtlich der Systemdienstleistungen ein.114 Dadurch wird der Rechtsrahmen der Systemdienstleistungen in vielen Aspekten nicht mehr von den jeweiligen nationalen Mitgliedstaaten, sondern von der überlagerten europäischen Ebene bestimmt.115 105

Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). 106 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (301); Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 57. 107 Kern, Das Internet zwischen Regulierung und Selbstregulierung, S. 35. 108 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (300). 109 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 7. 110 Kern, Das Internet zwischen Regulierung und Selbstregulierung, S. 35. 111 Kern, Das Internet zwischen Regulierung und Selbstregulierung, S. 35. 112 Siehe hierzu sogleich Teil 4 B. III. 113 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 56. 114 Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (262). 115 Vergleiche zur Europäisierung Teil 1 E. III.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

In diesem Kontext lohnt es sich, die Ausarbeitung und den Erlass von Kommissionsleitlinien einer genaueren Betrachtung hinsichtlich ihres Verfahrensgangs und ihrer Urheberschaft zu unterziehen. Hierzu wird untersucht, ob die in manchen rechtswissenschaftlichen Quellen angeführten Argumente, wonach die Ausarbeitung von EU-Netzkodizes als Anwendungsfall der regulierten Selbstregulierung zu qualifizieren ist, auf die Ausarbeitung der Kommissionsleitlinien übertragen werden können oder es sich um eine hoheitliche Regulierung unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung handelt. Konkret geht es darum, ob die Ausarbeitung und der Erlass von Kommissionsleitlinien, insbesondere der Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation, als hoheitliche Normsetzung mit privaten Elementen im Regelreservebereich oder als regulierte Selbstregulierung zu verstehen sind. Die EU-Kommission erhielt durch die StromhandelZVO zahlreiche Befugnisse zum Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes, auf deren Grundlage die in dieser Arbeit relevanten Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation erlassen wurden.116 Die EltVO löste zum 01. 01. 2020 die StromhandelZVO ab und beinhaltet nun die Ermächtigungsgrundlage der Kommission zum Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes. Unter anderem erweiterten sich hierdurch die Befugnisse. Auch das Verfahren beim Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes änderte sich. So gilt für tertiäre Rechtsakte, die nach Inkrafttreten der EltVO erlassen werden, fortan der in Art. 54 ff. EltVO festgelegte Verfahrensgang in Form von delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen.117 Da die in dieser Arbeit relevanten Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation jedoch noch auf Grundlage der StromhandelZVO erlassen wurden, findet das dort genannte, im Folgenden aufgezeigte Komitologieverfahren Anwendung. Die vorliegende Arbeit widmet sich daher ausschließlich dem für die Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation geltenden Verfahrensgang. Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes sind detaillierte Anwendungs­ regelungen, die sich in marktbezogene, netzanschlussbezogene und operationelle Kodizes aufteilen lassen.118 Obwohl die teilweise als „tertiäre Regulierung“119 bezeichneten Netzkodizes und EU-Kommissionsleitlinien häufig zusammen betrachtet werden, existieren doch erhebliche Unterschiede: Denn es bestehen unter 116

Vergleiche zum Erlass von Kommissionsleitlinien in weitergehenden Bereichen neben der StromhandelZVO, insbesondere nach dem Dritten EU-Energiepaket Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 39 Rn. 7. 117 Vergleiche ausführlich zur Reform des Komitologieverfahrens sowie zu delegierten Rechtsakten und Durchführungsmaßnahmen Ponzano, in: Bergström / R itleng, Rulemaking by the European Commission, S. 37–54 (37). 118 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 1. 119 So unter anderem Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 6.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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schiedliche Rechtsgrundlagen für den Erlass, auch betreffen sie verschiedene Regelungsmaterien. So berechtigt Art. 18 Abs. 5 StromhandelZVO die Kommission zum Erlass von Leitlinien in den in diesem Artikel aufgezählten Bereichen des Stromhandels. Die Bereiche, in denen EU-Netzkodizes erlassen werden können, sind hingegen in Art. 8 Abs. 6 StromhandelZVO aufgelistet. Der Erlass von Regeln für den Reservemarkt, also für den Regelreservemarkt, ist in Form von EUNetzkodizes vorgesehen, da Art. 8 Abs. 6 lit. j) StromhandelZVO auch „Regeln für den Austausch von Ausgleichsenergie, einschließlich netzbezogener Regeln für die Reserveleistung“ umfasst. Unterschiede liegen darüber hinaus in ihren Zielen und ihrem Detaillierungsgrad. Während Netzkodizes in der Regel detaillierte Vorgaben treffen, dienen die Leitlinien primär dazu, ein Mindestmaß an Harmonisierung zu bewirken.120 Die Leitlinien beschränken sich meist auf die Vorgabe von Grundsätzen und Rahmenbedingungen und überlassen die Ausführung durch eine konkretisierende Entwicklung von Methoden und Modalitäten weiteren Akteuren.121 Nicht zuletzt ergeben sich auch Unterschiede im Verfahrensgang, also hinsichtlich der Ausarbeitung und des Erlasses von Netzkodizes und Leitlinien. Da diese verfahrensrechtlichen Unterschiede für eine Beurteilung der regulierten Selbstregulierung maßgeblich sind, soll der Ausarbeitungsprozess von Kommissionsleitlinien (a)) und EU-Netzkodizes (b)) im Folgenden vertieft dargestellt und eine Einordnung ins Konzept der regulierten Selbstregulierung vorgenommen werden. Hierbei soll auch auf die Besonderheiten hinsichtlich der Ausarbeitung der Guide­ line on Electricity Balancing und Guideline on System Operation eingegangen werden, da diese zunächst als Netzkodizes von privaten Akteuren ausgearbeitet und erst im Komitologieverfahren in Kommissionsleitlinien überführt wurden (c)). a) Ausarbeitung und Erlass von Kommissionsleitlinien nach der StromhandelZVO Die Ausarbeitung und der Erlass von Kommissionsleitlinien sind in Art. 18 StromhandelZVO geregelt.122 Im Vergleich zur Ausarbeitung von Netzkodizes (hierzu b)) erfolgt die Ausarbeitung von Kommissionsleitlinien in einem „topdown“-Ansatz und liegt maßgeblich in der Hand der EU-Kommission.123 120

Vergleiche Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit a) StromhandelZVO; Brüning-Pfeiffer, in: Rühmkorf, Nachhaltige Entwicklung im deutschen Recht, S. 251–271 (264). 121 Meeus / Schittekatte, The EU electricity network codes, S. 3; Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 22. 122 Die in dieser Arbeit relevanten Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balanc­ ing und Guideline on System Operation wurden noch auf Grundlage der StromhandelZVO erlassen, welche zum 01. 01. 2020 durch die EltVO abgelöst wurde. 123 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 69.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Eine Integration von der europäischen Agentur ACER124 und ENTSO-E in den Ausarbeitungsprozess ist lediglich für Leitlinien in den Bereichen des Art. 18 Abs. 3 StromhandelZVO verpflichtend vorgesehen – allerdings „nur“ in Form von Konsultationen.125 In den anderen Bereichen des Art. 18 StromhandelZVO sieht die Verordnung keine Konsultationspflicht vor, jedoch besteht auch hier die Möglichkeit für die Kommission, eine entsprechende Konsultation freiwillig durchzuführen.126 Mangels gesetzlicher Vorgaben hinsichtlich des Ausarbeitungsprozesses und diesbezüglicher Fristen sowie einer Beteiligung Dritter steht der Kommission bei der Ausarbeitung ein weiter Spielraum bezüglich der Handhabung der formalen Aspekte zu.127 Der Erlass von Kommissionsleitlinien findet gemäß Art. 18 Abs. 5 S. 4 i. V. m. Art. 23 Abs. 2 StromhandelZVO zwingend im Komitologieverfahren statt.128 Der Verweis in Art. 23 Abs. 2 StromhandelZVO sieht im Rahmen des Komitologie­ verfahrens die Anwendung des sogenannten Regelungsverfahren mit Kontrolle gemäß Art. 5a Abs. 1–4 des Beschlusses 1999/468/EG129 vor. Obwohl das Komitologieverfahren mit dem Vertrag von Lissabon vom 01. 12. 2009 durch das System der delegierten Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und Durchführungsrechtsakte (Art.  291  AEUV) abgelöst wurde, findet es im Rahmen der StromhandelZVO weiterhin Anwendung, da diese vor dem Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist und zudem explizit auf das Komitologieverfahren verweist.130 124

Vergleiche zur Agentur ACER und zur ACER-VO Teil 2 A. II. 4. Anders hierzu der ansonsten ähnlich gestaltete Art. 23 der Erdgaszugangsverordnung (VO (EG) Nr. 714/2009), der in Art. 23 Abs. 1 S. 2 eine generelle Konsultationspflicht bei nach Art. 23 erlassenen Kommissionsleitlinien vorsieht. 126 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 69 i. V. m. Fn. 93. 127 Thole, IR 10/2011, 218–224 (219); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EUNetzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 69; Meeus / Schittekatte, The EU electricity ­network codes, S. 2. 128 Vergleiche hierzu Art. 18 Abs. 5 S. 4 i. V. m. Art. 23 Abs. 2 StromhandelZVO; Pritzsche / Reimers, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 10; Wellerdt, Organisation der Regulierungsverwaltung, S. 187; Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 27. Etwas anderes gilt nur für Kommissionsleitlinien mit der Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 4a ­StromhandelZVO, da hierfür das Prüfverfahren gemäß Art. 23 Abs. 3 StromhandelZVO i. V. m. Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 182/2011 einschlägig ist. 129 Beschluss 1999/468/CE des Rates vom 28. 06. 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. 1999, Nr. L 184/23 vom 17. 07. 1999) unter Berücksichtigung der Änderungen durch den Beschluss 2006/512/CE des Rates vom 17. 07. 2006 (ABl. 2006, Nr. L 200/11 vom 22. 07. 2006). 130 Da der Vertrag von Lissabon nicht auf die auf Grundlage der StromhandelZVO erlassenen Kommissionsleitlinien anwendbar ist, stellen diese Leitlinien weder delegierte Rechtsakte im Sinne des Art. 290 AEUV noch delegierte Rechtsakte im Sinne des Art. 291 AEUV dar, vergleiche Brahms, ER 2/14, 61–65 (62); Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (219); Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 39 Rn. 8; Pritzsche / Reimers, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 10; Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (260). 125

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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Im Rahmen des Regelungsverfahrens mit Kontrolle wird der Regelungsentwurf der entsprechenden Maßnahme zunächst dem Regelungskontrollausschuss vorgelegt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und dessen Vorsitz ein Vertreter der Kommission innehat.131 Der Ausschuss muss dann innerhalb der vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme abgeben. Gibt der Ausschuss eine positive Stellungnahme zum Entwurf ab, so ist dieser unverzüglich dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegen, welche ihn innerhalb einer Frist von drei Monaten mit einfacher Mehrheit (Europäisches Parlament) bzw. mit qualifizierter Mehrheit (Rat) ablehnen können. Hierbei darf die Ablehnung jedoch gemäß Art. 5a Abs. 3 lit. b)  des Beschlusses 1999/468/EG nur mit der Begründung erfolgen, „dass der von der Kommission vorgelegte Entwurf von Maßnahmen über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht oder dass dieser Entwurf mit dem Ziel oder dem Inhalt des Basisrechtsakts unvereinbar ist oder gegen die Grundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit verstößt“.132 Spricht sich weder das Europäische Parlament noch der Rat gegen den Entwurf aus, so wird dieser gemäß Art. 5a Abs. 3 lit. d) des Beschlusses 1999/468/EG von der Kommission erlassen. Trifft der Regelungskontrollausschuss hingegen eine negative Stellungnahme, so unterbreitet die Kommission dem Rat sowie gleichzeitig dem Parlament unverzüglich den Entwurf, wobei der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten mit qualifizierter Mehrheit entscheiden muss.133 Spricht sich der Rat gegen den Entwurf aus, wird dieser zwar nicht erlassen, er kann dem Rat durch die Kommission aber in geänderter Fassung erneut vorgelegt werden.134 Stimmt der Rat dem Entwurf zu oder äußert er sich nicht innerhalb der zweimonatigen Frist, wird der Entwurf gemäß Art. 5a Abs. 4 lit. d) des Beschlusses 1999/468/EG dem Europäischen Parlament unterbreitet und dieses muss darüber entscheiden.135 Durch die Annahme im Komitologieverfahren erlangen die Kommissionsleitlinien Rechtsverbindlichkeit.136 Nicht in Beschluss 1999/468/EG geregelt ist, in welcher Form der Rechtsakt beim Regelungsverfahren mit Kontrolle angenommen werden soll.137 Die EU-Kommission wählte für Kommissionsleitlinien zu-

131

Vergleiche Art. 5a Abs. 1 und 2 des Beschlusses 1999/468/EG. Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (142). 133 Vergleiche Art. 5a Abs. 4 lit. a) und b) des Beschlusses 1999/468/EG. 134 Vergleiche Art. 5a Abs. 4 lit. c) des Beschlusses 1999/468/EG. 135 Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (458). 136 Pritzsche / Reimers, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 13; Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 27; Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 39 Rn. 10 f.; Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (220). 137 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (142); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 28. 132

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

nächst oftmals die Rechtsform des Beschlusses gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV,138 in neuerer Zeit jedoch überwiegend den Rechtsakt der Verordnung im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV.139 Als Verordnung gelten die Kommissionsleitlinien unmittelbar verbindlich in den europäischen Mitgliedstaaten.140 Dadurch dass die Kommissionsleitlinien zwingend im Komitologieverfahren angenommen werden müssen, stellen sie stets einen staatlichen Rechtsakt ohne Gesetzgebungscharakter dar. Private werden allenfalls im Rahmen von Konsultationen eingebunden. Im Ergebnis besteht bei der Ausarbeitung von Kommissionsleitlinien somit eine hoheitliche Verfahrensbeherrschung, weshalb die Schwelle zur regulierten Selbstregulierung nicht überschritten wird. Die Ausarbeitung und der Erlass ist folglich der hoheitlichen Rechtsetzung unter Aufnahme von privater Selbstregulierung zuzuordnen. b) Ausarbeitung und Erlass von EU-Netzkodizes nach der StromhandelZVO Dementgegen wird die Ausarbeitung von Netzkodizes oftmals als Fall der regulierten Selbstregulierung beschrieben.141 Die als Kommissionsleitlinien verabschiedeten Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation 138

Vergleiche beispielsweise den Beschluss 2010/685/EU der Kommission vom 10. 11. 2010 zur Änderung von Kapitel 3 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen, ABl. 2010, Nr. C 293/67 vom 11. 11. 2010; Beschluss 2012/490/EU der Kommission vom 24. 08. 2012 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen, ABl. 2012, Nr. L 231/16 vom 28. 08. 2012. 139 Vergleiche beispielsweise die Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24. 07. 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement, ABl. 2015, Nr. L  197/24 vom 25. 07. 2015; Verordnung (EU) 2016/1719 der Kommission vom 26. 09. 2016 zur Festlegung einer Leitlinie für die Vergabe langfristiger Kapazität, ABl. 2016, Nr. L 259/42 vom 27. 09. 2016; Verordnung (EU) 2017/1485 der Kommission vom 02. 08. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb, ABl. 2017, Nr. L 220/1 vom 25. 08. 2017; Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23. 11. 2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem, ABl. 2017, Nr. L 312/6 vom 28. 11. 2017. Nicht als Verordnung im Sinne des Art. 288 AEUV, sondern als Rechtsakt sui generis bewerten hingegen Pritzsche und Reimers die als „Verordnung der Kommission“ erlassenen Kommissionsleitlinien, vergleiche Pritzsche / Reimers, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 15 Rn. 13. 140 Wellerdt, Organisation der Regulierungsverwaltung, S. 193. 141 Vergleiche unter anderem Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (453 ff.); Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 39 Rn. 39; Günther  / ​ Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (217); Gundel / Germelmann, EuZW 21/2009, 763–770 (766 f.); Kühling / Hermeier, IR 5/2008, 98–102 (100). Kritisch hierzu Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 297 ff.; Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregulierung, S. 94; Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (134 ff.); Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 344.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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waren zunächst als EU-Netzkodizes geplant und ausgearbeitet und wurden erst im Komitologieverfahren in eine Kommissionsleitlinie überführt.142 Daher soll an dieser Stelle ebenfalls auf die Ausarbeitung von EU-Netzkodizes eingegangen und deren Verhältnis zum Konzept der regulierten Selbstregulierung beleuchtet werden. Während die Ausarbeitung von Kommissionsleitlinien in der Hand der EUKommission liegt, sind im Rahmen von Netzkodizes größtenteils private Akteure für die Ausarbeitung verantwortlich. Gemäß Art. 6 Abs. 1 StromhandelZVO stellt die EU-Kommission jährlich eine Prioritätenliste auf, auf deren Grundlage ACER innerhalb von sechs Monaten eine unverbindliche Rahmenleitlinie ausarbeitet.143 Aufbauend auf die Rahmenleitlinie von ACER arbeitet ENTSO-E innerhalb von maximal zwölf Monaten einen Netzkodex aus.144 ENTSO-E ist ein auf Rechtsgrundlage des Art. 5 StromhandelZVO gegründeter Verband mit Sitz in Brüssel, der aus den europäischen ÜNB besteht; eine seiner wesentlichen Aufgaben ist die Ausarbeitung der EU-Netzkodizes.145 Im Rahmen der Ausarbeitung der Netzkodizes muss ENTSO-E gemäß Art. 10 Abs. 1 StromhandelZVO mit den betroffenen Marktakteuren Konsultationen durchführen.146 Anschließend legt ENTSO-E den Entwurf des Netzkodex ACER zur Kontrolle vor, die gemäß Art. 6 Abs. 7 StromhandelZVO innerhalb von drei Monaten eine begründete Stellungnahme herausgeben muss. Sobald die Agentur ACER davon überzeugt ist, dass der Entwurf der Rahmenleitlinie entspricht, legt sie den Netzkodex gemäß Art. 6 Abs. 9 S. 1 StromhandelZVO der Kommission vor und kann ihr die „Annahme“ des Netzkodex empfehlen. Erst durch die Annahme von Seiten der Kommission kommt es zu einer Verrechtlichung des bis dato unverbindlichen Regelwerks.147 Durch den Wortlaut („kann“)148 wird deutlich, dass die Annahme und damit die Verrechtlichung der Netzkodizes durch die EU-Kommission nicht zwingend, sondern fakultativ ist.149 Nimmt die Kommission den Netzkodex nicht an, so muss sie gemäß Art. 6 Abs. 9 S. 2 StromhandelZVO die Ablehnung begründen. Trotz der fehlenden Vorgabe, in welcher Rechtsform die Annahme durch die Kommission stattfindet, gehen die

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Siehe hierzu sogleich Teil 4 B. II. 2. c). Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (218); Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 340 f. 144 Vergleiche Art. 6 Abs. 6 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 StromhandelZVO; Brüning-Pfeiffer, in: Rühmkorf, Nachhaltige Entwicklung im deutschen Recht, S. 251–271 (262); Brahms, ER 2/14, 61–65 (62). 145 Brahms, ER 2/14, 61–65 (62). 146 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 49. 147 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 54. 148 „Sobald sich die Agentur davon überzeugt hat, dass der Netzkodex den einschlägigen Rahmenleitlinien entspricht, legt sie den Netzkodex der Kommission vor und kann ihr dessen Annahme innerhalb einer angemessenen Zeitspanne empfehlen. (…)“. 149 Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (457); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 27. 143

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Kommission sowie weite Teile der Literatur von einer Verrechtlichung im Komito­ logieverfahren gemäß Art. 23 Abs. 2 StromhandelZVO aus.150 Legt ENTSO-E den Entwurf eines Netzkodex nicht (fristgerecht) ACER vor, so kann entweder gemäß Art. 6 Abs. 10 StromhandelZVO die Agentur auf Aufforderung der Kommission den Netzkodex ausarbeiten oder die Kommission übernimmt diese Aufgabe gemäß Art. 6 Abs. 11 StromhandelZVO selbst. Im Gegensatz zur Erarbeitung von Kommissionsleitlinien ist die Ausarbeitungsphase der Netzkodizes wesentlich von privaten Akteuren geprägt, da diese von ENTSO-E unter Einbindung der betroffenen Marktakteure erarbeitet werden. Daher wird die Ausarbeitung der Netzkodizes in der Literatur oftmals als Fall der regulierten Selbstregulierung151 verstanden – wobei die ausgewerteten Literaturquellen meist aus der Zeit stammen, als die Netzkodizes neu eingeführt wurden und die standardmäßige Annahme-Praxis der Kommission noch nicht absehbar war.152 Dies ist deswegen naheliegend, weil verrechtlichte Netzkodizes viele Voraussetzungen der regulierten Selbstregulierung erfüllen: So setzt die Kommission mit der Erstellung der Prioritätenliste die Initiative zum Tätigwerden der Privaten und gibt damit steuernde Rahmenvorgaben für die Netzkodizes vor.153 Zudem sind die Bereiche, in denen Raum für eine Ausarbeitung der Regelwerke durch ENTSO-E besteht, hoheitlich in Art. 8 Abs. 6 StromhandelZVO vorgegeben.154 Auch bestehen gewisse Kontrollrechte, denn die hoheitlichen Akteure ACER und die EU-Kommission tragen Sorge dafür, dass Inhalt und Umfang der Vorgaben der Rahmenleitlinie beachtet werden und können gegebenenfalls korrigierend einschreiten.155 Allerdings sprechen entgegen der bisherigen herrschenden Meinung letztendlich gewichtige Gründe gegen eine Einordnung in das Konzept der regulierten Selbstregulierung, sofern der Netzkodex durch die Kommission „angenommen“

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Vergleiche hierzu ausführlich Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (137). Ebenso Ludwigs, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 39 Rn. 39; Brüning-Pfeiffer, in: Rühmkorf, Nachhaltige Entwicklung im deutschen Recht, S. 251–271 (262); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 56; Brahms, ER 2/14, 61–65 (62); a. A. Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregulierung, S. 93, die das Komitologieverfahren für nicht obligatorisch betrachtet, ohne dies jedoch weiter auszuführen. 151 Vergleiche ausführlich zum Konzept der regulierten Selbstregulierung sogleich Teil 4 B. III. 152 Unter anderem Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (453 ff); Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (217); Gundel / L ange, Die Energiewirtschaft im Instrumentenmix, 766 f.; Gundel / Germelmann, EuZW 21/2009, 763–770 (766 f.); Kühling / Hermeier, IR 5/2008, 98–102 (100). 153 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (136). 154 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (136). 155 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (136).

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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wird – was bisher stets der Fall war. Wie der Name „regulierte Selbstregulierung“ bereits impliziert, geht es dabei um private Regelwerke, die im Wege hoheitlicher Steuerung initiiert und kontrolliert werden. Der hoheitliche Einfluss beschränkt sich somit auf die Vorgabe von Verfahren und Inhalt, die Ausgestaltung hingegen obliegt den privaten Akteuren.156 Im Rahmen der Netzkodizes erfolgt die Ausarbeitung durch den privaten Verband ENTSO-E, letztendlich können jedoch die erarbeiteten Entwürfe im Rahmen des Komitologieverfahrens verrechtlicht und somit in hoheitliche Rechtsetzung inkorporiert werden.157 In diesem Fall ergeht als Letztentscheidung ein hoheitlicher Rechtsakt in Form eines Beschlusses oder einer Verordnung im Sinne des Art. 288 AEUV, die sich beide gemäß Abs. 2 und 4 gerade durch ihre Rechtsverbindlichkeit auszeichnen. Bei Annahme der Netzkodizes im Komitologieverfahren gehen also die Änderungs- und Entscheidungsbefugnis auf Hoheitsträger über und der private Akteur kann auf den Inhalt und die Form des Erlasses nicht mehr Einfluss nehmen. Die Einbindung der privaten Akteure findet somit allein in der ersten Phase des Entstehungsprozesses, also in der Ausarbeitungsphase, statt, während in der fakultativen zweiten Phase, dem Komitologieverfahren, infolge des förmlichen Verabschiedungsverfahrens der hoheitliche Charakter dominiert. Auch bei der regulierten Selbstregulierung liegt zwar die Letztentscheidungskompetenz bei den steuernden Hoheitsträgern, jedoch beschränkt sich diese allein auf die Überwachung und einen Eingriff, sofern die rechtlichen Vorgaben zu Inhalt und Umfang in den privaten Regelwerken nicht eingehalten wurden.158 Zu einer Annahme der Netzkodizes durch die Kommission kommt es jedoch nur dann, wenn die Einhaltung der Rahmenleitlinie durch die europäische Behörde ACER bestätigt wurde. Es bedarf grundsätzlich keines hoheitlichen Kontrolleingriffs. Die Letztentscheidungsbefugnis beschränkt sich bei Netzkodizes also nicht nur auf Kontrolleingriffe bei Fehlverhalten der Privaten. Vielmehr kann der Hoheitsträger auch bei rechtmäßigem privatem Verhalten handeln. Wird somit das optionale, aber in der Praxis übliche Komitologieverfahren durchgeführt, fallen die Rechtsakte der Kommission aus den soeben genannten 156

Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (149). 157 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (149). 158 Anders als bei der Normsetzung kann dies beispielsweise bei administrativem Verwaltungshandeln gesehen werden. So vertritt Schmidt-Preuß, dass bei administrativem Verwaltungshandeln auch dann ein Fall der regulierten Selbstregulierung vorliegt, wenn sich die private Verfahrensherrschaft nur auf eine vorbereitende Handlung bezieht und anschließend ein staatlicher Entscheidungsakt vorliegt. Beispielhaft führt er hierzu die Umweltverträglichkeitsprüfung mit abschließendem Planfeststellungsbeschluss auf. Bezüglich der privaten Normsetzung stellt er jedoch klar, dass sich die privaten Maßnahmen nicht lediglich auf Vorbereitungshandlungen beschränken dürfen, vergleiche Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kon­ trolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (176 ff.).

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Gründen nicht mehr unter das Verständnis der regulierten Selbstregulierung.159 Da jedoch Private eine maßgebliche Rolle bei der Ausarbeitung der Netzkodizes spielen und es zu einer intensiven Integration Privater im Ausarbeitungsprozess kommt, sind sie als Akte der hoheitlichen Regulierung unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung zu qualifizieren. Aufgrund dieser Verzahnung wird von einigen Autoren auch der Begriff der „integrierenden Regulierung“ für diese Form der Beteiligung Privater verwendet.160 c) Sonderfälle der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation: Überführung von EU-Netzkodizes in Kommissionsleitlinien Die Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation stellen einen Sonderfall dar, da sie zunächst als Netzkodizes entworfen wurden und erst im Komitologieverfahren in Kommissionsleitlinien überführt wurden. Die Ausarbeitung erfolgte als Netzkodizes in dem unter b. beschriebenen Prozess unter wesentlicher Prägung durch den privaten Verband ENTSO-E erfolgte.161 Im Komitologieverfahren wurden die ausgearbeiteten Netzkodizes-Entwürfe jedoch in Leitlinien überführt und anschließend von der EU-Kommission als Kommissionsleitlinien erlassen. Eine solche Überführung von EU-Netzkodizes in Kommissionsleitlinien ist grundsätzlich zulässig. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 12 StromhandelZVO, der besagt, dass das Verfahren zum Erlass von Netzkodizes nicht das Recht der Kommission berührt, Leitlinien gemäß Art. 18 StromhandelZVO zu erlassen und zu ändern. Die EU-Kommission ist somit auch dann zum Erlass von Leitlinien im Komitologieverfahren ermächtigt, wenn hierzu ein Netzkodex-Entwurf des ENTSO-E als Vorlage dient.162 Da die Überführung in eine Leitlinie gleichsam die Nichtannahme eines Netzkodex-Entwurfs darstellt, muss die EU-Kommission die Nichtannahme gemäß 159

Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (149 f.); a. A. unter anderem Fischerauer, ZNER 5/2012, 453–460 (453 ff.); Günther / Brucker, RdE 6/2016, 216–224 (217); Gundel / Germelmann, EuZW 21/2009, 763–770 (766 f.); Kühling  / ​ Hermeier, IR 5/2008, 98–102 (100), die jedoch in der Regel nicht zwischen der Verrechtlichung im Komitologieverfahren oder der fehlenden Annahme durch die Kommission differenzieren, sondern – verkürzt – allein auf die Ausarbeitungsphase der Netzkodizes abzielen. 160 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 297. 161 Vergleiche zur Guideline on Electricity Balancing Leffler / Fischerauer, in: Leffler / ​ ­Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 7. Die Guideline on System Operation führt drei ursprünglich als Netzkodizes geplante Regelwerke zusammen (Network Code Operational Planning and Scheduling, Network Code Operational Security und Network Code Load Frequency Control and Reserve), vergleiche Leffler / Fischerauer, in: Leffler / ​ ­Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 9 Rn. 4. 162 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (146); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleit­ linien, § 1 Rn. 62.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

171

Art. 6 Abs. 9 S. 2 StromhandelZVO begründen. Dabei muss sie Stellung dazu beziehen, warum sie den Entwurf nicht als Netzkodex erlässt, sondern in eine Kommissionsleitlinie überführt.163 Auch in diesem Kontext muss die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit. aa) StromhandelZVO dafür Sorge tragen, dass die Leitlinie ein Mindestmaß an Harmonisierung bewirkt, das zur Erreichung der Ziele der StromhandelZVO erforderlich ist, aber nicht über das für diesen Zweck erforderliche Maß hinausgeht. Es muss somit kritisch geprüft werden, ob der Netzkodex-Entwurf über das Ziel der Mindestharmonisierung hinausgehende Regelungen trifft. Wurde der Entwurf für die Leitlinie nicht von der Kommission selbst, sondern im Rahmen des Netzkodex-Verfahrens durch ENTSO-E ausgearbeitet, so muss die Kommission zudem sicherstellen, dass die Interessen Dritter in dem Rechtsakt angemessen berücksichtigt wurden.164 Dies ergibt sich vor dem Hintergrund, dass es sich um den Entwurf eines interessensgeleiteten Netzbetreiberverbunds handelt, dessen Interessen sich nicht zwingend mit den Interessen der weiteren Marktakteure decken – auch wenn ENTSO-E zur Wahrung der Interessen aller Beteiligten die Stellungnahmen der betroffenen Marktakteure im Rahmen der Konsultationen nach Art. 10 Abs. 3 StromhandelZVO auch dann berücksichtigen muss, wenn diese im Widerspruch zu den Interessen der eigenen Verbandsmitglieder stehen.165 Die Gefahr der inhaltlichen Unausgewogenheit ist durch eine sorgfältige und eigenständige Prüfung der Kommission zu beseitigen.166 Die als Netzkodizes ausgearbeiteten Rechtsakte Guideline on Electricity Bal­ ancing und Guideline on System Operation wurden wie gezeigt im Komitologie­ verfahren in zulässiger Weise in die Form von Kommissionsleitlinien überführt. Da weder die Ausarbeitung von Kommissionsleitlinien noch die Ausarbeitung von EU-Netzkodizes, die in einem Komitologieverfahren förmlich verrechtlicht werden, als regulierte Selbstregulierung zu betrachten sind, muss dies ebenso für Leitlinien gelten, die zunächst als Netzkodizes ausgearbeitet und dann in Leitlinien überführt wurden. Kennzeichnend für beide Verfahren ist der unionsrechtliche Letztentscheidungsakt der Verrechtlichung im Komitologieverfahren, wodurch der Charakter der Selbstregulierung aufgelöst wird.167 Bei der Ausarbeitung und 163 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (148); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 63. 164 Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 62; Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (148). 165 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (152); Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 62. 166 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (148). 167 Zur Letztentscheidungsbefugnis der EU-Kommission und ACER auch Säcker / Barbknecht, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 19 Rn. 15.

172

Teil 4: Normsetzungskompetenz 

dem Erlass der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation handelt es sich somit um hoheitliche Rechtsetzung in Form von Verordnungen im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV – allerdings mit starker Einbindung privater Akteure. 3. Zwischenergebnis: Hoheitliches Handeln unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung Das Steuerungskonzept des hoheitlichen Handelns unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung, auch selbstregulative Regulierung genannt, ist geprägt von einer grundsätzlich hoheitlichen Regulierung, in die Elemente privatautonomer Gestaltungsfreiheit integriert werden. Dem Hoheitsträger kommt hierbei weiterhin die Erfüllungsverantwortung zu. Die Ausarbeitung und der Erlass von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes ist von einer starken Einbindung Privater gekennzeichnet, weil diesen insbesondere umfangreiche Beteiligungsmöglichkeiten sowie teilweise auch die Ausarbeitungshoheit eingeräumt werden. Da eine Verrechtlichung der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation im Komitologieverfahren stattfand, sind diese Kommissionsleitlinien der selbstregulativen Regulierung zuzurechnen.

III. Regulierte Selbstregulierung Der Regelreservemarkt wird nicht allein durch hoheitliche Normsetzung gestaltet, sondern zu immer größer werdenden Teilen auch durch private Akteure wie beispielsweise Verbände oder ÜNB. Hintergrund der weitreichenden Aufgabenübertragung an die ÜNB hinsichtlich des Normerlasses für den Regelreservemarkt ist einerseits die technische Expertise dieser privaten Akteure sowie die höhere Flexibilität von privaten Regelwerken. Da immer ein staatlicher bzw. unionsrechtlicher Einflussfaktor das private Handeln steuert und kontrolliert, bezeichnet man diese Form der Selbstregulierung als sogenannte regulierte Selbstregulierung. Welche Gestalt das Konzept der regulierten Selbstregulierung einnimmt (1.) und wie dieses im Bereich der Regelreserve praktiziert wird (2.) ist Untersuchungsgegenstand dieses Abschnitts. Bedeutung erlangt die Untersuchung, ob hoheitliche oder private Regelwerke vorliegen, insbesondere aus zwei Gründen: Zum einen gestalten sich die rechtlichen Grenzen und der Prüfungsmaßstab beim Regelwerkerlass anders, je nachdem, ob hoheitliche oder private Akteure handeln.168 Zum anderen 168 Siehe zu den Grenzen für den Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Teil 5.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

173

stehen unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen hoheitliche und private Normen zur Verfügung.169 1. Wirtschaftssteuerung durch hoheitlich reguliertes Handeln privater Akteure Eine hoheitliche Normsetzung durch Private ist im Hinblick auf deren fehlende demokratische Legitimation unzulässig (a)). Jedoch besteht im Rahmen des Konzepts der regulierten Selbstregulierung die Möglichkeit des privaten Normerlasses. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine abstrakt-generelle Normsetzung durch Private zulässig ist, wird in (b)) behandelt. a) Fehlende demokratische Legitimation privater Akteure Erlassen einzelne oder eine Gruppe privater Akteure Regelwerke, so stellt dieses Handeln mangels demokratischer Legitimation der privaten Akteure keine hoheitliche Rechtsetzung dar.170 Das Erfordernis der demokratischen Legitimation von hoheitlichen Entscheidungsträgern folgt aus dem Demokratieprinzip, welches in Art. 20 Abs. 2 GG verankert ist.171 Demnach geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von diesem in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Wie vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung betont, stellt sämtliches staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter eine Ausübung der Staatsgewalt dar und bedarf somit einer Legitimation, die zumindest mittelbar auf den Willen des Staatsvolkes zurückzuführen ist.172 Die Beurteilung, ob ein Akteur demokratisch legitimiert und somit der staatlichen Sphäre zuzuordnen ist, erfolgt anhand des Legitimationsniveaus, das sich aus der Zusammenschau zwischen personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation ergibt.173 Erstere zeichnet sich durch eine 169

Siehe zum Rechtsschutz gegen die hoheitlichen und privaten Regelwerke Teil 6. Engler, Private Regelsetzung, S. 129; Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 251; Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 32. 171 BVerfGE 107, 59 (86 f.); Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 35 ff. 172 BVerfGE 47, 253 (272 f.); BVerfGE 77, 1 (40); BVerfGE 83, 60 (73); BVerfGE 93, 37 (68); BVerfGE 107, 59 (87). 173 Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG Band III, Art. 20 Rn. 120 und 124; Böckenförde, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 23. Ein Defizit an personeller demokratischer Legitimation kann durch einen Ausgleich an sachlich-inhaltlicher Legitimation kompensiert werden. Dies ist beispielsweise bei der funktionalen Selbstverwaltung der Fall, vergleiche den Beschluss des BVerfG zum Lippeverband, BVerfGE 107, 59 (88 f.). Voraussetzung hierfür ist, dass die Organisationsform kraft Gesetzes geschaffen wird sowie die Aufgaben und Handlungsbefugnisse hinreichend in diesem Gesetz vorherbestimmt sind. Zudem werden übersteigerte Anforderungen an die Aufsicht gestellt, BVerfGE 107, 59 (94). 170

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

ununterbrochene, auf das Volk zurückführende Legitimationskette aus, wodurch jeder Amtswalter in seinem konkreten Amt zumindest mittelbar durch das Wahlvolk berufen wird.174 Dass die Ausübung der Staatsgewalt ihrem Inhalt nach dem Willen des Volkes zugeordnet werden kann, drückt sich mit dem Erfordernis der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation aus.175 Der Amtsträger unterliegt einer Weisungsgebundenheit sowie der Aufsicht durch die jeweils übergeordneten Instanzen.176 Zur Gestaltung des Marktdesigns im Bereich des Regelreservemarkts werden in der Regel ein oder mehrere ÜNB tätig. Die Berufung der Netzbetreiber ist jedoch weder personell noch sachlich-inhaltlich auf den mittelbaren Willen des Staatsvolkes zurückzuführen, weshalb es sich bei den ÜNB nicht um staatliche, demokratisch legitimierte Akteure handelt. Erlassen nichtstaatliche Akteure im Zuge rein privatrechtlichen, also nicht-hoheitlichen Handelns Regelwerke, so ist dies unter dem Stichwort der (regulierten) Selbstregulierung zu verorten.177 Auf die Anforderungen hinsichtlich des Normerlasses durch private Akteure im Rahmen der regulierten Selbstregulierung und dessen rechtliche Grenzen wird im Folgenden eingegangen. b) Normerlass durch private Akteure im Rahmen der sogenannten regulierten Selbstregulierung Auch wenn Private mangels demokratischer Legitimation keine Befugnis zum Erlass hoheitlicher Rechtsakte innehaben, so können sie dennoch private Normen im Rahmen der (regulierten) Selbstregulierung erlassen. Aufgrund seiner Relevanz im Bereich der Regelreserve soll das Konzept der regulierten Selbstregulierung im Folgenden dargestellt werden. aa) Das Konzept der regulierten Selbstregulierung Der in der rechtswissenschaftlichen Diskussion verwendete Begriff der „regulierten Selbstregulierung“ wurde maßgeblich von Hoffmann-Riem geprägt, wobei auch Schmidt-Preuß als „Erfinder“ dieses Begriffs angesehen werden kann.178 Zudem finden sich für dieses Konzept auch andere Bezeichnungen wie 174

Böckenförde, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 24 Rn. 16 ff. Dreier, in: Dreier, GG, Band III, Art. 20 (Demokratie) Rn. 112. 176 Böckenförde, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band  II, § 33 Rn. 33; Sommermann, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 2, Art. 20 Rn. 168; BVerfGE 107, 59 (87 f.). 177 Ob eine Selbstregulierung oder eine regulierte Selbstregulierung vorliegt, unterscheidet sich – wie in Teil 4 A. aufgezeigt – anhand des Grads der staatlichen Intervention. 178 Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 9–64 (9 f.). Obwohl die Verbreitung des Begriffs maßgeblich auf Hoffmann-Riem 175

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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„gesteuerte Selbstregulierung“179, „instrumentelle Selbstregulierung“180 und „regulierte Selbststeuerung“181. Die Europäische Kommission verwendet im Weißbuch „Europäisches Regieren“ den Begriff der „Co-Regulierung“ für die Kombination aus verbindlicher Rechtsetzung und Maßnahmen privater Akteure.182 Das Konzept der regulierten Selbstregulierung findet in verschiedenen Referenzgebieten Anwendung, insbesondere im Umweltrecht, im Telekommunikations-, Energie-, Post- und Schienenverkehrsrecht, im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im Produktsicherheitsrecht.183 Die regulierte Selbstregulierung betrifft das Verhältnis von staatlichem zu privatem Handeln und stellt im Ergebnis eine Kombination der hoheitlichen Regulierung und der privaten Selbstregulierung dar.184 Charakteristisch ist, dass die privaten Maßnahmen im Gegensatz zur privaten Selbstregulierung nicht ohne staatlichen Einfluss ergriffen werden (können), sondern vielmehr in einen staatlichen Kontext eingebettet sind.185 Die staatliche Steuerung der privaten Akteure erfolgt ins­ besondere durch einen gesetzlichen Rahmen sowie staatliche Kontrollmöglichkeiten. So wird in der Regel qua Gesetzgebungsakt ein rechtlicher Rahmen durch den Staat geschaffen, der je nach Kontext die Ziele, Inhalte und das Verfahren der Selbstregulierung bestimmt.186 Es wird also ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, innerhalb dessen dem privaten Akteur Entscheidungsspielräume und Möglichkeiten für eigenverantwortliches Handeln zukommen.187 Im Vergleich zur hoheitlichen Regulierung unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung besteht somit für die privaten Akteure ein größerer Spielraum.188 Durch die Kombination zurückgeht, lässt sich schwer nachvollziehen, ob dieser oder Schmidt-Preuß „Erfinder“ des Begriffs ist, vergleiche Voßkuhle, in: Die Verwaltung, Beiheft 4, Regulierte Selbstregulierung, S. 197–200 (198). 179 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (165). 180 Di Fabio, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 235–277 (238). 181 Shirvani, Das Kooperationsprinzip im deutschen und europäischen Umweltrecht, S. 95. 182 Europäische Kommission, Weißbuch Europäisches Regieren, ABl. 2001, Nr. C 287/1, S. 17. 183 Schmidt-Aßmann, in: Die Verwaltung, Beiheft 4, Regulierte Selbstregulierung, 253–271 (256 ff). 184 Schmidt-Aßmann, in: Die Verwaltung, Beiheft 4, Regulierte Selbstregulierung, 253–271 (254); Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 8; Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 69. 185 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 54. 186 Schmidt-Preuß, ZNER 4/2002, 262–266 (262); Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (135 f.). 187 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 77. 188 Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 318.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

staatlich bindender Rechtsakte und gesellschaftlicher Handlungsformen macht sich der Staat die Eigendynamik der gesellschaftlichen Abläufe zu eigen.189 Hierdurch profitiert der Staat von den gesellschaftlichen Regelungszusammenhängen wie beispielsweise der Organisationsstruktur der privaten Akteure oder den von diesen geschaffenen Märkten.190 Die Vorteile der regulierten Selbstregulierung liegen insbesondere in der Entlastung des Staates, da weniger Verwaltungskapazitäten erforderlich sind, in einer höheren Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Regelwerke gegenüber staatlichen Rechtsakten, in der gesteigerten Akzeptanz durch Beteiligung der verantwortlichen Akteure sowie der Steigerung der Effizienz durch Ausnutzung von externem Fachwissen und Sachnähe.191 Insbesondere hinsichtlich technischer Fragen ist ein Rückgriff auf externe Expertise durch Übertragung der Regelungsfunktion an außerrechtliche Instanzen beliebt.192 Gleichzeitig bestehen jedoch bei dem Konzept der regulierten Selbstregulierung dahingehend Herausforderungen, dass bei privater Aufgabenerfüllung die Gewährleistung eines Gleichgewichts zwischen Gemeinwohl und privatnützigen Interessen schwerer zu verwirklichen ist, hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die privaten Maßnahmen bestehen müssen und nicht nur die Interessen der gesellschaftlich stärksten Gruppierungen berücksichtigt werden dürfen.193 In der Regel findet das Konzept der regulierten Selbstregulierung im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung Anwendung, da hier nicht der Staat selbst – wie bei der Erfüllungsverantwortung – die Aufgabenerfüllung wahrnimmt, sondern diese an gesellschaftliche Akteure delegiert.194 Aufgrund der Übertragung dieser Verantwortung auf Private muss der Staat die Maßnahmen der handelnden Akteure durch Lenkung und Kontrolle steuern.195 Dies ist unter anderem deswegen erforder 189

Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 41. Eifert, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 119. 191 Kerber, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, S. 59–93 (81); Eifert, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 1347 f.; Eifert, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 119; Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 41. 192 Schuppert, in: Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 217 (218); Schüler, Der institutionelle Regulierungsrahmen für die europäische Energiewirtschaft, S. 319. 193 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 1348; Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 42. Ferner Hong, Die Verwaltung 3/2018, 367–392 (369 f.). Siehe zum Rechtsschutz gegen die privaten Regelwerke Teil 6 B. Vergleiche zu den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Öffentlichkeit von privaten Normen Meurers / Beye, DÖV 2/2018, 59–67. 194 Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 57 ff.; SchmidtPreuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (165); Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 8. 195 Schmidt-Preuß, ZNER 4/2002, 262–266 (262); Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 78. 190

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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lich, weil Private in der Regel ihre eigenen Interessen verfolgen, der Staat jedoch bei der Aufgabenerfüllung das Gemeinwohlinteresse berücksichtigen muss.196 Entledigt sich der Staat der Ausführung der Aufgaben und involviert Dritte, so muss er dennoch die Einhaltung der Gemeinwohlziele gewährleisten.197 Insofern greift der Staat durch hoheitliche Maßnahmen normativer oder administrativer Art in das private Wirken ein.198 Insbesondere steuert er mittels materiell-rechtlicher Vorgaben das Verhalten der Privaten.199 Durch diese gesetzlichen Vorgaben setzt der Staat gemeinwohlsichernde Grenzen, wodurch er die Einhaltung der Interessen der Allgemeinheit gewährleistet200 und seiner Gemeinwohlverantwortung gerecht wird.201 Um die Eigenverantwortlichkeit des privaten Akteurs jedoch nicht zu unterbinden, müssen neben der Absicherung von Gemeinwohlbelangen auch die Spezifika der privaten Strukturen respektiert werden.202 Überträgt der Staat im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Erfüllung bestimmter Aufgaben an Private, muss er sich gewisse Kontrollmöglichkeiten beibehalten. Dies ergibt sich aus der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates, die eine Schädigung und Grundrechtsverletzung von Dritten verhindern soll.203 Im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung bedarf es somit Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten des Staates, der als Letztverantwortlicher zum Schutz des Gemeinwohls korrigierend in das private Handeln eingreifen kann – und aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichten auch hierzu verpflichtet ist.204 Dabei steigt der Grad der Schutzpflicht des Staates zur Verhinderung der Schädigung Dritter, je mehr Aufgaben von staatlichen auf private Akteure übergehen.205 Nur so kann der Staat seiner Verantwortung für die Gemeinwohlverwirklichung auch bei privatem Handeln gerecht werden.206

196

Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 70. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, S. 172; Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 62. 198 Ruffert, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 8. 199 Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 7 Rn. 54. 200 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 375; Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 41. 201 Inkook, Regulierung als Erscheinungsform der Gewährleistungsverwaltung, S. 82. 202 Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 42; Eifert, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 56. 203 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (172). 204 Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesellschaftlicher Selbstregulierung, S. 79; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 10. 205 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (172). 206 Inkook, Regulierung als Erscheinungsform der Gewährleistungsverwaltung, S. 82. 197

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Zusammenfassend zeigt sich, dass die staatliche Überwachung umso umfangreicher ausfällt, je intensiver der Bereich der Gefahrenabwehr betroffen ist.207 Zur Absicherung der staatlichen Überwachung legen die gesetzlichen Vorgaben neben den Maßnahmen und dem Umfang des privaten Handelns auch staatliche Kontrollmöglichkeiten und Interventionsbefugnisse bei defizitärem privaten Handeln fest.208 Letztlich folgt hieraus, dass das Konzept der regulierten Selbstregulierung nicht zu einer Deregulierung im Sinne eines Weniger an staatlichen Normen führt, sondern vielmehr mit einem erhöhten Rechtsetzungsbedarf einhergeht.209 bb) Private Normsetzung als Teilaspekt der regulierten Selbstregulierung Die regulierte Selbstregulierung kann verschiedene Anwendungsformen annehmen. So können Private zum Vollzug staatlicher Regelungen sowie zur Überwachung bzw. Kontrolle des Vollzugs eingesetzt werden.210 Daneben stellt auch die private Normsetzung einen Teilaspekt der regulierten Selbstregulierung dar. Diese geht über das Verfassen privatrechtlicher Verträge hinaus und umfasst vielmehr den Erlass von abstrakt-generellen Regelwerken durch Private.211 Verabschieden private Akteure im Rahmen des Konzepts der regulierten Selbstregulierung Normen, entstehen diese zwar in einem eigenverantwortlichen Selbstregulierungsprozess, der Staat nimmt jedoch auf diesen Prozess zur Gewährleistung einer sachgerechten Inhalts des Regelwerks Einfluss.212 So zieht sich der Staat aus der unmittelbaren Rechtsetzung zurück und beschränkt sich auf die Festlegung von Zielvorgaben und die Überwachung.213 Dem privaten Regelwerkerlass steht kein staatliches Rechtsetzungsmonopol entgegen. Ein solches Monopol wird weder vom Grundgesetz noch von sonstigen ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Grundsätzen gefordert noch wäre es mit diesen vereinbar.214 Vielmehr steht das Grundgesetz privater Normsetzung offen 207

Collin, JZ 6/2011, 274–282 (278). Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 41; Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (135 f.); Bosch, Die „Regulierte Selbstregulierung“ im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, S. 70. 209 Schuppert, in: Die Verwaltung, Beiheft  4, Regulierte Selbstregulierung, S. 201–252 (246 f.); Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, S. 41 f. 210 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 82. 211 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 82. 212 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 84; Di Fabio, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 235–277 (245). 213 Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band  V, § 100 Rn. 61; Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (253). 214 Kloepfer / Elsner, DVBl. 17/1996, 964–975 (968); Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 100 Rn. 38. 208

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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gegenüber, wie das von der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG erfasste Recht zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zeigt.215 Delegiert der dem Demokratieprinzip verpflichtete Hoheitsträger Aufgaben der Normsetzung an private Akteure, so muss er sicherstellen, dass auch diese bei Erlass der privaten Regelwerke die demokratisch-rechtsstaatlichen Mindeststandards erfüllen: Hierzu zählt unter anderem Transparenz und Publizität hinsichtlich der Zugänglichkeit und Begründung der Normungs-Entwürfe sowie eine ausgewogene Beteiligung von Betroffenen am Erlassverfahren und die Einräumung von Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten.216 Die Einbuße an direkter legislativer Steuerung durch den Staat muss durch gesetzliche Verfahrens- und Organisationsnormen kompensiert werden.217 Nur unter Einhaltung dieser Voraussetzungen begegnet die private Normsetzung keinen Bedenken.218 In den Fällen privater Normsetzung verzichtet der Staat auf hoheitliche Rechtsetzung und überträgt diese Aufgabe vollständig oder teilweise auf private Akteure.219 Mangels Rechtssatzcharakter sind diese von Privaten erlassenen abstrakt-generellen Regelwerken allerdings rechtlich unverbindlich – ihre faktische Bindungswirkung ist jedoch unumstritten.220 Eine (relative) Verbindlichkeit kann sich jedoch kraft vertraglicher Inbezugnahme oder kraft gesetzlicher Verweisung ergeben.221 Einen klassischen Anwendungsbereich privater Normsetzung stellt der Erlass von technischen Standards wie beispielweise DIN-Normen dar, welche in der Regel keine Rechtsqualität aufweisen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter darstellen.222 215

Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 87. Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (205). 217 Dreier, in: Dreier, GG, Band III, Art. 20 Rn. 119. 218 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (206). 219 Binder, Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 44. Di Fabio hingegen versteht den Erlass technischer Standards nicht als private Normsetzung, sondern vielmehr als Vollzug von Normen („vollzugsleitende Normkonkretisierung“), Di Fabio, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 235–277 (245). 220 Jakobs, Standardsetzung im Lichte der europäischen Wettbewerbsregeln, S. 34; SchmidtPreuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (203); Kerber, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, S. 59–93 (80); Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 54; Kerber, in: Möslein, Regelsetzung im Privatrecht, S. 59–93 (80); Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 54. 221 Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 554. 222 Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, S. 219. Der Inhalt privater Normen erhält jedoch dann Rechtsverbindlichkeit, wenn der Gesetzgeber sie mittels einer normergänzenden statischen Verweisung in die hoheitliche Rechtsetzung inkorporiert 216

180

Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Im Rahmen der in der regulierten Selbstregulierung verankerten Verknüpfung zwischen staatlichem und gesellschaftlichem Handeln bestehen verschiedene Formen der privaten Normsetzung: zum einen der Verweis in Gesetzen auf private Regelwerke, wobei aus verfassungsrechtlichen Gründen nur statische und keine dynamischen Verweise zulässig sind.223 Zum anderen kann der Hoheitsträger durch eine gesetzliche Ermächtigung Private dazu veranlassen, eigene Maßnahmen zur Selbstregulierung zu erlassen. Die gesellschaftlichen Akteure werden hierbei zur Konkretisierung hoheitlicher Vorgaben tätig.224 Oftmals wird durch die gesetz­ lichen Vorgaben auch eine Pflicht zur Selbstregulierung verankert.225 So ermächtigt und verpflichtet beispielsweise § 22 Abs. 2 EnWG die ÜNB zum Erlass von einheitlichen Anforderungen hinsichtlich des Beschaffungsverfahrens von Regelreserve. Das Gesetz verlangt somit von den privaten ÜNB den Erlass von abstraktgenerellen Regelungen.226 Knüpfen hoheitliche Rechtsakte an private Regelwerke an, so muss dies im Einklang mit der in Art. 20 GG verankerten Wesentlichkeitstheorie geschehen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BVerfG hat der parlamentarische Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich sind.227 Wenn der parlamentarische Gesetzgeber Entscheidungen mit einem gewissen Grad an Grundrechtsrelevanz schon nicht an untergesetzliche Rechtsetzungsinstanzen delegieren darf, so ist in diesen Fällen eine Übertragung des Normerlasses auf private Akteure erst recht nicht gestattet.228 In grundrechtsrelevanten Bereichen ist folglich eine substituierende private Normsetzung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. 2. Private Normsetzung im Regelreservebereich Seit der Europäisierung des Regelreservemarkts zeigt sich die Tendenz, dass die europäischen Vorgaben für die Erbringung von Systemdienstleistungen nicht mehr allein aus hoheitlicher Urheberschaft stammen. Vielmehr wird die Kompetenz zum Erlass von Regelungen in vielen Gebieten an private Akteure, insbesondere den

wie beispielsweise im Rahmen von § 5 Abs. 2 S. 2 Energieeinsparverordnung, die Norm selbst bleibt jedoch weiterhin rechtlich unverbindlich, Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 98. 223 Schmidt-Preuß, ZNER 4/2002, 262–266 (264); Becker, Kooperative und konsensuale Strukturen in der Normsetzung, S. 549 ff. 224 Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 83. 225 Weyer, in: Bien / Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 123–156 (135). 226 Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 185. 227 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, u. a. BVerfGE 49, 89 (126). 228 Dreier, in: Dreier, GG, Band III, Art. 20 Rn. 117.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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Verband Europäischer Netzbetreiber Strom (European Network of Transmission System Operators for Electricity – ENTSO-E) und die nationalen ÜNB delegiert. Bisher war es im nationalen Energierecht nicht gänzlich ungewöhnlich, dass sich der Staat für die Normsetzung private Akteure heranzieht. Dies galt insbesondere im Bereich der Systemdienstleistungen, wo unter anderem die Zugangsbedingungen zum deutschen Stromnetz in dem vom Verband der Netzbetreiber erlassenen privaten Transmission Code 2007229 festgelegt wurden.230 Nun findet diese Steuerungskonzeption ebenfalls im europäischen Recht vermehrte Anwendung.231 Hintergrund dieser weitreichenden Aufgabenübertragung an die ÜNB hinsichtlich des Normerlasses für den Regelreservemarkt ist einerseits die technische Expertise dieser privaten Akteure sowie die höhere Flexibilität von privaten Regelwerken. Als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Konzepts der regulierten Selbstregulierung im Bereich der Regelreserve kommen die privaten Ausführungsakte der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation durch die ÜNB in Betracht, da hier abstrakt-generelles Handeln privater Akteure durch gesetzliche Rechtsgrundlagen und Aufsicht gesteuert wird. Während bisher die Ausarbeitung und der Erlass der Kommissionsleitlinien selbst untersucht wurde, widmet sich dieser Abschnitt der Frage, ob die Ausarbeitung und der Erlass der auf den Kommissionsleitlinien beruhenden Ausführungsakte der ÜNB als Fall der regulierten Selbstregulierung zu qualifizieren sind. Während sich die juristische Literatur bereits mit der Frage befasst hat, inwiefern EU-Netzkodizes als regulierte Selbstregulierung einzustufen ist, unterblieb bislang eine Debatte über die Einordnung der Kommissionsleitlinien. Die von ENTSO-E ausgearbeiteten und von der EU-Kommission verabschiedeten Kommissionsleitlinien verpflichten die ÜNB in vielen Fällen zur Entwicklung 229

VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen), Version 1.1, August 2007. Der vom Verband der Netzbetreiber (VDN) erlassene Transmission Code 2007 enthält Netz- und Systemregeln. Bis zur Einfügung der Systemverantwortung in das EnWG (2005) bildete er die wirtschaftliche und verfahrenstechnische Grundlage der Netznutzung und diente der technisch-betrieblichen Koordination zwischen den systemverantwortlichen ÜNB und den Netznutzern, siehe Abschnitt 1.1 (2) des VDN, Transmission Code 2007 (mit Anhängen), Version 1.1, August 2007. Er enthält die technischen Mindestanforderungen der deutschen ÜNB und operiert als Basis für die bilateralen Verträge zum Netzzugang und der Netznutzung. Aufgrund seiner privatrechtlichen Rechtsnatur entfaltet er nur Bindungswirkung zwischen den deutschen ÜNB als VDN-Mitgliedern, Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Fn. 47; a. A. Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (250), der aufgrund des Verweises in § 22 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 6 StromNZV die privatrechtliche Natur ablehnt. Viele Regelungen des Transmission Code 2007 sind inzwischen aufgrund von Überarbeitungen in anderen (oftmals ebenso privaten) Regelwerken überholt. Vergleiche die einführenden Erklärungen zum Transmission Code 2007 unter https://www.next-kraftwerke.de/wissen/ regelenergie/transmission-code (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020) sowie vertiefend Hilpert, Die Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber im Strommarkt 2.0, S. 46. 231 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 39. 230

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

der Methoden und Modalitäten. Die ÜNB erfüllen diese Verpflichtung, indem sie fristgerecht den unionsrechtlichen Vorgaben inhaltlich entsprechende Regelwerke erlassen. Mit diesem Gestaltungsmodus wird das Ziel der Mindestharmonisierung gemäß Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit. aa) StromhandelZVO erreicht: Die Leitlinien treffen hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts einheitliche Vorgaben, überlassen jedoch die detaillierte Ausgestaltung den nationalen ÜNB.232 Die Besonderheit der europarechtlichen Regelungen besteht somit darin, dass in vielen Bereichen nur die Rahmenbedingungen vorgegeben werden, innerhalb derer sich die nationalen Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen bewegen müssen, die konkrete Marktgestaltung jedoch durch die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB festgelegt wird. Zunächst erfolgt eine Begriffsbestimmung der von den ÜNB in diesem Kontext erlassenen Regelwerke, den sogenannten „Ausführungsakten“ (a)). Bezüglich des Verfahrensgangs dieser privaten Regelwerke sind in den Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation spezifische Anforderungen festgelegt (b)). Die Ausführungsakte sind von privaten Akteuren erlassene Regelwerke und damit rechtlich unverbindlich (c)). Insgesamt sind diese zur Ausführung der Kommissionsleitlinien erlassenen Regelwerke der ÜNB als Akte der regulierten Selbstregulierung zu qualifizieren (d)). a) Begriffsbestimmung „Ausführungsakt“ Die Kommissionsleitlinien treffen in vielen Aspekten selbst keine konkreten Vorgaben und Regelungen, sondern verpflichten die Netzbetreiber zur Entwicklung von Methoden und Modalitäten auf Grundlage der Anforderungen der Kommissionsleitlinien. So enthalten die Guideline on Electricity Balancing und die Guide­line on System Operation europarechtliche Rahmenvorgaben für die nationale Gestaltung der Präqualifikationsbedingungen233 und des Beschaffungsverfah-

232

Beispielhaft aufgezeigt werden kann dieses Regelungskonstrukt anhand der Gestaltung der Regelreserve-Produktqualitäten, die Gegenstand der Regelreserve-Ausschreibungen sind: Die Guideline on Electricity Balancing verpflichtet in Art. 25 die europäischen ÜNB zur gemeinsamen Entwicklung von Regelreserve-Standardprodukten. Die einzelnen technischen Anforderungen – wie zum Beispiel die Zeit bis zur vollständigen Aktivierung – werden hierbei nicht unmittelbar von der verbindlichen Kommissionsleitlinie vorgegeben, sondern müssen von den europäischen ÜNB entsprechend den Maßgaben der Guideline on Electricity Balancing gemeinsam entwickelt werden. Ziel der Einführung von Standardprodukten ist das Erreichen einer Mindestharmonisierung, da es in Europa circa 25 verschiedene Regelleistungsprodukte gibt. Durch die Vorgabe von Standardprodukten sollen die Produkte nun durch einheitliche europäische RegelreserveStandardprodukte ersetzt und die diesbezüglichen Vorschriften mit dem Ziel der Förderung von grenzüberschreitendem Wettbewerb und Liquidität harmonisiert werden, vergleiche Leffler  / ​ Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 29. 233 Siehe vertiefend zum Präqualifikationsverfahren Teil 2 A. I.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

183

rens für Regelreserve.234 Mit dem Erlass von privaten Regelwerken kommen die ÜNB ihren Pflichten aus den unmittelbar geltenden Kommissionsleitlinien nach; der Erlass der Regelwerke dient somit der Ausführung der unionsrechtlich festgelegten Pflichten. Daher werden im Folgenden Regelwerke, die aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Unionsrecht von Privaten erlassen wurden, als Ausführungsakte bezeichnet. Vereinzelt wird in diesem Kontext von einer „Umsetzung“ der Vorgaben der Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes in das nationale Regelwerk gesprochen.235 Streng genommen handelt es sich hierbei jedoch um keine „Umsetzung“ im juristischen Sinne. Klassischerweise wird dieser Begriff in der Rechtswissenschaft allein im Kontext der mitgliedstaatlichen Umsetzung von Richtlinien verwendet. Im Gegensatz zu Richtlinien sind Verordnungen hingegen unmittelbar verbindlich und bedürfen somit grundsätzlich keiner mitgliedstaatlichen Umsetzung.236 Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte „hinkende Verordnungen“, welche einer mitgliedstaatlichen Durchführungsbestimmung bedürfen, um Lücken der unionsrechtlichen Verordnung durch nationale Konkretisierungsakte zu schließen.237 Die Verordnung muss in diesem Fall ausdrücklich die Mitgliedstaaten zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen verpflichten.238 Hierbei kommt den Mitgliedstaaten ein gewisser Handlungsspielraum für eigenes Handeln zu, der jedoch enger als bei Richtlinien ist.239 Die Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation wurden als unmittelbar geltende Verordnungen im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV erlassen. Doch obwohl sie in vielen Bereichen keine detaillierten Vorgaben treffen, sondern diese Aufgabe an Dritte delegieren, sind sie nicht als hinkende Verordnungen einzustufen. Zwar erscheint eine Qualifizierung als hinkende Verordnung auf den ersten Blick naheliegend, da die fehlenden recht­ lichen Detailvorgaben als Regelungslücke gedeutet werden könnten. Jedoch spricht gegen eine Einordnung als hinkende Verordnung, dass in der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation nicht die Mitgliedstaaten, sondern Private zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen verpflichtet werden. Zudem enthalten die beiden Leitlinien keine Regelungslücken in der Form, dass die unmittelbar geltenden Verpflichtungen näher konkretisiert werden müssen, um Anwendung zu finden. Vielmehr enthalten die unionsrechtlichen Verordnungen ausreichend bestimmt formulierte Verpflichtungen, die keiner weiteren Durch 234

Vergleiche beispielsweise Art. 18–22 Guideline on Electricity Balancing und Art. 155–162 Guideline on System Operation. 235 Frenz, N&R 3–4/2018, 139–144 (139). 236 Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 20. 237 Mester, DuD 4/2013, 250 (250). 238 Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 21. Laut Nettesheim genügt auch eine implizite Ermächtigung, Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 288 AEUV Rn. 46. 239 Columbus / List, NL-BzAR 6/2008, 226–230 (227).

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

führungsbestimmung durch staatliche Gesetze bedürfen.240 Die Vorgaben, welche Methoden und Modalitäten durch die Netzbetreiber im Einzelnen zu entwickeln sind, erfahren eine präzise Formulierung ohne Regelungslücke. Somit verbleibt kein Raum für mitgliedstaatliches Handeln. Vielmehr verpflichten die Kommissionsleitlinien die Adressaten – im Fall der Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation die Netzbetreiber – durch konkrete Pflichten unmittelbar zum Tätigwerden. Dass sich diese Pflicht auf die Entwicklung von Methoden und Modalitäten und damit auf den Erlass von abstrakt-generellen Regelwerken erstreckt, mag an hinkende Verordnungen erinnern, stellt jedoch letztendlich nichts anderes als ein an eine juristische Person adressiertes unmittelbar geltendes Gebot dar. Mangels Qualifizierung als hinkende Verordnung ist somit aus formaler juristischer Sicht der Begriff der „Umsetzung“ unzutreffend und der präzisere Begriff der „Ausführung“ juristisch vorzugswürdig. Da sich jedoch auch im Kontext der Kommissionsleitlinien der Begriff der „Umsetzung“ etabliert hat, findet diese Terminologie Eingang in diese Arbeit und wird nicht-juristisch angewandt. Somit werden in vorliegender Arbeit die Begriffe „Ausführung“ und „Umsetzung“ in diesem Zusammenhang synonym verwendet. b) Verfahrensgang der Ausarbeitung der Ausführungsakte Um eine Bewertung über die Einordnung der Ausführungsakte in das Konzept der regulierten Selbstregulierung vornehmen zu können, muss zunächst deren Verfahrensgang und Ausarbeitungsprozess untersucht werden. Die Vorgaben zum Verfahrensgang zur Ausarbeitung der Ausführungsakte durch die ÜNB befinden sich leitlinienspezifisch in den einzelnen Leitlinien. Hinsichtlich der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation wird der Verfahrensgang hauptsächlich in Art. 4 bis 10 Guideline on Electricity Balancing bzw. in Art. 5 bis 11 Guideline on System Operation sowie zusätzlich in den jeweiligen spezifischen Normen festgelegt. Da beide Verfahren hinsichtlich der Ausarbeitung der Ausführungsakte wortgleich gestaltet sind, wird hier auf beide gemeinsam eingegangen. Zunächst entwickeln die ÜNB Vorschläge für die jeweils nach den Verordnungen zu erlassenden Methoden und Modalitäten.241 Je nach Vorgabe in den Leitlinien 240

Leffler und Fischerauer bewerten Leitlinien hingegen als kein vollständiges Regelwerk, da sie sich „auf die Festlegung von Grundsätzen und Methoden beschränken (…) oder bestimmte Aspekte des jeweiligen Regelungsbereichs für eine Ausgestaltung und Konkretisierung durch die Mitgliedstaaten in einem eigene [sic] nationalen Umsetzungsakt offen“ lassen, Leffler  / ​ ­Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 73. 241 Vergleiche Art. 4 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 1 Guideline on System Operation.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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kann diese Pflicht einen einzelnen ÜNB, eine Gruppe von ÜNB oder alle ÜNB der europäischen Mitgliedstaaten gemeinsam treffen. Die Frist zur Ausarbeitung ist in den jeweiligen die Verpflichtung enthaltenen Artikeln festgelegt. Muss gemäß der Verordnung ein Vorschlag für Methoden und Modalitäten von mehr als einem ÜNB gemeinsam ausgearbeitet werden, so verpflichtet Art. 4 Abs. 2 S. 1 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 2 S. 1 Guideline on System Operation die ÜNB zu einer engen Zusammenarbeit. In diesem Fall müssen die ÜNB zudem die zuständigen Regulierungsbehörden und die EU-Agentur ACER mit Unterstützung durch ENTSO-E regelmäßig über die bei der Entwicklung dieser Methoden oder Modalitäten erzielten Fortschritte informieren.242 Sollten sich die ÜNB nicht auf einen Vorschlag einigen können, so enthalten die Art. 4 Abs. 3–6 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 3–8 Guideline on System Operation konkrete Vorgaben zu den Abstimmungsmodalitäten und Mehrheiten. Da die ÜNB private Verbände mit eigenen Interessen sind, sehen die Guideline on Electricity Balancing und die Guideline on System Operation die Beteiligung weiterer Marktakteure an der Ausarbeitung vor. So sorgt ACER in Zusammenarbeit mit ENTSO-E für die Beteiligung von betroffenen Interessensträgern, indem sie unter anderem regelmäßige Sitzungen mit diesen initiiert.243 Zudem bestehen Vorgaben hinsichtlich der durchzuführenden öffentlichen Konsultationen in Art. 10 Guideline on Electricity Balancing und Art. 11 Guideline on System Operation. Im Rahmen dieser Verfahren konsultieren die ÜNB Interessensträger, einschließlich der relevanten mitgliedstaatlichen Behörden zu den Entwürfen der Vorschläge für die Methoden oder Modalitäten. Die Konsultation dauert mindestens einen Monat, es sind jedoch hiervon abweichend auch für gewisse Aspekte auch längere Fristen vorgesehen. Die Interessensvertreter haben im Rahmen der Konsultation die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, die von den ÜNB gemäß Art. 10 Abs. 6 S. 2 Guideline on Electricity Balancing und Art. 11 Abs. 3 S. 2 Guideline on System Operation „angemessen berücksichtigt“ werden müssen. Die ÜNB müssen gemäß Art. 10 Abs. 6 S. 2 Guideline on Electricity Balancing und Art. 11 Abs. 3 S. 2 Guide­ line on System Operation in einer zu veröffentlichenden Erklärung auf fundierte Weise begründen, weshalb sie die aus der Konsultation hervorgegangenen Stellungnahmen „berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt“ haben. An dieser Stelle ist der missverständliche Wortlaut in den beiden Leitlinien auffällig. Gemäß S. 1 der jeweiligen Kommissionsleitlinie besteht eine uneingeschränkte Pflicht zur Berücksichtigung der Stellungnahme, während in S. 2 anscheinend die Option besteht, die Stellungnahme nicht zu berücksichtigen. Dieser Widerspruch löst sich jedoch mit Blick in die englische Version auf, da hier die Pflicht, die Stellungnahmen zu berücksichtigen („to take duly into account“), eindeutig formuliert ist. Zudem

242

Vergleiche Art. 4 Abs. 2 S. 2 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 2 S. 2 Guideline on System Operation. 243 Vergleiche Art. 9 Guideline on Electricity Balancing und Art. 10 Guideline on System Operation.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

wird bei der Begründung deutlich, dass sie sich nicht darauf bezieht, ob die in der Stellungnahme geäußerte Ansicht der Marktakteure berücksichtigt wurde oder nicht, sondern ob sie einbezogen wurde oder nicht („justification for including or not including“). Es besteht somit in allen Fällen eine Pflicht zur Berücksichtigung der Stellungnahmen, jedoch können die ÜNB die Änderungsvorschläge auch begründet ablehnen. In Art. 5 Guideline on Electricity Balancing und Art. 6 Guideline on System Operation sind Regelungen zur Genehmigung der Vorschläge der Methoden und Modalitäten durch die zuständige Regulierungsbehörde vorgesehen. Hinsichtlich bestimmter Anwendungsbereiche sieht die Guideline on System Operation hiervon abweichend vor, dass die Genehmigung von einer „von dem Mitgliedstaat benannten Stelle“ ausgesprochen werden kann. Soweit der Mitgliedstaat nichts anderes bestimmt, handelt es sich gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 2 und 3 Guideline on System Operation bei der benannten Stelle um die Regulierungsbehörde. Grundsätzlich bedürfen nicht alle Vorschläge zu Methoden und Modalitäten einer Genehmigung, sondern nur die in Art. 5 Guideline on Electricity Balancing bzw. Art. 6 Guideline on System Operation genannten Bereiche. Zudem wird in den Leitlinien festgelegt, ob nur eine Regulierungsbehörde (bzw. von einem Mitgliedstaat benannte Stelle), eine Gruppe von Regulierungsbehörden oder alle Regulierungsbehörden ihre Genehmigung erteilen müssen. Sieht die Regulierungsbehörde im Genehmigungsverfahren Änderungsbedarf, so müssen die ÜNB innerhalb von zwei Monaten geänderte Entwürfe vorlegen, über die die Regulierungsbehörden innerhalb von zwei weiteren Monaten entscheiden müssen.244 Abschließend sind die genehmigten Methoden und Modalitäten – bzw. sofern keine Genehmigung erforderlich ist, die von den ÜNB festgelegten Methoden und Modalitäten – gemäß Art. 7 Guideline on Electricity Balancing und Art. 8 Guideline on System Operation im Internet zu veröffentlichen. c) Rechtsnatur der Ausführungsakte Die Ausführungsakte stellen von privaten Akteuren, in der Regel Verbänden, erlassene abstrakt-generelle Regelwerke dar. Private Regelungen haben mangels Rechtssatzcharakters keine rechtliche Verbindlichkeit.245 Dies ergibt sich auch aus

244 Vergleiche Art. 6 Abs. 1 Guideline on Electricity Balancing und Art. 7 Abs. 1 Guideline on System Operation. 245 Vergleiche den amtlichen Leitsatz des BVerwG, NJW 1962, 506 (506): „Als „anerkannte Regeln der Technik“ genehmigte Bestimmungen privater Gremien sind keine Rechtsnormen.“ Zudem Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (203); Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 83.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

187

der fehlenden demokratischen Legitimation der privaten Akteure. Den privaten Regelwerken kann jedoch eine faktische Bindungswirkung zukommen.246 Eine Verrechtlichung tritt auch nicht durch die teilweise erforderliche Genehmi­ gung der Ausführungsakte durch die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde ein. Die Rechtswirkung von Genehmigungen der Bundesnetzagentur ist in § 29 Abs. 1 Alt. 2 EnWG angedeutet. Dort ist aufgeführt, dass die Genehmigung „gegenüber dem Antragsteller“ erfolgt. Die Genehmigung stellt somit einen Verwaltungsakt dar, der sich auf die Billigung oder Ablehnung der beantragten Bedingungen oder Methoden bezieht.247 Es handelt sich folglich um eine konkretindividuelle Einzelfallverfügung gegenüber einem Antragsteller.248 Eine Verrechtlichung durch Überführung in ein hoheitliches abstrakt-generelles Regelwerk mit Normsatzcharakter findet also gerade nicht statt. Auch im Falle einer Genehmigung durch die Bundesnetzagentur handelt es sich somit weiterhin um ein privates Regelwerk ohne rechtliche Verbindlichkeit. Hierbei kann sich jedoch ein rechtliches Paradox ergeben: Die in der Rechtsform einer Verordnung erlassene Kommissionsleitlinie enthält verbindliche Vorgaben, die von den Netzbetreibern in den grundsätzlich unverbindlichen privaten Regelwerken aufgegriffen werden (müssen). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich die Kommissionsleitlinien nicht nur auf die Vorgabe von Methoden und Grundsätzen beschränken, sondern in Einzelfällen auch detaillierte inhaltliche Vorgaben treffen. In der Praxis führt dies dazu, dass die ÜNB in den privaten, unverbindlichen Regelwerken die detaillierten, verbindlichen Vorgaben der Kommissionsleitlinien aufgreifen und wortgleich übernehmen. Auch wenn diese Übernahme nicht dazu führt, dass die betroffenen Klauseln der privaten Regelwerke hierdurch einen rechtsverbindlichen Charakter erhalten, so ist es dennoch erforderlich, dass diese Regelungen verpflichtend eingehalten werden, auch wenn sie in einem privaten Regelwerk verankert ist. Anderenfalls droht eine Untergrabung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts. d) Erlass der Ausführungsakte als Anwendungsfall der regulierten Selbstregulierung Die Ausarbeitung der Ausführungsakte durch einen oder mehrere ÜNB auf Basis der entsprechenden Verpflichtungen aus den Kommissionsleitlinien Guide­ line on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation kann als

246 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (203); Härtel, Europäische Rechtsetzung, § 24 Rn. 11; Jakobs, Standardsetzung im Lichte der europäischen Wettbewerbsregeln, S. 34, für technische Normen. 247 Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 44 Rn. 4. 248 Pielow, in: Baur / Salje / Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, § 44 Rn. 4.

188

Teil 4: Normsetzungskompetenz 

Anwendungsfall der regulierten Selbstregulierung betrachtet werden.249 Die privaten Akteure erhalten durch die Kommissionsleitlinien einen konkreten Handlungsauftrag durch einen Hoheitsträger, indem Rahmenvorgaben bezüglich Aufgabe, Umfang und Inhalt der zu erlassenden Regelwerke hoheitlich festgelegt werden. Der Erlass der Regelwerke durch die ÜNB erfolgt somit nicht – wie bei der privaten Selbstregulierung – aus Eigeninitiative, sondern aufgrund rechtlicher Verpflichtung. Die Europäische Union wirkt lenkend auf die private Setzung des Regelwerks ein, indem sie in einigen Aspekten nicht selbst hoheitlich die Detailregelungen bezüglich des Regelreserve-Marktdesigns trifft, sondern die Entwicklung der Methoden und Modalitäten auf Private überträgt. Durch die normativen Rahmenvorgaben soll gewährleistet werden, dass eine Balance zwischen den eigenen Interessen der ÜNB, den Interessen der Marktakteure sowie den Gemeinwohlzielen erreicht wird. Dies zeigt sich unter anderem in den Zielen der Guideline on Elec­ tri­city Balancing (Art. 3) und der Guideline on System Operation (Art. 4). Dort heißt es jeweils wortgleich in Absatz 2 der entsprechenden Kommissionsleitlinien, dass bei der Anwendung der Verordnung die Mitgliedstaaten, zuständigen Behörden und Netzbetreiber unter anderem die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Diskriminierungsfreiheit sowie den Grundsatz der Optimierung zwischen höchster Gesamteffizienz und den geringsten Gesamtkosten für alle Beteiligten anwenden müssen. Zudem sind die ÜNB verpflichtet, die ihnen übertragene Verantwortung für die Gewährleistung der Systemsicherheit zu beachten. Neben der staatlichen Steuerung bezüglich des Inhalts und Umfangs der privaten Regelwerke setzt die regulierte Selbstregulierung zudem hoheitliche Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten voraus. So unterliegt die Einhaltung der Vorgaben der Rechtsgrundlagen hoheitlicher Kontrolle, ebenso besteht für Hoheitsträger die Möglichkeit, bei defizitärem privaten Handeln steuernd einzugreifen. Die Rechtsgrundlagen der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation werden dem Aspekt der hoheitlichen Kontrolle überwiegend, aber nicht vollständig gerecht. So ist in den in Art. 5 Guideline on Electricity Balancing und Art. 6 Guideline on System Operation aufgezählten Bereichen eine Genehmigung der zuständigen Regulierungsbehörde bzw. benannten Stelle nötig. Durch die erforderliche Genehmigung steht eine hoheitliche Kontrollinstanz zur Verfügung, die die Einhaltung der verbindlichen Vorgaben der Kommissionsleitlinien überwacht. Zudem gewähren die Leitlinien den nationalen Regulierungsbehörden durch die Möglichkeit, einen geänderten Entwurf von den ÜNB zu fordern, eine staatliche Befugnis zum Einschreiten bei defizitärem privaten Handeln. So wird die Letztentscheidungskompetenz bei nicht fristgerechtem Tätigwerden der Privaten in die

249

So auch Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (253) zu dem bisherigen, rein nationalen Regelenergie-Marktdesign, insbesondere zum Transmission Code 2007 der ÜNB, der ehemals die Präqualifikationsbedingungen enthielt.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

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Hand der EU-Kommission gelegt: Gelingt es den ÜNB nicht, fristgerecht eine Einigung über einen Entwurf zu erzielen, so ergreift die EU-Kommission gemäß Art. 4 Abs. 7 S. 3 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 9 S. 3 Guide­ line on System Operation geeignete Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass die notwendigen Methoden und Modalitäten innerhalb weniger Monate angenommen werden können. Jedoch erfordern – wie oben bereits angedeutet – nicht alle Vorschläge für Methoden und Modalitäten eine Genehmigung. In den Bereichen, die nicht von der Genehmigungspflicht der Art. 5 Guideline on Electricity Balancing und Art. 6 Guideline on System Operation umfasst sind, können die ÜNB private Regelwerke ohne hoheitliche Kontrolle erlassen. Dabei stellen die Bereiche ohne Genehmigungspflicht nicht grundsätzlich unwesentliche Aspekte dar, beispielsweise bedarf der Erlass der Präqualifikationsbedingungen keiner Genehmigung. Ist eine hoheitliche Genehmigung nicht erforderlich, unterliegen die privaten Akteure letztlich nur einer sehr eingeschränkten hoheitlichen Kontrolle. Sofern die ÜNB also nicht pflichtgemäß die Vorgaben der Leitlinien ausführen, besteht kein staatlicher Überwachungsmechanismus. In diesem Fall bleibt lediglich die Möglichkeit für betroffene Marktakteure, behördlichen oder gerichtlichen Rechtsschutz gegen die privaten Regelwerke zu suchen, um die mangelhafte Ausführung der unionsrechtlichen Vorgaben zu rügen.250 In den Bereichen ohne erforderliche Genehmigung gibt der Hoheitsträger zudem seine Letztentscheidungsbefugnis bei defizitärem Handeln auf. Allein bei gänzlich unterlassenen privaten Entscheidungen, nicht jedoch bei ungenügenden privaten Maßnahmen kann die EU-Kommission gemäß Art. 4 Abs. 7 S. 3 Guideline on Electricity Balancing und Art. 5 Abs. 9 S. 3 Guideline on System Operation einschreitend tätig werden. Im Ergebnis ist es durchaus als kritisch zu bewerten, wenn der Staat bzw. die Europäische Union die Normsetzung an Private delegiert, sich allerdings nicht in allen Fällen eine hinreichende hoheitliche Aufsichtsmöglichkeit durch einen Genehmigungsvorbehalt behält. Gerade bei Übertragung hoheitlicher Aufgaben an Private muss der Staat bzw. die Europäische Union im Rahmen der Gewährleistungsverantwortung und der Schutzpflichten stets korrigierend einschreiten können. Insbesondere im Rahmen privater Normsetzung besteht eine gesteigerte Gefahr eines Interessenskonflikts zwischen den Interessen des normsetzenden Akteurs, denen der anderen Marktakteure sowie dem Gemeinwohl. Nur durch die Verankerung einer hoheitlichen Kontrollmöglichkeit kann gewährleistet werden, dass diese Belange in einem ausgeglichenen Verhältnis berücksichtigt werden. Im Bereich der Regelreserve, wo die ÜNB sowohl normsetzend als auch ausführend – durch die Betreibung der Plattformen zur Beschaffung von Regelreserve – tätig sind, ist die Gefahr eines Interessenskonflikts immanent. Aus diesem Grund ist zur Wahrung der Gewährleistungsverantwortung und der Schutzpflichten eine

250

Vergleiche zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen private Regelwerke Teil 6 B.

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Teil 4: Normsetzungskompetenz 

uneingeschränkte Genehmigungspflicht privater Normsetzung zur Wahrung aller Interessen erforderlich. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ausführungsakte der ÜNB auf einer steuernden hoheitlichen Rechtsgrundlage beruhen und zumindest in den Fällen der erforderlichen Genehmigung eine hoheitliche Kontroll- und Letztentscheidungsinstanz besteht. Die Ausarbeitung der Ausführungsakte durch die ÜNB zur Erfüllung der Verpflichtung aus den Kommissionsleitlinien stellt somit einen Fall der regulierten Selbstregulierung dar. Eine hoheitliche Genehmigungspflicht ist zwar nicht für alle Ausführungsakte der ÜNB im Bereich der Regelreserve gesetzlich vorgesehen, im Rahmen der regulierten Selbstregulierung wäre diese jedoch eigentlich erforderlich. Hier entsteht entsprechender Anpassungsbedarf der Vorschriften der Kommissionsleitlinien. e) Zwischenergebnis: Private Normsetzung im Regelreservebereich Mit der Europäisierung des Regelreservemarkts durch die Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation lässt sich eine zunehmende Beteiligung Privater an der Normsetzung im Bereich der Regelreserve beobachten. Diese Involvierung privater Akteure fand bzw. findet maßgeblich auf zwei Ebenen statt. Zunächst erfolgte die Ausarbeitung der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation durch den privaten Verband ENTSO-E und deren Verabschiedung im Rahmen des Komitologieverfahrens als Verordnungen der Kommission im Sinne des Art. 288 Abs. 2 AEUV. Auf der zweiten Stufe fand die Entwicklung von Methoden und Modalitäten durch einen, mehrere oder alle europäischen ÜNB im Rahmen der Verpflichtungen aus den beiden Kommissionsleitlinien statt. Diese enthalten als steuernde Rahmenvorgaben Anforderungen bezüglich des Inhalts und Umfangs der Ausführungsakte und sehen teilweise hoheitliche Kontrollmöglichkeiten sowie eine staatliche Genehmigungspflicht durch die nationalen Regulierungsbehörden vor. Aufgrund dieser Ausgestaltung stellt die Ausarbeitung dieser privaten Regelwerke durch die ÜNB einen Fall der regulierten Selbstregulierung dar. 3. Ergebnis: Regulierte Selbstregulierung Das Konzept der regulierten Selbstregulierung ist geprägt von privatem Handeln, welches einer staatlichen Steuerung unterliegt. Diese offenbart sich zum einen in einer lenkenden Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Privaten tätig werden, zum anderen in der staatlichen Kontrollmöglichkeit über das private Handeln in Verbindung mit einer hoheitlichen Letztentscheidungsbefugnis. Das Konzept der regulierten Selbstregulierung kann auch eine private Normsetzung umfassen.

B. Hoheitliche und private Normsetzung 

191

Im Bereich des Regelreservemarkts findet die regulierte Selbstregulierung bei der Ausarbeitung der Ausführungsakte durch die ÜNB Anwendung, da hier Private aufgrund der Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation zum Erlass von abstrakt-generellen Regelwerken in Form von Methoden und Modalitäten verpflichtet werden.

Teil 5

Höherrangige Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Sollen wettbewerbliche Märkte zur Erreichung der festgelegten politischen Ziele transformiert werden, erlassen die in Teil 4 genannten hoheitlichen und privaten Akteure zur Lenkung der Wirtschaft regulatorische Steuerungsinstrumente, insbesondere Marktzutrittsregeln und / oder Marktmodalitätenbestimmungen. Dieser Eingriff in den Markt kann (teils erhebliche) Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung der Marktteilnehmer haben. Im Bereich der Regelreserve ermöglicht er einerseits neuen Akteuren und Technologien am Markt teilzunehmen, da eine rechtliche Gleichstellung aller Marktteilnehmer hinsichtlich des Marktzutritts durch den Abbau von regulatorischen Hemmnissen angestrebt wird. Andererseits stellen solche Maßnahmen stets auch eine Beeinflussung des bestehenden Wettbewerbs dar, welche für die bisherigen Marktteilnehmer den Verlust ihrer Marktposition bedeuten kann. Somit sind beim Einsatz von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen die wirtschaftlichen Interessen sowohl der bisherigen als auch die potenziell neuer Wirtschaftsakteure betroffen. Zur Gewährleistung eines hinreichenden Schutzes der Marktteilnehmer sind die hoheitlichen und privaten Regulierer beim Erlass von abstrakt-generellen Steuerungsinstrumenten an materiell-rechtliche Grenzen gebunden. Dies gilt sowohl für den Erlass von allgemeinen, das heißt für alle Marktteilnehmer geltende, Regelungen als auch für den Erlass von Sonderregelungen, also Vorschriften, die nicht für alle Marktteilnehmer einheitlich gelten, sondern nur für eine spezielle Gruppe von Akteuren bzw. Produkten. Bei der Untersuchung des materiell-rechtlichen Rahmens bestehen hinsichtlich der Bindungswirkung gewisse Besonderheiten, da die Schranken jeweils unterschiedliche Verpflichtungsadressaten ansprechen. Während hoheitliche Akteure grundsätzlich an das jeweilige höherrangige Recht gebunden sind, wird eine Bindungswirkung der Grundrechte und Grundfreiheiten für Private zumindest kontrovers diskutiert, teilweise aber auch gänzlich abgelehnt. Bei den im Folgenden zu untersuchenden Schranken muss daher stets unterschieden werden, welcher hoheitliche oder private Akteur das jeweilige Regelwerk erlässt. Sofern die Steuerung wie beim Regelreservemarkt sogar durch mehrere Steuerungssubjekte erfolgt,1 gelten für jeden dieser regulierend in den Markt eingreifenden Akteure spezifische Grenzen.2 1

Die regulatorische Gestaltung des Regelreservemarkts erfolgt durch Unionsorgane, mitgliedstaatliche Hoheitsträger sowie private ÜNB, vergleiche Teil 4. 2 In diesem Teil 5 wird der jeweilige Adressatenkreis der untersuchten Schranken stets im Vorfeld der konkreten Prüfung unter der Überschrift „Bindungswirkung“ behandelt.

Teil 5: Höherrangige Grenzen

193

Für den Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen bestehen auf allen Ebenen des internationalen, europäischen und nationalen Rechts eine Vielzahl an Schranken setzenden Vorschriften, die im Zusammenhang der Markttransformation von den handelnden Akteuren beachtet werden müssen. Diese Arbeit nimmt die für den Regelreservemarkt zentralen Problemkreise in den Blick,3 die sich insbesondere aus dem Primär- und Verfassungsrecht ergeben.4 Hierzu werden zunächst die materiell-rechtlichen Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen dargestellt sowie deren jeweilige Bedeutung für den Regelreservemarkt untersucht (A.). Anschließend erfolgt in paralleler Struktur eine Analyse der Schranken beim Erlass von Sonderregelungen (B.). Angesichts der hieraus erzielten Ergebnisse werden die Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen aufgezeigt (C.). Keine materiell-rechtlichen Grenzen, sondern Leitlinien für das wirtschaftspolitische Handeln der Mitgliedstaaten und der Union stellen die Vorgaben zur europäischen Wirtschaftspolitik in Art. 119 ff. AEUV dar, die das in Art. 3 Abs. 4 EUV verankerte Ziel der Errichtung einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion konkretisieren.5 Der Vertrag sieht keine zentralisierte europäische Wirtschaftspolitik vor, sondern beauftragt die Union mit der Koordinierung der jeweiligen Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten,6 welche gemäß Art. 119 Abs. 1 AEUV dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet sein muss.7 Seit dem Vertrag von Lissabon ist in Art. 3 Abs. 3 EUV eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft vorgeschrieben, die den Grundsatz des offenen Wettbewerbs durch ihre soziale Zielsetzungen ergänzt, ohne jedoch eine neue Grundausrichtung einzuführen.8 Die wirtschaftspolitische Ausrichtung vermittelt keine subjektiven Individualrechte, sondern dient dazu, die Union und die Mit 3

Eine vertiefte rechtsgebietsübergreifende Analyse der materiell-rechtlichen Grenzen hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und wäre auf lehrbuchhafte Ausführungen beschränkt geblieben. Die Ergebnisse zum Regelreservemarkt können jedoch auch auf den Regelwerkerlass in anderen Märkten übertragen werden, soweit ein vergleichbarer Sachverhalt im Rahmen der Marktgestaltung vorliegt. 4 Die Untersuchung erfolgt aufbauend auf dem sekundärrechtlichen und nationalen einfachgesetzlichen Rechtsrahmen, der in Teil 1 und insbesondere Teil 2 aufgezeigt wurde. Die Vorschriften des internationalen Rechts, insbesondere des internationalen Wirtschaftsrechts und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), entfalten für den Regelreservemarkt wenig Relevanz, für weitere Ausführungen wird auf die ausführlichen Werke von Kronke / Melis / Kuhn, Handbuch internationales Wirtschaftsrecht und Meyer-Ladewig / Nettesheim / Raumer, EMRK, verwiesen. 5 Häde, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 119 AEUV Rn. 3. 6 Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 189; Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 119 AEUV Rn. 10; Bandilla, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  119 AEUV Rn. 20. 7 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 6, Rn. 3558; Klement, Wettbewerbsfreiheit, S. 467. 8 Nowak, EuR 2009 Beiheft 1, 129–192 (182 ff.); Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kom­ mentar, Art. 3 EUV Rn. 13.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

gliedstaaten bei der Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik an das objektive Wettbewerbsprinzip zu binden.9 Darüber hinaus konstituiert das Leitbild der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb keine Verpflichtung der Union und der Mitgliedstaaten, ausschließlich liberalisierende und marktkonforme Maßnahmen zu ergreifen.10 Mangels eigenständigen rechtlichen Maßstabs sind die jeweiligen wirtschaftspolitischen Maßnahmen  – und damit auch Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen – somit allein an den konkreten materiell-rechtlichen Bestimmungen zu beurteilen wie beispielsweise den Grundfreiheiten und den Grundrechten.11 Diese sollen im Folgenden für den Regelreservemarkt untersucht werden.

A. Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Den Regelfall von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen stellen allgemein geltende Vorschriften dar. Diese adressieren – im Gegensatz zu Sonderregelungen12 – nicht nur bestimmte Akteure oder Produkte, sondern gelten für alle Marktteilnehmer gleichermaßen. Beim Erlass solcher allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen müssen die primär- (I.) und verfassungsrechtlichen Grenzen (II.) eingehalten werden, die im Folgenden im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Regelreservemarkt dargestellt werden.

9 Der EuGH stellte in der Entscheidung Echirolles unmissverständlich fest, dass die primärrechtlichen Artikel, die sich auf die Wirtschaftspolitik beziehen, „keine Bestimmungen [sind], (…) auf die sich die Einzelnen vor den nationalen Gerichten berufen können“, EuGH, Rs. C-9/99, ECLI:EU:C:2000:532, Rn. 25 – Échirolles Distribution SA; ebenso Heymann, Der Strommarkt 2.0 im Lichte des europäischen und deutschen (Wettbewerbs) Rechts, S. 264. 10 Jungbluth, EuR 4/2010, 471–490 (484 f.). Dennoch kommt nach Ansicht einiger Literaturvertreter eine Unionsrechtswidrigkeit solcher Maßnahmen, die der Umsetzung einer evident nicht-marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik dienen, in Betracht, Bourazeri, Tarifautonomie und Wirtschaftskrise, S. 395 f.; Kempen, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 119 AEUV Rn. 15; Bandilla, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 119 AEUV Rn. 23. Eine Planwirtschaft oder zentrale Verwaltungswirtschaft sind somit in der Europäischen Union unzulässig, Schmidt, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 199; Hatje, in: Schwarze, et al., ­EU-Kommentar, Art. 119 AEUV Rn. 9. 11 Herrmann, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 3, Art. 119 AEUV Rn. 50; Bandilla, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 119 AEUV Rn. 23; Nicolaysen, Europarecht II, S. 320; Schwarze, EuR 2009 Beiheft 1, 21–30 (21); Schmidt, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 19. 12 Vergleiche zu den Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen Teil 5 B.

A. Grenzen beim Erlass 

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I. Primärrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Die materiell-rechtlichen Grenzen des Primärrechts im Kontext allgemein geltender Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sind vielschichtig. Auf ihre Bedeutung bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen hin werden im Folgenden die Grundfreiheiten (Art. 28 ff. AEUV), die wirtschaftsbezogenen europäischen Grundrechte (Art. 15 ff. GRCh) und das EU-Wettbewerbsrecht (Art.  101 ff. AEUV) untersucht und am Beispielsfall des Regelreservemarkts erläutert. 1. Grundfreiheiten zur Sicherung des grenzüberschreitenden Verkehrs Die in Art. 3 EUV verankerten Ziele der Europäischen Union umfassen die Errichtung einer Wirtschaftsunion, die auf einem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt basiert.13 Damit wird die Verwirklichung eines Raums ohne Binnengrenzen angestrebt, in dem gemäß der Legaldefinition in Art. 26 Abs. 2 AEUV der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.14 Die Grundlage und rechtliche Absicherung für den Binnenmarkt bilden die in den Verträgen festgeschriebenen Grundfreiheiten.15 Indem diese dem Abbau von Binnenmarkthemmnissen in grenzüberschreitenden Sachverhalten dienen, stellen sie einen umfassenden Schutz der Wirtschaftstätigkeit der Marktteilnehmer im Binnenmarkt dar.16 Steht eine mitgliedstaatliche Maßnahme im Widerspruch zu den Grundfreiheiten, ist diese aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar.17 a) Anwendbarkeit der Grundfreiheiten im Regelreservemarkt Bei Gestaltung des Designs des Regelreservemarkts müssen die erlassenen Regelwerke mit den Grundfreiheiten im Einklang stehen.18 Der Erlass von Regelungen zur Vorhaltung und zur Bereitstellung von Regelreserve könnte eine Be 13

Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 1. Streinz, in: Merten / Papier, Handbuch der Grundrechte, Band VI/1, § 152 Rn. 1. 15 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, § 1 Rn. 22; Straßburger, Die Dogmatik der EUGrundfreiheiten, S. 32. 16 Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 111; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 825. 17 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 61; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 179 ff. Vergleiche zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts Teil 2 C. I. 18 Vergleiche zur Bindungswirkung der Grundfreiheiten für Hoheitsträger und ÜNB sogleich Teil 5 A. I. 1. b). 14

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

einträchtigung des Schutzbereichs der Dienstleistungsfreiheit und / oder der Warenverkehrsfreiheit darstellen. Gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union verboten. In den Schutzbereich fallen selbstständig erbrachte Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden; Art. 57 AEUV zählt beispielhaft gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten auf.19 In Abgrenzung hierzu schützt die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. AEUV den freien Warenverkehr innerhalb der EU. Ziel ist es, staatliche Hindernisse beim Handel mit Waren zwischen den Mitgliedstaaten auszuschalten und damit einen freien Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu sichern.20 „Waren“ im Sinne des Art. 28 Abs. 2 AEUV sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH alle körperlichen Gegenstände, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können.21 Dabei qualifiziert der Europäische Gerichtshof trotz fehlender Körperlichkeit auch Strom als „Ware“ im Sinne der Warenverkehrsfreiheit.22 Eine Einordnung der Vorhaltung und Bereitstellung von Regelreserve zur Dienstleistungsfreiheit oder zur Warenverkehrsfreiheit gelingt nicht eindeutig: Betrachtet man den Regelleistungsmarkt, bei welchem allein die entgeltliche Vorhaltung von Regelreserve ohne entsprechende Lieferung maßgeblich ist, drängt sich der Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit auf, da hier ausschließlich eine Leistung – die Vorhaltung von Regelreserve – Gegenstand ist und gerade nicht die Lieferung einer Ware. Hingegen fällt die situative Bereitstellung von elektrischem Strom auf dem Regelarbeitsmarkt bei einem Abruf durch die entsprechenden ÜNB in den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit, da es um die Lieferung der Ware „Strom“ geht. Dass mit der entgeltlichen Vorhaltung von Strom einerseits und der Lieferung von Strom andererseits sowohl der Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit als auch der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit betroffen sind, erfordert eine Abgrenzung der beiden Grundfreiheiten. Soweit der Verkauf einer Ware mit einer Dienstleistung einhergeht, ist laut EuGH jeweils im konkreten Fall zu prüfen, welcher Aspekt im Vordergrund steht und welcher nur zweitrangig auftritt.23 Es ist zu untersuchen, ob der Schwerpunkt auf der Dienstleistung oder dem Verkauf des geschützten Gutes liegt:24 Stellt der Handel mit dem entsprechenden Gut den übergeordneten Zweck des Geschäftsvorgangs dar oder erfüllt die Lieferung der 19

Ludwigs, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, E.1. Rn. 18. Lux, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 1 und 4. 21 EuGH, Rs. 17/68, ECLI:EU:C:1968:51, Leitsatz 2 – KOM / Italien; EuGH, Rs. 1/77, ECLI:​ EU:C:1977:130, Leitsatz 1 – Robert Bosch; EuGH, Rs. C-2/90, ECLI:EU:C:1992:310, Rn. 23 – KOM / Belgien; EuGH, Rs. C-97/98, ECLI:EU:C:1999:515, Rn. 30 – Jägerskiöld / Gustafsson. 22 EuGH, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 – Costa / E. N.E. L.; EuGH, Rs. C-393/92, ECLI:​ EU:C:1994:171, Rn. 27 f. – Almelo; EuGH, Rs. C-158/94, ECLI:EU:C:1997:500, Rn. 17 – KOM / ​ Italien; EuGH, Rs. C-379/98, ECLI:EU:C:2001:160, Rn. 68 ff. – PreussenElektra. 23 EuGH, Rs. C-20/03, ECLI:EU:C:2005:307, Rn. 34 – Burmanjer. 24 Classen, in: Oppermann / Classen / Nettesheim, Europarecht, § 22 Rn. 10. 20

A. Grenzen beim Erlass 

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Ware keinen eigenen Zweck, sondern nimmt nur eine unterstützende Funktion im Hinblick auf die zu erbringende Dienstleistung wahr?25 Der EuGH beschränkt sich nämlich grundsätzlich auf die Prüfung derjenigen Grundfreiheit, welche den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Betätigung darstellt; lässt sich kein eindeutiger Schwerpunkt ausmachen, nimmt er eine Prüfung beider Grundfreiheiten vor.26 Der Regelreservemarkt basiert auf der Grundlage, dass die bezuschlagten Anbieter Regelreserve vorhalten, um diese im Bedarfsfall bei einer Frequenzabweichung einzusetzen. Der Zuschlag für einen Regelreserveanbieter geht somit stets einher mit der Regelleistungsvorhaltung und dem bedarfsgemäßen Abruf von Regelarbeit anhand der Merit-Order-Liste.27 Die Vorhaltung von Regelleistung erfüllt jedoch keinen Selbstzweck, sondern dient der Einsatzbereitschaft zur Lieferung von Strom. Die Leistungsvorhaltung bildet also „nur“ die erforderliche Vorstufe zur Erbringung von Regelarbeit und stellt keinen eigenständigen Zweck dar. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass mit Einführung der separaten Regelarbeitsmärkte eine erfolgreiche Teilnahme am Regelleistungsmarkt eine verpflichtende Gebotsabgabe am Regelarbeitsmarkt mit sich bringt und dem Regelleistungsmarkt die Funktion eines reinen „Versicherungsprodukts“ zukommt.28 Insgesamt steht somit der bedarfsgemäße Abruf von Regelarbeit zur Stabilisierung der Netzfrequenz, für den das vorherige Bereithalten von Regelreserve eine notwendige, aber lediglich untergeordnete Tätigkeit darstellt, im Vordergrund des Geschäftsvorgangs.29 Folglich liegt der Schwerpunkt der Tätigkeiten auf dem Regelreservemarkt nicht auf der Leistung des Bereithaltens, sondern auf der Lieferung der Ware „Strom“. Im Bereich des Regelreservemarkts findet somit der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit Anwendung; eine Prüfung der Dienstleistungsfreiheit erfolgt mithin nicht. Der für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten erforderliche grenzüberschreitende Sachverhalt ist gegeben, da mit Einführung der europäischen Plattformen ein europaweiter Austausch von Regelarbeit durchgeführt wird.

25

EuGH, Rs. C-275/92, ECLI:EU:C:1994:119, Rn. 22  – Schindler; EuGH, Rs. C-158/94, ECLI:EU:C:1997:500, Rn. 18 – KOM / Italien; EuGH, verb. Rs. C-403/08 und C-429/08, ECLI:​ EU:C:2011:631, Rn. 80 – Football Association Premier League Ltd. 26 EuGH, Rs. C-275/92, ECLI:EU:C:1994:119, Rn. 22  – Schindler; EuGH, Rs. C-390/99, ECLI:EU:C:2002:34, Rn. 31 f. – Canal Satélite Digital. 27 Vergleiche zur Merit-Order-Liste Teil 2 A. II. 2. 28 Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 3. 29 Eine andere Ansicht vertritt wohl das Bundeskartellamt (BKartA), indem es im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung des Strommarkts beim Regelreservemarkt die Vermarktung der Vorhaltung von Kapazität als vorrangig ansieht, während in Abgrenzung dazu beim Strommarkt die Vermarktung von Strommengen im Vordergrund stehe, BKartA, Sektoruntersuchung: Stromerzeugung und -großhandel, S. 71.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

b) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Die Tätigkeiten der Regelreserveanbieter fallen also in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit und diese können sich grundsätzlich auf die Grundfreiheiten berufen. Jedoch muss zusätzlich die Frage beantwortet werden, welche Steuerungssubjekte des Regelreservemarkts beim Erlass der Regelwerke überhaupt Verpflichtungsadressaten der Grundfreiheiten sind. Die regulatorische Gestaltung des Regelreservemarkts erfolgt durch mitgliedstaatliche Hoheitsträger, Unionsorgane sowie private ÜNB. Ob und in welchem Umfang die Warenverkehrsfreiheit eine Bindungswirkung für diese entfaltet, ist jedoch teilweise strittig. aa) Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten Beim Erlass von Regelwerken für den Regelreservemarkt sind die Mitgliedstaaten als primäre Adressaten an die Warenverkehrsfreiheit gebunden. Grundfreiheiten verpflichten in horizontaler Hinsicht alle drei Staatsgewalten, das heißt Exekutive, Legislative und Judikative, und in vertikaler Hinsicht alle innerstaatlichen Entscheidungsebenen, also Bundes-, Landes- und Kommunalebene.30 Somit sind die mitgliedstaatlichen Organe beim Erlass von Gesetzen, Rechtsverordnungen und behördlichen Entscheidungen wie beispielsweise den Festlegungen der Bundesnetzagentur an die Grundfreiheiten gebunden.31 Dem Begriff der „Mitgliedstaaten“ ist ein funktionales und kein formales Verständnis zugrunde zu legen,32 um die Gefahr einer Flucht ins Privatrecht zu vermeiden.33 So sind auch private Verhaltensweisen, die dem Mitgliedstaat funktional zugeordnet werden, an den Grundfreiheiten zu messen.34 Maßgeblich für die Grundfreiheitenbindung ist somit, ob die Maßnahme der handelnden Stelle dem Staat zugerechnet werden muss.35 Ein zurechenbares Verhalten Privater liegt insbesondere dann vor, wenn der Staat maßgeblichen Einfluss auf die Organisationsstruktur und Tätigkeiten des privaten Akteurs ausübt oder eine finanzielle Abhängigkeit von staatlichen Mitteln besteht.36 30 Statt vieler Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 83 f.; Kin­ green, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 105. 31 Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 79 f.; Leible / Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 35. 32 EuGH, Rs. 302/88, ECLI:EU:C:1990:455, Rn. 15 f.  – Hennen Olie; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  34–36 AEUV Rn.  105. 33 Haratsch, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band X, § 210 Rn. 22. 34 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 316. 35 Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 86 f. 36 Lux, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 21. Die staatliche Kontrolle kann sich unter anderem darin zeigen, dass die Einrichtung kraft Gesetzes geschaffen wurde, sie von staatlicher Finanzierung abhängig ist, die Vorstandsmitglieder staatlich bestellt oder durch hoheitliches Personal beeinflusst werden und die Unternehmens- und

A. Grenzen beim Erlass 

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Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob das Verhalten der ÜNB dem Staat zugerechnet werden kann und es sich somit um eine hoheitliche Maßnahme handelt. Die vier deutschen ÜNB sind juristische Personen des Privatrechts,37 die gemäß der Legaldefinition in § 3 Nr. 10 EnWG die Aufgabe der Übertragung von Elektrizität wahrnehmen und für den Betrieb, die Wartung und erforderlichenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes verantwortlich sind. Obwohl der Netzbetrieb aufgrund des natürlichen Monopols einer regulatorischen Überwachung unterliegt,38 wird stets die unternehmerische Eigenverantwortlichkeit der ÜNB hervorgehoben.39 Nicht zuletzt hat auch der EuGH in seinem Urteil zum Fördermechanismus für Erneuerbare Energien nach dem EEG 2012 entschieden, dass die mit der Verwaltung der EEG-Umlage betrauten ÜNB nicht unter staatlicher Kontrolle stehen.40 Eine Zuordnung der privaten Maßnahmen der ÜNB zum Verpflichtungsadressat „Mitgliedstaat“ scheidet somit mangels Zurechenbarkeit aus. bb) Unionsorgane als Verpflichtungsadressaten Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH41 und herrschender Meinung in der Literatur42 sind die Unionsorgane ebenfalls an die Grundfreiheiten gebunden.43 Organisationsziele durch einen Hoheitsträger festgelegt wurden, EuGH, Rs. 249/81, ECLI:EU:C:1982:402, Rn.  15 – KOM / I rland. 37 Kahl / Bews, Jura 11/2014, 1094–1109 (1097). 38 Tschida, Die Systemverantwortung der Netzbetreiber, S. 19. 39 BT-Drs. 15/3917, S. 48; Strobel, Die Investitionsplanungs- und Investitionspflichten der Übertragungsnetzbetreiber, S. 133 ff.; Weyer, in: Baur, FS Kühne, S. 423–437 (428); Stracke, Öffentlichkeitsbeteiligung im Übertragungsnetzausbau, S. 30. 40 EuGH, Rs. C-405/16 P, ECLI:EU:C:2019:268, Rn. 77 ff. – Deutschland / KOM in Bezug auf das EEG 2012. 41 Statt vieler EuGH, verb. Rs 80/77 und 81/77, ECLI:EU:C:1978:87, Rn. 35/36 – Société Les Commissionnaires Réunis; EuGH, Rs. 15/83, ECLI:EU:C:1984:183, Rn. 15 – Denkavit Nederland; EuGH, Rs. C-51/93, ECLI:EU:C:1994:312, Rn. 11 ff. – Meyhui; EuGH, Rs. C-114/96, ECLI:EU:C:1997:316, Rn. 27 – Kieffer und Thill; EuGH, Rs. C-341/95, ECLI:EU:C:1998:353, Rn. 61 – Bettati; EuGH, verb. Rs. C-154/04 und 155/04, ECLI:EU:C:2005:449, Rn. 47 – Alliance for Natural Health. 42 Statt vieler Haltern, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band  2, Art. 34 AEUV Rn. 39; Leible / Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 36; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 832; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 337; Lux, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 11; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, S. 319 f. Ablehnend gegenüber einer Bindung der Unionsorgane an die Grundfreiheiten aufgrund ihres Charakters als transnationale Integrationsnormen Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 110; Zazoff, Der Unionsgesetzgeber als Adressat der Grundfreiheiten, S. 71 ff. 43 Trotz Bejahung einer vollständigen Bindung der Unionsorgane an die Grundfreiheiten legt der EuGH bei diesen teilweise einen anderen Prüfungsmaßstab an als bei mitgliedstaatlichen Maßnahmen. Er billigt den anderen Unionsorganen einen weiten Ermessensspielraum zu, sodass eine vom Unionsgesetzgeber „erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig [ist], wenn sie zur Erreichung des Zieles (…) offensichtlich ungeeignet“ ist, EuGH, verb. Rs. C-154/04 und C-155/04, ECLI:EU:C:2005:449, Rn. 52 – Alliance for Natural Health.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 34 AEUV, jedoch aus dem effet utile des Europarechts, denn ohne eine entsprechende Bindung der Unionsorgane bestünde das Risiko, dass die Ziele der Verträge im Rahmen sekundärrechtlicher Maßnahmen unterlaufen werden.44 Zudem ist die Union gemäß Art. 26 Abs. 1 AEUV neben den Mitgliedstaaten für die Verwirklichung des Binnenmarkts verantwortlich, dessen Grundlage die Gewährleistung und Beachtung der Grundfreiheiten bildet.45 Im Regelreservemarkt sind somit aufgrund der Bindungswirkung der Unionsorgane insbesondere der Rat und das europäische Parlament als Unionsgesetzgeber beim Erlass von Richtlinien und Verordnungen, aber auch die Kommission bei Verabschiedung von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes an die Grundfreiheiten gebunden. cc) Private als Verpflichtungsadressaten Die Grundfreiheiten richten sich in erster Linie an hoheitliche Organe der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten. Daneben ist höchst strittig, ob auch Private als unmittelbare Verpflichtungsadressaten der Grundfreiheiten in Betracht kommen, sofern eine hoheitliche Zurechnung – wie oben darstellt – ausscheidet. Beim Regelreservemarkt wäre bei einer Bindung Privater an die Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV dann ebenfalls der Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke durch die ÜNB an den Grundfreiheiten zu messen. Die Frage nach der unmittelbaren Bindung Privater an die Grundfreiheiten ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des EuGH und wird – insbesondere für die Warenverkehrsfreiheit – intensiv in der rechtswissenschaftlichen Literatur erörtert.46 44

Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 314. Leible / Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  34 AEUV Rn.  36. 46 Vergleiche als monographische Abhandlungen unter anderem Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse (Art. 30 EWGV) in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten; Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten; Wernicke, Die Privatwirkung im Europäischen Gemeinschaftsrecht; Graber, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten; Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht; Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten; Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten; Franck, Die horizontale unmittelbare Anwendbarkeit der EG-Grundfreiheiten; Löwisch, Die horizontale Direktwirkung der europäischen Grundfreiheiten; Kronberg, Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die europäischen Grundfreiheiten; Lengauer, Drittwirkung von Grundfreiheiten; Perner, Grundfreiheiten, Grundrechte-Charta und Privatrecht; Stein, Drittwirkung im Unionsrecht; Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten. Vergleiche zudem die Aufsätze unter anderem von Streinz / Leible, EuZW 15/2000, ­459–467; Röthel, EuR 6/2001, 908–921; Michaelis, NJW 25/2001, 1841–1842; Pießkalla, NZA 20/2007, 1144–1148; Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678; Remmert, JuS 1/2003, 13–19; Kloepfer / Greve, DVBl. 18/2013, 1148–1158; Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165; Roth, EWS 1–2/2013, 16–27; Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612; Müller-Graff, EuR 1/2014, 3–30. 45

A. Grenzen beim Erlass 

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(1) Rechtsprechung des EuGH Bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) bejahte der EuGH in verschiedenen Urteilen eine unmittelbare Bindung der privaten Akteure bei Erlass von kollektiven Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich47 an die genannten Grundfreiheiten mit Hinweis auf den Wortlaut, die Rechtseinheit sowie den effet utile des Vertragsrechts.48 Eine Bindung kollektiv handelnder Privater stellte er ebenfalls bezüglich der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) im Fall Van Ameyde / UCI fest.49 Ob der EuGH die horizontale Wirkung jedoch nur auf solche Organisationen und Akteure begrenzte, die quasi-staatliche Gewaltbefugnisse ausüben (sogenannte intermediäre Gewalten), oder sich die Grundfreiheitenbindung allgemein auf alle Individualmaßnahmen im Privatrechtsverkehr bezieht, wird aus der Rechtsprechung nicht eindeutig ersichtlich.50 Zumindest bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit verschaffte der EuGH schließlich Klarheit, indem er in der Rechtssache Angonese ausdrücklich feststellte, dass „das in Artikel 48 des Vertrages51 ausgesprochene Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (…) auch für Privatpersonen“ gelte.52 Anders urteilte der Europäische Gerichtshof allerdings zur Frage der unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit. Während er zunächst in der Rechtssache Dansk Supermarked entschied, dass „Vereinbarungen zwischen Privaten in keinem Fall von den zwingenden Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr abweichen dürfen“,53 lehnte er in seinen nachfolgenden Entscheidungen eine unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit für Private (also auch für kollektiv handelnde private Einrichtungen und Institutionen) ab.54 47 Die vor dem EuGH streitgegenständlichen Kollektivregelungen umfassten insbesondere Verbandssatzungen und Allgemeine Versicherungsbedingungen. 48 EuGH, Rs. 36/74, ECLI:EU:C:1974:140, Rn. 14/15 f. – Walrave; EuGH, Rs. 13/76, ECLI:​ EU:C:1976:115, Rn. 17/18  – Dona / Mantero; EuGH, Rs. 251/83, ECLI:EU:C:1984:397, Leitsatz 2 – Haug-Adrion; EuGH, Rs. C-415/93, ECLI:EU:C:1995:463, Rn. 82 – Bosman; EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97, ECLI:EU:C:2000:199, Rn. 47 – Deliège; EuGH, Rs. 176/96, ECLI:EU:C:2000:201, Rn. 35  – Lehtonen; Kahl / Bews, Jura 11/2014, 1094–1109; Kraus, EWS 3/2011, 89–92. 49 EuGH, Rs. 90/76, ECLI:EU:C:1977:101, Rn. 28 – Van Ameyde / UCI. 50 Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (608); Streinz / L eible, EuZW 15/2000, 459–467 (459); Michaelis, NJW 25/2001, 1841–1842 (1841). 51 Heute Art. 45 AEUV. 52 EuGH, Rs. 281/98, ECLI:EU:C:2000:296, Rn. 38  – Angonese. Bestätigt unter anderem durch die Urteile EuGH, Rs. C-172/11, ECLI:EU:C:2012:399, Rn. 36  – Erny; EuGH, Rs. C-94/07, ECLI:EU:C:2008:425, Rn. 45 – Raccanelli. 53 EuGH, Rs. 58/80, ECLI:EU:C:1981:17, Rn. 17 – Dansk Supermarked. 54 EuGH, verb. Rs 177/82 und 178/82, ECLI:EU:C:1984:144, Rn. 11 ff.  – Van de Haar; EuGH, Rs. 311/85, ECLI:EU:C:1987:418, Rn. 30 – Vlaamse Reisebureaus; EuGH, Rs. 65/86, ECLI:EU:C:1988:448, Rn. 11 f. – Bayer / Süllhöfer; EuGH, Rs. 159/00, ECLI:EU:C:2002:343, Rn. 74 – Sapod Auic.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Dabei nahm er eine Abgrenzung vor zwischen der Warenverkehrsfreiheit, mittels derer Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die den freien Warenverkehr in irgendeiner Weise behindern könnten, beseitigt werden sollen, und den in Art. 85 ff. EWG (heute Art. 101 ff. AEUV) normierten EU-Wettbewerbsregeln, die das Verhalten von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen adressieren.55 Wiederum eine Kehrtwende vollzog der EuGH in der Rechtssache Fra.bo / DVGW, als er feststellte, dass die Warenverkehrsfreiheit auch bei Normungs- und Zertifizierungstätigkeiten einer privaten Einrichtung, deren Verhalten nicht dem Staat zugerechnet werden könne,56 unter bestimmten Voraussetzungen einzuhalten sei:57 Erstens habe der Gesetzgeber mit einer gesetzlichen Vermutungsregel bekundet, dass die Erzeugnisse, die von der streitgegenständlichen Zertifizierungsstelle, dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW), zertifiziert wurden, den allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit „dem nationalen Recht entsprechen“.58 Zweitens sei die streitgegenständliche Zertifizierungsstelle die einzige Einrichtung, die die streitgegenständlichen Zertifikate ausstellen kann.59 Drittens würden in der Praxis fast alle deutschen Verbraucher nur von der DVGW zertifizierte Kupferfittings kaufen, weshalb sie „in Wirklichkeit über die Befugnis verfügt, den Zugang von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kupferfittings zum deutschen Markt zu regeln“.60 Daraus ist zu schließen, dass private Einrichtungen, die mit quasi-hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind und denen eine faktische Marktregulierungskompetenz zukommt, an die Warenverkehrsfreiheit gebunden sein sollen, da sie über den Marktzugang von Unternehmen entscheiden können.61 (2) Meinungen im Schrifttum Die vom Europäischen Gerichtshof angenommene unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten für kollektiv und teilweise auch für einzeln handelnde Private wurde aufgrund der prinzipiellen Wirkungsgleichheit sowie der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen von Teilen der Literatur begrüßt, jedoch überwiegend auf eine

55

EuGH, verb. Rs 177/82 und 178/82, ECLI:EU:C:1984:144, Rn. 11 ff. – Van de Haar; EuGH, Rs. 311/85, ECLI:EU:C:1987:418, Rn. 30 – Vlaamse Reisebureaus; EuGH, Rs. 65/86, ECLI:​ EU:C:1988:448, Rn. 11 f. – Bayer / Süllhöfer; EuGH, Rs. 159/00, ECLI:EU:C:2002:343, Rn. 74 – Sapod Auic. 56 EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 24 – Fra.bo / DVGW; a. A. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 112 und Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 89, die das private Handeln der DVGW als dem Staat zurechenbar ansehen. 57 EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 32 – Fra.bo / DVGW. 58 EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 27 und 32 – Fra.bo / DVGW. 59 EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 28 – Fra.bo / DVGW. 60 EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 31 – Fra.bo / DVGW. 61 Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (610); Saria, EuZW 2/2020, 53–58 (58).

A. Grenzen beim Erlass 

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Bindung sogenannter intermediärer Gewalten begrenzt.62 Als Hauptargumente gelten hierbei im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zum einen die Siche­ rung der einheitlichen Rechtsanwendung im Binnenmarkt, da gewisse Regelungsbereiche in einigen europäischen Mitgliedstaaten durch Hoheitsträger, in anderen Mitgliedstaaten jedoch durch Private geregelt werden.63 Zum anderen werde durch die horizontale Wirkung dem Gedanken des effet utile Rechnung getragen, da es zur Einhaltung der unionsrechtlichen Ziele unerheblich sei, ob ein Hoheitsträger oder ein Privater Urheber der Beschränkung sei.64 Die Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts sowie die Rechtseinheit könnten nur durch eine Gleichstellung von staatlichen und privaten Maßnahmen erreicht werden.65 Die Gegenmeinung in der Literatur hingegen lehnt jegliche Bindung Privater im Rahmen einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten ab.66 Vertreter dieser Ansicht berufen sich insbesondere darauf, dass die Ausgestaltung der Grundfreiheiten eine Staatsbezogenheit aufweist. So zeige der Wortlaut der einzelnen Grundfreiheiten sowie der Zuschnitt der Rechtfertigungsgründe, dass die Grundfreiheiten als Abwehrrechte gegen hoheitliches Handeln konzipiert und daher die Mitgliedstaaten als alleinige Verpflichtungsadressaten anzusehen seien.67 Zudem machen die hoheitlichen Schutzpflichten eine Ausdehnung der 62

Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 358 ff.; Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 263 ff.; Löwisch, Die horizontale Direktwirkung der europäischen Grundfreiheiten, S. 220; Röthel, EuR 6/2001, 908–921 (910) mit vielen weiteren Nachweisen; Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten, S. 60 mit vielen weiteren Nachweisen; Hilf / Pache, NJW 18/1996, 1169–1177 (1176 f.); Steindorff, in: Badura / Scholz Rupert, FS Lerche, S. 575–590 (586); Osing, Die Netzneutralität im Binnenmarkt, S. 14 f.; Quinn / McGowan, European Law Review 12/1987, 163–178 (178). 63 Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 27. 64 Müller-Graff, EuR 1/2014, 3–30 (9 f.); Saria, EuZW 2/2020, 90–95 (90 f.). 65 Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 149 ff.; Löwisch, Die horizontale Direktwirkung der europäischen Grundfreiheiten, S. 221 ff.; Müller-Graff, EuR 1/2014, 3–30 (9 f.); Hintersteininger, Binnenmarkt und Diskriminierungsverbot, S. 185 ff.; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 94 ff.; Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse (Art. 30 EWGV) in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, S. 189 f.; Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 274 ff. bezüglich der Personenverkehrsfreiheiten. 66 Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, S. 311 ff.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 114 ff.; Streinz / L eible, EuZW 15/2000, 459–467; Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678; Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612; Roth, EWS 1–2/2013, 16–27; Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 89; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 195 ff.; Remmert, JuS 1/2003, 13–19 (18 f.); Burgi, EWS 9/1999, 327–332 (330); Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 53; Roloff, Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG (Freizügigkeit) und seine Auswirkungen auf das nationale Arbeitsrecht, S. 209 ff. hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. 67 Bezüglich des Wortlautarguments Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678 (insb. 674) für die Warenverkehrsfreiheit; Streinz und Leible anerkennen zwar, dass die Grundfreiheiten keinen ausdrücklichen Adressaten benennen, schließen jedoch aus systematischen Gründen auf die alleinige Verpflichtung von Mitgliedstaaten, Streinz / L eible, EuZW 15/2000, 459–467 (461).

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

unmittelbaren Grundfreiheitenbindung auf Private entbehrlich, da über die Garan­ tenpflicht des Staates ein hinreichendes Schutzniveau gewährleistet werde.68 Außerdem bestehe die Gefahr, dass die spezielleren Regeln des Wettbewerbsrechts unterlaufen würden.69 Letztendlich würde durch eine unmittelbare Bindung der Grundsatz der Privatautonomie verkannt, der gerade privates Handeln von hoheitlichem unterscheidet.70 (3) Stellungnahme Die vorangestellten Argumente der Rechtsprechung sowie der Literatur zeigen die vielschichtigen Facetten dieser umstrittenen Frage, sind jedoch in Teilen kritikwürdig. Nach Ansicht der Verfasserin ist bei intermediären Gewalten im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH eine unmittelbare Bindung an die Grundfreiheiten zu bejahen. Diese handeln zwar privat, allerdings kommt ihnen ein quasistaatliches Auftreten zu, weshalb sie im Rahmen einer funktionalen Äquivalenz gegenüber anderen Privaten eine mit hoheitlichem Handeln vergleichbare Gefährdungslage schaffen.71 Nur im Wege dieser binnenmarktfreundlichen Auslegung kann dem Grundsatz des effet utile und damit den Zielen der Europäischen Union vollumfänglich Rechnung getragen werden, da die Realisierung eines Binnenmarkts die Beseitigung jeglicher Schranken verlangt.72 Zudem gilt zugunsten des Bezüglich des Rechtfertigungsarguments Kloepfer / Greve, DVBl. 18/2013, 1148–1158; Roth, in: Due / Lutter / Schwarze, FS Everling, S. 1231 (1241 f.); Streinz / Leible, EuZW 15/2000, 459– 467 (461); Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 127, der feststellt, dass die Wahrung des Allgemeininteresses allein dem Hoheitsträger obliegt, der die Aufgabe allerdings an Private delegieren oder ihnen überlassen kann; Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (611); Remmert, JuS 1/2003, 13–19 (14 f.); für die Arbeitnehmerfreizügigkeit Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678 (671). 68 Streinz / L eible, EuZW 15/2000, 459–467 (466); Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678 (669 und 672) bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 195 ff.; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 833; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 336 und 342 ff.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  34–36 AEUV Rn.  114 ff. 69 Michaelis, NJW 25/2001, 1841–1842 (1842); Remmert, JuS 1/2003, 13–19 (15); Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 79 und 83; Roth, in: Due / Lutter / Schwarze, FS  Everling, S. 1231 (1242 f.); Körber, EuR 6/2000, 932–952 (948); Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (611); Birkemeyer, EuR 5/2010, 662–678 (671) und Kluth, AöR 122 (1997), 557–582 (572 f.). 70 Streinz / L eible, EuZW 15/2000, 459–467 (466); Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (611); Körber, EuR 6/2000, 932–952 (945 f.); bezüglich der Arbeitnehmerfreizügigkeit Roloff, Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG (Freizügigkeit) und seine Auswirkungen auf das nationale Arbeitsrecht, S. 226. 71 Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165 (160); Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 263 ff.; Löwisch, Die horizontale Direktwirkung der europäischen Grundfreiheiten, S. 198. 72 Kronberg, Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die europäischen Grundfreiheiten, S. 70; Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten, S. 125.

A. Grenzen beim Erlass 

205

Schutzes der übrigen Marktteilnehmer, dass bei einer Übertragung von „typischen staatlichen Machtbefugnissen“ auf kollektiv handelnde Private durch den Staat sich dieser nicht durch eine Flucht ins Privatrecht von der Einhaltung der Grundfreiheiten befreien kann.73 Eine darüber hinausgehende unmittelbare Bindung sonstiger Privater ist jedoch abzulehnen, da hier in der Regel gerade kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, dem Dritte schutzlos ausgeliefert sind.74 Die von der Gegenansicht vorgebrachten Gründe stehen einer Bindung intermediärer Gewalten nicht entgegen. Dem Argument, dass die Rechtfertigungsgründe staatsbezogen formuliert sind, kann entgegengehalten werden, dass auch Private im Interesse des Allgemeinwohls handeln können bzw. gegebenenfalls auch müssen.75 Darüber hinaus kann aus den behaupteten ungeeigneten (da staatsbezogen formuliert) Rechtfertigungsgründen nicht automatisch ein Rückschluss auf die fehlende unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten geschlossen werden, da dies bereits die der Rechtfertigung vorgelagerte Frage des Vorliegens eines Eingriffs betrifft. Bezüglich des Arguments der Exklusivität der Wettbewerbsregeln ist zwar zuzugestehen, dass diese Regelungen für unternehmerisches Handeln festlegen, jedoch ist weder aus dem Normzweck noch dem Wortlaut und der Systematik ableitbar, dass angesichts der unterschiedlichen Ziele nicht beide Instrumente parallel angewendet werden können.76 Dies gilt insbesondere, weil trotz gewisser Überschneidungen keine vollständige Deckungsgleichheit besteht und die Wettbewerbsregeln nur die Handlungen von (marktbeherrschenden) Unternehmen, nicht jedoch sämtliches privates Verhalten erfassen.77 (4) Folge für die Normsetzung durch die ÜNB Bejaht man eine Bindung intermediärer Gewalten an die Warenverkehrsfreiheit, so hat dies auch Auswirkungen auf die Normsetzung der ÜNB im Regelreserve 73 Roth, in: Due / Lutter / Schwarze, FS Everling, S. 1231 (1246); Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 150. 74 Wenn überhaupt sollte eine Bindung sämtlicher Privater auf den Fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt werden, da allein hier ein gewisses Hierarchieverhältnis besteht, Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165 (157 f.). 75 So auch Kronberg, Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die europäischen Grundfreiheiten, S. 63; Roth, in: Due / Lutter / Schwarze, FS Everling, S. 1231 (1242); Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165 (155); Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 61. Beispielsweise ist die sichere Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität „ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges“, BVerfGE 30, 292 (323). 76 Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten, S. 106; Müller-Graff, EuR 1/2014, 3–30 (13); Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 72 f. 77 So auch Steindorff, in: Badura / Scholz Rupert, FS Lerche, S. 575–590 (589); Kronberg, Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die europäischen Grundfreiheiten, S. 64 ff.; Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers durch Normen des Gemeinschaftsrechts, S. 69 ff.; Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 72 f.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

markt. Dort war ursprünglich primär die Bundesnetzagentur für den Erlass der Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts zuständig.78 Diese hoheitliche Marktgestaltungsbefugnis wurde im Rahmen der als Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation79 in weiten Teilen auf die kollektiv handelnden ÜNB übertragen.80 Durch die Pflicht zur Normsetzung kommen nun den ÜNB die „typischen hoheitlichen Machtbefugnisse“ zu, wodurch sie beim Erlass der entsprechenden Regelwerke in quasi-hoheitlicher Funktion handeln. Für die potenziellen und bisherigen Marktteilnehmer stellt sich durch die Fortführung des Subordinationsverhältnisses eine ähnliche Gefährdungslage wie unter dem Regelwerkerlass durch die Bundesnetzagentur, weshalb eine unmittelbare Bindung der privaten ÜNB an die Grundfreiheiten konsequent ist. dd) Zwischenergebnis: Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Die Grundfreiheiten, insbesondere die hier einschlägige Warenverkehrsfreiheit entfalten relativ unstrittig eine Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten sowie für die Unionsorgane. Äußerst umstritten und teils auch für die einzelnen Grundfreiheiten unterschiedlich beurteilt ist die Grundfreiheitenverpflichtung Privater. Hier dominieren die Ansichten einer vollständigen Ablehnung der unmittelbaren Drittwirkung für Private, einer Bindung allein für kollektiv handelnde, quasi-hoheitliche Einrichtungen bis hin zu einer Bejahung einer vollumfänglichen Drittwirkung für jegliche Private. Die überzeugendsten Argumente sprechen für eine Ausdehnung der Grundfreiheitenverpflichteten auf kollektiv handelnde Private, da diese quasi-hoheitliche Machtbefugnisse innehaben und eine mit staatlichem Handeln vergleichbare Gefährdungslage schaffen. Zudem soll sich der Staat nicht durch eine Flucht in privates Handeln aus der Einhaltung der Grundfreiheiten befreien können. Eine entsprechende Grundfreiheitenverpflichtung entspricht auch dem Grundsatz des effet utile des Unionsrechts. Eine darüber hinausgehende Bindung sämtlicher Privater ist wenn überhaupt im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu diskutieren, da es ansonsten an einem Über- und Unterordnungsverhältnis fehlt, dem die Dritten schutzlos ausgeliefert sind. Im Ergebnis sind somit auch die kollektiv handelnden ÜNB bei Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke an die Grundfreiheiten gebunden.

78 Die Ermächtigungsgrundlage für Festlegungen im Regelreservemarkt beruht auf § 29 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 StromNZV. 79 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 80 Siehe unter anderem Art. 18, 19, 20 und 33 Guideline on Electricity Balancing.

A. Grenzen beim Erlass 

207

c) „Maßnahme gleicher Wirkung“ durch Präqualifikationsverfahren und Ausschreibungsbedingungen? Wie unter a) aufgezeigt, ist der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit für den Regelreservemarkt eröffnet. So muss der Markt gemäß Art. 34 AEUV dergestalt organisiert sein, dass keine mengenmäßigen Einfuhr- bzw. Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne der Art. 34 und 35 AEUV stattfinden. Eine mengenmäßige Einfuhr- oder Ausfuhrbeschränkung erfolgt nicht durch die Regelungen des Regelreservemarkts, da weder die Einfuhr noch die Ausfuhr von Elektrizität ganz oder teilweise durch die entsprechenden Regelungen untersagt wird.81 Zu untersuchen ist jedoch, ob die Präqualifikationsbedingungen (bb)) bzw. die Ausschreibungsbedingungen (cc)) Maßnahmen gleicher Wirkung (aa)) darstellen.82 aa) Maßnahme gleicher Wirkung Gemäß der sogenannten Dassonville-Formel des EuGH ist jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel „unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, (…) als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen“.83 Infolge dieses weiten Verständnisses entwickelte sich Art. 34 AEUV von einem reinen Diskriminierungsverbot zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot, das jedoch durch die Rechtsprechung in der Sache Keck84 wieder teilweise relativiert wurde.85 Dort befand der EuGH, dass allgemeine Verkaufsmodalitäten keine Maßnahmen im Sinne des Art. 34 AEUV darstellen, „sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“.86

81

Vergleiche zur Definition der „Mengenmäßigen Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkung“ das Urteil des EuGH, Rs. 7/68, ECLI:EU:C:1968:51, Rn. 3 – KOM / Italien. 82 Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit durch die Kommissionsleitlinien sowie die EltVO und die EltRL 2019 sind nicht ersichtlich, da diese nur die Rahmenvorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Regelreservemarkts enthalten und die konkrete Ausgestaltung des Marktdesigns größtenteils auf die ÜNB übertragen. 83 EuGH, Rs. 8/74, ECLI:EU:C:1974:82, Rn. 5 – Dassonville. 84 EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, ECLI:EU:C:1993:905 – Keck. 85 Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 36; Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 113; Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 40. 86 EuGH, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91, ECLI:EU:C:1993:905, Rn. 16 – Keck. Vergleiche zur Weiterentwicklung der Keck-Rechtsprechung Erlenwein, Die Keck-Formel des EuGH: Funktion, Voraussetzungen, Übertragbarkeit auf andere Grundfreiheiten und kompetenzrechtliche Rückwirkungen, Würzburger Online-Schriften zum Europarecht, Nr. 3.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Während produktbezogene Vorschriften somit weiterhin auch dann einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff darstellen, wenn sie nichtdiskriminierend, das heißt unterschiedslos zwischen In- und Ausländern anwendbar sind, stellen Verkaufs­ modalitäten nur dann eine Maßnahme gleicher Wirkung dar, sofern sie für ausländische Erzeugnisse ungünstigere Auswirkungen als für inländische Produkte entfalten.87 Im ANETT-Urteil führte der EuGH ohne Erwähnung des Keck-Urteils eine Drei-Stufen-Formel ein, wonach eine Maßnahme gleicher Wirkung dann vorliegt, wenn die Maßnahme des Mitgliedstaats bezweckt oder bewirkt, Waren aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln (Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit), ferner Anforderungen an Waren aus anderen Mitgliedstaaten gestellt werden, selbst wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten (Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung), oder die Maßnahme den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaats für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert (Grundsatz des Marktzugangs).88 bb) Präqualifikationsbedingungen – Maßnahme gleicher Wirkung? Das Präqualifikationsverfahren, dessen Bestimmungen von den an die Warenverkehrsfreiheit gebundenen ÜNB erlassen werden, könnte einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit darstellen. Es dient dem Nachweis der technischen Fähigkeiten der Regelreserve bereitstellenden Anlagen und ist die Voraussetzung für eine Marktteilnahme der Regelreserveanbieter.89 Hinsichtlich des Präqualifikationsverfahrens ist zu fragen, ob es sich um eine produktbezogene oder verkaufsbezogene Regelung handelt. In diesem Kontext ist eine Abgrenzung zwischen Absatzverboten und Zulassungsverfahren vorzunehmen. Absatzverbote betreffen stets die Ware selbst und stellen bezüglich der enthaltenen Stoffe Zulassungsvoraussetzungen auf; sie sind somit als produkt­ bezogene Maßnahmen zu qualifizieren und stellen stets einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit dar.90 Ist der Vertrieb von Waren dementgegen nur speziell ausgebildeten Personen oder Inhabern spezieller Genehmigungen vorbehalten, liegen also Zulassungsverfahren bzw. Konzessionsregelungen vor, so handelt es sich um

87

Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 46 und 50. EuGH, Rs. C-456/10, ECLI:EU:C:2012:241, Rn. 34 f. – ANETT, basierend auf EuGH, Rs. 110/05, ECLI:EU:C:2009:66, Rn. 39 – KOM / Italien; Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 53; Leible / Streinz, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art.  34 AEUV Rn. 85 ff.; Streinz, EuZW 13/2012, 508–512 (512). 89 Vergleiche Teil 2 A. I. 90 EuGH; Rs. 174/82, ECLI:EU:C:1983:213, Rn. 8 – Sandoz; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 34–36 AEUV Rn. 142 mit Verweis auf zahlreiche weitere Urteile des EuGH in Fn. 440, kategorisiert nach einzelnen Produkttypen; Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 54; Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 58; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 1010. 88

A. Grenzen beim Erlass 

209

Verkaufsmodalitäten, welche nur unter den oben genannten Voraussetzungen (aa)) eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen.91 Das Präqualifikationsverfahren betrifft nicht die Ware – also die Eigenschaft der Ware „Elektrizität“ – selbst. Vielmehr stellt es ein Genehmigungserfordernis für die Teilnahme am Regelreservemarkt dar, weil nur Anbieter, welche erfolgreich den Nachweis bestimmter persönlicher und anlagenbezogener Fähigkeiten erbracht haben, Gebote im Ausschreibungsverfahren abgeben dürfen. Da die Marktteilnahme nur Inhabern spezieller Genehmigungen vorbehalten ist, ist das Präqualifikationsverfahren folglich als Zulassungsverfahren zu qualifizieren. Die Präqualifikationsbedingungen stellen somit Verkaufsmodalitäten dar, welche nur dann als Maßnahme gleicher Wirkung einzuordnen sind, wenn sie in unmittelbar oder mittelbar diskriminierender Weise In- und Ausländer unterschiedlich behandeln. Hinsichtlich der Frage, ob die Präqualifikationsbedingungen unterschiedslos für In- und Ausländer gelten, ist zunächst deren konzeptionelle Ausgestaltung näher zu beleuchten. Das Präqualifikationsverfahren findet in dem von der Guideline on Electricity Balancing als Standardmodell vorgesehenen ÜNB / Ü NB-Modell beim jeweiligen Anschluss-ÜNB des Regelreserveanbieters statt.92 Aufgrund technischer Restriktionen kommen nur solche Anlagen zur Präqualifikation nach den deutschen Bedingungen in Betracht, die ihren Netzanschluss bei einem deutschen ÜNB haben. Der Netzanschlusspunkt liegt üblicherweise in der Regelzone des Regelreserveanbieters. Damit sind neben den deutschen Unternehmen aufgrund der Niederlassungsfreiheit ebenfalls ausländische Unternehmen mit Sitz in Deutschland von den deutschen Präqualifikationsbedingungen betroffen. Darüber hinaus besitzen teilweise auch grenznahe Anlagen mit einem Standort außerhalb von Deutschland ihren Netzanschluss bei einem deutschen ÜNB, sodass in dieser Konstellation ebenfalls ausländische Regelreserveanbieter auf dem deutschen Regelreservemarkt auftreten. Der persönliche Anwendungsbereich der Präqualifikationsbedingungen erstreckt sich somit sowohl auf In- als auch auf Ausländer. Die Präqualifikationsbedingungen stellen keine unterschiedlichen Anforderungen für In- und Ausländer auf. Eine unmittelbare Diskriminierung scheidet aus, da keine Differenzierung anhand der Staatsbürgerschaft stattfindet. Auch eine mittelbare, faktische Ungleichbehandlung von europäischen Ausländern im Prä 91 Becker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 34 AEUV Rn. 72 f.; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  34–36 AEUV Rn.  142; Schroeder, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 34 AEUV Rn. 58; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Rn. 1009. 92 Vergleiche hierzu Art. 35 Abs. 7 Guideline on Electricity Balancing (eine Ausnahme gilt für die Ersatzreserve). Das ÜNB / Ü NB-Modell wird in Art. 2 Abs. 21 Guideline on Electricity Balancing definiert als „ein Modell für den Austausch von Regelreserve, bei dem der Regelreserveanbieter Regelreserve für den Anschluss-ÜNB erbringt, der diese Regelreserve dann für den anfordernden ÜNB erbringt“ und ist abzugrenzen vom ÜNB / R RA-Modell, „bei dem der Regelreserveanbieter (RRA) Regelreserve direkt für den vertragsschließenden ÜNB erbringt, der diese Dienstleistungen dann für den anfordernden ÜNB erbringt“, vergleiche Art. 2 Abs. 43 Guideline on Electricity Balancing.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

qualifikationsprozess ist nicht ersichtlich. Weder unterliegen diese im Verhältnis zu inländischen Anbietern gesteigerten Nachweisen, noch fallen für sie de facto höhere Gebühren für die Teilnahme am Präqualifikationsverfahren an. Im Ergebnis wird somit der Marktzugang für ausländische Regelreserveanbieter, die nach den deutschen Präqualifikationsbedingungen zugelassen werden wollen, nicht durch diskriminierende Hemmnisse erschwert. Die von den ÜNB erlassenen Präqualifikationsbedingungen stellen somit keine Maßnahme gleicher Wirkung dar. cc) Ausschreibungsbedingungen – Maßnahme gleicher Wirkung? Die Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts93 unterfallen ebenfalls nicht dem Verständnis produktbezogener Regelungen, da sie keine Eigenschaften der Ware „Strom“ wie beispielsweise die Regionalität oder die Grünstromeigenschaft vorgeben. Vielmehr stellen sie Verkaufsmodalitäten dar. Sie betreffen den Vertrieb von Regelreserve, indem sie unter anderem Regelungen zum Gebotszeitpunkt, zum Erbringungsbeginn, zum Erbringungszeitraum und zur Mindestangebotsmenge enthalten. Wie auch die Präqualifikationsbedingungen knüpfen die Ausschreibungsbedingungen für Regelreserve nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an. Zudem ist eine faktische Ungleichbehandlung von In- und Ausländern nicht ersichtlich, da die festgelegten Rahmenbedingungen sich wirtschaftlich gleichermaßen und damit unabhängig von der Nationalität auswirken. Auch in tatsächlicher Weise gelten somit für inländische und ausländische Regelreserveanbieter die gleichen Voraussetzungen. Die Qualifizierung als Maßnahme gleicher Wirkung der Ausschreibungsbedingungen ist folglich abzulehnen. d) Zwischenergebnis: Grundfreiheiten Beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sind grundsätzlich die Grundfreiheiten einzuhalten. Im Bereich des Regelreservemarkts ist der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit eröffnet, nicht aber der der Dienstleistungsfreiheit, da der Schwerpunkt des Rechtsgeschäfts auf der situativen Bereitstellung von Regelreserve beruht, die als zwingenden Annex die Vorhaltung von Regelleistung als (Dienst-)Leistung mit umfasst. An die Warenverkehrsfreiheit gebunden sind beim Erlass von Regelwerken für den Regelreservemarkt die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten. Da es sich bei dem Erlass von abstrakt-generellen Regelwerken um kollektive private Maßnahmen handelt, sind auch die privaten ÜNB aufgrund ihrer quasi-hoheitlichen Machtbefugnisse Verpflichtungsadressaten der Grundfreiheiten. 93

Vergleiche Teil 2 A. I.

A. Grenzen beim Erlass 

211

Jedoch liegt kein Eingriff in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit vor, da die aktuellen Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen mangels diskriminierender Wirkung keine „Maßnahmen gleicher Wirkung“ im Sinne des Art. 34 AEUV darstellen. 2. Europäischer Grundrechteschutz der Marktteilnehmer Eine weitere Grenze beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen neben den Grundfreiheiten bilden die europäischen Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta (GRCh).94 Als wesentliche Grenzen für die Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen des Regelreservemarkts kommen die drei wirtschaftsbezogenen Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 15 GRCh), der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GRCh) und der Eigentumsfreiheit (Art.  17 GRCh) in Betracht. Bevor diese Wirtschaftsfreiheiten im Einzelnen untersucht werden, ist im Vorfeld zu klären, für welche Normgeber des Regelreservemarkts die Charta überhaupt eine Bindungswirkung entfaltet. a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Der Anwendungsbereich der Charta wird in Art. 51 GRCh definiert und adressiert in Abs. 1 S. 1 die Verpflichteten: „Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.“ Im Folgenden wird untersucht, ob und inwieweit die EU-GrundrechteCharta Bindungswirkung für die Unionsorgane (aa)), die Mitgliedstaaten (bb)) und Private (cc)) entfaltet. aa) Unionsorgane als Verpflichtungsadressaten Gemäß den Erläuterungen zur GRCh sollen in erster Linie die in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV genannten Organe der Europäischen Union einschließlich der durch die Verträge oder durch Sekundärrechtsakte geschaffenen „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ aus der Charta verpflichtet werden.95 Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh

94 Die Grundrechte-Charta entfaltete bereits mit der feierlichen Proklamation im Jahre 2000 Wirkung, wurde aber erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 01. 12. 2009 gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV Bestandteil des Primärrechts, vergleiche Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission, Nizza, 07. 12. 2000, ABl. 2000, Nr. C 364/1 und Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, GR-Charta Vor Rn. 7 und 10. 95 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. 2007, Nr. C 303/17, S. 32.

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statuiert somit eine umfassende Bindung der gesamten Hoheitsgewalt der Union an die europäischen Grundrechte.96 Im Regelreservemarkt sind aufgrund der Bindungswirkung der Unionsorgane insbesondere der Rat und das europäische Parlament als Unionsgesetzgeber beim Erlass von Richtlinien und Verordnungen, aber auch die Kommission bei Verabschiedung von Kommissionsleitlinien und EU-Netzkodizes an die Grundrechte der Charta gebunden. bb) Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten Anwendung findet die Charta gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh ebenfalls für die Mitgliedstaaten „bei der Durchführung des Rechts der Union“.97 Der Begriff der „Durchführung“ beruht auf der vor der Grundrechte-Charta erlassenen EuGH-Judikatur und wurde erstmals im Urteil Wachauf verwendet.98 Allerdings bestehen hinsichtlich der Auslegung des Begriffs und der Reichweite unterschiedliche Ansichten zwischen dem EuGH, dem BVerfG und der Literatur.99 Streitig ist insbesondere, ob im Rahmen eines weiten Verständnisses die Unionsgrundrechte auf alle Fallgestaltungen anwendbar sind, die in irgendeiner Form „in den Anwendungsbereich des Unionsrechts“ fallen.100 Oder ob der Begriff enger zu verstehen ist, sodass nicht „jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses“ ausreiche.101 Vielmehr bedürfe es eines „hinreichenden Zusammenhang[s] von einem gewissen Grad“ der nationalen Regelung zum betroffenen Unionsrechtsakt.102 Zudem bestehen geteilte Meinungen darüber, ob die Mitgliedstaaten im 96

Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta, S. 100; Folz, in: Vedder / ​ Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 51 GR-Charta Rn. 3. 97 Von der Frage der Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte ist die Frage zu trennen, in welchem Verhältnis diese zu den nationalen Grundrechten stehen, vergleiche hierzu Teil 5 A. II. 1. b). 98 EuGH, Rs. 5/88, ECLI:EU:C:1989:321, Rn. 19 – Wachauf; Schorkopf, in: Grabenwarter, EnzEuR, Band 2, § 3 Rn. 18. 99 Statt vieler Schonard, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 51 GRCh Rn. 7; Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 15; Jarass, NVwZ 8/2012, 457– 461 (457). 100 So lange Zeit die ständige Rechtsprechung des EuGH. Vergleiche mit Verweis auf viele weitere Entscheidungen EuGH, Rs. C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 19 f.  – Åkerberg Fransson. Ebenso die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. 2007, Nr. C 303/17, S. 32. 101 So zunächst das BVerfG in seinem Urteil zur Antiterrordatei als Antwort auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Åkerberg Fransson, BVerfGE 133, 277 (316). 102 So der EuGH in Abkehr zu seiner vorhergehenden Rechtsprechung EuGH, Rs. C-206/13, ECLI:EU:C:2014:126, Rn. 24  – Siragusa. Seitdem auch EuGH, Rs. C-198/13, ECLI:EU:​ C:2014:2055, Rn. 34 ff.  – Hernández; EuGH, Rs. 218/15, ECLI:EU:C:2016:748, Rn. 14  – Paoletti. Ebenso Teile der Literatur, Streinz / Michl, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 51 GRCh Rn. 13 f.; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 51 GRCh Rn. 23.

A. Grenzen beim Erlass 

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Rahmen der Rechtfertigungsgründe der Grundfreiheiten an die Charta gebunden sind.103 Weitestgehend unbestritten ist hingegen die Konstellation der Bindung der Mitgliedstaaten an die Unionsgrundrechte, wenn diese Unionsrecht durchführen, das heißt Richtlinien umsetzen, Verordnungen vollziehen, normative Konkretisierungen des Unionsrechts vornehmen und Unionsrecht gerichtlich anwenden.104 Umfasst sind hiervon also nationale Handlungen auf normativer, administrativer und judikativer Ebene.105 In diesem Kontext ist dennoch strittig, ob die Grundrechte-Charta nur dann Anwendung findet, wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen einer zwingenden europäischen Verpflichtung handeln106 oder auch dann, wenn ihnen bei der Umsetzung von Richtlinien Gestaltungs- und Ermessensspielräume zukommen.107

103

So der EuGH in den Entscheidungen EuGH, Rs. C-260/89, ECLI:EU:C:1991:254, Rn. 42 f. – ERT; EuGH, Rs. C-112/00, ECLI:EU:C:2003:333, Rn. 74 f.  – Schmidberger; EuGH, Rs. C-368/95, ECLI:EU:C:1997:325, Rn. 24  – Familiapress; EuGH, Rs. C-60/00, ECLI:EU:C:​ 2002:434, Rn. 40 – Carpenter; EuGH, Rs. C-390/12, ECLI:EU:C:2014:281, Rn. 35 – Pfleger. Ebenso bejahend in der Literatur unter anderem Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 16; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 51 GRCh Rn. 32; Terhechte, in: Von der ­Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art.  51 GRCh Rn.  10; Sagmeister, Die Grundsatznormen in der Europäischen Grundrechtecharta, S. 316 ff.; Osing, Die Netzneutralität im Binnenmarkt, S. 180; Winkler, Die Grundrechte der Europäischen Union, S. 139 ff. Ablehnend hingegen unter anderem Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art.  51 GR-Ch Rn. 19 f. mit der Begründung, dass bei jeder Beeinträchtigung der grundfreiheitlichen Schutzbereiche der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte eröffnen wäre, wodurch die Mitgliedstaaten letztlich in weiten Bereichen auch an die Unionsgrundrechte gebunden und die nationalen Grundrechte nicht mehr anwendbar wären. Zurückhaltend aufgrund derselben Argumente, ohne sich jedoch dieser Ansicht anzuschließen Wollenschläger, in: Hatje / Müller-Graff, EnzEuR, Band 1, § 8 Rn. 25. Die Diskussion darstellend, aber im Ergebnis offenlassend Pirker, Grundrechtsschutz im Unionsrecht zwischen Subsidiarität und Integration, S. 387 ff.; Franzius, ZaöRV 2/2015, 383–412 (386 f.). 104 So etwa Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 14 Rn. 73; Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 16; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 51 GR-Ch Rn. 8, 12 und 13; Schwerdtfeger, in: Meyer, EU-Grundrechtecharta, Art. 51 GRCh Rn. 26; Terhechte, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 51 GRCh Rn. 10; Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 108; Schmidt, Die Grundsätze im Sinne der EU-Grundrechtecharta, S. 107; Brosius-Gersdorf, Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, S. 17 ff.; Cremer, EuGRZ 2011, 545–554 (550); wohl auch Ladenburger, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 51 GRCh Rn. 22. Einige dieser Stimmen gehen dabei nur von einer normativen und einer administrativen Ebene aus. 105 Terhechte, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 51 GRCh Rn. 18 f.; Jarass, NVwZ 8/2012, 457–461 (460). 106 BVerfGE 118, 79 (95) mit weiteren Entscheidungen des BVerfG; BVerfGE 125, 260 (306); Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 19; Folz, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 51 GRCh Rn. 6. 107 EuGH, Rs. 5/88, ECLI:EU:C:1989:321, Rn. 22 – Wachauf; EuGH, Rs. C-540/03, ECLI:​ EU:C:2006:429, Rn.  104 – Parlament / Rat; Schwerdtfeger, in: Meyer, EU-Grundrechtecharta, Art. 51 GRCh Rn. 25; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 51 GRCh Rn. 29; Sagmeister, Die Grundsatznormen in der Europäischen Grundrechtecharta, S. 316 ff.

214

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Für den Regelreservemarkt bedeutet dies, dass die nationalen Organe zumindest insoweit an die europäischen Grundrechte gebunden sind, als diese Unionsrecht durchführen, insbesondere Richtlinien umsetzen und Verordnungen vollziehen. Die Vorschriften hinsichtlich der Regelreserve befinden sich detailliert in den in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on Electricity Balancing.108 Die in den Verordnungen enthaltenen Verpflichtungen der ÜNB sind im Rahmen des administrativen Vollzugs von den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Dabei beinhalten die Kommissionsleitlinien zwar Ermessensspielräume hinsichtlich der Verpflichtungen der privaten ÜNB, jedoch nicht für die für den Vollzug zuständigen Mitgliedstaaten. Dasselbe gilt für die in der EltVO enthaltenen Anforderungen hinsichtlich des Marktdesigns für Regelreserve. Aufgrund der mitgliedstaatlichen Verantwortung für die Durchsetzung dieser unionsrechtlichen Vorschriften besteht folglich in dieser Konstellation eine Bindung der nationalen Organe. Dies betrifft insbesondere die Bundesnetzagentur, die bei Erteilung der behördlichen Genehmigung der Regelwerke der ÜNB an die Unionsgrundrechte gebunden ist. cc) Private als Verpflichtungsadressaten Bei der Ausarbeitung der Charta verzichtete der Grundrechtekonvent auf die Diskussion über eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte für Private und überließ dies der Rechtsprechung der europäischen Gerichtshöfe und der Lehre.109 Der EuGH zeigte sich in seiner bisherigen Rechtsprechung überwiegend zurückhaltend gegenüber einer unmittelbaren Drittwirkung der Unionsgrundrechte für Private.110 Insgesamt sprechen verschiedene Argumente gegen eine unmittelbare Bindung Privater an die Grundrechte.111 Erstens findet die Charta gemäß dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh Anwendung allein für die Europäische 108 Vergleiche zur Ausarbeitung, zum Erlass und zur Rechtsnatur der Kommissionsleitlinien Teil 4, insbesondere Teil 4 B. III. 109 Pache, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 1, Art. 51 GRC Rn. 38. 110 Ablehnend hinsichtlich Art. 27 GRCh im Kontext der Umsetzung von Richtlinien EuGH, Rs. C-176/12, ECLI:EU:C:2014:2, Rn. 51 – Association de médiation sociale; Kahl / Schwind, EuR 2/2014, 170–195 (176 f.); Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165 (152 f.). Erstmals lieferte der EuGH in einem obiter dictum in der Rechtssache Egenberger Hinweise auf eine unmittelbare Drittwirkung für Private bezüglich Art. 21 GRCh, EuGH, Rs. C-414/16, ECLI:EU:C:2018:257, Rn. 77 – Egenberger. Eine Tendenz des EuGH zur Ausweitung der unmittelbaren Wirkung der europäischen Grundrechte auf Private beobachtend Kainer, NZA 14/2018, 894–900, und Ruffert, JuS 1/2020, 1–6. 111 Rengeling / Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, Rn. 331 ff.; Folz, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 51 GR-Charta Rn. 16; Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 22; im Ergebnis wohl auch Schonard, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 51 GRCh Rn. 4. Ambivalent Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  51 GR-Ch Rn.  21; Winkler, Die Grundrechte der Europäischen Union, S. 162.

A. Grenzen beim Erlass 

215

Union sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Mitgliedstaaten; Privatpersonen werden hingegen nicht erwähnt.112 Zweitens dient gemäß der Kohärenzklausel des Art. 52 Abs. 3 GRCh die Europäische Menschenrechts­konvention als Erkenntnisquelle, deren Grundrechte entfalten jedoch ebenfalls keine unmittelbare Drittwirkung zwischen Privaten.113 Drittens dürfte – wie von der Gegenansicht vorgebracht – auch keine Schutzlücke bestehen, da durch die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte über einfachgesetzliche Generalklauseln und durch die Schutzpflichten der Hoheitsträger zum Schutz Dritter vor privaten Verhaltensweisen der Gehalt der Grundrechte im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung zur Geltung kommt.114 Eine unmittelbare Grundrechtsbindung Privater ist daher aus den drei vorgenannten Gründen abzulehnen. Die europäischen Grundrechte bilden somit Abwehrrechte ausschließlich gegen hoheitliches, nicht jedoch gegen privates Handeln.115 Hieraus folgt jedoch, dass Unternehmen, die staatlich beherrscht sind – davon ist in der Regel auszugehen, wenn sie jedenfalls mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen,  – eine Betätigung des Mitgliedstaats darstellen und demnach unter gleichen Voraussetzungen wie die Mitgliedstaaten unmittelbar grundrechtlich gebunden sind.116 Durch die Grundrechtsverpflichtung soll vermieden werden, dass sich der Mitgliedstaat durch die Wahl der Rechtsform der Betätigung einer Grundrechtsbindung entziehen kann. Im Rahmen der Gestaltung des Regelreservemarkts ist zu untersuchen, ob die privatrechtlich organisierten ÜNB von der öffentlichen Hand beherrscht werden und damit unmittelbar an die Grundrechte der Charta gebunden sind. Die vier in Deutschland tätigen ÜNB sind zwar alle als juristische Personen des Privatrechts organisiert, jedoch ist teilweise die inländische bzw. ausländische öffentliche Hand beteiligt. So liegt lediglich der Netzbetreiber Amprion GmbH zu 100 % in privater Hand117, während der Netzbetreiber TenneT TSO GmbH unter dem Dach der TenneT Holding BV zusammengefasst ist, die zu 100 % dem niederländischen Staat gehört.118 Der Netzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH steht über die KfW-Bank mit 20 % im Eigentum der 112

Lenaerts, EuR 1/2012, 3–18 (Fn. 6); Pieper, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, B. I. Rn. 145. 113 Statt vieler Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 2 Rn. 58. 114 Schwerdtfeger, in: Meyer, EU-Grundrechtecharta, Art. 51 GRCh Rn. 58 f.; Hatje, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 51 GRC Rn. 22. Vergleiche zur mittelbaren Drittwirkung Teil 5 C. I. 115 Dauses, Der Schutz der Grundrechte in der Rechtsordnung der Europäischen Union, S. 47; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 51 Rn. 4. 116 Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 14 Rn. 57; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4, Rn. 299; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 51 Rn. 19. Vergleiche allgemein zur Definition „öffentliches Unternehmen“ Art. 2 lit. b) RL 2006/111/EG (Transparenz-RL), der auf die Beherrschungsverhältnisse durch die öffentliche Hand abstellt. 117 https://www.amprion.net/Amprion/ (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 118 https://www.tennet.eu/de/unternehmen/profil/organisation/ (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). Aktuell bestehen Bestrebungen des Bundes, als Anteilseigner bei TenneT einzusteigen, hier sind jedoch aktuell noch keine öffentlichen Details verfügbar.

216

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

deutschen öffentlichen Hand,119 die übrigen Anteile hält die Elia Group, die sowohl mindestens hälftig aus belgischem Staatseigentum als auch aus privaten Aktionären besteht.120 Der Netzbetreiber TransnetBW GmbH ist als eine 100-%-Tochter des EnBW-Konzerns zu nahezu 100 % in inländischer öffentlicher Hand.121 Somit sind die Netzbetreiber TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH jedenfalls mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrscht und mithin an die Grundrechte gebunden. Erlassen diese Regelwerke auf Grundlage der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation, führen sie Unionsrecht durch, weshalb die EU-Grundrechte unmittelbare Anwendung finden. Da die ÜNB TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH zur Einhaltung der EU-Grundrechte-Charta verpflichtet sind, bilden bei Erlass der Präqualifikationsbedingungen die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit und die Eigentumsfreiheit unmittelbare materiell-rechtlichen Grenzen für deren normsetzende Tätigkeit. dd) Zwischenergebnis: Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Die Grundrechte-Charta adressiert primär die Unionsorgane als Grundrechtsverpflichtete. Auch die Mitgliedstaaten sind gemäß dem Wortlaut des Art. 51 Abs. 1 GRCh an die EU-Grundrechte-Charta gebunden, sofern sie Unionsrecht durchführen. Jedenfalls bei der Umsetzung von zwingenden Vorgaben von Richtlinien, beim administrativen Vollzug von Verordnungen sowie bei der judikativen Anwendung von Europarecht sind sie mit der „Durchführung von Unionsrecht“ betraut. Private hingegen sind nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden, es sei denn, es handelt sich um Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Für den Regelreservemarkt bedeutet dies, dass die Unionsorgane bei Erlass der EltRL 2019, der EltVO sowie der Kommissionsleitlinien an die GrundrechteCharta gebunden sind. Ist eine Genehmigung der privaten Regelwerke der ÜNB durch die Bundesnetzagentur vorgeschrieben,122 liegt eine „Durchführung von Unionsrecht“ durch eine mitgliedstaatliche Behörde vor, welche bei Erteilung der Genehmigung an die Grundrechte gebunden ist. Auch die ÜNB TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH sind aufgrund ihrer Beherrschung durch die öffentliche Hand unmittelbar an die Grundrechte gebunden, soweit sie die unionsrechtlichen Vorgaben der Guideline on Electricity ­Balancing und der Guideline on System Operation ausführen. 119

https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Struktur (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). https://www.eliagroup.eu/en/investor-relations/elia-share/shareholder-structure (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 121 https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/aktie/aktionaersstruktur.html (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 122 Vergleiche hierzu ausführlich insbesondere Teil 4 B. III. 2. d). 120

A. Grenzen beim Erlass 

217

b) Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer Eine Untersuchung der europäischen Berufsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer drängt sich im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen auf. Der EuGH hat 1974 erstmals in der Rechtssache Nold die Berufsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt123 und betrachtete die unternehmerische Freiheit als einen Unterfall hierzu; erst mit Kodifikation der Grundrechte wurde die unternehmerische Freiheit als eigenständiges Grundrecht eingeführt.124 Nach herrschender Meinung ist die unternehmerische Freiheit in Art. 16 GRCh als lex specialis zur Berufsfreiheit in Art. 15 GRCh zu betrachten, sofern es um die Rechte von Selbstständigen geht.125 Hierdurch erfolgt eine Verdrängung des Anwendungsbereichs von Art. 15 GRCh im Bereich von selbstständig Tätigen, wodurch sich der Schutzbereich der Berufsfreiheit126 allein auf Arbeitnehmer beschränkt.127 Da am Regelreservemarkt selbstständige Unternehmen als Regelreserveanbieter teilnehmen, betreffen die Regelungen zur Marktteilnahme am Regelreservemarkt

123

Schwarze / van Voet Vormizeele, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 15 GRC Rn. 3; Blanke, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 15 Rn. 4. 124 Schneider, Die unternehmerische Freiheit des Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 47; Sasse, EuR 6/2012, 628–654 (629). Da der EuGH somit auch bereits vor Kodifikation der Grundrechte materiell zwischen der Berufsfreiheit und dem Unterfall der unternehmerischen Freiheit differenzierte, ist eine Anknüpfung an dessen bisherige Rechtsprechung für Inhalt und Schranken möglich, Schwarze / van Voet Vormizeele, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 15 GRC Rn. 7; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art.  16 GR-Charta Rn.  6. 125 Statt vieler Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 110; Wollenschläger, EuZW 7/2015, 285–288 (287); Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 15 GR-Charta Rn. 8; Bernsdorff, in: Meyer, EU-Grundrechtecharta, Art. 15 GRCh Rn. 14; Osing, Die Netzneutralität im Binnenmarkt, S. 202. Schwier hingegen stellt zur Abgrenzung primär auf das „Merkmal der Persönlichkeitsgebundenheit“ ab, Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 144 ff. Der EuGH differenzierte erstmals im Fall Lidl, EuGH, Rs. C-134/15, ECLI:EU:C:2016:498, Rn. 26 – Lidl, stellte jedoch keine klaren Kriterien zur Abgrenzung auf. 126 Die Berufsfreiheit schützt als einheitliches Grundrecht die Berufswahl und die Berufsausübung, weshalb alle abhängigen Beschäftigungen beginnend mit der Aufnahme der Tätigkeit bis hin zu deren Beendigung vom Schutzbereich umfasst sind. Dabei wird als Beruf jede auf Dauer angelegte Tätigkeit gegen Entgelt, die mit Erwerbsabsicht verfolgt wird, verstanden, wobei die Erlaubtheit nicht maßgeblich ist. Darunter fällt unter anderem die berufliche Vertragsfreiheit, die Wahl eines bestimmten Arbeitgebers sowie das Recht, einen bestimmten Beruf nicht zu ergreifen bzw. auszuüben, vergleiche vertiefend hierzu Nowak, in: Heselhaus / Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 34; Blanke, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 15 GRCh; Penski / Elsner, DÖV 7/2001, 265–275; Frenz, GewArch 12/2008, 465–472. 127 Frenz, Handbuch Europarecht, Band  4, Rn. 1205; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / ​ AEUV, Art. 15 GR-Ch Rn. 4.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

somit nicht Arbeitnehmer, sondern selbstständige Investoren.128 Eine Eröffnung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit liegt in dieser klassischen Konstellation daher in der Regel nicht vor. Im Gegensatz zur Berufsfreiheit kommt der unternehmerischen Freiheit in Art. 16 Abs. 1 GRCh im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen jedoch eine hohe Relevanz zu. aa) Schutz der wirtschaftlichen Betätigung von Unternehmen Vom Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit sind als Teilaspekte die Freiheit der Ausübung einer Wirtschafts- und Geschäftstätigkeit und die Vertragsfreiheit erfasst;129 ob auch die Wettbewerbsfreiheit grundrechtlichen Schutz aus der Charta erfährt, ist strittig.130 Geschützt wird jedenfalls die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von selbstständig Tätigen in all ihren Ausprägungen, insbesondere die Aufnahme, Fortsetzung und Beendigung einer unternehmerischen Tätigkeit.131 In den Schutzbereich fällt jede wirtschaftliche Einheit, die durch das Inverkehrbringen von Produkten oder Dienstleistungen am Markt teilnimmt und damit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.132 128 Vergleiche die Anbieterliste mit den präqualifizierten Teilnehmern mit Stand vom 01. 03. 2020 https://www.regelleistung.net/ext/ (zuletzt abgerufen am 07. 05. 2020). 129 EuGH, Rs. 4/73, ECLI:EU:C:1974:51, Rn. 14  – Nold; EuGH, Rs. 230/78, ECLI:EU:C:​ 1979:216, Rn. 20 und 31  – SpA Eridania; EuGH, Rs. 151/78, ECLI:EU:C:1979:4, Rn. 19  – Sukker­fabriken Nykøbing; Cloppenburg, Erwerbsgrundrechte im Unionsrecht, S. 178 ff.; Riemer, Investitionspflichten der Betreiber von Elektrizitätsübertragungsnetzen, S. 290 f.; Schneider, Die unternehmerische Freiheit des Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 68 ff.; Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 112. 130 In den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. 2007, Nr. C 303/17 wird fest­ gehalten, dass sich die unternehmerische Freiheit auf Art. 119 Abs. 1 und 3 des AEUV stützt, in dem der freie Wettbewerb anerkannt wird. Hieraus lesen einige eine Subjektivierung der Wettbewerbsfreiheit, vergleiche Sasse, EuR 6/2012, 628–654 (628 f.); Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 19 Rn. 12; Wollenschläger, EuZW 7/2015, 285–288 (287). Nach wohl überzeugender Ansicht konstituiert der freie Wettbewerb jedoch objektiv-rechtlich die unionsrechtliche Wirtschaftsordnung und ist nicht als subjektives Recht ausgeformt, vergleiche Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 16 GR-Charta Rn. 6; Blanke, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 16 Rn. 16; Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 112 ff.; wohl auch Rengeling / Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, Rn. 801 ff. Der EuGH legt sich nicht eindeutig fest, tendiert jedoch zu einer eher objektiv-rechtlichen Prüfung, EuGH, Rs. 280/93, ECLI:EU:C:1994:367, Rn. 59 ff. – Deutschland / Rat, anders jedoch in EuGH, Rs. 133–136/85, ECLI:EU:C:1987:244, Rn. 15 ff. – Rau. 131 Nowak, in: Heselhaus / Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 35 Rn. 29; Grabenwarter, in: Grabenwarter, EnzEuR, Band 2, § 13 Rn. 30; Bernsdorff, in: Meyer, EUGrundrechtecharta, Art. 16 Rn. 10a; Schneider, Die unternehmerische Freiheit des Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 63; Jarass / Kment, EU-Grundrechte, § 21 Rn. 7. 132 Liebetrau, Der Zusammenhang von Kontrahierungszwang und Beschränkung der vertraglichen Inhaltsfreiheit am Beispiel von Entgeltregelungen für Basiskonten, S. 118.

A. Grenzen beim Erlass 

219

Ein Eingriff liegt vor, wenn die unternehmerische Freiheit erheblich beschränkt oder unmöglich gemacht wird.133 Angesichts des Ziels von Art. 16 GRCh, den Wettbewerb zu fördern, stellt eine Öffnung des Markts für neue Akteure zur Intensivierung des Wettbewerbs in der Regel keinen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar.134 Jedoch kann unter bestimmten Umständen auch eine Änderung der Wettbewerbsstellung eines Wirtschaftsteilnehmers einen Eingriff darstellen, wie der EuGH im Rahmen von Marktordnungen mehrfach entschieden hat.135 Dabei unterscheidet der Europäische Gerichtshof zwischen Wettbewerbsveränderungen infolge der erstmaligen Einführung einer Marktordnung und der Anpassung bereits bestehender Marktordnungen. Im Bananenmarkt-Urteil stellte der EuGH fest, dass sich mit Einführung einer gänzlich neuen Marktordnung „die Wettbewerbsstellung insbesondere der Wirtschaftsteilnehmer auf dem deutschen Markt ändert“ und die mit der Neustrukturierung einhergehenden erheblichen Einschnitte durch Ziele des Gemeinwohls gerechtfertigt sein müssen.136 Anders urteilte der Europäische Gerichtshof jedoch in den Fällen, in denen Änderungen einer schon bestehenden Marktordnung Verfahrensgegenstand waren. Hier betonte der Gerichtshof, dass bereits der Schutzbereich des Grundrechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nicht eröffnet sei, da sich der Marktteilnehmer „nicht auf ein wohlerworbenes Recht auf Beibehaltung eines Vorteils berufen kann, der sich für dieses Unter­ nehmen aus der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation ergibt und der ihm zu diesem bestimmten Zeitpunkt zugute gekommen ist“.137 Profitiere somit ein Marktteilnehmer von den Vorteilen der Marktordnung wie beispielsweise von Abnahmegarantien und Preisregelungen, stelle dies eine wirtschaftliche Kompensation der Nachteile infolge der Marktveränderungen dar, weshalb die Änderung der Marktordnung nicht als Eingriff in ein Grundrecht gewertet werden könne.138 Ob diese Rechtsprechung auch dann Anwendung findet, wenn die Anpassung einer bereits bestehenden Marktordnung ihrem kompletten Umsturz gleichkommt, beantwortete der Europäische Gerichtshof zwar nicht, dies kann jedoch bezweifelt werden.

133

Wolffgang, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 16 GRCh Rn. 6. Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4, Rn. 2745. 135 Jarass, EU-GR-Charta, Art. 16 Rn. 14. 136 EuGH, Rs. 280/93, ECLI:EU:C:1994:367, Rn. 81 – Deutschland / Rat. 137 EuGH, Rs. 230/78, ECLI:EU:C:1979:216, Rn. 20 und 31 – SpA Eridania; EuGH, verb. Rs. 133–136/85, ECLI:EU:C:1987:244, Rn. 18 – Rau. 138 Kritisiert wird die Verneinung des Eingriffs durch den EuGH mit Verweis auf eine Prüfung auf Rechtfertigungsebene unter anderem von Ruffert, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 19 Rn. 18 ff.; Blanke, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 15 Rn. 29; differenzierend zwischen Unternehmen, die unter die Marktorganisation fallen, und solchen, die nicht der Marktorganisation unterfallen und daher auch keine unmittelbaren Vorteile daraus erlangen, Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 98 f. 134

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

bb) Bedeutung für den Regelreservemarkt Aufgrund der Bindungswirkung der Unionsorgane an die Grundrechte-Charta sind grundsätzlich die EltRL  2019, die EltVO sowie die Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation an der unternehmerischen Freiheit zu prüfen. Da diese jedoch nur die Rahmenvorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Regelreservemarkts enthalten und die konkrete Ausgestaltung des Marktdesigns größtenteils auf die ÜNB übertragen, sind Beeinträchtigungen der unternehmerischen Freiheit durch die Kommissionsleitlinien sowie die EltVO und die EltRL 2019 nicht ersichtlich. Jedoch könnten die privaten Regelwerke der ÜNB und die Genehmigungen der Bundesnetzagentur, durch welche die privaten Ausführungsakte der ÜNB Anwendung erhalten,139 einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen. Die Regelreserveanbieter betätigen sich unternehmerisch im Bereich des Regelreservemarkts, indem sie gegen ein Entgelt die Vorhaltung und den Abruf von Regelreserve anbieten. Die früheren Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen erschwerten oftmals eine wirtschaftliche Betätigung von potenziellen neuen Marktteilnehmern. Beispielsweise verhinderten lange Produktzeitscheiben140 von einem Monat für Primärregelleistung (FCR) eine Marktteilnahme volatiler Anlagen, da diese aufgrund des wetterabhängigen Dargebots und der Prognoseunsicherheit keine 100 %ige Zeitverfügbarkeit über einen solch langen Zeitraum gewährleisten konnten. Auch hinderte die bisherige Gestaltung des Ausschreibungszeitraums und der Mindestangebotsmenge eine Marktteilnahme mancher Akteure und Technologien.141 Insgesamt waren die Präqualifikationsund Ausschreibungsbedingungen aufgrund des technischen Fortschritts sowie der durch die Energiewende veränderten Akteurslandschaft im Laufe der Zeit nicht mehr zweckmäßig und vernünftig, um den beschränkenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit der potenziellen Marktteilnehmer rechtfertigen zu können.142 Um eine diskriminierungsfreie Teilnahme aller Akteure und Technologien am Regelreservemarkt zu ermöglichen, wie Art. 6 Abs. 1 lit. c) EltVO fordert, wurden die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen stetig angepasst.143 Die kontinuierliche Anpassung der Regelwerke führte unter anderem zu einer Reduktion der Produktzeitscheiben auf zuletzt vier Stunden,144 wodurch Betreiber von volatilen Anlagen verbesserte Möglichkeiten zur unternehmerischen Betätigung auf dem Regelreservemarkt erhielten. Auch wurden zur Erleichterung des Markt­ zutritts von Windenergieanlagen- und Speicherbetreibern Sonderregelungen im 139

Vergleiche hierzu ausführlich insbesondere Teil 4 B. III. 2. d). Der Fachbegriff „Produktzeitscheibe“ bezieht sich auf den Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve. Vergleiche hierzu insbesondere Teil 1 E. 141 Ludwigs / L anger, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 1a Rn. 16. 142 Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (265). 143 Vergleiche insbesondere Teil 1 E. 144 Vergleiche zum aktuellen Ausschreibungsdesign Teil 2 A. II. 140

A. Grenzen beim Erlass 

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Rahmen des Präqualifikationsverfahrens geschaffen.145 Die Fortentwicklungen dienten somit dazu, auch künftig die unternehmerische Freiheit der potenziell neuen Marktakteure zu gewährleisten. Für die etablierten Marktteilnehmer kann andererseits die Intensivierung des Wettbewerbs durch die Einführung neuer Regelungen eine Schwächung ihrer Marktstellung hervorrufen. Die angestrebte Öffnung des Regelreservemarkts und die Intensivierung des Wettbewerbs dienen jedoch gerade dem Sinn und Zweck des Art. 16 GRCh, nämlich der Gewährleistung der wirtschaftlichen Betätigung von unternehmerisch Tätigen. Eine wettbewerbsbedingte Schwächung der Marktstellung infolge der Fortentwicklung der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen spiegelt allein das allgemeine unternehmerische Risiko wider und ist nicht vom Schutzbereich des Art. 17 GRCh umfasst. Ändern sich die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts, liegt daher in der Regel kein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit der betroffenen etablierten Marktteilnehmer vor. Auch kann die Rechtsprechung des EuGH zur Grundrechtsposition etablierter Marktteilnehmer in Marktordnungen nicht auf den Regelreservemarkt übertragen und damit ein Eingriff begründet werden. Eine Marktordnung stellt gemäß Art. 40 AEUV ein mögliches Instrument zur Schaffung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte in der Europäischen Union dar. Sie ist die tiefgreifendste Form der Organisation und unterbindet durch die weitreichenden Regelungen zur Marktintervention eine Liberalisierung der betroffenen Märkte.146 Bei Vorliegen einer Marktordnung ersetzen bzw. beeinflussen öffentlich-rechtliche Regelungen die Privatautonomie der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, indem zu ihrem Schutz der Preis, der Inhalt der Austauschbeziehungen, die Art und Weise des Marktverkehrs und die Produktionsstruktur festgelegt wird.147 Dies erfolgte bei der Organisation der Agrarmärkte früher insbesondere durch Subventionen- und Preisstützungssysteme, Abnahmegarantien und Regelungen des Drittlandhandels.148 Der Regelreservemarkt unterliegt durch die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen zwar einer starken Regulierung, diese ist jedoch in ihrer Intensität nicht mit Marktordnungen vergleichbar. Für ihre Marktteilnahme erhalten die Regelreserveanbieter bei erfolgreichem Zuschlag den von ihnen gebotenen Preis; eine darüber hinausgehende Unterstützung in Form von Abnahmegarantien zu festgelegten Preisen oder finanzielle Förderung besteht jedoch nicht. Insofern 145

Vergleiche zu den Sonderregelungen Teil 2 B. Martinez, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 40 AEUV Rn. 7; Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 98. 147 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 221. 148 Schwier, Der Schutz der „unternehmerischen Freiheit“, S. 98; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, Rn. 223. Anstelle der Intervention durch Preisstützung erfolgen in den letzten Jahren immer öfter Direktzahlungen in Form von Subventionen, Priebe, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  39 Rn.  19. 146

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

ist die Rechtsprechung des EuGH zur Begrenzung des Schutzbereichs bei einer Änderung der Rahmenbedingungen einer Marktordnung nicht auf den Regel­ reservemarkt übertragbar. c) Eigentumsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer Einer regulierten Transformation von wettbewerblichen Märkten durch Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen könnten ebenfalls Grenzen durch die europäische Eigentumsfreiheit (Art. 17 Abs. 1 GRCh) gesetzt werden. Diese umfasst sowohl den Schutz natürlicher als auch juristischer Personen.149 aa) Schutz des Eigentums der Marktteilnehmer Das in der Charta verankerte Eigentumsrecht entspricht gemäß den Erläuterungen zur Charta dem Menschenrecht aus Art. 1 Zusatzprotokoll EMRK.150 Vom sachlichen Schutzbereich der Eigentumsgarantie als normgeprägtes Grundrecht ist das Sacheigentum umfasst, darüber hinaus auch dingliche Rechte, private Forderungsrechte und geistiges Eigentum.151 Entscheidend ist, dass das vermögenswerte Recht dem Einzelnen so zugeordnet ist, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung und zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.152 Das Vermögen als solches ist hingegen nicht vom Schutzbereich erfasst.153 Auch kann kein Wirtschaftsteilnehmer ein Eigentumsrecht an einem Marktanteil geltend machen, da ein solcher Marktanteil nur eine augenblickliche wirtschaftliche Position darstellt, die den mit einer Änderung der Umstände verbundenen Risiken ausgesetzt ist.154 Während Art. 17 GRCh nur wohlerworbene, 149

Vosgerau, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 17 Rn. 42. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl. 2007, Nr. C 303/17, S. 23; Bernsdorff, in: Meyer, EU-Grundrechtecharta, Art. 17 Rn. 1; Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Charta Rn. 1. 151 Heselhaus, in: Heselhaus / Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 36 Rn. 36; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 17 EU-GR-Charta Rn. 9 f.; Jarass / Kment, EU-Grundrechte, § 22 Rn. 7 f.; Depenhauer, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 17 Rn. 22; Michl, JuS 4/2019, 343–347 (345); Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 20 Rn. 18. 152 Jarass, EU-GR-Charta, Art. 17 Rn. 14; Jarass / Kment, EU-Grundrechte, § 22 Rn. 5. 153 Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 8; Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 20 Rn. 20. 154 EuGH, Rs. C-280/93, ECLI:EU:C:1994:367, Rn. 79 – Deutschland / Rat im Kontext von Marktorganisationen; EuGH, Rs. C-210/03, ECLI:EU:C:2004:802, Rn. 73 – Swedish Match; EuGH, verb. Rs. C-154/04 und C-155/04, ECLI:EU:C:2005:449, Rn. 128 – Alliance for Natural Health u. a.; EuGH, Rs. 120/06, ECLI:EU:C:2008:476, Rn. 185 – FIAMM und FIAMM Technologies; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 17 Rn. 12; Jarass / Kment, EU-Grundrechte, § 22 Rn. 10; Dauses, Der Schutz der Grundrechte in der Rechtsordnung der Europäischen Union, S. 57; a. A. wohl Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 229. 150

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also rechtlich gesicherte Vermögenswerte schützt, unterliegen bloße Erwartungen und kaufmännische Aussichten, deren Ungewissheit zum Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit gehört, nicht dem Schutzbereich.155 Im Rahmen des Vertrauensschutzes muss sich der Eigentümer auf den Fortbestand der bestehenden Rechtslage, die ihm die Nutzung seines Eigentums ermöglicht, verlassen können.156 Gemäß der Rechtsprechung des EuGH kann jedoch dort kein Vertrauen auf die Beibehaltung der bestehenden Situation entstehen, wo die Unionsorgane über einen Ermessensspielraum bei der Wahl der zur Verwirklichung ihrer Politik erforderlichen Mittel verfügen und mithin aufgrund der Veränderbarkeit der Marktstrukturen bereits kein schützenswertes Vertrauen entstehen kann.157 Bei hoheitlichen Maßnahmen muss darüber hinaus unterschieden werden, ob diese die Nutzung der Produktionsstätten unmittelbar betreffen – dann ist ein Eingriff zu bejahen –158 oder ob die Benutzung der Produktionsanlagen selbst ungeregelt bleibt, aber die nicht vom Schutzbereich erfasste Vermarktung des gefertigten Produkts einer Regulierung unterliegt.159 Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass von Art. 17 GRCh auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst sei.160 Im Rahmen dieser Rechtsfigur ist ungeklärt, ob neben der eigentumsrechtlichen Erfassung der Substanzwerte auch das Unternehmen in seiner Gesamtheit von Art. 17 GRCh um 155 EuGH, Rs. 4/73, ECLI:EU:C:1974:51, Rn. 14  – Nold; EuGH, Rs. 154/78, ECLI:EU:C:​ 1980:81, Rn. 89  – SpA; EuGH, Rs. 120/06, ECLI:EU:C:2008:476, Rn. 185  – FIAMM und ­F IAMM Technologie; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 17 Rn. 6 f.; Sonnevend, in: Grabenwarter, EnzEuR, Band 2, § 14 Rn. 33; Depenhauer, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 17 Rn. 22; Streinz, in: Streinz, EUV / ​ AEUV, Art. 17 GR-Charta Rn. 8; Pieper, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, B. I. Rn. 99; Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union, S. 38. 156 Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 9. 157 Im Kontext von Marktorganisationen EuGH, Rs. 230/78, ECLI:EU:C:1979:216, Rn. 22 – Eridania; EuGH, Rs. 52/81, ECLI:EU:C:1982:369, Rn. 27 – Faust / KOM; EuGH, Rs. C-177/90, ECLI:EU:C:1992:2, Rn. 13 – Kühn mit weiteren Nachweisen; EuGH, Rs. C-280/93, ECLI:EU:​ C:1994:367, Rn.  80 – Deutschland / Rat; Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union, S. 42 ff. Kritisch Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 9; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art.  17 GR-Charta Rn.  10. 158 Zum Beispiel in Form von Quoten für die Erzeugung, Heselhaus, in: Heselhaus / Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 36 Rn. 39. 159 Zum Beispiel in Form von Preisregelungen. Vosgerau, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 17 Rn. 46 f.; Streinz / Michl, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 17 GRCh Rn. 9; Calliess, in: Calliess / ​ Ruffert, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 9. 160 Befürwortend Wolffgang, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 17 GRCh Rn. 4; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4, Rn. 2843 ff.; Depenhauer, in: Tettinger / Stern, Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, Art. 17 Rn. 31; offenlassend Rengeling / Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, § 20 Rn. 809; Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 9; Wollenschläger, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art.  17 Rn.  16.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

fasst ist.161 Diese Frage hat der EuGH bislang offen gelassen.162 Die herrschende Meinung in der Literatur geht jedoch davon aus, dass der Schutz des Gewerbe­ betriebs selbst bei einer eigentumsrechtlichen Erfassung durch den Schutzbereich jedenfalls nicht weiter reichen kann als die im Einzelnen von der Eigentumsfreiheit geschützten Grundlagen.163 bb) Bedeutung für den Regelreservemarkt Der Eigentumsschutz umfasst die Nutzung der entsprechenden Eigentumswerte. Mithin fällt der Einsatz der einzelnen Anlagen für die Vorhaltung und Erbringung von Regelreserve unter den Eigentumsbegriff. Die Bundesnetzagentur könnte möglicherweise mit den Änderungen im Regelreserve-Ausschreibungsdesign durch Erlass der Festlegungen bzw. Genehmigungen der Vorschläge der ÜNB in die Eigentumsfreiheit der etablierten Marktteilnehmer eingreifen.164 Dabei ist zu unterscheiden, ob die entsprechenden rechtlichen Änderungen im Rahmen des allgemeinen unternehmerischen Risikos liegen oder ob die Regelreserveanbieter im schützenswerten Vertrauen auf eine bestehende, wohlerworbene Rechtsposition und mithin auf die Nutzung ihres Eigentums Investitionen getätigt haben. Die Ausschreibungen für alle drei Regelreserve-Produktqualitäten165 finden täglich statt.166 Da sich insofern anhand der aktuellen Merit-Order-Liste der eingegangenen Gebote täglich neu entscheidet, welche Unternehmen Regelleistung vorhalten und im Bedarfsfall aktivieren, sind kontinuierliche Erlöse für die einzelnen Marktteilnehmer nicht kalkulierbar. Eine gesicherte Nutzung der jeweiligen Anlagen für die Erbringung von Regelreserve ist somit auch nach einer erfolgreichen Präqualifikation nicht garantiert. Daraus folgend besteht hinsichtlich der Teilnahme am Regelreservemarkt keine gesicherte Rechtsposition, es handelt sich 161

Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4, Rn. 2844. EuGH, Rs. 59/83, ECLI:EU:C:1984:380, Rn. 21 f. – SA Biovilac NV; Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union, S. 37. 163 Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 20 Rn. 22; Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 17 GR-Ch Rn. 10; Rengeling / Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, § 20 Rn. 809. Wohl für eine Ausweitung des Schutzes auf die Gesamtheit des Unternehmens plädiert Vosgerau in Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR, der ebenfalls wirtschaftliche Interessen, den Kundenstamm und staatliche Konzessionen als von der Eigentumsfreiheit erfasst betrachtet, Vosgerau, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 17 Rn. 35. 164 Beeinträchtigungen der Eigentumsgarantie durch die Kommissionsleitlinien sowie die EltVO und die EltRL 2019 sind nicht ersichtlich, da diese nur die Rahmenvorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Regelreservemarkts enthalten, die konkrete Ausgestaltung des Marktdesigns jedoch größtenteils auf die ÜNB übertragen. 165 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 166 Vergleiche Teil 2 A. II. 162

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vielmehr um bloße Erwerbsabsichten und künftige Verdienstmöglichkeiten, welche nicht von Art. 17 GRCh GG erfasst werden. In der Vorbereitung auf die Gebotsabgabe manifestiert sich also allein das jeweils vom Grundrechtsträger selbst zu tragende unternehmerische Risiko in Erwartung zukünftiger Erlöse. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn gerade im Hinblick auf die Teilnahme am Regelreservemarkt Investitionen167 getroffen wurden, die infolge der veränderten Rechtslage in frustrierte Aufwendungen umschlagen. Problematisch ist auch hier, dass zum Investitionszeitpunkt aufgrund des vorgeschalteten Präqualifikationsverfahrens und des Auktionsformats keine gesicherte Zusage über die tatsächliche wirtschaftliche Rentabilität und Amortisierung des Geschäftsmodells vorlag. Die Investitionen wurden allein im Hinblick auf Erwartungen auf eine erfolgreiche Präqualifikation und einen hypothetischen Zuschlag in den täglich stattfindenden Auktionen getätigt. Eine gesicherte Nutzung der Anlage zum Zwecke der Regelreserve war somit zu keinem Zeitpunkt gegeben, weshalb entsprechende Investitionen als bloßes unternehmerisches Risiko und Erwartung auf einen Zuschlag zu werten sind. cc) Keine Übertragbarkeit der Rechtslage beim Atomausstieg Im Rahmen des deutschen Atomausstiegs wurde die Eigentumsfreiheit vielfach diskutiert.168 Obwohl auch der Atomausstieg zu einer staatlich gelenkten Transformation des Energiemarkts führt, kann die Rechtslage nicht auf die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen übertragen werden. Denn anders als beim Atomausstieg, der unmittelbar und bezweckt zu einer vollständigen Marktverdrängung bestimmter Erzeugungsanlagen führt, sollen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen im Sinne dieser Arbeit vielmehr dazu dienen, den wettbewerblichen Markt gerade für weitere Akteure und neue Technologien zu öffnen.169 Durch die neu eingeführten Regelwerke kommt es somit nicht zu einem normativen Marktausschluss bestimmter Erzeugungsanlagen im Regelreservemarkt, sondern im Gegenteil zu einer unionsrechtlich gewünschten Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Marktöffnung für weitere Akteure und Technologien. Nachteilige Folgen durch die wirtschaftliche Entwicklung stellen jedoch keinen Eingriff in die europäische Eigentumsfreiheit dar.170

167 Investitionen können beispielsweise im erstmaligen Aufbau einer IT-Struktur zur Marktkommunikation und Steuerbarkeit liegen. Die Summen hierfür sind teils erheblich. 168 Die Diskussionen fanden überwiegend im Kontext des Urteils des BVerfG zu Art. 14 GG statt, BVerfGE 143, 246. 169 BNetzA, Beschluss BK6-06-012 vom 06. 09. 2006, S. 6 und 22; BNetzA, Beschluss BK606-065 vom 31. 08. 2007, S. 28; BNetzA, Beschluss BK6-06-066 vom 31. 08. 2007, S. 25. 170 Jarass, EU-GR-Charta, Art. 17 Rn. 20.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

d) Zwischenergebnis: GRCh im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Grundrechte-Charta nur dann Grenzen für den Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen festschreibt, wenn diese von Unionsorganen oder von Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht verabschiedet werden. Für den Erlass der privaten Regelwerke durch die ÜNB, insbesondere die Präqualifikationsbedingungen, entfaltet sie ebenfalls für die staatlich beherrschten ÜNB TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH eine Bindungswirkung. Der Schutzbereich der europäischen Berufsfreiheit ist im Regelfall nicht eröffnet, da die Regelreserveanbieter nicht als angestellte Arbeitnehmer auftreten. Jedoch fallen sie in den Anwendungsbereich der für Selbstständige spezielleren unternehmerischen Freiheit, welche die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen am Markt schützt. Die kontinuierliche Anpassung des Regelreserve-Marktdesigns an den technischen Fortschritt ermöglicht neuen Akteuren und Technologien eine Marktteilnahme171 und damit deren unternehmerische Betätigung. Die Eigentumsfreiheit schützt insbesondere die bereits am Markt etablierten Teilnehmer im Bestand ihrer gesicherten Rechtspositionen, gewährt jedoch in der Regel keinen Schutz vor Veränderungen der Wettbewerbsstellung, Verlust von Marktanteilen und einer Novelle der Rechtslage. Aufgrund der im Vorfeld durchzuführenden Präqualifikation, den täglich stattfindenden Ausschreibungen im Regelreservemarkt und der Ungewissheit eines Zuschlags in den Auktionen besteht keine gesicherte Rechtsposition der Regelreserveanbieter in Bezug auf die Nutzung der Anlagen zur Erbringung von Regelreserve. 3. EU-Wettbewerbsrecht im Kontext privater Normsetzung Auch die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts setzen möglicherweise Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen im Bereich des Regelreservemarkts. Das europäische Wettbewerbsrecht (Art.  101 ff. AEUV), das dem Schutz des Binnenmarkts vor Wettbewerbsverfälschungen dient,172 ist untergliedert in Vorschriften für Unternehmen (Art. ­101–106 AEUV) und solche für staatliche Beihilfen (Art. 107–109 AEUV).173 Die beihilferechtlichen Regelungen adressieren den Umgang mit selektiven Begünstigungen einzelner Unternehmen oder Produktionszweige und werden daher in Teil 5 B. im Kontext der primär- und verfassungsrechtlichen Anforderungen 171 Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopol­ kommission gemäß § 62 EnWG, S. 37; BT-Drs. 19/2843, Frage 19 (Kleine Anfrage). 172 Behrens, Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht, Rn. 31; Hoffmann, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 1 Rn. 1. 173 Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt im Unionsrecht, S. 113; Schröter, in: Schröter, et al., Europäisches Wettbewerbsrecht, § 1 B. Rn. 3.

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an Sonderregelungen behandelt. Relevanter Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels sind somit allein die Vorschriften für Unternehmen (Art. 101–106 AEUV). Das europäische Kartell- und Missbrauchsrecht ist im AEUV im dritten Teil, Titel VII, Kapitel 1 niedergeschrieben und mit „Vorschriften für Unternehmen“ betitelt. Die Überschrift zeigt, dass nur Verhaltensweisen von privaten Unternehmen, nicht aber von Hoheitsträgern adressiert werden.174 Am Maßstab der Art. 101 f. AEUV sind folglich allein die Maßnahmen der privatrechtlich handelnden ÜNB zu messen, die im Rahmen der regulierten Selbstregulierung zur privaten Normsetzung im Bereich des Regelreservemarkts verpflichtet werden und daher eine zentrale Schlüsselstellung gegenüber den anderen potenziellen und bereits präqualifizierten Marktteilnehmern einnehmen. Das Zusammenwirken der ÜNB zur Vereinheitlichung der technischen Anforderungen und der Marktprozesse muss mit den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben im Einklang stehen. Im Folgenden werden die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts (a)), das Verbot kartellrechtlicher Zusammenschlüsse (b)) sowie das Missbrauchsverbot zum Schutz vor Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (c)) im Kontext privater Normsetzung durch die ÜNB auf dem Regelreserve­ markt untersucht. a) Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts Die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts ist aus verschiedenen Perspektiven fragwürdig: Zum einen ist dessen Anwendbarkeit neben dem Energierecht zu untersuchen (aa)), zum anderen besteht gegebenenfalls eine Exklusivität der Warenverkehrsfreiheit gegenüber den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften (bb)). Auch könnte die private Normsetzung mangels Qualifikation als wirtschaftliche Tätigkeit nicht vom Wettbewerbsrecht erfasst sein (cc)). 174 Frenz, Handbuch Europarecht, Band  2, Rn. 126 ff.; Säcker / Steffens, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 101 AEUV Rn. 126. Der EuGH betonte mehrmals, dass der Schutz des Binnenmarkts vor Wettbewerbsverfälschungen durch staatliche Maßnahmen über die Grundfreiheiten erfolgt, während für wettbewerbsverfälschende Handlungen durch Unternehmen und Unternehmensvereinigungen die Wettbewerbsregeln Vorschriften enthalten, vergleiche unter anderem EuGH, verb. Rs. 177/82 und 178/82, ECLI:EU:C:1984:144, Rn. 11 f. – van de Haar. Jedoch müssen auch die Mitgliedstaaten bei hoheitlichen Maßnahmen aufgrund des Loyalitätsgebots in Art. 4 Abs. 3 EUV mittelbar das Kartellrecht beachten, Weiß, in: Calliess / ­Ruffert, EUV / ​AEUV, Art.  101 AEUV Rn.  14; Grave / Nyberg, in: Loewenheim, et al., Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 54. So dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen treffen wie beispielsweise Gesetze oder Rechtsverordnungen erlassen, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten, EuGH, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4, Leitsatz 1 – Walt Wilhelm; EuGH, Rs. 13/77, ECLI:EU:C:1977:185, Rn. 30/35 – INNO / ATAB; EuGH, Rs. 311/85, ECLI:EU:C:1987:418, Rn. 10 – VVR; EuGH, Rs. 267/86, ECLI:EU:C:1988:427, Leitsatz 1 – Van Eycke.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

aa) Anwendbarkeit des EU-Wettbewerbsrecht neben dem Energierecht Bei der Frage, ob das europäische Wettbewerbsrecht beim Erlass von Regel­ werken für den Regelreservemarkt Anwendung findet, ist zunächst dessen Verhältnis zum Energierecht zu untersuchen. Grundsätzlich stehen das Wettbewerbsrecht und das Energierecht gemäß § 185 Abs. 3 GWB in einem gleichrangigen Verhältnis zueinander und können parallel angewendet werden, soweit § 111 EnWG dem nicht entgegensteht.175 Gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 EnWG sind die §§ 19, 20 und 29 GWB nicht anzuwenden, soweit durch das EnWG oder auf Grund dessen erlassener Rechtsverordnungen ausdrücklich abschließende Regelungen getroffen werden. Mit Einführung des § 111 Abs. 2 EnWG176 hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Bestimmungen des Teils 3 des EnWG und die auf Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsverordnungen abschließende Regelungen im Sinne des § 111 Abs. 1 S. 1 EnWG sind. Damit gilt insbesondere in den Bereichen der Netzentgeltregulierung, des Netzanschlusses, des Netzzugangs und der Netznutzung ein Vorrang des EnWG, während ansonsten das GWB anwendbar ist.177 Somit unterliegen alle den Netzbetrieb betreffenden Aspekte ausschließlich der Kontrolle der Regulierungsbehörden und nicht der Kartellbehörden.178 Angesichts der klaren Bezugnahme des § 111 EnWG lediglich auf Vorschriften des GWB bleibt die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 101 f. AEUV) unberührt, welches damit auch in energiewirtschaftlichen Konstellationen vollumfänglich Geltung erfährt.179 Das EU-Wettbewerbsrecht ist somit unbeschadet des § 111 EnWG neben dem Energierecht anwendbar.180 bb) Exklusivität der Warenverkehrsfreiheit gegenüber den Wettbewerbsregeln Darüber hinaus ist fraglich, ob das EU-Wettbewerbsrecht im Kontext der Normsetzung durch intermediäre Gewalten Anwendung findet, da eine mögliche Exklusivität der Warenverkehrsfreiheit bei privatem Verhalten die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln ausschließen könnte. Das OLG Düsseldorf scheint von einer solchen Exklusivität der Warenverkehrsfreiheit auszugehen, da es in seinem Vorlagegesuch an den EuGH gemäß 175

Säcker, EnWZ 12/2015, 531–536 (531). Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung vom 25. 10. 2008, BGBl. 2008 I 2101. 177 Diese Abgrenzung dient der Vermeidung von Doppelzuständigkeiten der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts, siehe Hölscher, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 111 Rn. 1. 178 Schex, in: Kment, EnWG, § 111 Rn. 3. Vergleiche zur Historie des § 111 EnWG sowie zum Verhältnis der Kartell- zur Regulierungsbehörde ausführlich Ludwigs, WuW 2008, 534–550. 179 Steinbeck, in: Danner / Kühling, EnWG, § 111 Rn. 13; Modest, EWeRK 5/2020, 191–197 (194). 180 Vrana, Interkonnektoren im Europäischen Binnenmarkt, S. 85. 176

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Art. 267 AEUV in der Rechtssache Fra.bo / DVGW die Frage zur Anwendbarkeit des Kartellrechts im Kontext der streitgegenständlichen privaten Handlung nur hilfsweise bei Verneinung der Anwendbarkeit der Warenverkehrsfreiheit vorlegte.181 Auch in der Literatur erfuhr das Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsregeln bei privatem Handeln zahlreiche Diskussionen unter dem Schlagwort der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten.182 Argumentiert wird jedoch gegenteilig, nämlich dass die EU-Wettbewerbsregeln gegenüber den Grundfreiheiten spezieller seien und letztere daher nicht im Privatrechtsverkehr anwendbar seien, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass die spezielleren Regeln des Wettbewerbsrechts unterlaufen würden.183 Unbeschadet dessen, dass dieses Argument abzulehnen ist, weil weder aus dem Normzweck noch dem Wortlaut und der Systematik abgeleitet werden kann, dass angesichts der unterschiedlichen Ziele nicht beide Instrumente parallel angewendet werden können,184 erlaubt dieser Aspekt keinen gegenteiligen Rückschluss. Es kann also daraus nicht gefolgert werden, dass bei der Bejahung der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten in gewissen privaten Rechtsverhältnissen die EU-Wettbewerbsregeln verdrängt würden. Zunächst sind diese gegenüber den Grundfreiheiten spezieller und finden daher als lex specialis Anwendung. Darüber hinaus sprechen der Sinn und Zweck der Wettbewerbsregeln für eine parallele Anwendung. Die Art. 101 ff. AEUV schützen einen freien, unverfälschten und wirksamen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt vor privaten Eingriffen in den Marktmechanismus.185 Auch der Erlass kollektiver Regelungen kann grundsätzlich wettbewerbsverfälschende Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben.186 Dies gilt insbesondere dann, wenn marktgestaltende Regeln Privater so formuliert werden, dass sie eine Zulassung gewisser Akteure zum Wettbewerb verhindern.187 Auch vor dem Hintergrund, dass den ÜNB eine Doppelrolle durch die zeitgleiche Verantwortlichkeit für die Regelsetzung der Ausschreibungsbedingungen und die Durchführung der Ausschreibungen zukommt, können sich Interessenskonflikte und damit auch Wettbewerbsverfälschungen offenbaren.188 Somit sprechen der Sinn und Zweck der Wettbewerbsregeln zum Schutz vor Han-

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OLG Düsseldorf, Az. VI-2 U (Kart) 15/08, Vorlagefragen 1 und 2. Vergleiche Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 79 ff.; Roth, in: Due / Lutter / Schwarze, FS Everling, S. 1231 (1242 f.); Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers durch Normen des Gemeinschaftsrechts, S. 69 ff.; Michaelis, NJW 25/2001, 1841–1842 (1842); Remmert, JuS 1/2003, 13–19 (15); Körber, EuR 6/2000, 932–952 (948); Schmahl / Jung, NVwZ 10/2013, 607–612 (611). 183 Vergleiche Teil 5 A. I. 1. b) cc) (2). 184 Preedy, Die Bindung Privater an die europäischen Grundfreiheiten, S. 106; Müller-Graff, EuR 1/2014, 3–30 (13). 185 Schröter, in: Schröter, et al., Europäisches Wettbewerbsrecht, § 1 B. Rn. 10; Hoffmann, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 1 Rn. 1. 186 EuGH, Rs. C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 47  – Meca-Medina; Roth, EWS 1–2/2013, 16–27 (18). 187 Schweitzer, ZEuP 1/2019, 1–12 (11). 188 Schweitzer, ZEuP 1/2019, 1–12 (11). 182

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

delsbeschränkungen jeglicher Art dafür, auch die private Normsetzung zur Marktgestaltung einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. cc) Normsetzung als wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens Unbeschadet dessen, dass im Rahmen einer privaten Normsetzung die Bindungs­ wirkung der Warenverkehrsfreiheit für intermediäre Gewalten einer Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts nicht im Wege steht, umfasst das EU-Wettbewerbsrecht nur solche wettbewerbsverfälschenden Verhaltensweisen, die von Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen ausgehen. Die die privaten Normen erlassenden ÜNB müssen mithin als „Unternehmen“ zu qualifizieren sein, wobei der Begriff deckungsgleich in Art. 101 und Art. 102 AEUV verwendet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist ein Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.189 Dem Begriff liegt ein funktionales Verständnis zugrunde, das einen tätigkeitsbezogenen Ansatz verfolgt.190 Maßgeblich ist nicht die Unternehmereigenschaft im Allgemeinen, sondern stets nur das unternehmerische Handeln im konkreten Fall.191 Es ist zu untersuchen, ob die Ausarbeitung und der Erlass192 abstrakt-genereller Regelwerke durch Private als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im wettbewerbsrecht­ lichen Sinne anzusehen sind. Während das OLG Frankfurt und das OLG Düsseldorf eine wirtschaftliche Tätigkeit von Normungsorganisationen mangels Teilnahme am Marktleben verneint haben,193 besteht bisher keine ausdrückliche Klärung dieser Frage durch Unionsgerichte, da in der Rechtssache Fra.bo / DVGW 189 Statt vieler EuGH, Rs. C-41/90, ECLI:EU:C:1991:161, Rn. 21 – Höfner und Elser; EuGH, Rs. C-280/06, ECLI:EU:C:2007:775, Rn. 38 – ETI mit weiteren Nachweisen. Vergleiche vertiefend zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit Jennert, WuW 1/2004, 37–46. 190 Krispenz, Das Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit im Unternehmensbegriff des Europäischen Kartellrechts, S. 34. 191 Als Folge hiervon kann es passieren, dass eine wirtschaftliche Einheit gegebenenfalls bei Ausübung einer Tätigkeit ein Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne darstellt, bei Ausübung einer anderen Tätigkeit jedoch nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegt (Relativität des Unternehmensbegriffs), Jakobs, Standardsetzung im Lichte der europäischen Wettbewerbsregeln, S. 49; Werner, Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im europäischen Kartellrecht, S. 24 f. 192 Die Ausarbeitung und der Erlass von Regelwerken kann als untrennbare Tätigkeit angesehen werden und bedarf keiner differenzierten Betrachtung, EuGH, Rs. C-113/07 P, ECLI:​ EU:C:2009:191, Rn. 91 – SELEX. Anders urteilte noch das EuG in derselben Rechtssache, das eine getrennte Beurteilung im Fall von Eurocontrol durchführte, EuG, Rs. T-155/04, ECLI:​ EU:T:2006:387, Rn. 59 ff.  – SELEX. Ebenso differenzierend, allerdings ohne Begründung, Roth, EWS 1–2/2013, 16–27 (18). 193 OLG Frankfurt, Az. 6 U 122/84 (Kart) – GRUR 1986, 184 (186); OLG Düsseldorf, Az. VI – U (Kart) 35/13, Rn. 39.

A. Grenzen beim Erlass 

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der EuGH auf die hilfsweise vorgelegte Frage zur Anwendbarkeit des Kartellrechts im Kontext der streitgegenständlichen privaten Handlung aufgrund der Bejahung der Vorfrage nicht eingehen musste.194 Aus der Rechtsache SELEX lässt sich nicht herauslesen, dass der Erlass von Normen generell eine hoheitliche und damit eine nicht in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts fallende Tätigkeit ist, da der EuGH allein anhand des konkreten Sachverhalts feststellte, dass die normierend tätige Beschwerdeführerin in der streitgegenständlichen Rechtsfrage Hoheitsrechte ausübte und damit nicht dem Unternehmensbegriff unterliegt.195 Vielmehr sieht der EuGH in der Rechtssache Meca-Medina auch die kollektive Regelsetzung Privater als den Maßstäben des Wettbewerbsrechts unterliegend an, ohne jedoch auf diesen Aspekt vertiefend einzugehen.196 Damit im Einklang geht ebenfalls die Europäische Kommission in ihren Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit („Horizontal-Leitlinien“) davon aus, dass grundsätzlich auch Normungsorganisationen „als Unternehmen betrachtet werden können“.197 Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn auf einem bestimmten Markt Güter und Dienstleistungen angeboten werden.198 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist keine zwingende Voraussetzung des Unternehmensbegriffs.199 In der Rechtssache Wouters entschied der EuGH, dass „eine Tätigkeit nicht den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags [unterliege], wenn sie nach ihrer Art, den für sie geltenden Regeln und ihrem Gegenstand keinen Bezug zum Wirtschaftsleben hat (…) oder wenn sie mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zusammenhängt“.200 Die Ausübung hoheitlicher Rechte beläuft sich beispielsweise auf die Unterstützung nationaler Verwaltungen oder zeigt sich in der Befugnis zum Einsatz von Zwangsmitteln.201 Der Erlass von Normen zur Regelung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch eine privatrechtliche Einrichtung, der hierzu keinerlei hoheitliche Befugnisse übertragen worden sind, ist nach dem

194

EuGH, Rs. C-171/11, ECLI:EU:C:2012:453, Rn. 33 – Fra.bo / DVGW. EuGH, Rs. C-113/07 P, ECLI:EU:C:2009:191 – SELEX; Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 137. 196 EuGH, Rs. C-519/04 P, ECLI:EU:C:2006:492, Rn. 30 ff. – Meca-Medina. 197 Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit („Horizontal-Leitlinien“), ABl. 2011, Nr. C 11/1, Rn. 258; Koenig / Neumann, WuW 4/2009, 382–394 (383 f.). 198 Statt vieler EuGH, Rs. 118/85, ECLI:EU:C:1987:283, Rn. 3 und 7 – Kommission / Italien. 199 EuGH, Rs. C-244/94, ECLI:EU:C:1995:392, Rn. 21 – Fédération française des sociétés d’assurance; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 101 AEUV Rn. 46. 200 EuGH, Rs. C-309/99, ECLI:EU:C:2002:98, Rn. 57 – Wouters. 201 EuGH, Rs. C-113/07 P, ECLI:EU:C:2009:191, Rn. 76 – SELEX; Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 99; Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 144; Jennert, WuW 1/2004, 37–46 (46). 195

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

EuGH als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren und am Wettbewerbsrecht zu messen.202 Maßgeblich für die Anwendung des Wettbewerbsrechts ist insofern, ob es sich bei der Normsetzung um eine staatliche oder eine nicht-hoheitliche Normsetzung handelt.203 Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist somit zunächst von hoheitlichen Verhaltensweisen abzugrenzen.204 Bei den abstrakt-generellen Regelwerken der privaten ÜNB zur Gestaltung des Regelreservemarkts handelt es sich nicht um hoheitliche Rechtsakte.205 Die ÜNB erstellen im Rahmen des Konzepts der regulierten Selbstregulierung abstrakt-generelle Regelwerke privatrechtlicher Natur, die in einem eigenverantwortlichen Selbstregulierungsprozess ausgearbeitet werden. Der Staat zieht sich aus der unmittelbaren Rechtsetzung zurück und beschränkt sich auf die Festlegung von Zielvorgaben und die Überwachung. Allein die staatliche Vorgabe von Fristen, Zielen und teilweise sehr konkreten Anforderungen an den künftigen Inhalt führt trotz einer gewissen Nähe nicht zu einer hoheitlichen Normsetzung.206 Die abstrakt-generellen Ausführungsakte der ÜNB im Rahmen ihrer Verpflichtung der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation sind daher nicht als hoheitliche Rechtsakte zu qualifizieren. Die wirtschaftliche Tätigkeit kann auch nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil europäische Rechtsakte die Privaten zum privatrechtlichen Regelerlass verpflichten; vielmehr müssen die jeweiligen Normen selbst hoheitlicher Natur sein um eine hoheitliche Tätigkeit zu begründen.207 Ein wirtschaftliches Handeln ist somit nicht ausgeschlossen. Jedoch sind die Ausarbeitung und der Erlass nur dann als wirtschaftliche Tätigkeit zu werten, wenn die Normungstätigkeit einen Bezug zum Wirtschaftsleben aufweist und ein Markt für die Dienstleistung der Normen besteht. Ein Bezug zum Wirtschaftsleben verneinte der EuGH teils in Fällen mit ausschließlich sozialem Charakter wie beispielsweise bei Sozialversicherungsträgern, wich aber in der Folgejudikatur immer wieder von dieser Bewertung ab.208 Die Erstellung und der 202

EuGH, Rs. C-309/99, ECLI:EU:C:2002:98, Rn. 58 – Wouters; ebenso EuG, Rs. T-193/02, ECLI:EU:T:2005:22, Rn. 78 f. – Laurent Piau; Odudu, The boundaries of EC competition law, S. 31. 203 Säcker / Steffens, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 101 AEUV Rn. 24 und 28. 204 Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 136. 205 Vergleiche zur Rechtsnatur der Ausführungsakte der ÜNB Teil 4 B. III. 2. c). 206 Müller, Kollektive Normung und wesentliche Schutzrechte aus der Perspektive des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 114 f. 207 Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 236; Müller, Kollektive Normung und wesentliche Schutzrechte aus der Perspektive des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 114 f. 208 Die wirtschaftliche Tätigkeit verneinend EuGH, verb. Rs. C-159/91 und C-160/91, ECLI:​ EU:C:1993:63, Rn. 18 – Poucet und Pistre; bejahend EuGH, C-244/94, ECLI:EU:C:1995:392, Rn. 17 ff. – Fédération française des sociétés d’assurance. Vergleiche weiterführend Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 101 ff.

A. Grenzen beim Erlass 

233

Erlass der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen sind eine Dienstleistung, die an die interessierten Marktteilnehmer unter Berücksichtigung ihrer Interessen erbracht wird. Die steigende Zahl der präqualifizierten Regelreserveanbieter zeigt, dass durchaus eine Nachfrage nach den privaten Regelwerken besteht, welche die Bedingungen für die Marktteilnahme enthalten. Auch die Doppelrolle der ÜNB durch die zeitgleiche Verantwortlichkeit für die Regelsetzung der Ausschreibungsbedingungen und die Durchführung der Ausschreibungen verdeutlicht den engen wirtschaftlichen Bezug der ÜNB zum Marktgeschehen. Dass die Regelwerke nicht entgeltlich vermarktet werden, steht dem wirtschaftlichen Verhalten nicht entgegen. Der Erlass der Regelungen zur Erstellung von einheitlichen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen ist somit als wirtschaftliche Tätigkeit zu werten.209 Da die Normsetzung der ÜNB folglich als wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV qualifiziert werden kann, unterliegen die ÜNB bei Erlass der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen den wettbewerbsrechtlichen Grenzen. b) Verbot bezüglich kartellrechtlicher Zusammenschlüsse Zu untersuchen ist, ob der Erlass der Regelwerke kartellrechtliche Relevanz entfaltet. Bei der Gestaltung des Marktdesigns handeln die vier deutschen ÜNB gemeinschaftlich, gegebenenfalls auch in Kooperation mit anderen europäischen ÜNB. Dieses Vorgehen könnte einen Verstoß gegen das Kartellverbot gemäß Art. 101 AEUV darstellen. Demnach sind „[m]it dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten (…) alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken (…)“. Handlungsformen sind somit Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen bzw. Beschlüsse innerhalb von Unternehmensvereinigungen.210 Allerdings sind nur solche Maßnahmen von Art. 101 AEUV erfasst, die „eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken“.211 Erlassen die deutschen bzw. europäischen ÜNB gemeinschaftlich abstraktgenerelle kollektive Regelwerke zur Gestaltung des Regelreservemarkts, stellen diese Regelwerke Vereinbarungen mit Marktrelevanz im Sinne des Art. 101 AEUV 209

Ebenfalls bejahend im Bezug auf Normungsorganisationen Werner, Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im europäischen Kartellrecht, S. 80 ff.; Müller, Kollektive Normung und wesentliche Schutzrechte aus der Perspektive des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 111 ff.; im Ergebnis auch Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 240 ff. 210 Brinker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 101 AEUV Rn. 36. 211 Emmerich, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 2 Rn. 36; Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 101 AEUV Rn. 77.

234

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

dar.212 Durch die grundsätzliche Erfassung der privaten Normsetzung vom Kartellrecht sollen sachwidrige private Regelwerke verhindert werden, die kleinere und mittlere Unternehmen benachteiligen, da sie ihre Erzeugnisse nicht mehr oder nur noch deutlich erschwert auf den Markt bringen können.213 Die Kommission verpflichtet die ÜNB in den Leitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation explizit zu einer Zusammenarbeit beim Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke.214 Ist der autonome Handlungsspielraum der Unternehmen durch zwingende gesetzliche Regelungen derart eingeschränkt, dass ihnen kein eigenständiger unternehmerischer Handlungsspielraum für ein kartellgemäßes Verhalten verbleibt, ist die Anwendbarkeit des Art. 101 AEUV ausgeschlossen (sogenannte state action defense).215 Die Kommissionsleitlinien geben den ÜNB vor, gemeinschaftlich bei der Vorschlagsentwicklung zu agieren; hierbei behalten sie jedoch bezüglich des Inhalts der abstraktgenerellen Regelwerke weiterhin einen gewissen Handlungsspielraum im Rahmen der regulierten Selbstregulierung.216 Es verbleibt den ÜNB somit trotz hoheitlich gewünschter Zusammenarbeit Raum für wettbewerbskonformes Verhalten, weshalb die Maßnahmen der ÜNB am Maßstab des Art. 101 AEUV zu prüfen sind. Allerdings führen solche Vereinbarungen, die eine positive Entwicklung und Förderung des Wettbewerbs bewirken wie etwa die Intensivierung des Wettbewerbs oder die Schaffung gerechter Wettbewerbsbedingungen, nicht zu einer Leistungssteigerung der beteiligten Unternehmen und sind daher im Wege einer teleologischen Reduktion des Art. 101 AEUV vom Tatbestand ausgenommen.217 212

Hinsichtlich des Erlasses privater Regelwerke durch mehrere Unternehmen, allerdings ohne Bezug zum Regelreservemarkt, Frenz, NJOZ 35/2018, 1321–1325 (1321 f.); Schmidhuber, Verhaltenskodizes im nationalen und grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr, S. 238; Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 161 ff.; Koenig / Neumann, WuW 4/2009, 382–394 (384 ff.). 213 Frenz, NJOZ 35/2018, 1321–1325 (1322). 214 Vergleiche beispielsweise Art. 18 ff. Guideline on Electricity Balancing. Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 1 Rn. 22. 215 Grave / Nyberg, in: Loewenheim, et al., Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 55; ­Schroeder  / ​ Schumacher / Stockenhuber, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / AEUV, Art.  101 AEUV Rn.  118; Emmerich, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 2 Rn. 11. 216 Vergleiche zum Handlungsspielraum der ÜNB Teil 4 B. III. 217 Säcker / Z orn, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band  1, Art. 101 AEUV Rn. 210; Klasse, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen für staatlich veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen, S. 352 ff.; Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  101 AEUV Rn. 108; Schroeder / Schumacher / Stockenhuber, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / ​ AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 148 ff.; Lichtenegger, Verwertungsgesellschaften, Kartellverbot und Neue Medien, S. 399; Terhechte, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 101 AEUV Rn. 87. In der europäischen Rechtsprechung betraf dies unter anderem Entscheidungen zur Wettbewerbsförderung durch Nebenabreden bei Fusionen (EuG, Rs. T-111/08, ECLI:EU:T:2012:260, Rn. 80 – Mastercard; EuG, Rs. T-112/99, ECLI:EU:​ T:2001:215, Rn. 108 ff. – m6) sowie bezüglich Alleinvertriebsvereinbarungen zur Wettbewerbseröffnung und Markterschließung (EuGH, Rs. 1/71, ECLI:EU:C:1971:47, Rn. 7/10 – Cadillon; EuGH, Rs. 56/65, ECLI:EU:C:1966:38, S. 304 – Société Technique Minière).

A. Grenzen beim Erlass 

235

Wie der EuGH im Wouters-Urteil feststellte, ist eine Vereinbarung ausnahmsweise dann nicht vom Tatbestand des Kartellverbots erfasst, wenn die Absprache einen legitimen Zweck verfolgt und zum Erreichen dieses Ziels notwendig war.218 Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Unternehmen durch staatliche Regulierung ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben ist, dessen konforme Umsetzung einen Wettbewerb ausschließt.219 Sofern ein grenzüberschreitender Handel mit Waren und Dienstleistungen durch die Zusammenarbeit der Unternehmen nicht behindert, sondern gerade gefördert wird, erfüllt die private Normsetzung folglich trotz Zusammenwirken mehrerer privater Unternehmen nicht den Tatbestand des Kartellverbots.220 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Normsetzung zu einer Marktabschottung führt bzw. nicht alle Marktteilnehmer Einfluss auf den Normungsprozess nehmen können.221 Auch ein erschwerter Zugang zu den privaten Normen sowie eine diskriminierende Ausgestaltung können Wettbewerbsbeschränkungen hervorrufen.222 Die Zusammenarbeit der ÜNB im Regelreservemarkt dient nicht dem Zweck einer Wettbewerbsbeschränkung, sondern im Gegenteil gemäß Erwägungsgrund (13) der Guideline on System Operation der Schaffung von „harmonisierten Anforderungen“ um zu „einem effizient funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkt beizutragen“. Die wettbewerbsfördernde Wirkung privater Normen223 anerkennt grundsätzlich auch die Europäische Kommission in den HorizontalLeitlinien, da diese unter anderem die wirtschaftliche Durchdringung im Binnenmarkt fördern und zur Entwicklung neuer, besserer Produkte bzw. Märkte Die Abgrenzung dieser vom EuG bzw. EuGH in letzter Zeit vermehrt vertretenen Tatbestandsverengung zur aus dem U. S.-amerikanischen Recht stammenden rule of reason einerseits, deren Übertragbarkeit auf europäisches Recht mehrmals vom EuGH abgelehnt wurde, sowie andererseits zur Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV ist unklar und im Einzelnen viel diskutiert, vergleiche ausführlich dazu Eilmansberger / Kruis, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 81 ff.; Brömmelmeyer, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band  3, Art. 101 AEUV Rn. 9; Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 101 AEUV Rn. 108 ff. 218 EuGH, Rs. C-309/99, ECLI:EU:C:2002:98, Rn. 97 – Wouters. 219 Säcker / Z orn, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 101 AEUV Rn. 212. 220 Hengst, in: Langen / Bunte, Kartellrecht, Art. 101 AEUV Rn. 207; Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2, Rn. 713 ff.; Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen; Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 176. 221 Brinker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 101 AEUV Rn. 1; Braun, in: Langen / ​ Bunte, Kartellrecht, Nach Art. 101 AEUV Rn. 263. 222 Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 195 f. 223 Unter „Normen“ versteht die Kommission eine „Festlegung technischer oder qualitätsbezogener Anforderungen an bestehende oder zukünftige Produkte, Herstellungsverfahren, Dienstleistungen und Methoden“, Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel  101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Verein­ barungen über horizontale Zusammenarbeit („Horizontal-Leitlinien“), ABl. 2011, Nr. C 11/1, Rn. 257.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

be­itragen.224 Die Ausschreibungsbedingungen sollen einer Stärkung des Wettbewerbs im Regelreservemarkt dienen, indem sie einen ungehinderten Markteintritt neuer Akteure sowie eine diversifizierte Marktstruktur realisieren. Zudem soll die Wettbewerbsintensität durch Erleichterungen bei den Teilnahmebedingungen für Regelreserveanbieter und durch Erhöhung der Transparenz gesteigert werden. In der Konstellation der privaten Normsetzung durch die kollektiv handelnden ÜNB auf dem Regelreservemarkt ist der Normzweck des Kartellverbots, mittels dessen eine unverfälschte wirtschaftliche Betätigung im Binnenmarkt gewährleistet werden soll, somit nicht betroffen.225 c) Schutz vor missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) Je nach Art und Weise des Verhaltens der ÜNB könnte ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliegen. Das in Art. 102 AEUV niedergeschriebene Missbrauchsverbot soll „die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen [verhindern], soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“. Dadurch soll unter anderem unterbunden werden, dass marktbeherrschende Unternehmen ihre Handlungsspielräume nutzen, um die übrigen Marktbeteiligten und das Gemeinwohl zu schädigen.226 Werden im Rahmen der regulierten Selbstregulierung Aufgaben an private Akteure übertragen, so kommt diesen in den wettbewerblichen Märkten eine hervorgehobene Rolle zu. Insbesondere wenn diese  – wie beim Regelreservemarkt – zur privaten Normsetzung berechtigt oder verpflichtet werden, liegt die Marktgestaltung allein in deren Hand. Im Kontext des Regelreservemarkts sind die privatrechtlich handelnden ÜNB zum Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke zur Gestaltung des Regelreservemarkts verpflichtet, wodurch sie mit besonderen Machtbefugnissen ausgestattet werden. Sofern ihnen dadurch eine marktbeherr-

224 Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit („Horizontal-Leitlinien“), ABl. 2011, Nr. C 11/1, Rn. 263 ff., die Europäische Kommission geht jedoch auch davon aus, dass unter gewissen Umständen private Normen auch wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfalten können. 225 Ein Verstoß läge jedoch dann in der Regel vor, wenn das unionsrechtlich vorgeschriebene Verhalten der Privaten nur in wettbewerbsbeschränkender Weise ausgeführt werden kann, Klasse, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen für staatlich veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen, S. 102. 226 Schröter / Bartl, in: Schröter, et al., Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2 C. Rn. 19; Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 30; Eilmansberger / Bien, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 4.

A. Grenzen beim Erlass 

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schende Stellung zukommt, schützt Art. 102 AEUV die übrigen Marktteilnehmer vor einem missbräuchlichen Ausnutzen dieser zentralen Schlüsselstellung. Es ist mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 102 AEUV unvereinbar, wenn auf dem Regelreservemarkt als relevantem Markt (aa)) die ÜNB eine marktbeherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt (bb)) missbräuchlich ausnutzen (cc)) und dadurch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird (dd)). aa) Regelreservemarkt als relevanter Markt Bei der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen vorliegt, ist zunächst der relevante Markt zu bestimmen, der „beherrscht“ wird. Dieser bedarf in sachlicher und räumlicher Hinsicht einer Abgrenzung zu anderen Märkten.227 Ein relevanter Markt besteht, wenn sämtliche Erzeugnisse, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind, zusammengefasst werden.228 Charakteristisch für den relevanten Markt ist somit die Austauschbarkeit (Substitution) des entsprechenden Gutes oder der Dienstleistung hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks.229 Ob ein relevanter Markt vorliegt, ist in sachlicher und räumlicher Hinsicht zu bestimmen.230 Bezüglich der sachlichen Perspektive stellt der Regelreservemarkt einen eigenständigen relevanten Produktmarkt dar, der von dem Stromerzeugungs- und -großhandelsmarkt zu trennen ist.231 Die fehlende Austauschbarkeit der Regelreserveprodukte mit denen des Stromgroßhandelsmarkts ergibt sich aus den Be­sonderheiten des Regelreservemarkts auf Angebots- und Nachfrageseite.232 Als Anbieter von Re 227

EuGH, Rs. 247/86, ECLI:EU:C:1988:469, Rn. 13 – Alsatel. EuGH, Rs. 31/80, ECLI:EU:C:1980:289, Rn. 25 – L’Oréal. 229 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, Nr. C 372/5, Rn. 7; Grill, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 102 AEUV Rn. 5. 230 EuGH, Rs. 247/86, ECLI:EU:C:1988:469, Rn. 13  – Alsatel; Huttenlauch / Lübbing, in: Loewenheim, et al., Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 35; Fuchs, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 42; Fuchs zählt ebenfalls die zeitliche Perspektive als Kriterium zur Abgrenzung auf, anerkennt jedoch in Rn. 68, dass dieser keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt. 231 Kommission, Az. COMP / M.6225, Rn.  14 ff. – Molaris / Commerz Real//RWE / A mprion; Kommission, Az. COMP / M.5467, Rn.  21 – RWE / Essent; Kommission, Az. COMP / M.3268, Rn.  46 ff. – Sydkraft / Graninge; Füller, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 171; Theobald / Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, S. 201; BKartA, Sektoruntersuchung: Stromerzeugung und -großhandel, S. 71 ff.; BKartA / BNetzA, Leitfaden für die kartellrechtliche und energiegroßhandelsrechtliche Missbrauchsaufsicht im Bereich Stromerzeugung/-großhandel, Rn. 42. 232 Vergleiche ebenso zur Frage, ob das Regelreserve-Ausschreibungsverfahren ein marktbasiertes Verfahren darstellt Teil 1 F. 228

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

gelreserve fungieren im Gegensatz zum Stromgroßhandelsmarkt nicht alle Stromerzeugungsanlagen, sondern nur solche, die im Wege des Präqualifikationsverfahrens ihre technischen Fähigkeiten nachweisen konnten.233 Zudem können neben Erzeugungsanlagen unter anderem auch Speichertechnologien, Verbraucher234 und Power-to-X Anlagen am Regelreservemarkt bieten,235 wohingegen diese typischerweise nicht als Anbieter von Elektrizität auf dem Großhandelsmarkt auftreten. Auch erfolgt auf dem Regelreservemarkt nicht allein eine Nachfrage nach der situativen Bereitstellung von Strommengen (Regelarbeit), sondern ebenfalls nach dem Vorhalten von Kapazität (Regelleistung).236 Die Handelsgegenstände sind somit nur bedingt miteinander vergleichbar. Darüber hinaus schreibt die EltRL 2019237 ausdrücklich die Beschaffung von Regelreserve in einem eigenständigen, vom Stromhandel losgelösten transparenten, diskriminierungsfreien und marktbasierten238 Verfahren vor. Der Regelreservemarkt ist im Hinblick auf Art. 102 AEUV nochmals in drei sachlich relevante Märkte zu unterteilen, da die drei verschiedenen Produktqualitäten von Regelreserve (FCR, aFRR und mFRR)239 jeweils für sich genommen einen eigenen relevanten Markt formen.240 Dies ergibt sich aus der fehlenden Austauschbarkeit der Regelreserveprodukte, da jedem Produkt eigene Merkmale und Ausschreibungsbedingungen zukommen.241 Die Rolle der ÜNB bei der Ausarbeitung der jeweiligen Ausschreibungs- und Präqualifikationsbedingungen ist jedoch identisch, weshalb die Einteilung in die unterschiedlichen Märkte ohne Auswirkungen für die nachfolgende Untersuchung bleibt. Der geographisch relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, das hinrei 233

BKartA, Sektoruntersuchung: Stromerzeugung und -großhandel, S. 71 f.; Consentec, Beschreibung von Regelleistungskonzepten und Regelleistungsmarkt, S. 17. Vergleiche zu den Rechtsquellen des Präqualifikationsverfahrens Teil 2 A. I. 234 Zum Beispiel großindustrielle Verbraucher wie Aluminiumhütten. 235 BMWi, Ein Strommarkt für die Energiewende (Grünbuch), S. 18 und 30. 236 BKartA, Sektoruntersuchung: Stromerzeugung und -großhandel, S. 71 f. 237 Art. 40 Abs. 4 lit. a) i. V. m. Art. 2 Nr. 9 EltRL 2019. 238 Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 spricht in der deutschen Version von einem „marktgestützten“ Verfahren. Zur Vereinheitlichung der Terminologie wird in der vorliegenden Arbeit der Ausdruck „marktbasiert“ statt des Begriffs „marktgestützt“ verwendet. Hintergrund ist, dass die englische Fassung in Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 den Begriff „market-based“ verwendet, welcher ebenfalls in der EltVO, der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation gängig ist, dort jedoch in den deutschen Fassungen durchgängig mit „marktbasiert“ übersetzt wird. 239 Die Produktqualitäten unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer Reaktionszeiten auf die Frequenzschwankung, vergleiche ausführlich zu den Produktqualitäten Teil 1 D. 240 So auch BKartA, Sektoruntersuchung: Stromerzeugung und -großhandel, S. 72; Monopolkommission, Wettbewerb mit neuer Energie, Sektorgutachten der Monopolkommission gemäß § 62 EnWG, S. 37. Die Kommission wirft diese Frage zwar auf, lässt sie jedoch unbeantwortet, Kommission, Az. COMP / M.6225, Rn.  16 – Molaris / Commerz Real//RWE / A mprion. 241 Vergleiche zu den jeweiligen Ausschreibungsbedingungen Teil 2 A. II. 2.

A. Grenzen beim Erlass 

239

chend homogene Wettbewerbsbedingungen aufweist und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.242 Bezüglich des Markts für Regelreserve ist nach überzeugender Ansicht der Kommission der Markt auf die geographische Ausdehnung des fraglichen Netzes beschränkt.243 Sind beispielsweise ausschließlich die ÜNB eines Mitgliedstaats für die Beschaffung von Regelreserve zuständig, so handelt es sich um einen nationalen Regelreservemarkt.244 Die deutschen ÜNB beschaffen die Frequenzhaltungsreserve FCR nicht in einem rein deutschen, sondern in einem grenzüberschreitenden FCR-Beschaffungsverfahren gemeinsam mit den österreichischen, belgischen, niederländischen, schweizerischen245 und französischen ÜNB.246 Der räumliche Markt für die Frequenzhaltungsreserve erstreckt sich somit aufgrund der einheitlichen Ausschreibungsbedingungen auf die entsprechenden Länder. Dementgegen wird der gesamte Bedarf an automatischen Frequenzwiederherstellungsreserven aFRR in einer gemeinsamen Ausschreibung der deutschen und österreichischen ÜNB beschafft.247 Hier umfasst der räumliche Markt somit Deutschland und Österreich. Die Beschaffung von manuell aktivierter Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR erfolgt rein national in einer regelzonenübergreifenden Ausschreibung durch die vier deutschen ÜNB,248 weshalb der geographische Markt für mFRR national ist. bb) Marktbeherrschende Stellung der ÜNB auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben Das europäische Missbrauchsverbot setzt ferner voraus, dass ein oder mehrere Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil  desselben einnehmen. Eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV liegt nach der Rechtsprechung des EuGH vor, wenn einem Unternehmen eine wirtschaftliche Machtstellung zukommt, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in 242 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997, Nr. C 372/5, Rn. 8; Brinker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 102 AEUV Rn. 9. 243 Kommission, Az. COMP / M.6225, Rn.  16  – Molaris / Commerz Real//RWE / A mprion; Vrana, Interkonnektoren im Europäischen Binnenmarkt, S. 102. 244 Kommission, Az. COMP / M.5467, Rn.  21 – RWE / Essent. 245 Zur Frage, ob die Schweiz auch an das EU-Kartellrecht gebunden ist, ohne Mitglied der Europäischen Union zu sein, ist strittig und wird je nach Anwendung des sogenannten Auswirkungsprinzips oder des Territorialprinzips unterschiedlich beantwortet, vergleiche hierzu Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 101 AEUV Rn. 8 ff. 246 Vergleiche Teil 2 A. II. 2. a). 247 Vergleiche Teil 2 A. II. 2. b). 248 Vergleiche Teil 2 A. II. 2. c).

240

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.249 Bei einer Monopolstellung besteht stets eine marktbeherrschende Stellung, da es nur einen Anbieter bzw. Nachfragenden gibt.250 Es genügt jedoch, wenn das marktbeherrschende Unternehmen die weitere Entwicklung des Wettbewerbs steuern kann und damit nachhaltig prägt.251 Dabei ist es unbeachtlich, ob das Unternehmen auf Angebotsoder Nachfrageseite eine beherrschende Stellung einnimmt.252 Art. 102 AEUV umfasst ebenfalls die kollektive Marktbeherrschung, das heißt, dass mehrere Unternehmen gemeinsam durch eine enge Verbindung in gleicher Weise auf dem Markt vorgehen.253 Der Bezugspunkt für eine Marktbeherrschung der ÜNB auf dem Regelreservemarkt besteht darin, dass sie zur Ausführung ihrer Verpflichtung durch die Guide­line on Electricity Balancing abstrakt-generelle Regelwerke erlassen.254 Die Kommission schreibt den ÜNB im Rahmen der Guideline on Electricity Balancing die Befugnis zu, die Regelreservemärkte durch den Erlass von privatrechtlichen Regelwerken – teils mit nachgelagerter Genehmigung durch die zuständige Regulierungsbehörde255 – zu gestalten. Die konkreten Wettbewerbsbedingungen werden somit allein durch die ÜNB festgeschrieben. Folglich kommt ihnen, dadurch dass sie Regelwerke zur Organisation der Regelreservemärkte erlassen, eine wirtschaftliche Machtstellung zu. Dabei ist in der Guideline on Electricity Balancing teilweise auch ein kollektives Handeln mehrerer bzw. aller europäischer ÜNB zum gemeinschaftlichen Erlass von Regelwerken vorgesehen.256 Dieses gemeinschaftliche Handeln der ÜNB ohne Wettbewerber stellt eine kollektive wirtschaftliche Marktmacht im Sinne des Art. 102 AEUV dar. 249

EuGH, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 38 – Hoffmann-La Roche; Grill, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 102 AEUV Rn. 10; Eilmansberger / Bien, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 197 f. 250 EuGH, Rs. 127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 5 f. – BRT / SABAM; EuGH, Rs. 85/76, ECLI:​ EU:C:1979:36, Rn. 39 – Hoffmann-La Roche; Huttenlauch / Lübbing, in: Loewenheim, et al., Kartellrecht, Art. 102 AEUV Rn. 120. 251 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2, Rn. 1890. 252 Schröter / Bartl, in: Schröter, et al., Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2 C. Rn. 240; Eilmansberger, in: Müller-Graff, EnzEuR, Band 4, § 9 Rn. 17; Emmerich, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 3 Rn. 33. 253 Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 17. 254 Als weiterer Anknüpfungspunkt für eine Marktbeherrschung der ÜNB auf dem Regelreservemarkt kommt die Anwendung eben dieser selbst aufgestellten Regeln in Betracht, also die konkrete Beschaffung von Regelreserve am Maßstab des zuvor festgelegten Marktdesigns. Gemäß Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019 sind ausschließlich die ÜNB für die Beschaffung von Regelreserve verantwortlich, weshalb ihnen bei der Beschaffung von Regelreserve ein Nachfrage-Monopol zukommt. Ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot könnte beispielsweise darin liegen, dass die Präqualifikation und der Abschluss des Rahmenvertrags mit einem Marktteilnehmer in unzulässiger Weise verweigert wird. Diese Fragestellungen liegen jedoch nicht im primären Fokus dieser Arbeit, da es sich hier nicht um abstrakt-generelle Markt­ zutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen handelt. 255 Vergleiche hierzu ausführlich Teil 4 B. III. 2. d). 256 Unter anderem Art. 18, 19, 20 und 33 Guideline on Electricity Balancing.

A. Grenzen beim Erlass 

241

Voraussetzung für die Anwendung des europäischen Missbrauchsverbots ist darüber hinaus, dass das entsprechende Unternehmen die beherrschende Stellung für zumindest einen wesentlichen Teil des Binnenmarkts innehält.257 Dies haben die Kommission sowie der EuGH jedenfalls für Märkte bejaht, die sich über das Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten erstrecken,258 zumindest aber auch für das Gebiet größerer Mitgliedstaaten.259 Ein relevanter Markt, der sich über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt, ist gemäß der Rechtsprechung des EuGH als wesentlicher Teil des Binnenmarkts anzuerkennen.260 Der Regelreservemarkt für die manuell aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve mFRR erstreckt sich über alle vier deutschen Regelzonen, die das gesamte deutsche Hoheitsgebiet abdecken.261 Der Markt für die automatisch aktivierte Frequenzwiederherstellungsreserve aFRR umfasst Deutschland und Österreich und der Markt für die Frequenzhaltungsreserve FCR österreichische, belgische, niederländische, schweizerische262 und französische Gebiete. Die relevanten Märkte zählen somit als „wesentlicher Teil des Binnenmarkts“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. cc) Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch ÜNB Bei Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke zur Gestaltung des Marktdesigns für Regelreserve dürfen die ÜNB ihre marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Dabei stellt das Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung an sich – selbst bei Vorliegen eines Monopols – noch keinen Missbrauch dar, vielmehr muss der mit dieser Stellung verbundene Handlungsspielraum missbräuchlich ausgenutzt werden.263 Der Missbrauchstatbestand wird in den nicht abschließen 257

EuGH, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 44 – United Brands. EuGH, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 45/56 – United Brands. In EuGH, verb. Rs. 40–48, 50, 54–56, 111, 113 und 114/73, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 369 – Suiker Unie stellt der EuGH nicht auf die räumliche Größe des Mitgliedstaats, sondern auf den quantitativen Anteil des Erzeugnisses in dem Mitgliedstaat innerhalb der Union ab. 259 Kommission, ABl. 1989, Nr. L 33/44, Rn. 77  – Flachgas; Kommission, ABl. 1990, Nr. L 233/19, Rn. 8 – Eilkurierdienstleistungen in Spanien; Kommission, ABl. 2002, Nr. C 143/1, Rn. 169  – Michelin; EuGH, Rs. 247/86, ECLI:EU:C:1988:469, Rn. 15  – Alsatel; EuGH, Rs. C-41/90, ECLI:EU:C:1991:474, Rn. 17 – Regie des Telegraphs et des telephones; EuGH, Rs. C-260/89, ECLI:EU:C:1991:254, Rn. 31 – Elliniki Radiophonia Tiléorassi. 260 EuGH, Rs. 7/82, ECLI:EU:C:1983:52, Rn. 44 – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL). 261 Vrana, Interkonnektoren im Europäischen Binnenmarkt, S. 103; Wolf, in: Säcker, Energierecht, Band 2, Art. 102 AEUV Rn. 43, 3. Auflage, 2014. 262 Zur Frage, ob die Schweiz auch an das EU-Kartellrecht gebunden ist, ohne Mitglied der Europäischen Union zu sein, ist strittig und wird je nach Anwendung des sogenannten Auswirkungsprinzips oder des Territorialprinzips unterschiedlich beantwortet, vergleiche hierzu Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 101 AEUV Rn. 8 ff. 263 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2, Rn. 1990; Bruhn, in: Danner / Kühling, EnWG, Art. 102 AEUV Rn. 89; Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, S. 328. 258

242

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

den („insbesondere“) Sondermissbrauchstatbeständen des Art. 102 Abs. 2 AEUV konkretisiert; sonstiges missbräuchliches Verhalten ist über die Generalklausel des Abs. 1 erfasst.264 Der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung ist objektiv zu bestimmen, weshalb subjektive Gründe und Motive ebenso wie ein Verschulden für das entsprechende Verhalten des Unternehmens unbeachtlich sind.265 Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst der Marktmissbrauch „die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Markts beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen“.266 Diese Rechtsprechung konkretisierend hat sich in der Literatur die Differenzierung nach drei Missbrauchsformen gebildet, dem Behinderungsmissbrauch, dem Ausbeutungsmissbrauch und dem Marktstrukturmissbrauch.267 Diese Fallgruppen verdeutlichen die besondere Verantwortung des Unternehmens dafür, dass sein Verhalten den wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt.268 Denkbar ist im Zusammenhang mit dem Erlass von Regelwerken ein missbräuchliches Verhalten bei der Normausarbeitung. Beispielsweise können die an der Ausarbeitung beteiligten Unternehmen Verzögerungsstrategien verfolgen oder in wettbewerbswidriger Weise Einfluss auf das Ergebnis nehmen unter anderem durch verbale Bedrängung oder Bestechung der an der Ausarbeitung beteiligten Unternehmen.269 Diese Form des Missbrauchs ist dem Behinderungsmissbrauch zuzuordnen, welcher sämtliche nachteilige Maßnahmen beherrschender Unternehmen, die gegen die aktuellen und potenziellen Konkurrenten des Marktbeherrschers gerichtet sind, verbietet.270

264

Fuchs, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 132; Grill, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 102 AEUV Rn. 24; Schröter / Bartl, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, § 2 C. Rn. 174. 265 Emmerich, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 3 Rn. 61; Jung, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  102 AEUV Rn.  124. 266 EuGH, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 91 – Hoffmann-La Roche; EuGH, Rs. 62/86, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 69 – Akzo. Diese Formel wird im Schrifttum weitgehend akzeptiert. Teilweise jedoch auch als zu eng kritisiert, da sie mangels Berücksichtigung von Individualinteressen der Vertragspartner des Marktbeherrschers nicht alle Formen des Missbrauchs erfasse, vergleiche Jung, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  102 AEUV Rn.  121. 267 Weiß, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 33; Jung, in: Grabitz / Hilf / ​ Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 163 ff.; Volmar / Kranz, JuS 1/2018, 14–17 (15 f.). 268 EuGH, Rs. 322/81, ECLI:EU:C:1983:313, Rn. 10 – Michelin. 269 Müller, Kollektive Normung und wesentliche Schutzrechte aus der Perspektive des europäischen Wettbewerbsrechts, S. 170 f. 270 Jakobs, Standardsetzung im Lichte der europäischen Wettbewerbsregeln, S. 119.

A. Grenzen beim Erlass 

243

Missbräuchliches Verhalten im Rahmen des Ausbeutungsmissbrauchs bewirkt eine Beeinträchtigung der Handelspartner und Verbraucher, die sich in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Marktbeherrscher befinden.271 Hierbei erfordern jedenfalls die Sondertatbestände des Abs. 2 unmittelbare geschäftliche Beziehungen zwischen dem marktbeherrschenden Unternehmen und den Abnehmern („Geschäftsbeziehungen“ und „gegenüber Handelspartnern“).272 Abstraktgenerelle Regelwerke zur Marktgestaltung sind jedoch gerade vertragsunabhängig und mangels eines bilateralen Verhältnisses nicht Gegenstand einer konkreten geschäftlichen Beziehung.273 Die Benachteiligung und Diskriminierung anderer Personen als den potenziellen Handelspartnern ist hingegen von der Generalklausel des Abs. 1 erfasst.274 Ein marktbeherrschendes Unternehmen kann somit nicht mit dem Hinweis, es fehle am Merkmal der „Handelspartner“, dem Diskriminierungsvorwurf entgehen, in dem es einen Teil der natürlichen Handelspartner durch das Aufstellen einer zusätzlichen Bedingung nicht zu tatsächlichen Handelspartnern werden lässt.275 Die privaten Normgeber können durch die Regelwerke die Einführung neuer Technologien erschweren oder verhindern und damit den Zugang zum Markt versperren.276 Da den ÜNB im Rahmen des Erlasses der Marktordnungs- und Marktverhaltensregelungen folglich eine Machtstellung zur Entscheidung über den Marktzutritt und die -teilnahme der Regelreserveanbieter zukommt, muss sich 271

Jung, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  102 AEUV Rn.  166. Masuhr, Europarechtliche Grenzen der Tätigkeit von Normungsorganisationen, S. 249; Schröter / Bartl, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, § 2 C. Rn. 241 f. 273 Bei der Frage, ob die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB „Geschäftsbeziehungen“ im Sinne des Art. 102 AEUV darstellen, ist zwischen den abstrakt-generellen Regelwerken an sich und dem nach erfolgreicher Absolvierung der Präqualifikation geschlossenen Rahmenvertrag zwischen dem Regelreserveanbieter und dem Anschluss-ÜNB zu differenzieren. Der Rahmenvertrag, der die Anforderungen der Regelwerke der ÜNB als Vertragsbestandteile inkorporiert, regelt die individuellen geschäftlichen Beziehungen der Vertragsparteien und ist somit als Geschäftsbedingung einzuordnen. Entgegen diesen individuellen geschäftlichen Beziehungen dienen die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB für sich genommen der Organisation der Märkte und sind bei Erlass (noch) vertragsunabhängig. Auch wenn sie dazu gedacht sind, als Vertragsbestandteil in den jeweiligen Vertrag zwischen Anlagenbetreiberund Netzbetreiber einbezogen zu werden, so stellen die abstrakt-generellen Regelwerke bei Erlass (noch) keine Geschäftsbedingungen im Sinne des Art. 102 Abs. 2 lit. a) AEUV dar. 274 Kommission, Entscheidung vom 29. 10. 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags, ABl. 1981, Nr. L 370/49, Rn. 49–51; Fuchs, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 Rn. 385; Eilmansberger / Kruis, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 102 AEUV Rn. 53; Jung, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  102 AEUV Rn.  193; Eilmansberger, in: Müller-Graff, EnzEuR, Band 4, § 9 Rn. 43; Emmerich, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, H. I. § 3 Rn. 124. 275 Kommission, Entscheidung vom 29. 10. 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags, ABl. 1981, Nr. L 370/49, Rn. 51; Eilmansberger / Bien, in: Säcker, et al., Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 416. 276 Jakobs, Standardsetzung im Lichte der europäischen Wettbewerbsregeln, S. 67, allerdings in Bezug auf Art. 101 AEUV. 272

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

dieses Verhalten an den Maßstäben der Generalklausel messen lassen.277 Dies gilt insbesondere, weil ein ungerechtfertigter Marktausschluss gewisser Akteure oder Technologien zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen kann.278 Die besondere Verantwortung der ÜNB als marktbeherrschendes Unternehmen für die Sicherung der Wettbewerbsstruktur bedeutet folglich, dass diese bei der Erarbeitung des Marktdesigns alle (potenziellen) Marktteilnehmer gleich behandeln und sicherstellen müssen, dass die Regelwerke nicht einzelne Marktakteure und Technologien diskriminieren.279 Sofern das Verhalten der ÜNB in einer wettbewerbswidrigen Marktverschließung durch diskriminierende Regelwerke mündet, liegt ein missbräuchliches Marktverhalten vor.280 Mit Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke zur Gestaltung des RegelreserveMarktdesigns konstituieren die ÜNB die konkreten Anforderungen an die (potenziellen) Marktteilnehmer des Regelreservemarkts, wodurch der Marktzutritt der potenziellen Regelreserveanbieter von der Gestaltung des Marktdesigns abhängig ist. Die Europäische Kommission hat bereits zu Beginn der Liberalisierung der Regelreservemärkte die Marktmacht der ÜNB mit dem Risiko unzulässig beschränkender Marktzutrittsregeln für neue Regelreserveanbieter in Verbindung gebracht.281 Bis heute stellt die Gewährleistung des gleichberechtigten Marktzugangs für alle Technologien den zentralen Aspekt dar: Die ÜNB werden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) EltVO verpflichtet, die Regelreservemärkte so zu organisieren, dass „allen Marktteilnehmern, auch denjenigen, die aus Elektrizität aus fluktuierender erneuerbaren Energiequellen [sic] sowie Laststeuerung und Speicherung anbieten, entweder einzeln oder durch Aggregierung diskriminierungsfreier Zugang gewährt wird“. Die Marktbedingungen dürfen somit nicht in Marktzutrittsbarrieren für einzelne Technologien und Akteure resultieren. Sind die aktuell geltenden Präqualifikationsbedingungen aufgrund des Fortschritts überholt, so sind die marktbeherrschenden ÜNB verpflichtet, zur Wahrung des Wettbewerbs die entsprechenden Regelwerke fortzuentwickeln.282 Die Gewährleistung der Netzstabilität kann jedoch in begründeten Fällen als Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung einzelner Technologien und potenzieller Handelspartner bezüglich der Marktteilnahme herangezogen werden.283 277

Schweitzer, ZEuP 1/2019, 1–12 (10) in Bezug auf die regelsetzende Funktion von digitalen Plattformen, die als „private Gesetzgeber“ fungieren. Die Argumente können jedoch auch für die „analoge“ private Normsetzung zur Marktgestaltung herangezogen werden. 278 Schweitzer, ZEuP 1/2019, 1–12 (11). 279 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 2, Rn. 2286; Koenig / Neumann, WuW 4/2009, 382– 394 (388). 280 Schröter / Bartl, in: Schröter, et al., Europäisches Wettbewerbsrecht, § 2 C. Rn. 186. 281 Kommission, DG Competition, Report on the Energy Sector Inquiry, SEC (2006) 1724, S. 10. 282 Kroneberg / Berg, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 1, § 22 Rn. 37; Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (249 f.). 283 Vergleiche zur Möglichkeit der Rechtfertigung  EuGH, Rs.  C-95/04 P, ECLI:EU:C:​ 2007:166, Rn. 69 – British Airways.

A. Grenzen beim Erlass 

245

dd) Eignung, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen Bei Vorliegen eines missbräuchlichen Verhaltens muss dieses dazu geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Zwischenstaatlichkeitsklausel). Die entsprechende Maßnahme muss somit abstrakt geeignet sein, nachteilige Auswirkungen auf die grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit zwischen mindestens zwei Mitgliedstaaten zu haben; rein innerstaatliche Sachverhalte sind vom europäischen Kartellrecht nicht umfasst.284 Eine Gefährdung des grenzüberschreitenden Handels liegt insbesondere bei einer Marktabschottung der nationalen Märkte vor, einer Veränderung der Wettbewerbsstrukturen im Binnenmarkt oder einer sonstigen Einschränkung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs.285 Im Bereich der Regelreserve dient die Zusammenarbeit der ÜNB im Regelreservemarkt nicht dem Zweck einer Handelsbeschränkung, sondern im Gegenteil gemäß Erwägungsgrund (13) der Guideline on System Operation der Schaffung von „harmonisierten Anforderungen“, um zu „einem effizient funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarkt beizutragen“. In der Konstellation der privaten Normsetzung durch die kollektiv handelnden ÜNB ist der Normzweck des Missbrauchsverbots, mittels dessen eine unverfälschte wirtschaftliche Betätigung im Binnenmarkt gewährleistet werden soll, somit im Beispielsfall des Regelreservemarkts nicht betroffen. Sollten die Ausführungsakte jedoch geeignet sein, eine Verschlechterung der Wettbewerbsstruktur des Binnenmarkts durch eine Diskriminierung von Marktteilnehmern hervorzurufen, so steht ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV im Raum. d) Zwischenergebnis: Wettbewerbsrecht (Art. 101 ff. AEUV) Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das europäische Wettbewerbsrecht mit Vorschriften für Unternehmen neben dem Energierecht und der Warenverkehrsfreiheit anwendbar ist. Zudem treten die ÜNB auch im Kontext der privaten Normsetzung als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts auf. Das Kartellverbot des Art. 101 AEUV ist beim gemeinschaftlichen Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen nicht betroffen, sofern die Zusammenarbeit der Unternehmen keine Wettbewerbsbeschränkung darstellt, sondern vielmehr der Wettbewerbsförderung dient. Bezüglich der Prüfung am Maßstab 284

Kommission, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags, ABl. 2004, Nr. C 101/78, S. 83. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel dient dazu, den Anwendungsbereich des europäischen Missbrauchsverbots vom nationalen Missbrauchsverbot abzugrenzen, Fuchs, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1, Art. 102 AEUV Rn. 22. 285 Schröter / Bartl, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, § 2 C. Rn. 328 und 330.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

des Missbrauchsverbots ist festzuhalten, dass die für die Marktorganisation des Regelreservemarkts zuständigen ÜNB beim Erlass der Regelwerke eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV innehaben. Sofern die ÜNB wettbewerbswidrige und diskriminierende Regelwerke erlassen und damit einen Marktzutritt einzelner Marktteilnehmer in ungerechtfertigter Weise verhindern, missbrauchen sie ihre Marktmacht. 4. Ergebnis: Primärrechtliche Grenzen Die primärrechtlichen Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen werden insbesondere durch die Warenverkehrsfreiheit, die europäischen Grundrechte der Berufsfreiheit, der unternehmerischen Freiheit und der Eigentumsfreiheit sowie durch das Wettbewerbsrecht aufgezogen. In diesem Zusammenhang ist die unterschiedliche Bindungswirkung der jeweiligen Schranken zu beachten. Während die Warenverkehrsfreiheit primär Unions- und mitgliedstaatliche Organe bindet und Private nur im Falle eines quasi-hoheitlichen Handelns Verpflichtungsadressaten sind, entfällt im Rahmen der Grundrechte-Charta grundsätzlich jegliche Grundrechtsverpflichtung Privater. Da sich die privaten ÜNB TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH jedoch (mehrheitlich) im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, sind sie unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit sind diskriminierende Ausgestaltungen der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit untersagt. Der Schutzbereich des europäischen Grundrechts der Berufsfreiheit ist nicht eröffnet, da die Regelreserveanbieter in der Regel gewerblich tätige juristische Personen und keine Arbeitnehmer sind. Durch die einschlägige unternehmerische Freiheit wird jedoch die wirtschaftliche Betätigung der selbstständigen Regelreserveanbieter erfasst und zugleich der Marktzutritt potenzieller Marktteilnehmer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geschützt. Die Eigentumsfreiheit schützt das bereits Erworbene, aufgrund der täglich stattfindenden Ausschreibungen können sich die Regelreserveanbieter jedoch nicht auf vermögensrechtliche Positionen in Bezug auf ihre Marktposition berufen. Das Wettbewerbsrecht ist auch im Kontext der privaten Normsetzung im Energierecht anwendbar. Wettbewerbsfördernde private Regelwerke, die gemeinschaftlich von den ÜNB erlassen werden, stellen jedoch keinen Verstoß gegen das Kartellverbot dar. Das Missbrauchsverbot ist betroffen, sofern die privaten Normen diskriminierend gegenüber einzelnen Marktteilnehmern gestaltet sind.

A. Grenzen beim Erlass 

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II. Verfassungsrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Erlassen die Steuerungssubjekte allgemein geltende Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen zur Transformation eines wettbewerblichen Markts, müssen neben den unionsrechtlichen Schranken ebenso die nationalen Vorgaben der Verfassung eingehalten werden. Die für die Marktsteuerung zentralen Schranken ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit.286 1. Grundrechte Der Schutz der Grundrechte umfasst sowohl die bereits am Markt teilnehmenden als auch die potenziell neuen Akteure, welche einen Marktzutritt planen. Allerdings ist auch im Rahmen der nationalen Grundrechte im Vorfeld zu beleuchten, welche Steuerungssubjekte beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen überhaupt an die Grundrechte gebunden sind (a)). Entfalten sowohl die nationalen Grundrechte des Grundgesetzes als auch die Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta Bindungswirkung, stellt sich darüber hinaus die Frage des Verhältnisses der nationalen zu den europäischen Grundrechten (b)). Im Anschluss werden die wirtschaftsbezogenen Grundrechte der Berufsfreiheit (c)) sowie der Eigentumsfreiheit (d)). im Hinblick auf ihre Relevanz für Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sowie ihre Bedeutung für den Regelreservemarkt untersucht. a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG entfalten die Grundrechte unmittelbare Geltungswirkung gegenüber den Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. Diese Formulierung zeigt, dass sich die Grundrechtsgebundenheit auf alle Bereiche der Staatsgewalt bezieht und somit bei staatlichem Handeln keine grundrechtsfreien Räume bestehen.287 Verpflichtungsadressat der Grundrechte ist jedoch ausschließlich die deutsche Staatsgewalt – unabhängig von ihrem Handlungsort –, da gemäß dem Territorialprinzip der Geltungsbereich des Grundgesetzes auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist.288 286 Weitere, nicht im Zentrum dieser Arbeit stehende Grenzen sind unter anderem der Bestimmtheitsgrundsatz und das Wesentlichkeitsprinzip. 287 Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1201; Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG Band I, Art. 1 Rn. 12; Rüfner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 197 Rn. 2. 288 Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 88; Rüfner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 197 Rn. 4; Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1229.

248

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Aufgrund ihrer Autonomie sind somit die Hoheitsgewalten internationaler und zwischenstaatlicher Einrichtungen wie beispielsweise die Europäische Union nicht an die Grundrechte gebunden.289 Um zu vermeiden, dass es infolge einer Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes kommt, muss gemäß der Rechtsprechung des BVerfG (Solange I- und Solange II-Entscheidungen) auf europäischer Ebene ein im Wesentlichen mit dem deutschen Grundrechtestandard vergleichbarer Schutz gewährleistet werden.290 Ebenfalls nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind Private, da gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich nur die öffentliche Gewalt grundrechtsverpflichtet ist, wohingegen Privatpersonen grundsätzlich grundrechtsberechtigt sind.291 Diese fehlende unmittelbare Bindungswirkung gegenüber Nicht-Hoheitsträgern gilt auch dann, wenn privatrechtlich organisierte Vereinigungen im Rahmen der privaten Normsetzung Regelwerke erlassen, da diese nicht Ausfluss hoheitlicher Staatsgewalt sind.292 Eine unmittelbare Grundrechtsbindung betrifft jedoch nach der Fraport-Entscheidung des BVerfG solche Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Dies ist in der Regel bei vollständig oder jedenfalls mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Unternehmen der Fall.293 Unbeachtlich ist hierbei jedoch Anteilseigentum ausländischer Staaten, da fremde Staaten von vornherein nicht verpflichtet sind, die Grundrechte der Menschen in Deutschland zu achten und mithin keine Grundrechtsbindung besteht – unabhängig von der Rechtsform, in der sie tätig sind.294 Die vier in Deutschland tätigen ÜNB sind zwar alle als juristische Personen des Privatrechts organisiert, jedoch ist teilweise die inländische bzw. ausländische öffentliche Hand beteiligt. So liegt lediglich der Netzbetreiber Amprion GmbH zu 100 % in privater Hand295, während der Netzbetreiber TenneT TSO GmbH unter dem Dach der TenneT Holding BV zusammengefasst ist, die zu 100 % dem niederländischen Staat gehört.296 Der 289

Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 43. BVerfGE 37, 271 (277 ff.); BVerfGE 73, 339 (375 ff.); Hillgruber, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 1 Rn. 80; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 14 Rn. 18. 291 Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 116; Dreier, in: Dreier, GG, Band I, Art. 3 Rn. 38; a. A. Kulick, der für eine „modifizierte Konstruktion unmittelbarer Geltung“ plädiert, Kulick, Horizontalwirkung im Vergleich, S. 437. Eine Ausnahme hierzu bildet die unmittelbare Grundrechtsbindung für Private aus Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG. Vergleiche zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Teil 5 C. I. 292 Herdegen, in: Maunz / Dürig, GG Band I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 114. Anders bei Beliehenen, die zwar Privatrechtssubjekte sind, aber Hoheitsfunktionen wahrnehmen und daher im Außenverhältnis als selbstständige Hoheitsträger auftreten, vergleiche Schnapp / Kaltenborn, JuS 10/2000, 937–943 (937 f.). Führen Private hingegen öffentliche Aufgaben aus, ohne dass ihnen Hoheitsgewalt übertragen wurde, so sind sie ebenfalls nicht an die Grundrechte gebunden, Rüfner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 197 Rn. 19. 293 BVerfGE 128, 226 (245 ff.); bestätigt in BVerfGE 147, 40 (143). 294 BVerfGE 143, 246 (315). 295 https://www.amprion.net/Amprion/ (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 296 https://www.tennet.eu/de/unternehmen/profil/organisation/ (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). Aktuell bestehen Bestrebungen des Bundes, als Anteilseigner bei TenneT einzusteigen, hier sind jedoch aktuell noch keine öffentlichen Details verfügbar. 290

A. Grenzen beim Erlass 

249

Netzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH steht über die KfW-Bank mit 20 % im Eigentum der deutschen öffentlichen Hand,297 die übrigen Anteile hält die Elia Group, die sowohl aus belgischem Staatseigentum als auch aus privaten Aktionären besteht.298 Der Netzbetreiber TransnetBW GmbH ist als eine 100-%-Tochter des EnBW-Konzerns zu nahezu 100 % in inländischer öffentlicher Hand.299 Somit ist lediglich der Netzbetreiber TransnetBW GmbH von der öffentlichen inländischen Hand beherrscht und mithin an die Grundrechte gebunden. Die anderen drei ÜNB hingegen unterliegen keiner unmittelbaren Bindung an die Grundrechte. Zusammenfassend betrachtet sind beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen folglich nur hoheitliche Rechtsakte der deutschen Staatsgewalt am Maßstab der Grundrechte zu messen. Im Bereich des Regelreservemarkts gilt dies insbesondere für die Genehmigungen der Bundesnetzagentur der von den ÜNB eingereichten FCR- und aFRR-Vorschläge für die Ausschreibungsbedingungen300 sowie für die Festlegung der mFRR-Ausschreibungsbedingungen durch die Bundesnetzagentur.301 Nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind hingegen – mit Ausnahme der sich in inländischer hoheitlicher Hand befindlichen TransnetBW GmbH – die ÜNB beim Erlass der privatrechtlichen Präqualifikationsbedingungen, welche Ausfluss der privaten Normsetzung im Rahmen der regulierten Selbstregulierung des Regelreservemarkts sind.302

297

https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Struktur (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). https://www.eliagroup.eu/en/investor-relations/elia-share/shareholder-structure (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 299 https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/aktie/aktionaersstruktur.html (zuletzt aufgerufen am 01. 02. 2021). 300 Vergleiche hierzu ausführlich Teil 4 B. III. 2. d). 301 Vergleiche hierzu im Einzelnen Teil 2 A. II. 302 Andere Ansicht Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (252), der auch die Präqualifikationsbedingungen der ÜNB einer grundrechtlichen Prüfung unterzieht mit der Begründung, diese seien „nicht (…) nur privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den ÜNB, sondern rechtlich gebundene Ausformungen der in § 22 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 EnWG und § 6 StromNZV in Bezug genommenen Rechtsprinzipien. (…) Es handelt sich (…) um eine Verweisung, die derjenigen auf allgemein anerkannte Regeln der Technik oder auf feststehende Handelsbräuche vergleichbar ist“. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesetzestext gerade nicht im Wege einer Verweisung ein bestehendes Regelwerk der ÜNB inkorporiert, sondern vielmehr die ÜNB erst zum Erlass der Regelwerke verpflichtet. Auch Schwintowski anerkennt, dass es sich bei den Präqualifikationsbedingungen der ÜNB um „selbstregulative Eigenbeiträge privater Akteure“ handelt, die lediglich „reflexartig dem staatlichen Bereich nachempfunden sind“, Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (253 f.). Darüber hinaus analysiert er zutreffend im Kontext der Problematik von dynamischen Verweisen, dass der Erlass der Norm einem „privaten Normgeber“ überlassen werde, der nicht staatlich-demokratisch (…) legitimiert“ sei und im Rahmen der „Selbstregulierung“ handele, Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (253 f.). All dies spricht für die privatrechtliche Rechtsnatur der von den ÜNB erlassenen abstrakt-generellen Regelwerke und damit gegen eine Grundrechtsbindung der privaten ÜNB. Vergleiche darüber hinaus ausführlich zur Begründung der privatrechtlichen Rechtsnatur der Regelwerke der ÜNB Teil 4 B. III. 2. 298

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

b) Verhältnis der nationalen zu den europäischen Grundrechten Da die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht sowohl an die nationalen Grundrechte des Grundgesetzes als auch an die Unionsgrundrechte der EU-Grundrechte-Charta303 gebunden sind, stellt sich die Frage nach den Konkurrenzen der Grundrechte im Mehrebenensystem.304 Nach Ansicht des EuGH gilt in diesen Fällen gemäß der Melloni-Rechtsprechung, dass die nationalen Behörden und Gerichte bei den unionsrechtlich erforderlichen nationalen Durchführungsmaßnahmen weiterhin die nationalen Grundrechte anwenden können, sofern hierdurch weder das Schutzniveau der Charta noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.305 Folglich sind die nationalen und die europäischen Grundrechte nach Ansicht des EuGH parallel anwendbar, sofern der Vorrang des Unionsrechts gewahrt wird, was im Kollisionsfall einem Anwendungsvorrang der EU-Grundrechte-Charta vor den nationalen Grundrechten gleichkommt.306 Das BVerfG hielt dieser Rechtsprechung bislang im Rahmen der sogenannten Trennungstheorie307 entgegen, dass die nationalen und europäischen Grundrechte in einem Exklusivverhältnis zueinander stehen:308 Die Unionsgrundrechte finden dann Anwendung, wenn die mitgliedstaatliche Maßnahme vollständig durch Unionsrecht determiniert ist,309 während in den übrigen Fällen ausschließlich die nationalen Grundrechte Prüfungsmaßstab sind.310 Eine Kehrtwende zur bisherigen Rechtsprechung vollzog das BVerfG mit seinen Entscheidungen Recht auf Vergessen I311 und Recht auf Vergessen II312 vom 06. 11. 2019.313 In der Rechtssache Recht auf Vergessen I stellte das BVerfG fest, 303

Vergleiche Teil 5 A. I. 2. a) bb). Die Meistbegünstigungsklausel in Art. 53 GRCh enthält keine Vorgaben zum Konkurrenzverhältnis bzw. zu einem Anwendungsvorrang, sondern ist als materiell-rechtliche Auslegungsregel der Grundrechte-Charta zu lesen, Krämer, in: Stern / Sachs, GRCh, Art. 53 Rn. 4 und 8. 305 EuGH, Rs. 399/11, ECLI:EU:C:2013:107, Rn. 60 – Melloni. 306 EuGH, Rs. 399/11, ECLI:EU:C:2013:107, Rn. 59  – Melloni; Safferling, NStZ 10/2014, 545–551 (550); Thym, NVwZ 14/2013, 889–896 (892); Swoboda, ZIS 7–8/2018, 276–295 (276). 307 Der Ursprung der Trennungstheorie findet sich bereits in der Solange-Rechtsprechung, BVerfGE 73, 339 (387). 308 Ludwigs / Sikora, JuS 5/2017, 385–393 (390); Thym, NVwZ 14/2013, 889–896 (892); Streinz / Michl, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 51 GR-Charta Rn. 26; Hoppe, in: Meyer, EUGrundrechtecharta, Art. 53 Rn. 18. 309 BVerfGE 118, 79 (95 f.); BVerfGE 121, 1 (15); BVerfGE 122, 1 (20). 310 BVerfGE 125, 260 (306 f.); BVerfGE 129, 78 (102); BVerfGE 129, 186 (198 ff.). 311 BVerfG, EuZW 2019, 1021. 312 BVerfG, EuZW 2019, 1035. 313 Vergleiche vertiefend zu den Entscheidungen unter anderem Karpenstein / Kottmann, EuZW 5/2020, 185–189; Hoffmann, NVwZ 1–2/2020, 33–37; Kämmerer / Kotzur, NVwZ 4/2020, 177–184; Klein, DÖV 9/2020, 341–349; Edenharter, DÖV 9/2020, 349–358; Geiger, DÖV 9/2020, 366–371; Mosaki, EuZW 23/2020, 1012–1018. 304

A. Grenzen beim Erlass 

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dass mitgliedstaatliches Recht, das zwar im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, aber nicht vollständig unionsrechtlich determiniert ist, primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes zu prüfen ist.314 Die Anwendung der nationalen Grundrechte schließe jedoch „nicht aus, dass daneben im Einzelfall auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Geltung beanspruchen kann“.315 Das BVerfG beurteilte damit erstmals einen Sachverhalt sowohl an den nationalen als auch den europäischen Grundrechten und gab mit dieser parallelen Anwendung die bisherige Trennungstheorie auf.316 In der Entscheidung Recht auf Vergessen II hingegen handelte es sich um mitgliedstaatliches Recht in einer vollvereinheitlichten Materie des Unionsrechts, das den Mitgliedstaaten keinen eigenen Handlungsspielraum lässt. Hier prüfte das BVerfG erstmals nationale Maßnahmen am Maßstab der Unionsgrundrechte. Die nationalen Grundrechte erklärte es in dieser Konstellation aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts prinzipiell für unanwendbar.317 Die unionsrechtlichen Vorschriften des Regelreservemarkts bestimmen keinen vollvereinheitlichten europäischen Rechtsrahmen ohne einen nationalen Handlungsspielraum. Dies ergibt sich insbesondere aus den Kommissionsleitlinien, die gemäß Art. 18 Abs. 5 S. 4 lit. aa) StromhandelZVO lediglich eine Mindestharmonisierung der Regelreservemärkte als Ziel haben. Die Leitlinien treffen hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts einheitliche Vorgaben, überlassen jedoch die detaillierte Ausgestaltung den nationalen ÜNB.318 Die Be 314 BVerfG, EuZW 2019, 1021 (Leitsatz 1). Das BVerfG begründete dies damit, dass wenn der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume belässt, davon auszugehen sei, dass das europäische Grundrechtsschutzniveau innerhalb eines äußeren unionsrechtlichen Rahmens „Grundrechtsvielfalt“ zulässt, BVerfG, EuZW 2019, 1021 (1022 Rn. 50). 315 BVerfG, EuZW 2019, 1021 (1022 Rn. 43).­ 316 Karpenstein / Kottmann, EuZW 5/2020, 185–189 (187); Mosaki, EuZW 23/2020, 1­ 012–1018 (1018). 317 BVerfG, EuZW 2019, 1035 (1037 ff. Rn. 42 ff.). Folge dieser Rechtsprechung ist, dass das BVerfG künftig nun auch die Verletzung von Unionsgrundrechten im Wege der Verfassungsbeschwerde prüft, BVerfG, EuZW 2019, 1037 ff. (1040 Rn. 67). Einen Anwendungsvorrang der Unionsgrundrechte ablehnend Kirchhof, NVwZ 23/2014, 1537–1541, da die Befugnis zur Übertragung von Hoheitsrechten aus Art. 23 Abs. 1 GG nicht zu einem Grundrechteverzicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger führen könne und die Grundrechte nicht dem Integrationsziel unterlägen. 318 Beispielhaft aufgezeigt werden kann dieses Regelungskonstrukt anhand der Gestaltung der Regelreserve-Produktqualitäten, die Gegenstand der Regelreserve-Ausschreibungen sind: Die Guideline on Electricity Balancing verpflichtet in Art. 25 die europäischen ÜNB zur gemeinsamen Entwicklung von Regelreserve-Standardprodukten. Die einzelnen technischen Anforderungen – wie zum Beispiel die Zeit bis zur vollständigen Aktivierung – werden hierbei nicht unmittelbar von der verbindlichen Kommissionsleitlinie vorgegeben, sondern müssen von den europäischen ÜNB entsprechend den Maßgaben der Guideline on Electricity Balancing gemeinsam entwickelt werden. Ziel der Einführung von Standardprodukten ist das Erreichen einer Mindestharmonisierung, da es in Europa circa 25 verschiedene Regelleistungsprodukte gibt. Durch die Vorgabe von Standardprodukten sollen die Produkte nun durch einheitliche europäische Regelreserve-

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

sonderheit der europarechtlichen Regelungen besteht somit darin, dass in vielen Bereichen nur die Rahmenbedingungen vorgegeben werden, innerhalb derer sich die nationalen Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen bewegen müssen, die konkrete Marktgestaltung jedoch nicht festgelegt wird. Insbesondere das Design des Regelleistungsmarkts wird unionsrechtlich nicht abschließend determiniert. So besteht keine Pflicht der europäischen ÜNB zur Einführung eines gemeinsamen, europäischen Ausschreibungsverfahrens für Regelleistung. Der marktbasierte Beschaffungsprozess kann also grundsätzlich weiterhin national, das heißt ohne den Verbund mit den ÜNB anderer europäischer Staaten erfolgen. Obwohl auch bei Durchführung eines rein nationalen Ausschreibungsverfahrens für Regelleistung aufgrund europarechtlicher Einflüsse die Gestaltungsform des Regelleistungsmarkt-Designs nicht in allen Aspekten frei gewählt werden kann, bleibt die grundsätzliche Gestaltungsfreiheit auf mitgliedstaatlicher Ebene.319 Da somit der Regelreservemarkt nicht durch Unionsrecht vollvereinheitlicht ist, finden spätestens seit der Entscheidung des BVerfG Recht auf Vergessen I die nationalen Grundrechte des Grundgesetzes parallel neben den europäischen Grundrechten der EU-Grundrechte-Charta Anwendung. c) Berufsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer Werden mittels Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen wettbewerbliche Märkte transformiert, so kann dies zur Folge haben, dass sich interessierte Akteure durch eine Marktteilnahme neue, bisher nicht realisierbare Tätigkeitsbereiche erschließen können, während die Marktöffnung gleichzeitig für die bereits am Markt handelnden Akteure einen zunehmenden Wettbewerb und Konkurrenzdruck bedeutet. Im Folgenden werden die Auswirkungen des Art. 12 Abs. 1 GG hinsichtlich des Schutzes der Berufsausübung in neuen Tätigkeitsbereichen analysiert (aa)). Zudem wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Berufsfreiheit Schutz vor Konkurrenz bietet (bb)). Anschließend erfolgt eine Übertragung der Ergebnisse auf den Regelreservemarkt (cc)). aa) Schutz der Berufsausübung in neuen Tätigkeitsbereichen Ermöglichen Änderungen der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, dass sich interessierte Marktakteure erstmals neue Tätigkeitsbereiche erschließen können, so fällt dies in den Anwendungsbereich der Berufsfreiheit. Vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG als einheitliches Grundrecht ist die Wahl Standardprodukte ersetzt und die diesbezüglichen Vorschriften mit dem Ziel der Förderung von grenzüberschreitendem Wettbewerb und Liquidität harmonisiert werden, vergleiche Leffler / Fischerauer, in: Leffler / Fischerauer, EU-Netzkodizes und Kommissionsleitlinien, § 7 Rn. 29. 319 Vergleiche zu den unionsrechtlichen Vorgaben Teil 2 A. II. 3.

A. Grenzen beim Erlass 

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und Ausübung eines Berufs erfasst.320 Dabei ist unter dem Begriff des Berufs jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage zu verstehen, wobei die Erlaubtheit nicht maßgeblich ist.321 Davon umfasst sind ebenso gewerbliche Tätigkeiten oder unternehmerische Betätigungen,322 unabhängig davon, ob diese von natürlichen oder juristischen Personen ausgeübt werden.323 Im Rahmen der von der Berufsausübung erfassten Berufserweiterung324 können die Grundrechtsberechtigten neue berufliche Tätigkeitsfelder, die im Zusammenhang mit ihrem Beruf stehen, erschließen.325 Mittels einer grundrechtskonformen Ausgestaltung der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen werden somit neue Akteure befähigt, sich neue berufliche Felder zu erschließen, die ihnen bisher aufgrund regulatorischer Hürden verwehrt waren. Als ein Teilaspekt der Berufsausübungsfreiheit ist die Wettbewerbsfreiheit zu verorten.326 Die Wettbewerbsfreiheit umfasst in ihrer positiven Dimension die Freiheit, in den Wettbewerb einzutreten und sich innerhalb der Wettbewerbsbedingungen am Markt zu beteiligen.327 In diesem Zusammenhang betont das 320

Statt vieler BVerfGE 7, 377 (401 ff.); BVerfGE 95, 193 (214); Burgi, in: Kahl / Waldhoff / ​ Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 5, Art. 12 Rn. 35. 321 BVerfGE 7, 377 (397); BVerfGE 30, 292 (334); BVerfGE 102, 197 (212); BVerfGE 103, 172 (182); Wieland, in: Dreier, GG, Band I, Art. 12 Rn. 33 ff.; Ruffert, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 12 Rn. 40; Mann / Worthmann, JuS 5/2013, 385–392 (387). 322 Scholz, in: Maunz / Dürig, GG Band  II, Art. 12 Rn. 87. Damit unterscheidet sich der Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG von der in Art. 15 der GrundrechteCharta verankerten Berufsfreiheit, welche im Anwendungsbereich auf Arbeitnehmer beschränkt ist, während die unternehmerische Freiheit in Art. 16 GRCh selbstständige Tätigkeiten schützt, vergleiche Teil 5 A. I. 2. b). 323 Mann / Worthmann, JuS 5/2013, 385–392 (386); Scholz, in: Maunz / Dürig, GG Band II, Art. 12 Rn. 106. Vergleiche zur Grundrechtsberechtigung juristischer Personen im Allgemeinen Ludwigs / Friedmann, JA 11/2018, 807–815. 324 Die Erweiterung der Berufstätigkeit ist nicht als Berufswahl einzustufen, so unter anderem BVerfGE 9, 73 (78 ff.); BVerfGE 10, 185 (192 ff.); BVerfGE 11, 30 (41); BVerfGE 68, 272 (281). 325 Mann, in: Sachs, GG, Art. 12 Rn. 83; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG Band  II, Art. 12 Rn. 295. 326 So mit der überzeugenden Begründung, dass die Wettbewerbsfreiheit im beruflichen Sektor an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG als lex specialis gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG zu prüfen ist, BVerfGE 32, 311 (317); BVerfGE 46, 120 (137); Ruffert, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 12 Rn. 159; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG Band II, Art. 12 Rn. 124 und 144; Manssen, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 12 Rn. 70; Leisner, Wettbewerb als Verfassungsprinzip, S. 50 f. Dementgegen wird die Wettbewerbsfreiheit teilweise auch in Art. 2 Abs. 1 GG verortet, vergleiche das BVerwG unter anderem in BVerwGE 17, 306 (309); BVerwGE 30, 191 (198); BVerwGE 60, 154 (159); BVerwGE 65, 167 (174); BVerwGE 79, 326 (329); differenzierend Kunig / Kämmerer, in: von Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 2 Rn. 28. 327 Odewald, Faktische und mittelbare Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, S. 103; Held  / ​ Voß, EnWZ 6/2013, 243–248 (246); Tsiliotis, Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen, S. 81; Breuer, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 170 Rn. 89; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 27.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

BVerfG, dass die Teilnahme am Wettbewerb durch Art. 12 Abs. 1 GG nur nach Maßgabe der Funktionsbedingungen des Markts gesichert sei.328 Das damit einhergehende Prinzip der Wettbewerbsgleichheit bzw. der gleichen Wettbewerbsfreiheiten329 schützt potenzielle Marktteilnehmer vor einem diskriminierenden Marktausschluss.330 So muss der Staat im Rahmen seiner aus der Wettbewerbsfreiheit resultierenden Schutzpflichten einen angemessenen Ausgleich der Interessen der einzelnen potenziellen und bisherigen Marktteilnehmer schaffen.331 Bei Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen muss somit berücksichtigt werden, dass diese das Prinzip der Wettbewerbsgleichheit wahren und die Interessen aller Marktakteure Eingang in den Abwägungsprozess finden. Dabei können die getroffenen Regelungen rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die unternehmerische Tätigkeit einzelner darstellen, die jedoch in der Regel der Sicherung der institutionellen Wettbewerbsfreiheit und damit dem Schutz der wettbewerblichen Betätigung aller dienen.332 bb) Kein Schutz vor Konkurrenz Während sich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen für potenziell neue Akteure grundsätzlich durch die Möglichkeit der Erweiterung des Berufsfelds positiv auswirken können, bedeutet diese regulatorische Marktöffnung für die bereits etablierten Marktakteure eine Veränderung der Wettbewerbsstrukturen. Dabei ist fraglich, ob die staatlichen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen eine freiheitsbeschränkende Wettbewerbsbeeinflussung darstellen.333 Dazu müsste zunächst der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet sein. Art. 12 Abs. 1 GG bietet im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit den beteiligten Marktakteuren einen Schutz der Teilnahme am Wettbewerb, jedoch keinen Schutz vor Wettbewerb,334 da das Hinzutreten von Wettbewerbern systeminhärent ist.335 Insbesondere umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten.336 Vielmehr

328

BVerfGE 105, 252 (262); BVerfGE 106, 275 (298 f.); BVerfGE 110, 274 (288); BVerfGE 116, 135 (152). 329 Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, S. 128. 330 Leisner, Wettbewerb als Verfassungsprinzip, S. 90 f. 331 Leisner, Wettbewerb als Verfassungsprinzip, S. 73; Kämmerer, in: von Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 12 Rn. 8. 332 Kämmerer, in: von Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 12 Rn. 8. 333 Als Freiheitsbeschränkung kommen nicht allein Gebote und Verbote in Betracht; es genügt, dass durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst wird, vergleiche BVerfGE 86, 28 (37). 334 Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 104. 335 Kämmerer, in: von Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 12 Rn. 76; Odewald, Faktische und mittelbare Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit, S. 134 ff. und 267. 336 BVerfGE 24, 236 (251); BVerfGE 34, 252 (256); BVerfGE 105, 252 (265).

A. Grenzen beim Erlass 

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schützt Art. 12 GG die Marktteilnehmer weder vor Konkurrenz auf dem Markt337 noch vor Änderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Entscheidungen.338 Marktteilnehmer haben daher grundsätzlich keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben.339 Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt jedoch vor, wenn die staatliche Maßnahme nicht dem Erhalt und der Förderung des Wettbewerbs dient, sondern zu einer „Verzerrung der Marktverhältnisse“ führt.340 Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Ausübung der beruflichen Tätigkeit der etablierten Marktteilnehmer behindert wird.341 Auch Subventionen an Konkurrenten, die die Wettbewerbsfreiheit „in unerträglichem Maße“ einschränken,342 da sie ohne sachlichen Differenzierungsgrund verteilt werden bzw. zu einer Existenzgefährdung des nichtbegünstigten Konkurrenten führen, stellen einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit der etablierten Marktteilnehmer dar.343 Die Wettbewerbsfreiheit schützt somit vor willkürlichen, unzumutbaren oder unerträglichen staatlichen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen.344 cc) Drei-Stufen-Theorie des BVerfG Im Apotheken-Urteil345 aus dem Jahr 1958 entwickelte das BVerfG die sogenannte Drei-Stufen-Theorie, welche bei Einschränkungen der Berufsfreiheit danach unterscheidet, in welchen Bereich der Berufsfreiheit eingegriffen wird und entsprechend unterschiedlich strenge Rechtfertigungsmaßstäbe aufstellt. Hierbei differenziert das BVerfG zwischen Berufsausübungsregelungen und Berufswahlregelungen, wobei sich letztere wiederum in objektive und subjektive Zulassungs 337

BVerfGE 34, 252 (256); Ruffert, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 12 Rn. 62. BVerfGK 11, 445 – NVwZ 2007, 1168 (1169). 339 BVerfGK 11, 445 – NVwZ 2007, 1168 (1169); Wieland, in: Dreier, GG, Band I, Art. 12 Rn. 31; Bäcker, Wettbewerbsfreiheit als normgeprägtes Grundrecht, S. 330; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 27. 340 BVerfGE 105, 252 (268); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 21 f. 341 BVerfGE 82, 209 (223 f.); BVerfGE 86, 28 (37). 342 BVerwGE 30, 191 – NJW 1969, 522 (523). 343 Breuer, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 171 Rn. 100; ähnlich Tsiliotis, Der verfassungsrechtliche Schutz der Wettbewerbsfreiheit und seine Einwirkung auf die privatrechtlichen Beziehungen, S. 370; ähnlich Wieland, in: Dreier, GG, Band I, Art. 12 Rn. 73, der von einer „erdrosselnden Wirkung“ der Begünstigung für den Konkurrenten abstellt. Teilweise wird in der Literatur die Schwelle für einen Eingriff niedriger angesetzt, sodass bereits eine einigermaßen erhebliche Beeinträchtigung der Position des Mitbewerbers durch die Subvention rechtfertigungsbedürftig ist, Manssen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Band 1, Art. 12 Rn. 100; Ruffert, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 12 Rn. 64. 344 Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 104. 345 BVerfGE 7, 377. 338

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

schranken einteilen lassen. Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er Regelungen zur Berufsausübung trifft, also solche Vorschriften, die bestimmen, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu organisieren haben. Die Freiheit der Berufsausübung kann bereits dann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen.346 Hierunter fallen die in Teil 3 C. beschriebenen Marktmodalitätenbestimmungen, welche die Modalitäten für einen gewissen Markt, also eine marktliche Rahmenordnung und ein Marktdesign vorgegeben sowie die Art und Weise der Gestaltung eines spezifischen Markts regeln. Greift der Gesetzgeber also durch den Erlass von Marktmodalitätenbestimmungen in die Berufsfreiheit von Marktteilnehmern ein, so bedarf es zur Rechtfertigung allein vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls.Eine zweite Kategorie bilden die subjektiven, an die Person anknüpfenden Zulassungsschranken für den Zugang zum Beruf. Diese liegen vor, wenn der Hoheitsträger anhand von subjektiven Voraussetzungen den Zugang zum Markt regelt, beispielsweise indem er im Rahmen von akteurssteuernden Marktzutrittsregeln personenbezogene Anforderungen festgelegt, deren Erfüllung die Voraussetzung für eine Marktteilnahme ist.347 Da diese Eingriffe eine mittlere Intensität aufweisen, sind sie nur dann zulässig, soweit der Schutz eines besonders wichtigen (überragenden) Gemeinschaftsguts es zwingend erfordert.348 Den Eingriff mit der stärksten Intensität stellen objektive Berufszulassungsregeln dar, die weder mit den persönlichen Eigenschaften des Marktteilnehmer verknüpft sind noch von ihm beeinflusst werden können.349 Entsprechende Eingriffe sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienen.350 Mengensteuernde Marktzutrittsregeln stellen solche objektiven Zulassungsbeschränkungen dar, welche nach der Drei-Stufen-Theorie nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erlassen werden dürfen. dd) Bedeutung für den Regelreservemarkt Für Regelreserveanbieter bietet die Teilnahme am Regelreservemarkt eine berufliche Tätigkeitserweiterung neben der jeweiligen Betätigung als Stromerzeuger auf dem Großhandelsmarkt, als Anbieter von Flexibilitäten oder als industrielles, stromintensives Unternehmen. Im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit muss allen interessierten Regelreserveanbietern grundsätzlich die Möglichkeit offenstehen, in 346

BVerfGE 7, 377 (Leitsatz 6a). Ebenso u. a. BVerfGE 30, 336 (351); BVerfGE 65, 116 (125); BVerfGE 77, 308 (332). 347 Vergleiche zu akteurssteuernden Marktzutrittsregeln Teil 3 B. II. 2. 348 BVerfGE 7, 377 (405). Ebenso u. a. BVerfGE 19, 330 (337); BVerfGE 69, 209 (218). 349 Wieland, in: Dreier, GG, Band I, Art. 12 Rn. 62. 350 BVerfGE 7, 377 (408). Ebenso u. a. BVerfGE 11, 168 (183); BVerfGE 84, 133 (151).

A. Grenzen beim Erlass 

257

den Wettbewerb einzutreten und unter gleichen Wettbewerbsbedingungen daran teilzunehmen. Von der Gestaltung der Präqualifikations- und Ausschreibungs­ bedingungen des Regelreservemarkts hängt maßgeblich ab, ob ein Unternehmen am Regelreservemarkt teilnehmen kann oder davon ausgeschlossen bleibt.351 Die Präqualifikationsbedingungen der ÜNB müssen aufgrund der Grundrechtsbindung des im deutschen Staatseigentum stehenden Netzbetreibers TransnetBW GmbH mit den Anforderungen der Berufsfreiheit im Einklang stehen. Da diese Marktzutrittsregeln Kriterien für die technischen Fähigkeiten der Anlagen der potenziellen Regelreserveanbieter sowie deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit enthalten, stellen sie Zulassungsschranken dar, die auf die Person bezogen sind bzw. von dieser beeinflusst werden können. Solche subjektiven Zulassungsbeschränkungen der Berufswahl sind gemäß der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG nur zulässig, soweit der Schutz eines besonders wichtigen (überragenden) Gemeinschaftsguts es zwingend erfordert. Hierbei hat das BVerfG schon mehrfach die überragende Bedeutung der Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwohl betont und diese als „Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges“352 eingestuft.353 Das Präqualifikationsverfahren dient als vorgelagerte Eignungsprüfung für die Teilnahme am Regelreservemarkt354 dem Nachweis, dass die zu präqualifizierenden Anlagen tatsächlich innerhalb der vorgegebenen Reaktionszeiten aktiviert werden können und damit im Fall einer Frequenzabweichung die angebotene Regelreservemenge vertragsgemäß erbringen können.355 Durch diese Frequenzstabilisierungsmaßnahmen soll der sichere und zuverlässige Netzbetrieb wiederher­ gestellt werden, um Gefährdungen oder Störungen des Energieversorgungssystems, welche zu Versorgungslücken führen können, zu vermeiden.356 Somit dienen die Präqualifikationsbedingungen der Sicherheit der Energieversorgung, welche durch einen unreglementierten, für alle Regelreserveanbieter unbeschränkten Marktzutritt in Form einer Teilnahme am Regelreserve-Ausschreibungsverfahren ohne vorherige Eignungsprüfung nicht gewährleistet werden könnte. Ebenso stellen die Ausschreibungsbedingungen der Bundesnetzagentur Eingriffe in die Berufsausübung dar, die gemäß der vom BVerfG entwickelten Drei-Stufen-Theorie das „Wie“ der Arbeit, also die Art und Weise betreffen. Beschränkende Eingriffe in diese Form der Berufsausübung müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein.357 Der ursprünglich geltende Ausschreibungszeitraum von einem Monat 351

Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (251). BVerfGE 30, 292 (322 f.). 353 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, u. a. BVerfGE 30, 292 (322 f.); BVerfGE 66, 248 (258); BVerfGE 53, 30 (58); BVerfGE 91, 186 (206); BVerfGE 134, 242 (Rn. 286). 354 Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (248). 355 Vergleiche zum Präqualifikationsverfahren Teil 2 A. I. 356 Vergleiche zur frequenzstabilisierenden Wirkung von Regelreserve Teil 1 C. I. 357 BVerfGE 7, 377 (405); BVerfGE 9, 213 (221 f.); BVerfGE 10, 185 (197); BVerfGE 39, 210 (225); BVerfGE 41, 360 (370); BVerfGE 57, 121 (136); BVerfGE 78, 155 (162); BVerfGE 91, 148 (164). 352

258

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

für Primärregelleistung (FCR) stellte für viele potenzielle Anbieter eine Hürde für den Markteintritt dar, aber auch einige bereits etablierte Marktteilnehmer konnten sich nicht mit vollem Potenzial beteiligen.358 Daher erfolgte zur Erleichterung der Marktteilnahme weiterer Regelreserveanbieter unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit eine Verkürzung des Ausschreibungszeitraums zunächst auf eine Woche.359 Aufgrund der Fortentwicklung des technischen Fortschritts sowie der durch die Energiewende veränderten Akteurslandschaft war jedoch auch der einwöchige Ausschreibungszeitraum nicht mehr zweckmäßig und vernünftig, um diesen beschränkenden Eingriff in die Berufsausübung rechtfertigen zu können.360 Daher entwickelten die ÜNB die Ausschreibungsbedingungen erneut fort und verkürzten den Ausschreibungszyklus auf einen zunächst werk- und später kalendertäglichen Zeitraum.361 Die an die Grundrechte gebundene Bundesnetzagentur genehmigte diesen Vorschlag, um weiterhin das grundrechtliche Mindestschutzniveau der Wettbewerbsfreiheit zu gewährleisten und potenziellen Marktteilnehmern einen Marktzutritt zu ermöglichen.362 Ähnliche Anpassungen der Ausschreibungsbedingungen erfolgten ebenso bei den Produktzeitscheiben363 und den Mindestangebotsmengen, um einen Marktzutritt neuer Akteure zu ermöglichen und den Wettbewerb zu fördern.364 d) Eigentumsfreiheit der etablierten und neuen Marktteilnehmer Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen entfalten neben den Auswirkungen auf die Berufsfreiheit auch Relevanz im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit in Art. 14 Abs. 1 GG. Bei einer staatlich angestoßenen Transformation eines wettbewerblichen Markts bietet die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie nur einen eingeschränkten Schutz für neue, bisher noch nicht im Wettbewerb etablierte Marktteilnehmer (aa)) sowie einen Schutz für bereits am Markt etablierte Unternehmen (bb)). Die Bedeutung hiervon für den Regelreservemarkt wird in (cc)) untersucht. aa) Eigentumsschutz für neue Marktteilnehmer Die Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt als normgeprägtes Grundrecht grundsätzlich jedes vom Gesetzgeber gewährte vermögenswerte Recht, 358

Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (255). BNetzA, Beschluss BK6-10-097 vom 12. 04. 2011, S. 23. 360 Schwintowski, EWeRK 4/2016, 248–267 (265). 361 Vergleiche zum aktuellen Ausschreibungsdesign Teil 2 A. II. 2. 362 BNetzA, Beschluss BK6-18-006 vom 13. 12. 2018. 363 Der Fachbegriff „Produktzeitscheibe“ bezieht sich auf den Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve. Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 364 Vergleiche ausführlich Teil 1 E. und Teil 2 A. II. 359

A. Grenzen beim Erlass 

259

das „dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur priva­ten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist“.365 Vom Schutzbereich umfasst sind nicht nur die klassischen Formen von Grund- und Sacheigentum, sondern auch andere vermögenswerte private und – mit einigen Einschränkungen auch – öffentlich-rechtliche Rechtspositionen.366 Nicht geschützt hingegen ist das „Vermögen“ als solches.367 Das Grundrecht umfasst ebenso nicht in der Zukunft liegende Chancen, bloße Gewinnerwartungen und künftige Verdienstmöglichkeiten.368 Dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unterliegt somit nur der konkret vorhandene Bestand in Form gesicherter Rechtspositionen;369 an einer Wettbewerbsteilnahme interessierte Akteure, die noch keine gesicherten Rechtspositionen erworben haben, können sich folglich nicht auf einen Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Grundrechtsträger können alle natürlichen sowie gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen sein.370 bb) Eigentumsschutz für am Markt etablierte Unternehmen Hinsichtlich der Reichweite des eigentumsrechtlichen Schutzes von bereits am Markt etablierten Unternehmen bestehen divergierende Ansichten, die unter dem Stichwort „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ diskutiert werden.371 Dabei ist umstritten, ob dieses von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist, da sich der Eigentumsschutz nur auf vorhandene konkrete Vermögenswerte, nicht jedoch auf gewerbliche Tätigkeiten bezieht.372 Der Gewerbebetrieb umfasst die Sach- und Rechtsgesamtheit eines wirtschaftlichen Unternehmens.373 Während das BVerfG in einer früheren Entscheidung den Gewerbebetrieb dem Sacheigentum gleichstellte,374 anerkannte es in späteren 365 Ständige Rechtsprechung, unter anderem BVerfGE 78, 58 (71) mit weiteren Nachweisen; Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, Band I, § 10 Rn. 1. 366 Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG Band II, Art. 14 Rn. 160; Wieland, in: Dreier, GG, Band I, Art. 14 Rn. 49; Leisner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 173 Rn. 24. 367 BVerfGE 74, 129 (148); BVerfGE 78, 232 (243); BVerfGE 81, 108 (122); Jarass, in: Jarass / ​ Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 5. 368 BVerfGE 30, 292 (335); BVerfGE 45, 272 (296); BVerfGE 68, 193 (222); Axer, in: Epping / ​ Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 43. 369 Ständige Rechtsprechung, unter anderem BVerfGE 30, 292 (334); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 19. 370 Wollenschläger, in: Schmidt / Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 70; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 16. 371 Vergleiche ausführlich zum Eigentumsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs – auch in Abgrenzung zum zivilrechtlichen Begriff – Badura, AöR 98 (1973), 153–173. 372 Hagen, GewArch 10/2005, 402–407 (403). 373 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 26. 374 BVerfGE 1, 264 (277).

260

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Urteilen nur noch die „Substanz“ des Gewerbebetriebs als vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst,375 in den jüngsten Entscheidungen ließ er die Frage sogar gänzlich offen.376 In der Literatur hingegen wird überwiegend das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als eigentumsrechtlich geschützt angesehen.377 In diesem Zusammenhang wird allerdings von vielen Vertretern im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG einschränkend festgestellt, dass der Schutz des Gewerbebetriebs „nicht weiter gehen [könne] als der Schutz, den seine wirtschaftlichen Grundlagen genießen“.378 Von Art. 14 GG geschützt ist somit jedenfalls der vorhandene Bestand, nicht jedoch bloße Erwerbsabsichten, Verdienstmöglichkeiten, Zukunftshoffnungen und Aussichten, es sei denn, sie haben sich bereits zu gesicherten vermögenswerten Rechtspositionen verfestigt.379 Zudem obliegt das unternehmerische Risiko ausschließlich dem Grundrechtsträger selbst und ist nicht eigentumsrechtlich geschützt.380 Dies gilt erst recht, wenn die in der Zukunft liegenden Gewinnchancen nur als mittelbare Folge einer bestehenden gesetzlichen Regelung eintreten.381 Auch garantiert die Eigentumsfreiheit nicht die Beibehaltung der einmal am Markt erreichten Stellung gegenüber Konkurrenten.382 Grundsätzlich

375

BVerfGE 13, 225 (229); ebenso das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 95, 341 (349); BVerwGE 118, 226 (241). Vergleiche zum Begriff der Unternehmenssubstanz Schmidt-Preuß, Substanzerhaltung und Eigentum, S. 27 und 49 ff. 376 BVerfGE 51, 193 (221 f.); BVerfGE 66, 116 (145); BVerfGE 68, 193 (222 f.); BVerfGE 84, 212 (232); BVerfGE 96, 375 (397); BVerfGE 143, 246, NJW 2017, 217 (223 f.). 377 Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band  1, Art. 14 Rn. 142 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 26; Axer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 52; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 26; die verfassungsrechtliche Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gänzlich ablehnend Wieland, in: Dreier, GG, Band  I, Art. 14 Rn. 63 f.; Bryde / Wallrabenstein, in: von Münch / Kunig, GG, Band  1, Art. 14 Rn. 44. Ausführlich die verschiedenen Quellen auswertend Hagen, GewArch 10/2005, ­402–407 (403  f.). 378 So mit Verweis auf BVerfGE 58, 300 (353) Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 26; Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 136; Axer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 52. Die weite Ansicht hingegen sieht im Einklang mit der Argumentation des BGH im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB (BGHZ 55, 261 (263)) das Unternehmen in seiner rechtlichen Gesamtheit als geschützt an, da „bei einem Unternehmen gerade die Summe aller wertbildenden Elemente ein eigenständiges Ganzes mit einem eigenständigen Wert bildet, der nicht bloß die Summe seiner Bestandteile ist“, vergleiche Hagen, GewArch 10/2005, 402–407 (406); ebenso Ehlers, in: VVDStRL, Der Rechtsstaat und die Aufarbeitung der vor-rechtsstaatlichen Vergangenheit, Heft 51, S. 211–251 (215); Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 26; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 173 Rn. 200 ff. 379 BVerfGE 51, 193 (221); BVerfGE 74, 129 (148); BVerfGE 77, 84 (118); BVerfGE 68, 193 (222 f.); Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Henneke, GG, Art. 14 Rn. 16; Badura, AöR 98 (1973), 153–173 (165 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 9. Der Erwerb und die Betätigung als solche werden jedoch durch die Berufsausübungsfreiheit im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 162. 380 Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 136. 381 Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 138. 382 BVerfG NJW 1993, 1969 (1971).

A. Grenzen beim Erlass 

261

besteht auch kein Anspruch auf den Fortbestand einer für den Betrieb günstigen Rechtslage, sofern sich die daraus erhofften Erwerbschancen noch nicht zu einer gesicherten Rechtsposition verdichtet haben.383 Wirtschaftslenkende Maßnahmen stellen damit grundsätzlich keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar.384 Während die Unternehmen zwar grundsätzlich nicht auf den Fortbestand der Rechtslage vertrauen dürfen, so können sie sich unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen des bei den Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu berücksichtigenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes auf einen Bestandsschutz ihrer gesetzmäßig erworbenen Vermögensgüter berufen.385 Dies ist dann der Fall, wenn der Unternehmer bereits eine gesicherte Rechtsposition erworben hat und ihm daher ein schützenswertes Vertrauen zukommt.386 Dabei dürfen die wohlerworbenen Rechtspositionen nur dann verkürzt werden, wenn die Gründe des öffentlichen Interesses, die den Eingriff bedingen, so schwerwiegend sind, dass sie Vorrang vor den Interessen des Eigentümers haben.387 Gegebenenfalls sind zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit Übergangsregelungen und Härtefallklauseln in Form von Befreiungs- und Ausnahmevorschriften erforderlich.388 cc) Bedeutung für den Regelreservemarkt Der Eigentumsschutz umfasst die Nutzung der entsprechenden Eigentumswerte. Mithin fällt der Einsatz von Regelreserveanlagen für die Vorhaltung und Erbringung von Regelreserve unter den Eigentumsbegriff. Die Bundesnetzagentur könnte möglicherweise mit den Änderungen im Regelreserve-Ausschreibungsdesign durch Erlass der Festlegungen bzw. Genehmigungen der Vorschläge der ÜNB in die Eigentumsfreiheit der Marktteilnehmer eingegriffen haben. Dabei ist zu prüfen, ob die entsprechenden Gesetzesänderungen im Rahmen des allgemeinen unternehmerischen Risikos liegen oder ob die Regelreserveanbieter im Vertrauen auf die Nutzung einer bestehenden, wohlerworbenen Rechtsposition Investitionen getätigt haben.

383 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 19; Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / ​ Klein / Starck, GG, Band  1, Art. 14 Rn. 135; Leisner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, § 173 Rn. 201. 384 Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, Band  I, § 10 Rn. 96. 385 Ständige Rechtsprechung, u. a. BVerfGE 36, 281 (293); Dederer, in: Kahl / Waldhoff / Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 5, Art. 14 Rn. 217; Bryde / Wallrabenstein, in: von Münch / Kunig, GG, Band 1, Art. 14 Rn. 110; Glöckner, Eigentumsrechtlicher Schutz von Unternehmen, S. 243 ff.; Schröder, NVwZ 3/2013, 105–111 (107). 386 Papier / Shirvani, in: Maunz / Dürig, GG Band II, Art. 14 Rn. 207. 387 Wieland, in: Dreier, GG, Band  I, Art. 14 Rn. 149; Depenhauer / Froese, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art.  14 Rn.  233. 388 Axer, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 14 Rn. 98.

262

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Die Ausschreibungen für alle drei Regelreserve-Produktqualitäten finden täglich statt,389 weshalb kontinuierliche Erlöse für die einzelnen Marktteilnehmer nicht kalkulierbar sind. Eine gesicherte Nutzung der jeweiligen Anlagen für die Erbringung von Regelreserve ist somit auch nach einer erfolgreichen Präqualifikation nicht garantiert. Daraus folgend besteht hinsichtlich der Teilnahme am Regelreservemarkt keine gesicherte Rechtsposition, es handelt sich vielmehr um bloße Erwerbsabsichten und künftige Verdienstmöglichkeiten, welche nicht von Art. 14 Abs. 1 GG erfasst werden. Es manifestiert sich das jeweils vom Grundrechtsträger selbst zu tragende unternehmerische Risiko. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn gerade im Hinblick auf die Teilnahme am Regelreservemarkt Investitionen390 getroffen wurden, da diese allein im Hinblick auf Erwartungen auf einen hypothetischen Zuschlag in den täglich stattfindenden Auktionen getätigt wurden.391 Eine gesicherte Nutzung der Anlage zum Zwecke der Regelreserve war somit zu keinem Zeitpunkt gegeben, weshalb entsprechende Investitionen als bloßes unternehmerisches Risiko und Erwartung auf einen Zuschlag zu werten sind. Auch die erteilte BImSchG-Genehmigung der Anlagen hilft nicht über die Unsicherheit der getätigten Investitionen hinweg, da diese allein zum Bau und der entsprechenden Nutzung der Anlage im Rahmen der allgemeinen Stromerzeugung berechtigt, jedoch kein Vertrauen im Hinblick auf einen Zuschlag im Regelreserve-Ausschreibungsverfahren begründet. Nichts anderes kann im Hinblick auf die von den ÜNB erlassenen Präqualifikationsbedingungen gelten, welche dazu dienen, überhaupt erst einen Marktzutritt zu ermöglichen. Mangels gesicherter Rechtsposition der potenziellen neuen Marktteilnehmer manifestiert sich ebenfalls allein das unternehmerische Risiko bei im Hinblick auf die bevorstehende Präqualifikation getroffenen Investitionen, welches jedoch nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist. 2. Zwischenergebnis: Verfassungsrechtliche Grenzen Beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sind lediglich die nationalen Hoheitsträger an die Grundrechte der Verfassung gebunden; Private sowie Unionsorgane hingegen sind keine unmittelbaren Verpflichtungsadressaten, es denn, sie werden – wie der Netzbetreiber TransnetBW GmbH  – von der inländischen öffentlichen Hand beherrscht. Die Grenzen für 389

Vergleiche Teil 2 A. II. Investitionen können beispielsweise im erstmaligen Aufbau einer IT-Struktur zur Marktkommunikation und Steuerbarkeit liegen. Die Summen hierfür sind teils erheblich. 391 Damit unterscheidet sich der Sachverhalt maßgeblich von dem des Urteils zum Atomausstiegs. Den Kraftwerksbetreibern wurden mit Erteilung der Genehmigung die Nutzung der Anlagen zur Erzeugung von Rechtstrommengen rechtlich zugesichert. Ihnen kam somit bezüglich der Nutzung der Anlage eine gesicherte Eigentumsposition zu, auf die sie vertrauen durften. 390

A. Grenzen beim Erlass 

263

die grundrechtsverpflichteten Steuerungssubjekte ergeben sich insbesondere aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG). Diese nationalen Grundrechte sind nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG parallel neben den Unionsgrundrechten anwendbar, sofern es sich um unionsrechtlich nicht vollständig determinierte Materien handelt. Die Berufsfreiheit schützt unter anderem Marktinteressierte, die ihre Berufsausübung auf ein neues Tätigkeitsfeld erweitern wollen. Zudem verleiht der Teilaspekt der Wettbewerbsfreiheit ihnen das Recht, in den Wettbewerb einzutreten und sich innerhalb der Wettbewerbsbedingungen am Markt zu beteiligen. Vor Konkurrenz schützt hingegen Art. 12 Abs. 1 GG die etablierten Teilnehmer nicht. Im Präqualifikationsverfahren sollen insbesondere die technischen Fähigkeiten der Anlagen zur vertragsgemäßen Bereitstellung von Regelreserve nachgewiesen werden. Der Schutz der Sicherheit der Energieversorgung rechtfertigt den Eingriff durch diese Marktzutrittsregel. Die stete Anpassung der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen dient unter anderem der Gewährleistung des grundrechtlichen Mindestschutzniveaus der Wettbewerbsfreiheit, indem potenziellen Marktteilnehmern ein Marktzutritt ermöglicht werden soll. Auch dieser Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist daher gerechtfertigt. Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie bietet nur einen eingeschränkten Schutz für neue, bisher noch nicht im Wettbewerb etablierte Marktteilnehmer, da in der Zukunft liegende Chancen, bloße Gewinnerwartungen und künftige Verdienstmöglichkeiten nicht vom Schutzbereich erfasst sind. Etablierte Marktteilnehmer können sich im Rahmen der Eigentumsfreiheit nur auf wohlerworbene Rechtspositionen berufen. Aufgrund der täglich stattfindenden Ausschreibungen im Regelreservemarkt und der Ungewissheit eines Zuschlags in den Auktionen besteht keine gesicherte Rechtsposition der Regelreserveanbieter in Bezug auf die Nutzung der Anlagen zur Erbringung von Regelreserve. Entsprechende Investitionen unterliegen somit allein dem wirtschaftlichen Risiko des Regelreserveanbieters und sind nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst.

III. Ergebnis: Grenzen beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Sowohl auf primärrechtlicher als auch auf verfassungsrechtlicher Ebene bestehen materiell-rechtliche Grenzen für die Steuerungssubjekte, welche Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen erlassen. Dabei ist jedoch stets kritisch zu untersuchen, ob es sich bei dem die Maßnahme erlassenden Akteur auch um einen Verpflichtungsadressaten handelt oder ob dieser von der Bindungswirkung der jeweiligen Grenze nicht erfasst ist. Den primärrechtlichen Rahmen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen bilden grundsätzlich die Grundfreiheiten, die

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

EU-Grundrechte-Charta sowie das EU-Wettbewerbsrecht. Die für den Regelreservemarkt anwendbare Warenverkehrsfreiheit ist nicht verletzt, da die als Verkaufsmodalitäten einzuordnenden Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen mangels diskriminierender Wirkung keine „Maßnahmen gleicher Wirkung“ im Sinne des Art. 34 AEUV darstellen. Im Hinblick auf die EU-Grundrechte-Charta ist der Schutzbereich der europäischen Berufsfreiheit mangels Arbeitnehmereigenschaft der Regelreserveanbieter nicht eröffnet. Jedoch sind die Marktteilnahme und eine wirtschaftliche Betätigung der Regelreserveanbieter vom Grundrecht der unternehmerischen Freiheit erfasst. Die europäische Eigentumsfreiheit schützt insbesondere die bereits am Markt etablierten Regelreserveanbieter im Bestand ihrer gesicherten Rechtspositionen, gewährt jedoch in der Regel keinen Schutz vor Veränderungen der Wettbewerbsstellung, Verlust von Marktanteilen und einer Änderung der Rechtslage. Das EU-Wettbewerbsrecht ist auch im Kontext der privaten Normsetzung anwendbar. Es schützt die Marktteilnehmer vor einer wettbewerbsbeschränkenden privaten Marktgestaltung sowie vor einem diskriminierenden Marktausschluss. Im Verfassungsrecht zeigen die Berufsfreiheit und die Eigentumsfreiheit die Schranken für den Erlass der Regelungen auf. Diese nationalen Grundrechte sind neben den europäischen Grundrechten der Grundrechte-Charta anwendbar. Die nationale Berufsfreiheit schützt unter anderem die Bestrebungen Marktinteressierter, ihre Berufsausübung auf ein neues Tätigkeitsfeld zu erweitern. Die stete Anpassung der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen dient unter anderem der Gewährleistung des grundrechtlichen Mindestschutzniveau der Wettbewerbsfreiheit, indem potenziellen Marktteilnehmern ein Marktzutritt ermöglicht werden soll. Auf die verfassungsrechtliche Eigentumsfreiheit können sich die etablierten Marktteilnehmer auch bei einer Änderung der Rechtslage nicht berufen, da ihnen im Hinblick auf die Nutzung der Anlagen für die Erbringung von Regelreserve aufgrund der täglich stattfindenden Ausschreibungen keine gesicherte Rechtsposition zukommt.

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen Wie in Teil  2  B. dargestellt bestehen im Regelreservemarkt Sonderregelungen für spezifische Produkte oder Akteure, das heißt Regelungen, die nicht für alle Marktteilnehmer einheitlich gelten, sondern nur für eine spezielle Gruppe von Regelreserveanbietern. Als Beispiel sind die Sonderregelungen für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher und die für Windenergieanlagen anzuführen.392 392 Vergleiche hierzu insbesondere Teil 2 B. Die von der Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassenen Sonderregelungen für Letztverbraucher bei der Erbringung von Regelreserve betreffen vornehmlich organisatorische Fragen zum Bilanzkreisausgleich. Mangels Regelungen, die einen begünstigenden Marktzutritt fördern sollen, wird in diesem Kapitel nicht näher darauf eingegangen.

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

265

Auch und gerade beim Erlass solcher Vorschriften muss das höherrangige Recht eingehalten werden, insbesondere um verbotene Diskriminierungen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu verhindern. Mithin stellt sich die Frage, inwieweit beim Regelwerkerlass Rücksicht auf Spezifika oder tatsächlich bestehende Ungleichheiten bestimmter Produkte und Gruppen genommen werden darf oder sogar muss. Oder umgekehrt, ob die Rechtsordnung Ungleichheiten unberücksichtigt lassen darf bzw. muss.393 Die Rahmenbedingungen hierfür finden sich in den primär- (I.) und verfassungsrechtlichen (II.) Grenzen, die für den Erlass von Sonderregelungen höherrangige Anforderungen enthalten. Diese werden im Folgenden für das Referenzgebiet des Regelreservemarkts aufgezeigt.

I. Primärrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Entscheidet sich ein Steuerungssubjekt für den Erlass von Sonderregelungen, so ist dieses an die primärrechtlichen Grenzen gebunden; insbesondere dürfen Sonderregelungen keine diskriminierende Wirkung haben. Relevant sind im Kontext von Ausnahmevorschriften der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 20 GRCh, das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV sowie das Kartell- und Missbrauchsverbot (Art.  101 f. AEUV). Darüber hinaus wird untersucht, ob ebenfalls das europäische Beihilferecht (Art. 107 f. AEUV) Anwendung findet, wenn durch Sonderregelungen eine privilegierende Rechtslage für bestimmte Akteure bzw. Technologien geschaffen werden soll. 1. Allgemeiner Gleichheitssatz zum Schutz vor (Un-)Gleichbehandlungen Beim Erlass von Sonderregelungen, die spezielle Regelungen für einzelne Marktakteure enthalten, ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 20 GRCh zu beachten. a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Wie bereits dargestellt394 adressiert die EU-Grundrechte-Charta primär die Unionsorgane als Grundrechtsverpflichtete. Somit sind die Unionsorgane beim Erlass von Sonderregelungen an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 20 GRCh gebunden. Dementgegen sind die Mitgliedstaaten gemäß dem Wortlaut des Art. 51 393

Starck, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, 6. Auflage, 2010, Art. 3 Rn. 7. Vergleiche zur Frage der Bindungswirkung der EU-Grundrechte-Charta für europäische und nationale Hoheitsträger sowie für ÜNB Teil 5 A. I. 2. a). 394

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Abs. 1 GRCh nur Verpflichtungsadressaten der EU-Grundrechte-Charta, sofern sie Unionsrecht durchführen. Ist eine Genehmigung der privaten Regelwerke der ÜNB durch die Bundesnetzagentur in den Kommissionsleitlinien vorgeschrieben,395 liegt eine „Durchführung von Unionsrecht“ durch eine mitgliedstaatliche Behörde vor, weshalb diese bei Erteilung der Genehmigung an die europäischen Grundrechte gebunden ist.396 Hingegen grundsätzlich keine Verpflichtungsadressaten sind Private; das Verbot der Ungleichbehandlung entfaltet für sie daher keine unmittelbare Wirkung. Dies gilt jedoch nicht für Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden, indem sie jedenfalls mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, da dies eine Betätigung des Mitgliedstaats darstellt. Von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen sind demnach unter den gleichen Voraussetzungen wie die Mitgliedstaaten unmittelbar grundrechtlich gebunden. Sofern die von der öffentlichen Hand beherrschten Netzbetreiber TenneT TSO GmbH, 50Hertz Transmission GmbH und TransnetBW GmbH die Ausschreibungs- und Präqualifikationsbedingungen des Regelreservemarkts erlassen, setzt die EU-Grundrechte-Charta folglich Schranken für ihr Handeln.397 b) Verbot der ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlung Der allgemeine Gleichheitssatz wurde im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des EuGH zunächst als allgemeines Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelt,398 stellt jedoch inzwischen durch die Verankerung als Grundrecht in Art. 20 GRCh einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts im Sinne des Art. 6 Abs. 3 EUV dar.399 Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, die Differenzierung ist objektiv gerechtfertigt.400 Auch der umgekehrte Fall einer Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten ohne sachlichen Grund stellt einen Verstoß gegen Art. 20 GRCh dar. Im Gegensatz zu den besonderen Diskriminierungsverboten des Art. 21 GRCh knüpft Art. 20 GRCh nicht an eine (Un-)Gleichbehandlung aus bestimmten, gesetzlich aufgezählten Gründen wie beispielsweise dem Geschlecht, der Rasse oder der Religion an, sondern erfasst sämtliche Sachverhalte mit einer

395

Vergleiche hierzu ausführlich insbesondere Teil 4 B. III. 2. d). Vergleiche Teil 5 A. I. 2. a). 397 Vergleiche Teil 5 A. I. 2. a) cc). 398 Statt vieler EuGH, verb. Rs. 117/76 und 16/77, ECLI:EU:C:1977:160, Rn. 7 – Albert Ruckdeschel; EuGH, Rs. C-15/95, ECLI:EU:C:1997:196, Rn. 35 – Earl de Kerlast / Unicopa; EuGH, Rs. C-292/97, ECLI:EU:C:2000:202, Rn. 38 – Kjell Karlsson u. a.; Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, Erläuterung zu Artikel 20, ABl. 2007, Nr. C 303/24; Folz, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 20 GR-Charta Rn. 2. 399 Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 20 GR-Charta Rn. 3; Jarass, EU-GR-Charta, Art. 20 GR-Charta Rn. 2. 400 Statt vieler EuGH, verb. Rs. 117/76 und 16/77, ECLI:EU:C:1977:160, Rn. 7 – Albert Ruckdeschel; EuGH, Rs. 13/63, ECLI:EU:C:1963:20, S. 387 – Italienische Republik / KOM. 396

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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differenzierenden hoheitlichen Behandlung.401 Die (Un-)Gleichbehandlung kann jedoch objektiv gerechtfertigt sein, wobei sich die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtfertigung von einer starken Einzelfallsystematik und einem variierenden Prüfungskanon geprägt zeigt, sodass insbesondere die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes strittig ist.402 Im Rahmen der Rechtfertigung ist jedoch zumindest das Ausmaß der Belastung und das Gewicht des die Ungleichbehandlung hervorrufenden Grundes zu berücksichtigen.403 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt Aufgrund der Bindungswirkung der Grundrechte-Charta für die staatlich beherrschten ÜNB sind die von den deutschen ÜNB erlassenen Vorschriften für Windenergieanlagen sowie für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher am Maßstab des Art. 20 GRCh zu prüfen.404 Die Sonderregelungen hinsichtlich der Windenergieanlagen befinden sich in Ziffer 2.9 der Präqualifikationsbedingungen.405 Die speziellen Anforderungen für die Teilnahme von Anlagen mit begrenztem Energiespeicher am Regelreservemarkt befinden sich ebenfalls in den Präqualifikationsbedingungen.406 Aufgrund technischer Besonderheiten wurden für Windenergieanlagen und für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher bei der Erbringung von Regelreserve Ausnahmevorschriften erlassen, mittels derer regulatorische Markthemmnisse im Regelreservemarkt für diese Technologien abgebaut und ein Markteintritt er 401

Graser / Reiter, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 20 GRC Rn. 1. Glock, Der Gleichheitssatz im Europäischen Recht, S. 191; Graser / Reiter, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 20 GRC Rn. 5 f. So zieht der EuGH unter anderem den Willkürlichkeitsmaßstab heran („Das schließt die Möglichkeit unterschiedlicher Behandlung (…) nicht aus, soweit diese Unterschiede nicht willkürlich, sondern auf objektive Kriterien gestützt sind“), vergleiche EuGH, Rs. 139/77, ECLI:EU:C:1978:126, Rn. 15 – Denkavit Futtermittel. Jedoch sieht der EuGH auch eine objektive Rechtfertigung, wenn die Ungleichbehandlung „auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, das heißt, wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht“, vergleiche EuGH, Rs. C-127/07, ECLI:EU:C:2008:728, Rn. 47 – Arcelor. 403 Graser / Reiter, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 20 GRC Rn. 5 f. 404 Die von der Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassenen Sonderregelungen für Letztverbraucher bei der Erbringung von Regelreserve betreffen vornehmlich organisatorische Fragen zum Bilanzkreisausgleich. Mangels Regelungen, die einen begünstigenden Marktzutritt fördern sollen, wird in diesem Kapitel nicht näher darauf eingegangen. 405 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020. Vergleiche zu den Sonderregelungen für Windenergieanlagen insbesondere Teil 2 B. 406 50Hertz / Amprion / TenneT / TransnetBW, Präqualifikationsverfahren für Regelreservean­ bieter (FCR, aFRR, mFRR) in Deutschland („PQ-Bedingungen“), Version 1.03 vom 29. 05. 2020, Ziffer 2.6, 3. 1. 6 sowie 3. 2. 2. 402

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

möglicht werden sollte.407 So eröffnete sich für Batteriespeicher erst mit der Einführung der Sonderregelungen eine tatsächliche Teilnahmemöglichkeit am Regel­ reservemarkt, indem diese nicht mehr die 100 %ige Vorhaltung und Erbringung von Primärregelleistung für den gesamten Zeitraum von einer Woche ohne Nachlademöglichkeit garantieren mussten, sondern nur für einen Zeitraum von 30 Minuten (sog. „30-Minuten-Kriterium“), welcher 2019 nochmals auf 15 Minuten verringert wurde.408 Auch im Windbereich ermöglichte insbesondere die Einführung einer für volatile Anlagen geeigneten Nachweismethode der bereitzustellenden Regelarbeit eine erleichterte Marktteilnahme von Windenergieanlagen, indem nun auf die mögliche Einspeisung der Anlage unter Ausnutzung des aktuellen Windangebots anstatt wie bisher auf den angemeldeten „pauschalen Fahrplans“ abgestellt wird.409 Da Speicher und Windenergieanlagen als auf dem Regelreservemarkt neuere Technologien im Gegensatz zu den etablierten Regelreserveanbietern mit erschwerten Marktzutrittschancen konfrontiert waren, war der Erlass der genannten Sonderregelungen auf die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Technologien gerichtet. Die durch die Ausnahmevorschriften geschaffene – rechtliche – Ungleichbehandlung der Technologien bezweckt somit in tatsächlicher Hinsicht die Herstellung gleicher Chancen bezüglich des Marktzutritts. Die Behebung der ungerechtfertigten Gleichbehandlung rechtfertigt somit den Erlass von Sonderregelungen für einzelne Technologien – insbesondere vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Forderung nach einem diskriminierungsfreien Zugang aller Marktteilnehmer zum Regelreservemarkt in Art. 6 Abs. 1 lit. c) EltVO. 2. Diskriminierungsverbot hinsichtlich Sonderregelungen Zudem muss bei Erlass von Sonderregelungen der spezielle Gleichheitssatz aus Art. 18 AEUV, der eine besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt,410 berücksichtigt werden. Dieser schützt vor Diskriminierungen ausschließlich aufgrund der Herkunft. Sonderregelungen dürfen somit nicht ohne sachlichen Grund benachteiligende, unverhältnismäßige Regelungen für Angehörige anderer Mitgliedstaaten enthalten. Art. 18 AEUV findet nur „unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge“ Anwendung und ist somit gegenüber den besonderen Diskriminierungsverboten der Verträge subsidiär anzuwenden.411 Da die Warenverkehrsfreiheit in Art. 34 AEUV in ihrer Ausprägung als Diskriminie 407

Vergleiche zu den Sondervorschriften des Regelreservemarkts Teil 2 B. Halbig, ER 6/2020, 238–242 (242). 409 Vergleiche hierzu vertiefend Staake, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 483. 410 EuGH, Rs. 147/79, ECLI:EU:C:1980:238, Rn. 7 – Hochstrass / Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Khan / Heinrich, in: Geiger / K han / Kotzur, EUV, Art. 18 AEUV Rn. 2; Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 13. 411 EuGH, Rs. 305/87, ECLI:EU:C:1989:218, Rn. 12 f. – KOM / Griechenland; EuGH, Rs. C-10/​ 90, ECLI:EU:C:1991:107, Rn. 11 – Masgio; Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  18 AEUV Rn. 6. 408

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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rungsverbot jedenfalls auch eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsbürgerschaft ohne sachlichen Grund untersagt, entfaltet Art. 18 AEUV nach der Rechtsprechung des EuGH und der herrschenden Lehre eine subsidiäre Wirkung zur Warenverkehrsfreiheit.412 Zur Untersuchung der Grenzen der vorrangigen Warenverkehrsfreiheit in Bezug auf diskriminierende Regelungen im Regelreservemarkt kann auf die obigen Ausführungen in Teil 5 A. I. 1. verwiesen werden, weshalb sich an dieser Stelle die Abhandlung auf das subsidiäre Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV beschränkt. a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Um zu untersuchen, welche Regelwerke des Regelreservemarkts am Maßstab des Art. 18 AEUV überhaupt zu messen sind, muss zunächst die Bindungswirkung des Diskriminierungsverbots für die europäischen und nationalen Hoheitsträger sowie für die privaten ÜNB bestimmt werden. Art.  18 AEUV selbst nennt keine Verpflichtungsadressaten. Dennoch ist es allgemeiner Konsens, dass die Organe der Union an das allgemeine Diskriminierungsverbot gebunden sind.413 Darüber hinaus ist das Handeln der Mitgliedstaaten sowie das von natürlichen und juristischen Personen, soweit dieses funktionell dem Mitgliedstaat zuzurechnen ist, am Maßstab des Art. 18 AEUV zu messen.414 Strittig ist hingegen, ob auch Private an das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit unmittelbar gebunden sind. Der EuGH hat sich hierzu noch nicht geäußert,415 jedoch wird diskutiert, ob dessen Rechtsprechung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. den Grundfreiheiten allgemein auch auf Art. 18  AEUV übertragen werden kann.416 Teilweise wird in der Literatur eine mit Art. 157 AEUV vergleichbare vollumfängliche Verpflichtung zum diskriminierungsfreien Verhalten in sämtlichen privaten Rechtsverhältnissen bejaht.417 Die überwiegende und vorzugswürdige Ansicht jedoch sieht Private allenfalls dann als

412 Ständige Rechtsprechung des EuGH, u. a. EuGH, Rs. C-213/90, ECLI:EU:C:1991:291, Rn. 10 – Asti; EuGH, Rs. 90/76, ECLI:EU:C:1977:101, Rn. 27 – Van Ameyde / UCI; Michl, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 2, Art. 18 AEUV Rn. 82 ff.; Holoubek, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 50. Restriktiver Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 6, die eine Subsidiarität zur Warenverkehrsfreiheit nur im Falle einer personenbezogenen Diskriminierung annimmt. 413 Statt vieler Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  18 AEUV Rn.  25. 414 Statt vieler Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 42. 415 Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 40. 416 Vergleiche zur Rechtsprechung des EuGH zur Bindung Privater an die Grundfreiheiten Teil 5 A. I. 1. b) cc). 417 Insbesondere Bogdandy, in: Grabitz / H ilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  18 AEUV Rn. 26 ff.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Verpflichtete an, wenn diese mit besonderen Machtbefugnissen ausgestattet sind und kollektive Regelungen erlassen.418 In diesem Fall bestehen Situationen, denen sich der betroffene Private nicht entziehen kann, da die Regelwerke eine mit hoheitlicher Rechtsetzung vergleichbare Wirkung entfalten.419 Erlassen die ÜNB als private Akteure abstrakt-generelle Regelwerke zur Gestaltung des Regelreservemarkts, so kommt ihnen eine gewisse Machtposition zu, der sich die Marktteilnehmer nicht entziehen können und die mit staatlicher Rechtsetzungsmacht vergleichbar ist. Demzufolge sind auch die ÜNB beim Erlass von Regelungen zur Gestaltung des Marktdesigns des Regelreservemarkts an Art. 18 AEUV gebunden. b) Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der Herkunft Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV enthält in Abs. 1 das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, wonach „[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge (…) in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“ ist. Art. 18 AEUV verlangt die vollständige Gleichbehandlung der Personen, die sich in einer unionsrechtlich geregelten Situation befinden, mit den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.420 Das Verbot betrifft sowohl offene, also unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Regelungen, als auch versteckte Diskriminierungen.421 Eine Vorschrift ist versteckt bzw. mittelbar diskriminierend, wenn sie vom Wortlaut her staatlich neutral gefasst ist, aber sich ihrem Wesen nach eher auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten als auf Inländer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Erstere besonders benachteiligt.422 Auch wenn der Wortlaut diesbezüglich keine Anhaltspunkte liefert, gilt das Diskriminierungsverbot nach der Rechtsprechung des EuGH nicht absolut und Verstöße sind rechtfertigungsfähig. Inzwischen differenziert die Rechtsprechung nicht mehr zwischen der Rechtfertigung von offenen und versteckten Diskrimi-

418

Rust, in: Von der Groeben / Schwarze / Hatje, Europäisches Unionsrecht, Art. 18 AEUV Rn. 44; Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 44. 419 Holoubek, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 45; Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art.  18 AEUV Rn.  40. 420 EuGH, Rs. C-43/95, ECLI:EU:C:1996:357, Rn. 16 – Data Delecta Aktiebolag; Lenz, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 1. 421 Lorenzmeier, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 18 AEUV Rn. 4; EuGH, Rs. 152/73, ECLI:EU:C:1974:13, Rn. 11 – Sotgiu; EuGH, Rs. C-398/92, ECLI:EU:C:1994:52, Rn. 16  – Mund & Fester; EuGH, Rs. C-57/96, ECLI:EU:C:1997:564, Rn. 44 – Meints; EuGH, Rs. C-212/99, ECLI:EU:C:2001:357, Rn. 24 – Kommission / Italien. 422 Unter anderem EuGH, Rs. C-73/08, ECLI:EU:C:2010:181, Rn. 41 – Bressol; EuGH, Rs. C-195/98, ECLI:EU:C:2000:655, Rn. 40  – Österreichischer Gewerkschaftsbund; Holoubek, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 7.

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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nierungen.423 Kein Verstoß liegt vor, wenn die Differenzierung auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit unabhängigen Sachgründen beruht und verhältnismäßig ist.424 Vergleichbar mit den Grundfreiheiten dienen unter anderem Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigungsgründe.425 c) Bedeutung für den Regelreservemarkt Bei der Frage, ob die Regelungen des Präqualifikations- und des Ausschreibungsverfahrens gegen Art. 18 AEUV verstoßen, da sie Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten, ist zunächst zu untersuchen, ob diese unterschiedslos für In- und Ausländer gelten. Wie bereits im Rahmen der vorrangigen Warenverkehrsfreiheit festgestellt,426 treten als Regelreserveanbieter insbesondere deutsche oder ausländische Unternehmen mit Sitz in Deutschland bzw. im angrenzenden Ausland auf. Der Wortlaut der Präqualifikationsbedingungen differenziert nicht anhand der Staatsbürgerschaft und wirkt somit nicht unmittelbar diskriminierend. Auch eine mittelbare, faktische Ungleichbehandlung von europäischen Ausländern im Präqualifikationsprozess ist nicht ersichtlich. Weder unterliegen sie im Verhältnis zu inländischen Anbietern gesteigerten Nachweisen, noch fallen für sie de facto höhere Gebühren für die Teilnahme am Präqualifikationsverfahren an. Im Ergebnis wird somit der Marktzutritt für ausländische Regelreserveanbieter, die nach den deutschen Präqualifikationsbedingungen zugelassen werden wollen, nicht durch regulatorische Hemmnisse erschwert. Die von den ÜNB erlassenen Präqualifikationsbedingungen enthalten somit keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. 423 EuGH, Rs. C-323/95, ECLI:EU:C:1997:169, Rn. 19 und 24 – Hayes sowie weitere Urteile bei Bogdandy, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art. 18 Rn. 22 in Fn. 3. Früher hat der EuGH ein absolutes Verbot für offene Diskriminierungen befürwortet, u. a. EuGH, Rs. 293/83, ECLI:EU:C:1985:69, Rn. 26 – Gravier. Auch heute noch gibt es teilweise Stimmen in der Literatur, die nur die versteckte Diskriminierung als ein relatives Diskriminierungsverbot betrachten, während die offene Diskriminierung nicht rechtfertigbar ist, vergleiche Holoubek, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 22 ff. 424 EuGH, Rs. C-29/95, ECLI:EU:C:1997:28, Rn. 19 und 28 – Eckehard Pastoors; EuGH, Rs. C-274/96, ECLI:EU:C:1998:563, Rn. 27 – Bickel und Franz; EuGH, Rs. C-224/98, ECLI:EU:C:2002:432, Rn. 36 – D’Hoop; EuGH, Rs. C-224/00, ECLI:EU:C:2002:185, Rn. 20 – KOM / Italien; EuGH, Rs. C-148/02, ECLI:EU:C:2003:539, Rn. 31  – Garcia Avello; EuGH, Rs. C-209/03, ECLI:EU:C:2005:169, Rn. 54 – Bidar; Lorenzmeier, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 18 AEUV Rn. 6; Lenz, in: Lenz / Borchardt, EUVerträge Kommentar, Art. 18 AEUV Rn. 6; Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 59. 425 EuGH, Rs. C-388/01, ECLI:EU:C:2003:30, Rn. 21 – KOM / Italien; Epiney, in: Calliess / ​ Ruffert, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 38; Streinz, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 18 AEUV Rn. 63. 426 Vergleiche Teil 5 A. I. 1. c) bb).

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

Die Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts betreffen die Beschaf­ fung und den Einsatz von Regelreserve, indem sie unter anderem Regelungen zum Erbringungsbeginn, zum Erbringungszeitraum, zur Mindestangebotsmenge und zum Maximalpreis enthalten. Wie auch bei den Präqualifikationsbedingungen knüpfen die Ausschreibungsbedingungen für Regelreserve nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an. Zudem ist eine faktische Ungleichbehandlung von Inund Ausländern nicht ersichtlich, da die festgelegten Rahmenbedingungen sich wirtschaftlich gleichermaßen und damit unabhängig von der Nationalität auswirken. Auch in tatsächlicher Weise gelten folglich für inländische und ausländische Regelreserveanbieter die gleichen Voraussetzungen. Es fehlt somit an einem auf Grundlage der Staatsangehörigkeit diskriminierenden Eingriffs in den subsidiär zur Warenfreiheit geltenden Art. 18 AEUV. 3. EU-wettbewerbsrechtliche Aspekte beim Erlass von Sonderregelungen Im Rahmen des EU-Wettbewerbsrecht sind im Kontext von Sonderregelungen das für Unternehmen geltende Kartell- und Missbrauchsverbot der Art. 101 f. AEUV (a)) sowie das für hoheitliches Handeln maßgebliche Beihilferecht der Art. 107 f. AEUV (b)) zu untersuchen. a) Kartell- und Missbrauchsverbot als Grenze für die private Normsetzung Wie bereits untersucht findet das EU-Wettbewerbsrecht Anwendung im Kontext der normsetzenden Tätigkeit Privater beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen und ist auch in energierechtlichen Sachverhalten nicht aufgrund von § 185 Abs. 3 GWB i. V. m. § 111 EnWG ausgeschlossen.427 Hinsichtlich des Kartellverbots aus Art. 101 AEUV gilt auch für die gemeinschaftlich von den ÜNB erlassenen Sondervorschriften des Regelreservemarkts, dass diese dem in den Kommissionsleitlinien entsprechenden Ziel der Wettbewerbsförderung und der Integration der mitgliedstaatlichen Regelreservemärkte dienen sollen. Wettbewerbsfördernde und -eröffnende Maßnahmen erfüllen jedoch nicht den Tatbestand des Kartellverbots, weshalb trotz gemeinsamer Beschlüsse keine verbotene Maßnahme im Rahmen des Art. 101 AEUV vorliegt.428 Auch hinsichtlich des Missbrauchsverbots ist auf die obigen Ausführungen429 zu verweisen. Der Regelreservemarkt stellt einen sachlich und räumlich relevan 427

Vergleiche hierzu Teil 5 A. I. 3. a). Vergleiche ausführlich zum Kartellverbot im Zusammenhang mit der Marktgestaltung des Regelreservemarkts Teil 5 A. I. 3. b). 429 Vergleiche Teil 5 A. I. 3. c). 428

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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ten Markt dar, auf dem die ÜNB durch ihre Marktgestaltungsbefugnis und ihre Berechtigung zum Erlass von Sonderregelungen eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Auch hier gilt, dass der Handlungsspielraum nicht missbräuchlich ausgenutzt werden darf. Dies umfasst, dass den bestehenden und potenziellen Marktteilnehmern in nichtdiskriminierender Weise entgegengetreten werden muss. Genügen folglich die erlassenen Regelungen nicht dem Zweck, dass alle Marktteilnehmer mit ihren technischen Fähigkeiten am Markt teilnehmen können, so dürfen die ÜNB auf den Erlass von Sonderregelungen nicht in sachlich ungerechtfertigter Weise verzichten. Der Erlass von Sonderregelungen kann somit dazu dienen, eine wettbewerbswidrige Marktverschließung durch diskriminierende Regelwerke zu verhindern, da den ÜNB anderenfalls ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot aus Art. 102 AEUV drohen kann. b) Beihilferecht als Grenze für die hoheitliche Normsetzung Die wettbewerbsrechtlichen Beihilfevorschriften könnten im Kontext von Sonderregelungen Relevanz entfalten. Diese adressieren allerdings nur Wettbewerbsverfälschungen, die durch das Verhalten von Mitgliedstaaten, nicht jedoch durch private Maßnahmen hervorgerufen werden.430 Mittels Sonderregelungen und privilegierenden Zutrittsregularien kann einzelnen Akteuren und Technologien ein erleichterter Marktzutritt gewährt werden. Solche begünstigenden Regelwerke sind grundsätzlich geeignet, eine – vom Regulierer oftmals erwünschte  – Bevorteilung einzelner Unternehmenszweige und damit eine Wettbewerbsverfälschung hervorzurufen. Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen können damit möglicherweise eine Beihilfe im Sinne der Art. 107, 108 AEUV darstellen. Ziel des Beihilferechts ist es, dass der Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt nicht durch die mitgliedstaatliche Förderung einzelner Unternehmen oder Produktionszweige verzerrt wird und dass Wettbewerbsvorteile einzelner Unternehmen, hervorgerufen durch diese staatliche Begünstigung, unterbleiben.431 Beihilfen sind gemäß dem Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verboten, jedoch sehen Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV Legalausnahmen und Ermessenstatbestände für eine fallweise Zulässigkeit von Beihilfen vor.432 Liegen die 430

Wettbewerbsverfälschungen durch privates Verhalten, insbesondere durch Unternehmenshandlungen wie beispielsweise Kartellvereinbarungen oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, werden allein von den wettbewerbsrechtlichen „Vorschriften für Unternehmen“ der Art. 101–Art. 106 AEUV erfasst, Bartosch, EU-Beihilfenrecht, Einleitung Rn. 9. 431 EuGH, Rs. C-127/16 P, ECLI:EU:C:2018:165, Rn. 104 – SNCF Mobilités / Kommission; EuGH, Rs. C-357/14 P, ECLI:EU:C:2015:642, Rn. 111 – Electrabel und Dunamenti Erőmű / ​ Kommission; Guarrata / Wagner, NZBau 8/2018, 443–449 (443). 432 Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 107 AEUV Rn. 1.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beihilfe vor, entscheidet die Kommission im Rahmen des Notifizierungsverfahrens gemäß Art. 108 AEUV über die Konformität mit dem Binnenmarkt (präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt).433 Falls Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen unter den Begriff der Beihilfe fallen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage der Rechtfertigung im Rahmen des Notifizierungsverfahrens.434 aa) Voraussetzungen einer Beihilfe Der Beihilfebegriff sowie die Voraussetzungen einer Beihilfe sind in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthalten. Demnach sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale werden von der Kommission in der Bekanntmachung zum Begriff der Beihilfe435 aufgeschlüsselt: Gewährung eines Vorteils, Zurechenbarkeit der Maßnahme an den Staat, Finanzierung der Maßnahme aus staatlichen Mitteln, Vorliegen eines Unternehmens, Selektivität der Maßnahme sowie Auswirkungen der Maßnahme auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten.436 Die Gewährung eines Vorteils liegt vor, wenn die staatliche Maßnahme für das Unternehmen eine wirtschaftliche Begünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.437 Diese Begünstigung muss unmittelbar aus staatlichen Mitteln stammen oder durch eine Maßnahme, die dem Staat zu­rechenbar ist, gewährt werden.438 Darüber hinaus sind nur an „bestimmte Unter­nehmen oder Produktionszweige“ gerichtete Begünstigungen mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Dieses Kriterium der Bestimmtheit (Selektivität) dient zur Abgrenzung einer Beihilfe von der allgemeinen Wirtschaftspolitik, in deren Zusammenhang die staatlichen Fördermaßnahmen unterschiedslos allen Unter-

433

Kühling, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 107 AEUV Rn. 4. Ludwigs, REE 1/2018, 1–13 (5). 435 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2016, Nr. C 262/1. Kritisch hinsichtlich der Kompetenz der Kommission zur Auslegung des Beihilfebegriffs äußert sich Stöbener de Mora, EuZW 18/2016, 685–691 (685). 436 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2016, Nr. C 262/1, Rn. 5. 437 EuGH, Rs. C-39/94, ECLI:EU:C:1996:285, Rn. 60 – SFEI / La Poste; Haucap / Schwalbe, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Einl. Rn. 28. 438 Arhold, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Art. 107 Rn. 239 ff.; Stöbener de Mora, EuZW 18/2016, 685–691 (687). 434

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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nehmen zugutekommen.439 Durch die Begünstigung muss die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung „drohen“, welche sich auf den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr auswirkt und damit den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (Zwischenstaatlichkeitsklausel).440 bb) Beihilferechtliche Prüfung von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Zu untersuchen ist, ob Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen den Tatbestand der Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen. Während das Merkmal der Selektivität bei Sonderregelungen nicht in Frage zu stellen sein dürfte und es oftmals bei Ausnahmevorschriften auch zu (gewünschten) Wettbewerbsverfälschungen kommt, bietet das Tatbestandsmerkmal der „Gewährung eines Vorteils“ besonderen Diskussionsbedarf. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob auch regulatorische Begünstigungen, die nur mittelbar zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens führen, einen begünstigenden „Vorteil“ im Sinne des Beihilferechts darstellen. Gemäß der sogenannten Wirkungsdoktrin bemisst sich das Vorliegen einer Begünstigung allein nach der Wirkung der staatlichen Maßnahme ungeachtet ihrer Gründe oder Ziele.441 Eine Begünstigung liegt dann vor, wenn ein Unternehmen einen geldwerten Vorteil ohne angemessene Gegenleistung empfängt.442 Dabei ist dem Begriff der „Begünstigung“ ein weites Verständnis zugrunde zu legen:443 Nicht nur die positive Leistung eines wirtschaftlichen Vorteils stellt eine Beihilfe dar, sondern ebenfalls die Verringerung oder Befreiung einer normalerweise zu zahlenden Belastung.444 Typischerweise stellt die unmittelbare Zahlung von Geld oder Sachleistungen (Subvention) ohne angemessene Gegenleistung an ein Unternehmen eine positive Leistung dar.445 Neben diesen finanziellen Zuwendungen erfüllen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ebenfalls Befreiungen von wirtschaftlichen Lasten, die Unternehmen üblicherweise ohne Eingreifen des Staa 439

Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1234. Götz, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, H.III. Rn. 84. 441 Arhold, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Art. 107 AEUV Rn. 105. 442 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1209; Arhold, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Art. 107 AEUV Rn. 105. 443 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 166 ff. 444 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2016, Nr. C 262/1, Rn. 68; Bär-Bouyssière, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 107 AEUV Rn. 11; Kreuschitz / Wernicke, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 107 AEUV Rn. 5; Kleine / Sühnel, in: Birnstiel / Bungenberg / Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, § 1 Rn. 89. 445 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3, Rn. 168. 440

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

tes zu tragen hätten, den beihilferechtlichen Tatbestand der „Begünstigung“.446 Als Beispiele für Beihilfen kommen unter anderem Ermäßigungen von Steuern und Abgaben in Betracht, staatliche Bürgschaften ohne marktübliches Bürgschaftsentgelt, die Veräußerung eines staatlichen Grundstücks zu marktunüblichen Preisen und Investitionen in Infrastruktureinrichtungen ohne marktgerechte Gegenleistung.447 Entscheidend für das Vorliegen einer Beihilfe ist somit, dass es sich um eine staatliche Maßnahme handelt, durch die ein Vorteil für das Unternehmen herbeigeführt wird, und dass diese einen wirtschaftlichen Nutzen bewirkt.448 Beihilfen müssen stets unmittelbar oder mittelbar den Staatshaushalt belasten.449 Sonderregelungen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen stellen aus mehreren Gründen grundsätzlich keine Beihilfen dar. Erstens muss eine Beihilfe aus sich selbst heraus zu einer positiven Wirkung auf das Budget des Beihilfeempfängers führen.450 Es findet also ein unmittelbarer oder mittelbarer Übergang staatlicher Mittel auf das begünstigte Unternehmen statt.451 Die bloße staatliche Ermöglichung eines Marktzutritts ist jedoch noch keine beihilfenrechtlich relevante Zuwendung,452 da der Erlass regulatorischer Maßnahmen keine Übertragung staatlicher Mittel darstellt.453 Auch der Abbau rechtlicher Hürden für einen erleichterten Marktzutritt entfaltet aus sich selbst heraus noch keine positive Wirkung auf das Budget des Marktteilnehmers. Erst nach erfolgtem Marktzutritt und eigenen Anstrengungen erfährt dieser gegebenenfalls die ökonomisch positiven Auswirkungen. Zweitens wird aus den verschiedenen Fallgruppen ersichtlich, dass das Tatbestandsmerkmal der „Begünstigung“ stets an einen finanziellen Vorteil anknüpft und gerade nicht an einen „lediglich“ rechtlichen Vorteil im Sinne einer privilegierenden Sonderregelung zugunsten eines erleichterten Marktzutritts. Die Voraussetzung einer finanziellen Komponente wird am Wortlaut des Art. 107 AEUV deutlich, der auf „staatliche oder aus staatlichen Mitteln“ gewährte Beihilfen abstellt. Die Verwendung des Begriffs „Mittel“ zeigt, 446

EuGH, Rs. C-143/99, ECLI:EU:C:2001:598, Rn. 38 – Adria-Wien Pipeline GmbH; EuGH, Rs.  387/92, ECLI:EU:C:1994:100, Rn. 13  – Banco de Credito Industrial; Arhold, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Art. 107 AEUV Rn. 105; Götz, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, H.III. Rn. 74. 447 Vergleiche ausführlich zu den entsprechenden Fallgruppen mit zahlreichen Verweisen auf Entscheidungen des EuGH Heinrich, in: Birnstiel / Bungenberg / Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Rn. 422 ff. 448 Götz, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, H.III. Rn. 74. 449 Ludwigs, in: Ruffert, EnzEuR, Band 5, § 5 Rn. 117; Müller-Graff, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art. 107 AEUV Rn. 17. 450 Sépibus, Die Umweltschutzsubvention im Gemeinschaftsrecht, S. 200; Behlau / Lutz / ​ Schütt, Klimaschutz durch Beihilfen, S. 48; Nicolaides, EStAL 1/2018, 2–18 (3); Mest­ mäcker / Schweitzer, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 3, 5. Auflage, Art. 107 AEUV Rn. 42. 451 EuGH, Rs. C-379/98, ECLI:EU:C:2001:160, Rn. 58 ff. – PreussenElektra. 452 Kleve / Gayger, NVwZ 5/2018, 273–279 (277); EuGH, Rs. C-518/13, ECLI:EU:C:2015:9, Rn. 47 ff. – Eventech. 453 Nicolaides, EStAL 1/2018, 2–18 (3).

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

277

dass stets eine staatliche Maßnahme mit geldwertem Bezug im Raum stehen muss und somit allein der Erlass von staatlichen Regelwerken nicht genügt. Auch die De-Minimis-Verordnung,454 nach der Beihilfen unter 100.000 € für ein einzelnes Unternehmen innerhalb von drei Steuerjahren nicht als Beihilfen im Sinne des Art. 107 AEUV gelten, verdeutlicht, dass bei einer Beihilfe stets ein unmittelbarer finanzieller Wert erforderlich ist. Ebenso zeigt der Private-Investor-Test, mittels dessen geprüft wird, ob der Kapitelfluss eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers unter gleichen Bedingungen stattgefunden hätte,455 die Erforderlichkeit einer unmittelbaren finanziellen Komponente. Drittens ist das Vorliegen einer Begünstigung an den Empfang eines geldwerten Vorteils ohne angemessene Gegenleistung gebunden456 – bei rein regulatorischen Vorteilen besteht jedoch kein marktgerechter Gegenwert für die Leistung. Im Gegenteil: Würde ein Akteur eine finanzielle Gegenleistung für das Tätigwerden des Hoheitsträgers zahlen, bestünde die Gefahr, den strafrechtlichen Tatbestand der Bestechung (§ 334 StGB457) zu erfüllen. Diese strafrechtliche Sanktion zeigt, dass für regulatorisches Tätigwerden gerade keine Gegenleistung gezahlt werden darf, weshalb dieses nicht in den Anwendungsbereich des Beihilfetatbestands fallen kann. Es ist dabei unschädlich, dass eine Begünstigung, die „lediglich“ eine regulatorische Privilegierung hinsichtlich des Marktzutritts enthält und nicht an finanzielle Komponenten anknüpft, einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für ausgewählte Marktteilnehmer bewirkt. Zwar können grundsätzlich auch mittelbare Begünstigungen vom Beihilfebegriff umfasst sein. Diese betreffen jedoch Konstellationen, in denen die staatlichen Mittel nicht unmittelbar an den Begünstigten, sondern an einen Dritten fließen, sodass das begünstigte Unternehmen mittelbar von der Unterstützung profitiert. Eine mittelbare Begünstigung eines Unternehmens liegt beispielsweise dann vor, wenn der Absatz eines Produkts durch gezielte finanzielle Zuschüsse an die Verbraucher gesteigert wird.458 Hier zeigt sich, dass auch mittelbare Beihilfen stets an finanzielle und nicht nur an rechtliche Begünstigungen geknüpft sind. Zudem fließen die Vorteile im Fall einer mittelbaren Bei 454

Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. 12. 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Deminimis-Beihilfen, ABl. 2013, Nr. L 352/1. 455 Nach dem sogenannten Private-Investor-Test (market economy investor principle) ist zu prüfen, ob ein hypothetischer privater bzw. marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber dem begünstigten Unternehmen die Mittel unter denselben Bedingungen zur Verfügung gestellt hätte und welchen marktgerechten Gegenwert die Maßnahme hat, Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 107 AEUV Rn. 11 ff.; Nowak, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 3, Art. 107 AEUV Rn. 24. 456 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1209; Arhold, in: Montag / Säcker, Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, Band 3, Art. 107 AEUV Rn. 105. 457 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 11. 1998 (BGBl. I. S. 3322), das zuletzt durch Artikel 47 des Gesetzes vom 21. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3096) geändert worden ist. 458 Kleine / Sühnel, in: Birnstiel / Bungenberg / Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, § 1 Rn. 100.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

hilfe – anders als Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen – nicht an die zu begünstigenden Akteure selbst, sondern an Dritte. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen bereits die Voraussetzungen der Gewährung einer „Begüns­tigung“ nicht erfüllen, sofern es sich nicht um einen finanziellen, sondern um einen rein regulatorischen Vorteil handelt. Sind die Sonderregelungen also nicht an die Gewährung eines finanziellen Werts aus staatlichen Mitteln geknüpft, sondern nur auf eine Förderung der Marktteilnahme ausgelegt, handelt es sich tatbestandlich nicht um eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. cc) Bedeutung für den Regelreservemarkt Dieses Ergebnis kann auf die Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen des Regelreservemarkts übertragen werden. Die bestehenden Sonder­ regelungen des Präqualifikations- und Ausschreibungsverfahrens für Windenergieanlagen und Anlagen mit begrenztem Energiespeicher sind nicht mit finanziellen Vergünstigungen verknüpft, sondern stellen rein rechtliche Regelungen für einen erleichterten Marktzutritt dar. Hierdurch werden weder unmittelbare noch mittelbare Begünstigungen gewährt, da es sich nicht um einen finanziellen Zufluss oder eine Minderung von Belastungen aus staatlichen Mitteln handelt. Mangels Vorliegens des Tatbestandsmerkmals „Begünstigung“ stellen die Regelungen des Regelreservemarkts keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Insofern setzt das Beihilferecht keine Grenze für den Erlass von Sonderregelungen im Regelreservemarkt. Eine Notifizierung der Regelungen bei der Europäischen Kommission gemäß Art. 108 AEUV ist somit nicht erforderlich. 4. Zwischenergebnis: Primärrechtliche Grenzen Beim Erlass von Sonderregelungen sind die primärrechtlichen Grenzen einzuhalten. In diesem Zusammenhang setzt der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 20 GRCh grundsätzlich Schranken beim Erlass von Sonderregelungen, allerdings nur für Unionsorgane und für Mitgliedstaaten, sofern sie Unionsrecht durchführen; die privaten ÜNB sind hingegen beim Erlass der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen nicht an die Grundrechte-Charta gebunden. Beim aktuellen Design des Regelreservemarkts findet Art. 20 GRCh keine Anwendung, da die Regelungen ausschließlich von den nicht grundrechtlich gebundenen ÜNB erlassen werden. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV ist im aktuellen Ausschreibungsdesign des Regelreservemarkts ebenfalls nicht erkennbar. Das auch auf den Regelreservemarkt grundsätzlich anwendbare europäische Wettbewerbsrecht ist im Bereich des Kartellverbots nicht einschlägig, da es sich um wettbewerbsfördernde Sonder­

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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regelungen handelt. Das Missbrauchsverbot schützt vor Sonderregelungen, die zu einer unzulässigen Marktverschließung führen. Das Beihilferecht ist nur dann einschlägig, wenn die regulatorischen Begünstigungen mit finanziellen Vorteilen verknüpft sind. Sehen die staatlichen Regelwerke jedoch „lediglich“ – wie beim Regelreservemarkt – eine regulatorische Förderung der Marktteilnahme durch den Abbau von Marktzutrittshemmnissen vor, handelt es sich tatbestandlich nicht um eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.

II. Verfassungsrechtliche Grenzen im Kontext von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Werden Sonderregelungen für einzelne Technologien und Akteure erlassen, sind neben den primärrechtlichen ebenso die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten. Auch hier gilt jedoch, dass nicht alle Vorgaben für alle Normgeber bindend sind. Im Folgenden wird zunächst der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG im Kontext von Sonderregelungen (1.) und anschließend das Verbot von Einzelfallgesetzen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG (2.) untersucht. 1. Gleichheitsrechtliche Aspekte bezüglich Sonderregelungen Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG schützt vor ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlungen (b)), allerdings nur, sofern die eingreifende Maßnahme von einem grundrechtsverpflichteten Organ ausgeht (a)). Angesichts der eingeschränkten Bindungswirkung ist zu untersuchen, inwieweit der Gleichheitsgrundsatz für den Erlass von Sonderregelungen auf dem Regelreservemarkt Relevanz entfaltet (c)). a) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Wie bereits dargestellt459 sind gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die nationalen Organe die Adressaten der Grundrechte, wodurch unter anderem der Gesetzgeber sowie der Verordnungsgeber beim Erlass von Sonderregelungen an den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Auch die Beschlüsse der Bundesnetzagentur müssen sich innerhalb der Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG bewegen. Dabei sind die nationalen Grundrechte bei unionsrechtlich nicht vollständig determinierten Sachverhalten – wie dem Regelreservemarkt – neben den Unionsgrundrechten der EU-Grundrechte-Charta anwendbar.460 Keine unmittelbare Bindungswirkung

459 460

Vergleiche Teil 5 A. II. 1. a). Vergleiche Teil 5 A. II. 1. b).

280

Teil 5: Höherrangige Grenzen 

hingegen entfalten die Grundrechte des Grundgesetzes für Unionsorgane. Auch Private sind grundsätzlich nicht an die Grundrechte gebunden, wie das BVerfG ausdrücklich zu Art. 3 Abs. 1 GG in der Stadion-Entscheidung bestätigt hat,461 es sei denn, sie werden von der inländischen öffentlichen Hand beherrscht.462 Da der am Erlass der Präqualifikationsbedingungen beteiligte ÜNB TransnetBW GmbH über den Mutterkonzern zu nahezu 100 % im deutschen Staatseigentum steht, ist er an die Grundrechte und mithin an den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist.463 b) Verbot der ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlung Gemäß dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz darf der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nicht wesentlich Gleiches ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandeln und entsprechend wesentlich Ungleiches nicht gleich.464 Je nach Sachverhalt sieht der Gleichheitsgrundsatz somit eine Gleichbehandlung („allen das Gleiche“) oder auch das Gegenteil – eine Ungleichbehandlung („jedem das Seine“) – vor.465 Somit kann eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sowohl durch eine fehlende als auch durch eine bestehende Sonderregelung hervorgerufen werden. Der Erlass von Ausnahmevorschriften stellt folglich stets einen Balanceakt dar zwischen der Erforderlichkeit einer Sonderregelung zur Behebung einer ungerechtfertigten Gleichbehandlung und der Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung mangels Rechtfertigung der differenzierenden Behandlung. Jedoch betont das BVerfG stets, dass der Gesetzgeber im Rahmen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nicht die „gerechteste und zweckmäßigste“ Regelung treffen muss, sondern ihm angesichts der Vielfalt und Komplexität der zu regelnden Lebenssachverhalte ein weitreichender Gestaltungsspielraum zukommt.466 Dem Gleichheitsgrundsatz ist in zweierlei Dimensionen Rechnung zu tragen: Werden einerseits Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen als einheitliche Bestimmungen für alle Marktteilnehmer bzw. Marktgüter erlassen, so sehen diese die gleiche Rechtsfolge für alle erfassten Fälle vor, obwohl der Bewertung unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen können.467 Dies stellt eine rechtliche Gleichbehandlung eines ungleichen Sachverhalts dar, für die es

461

BVerfGE 148, 267 (280). Vergleiche zur mittelbaren Wirkung der Grundrechte Teil 5 C. I. Vergleiche zur Grundrechtsbindung Privater Teil 5 A. II. 1. a). 463 Vergleiche zur Grundrechtsbindung der deutschen ÜNB Teil 5 A. II. 1. a). 464 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, siehe unter anderem BVerfGE 4, 144 (155); BVerfGE 86, 81 (87); BVerfGE 101, 275 (290). 465 Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 6. 466 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, siehe unter anderem BVerfGE 3, 162 (182); Heun, in: Dreier, GG, Band I, Art. 3 Rn. 52. 467 Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 2. 462

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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gemäß Art. 3 Abs. 1 GG einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird allerdings nicht verlangt, „unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt.“468 Andererseits bedeutet der Erlass von Sonderregeln eine – je nach Sachverhalt und Konstellation gerechtfertigte – Ungleichbehandlung derjenigen Marktakteure, die von den Sonderregelungen betroffen sind, gegenüber den übrigen Marktakteuren. Der allgemeine Gleichheitssatz erfordert jedoch nicht, dass jeder Sachverhalt möglichst individuell erfasst wird, sondern lässt auch im Rahmen der Vereinheit­ lichung gewisser Lebenssachverhalte ebenso Typisierungen und Pauschalisierungen zu.469 Eine solche Typisierung geht zwar zu einem gewissen Grad zu Lasten der Rechtsgleichheit, dient jedoch der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, da komplexe Regel-Ausnahme-Verhältnisse reduziert werden. Welche abstrakten Maßstäbe an die Rechtfertigung der Ungleich- bzw. Gleichbehandlung zu stellen sind, anhand derer die konkrete Ungleichbehandlung im Hinblick auf die spezifischen Umstände geprüft wird, unterlag in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einigem Wandel.470 Zunächst bewertete das BVerfG die Rechtfertigung allein anhand des Willkürverbots, also danach, ob „sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht mehr finden lässt“,471 und zog sich auf eine reine Evidenzkontrolle zurück.472 Seit 1980 differenzierte es dann im Rahmen der sogenannten Neuen Formel zwischen personenbezogenen (Un-)Gleichbehandlungen einerseits und sachverhalts- und verhaltensbezogenen (Un-)Gleichbehandlungen andererseits, wobei letztere weiterhin der Willkürprüfung unterworfen waren, personenbezogene Differenzierungen jedoch nur noch im Rahmen eines strengeren, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Maßstabs gerechtfertigt waren.473 Während das BVerfG in der Transsexuellen-Entscheidung474 Modifikationen der neuen Formel vorgenommen hat,475 hob es diese letztendlich mit der BAföG-Entscheidung476 im Jahr 2011 ganz auf und stellte einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnis-

468

BVerfGE 90, 226 (239) mit Verweis auf weitere Urteile. Wollenschläger, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 3 Rn. 201. 470 Britz, NJW 6/2014, 346–351 (346). 471 BVerfG 1, 14 (52); BVerfGE 3, 162 (182); BVerfGE 12, 341 (348); BVerfGE 36, 174 (187); BVerfGE 61, 138 (147); BVerfGE 68, 237 (250). 472 Kirchhof, in: Maunz / Dürig, GG Band I, Art. 3 Abs. 1 Rn. 265. 473 BVerfGE 55, 72 (88 f.); BVerfGE 70, 230 (239 f.); BVerfGE 74, 9 (24); BVerfGE 86, 59 (62 f.); BVerfGE 126, 400 (417). 474 BVerfGE 88, 87. 475 BVerfGE 88, 87 (96). 476 BVerfGE 129, 49. 469

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

mäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab auf.477 Dieser gilt bis heute im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung von (Un-)Gleichbehandlungen. c) Bedeutung für den Regelreservemarkt Das Verbot der (Un-)Gleichbehandlung bindet nur diejenigen Steuerungssubjekte des Regelreservemarkts, die Verpflichtungsadressaten der Grundrechte sind. Der am Erlass der Sonderregelungen beteiligte ÜNB TransnetBW GmbH ist wie soeben dargestellt aufgrund seiner staatlichen Beherrschung an das Grundgesetz gebunden. Daher sind die Sonderregelungen für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher und für Windenergieanlagen, welche als Teil der von den ÜNB verabschiedeten Präqualifikationsbedingungen erlassen wurden, am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes zu messen, obwohl sie privatrechtlicher Natur sind. Für Anlagen mit begrenztem Energiespeicher und für Windenergieanlagen wurden Sondervorschriften bezüglich der Erbringung von Regelreserve erlassen, um die aufgrund technischer Besonderheiten bestehenden regulatorischen Markthemmnisse im Regelreservemarkt abzubauen. Für diese im Vergleich noch neueren Technologien auf dem Regelreservemarkt waren spezifische Anpassungen des Marktdesigns nötig, um deren Markteintritt zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen.478 So eröffnete sich für Batteriespeicher erst mit der Einführung der Sonderregelungen eine tatsächliche Teilnahmemöglichkeit am Regelreservemarkt, indem diese nicht mehr die 100 %ige Vorhaltung und Erbringung von Primärregelleistung für den gesamten Zeitraum von einer Woche ohne Nachlademöglichkeit garantieren mussten, sondern nur für einen Zeitraum von 30 Minuten (sog. „30-Minuten-Kriterium“), welcher 2019 nochmals auf 15 Minuten verringert wurde.479 Auch im Windbereich ermöglichte insbesondere die Einführung einer für volatile Anlagen geeigneten Nachweismethode der bereitzustellenden Regelarbeit eine erleichterte Marktteilnahme von Windenergieanlagen, indem nun auf die mögliche Einspeisung der Anlage unter Ausnutzung des aktuellen Windangebots anstatt wie bisher auf den angemeldeten „pauschalen Fahrplans“ abgestellt wird.480 Diese regulatorischen Anpassungen verfolgten die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Technologien, indem sie mittels spezifischer Regelungen für einzelne – durch die allgemeinen Vorschriften benachteiligten – Technologien Sondervorschriften schufen. Die rechtliche Ungleichbehandlung bezweckt somit in tatsächlicher Hinsicht die Gewährleistung eines Wettbewerbsumfelds mit gleichen Marktzutrittschancen für alle Marktteilnehmer. Der Erlass von 477 BVerfGE 129, 49 (69); BVerfGE 130, 131 (142); BVerfGE 133, 1 (13); BVerfGE 138, 136 (180). Vergleiche vertiefend zu den Kriterien im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Britz, NJW 6/2014, 346–351 (349 ff.). 478 Vergleiche zu den Sondervorschriften des Regelreservemarkts Teil 2 B. 479 Halbig, ER 6/2020, 238–242 (242). 480 Vergleiche hierzu vertiefend Staake, in: Maslaton, Windenergieanlagen, § 4 Rn. 483.

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

283

Sondervorschriften war auch erforderlich, um dem unmittelbar geltenden Art. 6 Abs. 1 lit. c) EltVO nachzukommen, der einen diskriminierungsfreien Zugang aller Marktteilnehmer zum Regelreservemarkt vorschreibt. Die durch die Sondervorschriften geschaffene Ungleichbehandlung ist somit durch die Behebung verzerrter Wettbewerbschancen gerechtfertigt. 2. Verbot von Einzelfallgesetzen und Sonderregelungen Neben dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist beim Erlass von Sonderregelungen ebenso das Verbot von Einzelfallgesetzen aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen. Für in Gesetzesform erlassene Sonderregelungen stellt das Verbot des Einzelfallgesetzes eine Gratwanderung dar: Die spezifischen Vorschriften sollen zwar nur bestimmte Technologien oder Akteure adressieren, müssen sich aber stets an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. a) Anforderungen aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG Gemäß Art 19 Abs. 1 S. 1 GG muss, soweit nach dem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Der Doppelung im Wortlaut – „allgemein“ und „nicht für den Einzelfall“ – kommt eine redundante Wirkung zu, da ein Gesetz dann allgemein ist, wenn es nicht nur den Einzelfall betrifft.481 Der Anwendungsbereich erstreckt sich nach herrschender Meinung der Literatur nicht nur auf Grundrechte mit ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt, sondern auf alle grundrechtsrelevanten Regelungen, also auch auf die vorbehaltlosen Grundrechte, auch wenn der Wortlaut einschränkender formuliert ist.482 Die Allgemeinheit eines Gesetzes liegt dann vor, wenn dieses eine abstrakt-generelle Regelung enthält, das heißt eine unbestimmte Vielzahl von Fällen regelt und sich an eine Vielzahl von 481

Enders, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 19 Rn. 9; Huber, in: von Mangoldt / ​ Klein / Starck, GG, Band 1, Art. 19 Rn. 47; a. A. deklarierend, im Ergebnis jedoch vergleichbar Hufeld, in: Kahl / Waldhoff / Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 6, Art. 19 Rn. 17. 482 „Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann (…).“ Dreier, in: Dreier, GG, Band I, Art. 19 Rn. 10 f.; Huber, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 1, Art. 19 Rn. 41 ff. Das BVerfG orientiert sich jedoch an dem restriktiveren Wortlaut und stellte 1968 fest: „Art. 19 Abs. 1 GG dient der Sicherung derjenigen Grundrechte, die auf Grund eines speziellen im Grundgesetz enthaltenen Vorbehalts durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden können. Soweit ein solcher Vorbehalt besteht, darf das Gesetz nicht nur für den Einzelfall gelten.“, BVerfGE 24, 367 (396). Offener für eine weitere Auslegung zeigte es sich jedoch bereits im darauffolgenden Jahr in dem Urteil BVerfGE 25, 371 (399).

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Adressaten wendet.483 Im Gegensatz zu einem Verwaltungsakt betrifft es somit mehr als einen Fall, eine Person, einen Ort bzw. einen Gegenstand.484 Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG liegt bei solchen Gesetzen vor, die individuell-konkrete oder individuell-abstrakte Regelungen enthalten, also Rechtsfolgen nur für eine einzige oder mehrere Einzelpersonen bzw. rechtliche Organisationen setzen.485 Unschädlich ist es, wenn die abstrakt-generell formulierte Sonderregel später rein zufällig nur von einer einzigen Person in Anspruch genommen wird.486 Untersagt ist allein, aus einer Reihe gleichartiger Sachverhalte nur einen einzigen Fall herauszugreifen und einer gesetzlichen Regelung zu unterziehen.487 b) Bindungswirkung für Hoheitsträger und ÜNB Das Grundgesetz schreibt vor, dass „Gesetze“ allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten dürfen. Adressat von Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG ist daher allein der Parlamentsgesetzgeber, der im Wege des Gesetzgebungsverfahrens formelle Gesetze erlässt.488 Die Exekutive hingegen ist beim Erlass von Rechtsverordnungen nicht an das Verbot von Einzelfallgesetzen in Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG gebunden. Dies zeigt sich in der differenzierenden Terminologie des Grundgesetzes, welches den Begriff „Rechtsverordnung“ explizit neben dem Begriff des „Gesetzes“ verwendet.489 Diese parallele Nutzung lässt den Willen des Verfassungsgebers erkennen, den Begriffen einen jeweils unterschiedlichen Gehalt beizumessen. Somit sind die in Form von Rechtsverordnungen erlassenen Festlegungen der Bundesnetzagentur490 nicht vom Verbot von Einzelfallgesetzen erfasst. Auch der Unionsgesetzgeber sowie Private sind keine Adressaten von Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG. Eine über das im Grundgesetz vorgesehene Verbot von Einzelfallgesetzen hinausgehende Untersagung lässt sich auch nicht aus anderen Prinzipien wie dem Rechtsstaatsprinzip herleiten.491

483

BVerfGE 99, 367 (400); Ossenbühl, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 100 Rn. 11; Enders, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 19 Rn. 8; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 20. 484 Kirchhof, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band XII, § 267 Rn. 11. 485 Remmert, in: Maunz / Dürig, GG Band III, Art. 19 Abs. 1 Rn. 36. 486 Hufeld, in: Kahl / Waldhoff / Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Band 6, Art. 19 Rn. 148. 487 BVerfGE 85, 360 (374). 488 Enders, in: Epping / Hillgruber, BeckOK GG, Art. 19 Rn. 2; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 14. 489 Vergleiche beispielhaft Art. 82 Abs. 2 GG: „Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen.“ 490 Vergleiche zur Rechtsnatur von Festlegungen der Bundesnetzagentur, insbesondere im Bereich des Regelreservemarkts, Teil 4 B. I. 2. b). 491 BVerfGE 25, 371 (Leitsatz 1).

B. Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen

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c) Bedeutung für den Regelreservemarkt Beim Erlass von gesetzlichen Sonderregelungen durch den Parlamentsgesetzgeber ist das Verbot von Einzelfallgesetzen einzuhalten. Da die Sonderregelungen im Regelreservemarkt jedoch nicht von dem an Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG gebundenen Parlamentsgeber, sondern von den deutschen ÜNB erlassen wurden, bestehen diesbezüglich keine Vorgaben, die beim Erlass der Sonderregeln zu beachten sind. 3. Zwischenergebnis: Verfassungsrechtliche Grenzen Mangels Bindungswirkung für Private zeigt sich, dass weder der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch das Verbot von Einzelfallgesetzen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG den ÜNB für den Erlass der Sonderregelungen Schranken setzen. Da die entsprechenden privatrechtlichen Regelwerke keiner behördlichen Genehmigung bedürfen, scheidet auch über diesen Weg eine verfassungsrechtliche Prüfung aus.

III. Ergebnis: Grenzen beim Erlass von Sonderregelungen Auf dem Regelreservemarkt bestehen Sonderregelungen, das heißt Regelungen, die nicht für alle Marktteilnehmer einheitlich gelten, sondern nur eine spezielle Gruppe von Regelreserveanbietern adressieren. Diese gelten für Windenergieanlagen sowie für Energiespeicher und wurden von den privatrechtlich handelnden ÜNB im Rahmen der Präqualifikationsbedingungen erlassen. Beim Erlass von Sonderregelungen ist grundsätzlich der primär- und verfassungsrechtliche Rahmen einzuhalten. Untersucht wurde das deutsche und das europäische Gleichbehandlungspostulat, das Beihilferecht sowie das Verbot von Einzelfallgesetzen. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 20 GRCh sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG dient dem Schutz der potenziellen und bisherigen Marktteilnehmer vor ungerechtfertigten (Un-)Gleichbehandlungen. Hierbei ist zu berücksichtigten, dass Private nicht unmittelbar an die europäischen und nationalen Grundrechte gebunden sind. Folglich müssen die ÜNB beim Erlass der nicht genehmigungsbedürftigen Sonderregelungen die grundrechtlichen Garantien nicht berücksichtigen. Sonderregelungen, die von Hoheitsträgern erlassen bzw. genehmigt wurden, bestehen auf dem Regelreservemarkt derzeit nicht. Darüber hinaus schützt der spezielle Gleichheitsgrundsatz aus Art. 18 AEUV vor Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Zwar bindet dieser im Gegensatz zu den nationalen und europäischen Grundrechten unter Umständen auch privatrechtlich handelnde Akteure, jedoch sind beim aktuellen Marktdesign des Regelreservemarkts keine rechtlichen oder tatsächlichen Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit ersichtlich.

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Auch das EU-Wettbewerbsrecht setzt beim Erlass von Sonderregelungen durch Private Grenzen. Während das Kartellverbot wettbewerbsbeschränkende Regelungen untersagt, verhindert das Missbrauchsverbot unter anderem, dass marktbeherrschende Unternehmen ihre Machtstellung missbräuchlich auszunutzen und diskriminierende Regelwerke erlassen. Da die ÜNB zur Gestaltung des Regelreservemarkts berechtigt sind, kommt ihnen eine marktbeherrschende Stellung zu, die mit einer besonderen Verantwortung für den Markt einhergeht. Ihr Handeln muss sich somit in den Grenzen des Missbrauchsverbots des Art. 102 AEUV bewegen und sie dürfen insbesondere keine diskriminierenden Regelwerke erlassen. Das Beihilferecht setzt keine Schranken beim Erlass von Sonderregelungen, sofern diese allein eine regulatorische Begünstigung ohne einen hiermit unmittelbar verbundenen finanziellen Vorteil bewirken. Erst mit Bereitstellung eines finanziellen Werts ist das Tatbestandsmerkmal der „Begünstigung“ erfüllt. Die praktische Bedeutung des Verbots von Einzelfallgesetzen aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG für Sonderregelungen ist vernachlässigbar, da dieses nur den Erlass von förmlichen Gesetzen durch den Parlamentsgesetzgeber betrifft.

C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen Wie die vorherigen Ausführungen deutlich zeigen, hat die Übertragung der regulatorischen Befugnisse zur Marktgestaltung auf die ÜNB Einfluss auf die zu berücksichtigenden Rahmenvorgaben. Während die Marktgestaltung bisher durch die Bundesnetzagentur mittels Festlegungen erfolgte, welche als Behörde an das tradierte System des Grundrechte- und Grundfreiheitenschutzes gebunden war, ergeben sich durch die weitgehende Übertragung der Kompetenz auf die ÜNB Verschiebungen hinsichtlich der von den ÜNB einzuhaltenden materiell-rechtlichen Schranken. Das hat folgende Auswirkungen: Einerseits entfalten viele materiell-rechtlichen Anforderungen keine Bindungswirkung für die privaten ÜNB mit Ausnahme der jedenfalls mehrheitlich im (inländischen) Staatseigentum stehenden ÜNB (I.), andererseits jedoch finden durch das private Handeln auch teilweise zusätzliche Grenzen Anwendung (II.).

I. Einerseits keine Bindungswirkung vieler materiell-rechtlicher Grenzen Zum einen entfalten eine Vielzahl der materiell-rechtlichen Grenzen nur Bindungswirkung für Hoheitsträger, grundsätzlich nicht jedoch für private Akteure, weshalb die ÜNB – mit Ausnahme der jedenfalls mehrheitlich im (inländischen) Staatseigentum stehenden ÜNB – beim Erlass der Regelungen zur Marktgestaltung

C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung 

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im Gegensatz zur ursprünglich diese Aufgabe ausfüllenden Bundesnetzagentur nicht an diese Vorgaben gebunden sind. Insbesondere sind die ÜNB grundsätzlich keine Verpflichtungsadressaten der im Grundgesetz und in der EU-GrundrechteCharta festgeschriebenen Grundrechte, wobei deren staatliche Beherrschung teilweise zu einer Grundrechtsbindung führen kann.492 Die fehlende unmittelbare Bindung Privater an die Grundrechte bedeutet jedoch keinen rechtsfreien Raum für das Handeln der ÜNB. Vielmehr kommt den Grundrechten eine mittelbare Drittwirkung zu. Im Lüth-Fall493 des BVerfG stellte dieses fest, dass die Grundrechte des Grundgesetzes eine „objektive Werteordnung aufgerichtet“ haben, welche „für alle Bereiche des Rechts“ gilt und damit auch auf das einfache Gesetz ausstrahlt; dieses muss somit im Lichte der Grundrechte ausgelegt werden.494 Indem die nationalen Grundrechte auf das für Private verbindliche einfache Recht zum Beispiel durch Generalklauseln ausstrahlen, kommt es folglich zu einer mittelbaren Drittwirkung auch in Privatrechtsverhältnissen.495 Auch die Unionsgrundrechte der EU-Grundrechte-Charta strahlen sowohl nach der Rechtsprechung des EuGH496 als auch nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG497 auf das einfache nationale sowie das Sekundärrecht aus, wodurch dieses im Lichte der Unionsgrundrechte auszulegen ist. Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorgaben des Regelreservemarkts findet sich unter anderem in den unionsrechtlich und national verankerten Generalklauseln der „Diskriminierungsfreiheit“498 wieder 492 Nach der hier vertretenen Ansicht entfaltet die Warenverkehrsfreiheit bereits eine unmittelbare Wirkung für intermediäre Gewalten, also kollektiv handelnde Private, weshalb die mittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten hier nicht im Fokus steht, vergleiche zur mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten unter anderem Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, 372 ff.; Ludwigs / Weidermann, Jura 2/2014, 152–165 (152). 493 BVerfGE 7, 198. 494 BVerfGE 7, 198 (205); Wall / Wagner, JA 10/2011, 734–740 (737). Dies gilt gleichermaßen für Freiheits- und Gleichheitsrechte, BVerfGE 148, 267 (280 f.). 495 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 261–336 (303); Rüfner, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 197 Rn. 91. 496 EuGH, Rs. C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54, Rn. 68  – Promusicae; EuGH, Rs. 179/11, ECLI:​EU:C:2012:594, Rn. 42 – Cimade und GISTI; EuGH, Rs. C-426/11, ECLI:EU:C:2013:52; Rn. 30 – Alemo Herron; EuGH, Rs. C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317, Rn. 68 – Google Spain, wobei der EuGH jeweils eine Bezeichnung als Drittwirkung unterlässt. Insgesamt beobachten Teile des Schrifttums darüber hinaus eine Tendenz des EuGH, die unmittelbare Wirkung der Unionsgrundrechte auch auf Private auszuweiten, Ruffert, JuS 1/2020, 1–6; Kainer, NZA 14/2018, 894–900. 497 BVerfG, EuZW 2019, 1035 (1043 Rn. 97). Dabei lehnt das BVerfG zwar eine mittelbare Drittwirkung, wie sie das deutsche Recht kennt, ab, anerkennt jedoch, dass den Unionsgrundrechten für das Verhältnis zwischen Privaten im Ergebnis eine ähnliche Wirkung zukommt und diese in das Privatrecht hineinwirken können. 498 Vergleiche hierzu in den europäischen Kommissionsleitlinien Art. 40 Abs. 4 lit. a) EltRL 2019, Art. 6 Abs. 1 und 8 EltVO, Art. 3 Abs. 1 lit. a) und Abs. 2 lit. a) Guideline on Electricity Balancing und Art. 4 Abs. 2 lit. a) Guideline on System Operation; auf nationaler Ebene ist die Diskriminierungsfreiheit in § 22 Abs. 2 S. 1 EnWG verankert.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

und der europäischen Verpflichtung, die technischen Fähigkeiten der einzelnen Regelreserveanbieter zu berücksichtigten.499 Auch der hoheitliche Genehmigungsvorbehalt dient der Sicherung der Grundrechte. Bei der Durchführung der behördlichen Genehmigung der abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB erfolgt zunächst eine Überprüfung der Einhaltung der einfachgesetzlichen Anforderungen der in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Elec­ tricity Balancing und der Guideline on System Operation.500 In diesem Rahmen prüft die an die Grundrechte gebundene Bundesnetzagentur jedoch auch, ob eine zulässige Ausführung der Generalklauseln mit hinreichender Berücksichtigung der für die ÜNB mittelbar wirkenden Grundrechte erfolgt ist. Im Kontext der Normsetzung Privater zeigt sich auch die Tragweite der hoheitlichen Schutzpflichten. Es ist die Aufgabe des Staates, Handlungen und Unterlassungen von Privaten, die eine Gefährdung oder Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern Dritter darstellen, im Rahmen der Schutzpflichten zu unterbinden.501 Die Grundrechte schützen somit nicht nur als Abwehrrecht vor staatlichen Eingriffen, sondern gleichzeitig im Rahmen der Schutzpflichten auch gegenüber Verletzungen von Seiten Privater.502 In diesem Zusammenhang kommt sowohl den nationalen als auch den europäischen Grundrechten eine Schutzpflichtendimension zu.503 Überträgt der Staat bzw. die Europäische Union die Befugnis zur Marktgestaltung auf Private, so müssen sich die Grundrechte stets in den einfachgesetzlichen Rahmengesetzen der regulierten Selbstregulierung niederschlagen und hinreichende Vorgaben zum Schutz der Marktteilnehmer enthalten.504 Dadurch wird die fehlende unmittelbare Bindung Privater an die Verfassung durch den Gesetzgeber im Rahmen der Regulierung kompensiert, mit dem Ziel, der staatlichen Gewährleistungsverantwortung zum Schutz der Verfassungsgüter gerecht zu werden.505 Der Gesetzgeber stellt sich somit durch den Erlass von Rechtsakten schützend vor die Rechte Dritter.506 Nur so kann durch die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfachgesetzliche Recht die hoheitliche Schutzpflicht bei der Übertragung der Befugnisse zur Normsetzung gewährleistet werden. Kommen zur Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht mehrere Umsetzungsmöglichkeiten in Betracht, steht nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Gesetzgeber hinsichtlich Maß und 499

Vergleiche Art. 6 Abs. 1 lit. a) und c) EltVO. Vergleiche in allgemeiner Formulierung Maurer / Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 52. 501 Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 96. 502 Makowski, Kartellrechtliche Grenzen der Selbstregulierung, S. 30. 503 Vergleiche hierzu vertiefend Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht; Suerbaum, EuR 3/2003, 390–416. 504 Vergleiche zum Konzept der regulierten Selbstregulierung Teil 4 B. III. 505 Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, S. 259; Stockhaus, Regulierte Selbstregulierung im europäischen Chemikalienrecht, S. 105. 506 Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 151. 500

C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung 

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Umfang der zu ergreifenden Maßnahme ein großer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.507 Dabei ist der Maßstab der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten an der Figur des Untermaßverbots zu messen.508 In diesem Zusammenhang ist aufgrund der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und dem Gewaltenteilungsgrundsatz die gerichtliche Kontrolldichte auf evidente Rechtsverletzungen beschränkt (sogenannte Evidenzformel).509 Auch durch Verankerung einer letztinstanzlichen Kontrollmöglichkeit in Form einer behördlichen Genehmigung kann der Staat seinen grundrechtlichen Schutzpflichten, die eine Schädigung und Grundrechtsverletzung von Dritten verhindern sollen, gerecht werden.510 Durch die Genehmigung steht eine hoheitliche Kontrollinstanz zur Verfügung, die ihrerseits an die Grundrechte gebunden ist. Im Rahmen des Regelreservemarkts kommt diese Letztverantwortung in der Regel der Bundesnetzagentur zu, die die Genehmigungsvoraussetzungen und damit die Einhaltung der einfachgesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung der Schutzpflichten prüft. Das Genehmigungserfordernis dient somit ebenfalls dem Schutz der Marktteilnehmer vor einem grundrechtswidrigen Verhalten der ÜNB. Sofern jedoch gemäß den entsprechenden Kommissionsleitlinien keine Genehmigung der abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB durch die zuständige Regulierungs­behörde erforderlich ist,511 zeichnet sich ein kritikwürdiges Bild mit ungenügendem Grundrechtsschutz ab. Die Kompetenzverschiebungen auf die ÜNB sind nämlich insbesondere dann folgenreich, wenn die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB keiner Genehmigung der zuständigen Regulierungsbehörde bedürfen. In den Bereichen, die nicht von der Genehmigungspflicht der Art. 5 Guideline on Electricity Balancing und Art. 6 Guideline on System Operation umfasst sind, können die ÜNB private Regelwerke ohne hoheitliche Kontrolle erlassen. Ist eine hoheitliche Genehmigung nicht erforderlich, unterliegen die privaten Akteure letztlich nur einer sehr eingeschränkten hoheitlichen Kontrolle. In diesem Fall bleibt für betroffene Marktakteure lediglich die Möglichkeit, behördlichen oder gerichtlichen Rechtsschutz gegen die privaten Regelwerke zu suchen, um die mangelhafte Ausführung der unionsrechtlichen Vorgaben sowie inzidente Grundrechtsverletzungen zu rügen.512 Fehlt es an einem hoheitlichen Genehmigungsvorbehalt, besteht keine Letztent 507 BVerfGE 39, 1 (44 f.); BVerfGE 46, 160 (164 f.); BVerfGE 96, 56 (64 f.); BVerfGE 142, 313 (336); Scherzberg / Mayer, JA 1/2004, 51–53 (52). 508 BVerfGE 88, 203 (254); BVerfGE 88, 303 (309); Isensee, in: Isensee / K irchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IX, § 191 Rn. 292; Sommermann, in: von Mangoldt / K lein / Starck, GG, Band 2, Art. 20 Rn. 319; Klein, JuS 11/2006, 960 (961). 509 BVerfGE 56, 54 (80); BVerfGE 88, 303 (333); BVerfGE 142, 313 (336 f.); Klein, JuS 11/2006, 960–964 (961). 510 Schmidt-Preuß, in: VVDStRL, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, Heft 56, S. 160–234 (172). 511 Die Genehmigung ist in Art. 5 Guideline on Electricity Balancing bzw. Art. 6 Guideline on System Operation geregelt. 512 Vergleiche zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen private Regelwerke Teil 6 B.

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Teil 5: Höherrangige Grenzen 

scheidungskompetenz der als Hoheitsträger an das höherrangige Recht gebundenen Behörde, durch die im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Einhaltung der tradierten Schranken gewährleistet wird. Insofern muss die Ausgestaltung der regulierten Selbstregulierung im Regelreservemarkt nachgebessert werden, indem der Genehmigungsvorbehalt auf alle (wesentlichen) Ausführungsakte der ÜNB ausgeweitet wird.513

II. Andererseits Inbezugnahme zusätzlicher Grenzen Neben der fehlenden unmittelbaren Grundrechtsbindung Privater findet jedoch zeitgleich eine Inbezugnahme zusätzlicher Grenzen bei der privaten Normsetzung statt. Folge hiervon ist, dass die privaten Regulierer im Gegensatz zur hoheitlichen Regulierung einem erweiterten Kreis von Schranken unterliegen. Durch die Übertragung der Kompetenz zur Marktgestaltung auf die ÜNB kann es folglich dazu kommen, dass diese an andere Schranken als die ursprünglich diese Aufgabe ausfüllende Bundesnetzagentur gebunden sind. Dies gilt insbesondere für das EU-Wettbewerbsrecht, das bei einer allein hoheitlichen Marktgestaltung keine unmittelbare Anwendung findet, jedoch bei der Normsetzung durch private Unternehmen einzuhaltende Vorgaben aufgibt. Insbesondere bei privaten Regelwerken, die eine Genehmigung der an höherrangiges Recht gebundenen Regulierungsbehörde erfordern, ist in der Summe ein Plus an einzuhaltenden Grenzen zu verzeichnen: Es müssen einerseits die ÜNB bei der Ausarbeitung der privaten Regelwerke die für Private unmittelbar geltenden Schranken – also auch das EU-Wettbewerbsrecht – einhalten. Andererseits finden im Genehmigungsverfahren durch die Bundesnetzagentur zusätzlich die Anforderungen an hoheitliche Akteure Anwendung wie beispielsweise die europäischen und nationalen Grundrechte. In einer rein formalen Betrachtungsweise ergibt sich somit im Kontext der regulierten Selbstregulierung anders als bei einer rein imperativen Regulierung sogar ein erweiterter Schutz der betroffenen Marktteilnehmer, da zusätzlich die Wettbewerbsvorschriften als Grenzen zu betrachten sind. Ob die Schranken der Art. 101 und 102 AEUV jedoch auch materiell-rechtlich einen erweiterten Schutz der Marktteilnehmer vor beeinträchtigendem Verhalten bedeuten, ist stets anhand des Einzelfalls zu beurteilen.

513

Vergleiche zum Nachbesserungsbedarf Teil 4 B. III. 2. d).

C. Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung 

291

III. Ergebnis: Auswirkungen der regulierten Selbstregulierung auf die einzuhaltenden Grenzen Zusammenfassend zeigt sich, dass die teilweise Übertragung der Marktgestaltung auf Private einen erheblichen Einfluss auf die einzuhaltenden Grenzen hat. Zwar sind die privaten ÜNB bei Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke nicht unmittelbar an die nationalen und europäischen Grundrechte gebunden, infolge deren Ausstrahlungswirkung auf die einfachgesetzlichen Anforderungen auf der einen Seite sowie der teilweise erforderlichen behördlichen Genehmigung der Bundesnetzagentur im Rahmen der staatlichen Schutzpflichten auf der anderen Seite besteht jedoch eine starke mittelbare Bindung an die Grundrechte. Durch diese doppelte Rückkoppelung an die Grundrechte wird im Rahmen der regulierten Selbstregulierung sichergestellt, dass trotz Verlagerung der Normsetzung auf Private ein hinreichender Grundrechteschutz Dritter gewährleistet wird. Schutzlücken bestehen jedoch in den Fällen ohne Genehmigungsvorbehalt. In einer formalen Betrachtungsweise ist zugleich ein Plus an einzuhaltenden Schranken zu verzeichnen, sofern eine Genehmigung der privaten Regelwerke durch einen an höherrangiges Recht gebundenen Hoheitsträger erforderlich ist. In diesem Fall gelten bei Erlass der privaten Regelwerke die für die private Normsetzung maßgeblichen Anforderungen wie insbesondere das EU-Wettbewerbsrecht, während zudem die für die Genehmigung zuständige Stelle den primär- und verfassungsrechtlichen Rahmen für hoheitliche Akteure wahren muss.

Teil 6

Rechtsschutzmöglichkeiten bezüglich Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen Werden die in Teil 5 dargestellten Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen überschritten, stehen den bisherigen sowie den potenziellen neuen Marktteilnehmern diverse Rechtsschutzmöglichkeiten hiergegen zu. Da der Regelreservemarkt auf einer Vielzahl von hoheitlichen Rechtsakten unterschiedlicher Rechtsqualität, aber auch auf zahlreichen privaten Regelwerken beruht, existiert kein einheitliches Verfahren für den Rechtsschutz der betroffenen Marktteilnehmer. Vielmehr bestehen je nach Norm und Urheber verschiedene Rechtswege und Verfahrensarten. Beim Rechtsschutz gegen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen ist zwischen Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern einerseits (A.) und von privaten Akteuren andererseits (B.) zu differenzieren.

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern Werden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen als hoheitliche Rechtsakte erlassen, so gelten die klassischen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen abstrakt-generelle Hoheitsakte. Aus Gründen des Fokus dieser Arbeit auf abstrakt-generelle Regelwerke wird im Folgenden allein der unmittelbare Rechtsschutz hinsichtlich der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen untersucht. Eine Analyse von Rügen der jeweiligen konkreten Umsetzungs- und Vollzugsakte mit inzidenter Prüfung der zu untersuchenden Vorschriften ist hingegen ausgeklammert. Zunächst wird am Beispiel des Regelreservemarkts der zivilgerichtliche Rechtsschutz gegen die abstrakt-generellen Festlegungen der Bundesnetzagentur beleuchtet (I.), sodann der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz gegen formelle und materielle Gesetze untersucht (II.) und schließlich der unionsrechtliche Individualrechtsschutz gegen europäische Rechtsakte analysiert (III.).

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern 

293

I. Zivilgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Festlegungen der Bundesnetzagentur1 Werden wie bei der Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung mFRR2 die Ausschreibungsbedingungen von der Bundesnetzagentur in Form von Festlegungen erlassen, so können die bisherigen und die potenziellen neuen Marktteilnehmer möglicherweise das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG erheben. Hierzu muss zunächst der Zivilrechtsweg eröffnet sein (1.). Fragen ergeben sich hinsichtlich der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Festlegungen der Bundesnetzagentur (2.) sowie der Beschwerdeberechtigung der Marktteilnehmer (3.). Darüber hinaus besteht Untersuchungsbedarf bezüglich des Umfangs der Beschwerdeentscheidung im Falle der Unwirksamkeit von abstraktgenerellen Regelungen (4.). 1. Eröffnung des Zivilrechtswegs Der Beschwerdeführer muss mit der Beschwerde nach §§ 75 ff. EnWG den Zivilrechtsweg beschreiten. Zwar handelt es sich bei Rügen von behördlichen Maßnahmen in der Regel um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungs­rechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO3, allerdings ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, da § 75 Abs. 4 EnWG eine abdrängende Sonderzuweisung für die Beschwerde nach §§ 75 ff. EnWG vorsieht. Diese ist gemäß § 75 Abs. 1. S. 1 EnWG zulässig gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde. In erster Instanz sind gemäß §§ 75 Abs. 4, 86 S. 1 EnWG die Kartellsenate der Oberlandesgerichte für Streitigkeiten zu energiewirtschaftlichen Fragen zuständig.4 Bei Verfahren mit Beteiligung der Bundesnetzagentur ist dies einheitlich das OLG Düsseldorf, da die Bundesnetzagentur in dessen Gerichtsbezirk ihren Sitz hat.5

1

Die nachfolgenden Ausführungen im Kapitel A. betreffen ausschließlich den Rechtsschutz gegen die abstrakt-generelle Festlegungen der Bundesnetzagentur. Der Rechtsschutz gegen die behördlichen Genehmigungen privater Regelwerke wird unter B. im Rahmen des Rechtsschutzes bezüglich privater Regelwerke behandelt. Vergleiche zur Verwaltungsaktqualität der Genehmigungen privater Regelwerke Teil 4 B. III. 2. c). 2 Vergleiche hierzu Teil 1 D. II. 2. 3 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 03. 1991 (BGBl. I. S. 686), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 03. 12. 2020 (BGBl. I. S. 2694) geändert worden ist. 4 Johanns / Roesen, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 2, § 75 Rn. 2; Schneider, in: Fehling / Ruffert, Regulierungsrecht, § 22 Rn. 6; Kalwa / Göge, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 75 Rn. 5. 5 Hanebeck, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 75 Rn. 17.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

2. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Festlegungen der Bundesnetzagentur Die Beschwerde ist gemäß § 75 Abs. 1 EnWG das statthafte Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur. Hierbei ist zu untersuchen, ob unter den Begriff der „Entscheidungen“ auch in Form von Rechtsverordnungen erlassene Festlegungen, das heißt abstrakt-generelle Maßnahmen der Bundesnetzagentur fallen. a) Beschränkung der Beschwerde auf einzelfallbezogene behördliche Maßnahmen Der BGH und Teile der Literatur legen im Rahmen des § 75 Abs. 1 EnWG dem Begriff „Entscheidung“ ein enges Verständnis zugrunde. Der Begriff umfasse im Rahmen der Beschwerde allein behördliche Maßnahmen, die sich auf den Einzelfall beziehen, also Verwaltungsaktqualität aufweisen. Tauglicher Beschwerdegegenstand seien somit nur Verwaltungsakte, was auch deren Sonderform der Allgemeinverfügungen umfasst.6 Nach diesem Begriffsverständnis würde die Beschwerde nach § 75 Abs. 1 EnWG nur statthaft sein gegen Festlegungen, die in Form von Verwaltungsakten erlassen wurden. Nicht statthaft wäre sie gegen als Rechtsverordnung erlassene Festlegungen. Da die Festlegungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Ausschreibungsverfahrens für Regelreserve wie in Teil 4 erörtert die Rechtsnatur von Rechtsverordnungen aufweisen,7 sind diese nach dem herrschenden Begriffsverständnis keine Entscheidungen im Sinne des § 75 Abs. 1 EnWG. Die Beschwerde ist damit nach dieser Ansicht – entgegen der den Festlegungen beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen8  – kein statthaftes Rechtsmittel gegen die Festlegungen im Regelreservemarkt. b) Rechtsnaturunabhängige Auslegung des Beschwerdegegenstands Nach Ansicht der Verfasserin sind dieser restriktiven Beschränkung auf Verwaltungsakte als tauglichen Beschwerdegegenstand jedoch historische und systematische Argumente entgegenzuhalten, die für eine extensivere Interpretation sprechen und ebenfalls abstrakt-generelle Maßnahmen der Bundesnetzagentur wie

6

BGH, Beschluss vom 19. 06. 2007, Az. KVR 17/06, Rn. 22; Johanns / Roesen, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 2, § 75 Rn. 9; Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 11; Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 29. 7 Vergleiche zur Rechtsnatur von Festlegungen Teil 4 B. I. 2. b). 8 Vergleiche die Rechtsbehelfsbelehrungen der einzelnen Festlegungen, exemplarisch BNetzA, Beschluss BK6-15-158 vom 13. 06. 2017 sowie BNetzA, Beschluss BK6-15-159 vom 13. 06. 2017.

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern 

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Rechtsverordnungen als statthaften Beschwerdegegenstand umfassen. Diese Ansicht entspricht auch der bisherigen Handhabung in der Praxis. Historisch betrachtet agierte die Bundesnetzagentur in energiewirtschaftlichen Fragestellungen überwiegend in der Handlungsform des auf den Einzelfall bezogenen Verwaltungsakts. Zugunsten einer besseren Handhabbarkeit fand jedoch ein Wandel hin zu einem neuen, gebündelten Vorgehen statt und es wurden vermehrt Festlegungen im Sinne des § 29 EnWG erlassen.9 Kennzeichnend für Festlegungen ist, dass im Wege der Standardisierung Vorgaben für eine zum Erlasszeitpunkt noch nicht bestimmbare Vielzahl von Fällen für (teilweise) erst in der Zukunft liegende Sachverhalte getroffen werden.10 Typischerweise betreffen die Festlegungen den Bereich der Methodenregulierung der Netzentgelte in Form von Allgemeinverfügungen,11 sie werden aber inzwischen auch zur abstrakt-generellen Gestaltung eines vollständigen Marktdesigns eingesetzt – wie beim Regelreservemarkt seit 2006 der Fall.12 Die historische Entwicklung der Festlegungen zeigt, dass diese zwar klassischerweise als Ersatz für einzelfallbezogene Verfügungen konzipiert wurden, jedoch keine Beschränkung auf diese Handlungsform vorgeschrieben ist und sie inzwischen auch der abstrakt-generellen Marktgestaltung dienen. Aufgrund dieser Ausweitung auch auf abstrakt-generelle Maßnahmen der Bundesnetzagentur in jüngerer Zeit sprechen Gründe des effektiven Rechtsschutzes dafür, die Beschwerde nicht nur gegen Festlegungen der Regulierungsbehörde mit Verwaltungsaktqualität, sondern ebenfalls gegen in Form von Rechtsverordnungen erlassenen Festlegungen zuzulassen. Auch in systematischer Hinsicht zeigt sich, dass der Gesetzgeber den Begriff „Entscheidung“ im Sinne des EnWG unabhängig von der Rechtsnatur versteht. In § 29 Abs. 1 EnWG („Verfahren zur Festlegung und Genehmigung“) heißt es: „Die Regulierungsbehörde trifft Entscheidungen (…) durch Festlegung (…) oder durch Genehmigung (…)“. Demnach sind Entscheidungen Festlegungen und Genehmigungen; eine Einschränkung auf einzelfallbezogene Festlegungen unter Ausschluss abstrakt-genereller Festlegungen lässt sich § 29 Abs. 1 EnWG nicht entnehmen. Aus systematischer Sicht sind folglich jegliche Festlegungen als „Entscheidungen“ im Sinne des § 29 EnWG zu verstehen, unabhängig davon, ob diese in Form einer konkret-generellen Allgemeinverfügung oder einer abstrakt-generellen Rechts 9

So wurde ursprünglich jedem Netzbetreiber eine Einzelfallgenehmigung über dessen Netzzugangsentgelt ausgestellt, im Laufe der Zeit wurden dann die einzelnen Genehmigungen zur Entlastung der Regulierungsbehörden durch die Methodenregulierung nach § 29 EnWG ersetzt, vergleiche hierzu Teil 4 B. I. 2. b) cc). 10 Schmidt-Preuß, in: Säcker, Energierecht, Band  1 Halbband  1, § 29 Rn. 11; Günther  / ​ Brucker, NVwZ 24/2015, 1735–1739 (1735). 11 Schellberg, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 29 Rn. 5 f. 12 Die Bundesnetzagentur erließ erstmals im Jahr 2006 Festlegungen für ein einheitliches, regelzonenübergreifendes Ausschreibungsverfahren von Minutenreserve, gefolgt von Festlegungen zur regelzonenübergreifenden Ausschreibung von Primär- und Sekundärregelleistung im Jahr 2007, vergleiche hierzu Teil 1 E. I.

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verordnung erlassen wurden. Von der Beschwerde nach § 75 Abs. 1 EnWG sind somit alle Fälle erfasst, in denen das Gesetz selbst von Entscheidungen spricht.13 Zudem sprechen der Sinn und Zweck der Zuweisung des Beschwerdeverfahrens an die Zivilgerichtsbarkeit in § 75 Abs. 4 EnWG für eine rechtsnaturunabhängige Auslegung des Begriffs „Entscheidung“. Die abdrängende Sonderzuweisung zu den Zivilgerichten verfolgt das Ziel, durch den einheitlichen Rechtsweg widersprüchliche Entscheidungen über dieselbe Rechtsfrage durch Verwaltungsgerichte und ordentliche Gerichte auszuschließen.14 Der Gesetzgeber drückt mit der abdrängenden Sonderzuweisung explizit aus, dass alle wettbewerblich geprägten Verfahren des EnWG ausschließlich vor den Zivilgerichten konzentriert werden sollen. Hintergrund hierfür ist, dass das Energierecht eine Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Recht darstellt,15 weshalb grundsätzlich drei unterschiedliche gerichtliche Zuständigkeiten für energiewirtschaftliche Beschwerdeverfahren, für gerichtliche Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten und für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Energiewirtschaftsrecht ergeben, bestehen würden.16 Die ausdrücklich festgelegte Konzentration beim Kartellsenat des OLG Düsseldorf dient der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung der einschlägigen Vorschriften des Energierechts.17 Würde man die Beschwerde auf einzelfallbezogene behördliche Maßnahmen beschränken, so würde dies zu einer Spaltung des Rechtswegs führen: Während gegen Festlegungen der Bundesnetzagentur, die als Allgemeinverfügungen erlassen wurden, die zivilgerichtliche Beschwerde vor dem Kartellsenat des OLG Düsseldorf statthaftes Rechtsmittel wäre, so können Festlegungen in Form von Rechtsverordnungen durch eine Bundesbehörde in unmittelbarer Weise nur vor dem BVerfG gerügt werden.18 Eine solche Aufteilung des Rechtswegs über dieselbe Rechtsfrage, die sich allein anhand der Rechtsnatur der getätigten Maßnahme ergibt, widerspricht jedoch dem Telos des § 75 Abs. 4 EnWG sowie der einheitlichen Rechtsanwendung der energierechtlichen Vorschriften durch die gerichtliche Konzentration und ist daher abzulehnen. Die angeführten Gründe überwiegen auch, dass der Wortlaut einiger weniger prozessrechtlicher Regelungen der Beschwerde wie zum Beispiel § 78 Abs. 1 S. 2 EnWG19 und § 83 Abs. 2 S. 1 EnWG20 eher auf die Spezifika eines Verwaltungsakts einzu 13

So auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. 02. 2009, Az. 202 EnWG 96/07 (PS), Rn. 35; Hanebeck, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 75 Rn. 3. 14 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. 03. 2007, Az. VI-3 Kart 2/07 (V), Rn. 35; Schütte, EnWZ 11/2020, 398–404 (398). 15 Lecheler, NVwZ 1/1995, 8–12 (8). 16 Kresse / Vogl, GewArch Beilage WiVerw 4/2016, 274–297 (275 f.). 17 Kresse / Vogl, GewArch Beilage WiVerw 4/2016, 274–297 (287). 18 Vergleiche zu den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Rechtsverordnungen Teil 6 A. II. 19 „Die Frist beginnt mit der Zustellung [Anmerkung: Hervorhebung durch die Verfasserin] der Entscheidung der Bundesnetzagentur.“ 20 „Hält das Beschwerdegericht die Entscheidung der Regulierungsbehörde für unzulässig oder unbegründet, so hebt es sie auf [Anmerkung: Hervorhebung durch die Verfasserin].“

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gehen scheint, da sich hier noch das inzwischen überholte historische Verständnis von Festlegungen widerspiegelt. Zusammenfassend ergibt es aus der historischen, systematischen und teleologischen Auslegung des Begriffs der Entscheidung, dass die Beschwerde entgegen der bisherigen Ansicht nicht nur gegen einzelfallbezogene Maßnahmen der Bundesnetzagentur statthaft ist, sondern ebenfalls gegen abstrakt-generelle Handlungen wie beispielsweise Rechtsverordnungen.21 Nach der überzeugenderen Ansicht unterfallen somit die als Rechtsverordnung erlassenen Festlegungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Ausschreibungsverfahrens für Regelreserve ebenfalls dem Begriff der „Entscheidung“ im Sinne des § 75 Abs. 1 EnWG. Eine Beschwerde hiergegen ist damit statthaft. 3. Beschwerdebefugnis der Marktteilnehmer Des Weiteren ist die Beschwerdebefugnis der Marktteilnehmer fraglich, da diese in der Regel nicht Adressaten der die Marktzutrittsregeln oder Markt­ modalitätenbestimmungen enthaltenden Festlegung sind. Da die Beschwerde der Sache nach ein verwaltungsgerichtliches Verfahren in zivilrechtlichem Gewand ist,22 konstituieren die §§ 75–88 EnWG eigene prozessrechtliche Regelungen für den Rechtsschutz gegen regulierungsbehördliche Entscheidungen.23 Dies betrifft insbesondere die Beschwerdeberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 EnWG, wonach die Beschwerde nur den am Verfahren vor der Regulierungsbehörde Beteiligten zusteht. Für die Beschwerdebefugnis ist somit allein gemäß dem Gesetzeswortlaut das formale Kriterium der Beteiligung am Verwaltungsverfahren maßgeblich; die bloße Anhörung gemäß § 67 Abs. 2 EnWG genügt nicht.24 Beteiligte am Verfahren vor der Regulierungsbehörde sind nach § 66 Abs. 2 EnWG, wer die Einleitung eines Verfahrens beantragt hat (Nr. 1), die natürlichen und juristischen Personen, gegen die sich das Verfahren richtet, (Nr. 2) und Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Regulierungsbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat, wobei Interessen der Verbraucherzentralen und anderer Verbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, auch dann erheblich berührt werden, wenn sich die Entscheidung auf eine Vielzahl von Verbrauchern auswirkt und dadurch die Interessen der Verbraucher insgesamt erheblich berührt werden (Nr. 3). Verkürzt ausgedrückt sind Verfahrensbeteiligte der Antragsteller, die unmittelbar 21

So auch – wenngleich ohne Begründung – Britz, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 29 Rn. 12. 22 BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186, Rn. 16). 23 Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 1 f.; Kresse / Vogl, GewArch Beilage WiVerw 4/2016, 274–297 (276). 24 Bien, N&R 4/2007, 140–146 (145); Kalwa / Göge, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 75 Rn. 14.

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von der Entscheidung betroffenen natürlichen und juristischen Personen und die Beigeladenen.25 War der Beschwerdeführer nicht beigeladener Dritter im Genehmigungsverfahren, kann ihm dennoch eine Beschwerdeberechtigung zustehen, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung § 75 Abs. 2 EnWG – insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung der Rechtsweggarantie in Art. 19 Abs. 4 GG – die Beschwerdebefugnis nicht abschließend aufzählt.26 In Erweiterung zu § 75 Abs. 2 EnWG liegt eine Beschwerdebefugnis gemäß der Rechtsprechung des BGH auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer im Genehmigungsverfahren zwar keinen Beiladungsantrag gestellt hat, jedoch die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung vorlagen, das heißt, wenn er geltend machen kann, unmittelbar in seinen Rechten und nicht lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen berührt zu sein, da der Verwaltungsakt ihm gegenüber unmittelbare Regelungswirkung entfaltet.27 Ebenfalls ist in erweiterter Auslegung des § 75 Abs. 2 EnWG ein Dritter nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann beschwerdeberechtigt, wenn „in seiner Person die subjektiven Voraussetzungen für eine (einfache) Beiladung vorliegen, sein Antrag auf Beiladung allein aus Gründen der Verfahrensökonomie abgelehnt worden ist und er geltend machen kann, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein“.28 Unter diesen engen Voraussetzungen genügt also eine bloße Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen.29 Darüber hinaus verzichtet der BGH auf das Erfordernis eines Beiladungsantrags, sofern der Dritte von der Durchführung des Verfahrens keine Kenntnis erlangen konnte, da die Entscheidung in der Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht wurde.30 Durch erweiterte Auslegung des BGH wurde das ursprünglich rein formale Kriterium der Beschwerdebefugnis in weiten Teilen entformalisiert.31

25

Johanns / Roesen, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 2, § 75 Rn. 24. BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186, Rn. 14); Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 36. 27 BGH, Beschluss vom 05. 10. 2010, Az. EnVR 52/09, BeckRS 2010, 28381, Rn. 16 ff.; Günther / Brucker, NVwZ 24/2015, 1735–1739 (1737). 28 BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186, Rn. 14). Ebenso Günther / Brucker, NVwZ 24/2015, 1735–1739 (1736). Vor dieser Entscheidung bestanden Überlegungen, ob die vom BGH im pepcom-Beschluss (BGH, Beschluss vom 07. 11. 2006, Az. KVR 37/05, NJW 2007, 607 (608, Rn. 18 ff.)) entwickelten Maßstäbe der Beschwerde­ befugnis in Fusionskontrollverfahren auf energiewirtschaftliche Verfahren übertragen werden können, vergleiche Bien, ZNER 3/2007, 295–299, der sich im Ergebnis gegen eine Übertragbarkeit aufgrund der fusionskontrollrechtlichen Herleitung der Argumente des BGH ausspricht. Vergleiche zur entformalisierenden Wirkung der Beschlüsse des BGH Bien, RdE 10–11/2009, 314–321. 29 Kalwa / Göge, in: Elspas / Grassmann / Rasbach, EnWG, § 75 Rn. 15. 30 BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186, Rn. 16); Bien, RdE 10–11/2009, 314–321 (316 ff.). 31 Bien, RdE 10–11/2009, 314–321 (314 ff.); Schaub-Englert, Rechtsschutz gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte im Regulierungsrecht, S. 167. 26

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Die Beschwerdebefugnis setzt als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung zudem eine Beschwer durch die behördliche Entscheidung voraus.32 Eine formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung im vorangegangenen Regulierungsverfahren hinter dem gestellten Antrag zurückgeblieben ist.33 Darüber hinaus muss nach herrschender Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung zudem eine materielle Beschwer vorliegen, das heißt der Beschwerdeführer muss geltend machen können, durch die Entscheidung in seinen wirtschaftlichen Interessen unmittelbar und individuell betroffen zu sein.34 Eine Behauptung einer subjektiven Rechtsverletzung ist jedoch nicht erforderlich, da ansonsten das rein formale Kriterium der Beschwerdebefugnis unterlaufen würde.35 Im Rahmen von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen sind potenzielle neue Marktteilnehmer in der Regel nicht an den vorangegangen Regulierungsverfahren beteiligt gewesen, da sie sich erst nach dessen Abschluss für einen Markteintritt entschieden haben. Erst mit geplantem Markteintritt sind sie von den Regelungen der Festlegung betroffen. Zu diesem Zeitpunkt sind sie jedoch mangels Beteiligung am bereits stattgefundenen Regulierungsverfahren nicht beschwerdebefugt und können nicht mehr gegen die Festlegungen vorgehen. Auch die vom BGH bewirkte weitgehende Entformalisierung führt in der Regel nicht zu einer Beschwerdebefugnis der potenziell neuen Regelreserve-Marktteilnehmer, da die oben genannten Voraussetzungen selten vorliegen dürften. Eine Beschwerdebefugnis in den Fällen einer notwendigen Beiladung scheidet aus, da die damals noch unbestimmten, späteren neuen Marktteilnehmer in Verfahren gegen die Festlegung der Bundesnetzagentur nicht notwendiger Weise im Sinne des § 65 Abs. 2 VwVfG beizuladen waren. Auch stellten sie in der Regel keinen Beitrag auf einfache Beiladung – welcher aus Gründen der Verfahrensökonomie abgelehnt wurde –, da sie sich zum Verfahrenszeitpunkt noch nicht für einen Markteintritt entschieden hatten. Ebenso dürfte die dritte Variante der Entformalisierung in der Regel nicht einschlägig, da die Verhandlungen gemäß § 85 Abs. 1 EnWG i. V. m. § 169 GVG36 grundsätzlich öffentlich stattfinden. Aufgrund dieser strengen Voraussetzungen bei der Beschwerdebefugnis dürften die Anwendungsfälle des Rechtsschutzinstruments der Beschwerde im Ergebnis wohl überschaubar sein.

32

Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 39. Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 14. 34 BGH, Beschluss vom 14. 10. 2008, Az. EnVR 79/07, BeckRS 2008, 25835, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186, Rn. 14); BGH, Beschluss vom 09. 07. 2019, Az. EnVR 5/18, N&R 2019, 303 (303, Rn. 13); Johanns / Roesen, in: Säcker, Energierecht, Band 1 Halbband 2, § 75 Rn. 35 f.; Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 14; Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 40. 35 Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 14; Hanebeck, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 75 Rn. 7. 36 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09. 05. 1975 (BGBl. I. S. 1077) zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3256) m. W. v. 01. 01. 2021. 33

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

4. Umfang der Beschwerdeentscheidung Sollte es dennoch zu einer zulässigen und begründeten Beschwerde der Marktteilnehmer gegen die Festlegungen kommen, ist der Umfang der Beschwerde­ entscheidung fraglich. Im Erfolgsfall der Beschwerde wird die verfahrensgegenständliche Entscheidung gemäß § 83 Abs. 2 S. 1 EnWG von dem Beschwerdegericht aufgehoben.37 Grundsätzlich gilt dabei, dass die Festlegung nur insoweit aufzu­ heben ist, wie sie Wirkung zwischen den am Gerichtsverfahren Beteiligten entfaltet.38 In der Konsequenz würde dies bedeuten, dass die rechtswidrige Festlegung weiterhin gegenüber denjenigen Marktteilnehmern, die keine Beschwerde eingelegt haben, Bestand hat.39 Im Hinblick auf Verwaltungsakte hat der BGH jedoch eine hiervon abweichende Ausnahme anerkannt, soweit der Verwaltungsakt in persönlicher Hinsicht unteilbar ist. Hierbei kommt es darauf an, ob der Verwaltungsakt von allen Adressaten nur einheitlich befolgt werden kann oder nicht.40 Kann eine Regelung nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn sie für alle Betroffenen gleichermaßen gilt, wird sie im Rahmen der Beschwerdeentscheidung auch im Verhältnis zu allen anderen aufgehoben.41 Zwar bezieht sich diese Rechtsprechung des BGH unmittelbar nur auf den Entscheidungsumfang bei der Aufhebung von Verwaltungsakten, diese Rechtsprechung kann jedoch ebenfalls auf Rechtsverordnungen übertragen werden: Wenn bereits bei einzelfallbezogenen Maßnahmen eine Unteilbarkeit in persönlicher Hinsicht bestehen kann, welche eine einheitliche Anwendung gegenüber allen Betroffenen erforderlich machen, so muss dies erst recht für abstrakt-generelle Regelungen gelten, die eine unbestimmte Anzahl von Fällen betreffen. Die Wirkung gegenüber allen betroffenen Marktteilnehmern lässt sich ebenfalls in systematischer Argumentation mit Blick auf § 47 VwGO bekräftigen, der die prozessualen Vorschriften des Verfahrens zur Kontrolle der in § 47 Abs. 1 genannten Rechtsverordnungen enthält. Auch hier entfaltet die Entscheidungsformel bei Statthaftigkeit des Antrags gemäß § 47 Abs. 5 S. 2 eine Wirkung gegenüber jedermann und nicht allein gegenüber dem Antragsteller, wodurch die streitgegenständliche Rechtsverordnung gegenüber allen Marktteilnehmern unwirksam ist.42 Werden wie im Bereich der Regelreserve die Bedingungen des Ausschreibungsverfahrens durch Festlegungen in Form von Rechtsverordnungen konstituiert, so müssen die Parameter des Marktdesigns sinnvollerweise für alle Marktteilnehmer

37

Hanebeck, in: Britz / Hellermann / Hermes, EnWG, § 83 Rn. 9. Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 43. Speziell im Hinblick auf Verwaltungsakte BGH, Beschluss vom 16. 12. 2014, Az. EnVR 54/13, EnWZ 2015, 180 (181 f., Rn. 25). 39 Boos, in: Danner / Kühling, EnWG, § 75 Rn. 43. 40 BGH, Beschluss vom 16. 12. 2014, Az. EnVR 54/13, EnWZ 2015, 180 (182, Rn. 26); BGH, Beschluss vom 12. 04. 2016, Az. EnVR 25/13, EnWZ 2016, 367 (369, Rn. 40). 41 BGH, Beschluss vom 12. 04. 2016, Az. EnVR 25/13, EnWZ 2016, 367 (369, Rn. 41). 42 Giesberts, in: Posser / Wolff, BeckOK VwGO, § 47 Rn. 83. 38

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einheitlich ausfallen. Anderenfalls würde die Marktgestaltung für die einzelnen Marktteilnehmer unterschiedlich ausfallen und für einige Regelreserveteilnehmer würden jeweils individuelle Ausschreibungsbedingungen gelten. Der Sinn und Zweck der Rechtsprechung des BGH zur Unteilbarkeit von Allgemeinverfügungen ist damit auch auf den vorliegenden Fall der Rechtsverordnungen übertragbar, weshalb die Beschwerdeentscheidung bei Vorliegen einer persönlichen Unteilbarkeit ebenfalls bei Rechtsverordnungen eine Wirkung gegenüber allen Teilnehmern entfaltet.

5. Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Beschwerde nach §§ 75 ff. EnWG als Rechtsschutzinstrument der Marktteilnehmer gegen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen in Form von Festlegungen, die als Rechtsverordnungen erlassen wurden, möglich ist, jedoch hohe Hürden hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen. Die Beschwerde gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur muss aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung in §§ 75 Abs. 4, 86 S. 1 EnWG vor dem Kartellsenat des OLG Düsseldorf erhoben werden. Tauglicher Beschwerdegegenstand sind Entscheidungen der Bundesnetzagentur. Diese umfassen nicht nur Festlegungen mit Verwaltungsaktqualität, sondern ebenfalls Festlegungen, die in Form einer Rechtsverordnung erlassen wurden. Im Rahmen der Beschwerdebefugnis ist gemäß § 72 Abs. 2 EnWG auf das rein formale Kriterium der Verfahrensbeteiligung des Beschwerdeführers am Regulierungsverfahren abzustellen. Dies dürfte insbesondere für potenzielle neue Marktteilnehmer schwierig sein. Im Erfolgsfall der Beschwerde entfaltet die Entscheidung des Beschwerdegerichts ausnahmsweise dann nicht nur gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern gegenüber jedermann Wirkung, wenn die Regelung nur von allen Betroffenen einheitlich befolgt werden kann und eine einheitliche Anwendung gegenüber allen Betroffenen erforderlich ist. Dies dürfte bei als Rechtsverordnung erlassenen Festlegungen in der Regel der Fall sein.

II. Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen formelle und materielle nationale Gesetze Gegen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, die in Form von formellen oder materiellen nationalen Gesetzen erlassen wurden, können sich die Marktteilnehmer möglicherweise auf verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz berufen. Als unmittelbar gegen hoheitliche Rechtsakte gerichtete Rechtsmittel vor dem BVerfG kommen die abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG (1.) und die Rechtssatzverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (2.) in Betracht. Im Referenzfall des Regelreservemarkts kommen als

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

Beschwerdegegenstand das EnWG und die StromNZV als formelle und materielle nationale Gesetze in Betracht.43 1. Abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG Die abstrakte Normenkontrolle ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 6, §§ 76 ff. BVerfGG44 statthaft bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht. Geprüft wird damit in einem objektiven Verfahren die Vereinbarkeit des gerügten nationalen Rechtsakts mit höherrangigem Recht. Prüfungsgegenstand ist das gesamte Bundes- und Landesrecht, mithin nicht nur formelle, sondern auch materielle Gesetze.45 Dies umfasst auch die als Rechtsverordnung erlassenen Festlegungen der Bundesnetzagentur.46 Folglich können diejenigen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, die in Form von formellen oder materiellen nationalen Gesetzen erlassen wurden, im Wege der abstrakten Normenkontrolle auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht hin überprüft werden. Die Verletzung subjektiver Rechte ist im Rahmen des abstrakten Normenkontrollverfahrens angesichts der Ausgestaltung als objektives Beanstandungsverfahren unerheblich.47 Antragsberechtigt zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens sind jedoch gemäß der enumerativen Aufzählung in Art. 93 Abs. Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG nur die Bundesregierung, eine der Landesregierungen oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages. Die von den Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen betroffenen Marktteilnehmer fallen folglich nicht in den Kreis der Antragsberechtigten. Eine Rüge der normativen Rechtsakte im Wege der abstrakten Normenkontrolle durch die bisherigen oder potenziell neuen Marktteilnehmer scheidet daher aus.48 43

Für die ebenfalls als Rechtsverordnung erlassenen Festlegungen der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen gelten aufgrund des spezialgesetzlichen Beschwerdeverfahrens im EnWG die spezielleren Vorgaben der Beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG, vergleiche hierzu Teil 6 A. I. 44 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl.  I. S. 1473), das zuletzt durch Artikel  4 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I. S. 1724) geändert worden ist. 45 Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 93 Rn. 55. 46 Vergleiche zur Rechtsnatur der Festlegungen der Bundesnetzagentur Teil 4 A. I. 2. b). 47 Rozek, in: Maunz, et al., BVerfGG, § 13 Nr. 6 Rn. 10. 48 Unbeschadet dessen können die Marktteilnehmer gegebenenfalls inzident die Überprüfung der normativen Rechtsakte im Wege der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 GG erreichen, sofern die Auslegung der Normen in einem konkreten Rechtsstreit entscheidend ist. Aufgrund des Schwerpunkts auf dem unmittelbaren Rechtsschutz gegen abstrakt-generelle Regelwerke soll an dieser Stelle nicht näher auf das konkrete Normenkontrollverfahren mit Inzidentprüfung der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen eingegangen werden.

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern 

303

2. Rechtssatzverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Denkbar ist es zudem, dass die Marktteilnehmer im Wege der Verfassungsbeschwerde Rechtsschutz gegen die Marktzutrittsregeln und Markmodalitätenbestimmungen, die von nationalen Hoheitsträgern erlassen wurden, geltend machen können. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde kann jedermann das BVerfG gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG mit der Behauptung anrufen, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in seinen grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein. Richtet sich die Beschwerde gegen Maßnahmen der Legislative, bezeichnet man diese als Rechtssatzverfassungsbeschwerde.49 Beim Prüfungsmaßstab ist zu beachten, dass das BVerfG keine Superrevisionsinstanz ist und mithin nicht jegliche Rechtsverstöße prüft, sondern die Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen nur im Hinblick auf subjektive Grundrechtsverletzungen überprüft.50 Um Popularklagen auszuschließen, muss der Antragssteller eine Beschwerdebefugnis vorweisen können, das heißt er muss nach ständiger Rechtsprechung schlüssig behaupten, selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die öffentliche Gewalt in seinen grundrechtlich geschützten Positionen verletzt zu sein.51 Insbesondere das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit ist im Rahmen von Rechtssatzverfassungsbeschwerden oft problematisch und daher näher zu prüfen. Die unmittelbare Betroffenheit ist nach dem BVerfG dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer unmittelbar durch das Gesetz und nicht erst durch einen Vollziehungsakt in einem Grundrecht verletzt ist.52 Ist das Gesetz nicht selbstvollziehend, sondern muss zu seiner Durchführung noch durch einen weiteren Akt – sei es durch Gesetz, Verordnung, Satzung oder durch einen exekutiven Vollzugsakt – umgesetzt werden, so ist die Verfassungsbeschwerde hiergegen mangels unmittelbarer Betroffenheit unzulässig.53 Dies gilt auch dann, wenn das Gesetz Vollzugsakte Privater erfordert.54 Nur in Fällen der Unzumutbarkeit kann ausnahmsweise auf das Kriterium der Unmittelbarkeit verzichtet werden.55 Dies gilt insbesondere in Fällen der Unkenntnis der konkreten Maßnahmen wie beispielsweise bei der akustischen Wohnraumüberwachung56 oder wenn zunächst gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm eine Zuwiderhandlung begangen werden müsste.57 49

Klein / Sennekamp, NJW 14/2007, 945–956 (948). Korioth, in: Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 283 ff. 51 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 1, 97 (101); BVerfGE 53, 30 (48); BVerfGE 100, 313 (354). 52 Ständige Rechtsprechung BVerfGE 1, 97 (Leitsatz 2); BVerfGE 49, 1 (8). 53 BVerfGE 1, 97 (101); BVerfGE 30, 1 (17); BVerfGE 43, 291 (386); BVerfGE 58, 91 (104 ff.); BVerfGE 65, 1 (36); BVerfGE 61, 260 (274); BVerfGE 68, 319 (325); Lechner / Z uck, BVerfGG, § 90 Rn. 131. 54 BVerfG, Az. 1 BvR 2314/18, BeckRS 2019, 8092, Rn. 4 ff. 55 Klein / Sennekamp, NJW 14/2007, 945–956 (949). 56 BVerfGE 100, 313 (354); BVerfGE 109, 279 (306). 57 BVerfGE 81, 70 (82 f.). 50

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

Das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit ist eng verbunden mit dem in § 90 Abs. 2 BVerfG normierten Erfordernis der Rechtswegerschöpfung und der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, wonach alle möglichen und zumutbaren Rechtsmittel vor sonst zuständigen Stellen – in der Regel Behörden und Gerichte – ausgeschöpft sein müssen, bevor eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG erhoben werden kann.58 Ausnahmsweise kann die Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG auch ohne Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, wenn dem Beschwerdeführenden ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.59 Im Rahmen einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde der Marktteilnehmer muss im Einzelfall geprüft werden, ob diese durch die Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen unmittelbar betroffen sind und der Rechtsweg erschöpft wurde. Handelt es sich um Gesetze, die einen weiteren Umsetzungsakt, insbesondere einen vollziehenden Verwaltungsakt bedürfen, so muss der Marktteilnehmer zunächst gegen diesen vor den Fachgerichten vorgehen und den Instanzenzug durchlaufen. Nur unter den engen Voraussetzungen der Unzumutbarkeit ist ausnahmsweise die Verfassungsbeschwerde gegen legislative Maßnahmen zulässig. Im Bereich der Regelreserve enthalten die Vorgaben des § 22 EnWG und der §§ 7 ff.  StromNZV keinen selbstvollziehenden Inhalt, sondern setzen vielmehr einen Vollzug durch die Verpflichtung zur Erarbeitung der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen60 voraus. Die genannten Vorschriften richten sich an die ÜNB und verpflichten diese zum Erlass von bestimmten Regelwerken für das Regelreserveverfahren. Die Gesetzesinhalte entfalten somit erst durch die Ausführung seitens der ÜNB konkrete Wirkung. Auf Basis dieser Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen kann es zudem zu weiteren konkreten Maßnahmen der ÜNB kommen wie beispielsweise eine ablehnende Präqualifikationsentscheidung, durch die eine Marktteilnahme verhindert wird. Daher müssen die (potenziellen) Regelreserveanbieter zunächst behördliche Verfahrensarten ergreifen und anschließend den Gerichtsweg gegen diese privaten Maßnahmen beschreiten.61 Die Erschöpfung des Rechtswegs ist auch nicht unzumutbar, da die (potenziellen) Regelreserveanbieter Kenntnis von der abgelehnten Präqualifikation erhalten und keine straf- oder bußgeldbewehrte Handlungen begehen müssen. Im Ergebnis wird die Rechtssatzverfassungsbeschwerde im Bereich des Regelreservemarkts somit regelmäßig – unter Vorbehalt der konkreten Sachverhaltsgestaltung und Rüge – unzulässig sein.

58

BVerfGE 73, 322 (325); BVerfGE 77, 381 (401); BVerfGE 81, 22 (27); Lechner / Z uck, BVerfGG, § 90 Rn. 157 f. 59 Klein / Sennekamp, NJW 14/2007, 945–956 (950). 60 Vergleiche hierzu Teil 2 A. 61 Vergleiche zur Präqualifikation Teil 2 A. I.

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern 

305

III. Unionsrechtlicher Individualrechtsschutz gegen europäische Rechtsakte Gegen Handlungen von Organen der Europäischen Union können natürliche und juristische Personen unter den Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV die Nichtigkeitsklage erheben. Auch gegen Handlungen der Europäischen Agenturen wie ACER62 ist die Nichtigkeitsklage inzwischen gemäß Art. 263 Abs. 1 S. 3 AEUV statthaft.63 Ist die Nichtigkeitsklage erfolgreich, erklärt der Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 264 AEUV den angefochtenen Rechtsakt für nichtig, wodurch dieser beseitigt wird.64 Im Regelreservemarkt kommen als Klagegegenstand der Nichtigkeitsklage die EltRL 2019, die EltVO sowie die beiden Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation in Betracht. 1. Klageberechtigung der Marktteilnehmer im Rahmen der Nichtigkeitsklage Im Hinblick auf den Rechtsschutz der Marktteilnehmer des Regelreservemarkts ist das Vorliegen der Klageberechtigung problematisch. Als nichtprivilegierte Kläger können natürliche und juristische Personen gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV nämlich nur Klage erheben gegen an sie gerichtete (Var. 1) oder sie unmittelbar und individuell betreffende Handlungen (Var. 2) sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen (Var. 3).65 Auf diese Varianten wird zunächst abstrakt eingegangen und im Anschluss deren Anwendbarkeit im Referenzfall untersucht. Im Rahmen der ersten Variante können natürliche und juristische Personen an sie gerichtete europäische Handlungen rügen. Europäische Handlungen nach Var. 1 sind solche Maßnahmen, die ausdrücklich an den Kläger gerichtet sind. Hierunter fallen insbesondere adressatenbezogene Beschlüsse im Sinne des Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV.66 62

Europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, vergleiche Teil 4 B. II. 2. b). 63 Storr, in: Gramlich / Manger-Nestler, Europäisierte Regulierungsstrukturen und -netzwerke, S. 107–118 (107 ff.). Der Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen war vor der Ergänzung des Art. 263 Abs. 1 AEUV um den Zusatz „sonstige Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten“ umstritten, vergleiche ausführlich zur historischen Entwicklung Saurer, EuR 1/2010, 51–67. 64 Ehricke, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 264 AEUV Rn. 1. 65 Borchardt, in: Lenz / Borchardt, EU-Verträge Kommentar, Art. 263 AEUV Rn. 28. 66 Pechstein / Görlitz, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 4, Art. 263 AEUV Rn. 61; Kotzur, in: Geiger / K han / Kotzur, EUV, Art.  263 AEUV Rn. 21. Der adressatenlose Beschluss gemäß Art. 288 Abs. 4 S. 1 AEUV ist hingegen nicht von dieser Variante der Klagebefugnis erfasst, Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 263 AEUV Rn. 32.

306

Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

Auch unmittelbar und individuell betreffende Handlungen der Europäischen Union können gerügt werden, Var. 2. Die unmittelbare Betroffenheit setzt voraus, dass der Einzelne direkt durch die Unionsgewalt betroffen ist. Eine Beeinträchtigung durch Umsetzungsmaßnahmen seitens der Mitgliedstaaten genügt nicht, da mitgliedstaatliches Handeln grundsätzlich vor den nationalen Gerichten gerügt werden muss. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung keinerlei Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bleibt.67 Durch das zusätzliche Kriterium der individuellen Betroffenheit bleibt für den Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen gegen normative Maßnahmen der Unionsorgane nur wenig Raum.68 Nach der sogenannten Plaumann-Formel des EuGH kann nämlich nur derjenige geltend machen, von einer Maßnahme individuell betroffen zu sein, „wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten“.69 Mit dieser Formel ist also ein Vergleich des Klägers mit der Situation anderer durch die gerügte Maßnahme Betroffener durchzuführen, wobei sich die Betroffenheit des Klägers aufgrund besonderer Umstände als einzigartig erweisen muss.70 Demzufolge kommt eine Nichtigkeitsklage gegen Richtlinien und Verordnungen selbst dann nicht in Betracht, wenn der Kläger zwar zum Adressatenkreis der abstraktgenerellen Regelung gehört und die Maßnahme in seine Rechte eingreift, er jedoch nicht in besonderer Weise gegenüber anderen Adressaten betroffen ist.71 Im Rahmen der dritten Variante des Art. 263 Abs. 4 AEUV ist für die Klageberechtigung zwar nicht das strenge Kriterium der individuellen Betroffenheit erforderlich, es bedarf jedoch stattdessen eines Rechtsaktes mit Verordnungs­charakter, der den Kläger unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Hierunter fallen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH72 und nach überwiegender Ansicht in der Literatur73 angesichts der Überarbeitung der Norm nach dem gescheiterten Verfassungsvertrag nur solche Rechtsakte, die nicht in dem 67

Thiele, in: Leible / Terhechte, EnzEuR, Band 3, § 9 Rn. 49; Schwarze / van Voet Vormizeele, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 263 AEUV Rn. 45; Frenz / Distelrath, NVwZ 3/2010, 162–166 (163). 68 Kotzur, in: Geiger / K han / Kotzur, EUV, Art. 263 AEUV Rn. 29. 69 EuGH, Rs. 25/62, ECLI:EU:C:1963:17, S. 238 – Plaumann. Seitdem ständige Rechtsprechung des EuGH, u. a. EuGH, Rs. C-309/89, ECLI:EU:C:1994:197, Rn. 70 – Codorniu; EuGH, Rs. C-452/98, ECLI:EU:C:1985:18, Rn. 60 – Nederlandse Antillen / Rat; EuGH, Rs. C-50/00 P, ECLI:EU:C:2002:462, Rn. 36 – Unión de Pequeños Agricultores; EuGH, Rs. C-125/06 P, ECLI:EU:C:2008:159, Rn.  70 – KOM / Infront. 70 Thiele, in: Leible / Terhechte, EnzEuR, Band 3, § 9 Rn. 55. 71 Herrmann, NVwZ 22/2011, 1352–1357 (1353). 72 EuGH, Rs. C-583/11 P, ECLI:EU:C:2013:625, Rn. 58 ff. – Inuit Tapiirit Kanatami. 73 Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / A EUV, Art. 263 AEUV Rn. 55 ff.; Dörr, in: Grabitz / ​ Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  263 AEUV Rn.  82 f.; Ehricke, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 263 AEUV Rn. 53 f.; Thiele, EuR 1/2010, 30–51 (43 f.); Herrmann, NVwZ 22/2011, 1352–1357 (1353 ff.); Cremer, DÖV 2010, 58–65 (61 ff.); Schröder, DÖV 2009, 61–66 (63); Hatje / Kindt, NJW 25/2008, 1761–1768 (1767); wohl auch Petzold, EuR 4/2012, 443–452 (448).

A. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Rechtsakte von Hoheitsträgern 

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in Art. 289 Abs. 3 AEUV skizzierten Gesetzgebungsverfahren erlassen wurden. Klagegegenstand sind somit nach dieser Variante allein Tertiärrechtsakte, also Rechtsakte ohne Gesetzgebungscharakter, welche zudem keiner legislativen oder administrativen Durchsetzungsmaßnahme bedürfen.74 Im Referenzfall können sich die Marktteilnehmer des Regelreservemarkts nur beschränkt auf eine Klagebefugnis im Rahmen der Nichtigkeitsklage berufen: Da sich weder die EltRL 2019, die EltVO noch die in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation an sie als Adressaten oder als adressatengleicher, individueller Personenkreis richten, scheidet eine Klageberechtigung nach Var. 1 und 2 aus. Die EltRL 2019 und die EltVO können auch nach der dritten Variante – selbst bei einer behaupteten Verletzung der Rechte der Marktteilnehmer – nicht gerügt werden, da diese Rechtsakte im Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 3 AEUV erlassen wurden und somit keine Rechtsakte mit Verordnungscharakter sind. Allein hinsichtlich der Kommissionsleitlinien liegt eine Klagebefugnis der Marktteilnehmer nach der dritten Variante vor, da es sich hierbei um im Komitologieverfahren von der Europäischen Kommission verabschiedete Rechtsakte ohne Gesetzescharakter handelt,75 die aufgrund der unmittelbaren Wirkung auch keiner mitgliedstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen bedürfen. 2. Umfang der Nichtigkeitsentscheidung im Erfolgsfall Die form- und fristgerecht erhobene Nichtigkeitsklage ist begründet, wenn die unionale Handlung rechtswidrig war. Dies ist gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV der Fall, wenn der Klagegrund der Unzuständigkeit, der Verletzung wesentlicher Formvorschriften, der Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs tatsächlich vorliegt. Dabei kommt es allein auf die Rechtswidrigkeit der gerügten Maßnahme an, eine Verletzung eines subjektiven Rechts der Marktteilnehmer durch die Vorschriften ist unerheblich.76 Bei erfolgreicher Nichtigkeitsklage ist der angegriffene Rechtsakt gemäß Art. 264 Abs. 1 AEUV nichtig.77 Die andere Ansicht vertritt eine weite Interpretation und sieht auf Grundlage systematischer Argumente sämtliche normativen Rechtsakte unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsetzungsverfahren als „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ an, Pechstein / Görlitz, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 4, Art. 263 AEUV Rn. 72 und 77 ff.; Schwarze / van Voet Vormizeele, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 263 AEUV Rn. 51 f.; Frenz / Distelrath, NVwZ 3/2010, 162–166 (165); Everling, EuZW 15/2010, 572–576 (574); Kottmann, ZaöRV 3/2010, 547–566 (559). 74 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 534; Pechstein / Görlitz, in: Pechstein / Nowak / Häde, Frankfurter Kommentar zu EUV, GRC und AEUV, Band 4, Art. 263 AEUV Rn. 71. 75 Vergleiche hierzu Teil 4 B. II. und III. 76 Dörr, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, EUV / A EUV, Art.  263 AEUV Rn.  159. 77 Ehricke, in: Streinz, EUV / A EUV, Art. 264 AEUV Rn. 1.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

IV. Ergebnis: Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke von Hoheitsträgern Der Rechtsschutz bezüglich der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitäten­ bestimmungen, die von Hoheitsträgern erlassen wurden, gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem, welche Normqualität und Rechtsebene der gerügte Rechtsakt aufweist. Wendet sich ein Marktteilnehmer gegen die Festlegungen der Bundesnetzagentur, so ist – unabhängig von ihrer Einordnung als Verwaltungsakt oder als Rechtsverordnung – die Beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG vor dem OLG Düsseldorf statthaft. Angesichts der strengen Anforderungen an die Beschwerdebefugnis entfaltet dieses Rechtsmittel jedoch nur geringe Relevanz. Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen, die als formelle oder materielle nationale Gesetze erlassen wurden, können in unmittelbarer Form durch die Rechtssatzverfassungsbeschwerde angegriffen werden, wobei diese jedoch aufgrund der strengen Zulässigkeitserfordernisse der Beschwerdebefugnis (Unmittelbarkeit der Rechtsverletzung) sowie der Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität in der Regel unzulässig sein wird. Die abstrakte Normenkontrolle durch das BVerfG scheidet als unmittelbarer Rechtsschutz gegen Gesetze für die Marktteilnehmer aus, da diese nicht zu den statthaften Antragsberechtigten zählen. Gegen unionsrechtliche Rechtsakte ist die Nichtigkeitsklage grundsätzlich statthaft, wobei auch diese in Art. 263 Abs. 4 AEUV strenge Zulässigkeitsanforderungen an die Klageberechtigung stellt, die voraussichtlich in vielen Fällen von den Marktteilnehmern nicht erfüllt werden. Zusammenfassend ist somit der Rechtsschutz gegen die hoheitlich erlassenen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen meist wenig erfolgsversprechend, da er sich gegen legislative Maßnahmen wendet, welche in unmittelbarer Weise nur im begrenzten Umfang gerichtlich gerügt werden können. Es bleibt dem Marktteilnehmer jedoch unbenommen, gegen die entsprechenden konkreten Vollzugsmaßnahmen behördlich und gerichtlich vorzugehen und in diesem Rahmen inzident die gesetzlichen Grundlagen überprüfen zu lassen.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke von privaten Akteuren Insbesondere dann, wenn der Staat selbst weniger Regelungen trifft und die Normsetzung auf private Akteure überträgt, sind effektive Rechtsschutzmöglichkeiten von zentraler Bedeutung. Denn hier besteht die Gefahr, dass nicht mehr alle Interessen der Marktteilnehmer angemessene Berücksichtigung finden.78 Hinzu kommt für den Regelreservebereich, dass die (teilweise) für den Regelwerkerlass 78

Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 376.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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zuständigen privaten Akteure nicht neutrale Dritte, sondern die zugleich mit der Ausführung des Ausschreibungsverfahren betrauten Personen sind. Somit liegen sowohl die Regelsetzung als auch die Durchführung dieser Regeln in derselben Hand. In solchen Verflechtungssituationen ist zur Gewährleistung der Berücksichtigung aller Interessen ein ausgewogener Rechtsschutz besonders essenziell. Im Regelreservemarkt sind die privaten ÜNB zum Erlass von abstrakt-generellen Regelungen zur Gestaltung des Marktdesigns gemäß den in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation verpflichtet.79 Aufgrund dieser Kompetenzverschiebung beim Erlass der Ausschreibungsbedingungen von der hoheitlichen Bundesnetzagentur auf die privaten ÜNB ergeben sich neue Fragestellungen im Bereich des Rechtsschutzes, die im Folgenden untersucht werden. Dabei ist im Hinblick auf den Rechtsschutz danach zu differenzieren, ob die privaten Regelwerke mit (I.) oder ohne (II.) behördliche Genehmigung erlassen wurden. Da die meisten traditionellen Rechtsmittel des nationalen Verfahrensrechts bei einer Rüge privatrechtlicher abstrakt-genereller Regelwerke versagen, wurde ein spezielles Beschwerdeverfahren mit den Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation eingeführt (III.).

I. Private Normsetzung mit behördlicher Genehmigung Sofern eine Genehmigung der privaten Regelwerke durch eine Behörde erforderlich ist, könnten die Marktteilnehmer Rechtsschutz durch eine Rüge der behördlichen Genehmigung erlangen. Im Erfolgsfall wird die Genehmigung des entsprechenden privaten Regelwerks durch die gerichtliche Entscheidung aufgehoben. Ist eine Genehmigung gesetzlich zwingend vorgeschrieben, müssen die privaten Akteure das Regelwerk entsprechend den als rechtswidrig gerügten Aspekten anpassen und in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben bringen, um auf dieser Grundlage erneut die erforderliche Genehmigung beantragen zu können. Im Regelreservemarkt bedürfen die von den ÜNB erarbeiteten Ausschreibungsbedingungen gemäß den Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation einer Genehmigung der Regulierungsbehörde.80 Hiergegen kommen der behördlicher Rechtsschutz nach §§ 31, 65 EnWG (1.), die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO (2.) sowie die Drittanfechtungsbeschwerde gemäß § 75 ff. EnWG (3.) in Betracht.

79 80

Vergleiche hierzu Teil 4 B. III. 2. Vergleiche zum Genehmigungserfordernis Teil 4 B. III. 2. b).

310

Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

1. Besonderes Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG und Aufsichtsverfahren gemäß §§ 65 ff. EnWG Als behördliche Verfahren gegen die Genehmigungen sind das besondere Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG sowie das Aufsichtsverfahren gemäß §§ 65 ff. EnWG denkbar. § 31 Abs. 1 EnWG legt fest, dass die Regulierungsbehörde auf Antrag von Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch das Verhalten eines Betreibers von Energieversorgungsnetzen erheblich berührt werden,81 prüfen kann, inwieweit das Verhalten des Betreibers von Energieversorgungsnetzen mit den Vorgaben des EnWG sowie den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften übereinstimmt. Im Rahmen des Aufsichtsverfahrens gemäß §§ 65 ff. EnWG ist die Bundesnetzagentur dazu berechtigt, Unternehmen zu verpflichten, ein Verhalten abzustellen, das den Bestimmungen des EnWG sowie den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften entgegensteht. Zwar ist damit das Ziel dieser beiden behördlichen Verfahren – eine Überprüfung des privaten Handelns der ÜNB – im Interesse des Antragstellers. Jedoch hat die Bundesnetzagentur bereits im Genehmigungsverfahren ihre Rechtsauffassung hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Handelns der ÜNB kundgetan und dieses mit Erteilung der Genehmigung als im Einklang mit dem höherrangigen Recht und insbesondere den energierechtlichen Vorschriften gewertet. Eine erneute Konsultation der Bundesnetzagentur im behördlichen Rechtsschutzverfahren bietet daher aufgrund der Identität der Genehmigungs- und Verfahrensbehörde keinen effektiven Rechtsschutz gegen das gerügte verwaltungsrechtliche Handeln in Form der Genehmigung. 2. Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO Mit einer Anfechtungsklage kann gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden.82 Da die behördliche Genehmigung einen an die Netzbetreiber gerichteten Verwaltungsakt darstellt,83 scheint die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage eine taugliche Rechtsschutzmöglichkeit der Marktteilnehmer gegen das behördliche Handeln darzustellen. Allerdings ist wie aufgezeigt84 der Verwaltungsrechtsweg gegen Entscheidun 81 Die Interessen des Antragsstellers sind dann erheblich berührt, wenn es sich um erhebliche wirtschaftliche Interessen handelt, BGH, Beschluss vom 17. 07. 2018, Az. EnVR 12/17, ZNER 5/2018, 413 (413, Leitsatz 1); BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186 f., Rn. 17). 82 Schenke / Schenke, in: Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 2. 83 Vergleiche zur Verwaltungsaktqualität der Genehmigungen privater Regelwerke Teil 4 B. ​ III. 2. c). 84 Vergleiche Teil 6 A. I. 1.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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gen der Bundesnetzagentur aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung in § 75 Abs. 4 EnWG nicht eröffnet. Die Anfechtungsklage kommt somit nicht in Betracht. 3. Drittanfechtungsbeschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG Denkbar ist ebenfalls die zivilgerichtliche Erhebung einer Drittanfechtungs­ beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG gegen die an die ÜNB adressierte Genehmigung der Regulierungsbehörde. Wie ausgeführt85 stellt die Drittanfechtungsbeschwerde hohe Zulässigkeitsanforderungen. Problematisch ist insbesondere die Beschwerdebefugnis gemäß § 75 Abs. 2 EnWG, da die Beschwerde gemäß dem Wortlaut nur den am Verfahren Beteiligten zusteht, namentlich dem Antragsteller, den unmittelbar von der Entscheidung betroffenen natürlichen und juristischen Personen und den Beigeladenen.86 Je nach Lage des Sachverhalts können sich im Einzelfall im Rahmen der Beschwerdeberechtigung Zulässigkeitsprobleme ergeben, sofern die Rechtsschutz suchenden Marktteilnehmer nicht am vorgelagerten Genehmigungsverfahren beteiligt waren und nicht beschwerdebefugt sind. Die Drittanfechtungsbeschwerde gegen die Genehmigung der privaten Regelwerke wird somit regelmäßig unzulässig sein.87

II. Private Normsetzung ohne behördliche Genehmigung Ist eine behördliche Genehmigung der privaten Regelwerke nicht vorgeschrieben wie zum Beispiel bei den Präqualifikationsbedingungen,88 können sich die Marktteilnehmer nicht im Wege des Drittrechtsschutzes gegen die einzelfallbezogene Genehmigung mit inzidenter Prüfung der privaten Regelwerke wenden, sondern sind auf eine unmittelbare Rüge der privaten Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen beschränkt. Im Bereich der Regelreserve ist sowohl behördlicher (1.) als auch gerichtlicher (2.) Rechtsschutz gegen die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB denkbar, wobei die meisten klassischen Rechtsmittel versagen, da sie entweder unstatthaft sind oder keinen effektiven Rechtsschutz bieten.

85

Vergleiche Teil 6 A. I. Vergleiche hierzu die Ausführungen in Teil 6 A. I. 3. 87 Vergleiche hierzu vertiefend die in Teil 6 A. I. 3. genannten Argumente. 88 Vergleiche hierzu Teil 4 B. III. 2. d). 86

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

1. Behördlicher Rechtsschutz Als behördlicher Rechtsschutz vor der Regulierungsbehörde gegen die privaten Regelwerke der ÜNB kommen das besondere Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG (a)) sowie das Aufsichtsverfahren gemäß § 65 ff. EnWG (b)) in Betracht. a) Besonderes Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG § 31 Abs. 1 EnWG legt fest, dass auf Antrag von „Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch das Verhalten eines Betreibers von Energieversorgungsnetzen erheblich berührt werden“89 die Regulierungsbehörde prüfen kann, „inwieweit das Verhalten des Betreibers von Energieversorgungsnetzen mit den Vorgaben in den Bestimmungen der Abschnitte 2 und 3 [des EnWG] oder der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen sowie den nach § 29 Abs. 1 festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden übereinstimmt“. Der Prüfungsumfang beschränkt sich somit auf die Einhaltung der Vorschriften über den Netzanschluss (Abschnitt  2, §§ 17–19a EnWG) und den Netzzugang / Messstellenbetrieb (Abschnitt 3, §§ 20–28a EnWG) sowie der dazugehörenden Rechtsverordnungen und Festlegungen bzw. Genehmigungen der Bundesnetzagentur.90 Grundsätzlich ist somit eine Prüfung der privaten Regelwerke am Maßstab der in § 22 EnWG i. V. m. §§ 6 ff. StromNZV verankerten Rechtsvorschriften sowie der Festlegungen der Bundesnetzagentur bezüglich der Beschaffung von Regelreserve erfasst. Jedoch wurden zur Realisierung einer Mindestharmonisierung des Regelreservemarkts diese nationalen Vorschriften inzwischen durch unionsrechtliche Regelungen in der EltRL 2019, der EltVO, den Kommissionsleitlinien und den darauf basierenden Regelwerken der ÜNB zu den Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen in vielerlei Hinsicht konkretisiert, teilweise auch durch den Anwendungsvorrang verdrängt.91 Beruft sich der betroffene Marktteilnehmer somit auf eine Verletzung derjenigen Vorschriften hinsichtlich Regelreserve, die im EnWG, der StromNZV und den Festlegungen der Bundesnetzagentur niedergeschrieben sind, so umfassen diese Vorschriften nur einen kleinen Teil der Vorschriften, die das Marktdesign für den Regelreservemarkt festlegen. Hingegen können Verhaltensweisen der ÜNB, die gegen die Vorschriften der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation verstoßen, im Rahmen des § 31 EnWG nicht gerügt werden. Aufgrund dieses limitierten Prüfungsumfangs des Missbrauchsverfahren ist zwar grundsätzlich ein Rechtsschutz in beschränktem Umfang möglich, dieser umfasst jedoch nicht die 89 Die Interessen des Antragsstellers sind auch dann erheblich berührt, wenn es sich um erhebliche wirtschaftliche Interessen handelt, BGH, Beschluss vom 17. 07. 2018, Az. EnVR 12/17, ZNER 5/2018, 413 (413, Leitsatz 1); BGH, Beschluss vom 11. 11. 2008, Az. EnVR 1/08, RdE 2009, 185 (186 f., Rn. 17). 90 Wahlhäuser, in: Kment, EnWG, § 31 Rn. 16. 91 Vergleiche hierzu ausführlich Teil 2 C.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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Fälle einer gerügten Benachteiligung von Marktakteuren durch die europarechtlich induzierten privatrechtlichen Regelwerke der ÜNB. § 31 EnWG bietet somit seit der Europäisierung des Regelreservemarkts keinen umfassenden Rechtsschutz mehr. b) Aufsichtsverfahren gemäß §§ 65 ff. EnWG Die Regulierungsbehörde kann zudem von Amts wegen oder auf Antrag ein Aufsichtsverfahren gemäß § 65 EnWG einleiten. In diesem Rahmen ist sie befugt, Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen zu verpflichten, ein Verhalten abzustellen, das den Bestimmungen des EnWG sowie den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften entgegensteht. Prüfungsumfang ist somit auch im Rahmen des Aufsichtsverfahrens gemäß §§ 65 ff. EnWG allein das EnWG und die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften, nicht jedoch die europäischen Vorschriften der EltRL 2019, der EltVO und der Kommissionsleitlinien. Da die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB im Regelreservebereich durch diese europarechtlichen Rechtsakte veranlasst wurden und nicht auf dem EnWG basieren, kommt eine Überprüfung im Wege des Aufsichtsverfahrens vor der Bundesnetzagentur nicht in Betracht. 2. Gerichtlicher Rechtsschutz Als Rechtsschutzmöglichkeiten vor Gericht kommen verwaltungs- (a)) und zivil­ rechtliche (b)) Verfahren in Betracht. a) Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz Um mit verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz gegen die Regelwerke der ÜNB vorgehen zu können, muss zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Fraglich ist, ob es sich bei dem verpflichtenden Erlass der abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB zur Marktgestaltung um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit  – in Abgrenzung zu einer bürgerlichen Streitigkeit  – handelt. Der Verwaltungsrechtsweg bietet als Umsetzung und Konkretisierung der allgemeinen Justizgewährleistungspflicht des Staates aus Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlichen Schutz gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt.92 Erfasst sind somit al 92

Wysk, in: Wysk, VwGO, § 40 Rn. 75; Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 13; Götz, in: Dauses / Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

lein solche Fälle, an denen zumindest ein Verwaltungsträger im Sinne einer juristischen Person des öffentlichen Rechts beteiligt ist.93 Hierzu zählt auch, wenn die Verwaltung ihre Aufgaben auf privatrechtlich handelnde Beliehene und Verwaltungshelfer auslagert, da deren Handlungen der Verwaltung zugerechnet werden.94 Fehlt es hingegen an einer Beteiligung mindestens eines Verwaltungsträgers am Gerichtsverfahren und sind ausschließlich Privatrechtssubjekt beteiligt, so liegt keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO vor.95 Die privatrechtlich organisierten ÜNB erlassen die privaten Regelwerke im Wege der regulierten Selbstregulierung und üben daher mit dem Erlass der Vorschriften keine Hoheitsbefugnisse aus.96 Ihr normsetzendes Handeln kann auch nicht der Verwaltung zugerechnet werden.97 Da in einem Rechtsstreit zwischen den Marktteilnehmern und den ÜNB über die Rechtmäßigkeit der privaten Regelwerke folglich nicht zumindest ein Verwaltungsträger beteiligt ist, fehlt es an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO und der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet. b) Zivilgerichtlicher Rechtsschutz Da es sich im Umkehrschluss zu den soeben getroffenen Ausführungen um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt, ist der zivilgerichtliche Rechtsschutz zu untersuchen. Bisher war die in §§ 75 ff. EnWG festgelegte Anfechtungsbeschwerde98 vor dem OLG Düsseldorf99 das taugliche Rechtsmittel gegen die von der Bundesnetzagentur festgelegten Ausschreibungsbedingungen des Regelreservemarkts. Seitdem die Ausschreibungsmodalitäten jedoch weitestgehend durch die privaten ÜNB erlassen werden, scheidet die Beschwerde als statthafter Rechtsbehelf gegen diese Maßnahmen aus, da die Anfechtungsbeschwerde gemäß § 75 Abs. 1 EnWG nur „gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde“, nicht jedoch gegen die substitutiven Entscheidungen von privaten Akteuren zulässig ist. In Betracht kommt nunmehr eine allgemeine Leistungsklage (aa) oder eine Feststellungsklage (bb) gegen die privatrechtlichen Regelwerke. 93

Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 207; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 404; Haack, in: Gärditz, VwGO, § 40 Rn. 33. 94 Ehlers / Schneider, in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, § 40 Rn. 274. 95 Schoch, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 50 Rn. 83. 96 Vergleiche Teil 4 B. III. 1. a). 97 Vergleiche Teil 5 A. II. 1. a). 98 Vergleiche zum Beschwerdeverfahren Teil 6 A. I. 99 Aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung in §§ 75 Abs. 4, 86 S. 1 EnWG werden Streitigkeiten zu energiewirtschaftlichen Fragen grundsätzlich vor den Kartellsenaten der Oberlandesgerichte ausgetragen, Huber, in: Kment, EnWG, § 75 Rn. 1.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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aa) Zivilrechtliche Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO Mit der zivilrechtlichen Feststellungsklage nach § 256 ZPO100 kann auf Fest­ stellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Anders als die Leistungsklage, die in einem vollstreckbaren Urteil und damit auf Leistungsbefehl und Befriedigung münden kann, kommt einem Urteil im Rahmen der Feststellungsklage eine reine Feststellungswirkung zu.101 Aufgrund dieser einschränkenden Wirkung ist die Feststellungsklage grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Kläger ein Interesse an einer bloßen Feststellung hat und es ihm nicht auf einen Vollstreckungstitel ankommt.102 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage.103 Die Marktteilnehmer begehren im Rahmen der Überprüfung der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen die Aufhebung bzw. Anpassung der von ihnen gerügten Bestimmungen durch die ÜNB, also ein Urteil mit Leistungsbefehl. Eine bloße Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses im Rahmen der Feststellungsklage entspricht daher nicht dem primären Klagebegehren, weshalb die allgemeine Leistungsklage in diesem Kontext vorrangig zu ergreifen ist. bb) Allgemeine Leistungsklage Mit Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage kann der Kläger materiellrechtliche Ansprüche auf ein Tun oder Unterlassen des Beklagten gerichtlich geltend machen.104 Klagegegenstand können alle materiellrechtlichen, klagbaren und fälligen Ansprüche im Sinne des § 194 BGB sein; der Anspruch ist für die konkrete Form und das Ziel des Antrags maßgeblich.105 Denkbar ist im Rahmen einer Leistungsklage gegen die Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen die Durchführung einer AGB-Kontrolle der privaten Regelwerke (1.) oder die Geltendmachung eines kartellrechtlichen Beseitigungsanspruchs (2.).

100

Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 05. 12. 2005 (BGBl.  I. S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3320) geändert worden ist. 101 Foerste, in: Musielak / Voit, ZPO, § 256 Rn. 1. 102 Bacher, in: Vorwerk / Wolf, BeckOK ZPO, § 256 Vorb. 103 Bacher, in: Vorwerk / Wolf, BeckOK ZPO, § 256 Rn. 26. 104 Heinrich, in: Musielak / Voit, ZPO, § 29 Rn. 10. 105 Klappstein, JA 8/2012, 606–612 (606).

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

(1) AGB-Kontrolle der privaten Regelwerke Sofern die privaten Regelwerke AGB im Sinne der §§ 305 ff. BGB darstellen, kommt eine AGB-Kontrolle zur Überprüfung der Wirksamkeit der Klauseln in Betracht. Begehrt der Kläger eine Überprüfung der privaten Regelwerke nach §§ 305 ff. BGB muss er ein auf einer Anspruchsgrundlage basierendes Klagebegehren geltend machen können, das als Ausgangspunkt für die AGB-Kontrolle dient. In Betracht kommen könnte ein Anspruch auf Zutritt zum Regelreservemarkt unter gerichtlicher Aufhebung einer ablehnenden Präqualifikationsbescheinigung, die auf den behaupteten unrechtmäßigen Präqualifikationsbedingungen beruht. Zweifelhaft ist hier zunächst, auf welcher Norm mit subjektiven Rechten der Kläger diese Anspruchsgrundlage geltend machen kann. Problematisch ist darüber hinaus, ob in diesem Kontext die Präqualifikationsbedingungen überhaupt AGB darstellen und einer AGB-Kontrolle unterliegen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt“. Durch das Tatbestandsmerkmal „bei Abschluss eines Vertrags“ wird deutlich, dass diese stets an vertragliche Beziehungen geknüpft sind.106 Die abstrakt-generellen Regelwerke der ÜNB, die die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen für das Regelreserve-Marktdesign enthalten, sind jedoch (zunächst noch) losgelöst vom Abschluss eines Vertrages. Erst nach erfolgreicher Präqualifikation, für die die potenziellen Regelreserveanbieter die festgeschriebenen technischen Anforderungen erfüllen müssen, ist der Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen dem Regelreserveanbieter und dem Anschluss-ÜNB möglich.107 Somit werden die Präqualifikationsunterlagen und die Mitteilung über die Präqualifikation erst mit Abschluss des Rahmenvertrags Bestandteil des Vertrags mit relativer Bindungswirkung.108 Am Maßstab der §§ 305 ff. BGB prüfbare AGB liegen folglich erst zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags vor. Da für dessen Abschluss jedoch eine erfolgreiche Präqualifikation Voraussetzung ist, besteht keine präventive Kontrollmöglichkeit der abstrakt-generellen Regelwerke mittels der AGB-Kontrolle. Denn verhindern die Anforderungen der Präqualifikationsbedingungen in unzulässiger Weise einen Marktzutritt, kommt es mangels Präqualifikation zu keinem Abschluss eines auf Angemessenheit prüfbaren Rahmenvertrags. Eine AGB-Kontrolle der entsprechenden Regelwerke scheidet somit aus. Kommt es hingegen zum 106

Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 305 Rn. 4. Vergleiche hierzu Teil 2 A. I. 108 Vergleiche § 23 FCR Muster-Rahmenvertrag; § 22 aFRR Muster-Rahmenvertrag; § 22 mFRR Muster-Rahmenvertrag. So auch Meister, Systemdienstleistungen und Erneuerbare Energien, S. 259. Anzweifelnd hingegen, dass allgemeine Marktverhaltens- und Marktordnungsregeln der AGB-Kontrolle unterliegen, Schweitzer, ZEuP 1/2019, 1–12 (7 f.), da sie nicht primär das Austauschverhältnis zwischen Anbieter und Nachfragenden betreffen. 107

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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Abschluss eines Rahmenvertrags, da die Präqualifikation erfolgreich war, bedeutet dies, dass die entsprechenden Anbieter die Anforderungen technisch erfüllen konnten. Folglich liegt für diese keine Marktzutrittshürde vor und es besteht in der Regel keine Anspruchsgrundlage bzw. kein Rechtsschutzbedürfnis, die Klauseln des bestehenden Vertrags mittels einer AGB-Kontrolle anzugreifen. Zudem erfolgt die AGB-Kontrolle durch ihre typische prozessrechtliche Einkleidung in die Leistungsklage nur im Rahmen einer Geltendmachung eines konkreten Anspruchs, nicht aber in Form einer abstrakten Überprüfung des Vertrags. Eine präventive AGB-Kontrolle ist mangels Möglichkeit der Überprüfung der abstrakten Regelwerke ohne vertraglichen Bezug also nicht möglich. (2) Kartellrechtlicher Beseitigungsanspruch gemäß § 33 GWB i. V. m. Art. 102 AEUV Ferner kommt als Anspruch im Rahmen der Leistungsklage der kartellrechtliche Beseitigungsanspruch aus § 33 GWB in Betracht, sofern ein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV gerügt werden soll.109 Dieser findet trotz seiner nationalen Verankerung im GWB ausweislich des Wortlauts des § 33 Abs. 1 GWB auch Anwendung bei Verstößen gegen Art. 101 oder 102 AEUV. Die Rüge ist direkt bei einem nationalen Gericht geltend zu machen; eine vorherige konstitutive Feststellung des Missbrauchs durch die Kommission oder eine andere Stelle ist nicht erforderlich.110 Der Anspruch kann von dem „Betroffenen“ geltend gemacht werden. Dieser Begriff umfasst gemäß der Legaldefinition in § 33 Abs. 3 GWB Mitbewerber oder sonstige Marktteilnehmer, die durch den Verstoß beeinträchtigt sind.111 Rechtsfolge des verschuldensunabhängigen Anspruchs ist neben der Unterlassung der Störung ebenfalls die Beseitigung der gegenwärtigen Folgen des Eingriffs.112 Hiervon abzugrenzen ist die Rückgängigmachung bereits eingetretener, nachteiliger Folgen des Kartellrechtsverstoßes, die allein mit Schadensersatzansprüchen gemäß § 33a GWB geltend gemacht werden können.113 Der von den abstrakt-generellen Ausschreibungsbedingungen der ÜNB nachteilig betroffene interessierte Regelreserveanbieter kann bei einem behaupteten Verstoß der ÜNB gegen Art. 102 AEUV eine Anpassung der Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen verlangen. Wirtschaftliche Verluste und entgangene Gewinne, die aus der abgelehnten Präqualifikation resultieren, müssen hingegen 109

Das EU-Wettbewerbsrecht ist gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 EnWG neben dem Energierecht anwendbar, da dieser allein die Vorschriften des nationalen Wettbewerbsrechts aus §§ 19, 20 und 29 GWB ausschließt, vergleiche hierzu Teil 5 A. I. 3. a) aa). 110 Brinker, in: Schwarze, et al., EU-Kommentar, Art. 102 AEUV Rn. 2. 111 Daneben können gemäß § 33 Abs. 4 GWB auch bestimmte Verbände und Einrichtungen als Aktivlegitimierte auftreten. 112 Rehbinder, in: Loewenheim, et al., Kartellrecht, § 33 GWB Rn. 59; Franck, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2, § 33 GWB Rn. 28 ff. 113 Franck, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2, § 33 GWB Rn. 30.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz eingefordert werden. Zu beachten ist jedoch, dass das rechtskräftige Urteil gemäß § 325 ZPO nur für und gegen die Prozessparteien wirkt; die Rechtskraftwirkung gilt somit nur inter partes.114 Dritte sind somit auch in ähnlich gelagerten Fällen von der Rechtskraft nicht umfasst.115 Daher muss bis zu einer allgemeinen Anpassung der privaten Regelwerke jeder potenzielle Marktteilnehmer die Verletzung des Art. 102 AEUV geltend machen, um für sich einen Marktzutritt zu erhalten. In diesem Rahmen ist zu überlegen, ob die im Rahmen des § 75 EnWG aufgeführten Argumente des BGH für eine Wirkung des Urteils gegenüber jedermann im Falle einer persönlichen Unteilbarkeit der Maßnahme auf § 33 GWB übertragen werden können, sofern es sich um die kartellrechtliche Prüfung privatrechtlicher Regelwerke von marktbeherrschenden Unternehmen handelt. Dafür spricht der vergleichbare Sachverhalt, da es sich in beiden Konstellationen um die Aufhebung von Regelwerken zur Gestaltung eines Markts handelt, die sinnvoller Weise nur gegenüber allen Betroffenen einheitlich ergehen kann. Dagegen spricht jedoch, dass eine Wirkung erga omnes dem Zivilprozessrecht im Allgemeinen fremd ist und diese im Rahmen der Beschwerde nach § 75 EnWG nur ausnahmsweise anerkannt wurde, da sie der Sache nach ein verwaltungsgerichtliches Verfahren darstellt. Letztendlich sprechen für beide Seiten gute Argumente und es bleibt auf eine richterliche Entscheidung in dieser Frage zu hoffen.

III. Leitlinienspezifische Beschwerdeverfahren zum Schutz vor Rechtsschutzdefiziten Wie aufgezeigt können die (potenziellen) Marktteilnehmer nicht auf die klassischen Rechtsschutzmöglichkeiten  – mit Ausnahme kartellrechtlicher Ansprüche – zurückgreifen, um die privaten Regelwerke der ÜNB zu rügen. Da jedoch die Verlagerung der Normsetzung auf Private nicht zu einem defizitären Rechtsschutz der betroffenen Marktteilnehmer führen darf, schreiben die Kommissionsleitlinien zum Schutz vor Lücken im Rechtsschutz spezifische Beschwerdeverfahren gegen die Ausführungsakte der ÜNB als unmittelbaren Rechtsschutz gegen diese Regelungen vor. So werden den Beteiligten durch die Guideline on Electricity Balancing und die Guideline on System Operation Beschwerderechte eingeräumt, wodurch sie sich unmittelbar gegen die Ausführungsakte wenden können. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn mangels einer behördlichen Genehmigung kein hoheitlicher Akt im Raum steht, der als zusätzlicher mittelbarer Beschwerdegegenstand fungieren könnte. Hinsichtlich des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens bestehen derzeit weder Diskussionen in der Literatur noch Rechtsprechung, sodass mit der Untersuchung dieses verhältnismäßig neuen Rechtsschutzinstruments juristisches Neuland betreten wird. 114 115

Gottwald, in: Krüger / Rauscher, Münchener Kommentar ZPO, Band 1, § 325 Rn. 1. Gottwald, in: Krüger / Rauscher, Münchener Kommentar ZPO, Band 1, § 325 Rn. 1.

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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Sowohl die Guideline on Electricity Balancing als auch die Guideline on System Operation sehen jeweils ein leitlinienspezifisches Beschwerdeverfahren gegen die Ausführungsakte der ÜNB vor, welches in Art. 5 Abs. 8 Guideline on Electricity Balancing bzw. Art. 6 Abs. 10 Guideline on System Operation bis auf unwesentliche Wortabweichungen deckungsgleich niedergelegt ist. Art. 5 Abs. 8 Guideline on Electricity Balancing lautet: „Jeder Beteiligte kann eine Beschwerde gegen den relevanten Netzbetreiber oder ÜNB hinsichtlich dessen Verpflichtungen oder Entscheidungen im Rahmen dieser Verordnung [Anm. der Autorin: der Guideline on Electricity Balancing bzw. der Guideline on Sys­ tem Operation] einlegen und damit die zuständige Regulierungsbehörde befassen, die als Streitbeilegungsstelle binnen zwei Monaten nach dem Eingang der Beschwerde eine Entscheidung trifft. Diese Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn die zuständige Regulierungsbehörde zusätzliche Informationen anfordert. Mit Zustimmung des Beschwerdeführers ist eine weitere Verlängerung dieser Frist möglich. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde ist verbindlich, bis sie gegebenenfalls aufgrund eines Rechts­ behelfs aufgehoben wird.“

1. Statthaftigkeit des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens Statthafter Rechtsbehelf gegen die Ausführungsakte der ÜNB ist gemäß Art. 5 Abs. 8 S. 1 Guideline on Electricity Balancing bzw. Art. 6 Abs. 10 S. 1 Guideline on System Operation eine „Beschwerde“ vor der zuständigen Regulierungsbehörde – in Deutschland der Bundesnetzagentur. Das leitlinienspezifische Beschwerdeverfahren fordert gemäß dem Wortlaut der Art. 5 Abs. 8 Guideline on Electricity Balancing und Art. 6 Abs. 10 Guideline on System Operation keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers. Das Verfahren kann somit sowohl als kontradiktorisches Verfahren als auch als objektives Beanstandungsverfahren durchgeführt werden, bei dem die Streitigkeit von einer konkreten Maßnahme der Netzbetreiber losgelöst sein kann – allerdings gibt es für ein objektives Beanstandungsverfahren untypischerweise einen Beschwerdegegner. Da auf EU-Ebene keine prozessrechtlichen Bestimmungen bezüglich des unions­rechtlichen Beschwerdeverfahrens bestehen, findet nach ständiger Rechtsprechung des EuGH im Rahmen der sogenannten Verfahrensautonomie bei der Durchsetzung des Unionsrechts die innerstaatliche Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats Anwendung, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen.116 Somit ist hinsichtlich der „Beschwerde“ auf 116 Ständige Rechtsprechung u. a. EuGH, Rs. C-33/76, ECLI:EU:C:1976:188, Rn. 5 – Rewe; EuGH, Rs.  C-45/76, ECLI:EU:C:1976:191, Rn. 11/18  – Comet; EuGH, Rs. C-78/98, ECLI:​ EU:C:2000:247, Rn. 31 – Shirley Preston; EuGH, verb. Rs. C-392/04 und C-422/04, ECLI:​ EU:C:2006:586, Rn. 57 – i-21 Germany GmbH (C-392/04) und Arcor AG & Co. KG (C-422/04); Vincze, ZaöRV 1/2017, 235–267 (236); Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 48 Rn. 261. Vergleiche umfassend zu den einzelnen Dimensionen der Verfahrensautonomie Ludwigs, NVwZ 19/2018, 1417–1422.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

die jeweilige nationale Verfahrensart der Mitgliedstaaten zurückzugreifen, wobei diese jeweils im Rahmen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts im Lichte des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens modifiziert werden (muss).117 Entgegen der irreführenden Bezeichnung des leitlinienspezifischen Rechtsmittels als „Beschwerde“ ist ein Rückgriff auf nationale Beschwerdeverfahren nicht möglich. Bei der Beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG handelt es sich um ein gerichtliches und nicht um ein behördliches Verfahren. Auch können als Beschwerdegegenstand ausschließlich Entscheidungen der Bundesnetzagentur und nicht anderer Akteure gerügt werden. Dieses Verfahren ist somit trotz gleichlautender Titulierung im Anwendungsbereich nicht betroffen. Auch die analoge Anwendung der zivilrechtlichen sofortigen Beschwerde gemäß § 567  ZPO sowie der strafrechtlichen Beschwerde gemäß §§ 304 ff. StPO118 ist abwegig, da diese Rechtsmittel gegen erstinstanzlich ergangene Gerichtsentscheidungen darstellen. Eine Vergleichbarkeit des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens vor der Regulierungsbehörde besteht jedoch mit den energiespezifischen Verfahrensregelungen der §§ 65 ff. EnWG für aufsichtsrechtliche Verfahren vor der Bundesnetzagentur, da sowohl die leitlinienspezifische „Beschwerde“ als auch das behördliche Verfahren gemäß § 65 EnWG ein Verhalten Privater, das (zumindest teilweise) der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur unterliegt, zum Gegenstand haben. Auch ist die Bundesnetzagentur in beiden Fällen die zuständige Behörde für das Verfahren und die verfahrens­ abschließende Entscheidung erwächst in Rechtskraft, wenn sie nicht aufgrund eines Rechtsbehelfs angefochten wird. Die §§ 65 ff. EnWG sind somit für das leitlinienspezifische Beschwerdeverfahren heranzuziehen, jedoch erfolgt eine Modifikation gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben der Kommissionsleitlinien, um den Vorrang des Unionsrechts nicht zu vereiteln.119 2. „Beteiligte“ als Beschwerdeführer Zunächst ist zu untersuchen, wer im Rahmen des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens als Beschwerdeführer auftreten und eine mögliche Pflichtverletzung der ÜNB bei Erlass der Ausführungsakte rügen kann. Während gemäß § 66 Abs. 1 Alt. 2 EnWG das Verfahren auf Antrag von jedermann eingeleitet werden kann, ist der unionsrechtliche Anwendungsbereich restriktiver, da dort die Berechtigung nur den „Beteiligten“ zukommt. Zweifelhaft ist, welche Personen hiervon erfasst sind. Systematisch ist das leitlinienspezifische Beschwerdeverfahren als letzter Absatz in dem Artikel „Genehmigungen der Modalitäten oder Methoden der 117 Vergleiche beispielhaft die Alcan-Entscheidung des EuGHs, EuGH, Rs. C-24/95, ECLI:EU:C:1997:163 – Land Rheinland-Pfalz / Alcan Deutschland. 118 Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. 04. 1987 (BGBl.  I. S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 49 des Gesetzes vom 21. 12. 2020 (BGBl. I. S. 3096) geändert worden ist. 119 Vergleiche unter anderem EuGH, Rs. C-24/95, ECLI:EU:C:1997:163 – Land RheinlandPfalz / Alcan Deutschland.

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ÜNB“ (Art. 5 Guideline on Electricity Balancing sowie Art. 6 Guideline on System Operation) erfasst, welcher die Genehmigungspflicht bestimmter Ausführungsakte sowie das entsprechende Genehmigungsverfahren regelt. In diesem Kontext betrachtet, bezieht sich der Begriff „Beteiligte“ somit allein auf die am Genehmigungsverfahren Beteiligten. Da dieses jedoch ausschließlich der einen Antrag auf Genehmigung stellende ÜNB sowie die die Genehmigung aussprechende Bundesnetzagentur sind, die „Beschwerde“ jedoch gerade von Dritten gegen die Ausführungsakte der ÜNB bei der Bundesnetzagentur eingelegt wird, ist die systematische Auslegung wenig aufschlussreich. Denkbar wäre nach dem Sinn und Zweck der Antragsberechtigung ebenso nur diejenigen juristischen und natürlichen Personen als „Beteiligte“ anzusehen, die im Rahmen des Konsultationsverfahrens120 bei der Ausarbeitung der Ausführungsakte durch die ÜNB eine entsprechende Stellungnahme abgegeben haben. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass Beschwerdeführer nur denjenigen Marktakteuren sein können, die sich aktiv im Verfahren eingebracht haben; alle anderen wären präkludiert. Dies stellt jedoch eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes insbesondere für neue Marktakteure dar, da diese bei zeitlich späterem Erschließen entsprechender Geschäftsmodelle im Bereich der Regelreserve nie tauglicher Beschwerdeführer sein könnten. Da jedoch sowohl die Guideline on Electricity Balancing als auch die Guideline on System Operation einen diskriminierungsfreien Zugang auch neuer Marktakteure bezwecken,121 widerspricht eine solche Präklusion neuer Akteure dem Sinn und Zweck der Leitlinien. Durch die einheitliche Zuständigkeit der ÜNB einerseits für den Normerlass und andererseits für die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens muss insgesamt auch denjenigen Akteuren eine Rechtsschutzmöglichkeit zukommen, die erst im Rahmen der Durchführung des Präqualifikationsverfahren bzw. einer Gebotsabgabe von den entsprechenden Regelwerken betroffen sind. Gerade in Fällen einer Erweiterung der Geschäftsmodelle eines Unternehmens können die Regelwerke erst Jahre nach dem Erlass erstmals zu einer Beeinträchtigung führen. Demnach ist der Begriff „Beteiligte“ so zu verstehen, als dass er alle Akteure mit einem berechtigten Interesse umfasst. Dies sind insbesondere bereits präqualifizierte Regelreserveanbieter, aber nach dem Sinn und Zweck erst recht solche, die eine Präqualifikation erst anstreben.

120 Im Rahmen der öffentlichen Konsultationen gemäß Art. 10 Guideline on Electricity Bal­ ancing und Art. 11 Guideline on System Operation konsultieren die ÜNB Interessensträger, einschließlich der relevanten mitgliedstaatlichen Behörden zu den Entwürfen der Vorschläge für die Modalitäten oder Methoden. 121 Art. 3 Abs. 1 lit. e) Guideline on Electricity Balancing und Art. 3 Abs. 1 lit. e) Guideline on System Operation.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

3. Verfahrensabschließende Entscheidung durch die zuständige Regulierungsbehörde Die zuständige Regulierungsbehörde muss innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde über den Streitgegenstand entscheiden, wobei eine Fristverlängerung um zwei weitere Monate möglich ist, wenn die Regulierungsbehörde zusätzliche Informationen anfordert. Zudem kann mit Zustimmung des Beschwerdeführers die Frist verlängert werden, ohne dass hierfür in den Kommissionsleitlinien ein Höchstmaß vorgeschrieben wird. Ebenso werden die Art und der Umfang der behördlichen Entscheidungsbefugnis nicht näher spezifiziert. Insofern ist für diese Frage auf die Vergleichsvorschrift des § 65 Abs. 1 S. 2 EnWG zurückzugreifen, sofern gemäß dem Effektivitätsgrundsatz der Vollzug des Unionsrechts durch die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts nicht vereitelt wird. Gemäß § 65 Abs. 1 S. 2 EnWG kann die Regulierungsbehörde „alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind“. Insbesondere ist die Regulierungsbehörde analog zu § 65 Abs. 2 EnWG berechtigt, Maßnahmen zur Einhaltung der Verpflichtungen aus der Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation anzuordnen. So kann sie beispielsweise die ÜNB zur Anpassung der entsprechenden Regelwerke, die im Widerspruch zu den Kommissionsleitlinien stehen, anweisen. Die Kommissionsleitlinien schreiben eine „Verbindlichkeit“ der Entscheidung der Regulierungsbehörde vor, sofern jene nicht aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben wird. Die Leitlinien räumen somit die Möglichkeit weiteren (in der Regel gerichtlichen) Rechtschutzes gegen die Entscheidung der Regulierungsbehörde ein. Übertragen auf die Terminologie des deutschen Verfahrensrechts erwächst die Entscheidung der Bundesnetzagentur somit in Bestandskraft, es sei denn, sie wird im Wege der Beschwerde gemäß §§ 75 ff. EnWG in einem gerichtlichen Verfahren rechtskräftig aufgehoben. 4. Rechtsschutz gegen gemeinschaftliche Ausführungsakte mehrerer oder aller europäischen ÜNB Nicht vom Wortlaut erfasst und damit problematisch ist der Rechtsschutz, wenn der Beschwerdeführer gemeinschaftliche Ausführungsakte mehrerer oder aller europäischen ÜNB rügen möchte. So wird beispielsweise das Ausschreibungs­ design für die Beschaffung der Frequenzhaltungsreserve gemeinschaftlich durch die ÜNB aus sechs Ländern festgelegt,122 während die Modalitäten der Plattformen für den Regelarbeitsmarkt der automatischen und manuellen Frequenzwieder­ 122

Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 2. a).

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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herstellungsreserve sogar von allen europäischen ÜNB gemeinschaftlich ent­ wickelt werden.123 Da gemäß Art. 5 Abs. 8 S. 1 Guideline on Electricity Balancing sowie Art. 6 Abs. 10 S. 1 Guideline on System Operation der Beteiligte die Beschwerde „gegen den relevanten Netzbetreiber oder ÜNB“ hinsichtlich „dessen“ Verpflichtungen oder Entscheidungen im Rahmen der Guideline on System Operation bzw. der Guideline on Electricity Balancing einlegen kann, ist nicht vorgesehen, dass sich die Rüge des Beteiligten gegen mehrere gemeinschaftlich handelnde ÜNB richtet. Auch die Zuständigkeit einer nationalen Regulierungsbehörde für das behördliche Verfahren erscheint in einem solchen Fall zweifelhaft. Dies ergibt sich zum einen angesichts der Frage, ob der Bundesnetzagentur im Rahmen des behördlichen Beschwerdeverfahrens überhaupt die Befugnis zukommt, nichtdeutsche ÜNB im Wege einer Entscheidung zu einer Maßnahme zu verpflichten. Zum anderen regelt der Wortlaut des leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahrens klar und deutlich, dass das Verfahren sich lediglich gegen „den relevanten Netzbetreiber oder ÜNB“ hinsichtlich „dessen“ Verpflichtungen richtet. Eine Mehrzahl an Beschwerdegegnern ist somit nicht vorgesehen. Denkbar wäre in dieser Konstellation allein, die deutschen ÜNB zu verpflichten, einen Änderungsprozess der europäischen Ausführungsakte gegenüber den anderen beteiligten ÜNB anzustoßen. Da die nicht-deutschen ÜNB keine entsprechende Verpflichtung zur Berücksichtigung der Maßnahmen der deutschen ÜNB trifft, wird diese Vorgehensweise wohl im Regelfall keinen effektiven Rechtsschutz bieten. Denkbar ist es ebenso, dass in dieser Konstellation die europäische Agentur ACER als „die zuständige Regulierungsbehörde“, die sich mit dem Beschwerdeverfahren befasst, fungiert anstelle der nationalen Regulierungsbehörde. Hierfür spricht der Grundsatz der Effektivität, da aus den soeben genannten Gründen durch eine Beteiligung der europäischen Agentur ACER der Vollzug des Unionsrechts effektiver als auf rein nationaler Ebene durchgeführt werden könnte. Zweifel ergeben sich an dieser Auslegungsweise jedoch, da die beiden Kommissionsleitlinien deutlich zwischen einerseits den „zuständigen Regulierungsbehörden“ und andererseits der „Agentur“ unterscheiden. Zudem beschränkt Art. 5 Abs. 1 lit. e) ACER-VO den Aufgabenbereich der Agentur dahingehend, dass ACER die Umsetzung der Netzkodizes und Leitlinien lediglich „beobachtet und analysiert“. Eine Befugnis zur Beurteilung von Einzelfallentscheidungen kommt ihr in diesem Kontext jedoch nicht zu. Die Aufsichtsfunktion von ACER ergibt sich auch nicht aus dem gemäß der ACER-VO einzurichtenden ACER-Beschwerdeausschuss. Dessen Anrufung kann bei einer Rüge gegen das private Verhalten von ÜNB keine Abhilfe schaffen, da dieser gemäß Art. 28 Abs. 1 ACER-VO nur für Rügen gegen Entscheidungen der Agentur zuständig ist. Auch Art. 5 ACER-VO, der die Aufgaben von ACER im Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung von Netzkodizes und Leitlinien festlegt, sowie Art. 6 ACER-VO, der die Aufgaben von ACER im Zusam 123

Vergleiche hierzu Teil 2 A. II. 4.

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Teil 6: Rechtsschutzmöglichkeiten 

menhang mit den Regulierungsbehörden betrifft, sehen keine Involvierung von ACER vor, sofern es um Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern und europäischen ÜNB hinsichtlich der Ausführung von Netzkodizes und Leitlinien geht. Folglich bestehen für Marktteilnehmer keine Rechtsschutzmöglichkeiten, sofern sie gemeinschaftlich erlassene Regelwerke von mehreren oder allen europäischen ÜNB rügen möchten. Dieses Defizit im Rechtsschutz ist insbesondere dann kritisch, wenn im Rahmen der regulierten Selbstregulierung eine Übertragung der Marktgestaltung auf private Akteure stattfindet, da hier die Gefahr besteht, dass nicht mehr alle Interessen der Marktteilnehmer angemessene Berücksichtigung finden. Hinzu kommt für den Regelreservebereich, dass die (teilweise) für den Regelwerkerlass zuständigen privaten Akteure nicht neutrale Dritte, sondern die zugleich mit der Ausführung des Ausschreibungsverfahren betrauten Personen sind. Somit liegen sowohl die Regelsetzung als auch die Durchführung dieser Regeln unmittelbar in derselben Hand. Da in solchen Verflechtungssituationen zur Gewährleistung der Berücksichtigung aller Interessen ein ausgewogener Rechtsschutz besonders essenziell ist, erfordert die defizitäre Ausgestaltung des Rechtsschutzes eine Überarbeitung der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation. Empfehlenswert wäre es, den Beschwerdeausschuss von ACER in dieser Konstellation als zuständige Stelle für das Beschwerdeverfahren gegen gemeinschaftlich erlassene Regelwerke von mehreren oder allen europäischen ÜNB zu benennen.

IV. Ergebnis: Rechtsschutz bezüglich privater Regelwerke Der Rechtsschutz bezüglich privater Regelwerke unterscheidet sich, je nachdem ob eine behördliche Genehmigung erforderlich ist oder nicht. Ist diese vorgeschrieben, kommt insbesondere eine Drittanfechtungsklage der Marktteilnehmer nach §§ 75 ff. EnWG gegen die Genehmigung der Bundesnetzagentur in Betracht, die jedoch hohe Anforderungen an die Beschwerdebefugnis stellt. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Abs. 1 VwGO scheidet mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs aus, während der behördliche Rechtsschutz vor der Bundesnetzagentur mit der Rüge des rechtswidrigen Handelns der Bundesnetzagentur nicht effektiv durchgesetzt werden kann. Auch die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen private Regelwerke ohne behördliche Genehmigung sind eingeschränkt, da der behördliche Rechtsschutz des EnWG hinsichtlich des Prüfungsumfangs zu kurz greift und der gerichtliche Rechtsschutz nur begrenzt geeignete Rechtsmittel bereitstellt: Verwaltungsrechtliche Rechtsmittel können mangels hoheitlichen Handelns nicht herangezogen werden und der zivilgerichtliche Rechtsschutz ist mit Ausnahme des kartellrechtlichen Beseitigungsanspruchs nicht einschlägig. Abhilfe bezüglich dieser Lücke im Rechtsschutz gegen private Regelwerke schaffen die leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahren

B. Rechtsschutz bezüglich abstrakt-genereller Regelwerke 

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der Guideline on Electricity Balancing und der Guideline on System Operation. Diese sehen vor, dass jeder Beteiligte eine Beschwerde gegen den relevanten Netzbetreiber oder ÜNB hinsichtlich dessen Verpflichtungen oder Entscheidungen im Rahmen der Guideline on System Operation bzw. der Guideline on Electricity Balancing einlegen kann.124 Mangels eigener abschließender Verfahrensregelungen ist im Rahmen der Verfahrensautonomie auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen und die vergleichbaren energiespezifischen Verfahrensregelungen der §§ 65 ff. EnWG für aufsichtsrechtliche Verfahren vor der Bundesnetzagentur anzuwenden. Das Rechtsmittel steht allen „Beteiligten“ offen. Im Wege der teleologischen Auslegung umfasst dies sowohl die bereits präqualifizierten Regelreserveanbieter als auch diejenigen neuen Marktteilnehmer, die eine Präqualifikation erst anstreben. Verfahrensrechtliche Defizite ergeben sich in der Konstellation, wenn ein Betroffener Rechtsschutz gegen gemeinschaftliche Ausführungsakte mehrerer oder aller europäischen ÜNB begehrt, da diese Konstellation vom leitlinienspezifischen Beschwerdeverfahren nicht erfasst ist. Hier ist eine Überarbeitung der Kommissionsleitlinien erforderlich.

124 Vergleiche Art. 5 Abs. 8 Guideline on Electricity Balancing sowie Art. 6 Abs. 10 Guideline on System Operation.

Teil 7

Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 1. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung, wie wettbewerbliche Märkte zur Erreichung festgelegter politischer Ziele transformiert werden können. Bei der staatlich gelenkten Transformation wettbewerblicher Märkte entfaltet sich ein Spannungsfeld zwischen dem freien Wettbewerb und den regulierenden Eingriffen in den Markt. Einerseits ermöglicht die Privatautonomie den wettbewerblichen Marktteilnehmern eine freie wirtschaftliche Betätigung nahezu ohne hoheitlichen Einfluss, andererseits unterliegen die Marktstrukturen in staatlich gelenkten Transformationsprozessen einer starken Regulierung zugunsten der politisch festgelegten Ziele. Dieses Spannungsfeld zwischen freiem Wettbewerb und regulierenden Eingriffen zugunsten politischer Ziele birgt diverse regulatorische Herausforderungen, die Gegenstand der Untersuchungen dieser Dissertation sind. Der Regelreservemarkt wurde als Beispiel für eine regulierte Transformation wettbewerblicher Märkte herangezogen, jedoch können die gewonnenen Erkenntnisse weitgehend auch auf andere Märkte übertragen werden. Regelreserve dient als Systemdienstleistung der Stabilität von Stromnetzen, indem sie für die Frequenzhaltung eingesetzt wird. Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens werden diejenigen Regelreserveanbieter ermittelt, die in einem gewissen Zeitraum Regelreserve vorhalten und im Bedarfsfall situativ bereitstellen. Voraussetzung für die Teilnahme am Regelreservemarkt ist eine erfolgreiche Präqualifikation, das heißt ein Nachweis über die erforderlichen technischen Fähigkeiten der entsprechenden Anlage. Die historische Entwicklung des Regelreservemarkts lässt sich in drei Dimensionen aufteilen. Während zunächst im Zuge der Liberalisierung des Energiesektors eine rein quantitative Erhöhung der Anbieterzahlen erstrebt wurde, rückten infolge der Energiewende vermehrt klima- und energiepolitische Ziele in den Vordergrund. Ziel war es, dass die bisher überwiegend die Regelreserve erbringenden konventionellen Kraftwerke durch erneuerbare Energien, Speicher, (großindustrielle) Verbraucher und andere alternative Technologien abgelöst wurden. Die dritte, sich damit überschneidende Phase ist von der Europäisierung des Regelreservemarkts geprägt. Zur Integration der jeweiligen mitgliedstaatlichen Regelreserve wurden (teil-)harmonisierende europäische Rechtsakte erlassen, die – teils unter starker Einbindung privater Einrichtungen und Organisationen in den Normsetzungsprozess – eine grenzüberschreitende Beschaffung von Regelreserve verfolgten.

Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse

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Der Regelreservemarkt lässt sich trotz der hohen Regulierungsdichte durch die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen als „wettbewerblicher Markt“ im Sinne dieser Arbeit bezeichnen: Die jeweiligen Regelreserveanbieter können sich freiwillig für eine Marktteilnahme entscheiden und sind nicht gesetzlich hierzu verpflichtet. Zudem erfolgt die Ermittlung der Vergütungshöhe auf marktlichen Parametern. 2. Die Rechtsquellen des Regelreservemarkts betreffen sowohl das Präqualifikations- als auch das Ausschreibungsverfahren von Regelreserve. Bei dem sogenannten Präqualifikationsverfahren werden die technischen Eigenschaften der Anlage geprüft. In den Ausschreibungsbedingungen werden Regelungen unter anderem zum Ausschreibungszyklus, zum Ausschreibungszeitpunkt, zu den Produktzeitscheiben,1 zur Angebotsmenge sowie zum Abrechnungsverfahren getroffen. Der Rechtsrahmen des Regelreservemarkts wurde zur Marktöffnung für neue Akteure sowie neuer Technologien mehrmals fortentwickelt. Der Rechtsrahmen des Regelreservemarkts ist vielfältig und findet sich seit der Europäisierung des Regelreservemarkts sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene wieder. Zu berücksichtigen ist, dass die einzelnen Rechtsquellen nicht nur von deutschen und europäischen Hoheitsträgern erarbeitet wurden, sondern in großen Teilen auch von privaten Akteuren, insbesondere von einem, mehreren oder allen europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Die wesentlichen hoheitlichen Rechtsquellen des Regelreservemarkts finden sich in der EltRL 2019, der EltVO, den in Form von Verordnungen erlassenen Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation, dem EnWG, der StromNZV sowie in diversen Festlegungen der Bundesnetzagentur zur Gestaltung des Regelreserve-Marktdesigns. Daneben besteht eine Vielzahl von privatrechtlichen Regelwerken, die von einem, mehreren oder allen europäischen (gemeinschaftlich) ÜNB erlassen wurden, und die die maßgeblichen Anforderungen an die Marktteilnahme festlegen. In den Ausschreibungsbedingungen bestehen derzeit spezifische Vorschriften für die Erbringung von Regelreserve durch Windenergieanlagen und durch Anlagen mit begrenztem Energiespeicher, wodurch deren technischen Spezifika Rechnung getragen wird. Durch die Europäisierung des ursprünglich nationalen Rechtsrahmens ist aufgrund des unveränderten Fortbestands des nationalen Regelwerks insbesondere im EnWG und der StromNZV das Verhältnis der nationalen und europäischen Rechtsquellen zueinander problematisch. Lösungsansätze zur Auflösung von Inkonsistenzen sowie Redundanzen bieten hier der unionsrechtliche Anwendungsvorrang und das Normwiederholungsgebot. Die vorgenommene Untersuchung zeigt einen Überarbeitungsbedarf der nationalen Rechtsakte, um den europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. 1 Der Fachbegriff „Produktzeitscheibe“ bezieht sich auf den Zeitraum der angebotenen Bereitstellung von Regelreserve. Vergleiche hierzu Teil 2 A. II.

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Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 

3. Sollen wettbewerbliche Märkte zur Erreichung festgelegter politischer Ziele transformiert werden, so kann dies durch den Erlass regulatorischer Steuerungsinstrumente realisiert werden. In diesem Rahmen wird mittels normativer Regulierungsmaßnahmen in das Marktgeschehen eingegriffen, um ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Die Steuerungsinstrumente können unterschiedliche Ausformungen annehmen: Im Hinblick auf die Urheberschaft lassen sich hoheitlich erlassene Steuerungsinstrumente von solchen unterscheiden, die von privaten Einrichtungen oder Organisationen im Wege der regulierten Selbstregulierung erlassen wurden. Ebenso können Steuerungsinstrumente in unmittelbarer oder in mittelbarer Weise das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen. Sie können zudem anhand ihres Umfangs differenziert werden, das heißt danach, ob sie das gesamte innerstaatliche Wirtschaftssystem oder lediglich einen spezifischen wirtschaftlichen Teilbereich betreffen. Zur Transformation wettbewerblicher Marktprozesse bieten sich insbesondere die regulatorischen Steuerungsinstrumente der Marktzutrittsregelungen sowie der Marktmodalitätenbestimmungen an. Eine Marktzutrittsregel liegt vor, wenn ein Steuerungssubjekt mittels regulatorischer Maßnahmen in den Markt eingreift, um bestimmten Akteuren oder Produkten den Markteintritt zu ermöglichen oder aber auch zu verwehren. In anderen Worten: es geht es um Regelungen dafür, welche Akteure bzw. Produkte Zutritt zu einem Markt haben sollen und welche nicht; sie betreffen also das „Ob“ der Teilnahme am Markt. Marktzutrittsregeln lassen sich rechtsgebietsübergreifend in produkteigenschaftssteuernde, akteurssteuernde und mengensteuernde Bestimmungen unterteilen. Mit dem Steuerungsinstrument der Marktmodalitätenbestimmungen werden die rechtlichen Rahmenbedingungen eines spezifischen Markts aufgespannt. Sie betreffen die Art und Weise, wie ein bestimmter Markt gestaltet ist. Die konkrete Form und Ausgestaltung der Marktmodalitätenbestimmungen haben Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. Die Regelungen können der Produkteigenschaftssteuerung, der Akteurs­ steuerung sowie der Verhaltenssteuerung der Marktteilnehmer dienen. Beim Referenzfall des Regelreservemarkts setzen die Steuerungssubjekte sowohl das Steuerungsinstrument der Marktzutrittsregeln als auch das der Marktmodalitätenbestimmungen ein: Um Zugang zum Regelreservemarkt zu erhalten, müssen die Regelreserveanbieter im Präqualifikationsverfahren nachweisen, dass sie die technischen Anforderungen erfüllen. Hiermit liegt ein Zulassungserfordernis vor, da nur Regelreserveanbieter mit bestimmten Anlagen im Portfolio Zutritt zum Markt erhalten. Die Rahmenbedingungen des Regelreservemarkts werden durch die Ausschreibungsbedingungen2 vorgeschrieben, die als Marktmodalitätenbestimmungen zu qualifizieren sind. Die mehrmalige Fortentwicklung dieser Ausschreibungsbedingungen zeigt die steuernde Wirkung, die die Gestaltung des Marktdesigns insbesondere im Hinblick auf die Akteursstruktur entfaltet, da hier 2

Die Regelreserve-Ausschreibungsbedingungen enthalten unter anderem Regelungen zum Ausschreibungszyklus, zum Ausschreibungszeitpunkt, zu den Produktzeitscheiben, zur Angebotsmenge sowie zum Abrechnungsverfahren.

Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse

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durch zahlreiche neue Akteure und Technologien den Markt betreten haben. Auch das Verhalten der Marktteilnehmer wird durch die Marktmodalitätenbestimmungen des Regelreservemarkts gesteuert. 4. Die regulatorischen Steuerungsinstrumente der Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen können von verschiedenen Urhebern erlassen werden. Im Rahmen der Urheberschaft von Regelwerken sind unterschiedliche Dimensionen und Grade möglich, die sich auf der gleitenden Skala zwischen den Polen der imperativen Regulierung durch Hoheitsträger und der privaten Selbstregulierung befinden. Im Rahmen der imperativen Regulierung durch Hoheitsträger ergreift der Staat bzw. die Europäische Union normative Maßnahmen, ohne dabei private Akteure in die Erarbeitung bzw. den Erlass einzubinden. Ebenfalls (noch) als hoheitliches Handeln einzustufen ist die Regulierung durch den Hoheitsträger unter Aufnahme von Elementen privater Selbstregulierung. Die rechtlich verbindlichen Rechtsakte werden hierbei unter Einbindung Privater erlassen. Hingegen ist das Konzept der regulierten Selbstregulierung geprägt von privatem Handeln, wobei dieses jedoch weiterhin einer staatlichen Steuerung unterliegt. Diese offenbart sich zum einen in einer lenkenden Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Privaten tätig werden, zum anderen in der staatlichen Kontrollmöglichkeit über das private Handeln in Verbindung mit einer hoheitlichen Letztentscheidungsbefugnis. Das Konzept der regulierten Selbstregulierung kann auch eine private Normsetzung umfassen. In diesem Fall beschränkt sich die hoheitliche Einflussnahme auf das Setzen von Rahmenvorgaben hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der privaten Regelwerke und der Staat zieht sich auf die Gewährleistungsverantwortung zurück. Um den grundrechtlichen Schutzpflichten Leistung zu tragen, trifft ihn eine Beobachtungs- und Kontrollpflicht, sodass er bei defizitärem Handeln der Privaten im Rahmen seiner Letztentscheidungskompetenz korrigierend einschreiten kann. Der weitere Grundtypus der privaten Selbstregulierung findet vollständig im privaten Bereich statt. Dabei erfolgt die private Selbstregulierung ohne jegliche hoheitliche Einflussnahme außerhalb der allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben. Im Regelreservemarkt erfolgt die Regulierung durch deutsche und europäische Hoheitsträger, jedoch werden die ÜNB als private Akteure intensiv in den Normsetzungsprozess eingebunden. So bestimmt das Konzept der regulierten Selbstregulierung maßgeblich den Regelreservemarkt, da die ÜNB durch die Präqualifikations- und Ausschreibungsbedingungen an vielen Stellen das Marktdesign festschreiben. Durch den meist erforderlichen Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Regulierungsbehörde erfolgt zwar keine Verrechtlichung der privaten Regelwerke, jedoch sichert dieser die hoheitliche Letztentscheidungskompetenz und die Einhaltung der hoheitlich vorgegebenen Rahmenbedingungen für das Marktdesign. Als ungenügend wird in dieser Arbeit gerügt, dass nicht immer, wenn in den für den Regelreservemarkt relevanten Kommissionsleitlinien auf das Konzept der regulierten Selbstregulierung zurückgegriffen wird, eine behördliche Genehmigung vorgeschrieben ist. Überträgt der Staat die Marktgestaltung jedoch auf Dritte, so muss er zum Schutz der Grundrechte Dritter stets Kontrollinstrumente

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Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 

bedienen können. Hier sieht die Verfasserin dieser Arbeit Überarbeitungsbedarf der Kommissionsleitlinien Guideline on Electricity Balancing und Guideline on System Operation zum grundrechtlichen Schutz der Marktteilnehmer. 5. Da die Steuerung wettbewerblicher Märkte in der Regel mit Eingriffen in die Interessen und Rechte der etablierten sowie der potenziell neuen Marktteilnehmer einhergeht, müssen die Steuerungssubjekte beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen die jeweils für sie geltenden materiellen primär- und verfassungsrechtlichen Grenzen beachten. Dabei ist danach zu differenzieren, ob es sich um allgemeine, das heißt für alle Marktteilnehmer einheitlich geltende Normen, oder aber um Sonderregelungen, welche nur spezielle Akteure oder Produkte adressieren, handelt. Als primärrechtliche Grenzen für allgemein geltende Marktzutrittsregeln und Marktmodalitäten wurden in der vorliegenden Arbeit die Grundfreiheiten, die europäischen Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta sowie das EU-Wettbewerbsrecht untersucht. Die verfassungsrechtlichen Grenzen ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten des Grundgesetzes. Hinsichtlich der Grundfreiheiten ist im Regelreservemarkt insbesondere die Grenze der Warenverkehrsfreiheit von Relevanz für den Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen. Diese entfalten eine Bindungswirkung für die Unionsorgane sowie für die Mitgliedstaaten. Äußerst umstritten und teils auch für die einzelnen Grundfreiheiten unterschiedlich beurteilt ist die Grundfreiheitenverpflichtung Privater. Die überzeugendsten Argumente sprechen für eine Ausdehnung der Grundfreiheitenverpflichteten auf kollektiv handelnde Private, da diese quasi-hoheitliche Machtbefugnisse innehaben. Folgt man dieser Ansicht sind auch private Einrichtungen und Organisationen beim Erlass von abstrakt-generellen Regelwerken zur Marktgestaltung an die Grundfreiheiten gebunden. Im Rahmen der EU-Grundrechte-Charta können insbesondere die Berufsfreiheit (Art.  15 GRCh), die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh) und die Eigentumsfreiheit (Art. 17 GRCh) einen Schutz der etablierten sowie der neuen Marktteilnehmern vor unverhältnismäßigen Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen darstellen. Allerdings entfalten die EU-Grundrechte nur materiell-rechtliche Grenzen für unionale und nationale Hoheitsträger, nicht jedoch für normsetzende Private, sofern diese jedenfalls nicht von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Das EU-Wettbewerbsrecht findet neben der Warenverkehrsfreiheit Anwendung im Hinblick auf die normsetzende Tätigkeit privater Unternehmen. Das Kartellverbot des Art. 101 AEUV ist beim gemeinschaftlichen Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen nicht betroffen, wenn die Zusammenarbeit der Unternehmen im Rahmen der gemeinschaftlichen Normsetzung der Wettbewerbsförderung dient. Bezüglich der Prüfung am Maßstab des Missbrauchsverbots ist festzuhalten, dass die für die Marktorganisation eines Markts zuständigen privaten Einrichtungen eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV innehaben, was ihnen den Erlass wettbewerbswidriger und diskriminierender Regelwerke und damit die ungerechtfertigte Verhinderung eines Marktzutritts einzelner Marktteilnehmer untersagt.

Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse

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Beim Erlass von allgemein geltenden Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen durch nationale Hoheitsträger sind diese darüber hinaus an die Grundrechte der Verfassung gebunden; Unionsorgane hingegen sind keine (unmittelbaren) Verpflichtungsadressaten der nationalen Grundrechte. Private sind grundsätzlich ebenfalls nicht an die Grundrechte gebunden, es sei denn, sie werden von der inländischen öffentlichen Hand beherrscht. Die Grenzen für die handelnden Steuerungssubjekte ergeben sich insbesondere aus der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG). Andere Grenzen ergeben sich teilweise beim Erlass von Sonderregelungen, da hier der Fokus auf der Unterbindung diskriminierender Ungleichbehandlungen liegt. Untersucht wurden insbesondere die materiell-rechtlichen Grenzen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes der EU-Grundrechte-Charta (Art. 20 GRCh), das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV und das europäische Wettbewerbsrecht sowohl hinsichtlich des Beihilferechts (Art. 107 f. AEUV) als auch bezüglich der Vorschriften für Unternehmen (Art. 101 f. AEUV). Die Untersuchung der jeweiligen Bindungswirkung zeigt unterschiedliche Ergebnisse jeweils für Unionsorgane, nationale Hoheitsträger und private Einrichtungen und Organisationen, wobei jede Grenze separate Verpflichtungsadressaten festlegt. Verfassungsrechtlich wurde der Schwerpunkt der Untersuchung auf die gleichheitsrechtlichen Aspekte der Grundrechte im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG gelegt sowie ergänzend das Verbot von Einzelfallgesetzen (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG) untersucht. Auch für den Erlass von Sonderregelungen gilt, dass die nationalen Grundrechte nur Grenzen für nationale Hoheitsträger aufspannen, während normsetzende private Einrichtungen und Organisationen grundsätzlich keine Verpflichtungsadressaten sind, sofern der Staat nicht mehrheitlicher Anteilseigner ist. Die Analyse der materiell-rechtlichen Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen zeigt, dass die Bindungswirkung im Rahmen des privaten Normerlasses nicht identisch mit der hoheitlichen Rechtssetzung ist, sondern die jeweiligen Schranken oft nur eine eingeschränkte bzw. überhaupt keine unmittelbare Verpflichtungswirkung für Private entfalten. Hier zeigt sich die Bedeutung der mittelbaren Drittwirkung sowie der staatlichen Schutzpflichten, damit auch bei einer privaten Marktgestaltung die Rechte Dritter hinreichend berücksichtigt werden. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass bei der Marktgestaltung durch Private zusätzliche Grenzen, die nicht für Hoheitsträger gelten wie zum Beispiel das Wettbewerbsrecht im Rahmen des privaten Normerlasses Berücksichtigung finden müssen. Hierdurch zeigt sich bei der Kombination von hoheitlicher Regulierung und regulierter Selbstregulierung in der Summe ein Plus an einzuhaltenden Grenzen gegenüber der alleinigen imperativen Regulierung durch die Hoheitsträger. 6. Werden die in Teil 5 dargestellten Grenzen beim Erlass von Marktzutrittsregeln und Marktmodalitätenbestimmungen überschritten, stehen den bisherigen sowie den potenziellen neuen Marktteilnehmern diverse Rechtsschutzmöglichkei-

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Teil 7: Zusammenfassung der wesentlichen Thesen und Ergebnisse 

ten hiergegen zu. In diesem Rahmen ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich um hoheitliche oder privatrechtliche Regelwerke handelt. Im Regelreservemarkt ist gegen die Festlegungen der Bundesnetzagentur gemäß der abdrängenden Sonderzuweisung in § 75 Abs. 4 EnWG der Zivilrechtsweg eröffnet. Hier bietet die Beschwerde nach §§ 75 ff. EnWG Rechtsschutzmöglichkeiten, jedoch müssen die Marktteilnehmer die hohe Hürde der Beschwerdebefugnis überwinden. Verfassungsrechtliche Instrumente zur unmittelbaren Überprüfung von Gesetzen scheitern entweder an der fehlenden Antragsberechtigung der Marktteilnehmer bzw. der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, sodass die konkreten Vollzugsakte zunächst vor den ordentlichen oder Fachgerichten gerügt werden müssen. Auch der unionsrechtliche Rechtsschutz stellt im Rahmen der Nichtigkeitsklage hohe Zulässigkeitsanforderungen hinsichtlich der Klagebefugnis auf, die von den Marktteilnehmern nur selten erfüllt sein dürften. Begehren die Marktteilnehmer Rechtsschutz gegen privatrechtliche Regelwerke, die von privaten Einrichtungen oder Organisationen erlassen wurden, so kommt es bei der Auswahl der Rechtsschutzinstrumente darauf an, ob diese mit oder ohne behördliche Genehmigung erlassen wurden. Als Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Genehmigung kommt insbesondere die Drittanfechtungsbeschwerde nach §§ 75 ff. EnWG in Betracht, wobei auch hier die soeben genannten hohen Zulässigkeitsanforderungen gelten. Behördlicher Rechtsschutz im Rahmen des besonderen Missbrauchsverfahrens (§ 31 EnWG) und des Aufsichtsverfahrens (§§ 65 ff. EnWG) sind aufgrund der Identität der Genehmigungs- mit der Verfahrensbehörde nicht effektiv, die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Als 1 VwGO ist mangels Rechtswegeröffnung nicht einschlägig. Anders gestaltet sich die Situation, sofern die privaten Regelwerke ohne behördliche Genehmigung erlassen wurden. Obwohl hier ein behördliches Verfahren grundsätzlich effektiv wäre, bieten die Verfahren im EnWG aufgrund der Beschränkung des Prüfungsumfangs auf das EnWG und die darauf basierenden Rechtsverordnungen keinen ausreichenden Rechtsschutz gegen die privatrechtlichen Regelwerke im Regelreservemarkt. Mangels öffentlich-rechtlicher Streitigkeit ist ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz genauso wenig möglich. Der zivilgerichtliche Rechtsschutz ist mit Ausnahme des kartellrechtlichen Beseitigungsanspruchs nach § 33 GWB im Rahmen einer Leistungsklage nicht einschlägig. Die defizitäre Ausgestaltung des Rechtsschutzes gegen Regelwerke der ÜNB wird durch die Einführung eines spezifischen Beschwerdeverfahrens in den Kommissionsleitlinien kompensiert. Dieses ist in Art. 5 Abs. 8 Guideline on Electricity Bal­ ancing bzw. Art. 6 Abs. 10 Guideline on System Operation bis auf unwesentliche Wortabweichungen deckungsgleich niedergelegt ist. Bei diesem verhältnismäßig jungen Rechtsschutzmittel zeigen sich insbesondere hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit offene Rechtsfragen mit Klärungsbedarf für Literatur und Rechtsprechung, da die Auslegung des Begriffs „Beteiligte“ mehrere Interpretationen zulässt. Auch ist die Zuständigkeit für den Rechtsschutz gegen gemeinschaftliche Regelwerke mehrerer oder aller europäischen ÜNB nicht effektiv ausgestaltet.

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Sachwortverzeichnis Ausschreibungsverfahren  56 ff., 137 ff., 151 ff., 210, 300 Ersatzreserve  41 f., 51 EU-Grundrechte-Charta  211 ff., 247 ff., 264 f. europäische Plattformen für den ­europäischen Austausch von aFRR- und mFRR  51, 84 ff., 332 ff. EU-Wettbewerbsrecht  226 ff., 272 ff., 290 f., 317 Frequenzhaltungsreserve  37 ff., 73 ff., 80, 87 f., 125 Frequenzwiederherstellungsreserve mit automatischer Aktivierung  39 f., 77 ff., 80 ff., 84 ff., 95, 125 Frequenzwiederherstellungsreserve mit manueller Aktivierung  40 f., 79 ff., 84 ff., 95, 125 Grundfreiheiten  195 ff., 268 ff. Grundrechte  247 ff., 279 ff.

Marktmodalitätenbestimmungen  23 f., 128 ff., 328 f. Marktzutrittsregeln  23 f., 144 ff., 328 f. Netzkodizes  166 ff., 170 ff. Normwiederholungsverbot  91 ff. Präqualifikationsverfahren  66 ff., 124 ff., 208 ff. private Normsetzung  107 f., 143 ff., 178 ff., 227 ff., 272 ff., 286 ff., 309 ff., 311 ff. Rechtsschutz  151, 156, 292 ff., 331 ff. Regelarbeit  34 f. Regelarbeitsmarkt  32 ff., 80 ff., 95, 196 f. Regelenergie 33 Regelleistung  34 f. Regelreserve 33 regulatorische Steuerungsinstrumente ​ 105 ff. Regulierte Selbstregulierung  107 f., 143 ff., 172 ff., 288 Regulierungsbegriff  102 ff.

Hoheitliche Normsetzung  107, 146 ff. Komitologieverfahren  52, 162 ff. Kommissionsleitlinien  66 ff., 72 ff., 163 ff., 180 ff., 318 ff.

Sonderregelungen  89 ff., 110 ff., 264 ff., 330 f. Vorrang des Unionsrechts  91 f., 250