Referenz, Quantifikation und ontologische Festlegung 9783110327212, 9783110326758

Jeder wissenschaftlichen Theorie und jedem alltäglichen Weltbild liegen "ontologische Festlegungen" zugrunde,

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Referenz, Quantifikation und ontologische Festlegung
 9783110327212, 9783110326758

Table of contents :
Inhalt
I. ONTOLOGISCHE FESTLEGUNG
1. Was ist ontologische Festlegung?
2. Ontologische Festlegung und Wirklichkeit
3. Carnaps ontologischer Pragmatismus
4. Prinzipien der ontologischen Festlegung
II. GIBT ES ONTOLOGISCH NEUTRALEÄUSSERUNGEN?
1. Die Paraphrasierungsstrategie
2. “Kontextuelle Semantik”1
3. Ist die Objektsprache ontologisch neutral?
4. Seinsweisen
III. ONTOLOGIE UND LOGIK
1. Natürliche und reglementierte Sprachen
2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation
3. Existenzfreie Logiken
4. Ist Existenz ein Prädikat?
IV. PROBLEME DER ONTOLOGISCHENFESTLEGUNG
1. Fiktive Gegenstände
2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände
3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände
4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände
Literatur
Personenregister
Sachregister

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Maria Elisabeth Reicher

Referenz, Quantifikation und ontologische Festlegung

Philosophische Analyse Philosophical Analysis Herausgegeben von / Edited by Herbert Hochberg • Rafael Hüntelmann • Christian Kanzian Richard Schantz • Erwin Tegtmeier Band 10 / Volume 10

Maria Elisabeth Reicher

Referenz, Quantifikation und ontologische Festlegung

ontos verlag Frankfurt I Paris I Ebikon I Lancaster I New Brunswick

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2005 ontos verlag P.O. Box 15 41, D-63133 Heusenstamm www.ontosverlag.com ISBN 3-937202-39-0

2005 No part of this book may be reproduced, stored in retrieval systems or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, microfilming, recording or otherwise without written permission from the Publisher, with the exception of any material supplied specifically for the purpose of being entered and executed on a computer system, for exclusive use of the purchaser of the work

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Für Hannes

Danksagung Das vorliegende Buch ist hervorgegangen aus meiner Habilitationsschrift, die im Mai 2003 an der Karl-Franzens-Universität Graz eingereicht wurde. Den Gutachtern Univ.-Prof. Dr. Reinhard Kamitz, Univ.Prof. Dr. Reinhard Kleinknecht und Univ.-Prof. Dr. Godehard Link danke ich für wertvolle Hinweise und konstruktive Kritik. Mein besonderer Dank gilt Univ.-Prof. Dr. Werner Sauer, der seine Einwände in einem ausführlichen kritischen Kommentar zu meiner Arbeit schriftlich niedergelegt hat. Mein wichtigster Diskussionspartner während der Entstehung dieses Buches (und auch in den Jahren davor) war Johann Christian Marek. Er hat eine frühere Fassung der Arbeit vollständig und die vorliegende teilweise gelesen und zahlreiche Verbesserungsvorschläge gemacht. Ihm verdanke ich freilich viel mehr als nur das. Seine Liebe ist meine wichtigste Quelle für Lebenskraft, Freude und Vertrauen in mich selber – die unabdingbaren Voraussetzungen für jegliche Leistung. Finanziell wurde die Arbeit an diesem Buch unterstützt in Form einer dreijährigen Hertha-Firnberg-Nachwuchsstelle (2001–2003) am Institut für Philosophie der Universität Graz, finanziert aus Mitteln des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, sowie durch ein Stipendium der Université de Genève (Jänner – September 2004). M. E. R. Graz, März 2005

Inhalt I. ONTOLOGISCHE FESTLEGUNG ...........................................7 1. Was ist ontologische Festlegung? .........................................9 2. Ontologische Festlegung und Wirklichkeit ........................... 17 3. Carnaps ontologischer Pragmatismus .................................. 23 4. Prinzipien der ontologischen Festlegung .............................. 31 Vier “existentielle Prinzipien” ............................................. 33 Das Prädikationsprinzip ..................................................... 37 Spezifikation der Kriterien (SOF1) und (GOF1) .................... 41 II. GIBT ES ONTOLOGISCH NEUTRALE ÄUSSERUNGEN? ....................................................... 43 1. Die Paraphrasierungsstrategie ............................................ 47 Einwände gegen die Paraphrasierungsstrategie ................... 52 Wann ist eine Paraphrasierung adäquat? ............................. 56 Bedeutungsgleichheit und Mehrdeutigkeit ............................ 60 Logische Mehrdeutigkeit .................................................... 67 2. “Kontextuelle Semantik” .................................................... 73 Ein nicht-referentieller Wahrheitsbegriff ............................. 73 Indirekte Übereinstimmung und Paraphrasierungen ............. 78 Wozu verschiedene Standards der Behauptbarkeit? ............. 87 3. Ist die Objektsprache ontologisch neutral? ........................... 91 4. Seinsweisen ...................................................................... 95 Ryles Argument für eine Vielheit von Seinsweisen .............. 99 Die Redundanz von Seinsweisenunterscheidungen. Eine Analogie ............................................................. 103 Sein und Wie-Sein ........................................................... 105 III. ONTOLOGIE UND LOGIK .............................................. 109 1. Natürliche und reglementierte Sprachen ............................ 111 Logische und grammatikalische Struktur ........................... 111 Probleme der logischen Interpretation ............................... 115 2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation ............................................................. 121 Die Quantoreninterpretation der Existenz .......................... 128 Gegenständliche und ontologisch neutrale Quantifikation .... 134 Die substitutionale Interpretation der Quantifikation ........... 134

Inhalt

Nicht-substitutionale ontologisch neutrale Interpretationen der Quantifikation ........................................................137 Wozu ontologisch neutrale Quantoren? ..............................144 Was ontologisch neutrale Quantifikation nicht leistet ..........150 Ontologisch neutrale Quantifikation und leere singuläre Terme .........................................................................151 Ontologisch neutrale Quantifikation und Modalität ..............159 Das Problem der namenlosen Gegenstände .......................162 Konklusion ......................................................................164 3. Existenzfreie Logiken .......................................................167 Die Existenzvoraussetzungen der klassischen Quantorenlogik ............................................................167 Einwände gegen Existenzvoraussetzungen in der Logik ......172 In welchem Sinn sind existenzfreie Logiken existenzfrei? ...173 “Meinongianische existenzfreie Logiken” ..........................174 Existenzfreie Logiken im eigentlichen Sinne .......................181 Existenzfreie Logiken und ontologische Festlegung .............184 4. Ist Existenz ein Prädikat? .................................................193 Der ontologische Gottesbeweis und das Problem singulärer Existenzsätze ...............................................194 Das Redundanzargument .................................................197 Die Formalisierung genereller Existenzsätze ......................199 Freges Analyse des Existenzbegriffs .................................201 Begriff und Gegenstand ...................................................204 Sollen singuläre Existenzsätze aus der Sprache verbannt werden? ......................................................................207 Russells Kennzeichnungstheorie .......................................209 Die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen .....................210 Probleme der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen .......211 Eine modifizierte Theorie der Eigennamen: Deskriptiver und nicht-deskriptiver Gebrauch .................213 Definitorischer und nicht-definitorischer Gebrauch von Kennzeichnungen ........................................................217 Konklusion: Existenz ist kein Prädikat erster Stufe .............220 IV. PROBLEME DER ONTOLOGISCHEN FESTLEGUNG ....223 1. Fiktive Gegenstände .........................................................226 Das Problem ...................................................................226

Inhalt

Eine realistische Ontologie fiktiver Gegenstände ................ 232 Zwei Arten von Prädikaten .............................................. 234 Unvollständigkeit ............................................................. 244 Eine realistische Ontologie kultureller Gegenstände ............ 245 2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände ............................................................... 255 Soll das Relationsprinzip aufgegeben werden? ................... 258 Kann eine meinongianische Ontologie das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände lösen? ...... 260 Die Mehrdeutigkeit intentionaler Ausdrücke ...................... 269 3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände ............................................................... 275 Eine nicht-temporale Interpretation von “existieren” .......... 277 Die Interpretation der nicht-perspektivischen Zeitlichkeit .... 280 Die temporale Interpretation von “existieren” und die logische Rekonstruktion der Zeitformen ........................ 282 Die systematische Mehrdeutigkeit schwacher Vergangenheits- und Zukunftssätze .............................. 287 4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände ............................................................... 289 Literatur ................................................................................... 297 Personenregister ....................................................................... 317 Sachregister ............................................................................. 319

I. ONTOLOGISCHE FESTLEGUNG

1. Was ist ontologische Festlegung? Philosophische Probleme entstehen oft aus dem Konflikt zweier oder mehrerer Überzeugungen. Es ist eine Grundforderung an Rationalität, das Gesamtsystem der Überzeugungen (sei es das System der persönlichen Überzeugungen eines einzelnen Individuums, sei es das System der Überzeugungen einer sozialen Gruppe) frei von Widersprüchen zu halten. Da dieser Mindeststandard an Rationalität (wenigstens implizit) von den meisten Menschen akzeptiert werden dürfte, bekennt kaum jemand sich bewusst dazu, einander Widersprechendes für wahr zu halten und diesen Zustand einfach zu akzeptieren. Philosophische Reflexion führt uns aber oft zu der Einsicht, dass wir unwissentlich einander Widersprechendes für wahr gehalten haben, dass also das System unserer Überzeugungen inkonsistent war, ohne dass wir uns dessen bewusst waren. Für alle, die Konsistenz des Überzeugungssystems als Mindeststandard an Rationalität akzeptieren, ist ein Widerspruch innerhalb dieses Systems ein Stachel im Fleisch, den es unter allen Umständen zu entfernen gilt. Der Widerspruch muss aufgelöst, die Konsistenz des Systems hergestellt werden. Die Inkonsistenz des Systems der Überzeugungen kann verschiedene Quellen haben und verschiedene Formen annehmen. Eine davon – und diese ist Thema der vorliegenden Arbeit – hat zu tun mit Problemen der ontologischen Festlegung.1 Was ist das: ontologische Festlegung, und was ist daran problematisch? – Es ist eines der Ziele der vorliegenden Arbeit, auf diese Fragen eine genaue Antwort zu geben. Naturgemäß können diese Antworten nicht am Beginn der Arbeit stehen. Aber ein erster Hinweis darauf, worum es geht, muss doch versucht werden: Die Ontologie ist jene philosophische Kerndisziplin, die im Wesentlichen zwei Fragen zu beantworten sucht, die freilich auf verschiedene Weisen formuliert werden können: 1. Was gibt es? Was existiert? Welche Gegenstände konstituieren das, was wir “Realität” nennen? 2. Was heißt es, dass ein Gegenstand bzw. eine Art von Gegenständen existiert? Was heißt es zu sagen, dass es einen Gegenstand bzw. eine Art von Gegenständen gibt?

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Die englische Entsprechung dieses Terminus lautet “ontological commitment”, was häufig mit “ontologische Verpflichtung” übersetzt wird. In diesem Buch wird durchgängig der Ausdruck “ontologische Festlegung” verwendet.

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I. Ontologische Festlegung

Diese beiden Fragen sind eng miteinander verwoben, so dass die Beschäftigung mit der einen notwendigerweise an irgendeinem Punkt in eine Beschäftigung mit der anderen mündet, egal mit welcher der beiden man beginnt. Das auf den ersten Blick verblüffende an diesen beiden Fragen ist ihre augenscheinliche Einfachheit, die man bei den Grundfragen einer philosophischen Disziplin, deren Untersuchungen nicht nur der uneingeweihten Leserin meistens sehr verwickelt und nicht selten auch sehr dunkel erscheinen, kaum erwarten würde. Die zweite Frage betrifft die Bedeutung von Ausdrücken, die wir im Alltag und in den verschiedensten Wissenschaften ständig mit größter Selbstverständlichkeit gebrauchen und an denen uns kaum jemals etwas problematisch oder unklar erscheint – so lange wir nicht Ontologie betreiben. Wir verstehen doch sehr gut, was es heißt, dass Kentauren nicht existieren, dass es aber schwarze Schwäne gibt, dass Jugoslawien nicht mehr existiert und dass es im Kühlschrank noch Käse gibt. Die erste Frage – “Was gibt es?”, “Was existiert?” – sieht zunächst aus wie eine Frage, die grundsätzlich durch empirische Untersuchungen zu beantworten ist. Aber dieser Eindruck trügt. Zumindest manche Existenzfragen sind offensichtlich nicht durch empirische Untersuchungen zu beantworten (jedenfalls nicht durch empirische Untersuchungen allein). Solche Existenzfragen sind zum Beispiel: “Gibt es Zahlen?”, “Gibt es Sachverhalte?”, “Gibt es Eigenschaften, zusätzlich zu einzelnen Dingen?”, “Gibt es Universalien?”, “Gibt es abstrakte Gegenstände?”, “Gibt es materielle Gegenstände?”, “Gibt es Gegenstände, die notwendigerweise existieren?”, “Gibt es Gegenstände, die unabhängig von einem Bewusstsein existieren?” Existenzfragen dieser Art werden ausschließlich in philosophischen Diskussionen gestellt. Man könnte den Eindruck haben, dass es einen fundamentalen Unterschied gibt zwischen “philosophischen” und “gewöhnlichen” Existenzfragen wie “Existiert Jugoslawien noch?”, “Gibt es weiße Elefanten?”, “Existiert intelligentes Leben auf anderen Planeten?” Richtig ist, dass wir uns normalerweise zur Beantwortung “gewöhnlicher” Existenzfragen anderer Methoden bedienen als zur Beantwortung “philosophischer” Existenzfragen. Dennoch ist der Unterschied zwischen “gewöhnlichen” und “philosophischen” Existenzfragen nicht so fundamental, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Tatsächlich erweist es sich bei näherem Hinsehen als sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, eine scharfe Grenze zwischen “gewöhnlichen” und “philosophischen” Existenzfragen zu ziehen.

1. Was ist ontologische Festlegung?

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Das liegt einerseits daran, dass auch bei der Beantwortung philosophischer Existenzfragen empirische Evidenzen eine Rolle spielen; andererseits liegt es aber auch daran, dass keine Existenzfrage allein durch Beobachtung zu beantworten ist, dass vielmehr immer schon – implizit oder explizit – theoretische Annahmen gemacht werden. Das Gesagte gilt natürlich nicht nur für Existenzfragen, sondern für Fragen aller Art, und in analoger Weise auch für Behauptungen. Aber in dieser Arbeit steht die Untersuchung von Existenzfragen und Existenzbehauptungen im Vordergrund. Jeder Versuch, Antworten auf Existenzfragen zu finden (oder Existenzbehauptungen zu rechtfertigen), muss ausgehen vom Gesamtsystem unserer Überzeugungen. Jede Person hat eine Vielzahl von Überzeugungen. Die Gesamtheit, das ganze System dieser Überzeugungen konstituieren das, was man ein “Weltbild” nennen könnte. Dazu gehören zum Beispiel banale Alltagsüberzeugungen (wie “Der Monat Februar hat 28 Tage, außer es ist ein Schaltjahr”, “Die Bibliothek hat Donnerstags von 9 bis 12 Uhr geöffnet”) ebenso wie Überzeugungen, welche das augenblickliche persönliche Befinden betreffen (“Ich habe jetzt Hunger”, “Ich bin müde”), Überzeugungen, die ihre Grundlage in gegenwärtigen Sinneswahrnehmungen haben (“Es ist sonnig”, “Die Suppe ist zu heiß”), Überzeugungen, die wir den Berichten oder Erklärungen anderer verdanken (“Wasser ist H2O”, “Vor 150 Jahren gab es keine Elektrizität in den Dörfern”) bis zu ethischen und sonstigen Werteinstellungen (“Freundschaft ist das Wichtigste im Leben”, “Alle Politiker sind korrupt”), und vieles andere. Die meisten dieser Überzeugungen sind nur dispositionell vorhanden: wir denken nicht aktuell an sie, aber wir haben sie doch in dem Sinn, dass wir jederzeit bereit sind, Sätzen, die diese Überzeugungen ausdrücken, zuzustimmen. In diesem Sinn hat jede Person ihr eigenes “Weltbild”, ihr – mit großer Wahrscheinlichkeit – einzigartiges System von Überzeugungen. Wenn wir von manchen dieser Überzeugungen absehen, können wir aber auch vom “Weltbild” einer sozialen Gruppe, einer Wissenschaft oder einer Kultur reden. Wenn also eine Existenzfrage oder eine Existenzbehauptung zur Diskussion steht, dann steht grundsätzlich das Weltbild als Ganzes, die Gesamtheit unserer Überzeugungen zur Diskussion. Das gilt für “gewöhnliche” Existenzfragen und Existenzbehauptungen ebenso wie für philosophische. Der Unterschied besteht nur darin, dass manche Existenzfragen und Existenzbehauptungen mehr Einfluss auf das Weltbild haben als andere. Für manche Exis-

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I. Ontologische Festlegung

tenzfragen gilt, dass es keine große Rolle für das Weltbild als Ganzes spielt, wie sie beantwortet werden, weil von ihrer Beantwortung wenige andere Überzeugungen abhängen; andere Existenzfragen wiederum sind derart, dass von ihrer Beantwortung ein großer Bereich des Weltbildes betroffen ist. Sicher, wenn ich feststelle, dass (entgegen meinen Erwartungen) in meiner neuen Wohnung kein Telefon existiert, so hat das Einfluss auf mein Weltbild. Diese eine Überzeugung, so banal und alltäglich sie ist, hat Auswirkungen auf andere Teile des Gesamtsystems meiner Überzeugungen, beispielsweise auf meine Überzeugungen darüber, wie ich Verabredungen treffen kann. Aber diese Auswirkungen sind sehr gering im Vergleich zu den Auswirkungen, die es hätte, wenn ich zu der Überzeugung gelangen würde, dass überhaupt keine materiellen Gegenstände existieren. Diese Überzeugung würde große Teile meines Weltbildes betreffen und einen gewaltigen Umbau im Gesamtsystem meiner Überzeugungen nötig machen. Der Unterschied zwischen philosophischen und nicht-philosophischen Überzeugungen bzw. Fragen ist also eher gradueller denn grundsätzlicher Natur, wobei das philosophische Nachdenken sich auszeichnet durch die Bereitschaft, größere Bereiche des Überzeugungssystems einer kritischen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls zu revidieren.2 Vor diesem Hintergrund ist es besser zu verstehen, dass in der Philosophie außerordentlich komplexe und theoretische Fragen oft ausgehend von scheinbar ganz banalen Alltagsüberzeugungen diskutiert werden. Die vorliegende Arbeit ist voll von Beispielen für diese Art des Philosophierens: Es geht um die Beziehung von Denken und sprachlichem Ausdruck, um die Beziehung von Wahrheit und Wirklichkeit, um die Beziehung zwischen natürlichen und formalen Sprachen, um die Beziehung zwischen logischer Struktur und Bedeutung, und letztlich um die ontologischen Grundfragen: “Was existiert?” und “Was heißt es zu sagen, dass etwas existiert?” Diese sehr allgemeinen Fragen werden diskutiert ausgehend von gewöhnlichen Alltagsüberzeugungen, wie zum Beispiel: “Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie.” “Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß.” “Aristoteles war ein Schüler von Platon.” Im Rahmen der vorliegenden Arbeit geht es in erster Linie um eine besondere Art von Überzeugungen, die ich “ontologische Überzeugungen” nenne. Ontologische Überzeugungen (in dem hier intendierten weiten Sinn) sind alle 2

Siehe Quine 1953c.

1. Was ist ontologische Festlegung?

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Überzeugungen, die die Existenz bzw. Nichtexistenz von irgendetwas betreffen. Die ontologischen Überzeugungen betreffen direkt die ontologische Grundfrage “Was gibt es?”, bzw. “Was existiert?”. Beispiele dafür sind: “Es gibt keine Zentauren”, “Es gibt schwarze Schwäne”, “Es gibt Zahlen”, “Es gibt materielle Gegenstände”, “Es gibt keine Universalien”, “Es gibt Käse im Kühlschrank”, “Jugoslawien existiert nicht mehr”. Manche Ontologen wollen von “ontologischen Überzeugungen” nur in Zusammenhang mit “philosophischen”, nicht aber in Zusammenhang mit “gewöhnlichen” Existenzfragen sprechen. Diese Ontologen würden sagen, dass “Es gibt Universalien” eine ontologische Überzeugung ausdrückt, nicht aber “Es gibt Käse im Kühlschrank”. Nicht zuletzt aufgrund der bereits angesprochenen Schwierigkeit, “philosophische” von “gewöhnlichen” Existenzfragen abzugrenzen und aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit aller Überzeugungen, die ein Weltbild konstituieren, verwende ich den Ausdruck “ontologische Überzeugung” hier für Existenzüberzeugungen jeder Art. Ich nenne die Sätze, die ontologische Überzeugungen ausdrücken, “Existenzsätze”. Wie die Beispiele schon zeigen, enthält nicht jeder Satz, den ich hier und fortan einen “Existenzsatz” nenne, das Zeitwort “existieren”. Manche von ihnen enthalten statt dessen den Ausdruck “es gibt”. Es gibt aber noch andere Arten von Existenzsätzen, zum Beispiel: “Es besteht die Möglichkeit, dass es morgen regnet.” “Materielle Gegenstände haben Sein.” “Materielle Gegenstände sind seiend.” “Gott ist.” Einen “Existenzsatz” nenne ich also unter anderem jeden Satz, der zum Ausdruck bringt, dass es etwas gibt, oder dass etwas existiert, oder dass etwas besteht, oder dass etwas ist, oder dass etwas Sein hat. (“Etwas” bedeutet hier so viel wie “ein Gegenstand”.3) Ich habe hier nur die gebräuchlichsten Ausdrücke erwähnt; es gibt noch weitere Arten von Existenzsätzen. Ich gehe davon aus, dass alle diese Sätze entweder überhaupt synonym sind, oder aber dass sie zumindest eine gemeinsame Kernbedeutung haben; in letzterem Fall ist es diese gemeinsame Kernbedeutung, die es ausmacht, dass sie alle ontologische Überzeugungen zum Ausdruck bringen. 3

Diese einschränkende Zusatzbemerkung ist notwendig, weil in manchen Sätzen das “etwas” in “es gibt etwas” nicht die Bedeutung von “ein Gegenstand” hat und weil diese Sätze – entgegen dem ersten Anschein – keine Existenzsätze sind. Das ist ein Vorgriff auf Kapitel III.2.

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I. Ontologische Festlegung

Ich kann nun eine erste Explikation des Begriffs der ontologischen Festlegung geben. Eine Person S ist ontologisch festgelegt durch ihre ontologischen Überzeugungen. Ontologische Überzeugungen werden ausgedrückt durch Existenzsätze. Die Gesamtheit der ontologischen Überzeugungen von S determiniert die Gesamtheit der ontologischen Festlegungen von S. S ist also ontologisch festgelegt auf diejenigen Gegenstände, von denen S glaubt, dass es sie gibt bzw. dass sie existieren bzw. dass sie bestehen bzw. dass sie Sein oder Existenz haben etc. Manche Ontologen wollen von “ontologischer Festlegung” nur dann sprechen, wenn es um “philosophische” Existenzüberzeugungen geht. Man kann demnach ontologisch festgelegt sein auf Universalien, nicht aber auf schwarze Schwäne oder Seeungeheuer. Aber eine solche Einschränkung des Begriffs der ontologischen Festlegung wäre nur dann sinnvoll, wenn es möglich wäre, “philosophische” von “gewöhnlichen” Existenzüberzeugungen scharf abzugrenzen und wenn diese beiden Arten von Existenzüberzeugungen voneinander weitgehend unabhängig wären. Beides erscheint mir, wie oben dargelegt, zweifelhaft. Ich halte es daher für besser, den Begriff der “ontologischen Festlegung” so weit zu fassen, dass grundsätzlich Existenzüberzeugungen jeder Art davon umfasst werden. Ich werde mich im Folgenden um der Kürze des Ausdrucks willen meistens auf zwei ontologische Grundvokabeln beschränken: Ich werde entweder sagen, dass ein Existenzsatz ausdrückt, dass es etwas gibt, oder, wahlweise, dass etwas existiert. Ich verwende “es gibt” und “existiert” als gleichbedeutende Ausdrücke, und ich nehme vorläufig an, dass die übrigen ontologischen Vokabeln, auf deren Verwendung ich fortan verzichte, ebenfalls die gleiche Bedeutung haben. Diese Annahme wird später begründet werden.4 Ontologische Überzeugungen und nicht-ontologische Überzeugungen (also alle jene Überzeugungen, die nicht durch Existenzsätze ausgedrückt werden) stehen nicht unverbunden nebeneinander. Die Wahrheit der meisten unserer nicht-ontologischen Überzeugungen hängt von der Wahrheit gewisser ontologischer Überzeugungen ab. Wir haben nicht-ontologische Überzeugungen, die gewisse ontologische Überzeugungen voraussetzen. In diesem Sinn sind ontologische Überzeugungen wesentliche und fundamentale Bestandteile unserer Weltbilder. Zugleich aber sind ontologische Überzeugungen oft nicht explizit, sondern nur implizit vorhanden. Wir haben viele Überzeugungen, die 4

Siehe Kapitel II.4.

1. Was ist ontologische Festlegung?

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nur unter der Voraussetzung gewisser ontologischer Überzeugungen wahr sein können, aber wir machen uns diese ontologischen Voraussetzungen niemals bewusst. Es ist sogar möglich, dass wir überrascht sind, wenn wir eines Tages doch darauf gestoßen werden. Es kann sein, dass wir eine bestimmte ontologische Überzeugung zunächst nicht als Voraussetzung einer unserer nicht-ontologischen Überzeugungen erkennen, dass wir die Wahrheit des betreffenden Existenzsatzes bezweifeln oder sogar bestreiten, obwohl dieser Existenzsatz eine ontologische Überzeugung ausdrückt, die die Voraussetzung von uns ausdrücklich akzeptierter nicht-ontologischer Überzeugungen ist. Es ist also nicht der Fall, dass die ontologischen Festlegungen einer Person S sich in jenen ontologischen Überzeugungen erschöpfen, die in Existenzsätzen ausgedrückt sind, die S explizit akzeptiert. Eine etwas ausführlichere Explikation des Begriffes der ontologischen Festlegung lautet daher wie folgt: (SOF1) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf einen bestimmten Gegenstand a genau dann, wenn gilt: S akzeptiert Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass a existiert. Die ontologische Festlegung auf einen bestimmten Gegenstand a nenne ich singuläre ontologische Festlegung (SOF). Ich unterscheide sie von der ontologischen Festlegung auf beliebige Gegenstände einer bestimmten Art, das heißt, auf beliebige Gegenstände, die ein bestimmtes Prädikat erfüllen. Gegenstände, die ein Prädikat “F” erfüllen, nenne ich im Folgenden kurz “Fs”. (GOF1) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf Fs genau dann, wenn gilt: S akzeptiert Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass Fs existieren. Die ontologische Festlegung auf Fs nenne ich generelle ontologische Festlegung (GOF). Dass eine Person S einen Satz p als wahr akzeptiert, soll heißen: Wenn S gefragt werden würde, ob S p für wahr hält oder nicht, dann würde (vorausgesetzt, S ist in der Lage, p zu verstehen, und S antwortet ehrlich) die Antwort positiv ausfallen. Zweierlei ist hierbei besonders zu beachten:

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I. Ontologische Festlegung

1. Es sind Personen, die ontologisch festgelegt sind – nicht etwa Theorien (wie manchmal zu lesen ist5). 2. Eine Person kann ontologisch festgelegt sein auf verschiedene Gegenstände, ohne sich dieser Festlegungen sozusagen “bewusst” zu sein. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Person sich selbst noch nie die Frage vorgelegt hat, ob sie bestimmte Existenzsätze als wahr akzeptiert oder nicht. Man kann explizite ontologische Festlegungen von impliziten ontologischen Festlegungen unterscheiden. Eine explizite ontologische Festlegung auf einen Gegenstand a bzw. auf Gegenstände, die F sind, liegt vor, wenn eine Person einen Existenzsatz als wahr akzeptiert, der zum Ausdruck bringt, dass a existiert bzw. dass Fs existieren. Im Gegensatz dazu liegt eine implizite ontologische Festlegung dann vor, wenn eine Person S eine Satzmenge akzeptiert, aus der logisch folgt, dass a existiert bzw. dass Fs existieren, die aber die entsprechenden Existenzsätze nicht enthält. Im Idealfall sind die expliziten ontologischen Festlegungen einer Person identisch mit deren impliziten ontologischen Festlegungen. Aber es kann sein, dass eine Person implizit gewisse ontologische Festlegungen akzeptiert, die sie explizit ablehnt. Wenn das der Fall ist, liegt ein Konflikt innerhalb des Überzeugungssystems einer Person vor. Der Konflikt hat typischerweise folgende Form: 1. Eine Person S hält beliebige Sätze p1 – pn für wahr. 2. Aufgrund der logischen Prinzipien, die S akzeptiert, folgt aus p1 – pn ein Existenzsatz q. 3. S hält q nicht für wahr. Es ist klar, dass in diesem Fall das Überzeugungssystem von S inkonsistent ist. Der Fehler kann grundsätzlich an drei Stellen gesucht werden: 1. Es könnte sein, dass mindestens einer der Sätze p1 – pn irrtümlich für wahr gehalten wird, dass also mindestens einer der Sätze p1 – pn tatsächlich falsch ist. 2. Es könnte sein, dass q irrtümlich für falsch gehalten wird, dass q also tatsächlich wahr ist. 3. Es könnte sein, dass die Regeln, auf Grund derer q aus p1 – pn abgeleitet wurde, tatsächlich nicht gültig sind.

5

Siehe zum Beispiel Gottlieb 1974.

2. Ontologische Festlegung und Wirklichkeit Die im vorigen Kapitel formulierten Explikationen der Begriffe der singulären und generellen ontologischen Festlegung sind zugleich Kriterien der ontologischen Festlegung. Kriterien der ontologischen Festlegung ermöglichen es zu entscheiden, auf welche Entitäten eine Person ontologisch festgelegt ist. Ich verteidige in dieser Arbeit eine referentielle Theorie der ontologischen Festlegung.1 Diese besagt im Kern, dass die ontologische Festlegung durch einen als wahr akzeptierten Satz bestimmt ist durch zweierlei: einerseits durch singuläre Terme, die in dem Satz vorkommen, andererseits durch jene Komponenten des Satzes, die in einer formalen Sprache als Existenzquantor und gebundene Variablen dargestellt werden würden. (Letzteres gilt allerdings nur mit der Einschränkung, dass die Variablen Individuenvariablen sind. Quantoren und Variablen, die keine Individuenvariablen sind, bringen keine ontologischen Festlegungen mit sich.2) Unter einem “singulären Term” verstehe ich jeden Ausdruck, dessen primäre Funktion darin besteht, einen ganz bestimmten Gegenstand “herauszugreifen” – etwa als Subjekt einer Prädikation. Für diese Funktion kommen in Frage: Eigennamen (wie “Klaus”, “Hummelbrunner”, “Everest”), bestimmte Beschreibungen (wie “der höchste Berg der Welt”, “die Farbe reifer Erdbeeren”) oder indexikalische Ausdrücke (wie “ich”, “dies”, “jenes”). Als natürlichsprachliche Äquivalente von Quantoren und gebundenen Variablen kommen unter anderem folgende Ausdrücke in Frage: “es gibt etwas”, “es besteht etwas”, “etwas existiert”. Gegen referentielle Kriterien der ontologischen Festlegung wird oft eingewendet, dass sie, uneingeschränkt und wörtlich genommen, zur Konsequenz haben, dass wir alle exzessive ontologische Festlegungen eingehen. So schreibt etwa Frank Jackson: We play fast and loose with the referential apparatus of our language. And when we do so, we do not discriminate between definite singular terms and bound variables. We all, rightly, assent to such sentences as: “There are many differences between cricket and baseball”, “Mr Pickwick is Dickens’s most famous character”, “There is a good chance that she will come”, “Thor does not exist”, and so on.3

1 2 3

Jackson 1980. Siehe dazu Kapitel III.2. Jackson 1980, 304.

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I. Ontologische Festlegung

Für Jackson (wie für viele andere auch) ist es klar, dass eine ontologische Festlegung auf Unterschiede und Chancen ebenso wenig zu akzeptieren ist wie eine ontologische Festlegung auf Mr. Pickwick, den Titelhelden eines Romans von Dickens, und Thor, den Göttervater aus der germanischen Mythologie. Konsequenterweise werden referentielle Kriterien der ontologischen Festlegung von vielen nicht akzeptiert. Der Diskussion derartiger Einwände und daraus resultierender alternativer Auffassungen ist der größte Teil der vorliegenden Arbeit gewidmet. Aber ehe ich mit dieser Diskussion beginne, möchte ich noch eine fundamentalere Frage aufwerfen: Welche Relevanz hat das Problem der ontologischen Festlegung für Fragen der Philosophie im Allgemeinen und der Ontologie im Besonderen? In der Ontologie geht es schließlich in erster Linie um die Frage, was es gibt; und das ist eine ganz andere Frage als die Frage, worauf jemand ontologisch festgelegt ist.4 Es ist denkbar, dass die meisten von uns auf Gegenstände ontologisch festgelegt sind, die nicht existieren, oder dass Gegenstände existieren, auf die niemand ontologisch festgelegt ist. Wozu also die Beschäftigung mit ontologischer Festlegung? Diese Frage betrifft die Methoden des Argumentierens in der Ontologie. Ontologisches Denken ist, wie schon im vorangegangenen Kapitel festgestellt wurde, holistisch. Wir können ontologische Überzeugungen nicht isoliert von anderen Überzeugungen diskutieren. Argumente für eine bestimmte ontologische Annahme laufen stets darauf hinaus, dass die betreffende ontologische Annahme innerhalb eines Systems von Überzeugungen (bzw. einer Theorie) eine Funktion erfüllt. Eine Theorie ist nichts anderes als ein System von Überzeugungen. Weil es dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zuwiderläuft, jedes System von Überzeugungen eine “Theorie” zu nennen, bevorzuge ich den etwas umständlichen Terminus “System von Überzeugungen”. Ich werde aber dort, wo das Sprachgefühl nicht dagegen rebelliert, auch gelegentlich von “Theorien” sprechen. Eine ontologische Annahme ist gerechtfertigt, wenn sie eine Funktion innerhalb eines Überzeugungssystems erfüllt. Diese Funktion kann darin bestehen, Phänomene zu erklären, die ansonsten unerklärt bleiben würden, oder Begriffe zu analysieren, die ansonsten unanalysiert bleiben würden. Kurz: Ein Argument zugunsten einer bestimmten ontologischen Annahme muss zeigen, dass ohne diese Annahme ein gegebenes System von Überzeugungen weniger Erklärungskraft hätte oder inkohärenter wäre. Einige Beispiele sollen diesen Punkt erläutern: 4

Vgl. Quine 1953b.

2. Ontologische Festlegung und Wirklichkeit

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a) Eines der wichtigsten traditionellen Argumente zugunsten der Annahme von Universalien ist das Ähnlichkeitsargument. Das Ähnlichkeitsargument kann wie folgt formuliert werden: 1. xy (x ist y ähnlich  z (x instantiiert z & y instantiiert z)). 2. z (xy (x instantiiert z & y instantiiert z & x  y)  z ist ein Universale)). 3. xy (x ist y ähnlich & x  y)  z (z ist ein Universale). (1,2) 4. xy (x ist y ähnlich & x  y). 5. z (z ist ein Universale). (3,4) Die zweite Prämisse dieses Arguments ist nichts anderes als eine Erläuterung des Universalienbegriffs. Sie besagt, dass etwas, das in mehr als einem Gegenstand instantiiert ist, ein Universale ist. Die hier gegebene Erläuterung ist weithin akzeptiert; sie ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner aller Versuche, den Universalienbegriff zu erläutern. Die vierte Prämisse ist eine kaum bestreitbare empirische Wahrheit: Es gibt mindestens zwei Dinge, die einander ähnlich sind. Das Gewicht des Arguments liegt somit auf der ersten Prämisse. Diese Prämisse ist eine Definition des Ähnlichkeitsbegriffs. Der Punkt des Arguments ist also: Die Annahme von Universalien ermöglicht uns zu verstehen, was es heißt, dass zwei Gegenstände einander ähnlich sind. Ohne diese Annahme könnten wir zwar immer noch feststellen, dass zwei oder mehr Dinge einander ähnlich sind, aber wir könnten nicht erklären, was es bedeutet, dass Dinge einander ähnlich sind. Wir könnten keine Definition des Ähnlichkeitsbegriffs geben. Die Annahme von Universalien erfüllt also eine Funktion im System unserer Überzeugungen. Sie erlaubt uns die Analyse eines alltäglichen Begriffs, der ansonsten (so wird jedenfalls von Vertretern des Ähnlichkeitsarguments behauptet) unanalysiert bleiben müsste. Das Ähnlichkeitsargument wäre nur durch eine Analyse des Ähnlichkeitsbegriffs zu entkräften, die ohne die Annahme von Universalien auskommt. Wäre eine solche alternative Analyse verfügbar, dann wäre gezeigt, dass die Annahme von Universalien für die Analyse des Ähnlichkeitsbegriffs nicht erforderlich ist, und Vertreter eines Universalienrealismus müssten ihre Annahme entweder aufgeben oder aber zeigen, dass diese Annahme andere Funktionen im System der Überzeugungen erfüllt. Selbstverständlich ist damit noch nicht das letzte Wort im Universalienstreit gesprochen. Es mag sein, dass es Argumente gegen die Annahme von Universalien gibt, welche die Erklärungsfunktion, die die Annahme von Uni-

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versalien erfüllt, mehr als aufwiegen. Aber hier ist nicht der Ort, Argumente für und gegen ontologische Annahmen gegeneinander abzuwägen. Es soll lediglich gezeigt werden, wie solche Argumente aussehen können. b) Der französische Astronom Le Verrier (1811–1877) beobachtete im Jahr 1846 die Umlaufbahnen von Merkur und Uranus und fand, dass diese von dem abwichen, was aufgrund der bekannten Naturgesetze zu erwarten gewesen wäre. Le Verrier postulierte daraufhin die Annahme, dass es einen bisher noch nicht entdeckten Planeten gäbe. Er nannte diesen Planeten “Neptun”. Diese Annahme erlaubte eine Erklärung der Umlaufbahnen von Merkur und Uranus auf der Grundlage der bekannten Gesetze. Andernfalls hätten gut bewährte Gesetze aufgegeben werden müssen, oder die Umlaufbahnen von Merkur und Uranus wären ein rätselhaftes Phänomen geblieben. Die Annahme der Existenz des Neptun erfüllte also eine wichtige Funktion innerhalb der damals akzeptierten astronomischen Theorie. Es gibt freilich einen Unterschied zwischen der Annahme der Existenz von Universalien und der Annahme der Existenz des Neptun. Letztere ist in einer direkteren Weise empirisch nachprüfbar als erstere. Planeten kann man sehen, Universalien nicht. (In der Tat wurde der Planet Neptun noch im Jahr 1846 von einem anderen Astronomen gesichtet.) Aber der Unterschied ist nicht so fundamental, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Zwar ist die Annahme der Existenz eines Planeten normalerweise viel direkter mit Sinneswahrnehmungen verbunden als die Annahme der Existenz von Universalien. Aber Annahmen, die in einer sehr unmittelbaren Weise durch Sinneswahrnehmungen gerechtfertigt sind, können ebenso falsch sein wie Annahmen, die aus theoretischen Gründen postuliert werden. Auch durch Sinneswahrnehmungen gerechtfertigte ontologische Annahmen müssen sich in ein System von Überzeugungen einfügen. Damit ist nicht gesagt, dass man der Sinneswahrnehmung nicht einen besonderen Stellenwert als Erkenntnismittel einräumen kann oder soll; aber durch Beobachtung gewonnene Überzeugungen können nicht sakrosankt sein (schon allein deshalb, weil sie zuweilen untereinander inkonsistent sind). Auch wenn der Planet Neptun nicht entdeckt worden wäre, wäre Le Verriers ontologische Annahme so lange gut gerechtfertigt gewesen, bis jemand für die Auffälligkeiten der Umlaufbahnen von Merkur und Uranus eine alternative Erklärung gegeben hätte, die ohne die Annahme der Existenz des Neptun ausgekommen wäre. Dass eine ontologische Annahme innerhalb eines Überzeugungssystems eine Funktion erfüllt, ist selbstverständlich kein Beweis für die Richtigkeit der ontologischen Annahme. Denn es kann ja sein, dass das betreffende Über-

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zeugungssystem falsche Überzeugungen enthält. Wenn sich herausstellt, dass eine Menge von Überzeugungen, die eine bestimmte ontologische Annahme voraussetzen, allesamt falsch sind, ist die betreffende ontologische Annahme durch ihre Rolle in dem Überzeugungssystem natürlich nicht mehr gerechtfertigt. Angenommen, es hätte sich herausgestellt, dass die Umlaufbahnen von Merkur und Uranus nur scheinbar nicht dem entsprachen, was zu erwarten gewesen wäre (vielleicht führten Beobachtungs- oder Rechenfehler zu dieser falschen Auffassung): Mit der Aufdeckung des Irrtums wäre die Annahme des Neptun selbstverständlich nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Da nun aber grundsätzlich jede Überzeugung sich als falsch herausstellen kann, kann auch jede ontologische Annahme sich irgendwann als ungerechtfertigt herausstellen. Die Frage, was es gibt, kann also niemals definitiv beantwortet werden, weil wir niemals sicher sein können, dass unser gegenwärtiges Weltbild ausschließlich wahre Überzeugungen enthält. Dennoch sind einige Weltbilder besser gerechtfertigt als andere. Eine Mindestforderung an ein System von Überzeugungen lautet, dass es nicht inkonsistent sein darf. Aber auch unter den konsistenten Überzeugungssystemen gibt es einige, die besser sind als andere. Ein Kriterium der “Güte” eines Weltbildes ist seine Kohärenz. Mit “Kohärenz” meine ich den Zusammenhang der Annahmen in Erklärungen und Begründungen. Ein anderes Kriterium der Güte eines Weltbildes ist seine Fähigkeit, Erfahrungsdaten zu integrieren. Wir können daran arbeiten, unsere Überzeugungssysteme sukzessive zu verbessern, das heißt: vorhandene Inkonsistenzen beseitigen, die Kohärenz verstärken, sie reicher an Erfahrungsdaten zu machen. Folgende Hypothese scheint mir ein gutes heuristisches Prinzip zu sein: Je besser eine Theorie ist (im Sinne der eben formulierten Kriterien), desto größer ist ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Sofern wir also nach größtmöglicher Übereinstimmung unserer Theorien mit der Wirklichkeit streben, müssen wir versuchen, unsere Theorien immer kohärenter und umfassender zu machen. Das bedeutet: Auch wenn wir die Frage, was es gibt, nicht definitiv beantworten können, so können wir uns doch einer Antwort zumindest annähern, indem wir versuchen, unsere Theorien immer weiter zu verbessern. Eine Voraussetzung dafür ist freilich, dass man sich darüber Klarheit verschafft, wie das eigene Weltbild genau aussieht, welche Annahmen – insbesondere welche Existenzannahmen – es enthält. Dazu benötigen wir ein Kriterium der ontologischen Festlegung. Unsere Weltbilder (einschließlich unserer wissenschaftlichen Theorien) sind nicht immer vollkommen wohlgeordnete Systeme. Vielfach gleichen sie

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eher einer ein bisschen schlampig aufgeräumten Wohnung mit einem finsteren Abstellraum, in dem sich im Laufe der Zeit alles Mögliche angesammelt hat, so dass nicht einmal die Bewohner selber genau wissen, was sie enthält. Um Ordnung machen zu können, benötigt man zunächst Licht. Ein Kriterium der ontologischen Festlegung hat die Aufgabe, Licht ins Dunkel des mehr oder minder ungeordneten Haufens der Annahmen zu bringen, die ein Weltbild konstituieren. Im philosophisch unreflektierten Zustand hegen wir an der Wahrheit der meisten unserer Weltbild-konstituierenden Annahmen keinen Zweifel, es sei denn, es tun sich unübersehbare Konflikte zwischen verschiedenen Annahmen auf. Der erste Schritt der philosophischen Reflexion ist die Einsicht in den grundsätzlich hypothetischen Charakter unserer Überzeugungen – und zwar aller Überzeugungen. Es geht also darum, Ordnung im System der Überzeugungen zu schaffen, Inkonsistenzen zu beseitigen, Überflüssiges hinauszuwerfen, das Netz der Erklärungs- und Begründungszusammenhänge enger zu knüpfen. Das ist eine Aufgabe der Ontologie. Der erste Schritt dazu besteht darin, die vorhandenen Überzeugungen explizit zu machen. Dazu braucht es ein Kriterium der ontologischen Festlegung. Auf der Suche nach einer Antwort auf die ontologische Grundfrage “Was gibt es?” können wir nur von den vorhandenen Überzeugungssystemen ausgehen, wobei wir freilich jene Überzeugungssysteme wählen müssen, die im Augenblick die am besten bewährten sind (die also den höchsten Grad an Kohärenz und Erklärungskraft aufweisen). Ziel ist es, herauszufinden, welche ontologischen Voraussetzungen diesen besten Theorien zu Grunde liegen. Letztlich geht es also nicht nur darum, an welche Entitäten eine Person glaubt bzw. welche sie annimmt (auf welche Entitäten sie sich ontologisch festlegt), sondern darum, welche Entitäten existieren. Das Ziel auch dieser Untersuchung ist es, einer Antwort auf die Frage, was es gibt, ein Stück näher zu kommen.

3. Carnaps ontologischer Pragmatismus Manche meinen, dass die Frage “Was gibt es?” niemals beantwortet werden kann (jedenfalls nicht in einer für Ontologen befriedigenden Weise), und zwar nicht etwa deshalb, weil unüberwindliche epistemische Hindernisse im Weg stünden, sondern deshalb, weil die Frage falsch gestellt ist. Diese Position wird auf brillante Weise zum Ausdruck gebracht und verteidigt in Rudolf Carnaps “Empiricism, Semantics, and Ontology”.1 In dieser Schrift unterscheidet Carnap zwei Arten von Existenzfragen, nämlich interne und externe Existenzfragen. Die Unterscheidung basiert auf dem Begriff des Rahmenwerks, den Carnap wie folgt einführt: If someone wishes to speak in his language about a new kind of entities, he has to introduce a system of new ways of speaking, subject to new rules; we shall call this procedure the construction of a framework for the new entities in question.2

Ein Rahmenwerk ist also eine “Redeweise”, eine Art “Untersprache” unserer natürlichen Sprache in ihrer Gesamtheit. Wir können zum Beispiel unterscheiden: das Rahmenwerk der Dinge, das Rahmenwerk der Sachverhalte, das Rahmenwerk der Ereignisse, das Rahmenwerk der Zahlen. Interne Existenzfragen sind Fragen nach der Existenz von Entitäten innerhalb eines bereits gegebenen Rahmenwerks; externe Existenzfragen betreffen das Rahmenwerk selbst. Interne Existenzfragen sind also immer schon auf ein bestimmtes Rahmenwerk bezogen, wobei das Rahmenwerk selbst bei internen Existenzfragen nicht zur Diskussion steht. Das Rahmenwerk der raum-zeitlichen Dinge und Ereignisse nennt Carnap die “Dingsprache”. Gegenstände einer bestimmten Art zu akzeptieren heißt für Carnap nichts anderes, als eine bestimmte Untersprache, ein sprachliches Rahmenwerk zu akzeptieren. Wer die Dingsprache akzeptiert, akzeptiert dadurch Dinge. Wenn man die Dingsprache akzeptiert hat, dann kann man zahlreiche interne Existenzfragen stellen, zum Beispiel: Gibt es Papier im Drucker? Existierte König Artus wirklich? Gibt es Einhörner und Kentauren?3 Auf viele solcher internen Fragen finden wir die Antwort sehr leicht, in anderen Fällen ist es schwieriger, in manchen sogar unmöglich (etwa im Fall von Fragen, die vergangene Ereignisse, Dinge oder Personen betreffen, von 1

Carnap 1950. Ebd., 21. 3 Ebd., 21f. 2

I. Ontologische Festlegung

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denen wir über keine brauchbaren Quellen verfügen). Aber niemals werfen interne Existenzfragen philosophische Probleme auf, so Carnap. Ganz anders sieht Carnap die Sachlage bei externen Existenzfragen: From these [internal] questions we must distinguish the external question of the reality of the thing world itself. In contrast to the former questions, this question is raised neither by the man in the street nor by scientists, but only by philosophers. Realists give an affirmative answer, subjective idealists a negative one, and the controversy goes on for centuries without ever being solved. And it cannot be solved because it is framed in a wrong way. To be real in the scientific sense means to be an element of the framework; hence this concept cannot be meaningfully applied to the framework itself. Those who raise the question of the reality of the thing world itself have perhaps in mind not a theoretical question as their formulation seems to suggest, but rather a practical question, a matter of a practical decision concerning the structure of our language.4

Die Unterscheidung zwischen internen und externen Existenzfragen erinnert zunächst an die an früherer Stelle erwähnte Unterscheidung zwischen “gewöhnlichen” und “philosophischen” Existenzfragen.5 “Gewöhnliche” Existenzfragen (wie z. B. “Gibt es eine Primzahl zwischen 3 und 7?”, “Gibt es ein Telefon in diesem Haus?”, “Gibt es Leben auf anderen Planeten?”) scheinen interne Existenzfragen zu sein, gemäß Carnaps Einteilung. “Philosophische” Existenzfragen (wie z. B. “Gibt es eine Wirklichkeit unabhängig vom Bewusstsein?”, “Gibt es Eigenschaften unabhängig von Dingen?”, “Gibt es psychische Substanzen?”) würde Carnap wohl zu den externen Fragen zählen. Ich habe an früherer Stelle argumentiert, dass es zwischen “gewöhnlichen” und “philosophischen” Existenzfragen keinen fundamentalen Unterschied gibt. Doch zwischen Carnaps internen und externen Existenzfragen gibt es zweifellos einen fundamentalen Unterschied: Interne Fragen sind theoretische Fragen, externe Fragen sind praktisch. Eine theoretische Frage bezieht sich auf die Beschaffenheit der Welt; eine Antwort auf sie ist entweder wahr oder falsch, je nachdem, ob sie die Beschaffenheit der Welt adäquat beschreibt oder nicht. Eine theoretische Frage entspricht dem Schema “Was ist der Fall?” Eine praktische Frage entspricht dagegen dem Schema “Was soll getan werden?” Praktische Fragen beziehen sich darauf, wie man leben, was man tun oder lassen soll. Die Frage “Was sollen wir heute kochen?” ist eine praktische Frage in diesem Sinn. Eine Antwort auf sie könnte 4

Ebd., 22f. Siehe Kapitel I.1.

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3. Carnaps ontologischer Pragmatismus

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etwa lauten: “Lass uns eine Gemüsesuppe machen.” Der Satz “Lass uns eine Gemüsesuppe machen” ist nicht wahr oder falsch. Es macht gar keinen Sinn zu fragen, ob er mit der Beschaffenheit der Welt übereinstimmt oder nicht, denn dieser Satz ist keine Beschreibung. Er ist ein Vorschlag, den man annehmen oder ablehnen kann, aber nicht eine Behauptung, über deren Wahrheit man disputieren könnte. Existenzfragen wie “Gibt es raum-zeitliche Dinge?”, “Gibt es Zahlen?”, “Gibt es Propositionen?” etc. sind für Carnap systematisch mehrdeutig. Wenn das Rahmenwerk der Dinge bereits akzeptiert ist, dann kann die Frage “Gibt es Dinge?” entweder als interne oder als externe Existenzfrage verstanden werden. Als interne Frage ist sie trivial und muss natürlich positiv beantwortet werden. Als externe Frage hingegen fehlt ihr nach Carnaps Auffassung jeglicher “kognitive Gehalt”, ist sie “eine Pseudofrage, das heißt, eine Frage, die die Form einer theoretischen Frage hat, aber in Wahrheit nicht-theoretisch ist.”6 Wenn es zutreffend wäre, dass “gewöhnliche” Existenzfragen intern, “philosophische” Existenzfragen aber extern sind, dann gäbe es doch einen fundamentalen Unterschied zwischen “gewöhnlichen” und “philosophischen” Existenzfragen. Aber die Existenzfragen der Philosophen sind (im Allgemeinen jedenfalls) nicht bloß praktische Fragen betreffend die Anerkennung eines sprachlichen Rahmenwerks, sondern Fragen, die die Beschaffenheit der Welt betreffen. Inwiefern kann die Frage, ob es Dinge, Zahlen oder Propositionen gibt, eine praktische Frage sein in dem oben explizierten Sinn? – Im externen Sinn verstanden ist die Frage “Gibt es Dinge?” für Carnap gleichbedeutend mit der Frage “Sollen wir das Rahmenwerk der Dinge akzeptieren?”, bzw., was für Carnap auf dasselbe hinausläuft: “Sollen wir die Dingsprache verwenden?” Analog ist die – extern verstandene – Frage “Gibt es Zahlen?” für Carnap synonym mit “Sollen wir das Rahmenwerk der Zahlen akzeptieren?” bzw. “Sollen wir die Zahlensprache verwenden?” Analoges gilt natürlich auch für jede andere externe Existenzfrage, zum Beispiel: “Gibt es Eigenschaften?”, “Gibt es Propositionen?”, “Gibt es psychische Wesen?” Ob eine bestimmte Untersprache verwendet werden soll oder nicht, ist nun gewiss keine theoretische Frage. Es geht dabei nicht darum, herauszufinden, was der Fall ist, sondern darum, eine Übereinkunft zu treffen, gerade so wie bei der Frage “Was sollen wir heute kochen?” Darum kann Carnap sagen: 6

Carnap 1950, 25.

I. Ontologische Festlegung

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[W]e take the position that the introduction of the new ways of speaking does not need any theoretical justification because it does not imply any assertion of reality. [...] Thus it is clear that the acceptance of a framework must not be regarded as implying a metaphysical doctrine concerning the reality of the entities in question.7

Die traditionellen Probleme der Ontologie – etwa das Problem der Realität der Außenwelt oder das Universalienproblem – sind daher für Carnap nur Scheinprobleme. Sie sind nach Carnaps Ansicht nur deshalb entstanden, weil Philosophen externe Existenzfragen fälschlich für theoretische Fragen hielten. Carnap will jedoch nicht behaupten, dass die Entscheidung für oder gegen ein Rahmenwerk völlig willkürlich getroffen werden muss. Wie bei allen praktischen Fragen, so spielen auch hier pragmatische Überlegungen eine Rolle. Wenn sich eine Untersprache im Rahmen einer bestimmten Theorie als zweckmäßig und fruchtbar erweise, dann solle sie akzeptiert werden. Mit der Frage der Realität von Gegenständen einer bestimmten Art habe das aber nichts zu tun. Daher brauche niemand sich durch nominalistische Skrupel davon abhalten lassen, eine Sprache zu verwenden, deren Verwendung Bezugnahme auf abstrakte Gegenstände mit sich bringt (etwa eine Zahlensprache), wenn diese die Formulierung einer viel versprechenden oder bereits bewährten Theorie erleichtert oder sogar erst ermöglicht.8 Carnaps Interpretation externer Existenzfragen als bloß praktischer Fragen scheint die Konsequenz nach sich zu ziehen, dass jede Beschäftigung mit Ontologie unsinnig ist, daher auch die Beschäftigung mit Kriterien der ontologischen Festlegung. Es scheint daher, dass Carnaps ontologischer Pragmatismus die Sinnhaftigkeit der vorliegenden Untersuchung in Frage stellt. Dieser Eindruck ist aber nur teilweise richtig. Immerhin bleibt ja auch im Lichte von Carnaps Deutung der externen Existenzfragen noch ein Problem übrig, nämlich das der Entscheidung für oder gegen ein Rahmenwerk. Freilich, wenn man Carnaps “Nützlichkeitsdoktrin” oberflächlich versteht – etwa im Sinne von Benutzerfreundlichkeit (leichte Erlernbarkeit, Kürze), Prägnanz, Ausdrucksstärke – kann es kaum Aufgabe einer Wissenschaft sein, sprachliche Rahmenwerke zu evaluieren, jedenfalls nicht Aufgabe der Ontologie. Man könnte es aber auch so verstehen, dass es darauf ankommt, herauszufinden, inwieweit ein Rahmenwerk beiträgt zur Formulierung eines möglichst umfas7

Ebd., 31f. Siehe ebd., 39f.

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3. Carnaps ontologischer Pragmatismus

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senden, kohärenten und natürlich konsistenten Weltbildes. Die Konstruktion eines solchen Weltbildes wurde weiter oben als Aufgabe der Ontologie identifiziert. Insofern kann auch ein Carnapianer die Beschäftigung mit Kriterien der ontologischen Festlegung sinnvoll finden. Carnaps Unterscheidung zwischen internen und externen Existenzfragen ist also, in einer bestimmten Interpretation, durchaus verträglich mit den Anliegen der vorliegenden Arbeit. Dennoch soll Carnaps Behauptung, die externen Existenzfragen seien keine theoretischen, sondern “praktische” Fragen, nicht unwidersprochen hingenommen werden. Eine externe Existenzfrage ist (in meiner Interpretation) zu verstehen als die Frage, ob – und wenn ja, wie – die Annahme von Entitäten einer bestimmten Art zur Konstruktion eines möglichst umfassenden und kohärenten Weltbildes einen Beitrag leistet. Ist diese Frage eine theoretische oder eine praktische Frage? – So, wie sie hier gestellt ist, handelt es sich offensichtlich um eine theoretische Frage. Eine Antwort auf diese Frage ist entweder wahr oder falsch, und sie kann grundsätzlich verifiziert werden, wenn auch die Methoden ihrer Verifikation sich naturgemäß unterscheiden von den Methoden der Verifikation interner Existenzbehauptungen; und selbstverständlich verlangt eine Antwort auf diese Frage nach einer theoretischen Rechtfertigung. Wenn man zum Beispiel zeigen kann, dass wir ohne die Annahme abstrakter Gegenstände eine Vielzahl sowohl wissenschaftlicher als auch alltäglicher Überzeugungen aufgeben müssten, die wir bisher für sehr gut bewährt gehalten haben, oder dass wir ohne sie sehr bewährte logische Prinzipien aufgeben müssten, dann ist das eine theoretische Rechtfertigung für die Annahme abstrakter Entitäten. Wenn aber gezeigt wird, dass jene Überzeugungen oder logischen Prinzipien, um deretwillen abstrakte Gegenstände anzunehmen wären, aus Gründen, die mit der Annahme abstrakter Entitäten nichts zu tun haben, aufgegeben werden sollen (etwa weil sie unverträglich sind mit noch bewährteren Überzeugungen bzw. logischen Prinzipien), dann ist das eine theoretische Rechtfertigung für den Verzicht auf die Annahme abstrakter Entitäten. Genau in dieser Weise laufen ontologische Diskussionen ab. Daher sind ontologische Existenzfragen als theoretische Fragen zu betrachten. Freilich werden externe Existenzfragen oft in einer Formulierung gestellt, die sie wie praktische Fragen aussehen lässt: “Sollen wir Entitäten der-undder Art annehmen?” Wenn die Frage in dieser Formulierung auftritt, ist es leicht, sie als Aufforderung zu einer – mehr oder minder willkürlichen – Vereinbarung zu verstehen, ihrer Natur nach ähnlich der Festsetzung von öffentlichen Feiertagen und Schulferien, Verkehrsregeln und Hausordnungen. Aber

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diese Interpretation von Existenzfragen ist falsch. Man darf sich nicht von dieser Form, die an “Was sollen wir heute kochen?” erinnert, irreführen lassen. Es kommt nicht so sehr darauf an, wie die Frage formuliert wird, sondern darauf, wie sie behandelt wird, das heißt: welche Rechtfertigungen für die Antworten gegeben werden. In der Tat, wenn auf die theoretische Rechtfertigung ontologischer Annahmen verzichtet wird, wenn Ontologien akzeptiert oder verworfen werden, weil sie als ästhetisch ansprechend oder abstoßend empfunden werden, dann werden Existenzfragen als praktische Fragen behandelt. In den einschlägigen Diskussionen finden sich immer wieder derlei praktische “Rechtfertigungen”, etwa wenn Quine über den fiktiven Philosophen Wyman, einen Vertreter der Auffassung, dass es nicht aktualisierte, bloß mögliche Gegenstände gäbe, sagt: “Wyman’s overpopulated universe is in many ways unlovely. It offends the aesthetic sense of us who have a taste for desert landscapes.”9 Derlei “Argumente” haben zwar eine nicht zu unterschätzende Suggestivkraft, aber sie machen nicht den Kern ontologischer Debatten aus; bestenfalls sind sie schmückendes Beiwerk. Auch Quine selbst offeriert unmittelbar anschließend an den Appell an den “ästhetischen Sinn” seiner Leserschaft ein theoretisches Argument gegen die Annahme möglicher, nicht aktualisierter Gegenstände: Für bloß mögliche Gegenstände gäbe es kein Identitätskriterium. Carnaps Behauptung, dass externe Existenzfragen bloß praktische Fragen wären, ist also zurückzuweisen. Zumindest missverständlich ist auch Carnaps Doktrin, dass das Akzeptieren eines “Rahmenwerks” zusammenfällt mit dem Akzeptieren einer Sprache. Tatsächlich ist es eine Sache, ontologische Annahmen zu akzeptieren, und eine andere, sich einer gewissen Sprache zu bedienen. Alle Phänomenalisten verwenden die Dingsprache; niemand bestreitet, dass die Dingsprache in praktischer Hinsicht der Sprache der Erscheinungen überlegen ist. Es gibt (meines Wissens) keinen einzigen ernsthaften Versuch, die Dingsprache durch eine reine Sinnesdatensprache zu ersetzen. Dennoch gibt es Philosophen, die das Rahmenwerk der Sinnesdaten dem Rahmenwerk der Dinge vorziehen. Es ist möglich, dass die Annahme von Entitäten einer bestimmten Art der Konstruktion eines kohärenten und umfassenden Weltbildes dienlich ist und dass es trotzdem sehr schwierig ist, eine entsprechende Untersprache zu entwickeln. Es sollte darum die Entscheidung für eine Untersprache (die sehr oft durch rein “praktische” Gründe motiviert ist) vom Akzeptieren einer ontologischen Annahme unterschieden werden. 9

Quine 1953c, 4.

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Ich fasse zusammen: Externe Existenzfragen können verstanden werden als Fragen nach der Funktion bestimmter ontologischen Annahmen in einem System von Überzeugungen; als solche sind sie theoretische Fragen und sind zu unterscheiden von bloßen Vereinbarungen über eine Redeweise. Ein Carnapianer kann das aber zugeben, ohne das Kerngebiet seines Terrains aufgeben zu müssen. Man könnte nämlich wie folgt argumentieren: Zugegeben, man kann externe Existenzfragen als Fragen nach der Funktion bestimmter ontologischer Annahmen in einem Weltbild interpretieren; und wenn man das tut, dann handelt es sich um theoretische Fragen. Aber die Feststellung, dass die Annahme von Gegenständen einer Art F ein System von Überzeugungen kohärenter und umfassender macht, ist eindeutig verschieden von der Behauptung, dass Gegenstände der Art F wirklich existieren. Es ist auch nicht so, dass das zweite aus dem ersten folgt. Es kann also jemand durchaus zugestehen, dass etwa die Annahme abstrakter Entitäten dazu beiträgt, ein im Großen und Ganzen bewährtes System von Überzeugungen kohärenter und umfassender zu machen, ohne sich auf die Annahme abstrakter Entitäten festzulegen. Nur eine metaphysische Hypothese kann einen Zusammenhang zwischen der Struktur eines Systems von Überzeugungen und seiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit herstellen, nämlich die Hypothese, dass ein Überzeugungssystem umso besser mit der Wirklichkeit übereinstimmt, je kohärenter und umfassender es ist. Aber es gibt keinen Beweis dafür, dass die Kohärenzhypothese richtig ist. Zur Verteidigung der Kohärenzhypothese kann man nur sagen, dass ohne sie nicht nur die Sinnhaftigkeit ontologischer Theoriebildung in Frage gestellt wird, sondern die Sinnhaftigkeit jeder Theoriebildung. Welche Beweise gibt es dafür, dass die Wirklichkeit dem Prinzip vom ausgeschlossenen Widerspruch gehorcht? Welche Beweise gibt es dafür, dass in der Natur Gesetze gelten? – Es gibt keine, und es kann keine geben. Es ist unsere Entscheidung, dass wir Widersprüche nicht akzeptieren, sie wo immer sie auftauchen, wegzuerklären versuchen, ebenso wie es unsere Entscheidung ist, alles Geschehen in der Natur als durch gesetzmäßige Zusammenhänge geordnet zu denken. Mag sein, dass die Welt ein Chaos ist, ohne Ordnung, ohne Struktur. Aber von einem Chaos kann man sich kein Bild machen, auch nicht das einer naturwissenschaftlichen Theorie. Wenn die Kohärenzhypothese nicht wahr ist, dann wäre dies im Grunde das Ende der Wissenschaft. Von der Wahrheit oder Falschheit einer Theorie könnte man nicht mehr sprechen. Zwischen konkurrierenden Theorien wäre nur noch nach rein praktischen Gesichtspunkten zu entscheiden.

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Dass beim Aufgeben der Kohärenzhypothese radikaler Skeptizismus droht, ist freilich kein Beweis für die Wahrheit dieser Hypothese. Man könnte den radikalen Skeptizismus akzeptieren und daraus die Konsequenz ziehen, dass die externen Existenzfragen tatsächlich nur als Fragen nach der Funktion von ontologischen Annahmen innerhalb eines Überzeugungssystems zu verstehen sind und dass daraus keinerlei Konsequenzen in Bezug auf die “Realität”, auf die “reale Existenz” von Gegenständen einer bestimmten Art abzuleiten sind. Ich wähle diesen Weg nicht. Ich entscheide mich aus “epistemischem Optimismus” dafür, die Kohärenzhypothese zu akzeptieren.

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung Die an früherer Stelle1 formulierten Kriterien der ontologischen Festlegung (SOF1) und (GOF1) sind in der vorliegenden Form zu unbestimmt und müssen daher präzisiert werden. Zu klären ist, aus welchen Sätzen welche Existenzsätze folgen. Die logischen Prinzipien, welche die Ableitung von Existenzsätzen aus anderen Sätzen erlauben, müssen explizit gemacht werden. Es ist tatsächlich keineswegs immer klar, ob aus einem gegebenen Satz ein Existenzsatz folgt oder nicht, und wenn ja, welcher Existenzsatz. Betrachten wir die folgenden beiden Sätze: (1) Abu ist ein weißer Elefant. (2) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Folgen aus diesen beiden Sätzen Existenzsätze, und wenn ja, welche? Folgt aus (1), dass weiße Elefanten existieren und dass Abu existiert? Folgt aus (2), dass geflügelte Pferde existieren und dass Pegasus existiert? Die ersten beiden Fragen erscheinen intuitiv mit “Ja” zu beantworten. Es erscheint sehr natürlich, aus (1) den singulären Existenzsatz (3) Abu existiert. sowie den generellen Existenzsatz (4) Es gibt weiße Elefanten. abzuleiten. Es erscheint sehr natürlich, anzuerkennen, dass jemand, der den Satz (1) als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt ist auf weiße Elefanten im Allgemeinen und Abu im Besonderen. Dagegen spricht allerdings Folgendes: Die beiden Sätze (1) und (2) sind ihrer grammatikalischen Struktur nach völlig gleichartig. Beide haben die Form “a ist F” (kurz: “Fa”), also die Form einer Prädikation. Wenn aus einem Satz der Form “Fa” ein singulärer Existenzsatz (“a existiert” bzw. “Es gibt a”) logisch folgt, dann muss aus jedem Satz der Form “Fa” ein singulärer Existenzsatz logisch folgen. Ebenso gilt: Wenn aus einem Satz der Form “Fa” ein genereller Existenzsatz (“Es gibt Fs” bzw. “Fs existieren”) logisch folgt, dann muss aus jedem Satz der Form “Fa” ein genereller Existenzsatz logisch folgen. Denn die Geltung eines logischen Prinzips kann nicht abhängen vom Inhalt eines Satzes (also von der Bedeutung 1

Siehe Kapitel I.1, 15.

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der verwendeten Ausdrücke); die Form allein ist entscheidend. Wenn aber aus jedem Satz der Form “Fa” sowohl “a existiert” als auch “Es gibt Fs” logisch folgt, dann gilt auch, dass aus (2) folgt (5) Pegasus existiert. und (6) Es gibt geflügelte Pferde. Demgemäß gilt gemäß (GOF1) und (SOF1), dass jemand, der (2) als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt ist auf geflügelte Pferde im Allgemeinen und Pegasus im Besonderen. Aber sowohl der singuläre Existenzsatz (5) als auch der generelle Existenzsatz (6) sind nach allgemeiner und wohl begründeter Auffassung falsch, während (2) nach allgemeiner und wohl begründeter Auffassung wahr ist. Sollte man also nicht akzeptieren, dass aus (2) die Existenzsätze (5) und (6) folgen? Dafür spricht, dass man auf diese Weise das Problem mit den unerwünschten ontologischen Festlegungen auf geflügelte Pferde im Allgemeinen und Pegasus im Besonderen vermeiden könnte. Dagegen spricht aber, dass man dann auch nicht mehr aus (1) ableiten könnte, dass Abu existiert und dass es weiße Elefanten gibt. Betrachten wir nun ein neues Satzpaar: (7) Bruno fürchtet seinen Mathematiklehrer. (8) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Folgt aus (7), dass es etwas gibt, das Bruno fürchtet? – Beinahe trivial erscheint es zunächst, dass aus (7) nicht nur folgt (9) Es gibt etwas, das Bruno fürchtet. sondern auch (10) Brunos Mathematiklehrer existiert. Aber dann müssten, so scheint es, aus (8) auch diese beiden Sätze folgen: (11) Es gibt etwas, das der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet. (12) Die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. Zumindest letzteres ist aber zweifelhaft. Könnte es nicht sein, dass der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, bereits fürchtet, bevor sie existiert?

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung

Vier “existentielle” Prinzipien Ich werde in dieser Arbeit vier Prinzipien verteidigen, auf Grund derer aus nicht-existentiellen Sätzen Existenzsätze abgeleitet werden können: i. Das Prädikationsprinzip: (PP)

Fa  a existiert. (Lies: Wenn a F ist, dann existiert a.)

ii. Das Prinzip der existentiellen Generalisierung: (EG) Fa  x (Fx) (Lies: Wenn a F ist, dann gibt es ein x, so dass gilt: x ist F.) iii. Das Relationsprinzip: (RP) Rab  a existiert & b existiert. (Lies: Wenn a in der Relation R zu b steht, dann existiert a, und es existiert b. iv. Das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung: (REG) Rab  x (Rxb) & y (Ray) (Lies: Wenn a in der Relation R zu b steht, dann gibt es ein x, so dass gilt: Rxb, und es gibt ein y, so dass gilt: Ray.) Eine Anmerkung zu der hier (und auch im Folgenden noch häufig) verwendeten “halbformalen” Schreibweise: In einer halbformalen Schreibweise werden Elemente der natürlichen Sprache und der formalen Sprache der Quantorenlogik vermischt. Obwohl dieses Verfahren in der Literatur häufig anzutreffen ist, kann dagegen eingewendet werden, dass solche “halbformalen” Ausdrücke nicht definiert sind und daher die exakte Semantik der Prädikatenlogik auf sie gar nicht anwendbar ist. Wenn ich sie trotzdem verwende, dann in erster Linie deshalb, weil eines der Leitthemen dieser Arbeit die Beziehung zwischen natürlichen und formalen Sprachen ist.2 Es ist also gerade die Frage, wie man etwa Ausdrücke wie “a existiert” symbolisieren soll. Hier von vorne herein eine bestimmte Symbolisierung zu verwenden, hieße eine Antwort auf diese Frage vorwegzunehmen, bevor die Angelegenheit noch ausreichend untersucht ist. Ich nehme also einen gewissen Mangel an Exaktheit hier bewusst in Kauf. Sätze der Form “Fa” nenne ich, wie gesagt, “Prädikationen”. Dabei steht das “a” für einen beliebigen singulären Term und das “F” für ein be2

Siehe dazu speziell Abschnitt III.

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liebiges einstelliges Prädikat. Eine Prädikation drückt aus, dass auf einen bestimmten Gegenstand a ein Prädikat “F” zutrifft. Wenn man sich der Eigenschaftsredeweise bedienen will, kann man auch sagen: Eine Prädikation drückt aus, dass ein bestimmter Gegenstand a die Eigenschaft F-zu-sein hat. Einen Satz der Form “Rab” nenne ich einen “Relationssatz”. Dabei stehen “a” und “b” für beliebige singuläre Terme, und “R” steht für einen Relationsausdruck, der eine beliebige zweistellige Relation ausdrückt. Ein Satz der Form “Rab” besagt also, dass zwischen zwei Individuen a, b eine zweistellige Relation R besteht. Einen Satz der Form “a existiert” nenne ich einen singulären Existenzsatz. “a” steht natürlich auch hier für einen beliebigen singulären Term. Singuläre Existenzsätze drücken aus, dass ein ganz bestimmter Gegenstand existiert. Einen Satz der Form “x (Fx)” nenne ich einen generellen Existenzsatz. Der Quantifikator “x” kann gelesen werden als “Es gibt ein x (bzw. es gibt etwas), so dass”. Der ganze generelle Existenzsatz “x (Fx)” kann dem entsprechend gelesen werden als “Es gibt ein x, so dass gilt: x ist F” (oder kurz: “Es gibt ein F”). Der Quantor “” steht also hier für einen Existenzausdruck (“es gibt”, “es besteht”, “es existiert”), der Variable “x” entspricht in einer natürlichen Sprache am ehesten das Wort “etwas”, und “F” steht natürlich auch hier für ein beliebiges Prädikat. Generelle Existenzsätze drücken aus, dass Gegenstände einer bestimmten Art existieren (Gegenstände, auf die das Prädikat “F” zutrifft, bzw., in der Eigenschaftsredeweise, Gegenstände, die die Eigenschaft F-zu-sein haben). Das Relationsprinzip sowie das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung sind für zweistellige Relationen formuliert. Analoge Prinzipien lassen sich freilich für drei- und mehrstellige Relationen formulieren. Aus Einfachheitsgründen werde ich mich in dieser Arbeit auf zweistellige Relationen beschränken und daher mit (RP) und (REG) das Auslangen finden. Es soll aber am Beispiel dreistelliger Relationen ausgeführt werden, wie analoge Prinzipien für mehrstellige Relationen konstruiert werden können: (R3P) R3abc  a existiert & b existiert & c existiert. (R3EG) R3abc  x (R3xbc) & y(R3ayc) & z(R3abz) Zum Beispiel: Aus (13) Anna fährt mit dem Zug Mozart nach Salzburg. folgt, gemäß (R3P),

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung

(14) Anna existiert & der Zug Mozart existiert & Salzburg existiert. Gemäß (R3EG) folgt aus (13): (15) x (x fährt mit dem Mozart nach Salzburg) & y (Anna fährt mit y nach Salzburg) & z(Anna fährt mit dem Mozart nach z). Das Prädikationsprinzip besagt also, dass aus einer Prädikation “Fa” ein singulärer Existenzsatz folgt, der ausdrückt, dass a existiert. In informeller Weise lässt sich das Prädikationsprinzip auch wie folgt ausdrücken: Wenn eine Prädikation wahr ist, dann existiert das Subjekt der Prädikation. Eine intuitive Begründung für das Prädikationsprinzip lautet so: Mit einer Prädikation wird einem Gegenstand eine Eigenschaft zugesprochen; und wenn ein Gegenstand eine Eigenschaft hat, dann muss er auch existieren. Mit anderen Worten: Ein Gegenstand kann nicht irgendwie sein (das heißt: eine Eigenschaft haben) ohne zu sein (das heißt: zu existieren). Dass manche das Prädikationsprinzip nicht akzeptieren, liegt vor allem daran, dass (PP) in manchen Fällen die Ableitung von prima facie falschen singulären Existenzsätzen aus prima facie wahren Prädikationen erlaubt – zum Beispiel die Ableitung von (5) Pegasus existiert. aus (2) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Aber nicht jeder, der (2) als wahr akzeptiert, möchte sich auf die Existenz von Pegasus festlegen. Das Prinzip der existentiellen Generalisierung besagt, dass aus einer Prädikation “Fa” ein genereller Existenzsatz folgt, der ausdrückt, dass Gegenstände existieren, auf die das Prädikat “F” zutrifft. Das Prinzip der existentiellen Generalisierung ist ebenso unmittelbar einleuchtend wie das Prädikationsprinzip. Es besagt ja nichts anderes als das Folgende: Wenn es wahr ist, dass irgendein Gegenstand die Eigenschaft F-zu-sein hat, dann gibt es etwas, das die Eigenschaft F-zu-sein hat. Obwohl das Prinzip der existentiellen Generalisierung geradezu trivial erscheint, gibt es doch Logiker und Philosophen, die es nicht akzeptieren, und ich werde es an späterer Stelle verteidigen müssen. Der Widerstand gegen (EG) hat seine Ursache darin, dass (EG) manchmal die Ableitung von prima facie falschen generellen Existenzsätzen aus prima facie wahren Prädikationen erlaubt, zum Beispiel die Ableitung von (6) Es gibt geflügelte Pferde.

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aus (2) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Es ist nur zu verständlich, dass mancher, der (2) als wahr akzeptiert, eine ontologische Festlegung auf geflügelte Pferde nicht akzeptieren möchte. Das Relationsprinzip (RP) besagt, dass aus einem Relationssatz “Rab” zwei singuläre Existenzsätze folgen, die ausdrücken, dass a existiert und dass b existiert. Auch dieses Prinzip leuchtet unmittelbar ein, besagt es doch nichts anderes als dass, wenn a in einer Relation R zu b steht, sowohl a als auch b existieren müssen. Wenn nicht alle das Relationsprinzip akzeptieren, dann deshalb, weil es allem Anschein nach beispielsweise auch die Ableitung von (12) Die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. aus (8) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. erlaubt. Das würde, gemäß (SOF1), bedeuten, dass jeder, der (8) als wahr akzeptiert, hiermit ontologisch festgelegt wäre auf die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Aber nicht jeder, der bereit ist, (8) als wahr zu akzeptieren, ist auch bereit, diese ontologische Festlegung zu akzeptieren. Das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung besagt, dass aus einem Relationssatz “Rab” zwei generelle Existenzsätze folgen. Der erste – “x (Rxb)” – drückt aus, dass mindestens ein Gegenstand existiert, der zu b in der Relation R steht. Der zweite – “y (Ray)” – drückt aus, dass mindestens ein Gegenstand existiert, zu dem a in der Relation R steht. Das Problem mit dem Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung besteht darin, dass es auch Ableitungen zulässt, die intuitiv nicht plausibel sind, zum Beispiel die Ableitung von (11) Es existiert etwas, das der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet. aus (8) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Diese Ableitung ist unplausibel, denn es scheint möglich zu sein, sich vor etwas zu fürchten, das nicht existiert.

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung

Ich möchte die Gültigkeit der Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) natürlich nicht einfach dogmatisch behaupten. Ich behaupte nur, dass sie prima facie sehr einleuchtend sind, und dass daher sehr starke Argumente nötig sind, um ihre Aufgabe zu rechtfertigen. Die wichtigsten Argumente gegen (PP), (RP), (EG) und (REG) beruhen auf Satzbeispielen, die prima facie wahr sind, und aus denen anscheinend mittels eines der genannten vier Prinzipien Existenzsätze abgeleitet werden können, die prima facie falsch sind. Mit anderen Worten: Es scheint, dass diese vier “existentiellen Prinzipien” (wie ich sie ab jetzt nennen werde) zu prima facie inakzeptablen ontologischen Festlegungen führen. In meiner Verteidigung der existentiellen Prinzipien werde ich versuchen, Einwände dieser Art zu entkräften. Das wird an späterer Stelle geschehen. Das Prädikationsprinzip Der Ausdruck “Prädikationsprinzip” ist in der Literatur nicht gebräuchlich; aber der Sache nach ist von diesem Prinzip häufig die Rede, und es finden sich sowohl prominente Befürworter als auch prominente Gegner dieses Prinzips. Gottlob Frege ist zu den Befürwortern zu zählen. In “Über Sinn und Bedeutung” findet sich folgende Passage: Hat vielleicht ein Satz als Ganzes nur einen Sinn, aber keine Bedeutung? Man wird jedenfalls erwarten können, daß solche Sätze vorkommen, ebensogut, wie es Satzteile gibt, die wohl einen Sinn, aber keine Bedeutung haben. Und Sätze, welche Eigennamen ohne Bedeutung enthalten, werden von der Art sein. Der Satz “Odysseus wurde tief schlafend in Ithaka ans Land gesetzt” hat offenbar einen Sinn. Da es aber zweifelhaft ist, ob der darin vorkommende Name “Odysseus” eine Bedeutung habe, so ist es damit auch zweifelhaft, ob der ganze Satz eine habe. Aber sicher ist doch, daß jemand, der im Ernste den Satz für wahr oder für falsch hält, auch dem Namen “Odysseus” eine Bedeutung zuerkennt, nicht nur einen Sinn; denn der Bedeutung dieses Namens wird ja das Prädikat zu- oder abgesprochen. Wer eine Bedeutung nicht anerkennt, der kann ihr ein Prädikat weder zu- noch absprechen.3

Die Bedeutung eines Satzes ist bei Frege der Wahrheitswert eines Satzes. Die Bedeutung eines Eigennamens ist bei Frege der Gegenstand, den der Eigenname bezeichnet (auf den der Eigenname referiert), also der Referent des Eigennamens. Ein Eigenname ohne Bedeutung ist daher ein 3

Frege 1892, 47.

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Eigenname, der nichts bezeichnet, mit anderen Worten: ein leerer Eigenname. Frege behauptet also: Wenn der Name “Odysseus” keine Bedeutung hat (also ein leerer Name ist), dann hat der Satz “Odysseus wurde tief schlafend in Ithaka ans Land gesetzt” auch keine Bedeutung (das heißt: keinen Wahrheitswert). Frege akzeptiert offenbar sogar eine verschärfte Form des Prädikationsprinzips. Er meint, ein Satz der Form “Fa”, in dem “a” für einen leeren Eigennamen steht, könne nicht nur nicht wahr, sondern nicht einmal falsch sein. Er könne überhaupt keinen Wahrheitswert haben. Daher können wir, nach Frege, selbst aus der Verneinung eines Satzes der Form “Fa” auf die Existenz von a schließen. Diese stärkere Behauptung wird später noch diskutiert werden.4 Vorläufig soll nur das Prädikationsprinzip verteidigt werden. Das Prädikationsprinzip drückt aus, dass “Fa” die Existenz des a impliziert, aber es sagt nichts darüber aus, ob “¬Fa” die Existenz des a impliziert.5 Ein zeitgenössischer Verteidiger des Prädikationsprinzips ist Arindam Chakrabarti. Chakrabarti beschäftigt sich mit dem Problem der negativen singulären Existenzsätze. Die Weise, in der er das Problem entwickelt, ist außerordentlich instruktiv. Er führt eine Reihe von Behauptungen an, die, wie er meint, jede für sich plausibel aussehen, zusammen genommen aber inkonsistent zu sein scheinen. Diese Behauptungen sind: 1. Some statements of the form “N does not exist” are straightforwardly true. 2. These statements are singular negative subject-predicate statements of the logical form “¬FN”. 3. They are strictly about those very items to which the singular terms in the position of “N” refer and not about those singular terms themselves. 4

Siehe Kapitel III.4. In der Tat meine ich, dass “¬Fa” nicht impliziert, dass a existiert. Man denke etwa an den Satz “Vulcanus verursacht die Unregelmäßigkeiten in der Umlaufbahn des Merkur” (wobei die Annahme der Existenz des Vulcanus eine ungesicherte Hypothese ist). Es sollte möglich sein, diesen Satz zu verneinen, ohne sich auf die Existenz des Vulcanus festzulegen (und zwar ohne auf Russells Kennzeichnungstheorie zurückgreifen zu müssen; siehe dazu Kap. III.4.) Wenn aber aus“¬Fa” nicht folgt, dass a existiert, dann ist “¬Fa” mehrdeutig. “Fa” kann auf zwei Weisen falsch sein: Entweder a existiert nicht, oder a existiert, ist aber nicht F. Aber zur Verteidigung der hier vertretenen Thesen ist es nicht erforderlich, diese Mehrdeutigkeit stets explizit zu machen, und daher verzichte ich darauf. 5

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung 4. The property which is denied by the “does not exist”-part of the statements is intimately related to the serious use of the existential quantifier, so that nothing about which we can say that there is such a thing can be consistently said to be utterly nonexistent – in the same breath. 5. From any statement of the form “¬FN” where “N” is a singular term and “F” a predicate and “¬” a plain negation, it logically follows, as long as we are speaking in the same vein, that there exists an x such that ¬Fx.6

Das letzte dieser fünf Prinzipien ist eine Verschärfung des Prädikationsprinzips, ähnlich der Freges. Chakrabarti plädiert für die Beibehaltung dieses Prinzips, und er argumentiert dafür wie folgt: Es wäre absurd to construe all fictional names as referring to the same null-entity, or to assign arbitrary truth-values to sentences containing such names, or to withhold the assignment of any truth-values to all of them.7

Ein weiterer Vertreter des Prädikationsprinzips (dieses Mal in der von mir vertretenen, abgeschwächten Form) ist Gareth Evans: [E]ven the most anti-Russellian of philosophers could not want to say that an atomic sentence, “t is F”, can be true when the singular term is empty.8

Es trifft freilich nicht zu, dass es allgemein akzeptiert ist, dass “t ist F” nicht wahr sein kann, wenn der singuläre Term “t” leer ist. Charles Crittenden zum Beispiel akzeptiert das Prädikationsprinzip offenbar nicht. Crittenden meint, man könne auf fiktive Gegenstände (also etwa Romanfiguren) referieren (wie etwa in “Sherlock Holmes raucht Pfeife”), sie seien geschaffen und öffentlich – und dennoch hätten sie keinerlei Sein. Überhaupt könne man auf Nichtexistierendes referieren, ohne auf unerwünschte ontologische Annahmen festgelegt zu sein.9 Ein anderer Gegner des Prädikationsprinzips ist Karel Lambert. Er verteidigt ein Prinzip, das er “das Prinzip der Unabhängigkeit” (“PdU”) nennt. Zwei Formulierungen gibt Lambert für das Prinzip der Unabhängigkeit: PdU1: Der Schluss von “Es gibt eine Eigenschaft P, so dass P von s gehabt wird” auf “s hat Sein” ist ungültig.10 PdU2: Der Schluss von “Gs” auf “s hat Sein” ist ungültig.11 6

Chakrabarti 1997, 2. Ebd., 4. 8 Evans 3 1992, 366. 9 Siehe Crittenden 1973. 10 Lambert 1983, 29. 11 Ebd., 124. Für mehr über Lamberts Theorie siehe Kapitel III.3. 7

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I. Ontologische Festlegung

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Das Prinzip der Unabhängigkeit ist offenbar die Negation des Prädikationsprinzips. Für das Prinzip der Unabhängigkeit führt Lambert an, dass es Prädikationen mit leeren singulären Termen an der Subjektstelle gibt, deren Wahrheit sich nicht vernünftigerweise bezweifeln lässt. Zum Beispiel: “Pegasus ist identisch mit Pegasus”12, “Das runde Viereck ist rund”13, “Vulcanus ist der Planet, der die Unregelmäßigkeiten in der Umlaufbahn des Merkur verursacht”14.15 (Der Planet Vulcanus wurde, wie der Planet Neptun, von Le Verrier postuliert, aber im Gegensatz zur Annahme des Neptun stellte sich die Annahme des Vulcanus später als falsch heraus.) Lambert vertritt die Auffassung, dass diese Sätze nicht nur einfach wahr, sondern mit Notwendigkeit wahr sind. Die Notwendigkeit des letzten Satzes ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ergibt sich für Lambert aber aus der bloßen Definition des Ausdrucks “Vulcanus”. Ein weiterer Gegner des Prädikationsprinzips ist Jonathan Barnes. Die folgenden Prinzipien (Barnes nennt sie “Dogmen”) hält er allesamt für falsch: (1) (2) (3) (4)

If a predicate is applied to a, then a exists. If a is identified, then a exists. If a is referred to, then a exists. If a proposition is about a, then a exists.16

(1) ist zwar keine genaue Formulierung des Prädikationsprinzips, denn es könnte so interpretiert werden, dass jede Prädikation (unabhängig von ihrer Wahrheit) auf die Existenz des Subjekts der Prädikation schließen lässt. Aber die Beispiele, die Barnes gibt, machen hinreichend klar, dass er die Ableitung “a existiert” aus einem Satz der Form “Fa” auch dann nicht akzeptiert, wenn “Fa” wahr ist. Aus drei Gründen hält Barnes die genannten Prinzipien, einschließlich des Prädikationsprinzips, für falsch: (i) Wir prädizieren etwas von Dingen/identifizieren Dinge/referieren auf Dinge/äußern Sätze über Dinge, die nicht mehr existieren. (ii) Wir prädizieren etwas von/identifizieren/referieren auf/äußern Sätze über Figuren in Fiktionen, die nicht existieren. 12

Lambert 1983, 141. Ebd., 146. 14 Ebd., 156. 15 Zur Interpretation solcher scheinbar notwendigen Wahrheiten siehe Kap. IV.4. 16 Barnes 1972, 42. 13

4. Prinzipien der ontologischen Festlegung

(iii) Wir prädizieren etwas von Gegenständen/identifizieren Gegenstände/referieren auf Gegenstände/äußern Sätze über Gegenstände, deren ontologischer Status umstritten ist, zum Beispiel auf Zahlen, Propositionen, Eigenschaften. Es wäre “dumm” anzunehmen, dass wir uns hierbei auf die Existenz dieser Gegenstände festlegen würden.17 Von diesen drei Bemerkungen muss auf jeden Fall die letzte als voreilig zurückgewiesen werden. Barnes gibt kein positives Kriterium dafür an, wodurch man auf die Existenz von etwas festgelegt ist. Er behauptet lediglich, dass Referenz und Prädikation keine Kriterien für ontologische Festlegung sind. Offenbar will oder kann Barnes auf das Reden über Zahlen, Propositionen und Eigenschaften nicht verzichten, will sich aber zugleich nicht auf die Annahme von Zahlen, Propositionen und Eigenschaften festlegen. Barnes hat also zwei persönliche Präferenzen, die prima facie nicht gut damit verträglich sind, dass Referenz und Prädikation Kriterien der ontologischen Festlegung sind. Daraus folgt aber natürlich nicht, dass es “dumm” ist, Referenz und Prädikation als Kriterien für ontologische Festlegung zu betrachten. Es sind also vor allem folgende Probleme, die zur Aufgabe des Prädikationsprinzips motivieren: das Problem der fiktiven Gegenstände (Crittenden, Lambert, Barnes); das Problem der notwendigen Wahrheiten über Nichtexistierendes (Lambert); das Problem der vergangenen Gegenstände (Barnes). Meine Auswahl ist keineswegs tendenziös. Die Beispiele und angeblichen Gegenbeispiele wiederholen sich, mit geringfügigen Abweichungen, wieder und wieder in der einschlägigen Literatur. Ich denke, dass auch die Gegner des Prädikationsprinzips sich der unmittelbaren Plausibilität dieses Prinzips nicht völlig verschließen können. Wenn sie sich trotzdem entschließen, es aufzugeben, dann deshalb, weil sie die Auffassung vertreten, dass die Aufgabe des Prädikationsprinzips unter allen Alternativen das kleinste Übel ist. Ich werde im Laufe der vorliegenden Arbeit versuchen, diese Auffassung zu erschüttern. Spezifikation der Kriterien (SOF1) und (GOF1) Auf der Grundlage der Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) können die Kriterien der ontologischen Festlegung, (SOF1) und (GOF1), nun wie folgt spezifiziert werden: 17

Ebd., 42f.

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I. Ontologische Festlegung

Singuläre ontologische Festlegung (SOF2) S ist ontologisch festgelegt auf einen Gegenstand a genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eine Prädikation mit a als Subjekt als wahr, oder S akzeptiert einen Relationssatz mit a als einem der Relationsglieder als wahr, oder S akzeptiert beliebige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn eine Prädikation mit a als Subjekt oder ein Relationssatz mit a als einem der Relationsglieder folgt. Generelle ontologische Festlegung (GOF2) S ist ontologisch festgelegt auf Fs genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eine Prädikation als wahr, mit welcher einem Gegenstand das Prädikat “F” zugesprochen wird, oder S akzeptiert beliebige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn eine Prädikation folgt, mit welcher einem Gegenstand das Prädikat “F” zugesprochen wird.

II. GIBT ES ONTOLOGISCH NEUTRALE ÄUSSERUNGEN?

Im folgenden Abschnitt sollen drei fundamentale Einwände gegen die vorgeschlagenen Kriterien der ontologischen Festlegung besprochen werden. Diese Einwände richten sich sowohl gegen (SOF2) und (GOF2), also gegen jene Kriterien, die aus den ursprünglichen Kriterien (SOF1) und (GOF1) durch Annahme der existentiellen Prinzipien (PP), (RP) und (EG) gewonnen wurden, als auch gegen (SOF1) und (GOF1) selbst. Aus Einfachheitsgründen werde ich im Folgenden in allen Kontexten, in denen die Unterschiede zwischen (SOF1)/(GOF1) einerseits und (SOF2)/ (GOF2) andererseits keine Rolle spielen, die unteren Indizes weglassen. Die drei zu besprechenden Einwände gegen (SOF) und (GOF) haben einen gemeinsamen Kern, den man beschreiben könnte als die Auffassung, dass es so etwas wie ein ontologisch neutrales Sprechen gibt: Es wird angenommen, dass zumindest in manchen Kontexten weder die Verwendung singulärer Terme noch die Verwendung von Ausdrücken wie “es gibt”, “es besteht”, “existiert” eine ontologische Festlegung mit sich bringt. Die Idee ist, dass es grundsätzlich möglich ist, Behauptungen über die Welt zu machen, ohne sich auf eine bestimmte Ontologie festzulegen. Man könnte das die “Neutralitätsthese” nennen. Es werden drei Erscheinungsformen der Neutralitätsthese diskutiert werden, nämlich die These von der Vermeidbarkeit ontologischer Festlegungen durch Paraphrasierungen (Kap. II.1), die These von den ontologisch neutralen Kontexten (Kap. II.2) und die These von der ontologischen Neutralität der Objektsprache (Kap. III.3). Unmittelbar daran anschließend wird die “These von den Seinsweisen” diskutiert werden (Kap. III.4). Diese These ist nicht im strengen Sinn eine Neutralitätsthese, aber sie passt doch in gewisser Weise in diesen Kontext, denn sie läuft darauf hinaus, dass es Grade der ontologischen Festlegung gibt und dass man starke ontologische Festlegungen zugunsten schwächerer ontologischer Festlegungen vermeiden kann. Das Folgende sind ein paar einleitende Bemerkungen zu den einzelnen Kapiteln dieses Abschnitts. 1. Die These von der Vermeidbarkeit ontologischer Festlegungen durch Paraphrasierungen Eine Paraphrasierung ist immer die Paraphrasierung eines Satzes. In erster Annäherung kann gesagt werden: Ein Satz p’ ist eine Paraphrasierung eines Satzes p genau dann, wenn p’ dasselbe ausdrücken soll wie p, aber in anderer Weise. Manche meinen, man könne ontologische Festlegungen vermeiden, indem man Sätze, die eine unerwünschte ontologische Festlegung mit sich bringen, ersetzt durch Paraphrasierungen dieser Sätze. (Dass ein Satz eine ontologi-

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

sche Festlegung mit sich bringt, soll heißen, dass jemand, der diesen Satz als wahr akzeptiert, auf einen Gegenstand oder Gegenstände, die ein bestimmtes Prädikat erfüllen, ontologisch festgelegt ist.) Den Versuch, eine ontologische Festlegung durch Paraphrasierung eines oder mehrerer Sätze zu vermeiden, nenne ich eine Paraphrasierungsstrategie. Betrachten wir zum Beispiel den Satz (1) Der sibirische Tiger ist eine vom Aussterben bedrohte Art. Allem Anschein nach hat dieser Satz die Form “Fa”. Demnach wäre, gemäß (SOF2), ein Sprecher, der diesen Satz als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt auf eine Entität, die durch den singulären Term “der sibirische Tiger” bezeichnet wird. Offenbar bezeichnet dieser singuläre Term kein konkretes einzelnes Tier, sondern eben die Art. Demnach wäre jeder, der den Satz (1) als wahr akzeptiert, darauf festgelegt, dass nicht nur einzelne Tiere, sondern auch Arten existieren. Die Vertreter einer Paraphrasierungsstrategie meinen, dass es vorschnell wäre, Personen ontologische Festlegungen zu unterstellen, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, die kompromittierenden Sätze durch ontologisch unverfänglichere zu ersetzen. Es könnte ja sein, dass jemand zwar den Satz (1) ernsthaft äußert oder dem Satz (1) zustimmt, damit aber keineswegs zum Ausdruck bringen will, er oder sie glaube an die Existenz von Arten, sondern lediglich der Überzeugung Ausdruck verleihen will, dass es in absehbarer Zukunft keine sibirischen Tiger mehr geben wird, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wenn es das ist, was ein Sprecher S mit (1) zum Ausdruck bringen will, dann könnte S den verfänglichen Satz (1) etwa durch folgende Paraphrasierung ersetzen: (1a)Wenn die Dinge sich so weiter entwickeln wie bisher, dann wird es in naher Zukunft keine sibirischen Tiger mehr geben. Dieser neue Satz, (1a), bringt nun, gemäß obigen Kriterien, keine ontologische Festlegung auf Arten mit sich. Es drängt sich also gegen (SOF) und (GOF) der Einwand auf, dass ein adäquates Kriterium der ontologischen Festlegung die Möglichkeit einräumen sollte, eine unerwünschte ontologische Festlegung mittels einer Paraphrasierung eines verfänglichen Satzes zu vermeiden. 2. Die These von den ontologisch neutralen Kontexten Diese These lässt sich wie folgt formulieren: Ob das Akzeptieren eines bestimmten Satzes ontologische Festlegungen mit sich bringt oder nicht, hängt nicht nur vom Satz selbst, sondern auch vom Kontext des Satzes ab. Es gibt

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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verschiedene “Standards der Behauptbarkeit” für jeweils verschiedene Kontexte. Ob ein Satz in einem bestimmten Kontext ontologisch neutral ist oder nicht, hängt davon ab, welche “Standards der Behauptbarkeit” für den Satz in dem gegebenen Kontext gültig sind. Manche Standards der Behauptbarkeit bringen ontologische Festlegungen mit sich, andere nicht. 3. Die These von der ontologischen Neutralität der Objektsprache Diese These lautet: Auf der Ebene der Objektsprache gibt es überhaupt keine ontologischen Festlegungen; objektsprachliche Sätze sind in allen Kontexten ontologisch neutral. Erst auf der Ebene der Metasprache kommen ontologische Festlegungen ins Spiel. 4. Die These von den “Seinsweisen” Ich habe bisher vorausgesetzt, dass ein Satz der Form “Fs existieren” gleichbedeutend ist mit einem Satz der Form “Es gibt Fs”. Diese Voraussetzung ist nicht allgemein akzeptiert. Manche unterscheiden verschiedene “Weisen des Seins” und behaupten zum Beispiel, dass Bestand eine andere (eventuell schwächere) Seinsweise ist als etwa Existenz. Sofern “Es gibt Fs” nur ausdrückt, dass Fs irgendeine Art des Seins haben, würde demnach aus “Es gibt Fs” nicht folgen, dass Fs existieren. Im Lichte einer solchen Seinsweisenunterscheidung müssten (SOF) und (GOF) möglicherweise modifiziert werden, und das würde zumindest zu einer Abschwächung gewisser ontologischer Festlegungen führen. Es könnte etwa behauptet werden, dass das Akzeptieren von Sätzen der Form “Es gibt Fs” eine schwächere ontologische Festlegung darstellt als das Akzeptieren von Sätzen der Form “Fs existieren”. 1. Die Paraphrasierungsstrategie Der Satz (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. sieht aus wie ein Existenzsatz, der ausdrückt, dass es eine Möglichkeit gibt. Wenn (1) wirklich ein Existenzsatz ist, gilt: Gemäß (SOF) und (GOF) ist eine Person, die (1) als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt auf Möglichkeiten. (2) Es gibt eine Primzahl zwischen 3 und 7. ist ein Existenzsatz, der ausdrückt, dass es eine Zahl gibt. Gemäß (SOF) und (GOF) ist daher jemand, der (2) als wahr akzeptiert, festgelegt auf die Existenz von Zahlen.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

(3) In den Alpen gibt es viele Pflanzenarten, die vom Aussterben bedroht sind. ist ein Existenzsatz, der ausdrückt, dass es Pflanzenarten gibt. Gemäß den vorgeschlagenen Kriterien ist daher eine Person, die (3) als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt auf Arten. Vielleicht ist die Problematik dieser ontologischen Festlegungen nicht so offensichtlich wie etwa die Problematik der Festlegung auf geflügelte Pferde. Eine Person, die sich nie mit ontologischen Problemen befasst hat, mag zunächst nichts dabei finden, die Existenz von Möglichkeiten, Zahlen und Arten zu akzeptieren. Mit zunehmender Reflexion über die Natur und den Status dieser Entitäten, deren Existenz man im philosophisch naiven Zustand so leichthin zuzugeben bereit ist, erweisen sich diese ontologischen Festlegungen aber mehr und mehr als problematisch. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sie unter Philosophen höchst umstritten sind: Arten werden gemeinhin als abstrakte und allgemeine Gegenstände, als Universalien, aufgefasst. Zahlen sind, nach der üblichen Auffassung jedenfalls, abstrakte Gegenstände; und das allein macht ihre Annahme in den Augen vieler problematisch. Was die Kategorie der Möglichkeiten betrifft, so wäre überhaupt zunächst zu klären, was wir darunter verstehen sollen. Handelt es sich um eine spezielle Art von Sachverhalten, Sachverhalte, die man “Möglichkeitsverhalte” nennen könnte? Wenn ja, wäre zunächst die ontologische Struktur von Sachverhalten zu klären, und dann müsste entschieden werden, ob es so etwas wie “Möglichkeitsverhalte” gibt. Die Sätze (1) bis (3) drücken Überzeugungen aus, die wir im Alltag leicht zu akzeptieren geneigt sind; und wenn wir sie nicht akzeptieren, dann hat unsere Ablehnung normalerweise nichts mit ontologischen Skrupeln zu tun. Aber philosophische Reflexion kann ernste Zweifel an den ontologischen Festlegungen wecken, die wir uns – gemäß (SOF) und (GOF) – durch das Akzeptieren dieser Sätze einhandeln. So mag etwa jemand, der davon überzeugt ist, dass in den Alpen viele Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind, ohne Weiteres ontologische Festlegungen auf vielerlei einzelne Blumen, Gräser und Staudengewächse akzeptieren, nicht aber zusätzlich ontologische Festlegungen auf Arten. Probleme der ontologischen Festlegung gehen also typischerweise von Sätzen aus, die von einem “naiven”, philosophisch unreflektierten Standpunkt als wahr erscheinen, die aber, gemäß allgemein akzeptierter logischer Prinzi-

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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pien, Existenzsätze implizieren, die entweder von einem bestimmten philosophischen Standpunkt oder vom naiven Alltagsstandpunkt, oder von beiden, nicht akzeptabel erscheinen. In einer solchen Situation bieten sich drei Lösungsmöglichkeiten an: 1. Man könnte den ursprünglich für wahr gehaltenen Satz als falsch verwerfen, also eine alte Überzeugung aufgeben. 2. Man könnte die logischen Prinzipien aufgeben, die für die Ableitung des unerwünschten Existenzsatzes aus dem als wahr akzeptierten Satz verantwortlich sind. 3. Man könnte sich entschließen, den zunächst für nicht akzeptabel gehaltenen Existenzsatz doch zu akzeptieren. Es ist klar, dass keine dieser drei Alternativen auf den ersten Blick besonders anziehend ist. Sofern es sich um ein ernsthaftes Problem handelt, gibt es gute Gründe für das Akzeptieren des ursprünglichen Satzes und für das Akzeptieren der betreffenden logischen Prinzipien und für das Verwerfen des abgeleiteten Existenzsatzes. Niemand gibt gern etwas auf, das er bisher mit guten Gründen für wahr gehalten hat; und diese konservative Haltung erscheint auch durchaus vernünftig. In dieser unangenehmen Situation mag eine Paraphrasierungsstrategie als der gesuchte Ausweg erscheinen. Zum Beispiel könnte man den Satz (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. paraphrasieren als (1a) Es ist möglich, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden, oder auch einfach als (1b) Die Gäste können vom Bahnhof abgeholt werden. Prima facie drücken diese drei Sätze dasselbe aus, wenn auch in verschiedener Weise. Wir können daher sagen: (1a) und (1b) sind Paraphrasierungen von (1). Unter einer “Paraphrasierungsstrategie” verstehe ich den Versuch, eine unerwünschte ontologische Festlegung zu vermeiden, indem ein Satz, der eine unerwünschte ontologische Festlegung nach sich zieht, durch eine Paraphrasierung ersetzt wird, die die betreffende ontologische Festlegung nicht nach sich zieht. So könnte man etwa die ontologische Festlegung auf Möglichkeiten zu vermeiden versuchen, indem man (1) durch die Paraphrasierung (1a) oder (1b) ersetzt. (1) ist ein Existenzsatz, der – trivialerweise – den Existenzsatz (4) Es gibt Möglichkeiten.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

impliziert. Aus diesem Grund ist jemand, der (1) als wahr akzeptiert, auf die Existenz von Möglichkeiten festgelegt. Aber (1a) und (1b) sind keine Existenzsätze; und weder (1a) noch (1b) impliziert, dass es Möglichkeiten gibt. Daher erscheint sowohl (1a) als auch (1b) vom ontologischen Standpunkt ganz unbedenklich. Wer (1a) oder (1b) als wahr akzeptiert, ist offenbar dadurch nicht ontologisch festgelegt auf Möglichkeiten. Paraphrasierungen können jedoch adäquat oder nicht adäquat sein. Betrachten wir zum Beispiel noch einmal den Satz (5) Der sibirische Tiger ist eine vom Aussterben bedrohte Art. Aus (5) folgt, gemäß (PP), der singuläre Existenzsatz (6) Der sibirische Tiger existiert. Daher ist jemand, der (5) als wahr akzeptiert, auf die Existenz des sibirischen Tigers festgelegt. Außerdem folgt aus (5), gemäß (EG), der generelle Existenzsatz (7) Es gibt eine vom Aussterben bedrohte Art. Aus (7) folgt trivialerweise: (8) Es gibt Arten. Daher ist jemand, der (5) als wahr akzeptiert, auf die Existenz von Arten festgelegt. Angenommen, eine Person akzeptiert (5) als wahr, möchte aber die ontologische Festlegung auf Arten im Allgemeinen und die Art Der sibirische Tiger im Besonderen vermeiden, und schlägt daher folgende Paraphrasierung für (5) vor: (5a) Jeder sibirische Tiger ist vom Aussterben bedroht. (5a) hat nicht die Struktur eines Existenzsatzes, und aus (5a) folgt weder der singuläre Existenzsatz (6) noch die generellen Existenzsätze (7) und (8). Daher ist jemand, der (5a) als wahr akzeptiert, nicht ontologisch festgelegt auf Arten im Allgemeinen und auf die Art Der sibirische Tiger im Besonderen. Es ist jedoch klar, dass (5a) als Paraphrasierung von (5) nicht zu akzeptieren ist. Es ist allzu offensichtlich, dass (5a) nicht dasselbe ausdrückt wie (5). Dazu kommt in diesem besonderen Fall, dass die vorgeschlagene Paraphrasierung auf eine spezielle Weise unsinnig ist. Das Prädikat “ist vom Aussterben bedroht” kann nicht sinnvollerweise auf ein einzelnes Lebewesen angewendet werden. Es ist ausschließlich ein Prädikat von Arten. Individuen

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können sterben, aber nicht aussterben. Es würde freilich nichts helfen, aufgrund dieses Einwands (5a) zu ersetzen durch (5b) Jeder sibirische Tiger ist vom Sterben bedroht. In (5b) passt zwar das Prädikat zum Subjekt, aber auch hier drückt die Paraphrasierung nicht das aus, was der ursprüngliche Satz ausdrückt, denn das Sterben jedes einzelnen Tigers zieht nicht mit Notwendigkeit das Aussterben der Art nach sich. Es ist daher weder (5a) noch (5b) eine adäquate Paraphrasierung von (5). Die Frage, wann eine Paraphrasierung adäquat ist, wird weiter unten noch einmal zur Sprache kommen. Fürs erste bietet sich an, einen Satz p’ genau dann als adäquate Paraphrasierung eines Satzes p zu betrachten, wenn p und p’ gleichbedeutend sind bzw., was auf dasselbe hinausläuft, wenn p und p’ dasselbe ausdrücken. Es scheint, dass in diesem Sinn (1a) und (1b) adäquate Paraphrasierungen von (1) sind. Es gibt also anscheinend Sätze, die bestimmte ontologische Festlegungen mit sich bringen, die ersetzt werden können, durch gleichbedeutende Sätze, die nicht diese ontologischen Festlegungen mit sich bringen. Diese Überlegungen stehen scheinbar in Widerspruch zu (SOF) und (GOF). Denn gemäß (SOF) und (GOF) ist jemand, der den Satz (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. als wahr akzeptiert, auf jeden Fall ontologisch festgelegt auf Möglichkeiten. Nun wurde aber gerade festgestellt, dass man unter bestimmten Bedingungen einen Existenzsatz akzeptieren kann, der ausdrückt, dass Möglichkeiten existieren, ohne auf Möglichkeiten ontologisch festgelegt zu sein – nämlich dann, wenn man eine adäquate Paraphrasierung des betreffenden Existenzsatzes angeben kann. Ebenso ist es offenbar möglich, den Satz (5) als wahr zu akzeptieren, ohne auf Arten ontologisch festgelegt zu sein, wenn man eine adäquate Paraphrasierung dieses Satzes angeben kann. Es scheint daher, dass die Kriterien (SOF) und (GOF) zu streng sind, das heißt: dass gemäß diesen Kriterien ontologische Festlegung auch in Fällen vorliegt, in denen wir intuitiv nicht sagen würden, dass ontologische Festlegung vorliegt. Wenn dieser Einwand stichhaltig ist, dann müssten (SOF) und (GOF) etwa in der folgenden Weise modifiziert werden: Singuläre ontologische Festlegung (SOF3) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf einen bestimmten Gegenstand a genau dann, wenn gilt:

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

S akzeptiert Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass a existiert, und S kann keine Paraphrasierungen p1’ – pn’ von p1 – pn angeben, so dass gilt: p1’ – pn’ sind gleichbedeutend mit p1 – pn und aus p1’ – pn’ folgt kein Existenzsatz, der ausdrückt, dass a existiert. Generelle ontologische Festlegung (GOF3) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf Fs genau dann, wenn gilt: S akzeptiert Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass Fs existieren, und S kann keine Paraphrasierungen p1’ – pn’ von p1 – pn angeben, so dass gilt: p1’ – pn’ sind gleichbedeutend mit p1 – pn und aus p1’ – pn’ folgt kein Existenzsatz, der ausdrückt, dass Fs existieren. Paraphrasierungsstrategien erscheinen also auf den ersten Blick als der goldene vierte Weg zur Lösung von Problemen mit ontologischen Festlegungen: Man kann die bewährten logischen Prinzipien beibehalten, man muss keine absurden Konsequenzen akzeptieren, und man muss auch die problematischen Sätze, aus denen sich die unerwünschten ontologischen Festlegungen ableiten lassen, nicht als falsch verwerfen. Man muss für diese Sätze lediglich eine geeignete Reformulierung finden.1 Eine Paraphrasierungsstrategie besteht also darin, Sätze, mit denen auf Entitäten referiert (oder über Entitäten quantifiziert) wird, auf die man sich nicht ontologisch festlegen möchte, zu ersetzen durch Sätze, mit denen nicht mehr auf die unerwünschten Entitäten referiert bzw. über diese Entitäten quantifiziert wird. Einwände gegen die Paraphrasierungsstrategie Von William P. Alston stammt ein fundamentaler Einwand gegen Paraphrasierungsstrategien im Allgemeinen: Eine adäquate Paraphrasierung p’ eines Satzes p muss offenbar bedeutungsgleich mit p sein. Andernfalls wäre p’ nicht adäquat als Paraphrasierung von p. Aber wenn p’ und p wirklich bedeutungsgleich sind, dann gilt: Alles, was aus p folgt, folgt auch aus p’, und umgekehrt. Das gilt selbstverständlich auch für Existenzsätze. Daher scheint es, dass Paraphrasierungsstrategien zur Vermeidung von unerwünschten ontologischen Festlegungen von vorne herein zum Scheitern verurteilt sind. Denn wenn p’ und p bedeutungsgleich sind, dann muss gelten: Jeder Exis1

Ein typischer Befürworter dieser Strategie ist Quine. Siehe Quine 1953b, 13.

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tenzsatz, der aus p folgt, folgt auch aus p’; daher bringt das Akzeptieren von p’ genau dieselben ontologischen Festlegungen mit sich wie das Akzeptieren von p. Wenn aber p und p’ nicht bedeutungsgleich sind, dann ist p’ keine adäquate Paraphrasierung von p.2 Dieser Einwand scheint vernichtend zu sein. Freilich beruht er auf einem sehr unklaren Begriff, nämlich dem Begriff der Bedeutungsgleichheit. Aber er funktioniert sogar dann, wenn ein sehr schwacher Begriff von Bedeutungsgleichheit zugrunde gelegt wird, nämlich Bedeutungsgleichheit im Sinne von logischer Äquivalenz. Wenn p und p’ in irgendeinem Sinn bedeutungsgleich sind, dann sind sie mit Sicherheit logisch äquivalent; und wenn p und p’ logisch äquivalent sind, dann gilt: jeder Existenzsatz, der aus p folgt, folgt auch aus p’, und umgekehrt. Ich nenne dieses Argument das “Äquivalenzargument”. Ich wende das Äquivalenzargument nun auf eines der bereits bekannten Beispiele an: Wenn der Satz (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. bedeutungsgleich ist mit (1b) Die Gäste können vom Bahnhof abgeholt werden, und wenn (1) impliziert, dass es Möglichkeiten gibt, dann impliziert auch (1b), dass es Möglichkeiten gibt. Folglich wäre jemand, der (1b) akzeptiert, ebenso auf die Existenz von Möglichkeiten festgelegt wie jemand, der (1) akzeptiert. Wenn aber (1) impliziert, dass es Möglichkeiten gibt, und wenn (1b) nicht impliziert, dass es Möglichkeiten gibt, dann sind (1) und (1b) nicht bedeutungsgleich, und daher ist (1b) keine adäquate Paraphrasierung von (1). Folglich würde (1b) die ontologische Festlegung auf Möglichkeiten nicht vermeiden helfen. Ein anderer Einwand gegen Paraphrasierungsstrategien im Allgemeinen (ein Einwand, der freilich mit dem Äquivalenzargument zusammenhängt) ist der Folgende: Die Tatsache, dass Bedeutungsgleichheit eine symmetrische Relation ist, macht es möglich, Paraphrasierungsstrategien umzudrehen – mit dem Resultat, dass man, anstatt ontologische Festlegungen zu vermeiden, plötzlich mit neuen ontologischen Festlegungen konfrontiert ist. Wenn also p’ mit p bedeutungsgleich ist, dann ist auch p mit p’ bedeutungsgleich. Daher gilt: Wenn p’ eine adäquate Paraphrasierung von p ist, dann ist auch p eine adäquate Paraphrasierung von p’. Wenn also (1) ersetzt werden kann durch (1b), dann kann umgekehrt auch (1b) durch (1) ersetzt werden. Damit lassen 2

Alston 1958.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

sich Paraphrasierungsstrategien anscheinend ad absurdum führen. Ein Vertreter einer Paraphrasierungsstrategie könnte etwa so argumentieren: 1. (1b) ist bedeutungsgleich mit (1). 2. (1b) impliziert nicht, dass Möglichkeiten existieren. 3. Also impliziert auch (1) nicht, dass Möglichkeiten existieren. Dieses Argument lässt sich wie folgt umdrehen: 1. (1) ist bedeutungsgleich mit (1b). 2. (1) impliziert, dass Möglichkeiten existieren. 3. Also impliziert auch (1b), dass Möglichkeiten existieren. Demgemäß würde gelten: Wenn (1) und (1b) wirklich bedeutungsgleich sind, dann wäre sogar eine in ontologischen Dingen sehr vorsichtige Person, die vorsichtshalber nicht (1), sondern nur (1b) akzeptiert, auf Möglichkeiten ontologisch festgelegt. Ich nenne dieses gegen Paraphrasierungsstrategien im Allgemeinen gerichtete Argument das “Symmetrieargument”. Das Symmetrieargument macht deutlich, dass mit dem bloßen Auffinden (oder Erfinden) von Paraphrasierungen noch überhaupt nichts gewonnen ist. Manche Vertreter von Paraphrasierungsstrategien (zum Beispiel Quine3) meinen, eine ontologische Festlegung könne vermieden werden, indem Paraphrasierungen für die betreffenden Sätze gefunden werden, die zeigen, dass die scheinbare Referenz auf die unerwünschten Entitäten bloß eine “vermeidbare Redeweise” gewesen sei. Aber das lässt sich grundsätzlich immer zeigen. Wenn man in den gegebenen Sprachen keine geeignete alternative Redeweise findet, dann könnte man einfach eine neue einführen. Man könnte zum Beispiel eine Sprache ganz ohne Nomina konstruieren, indem alle Nomina in Verben umgewandelt werden. Der Satz “Die Mutter kommt” könnte in dieser Sprache lauten: “Es wird hier gleich muttern.” Der Satz “Alle Menschen sind sterblich” könnte übersetzt werden in: “Immer wenn es menschelt, sterbelt es.” Statt “Diese Rose ist rot” könnte man sagen: “Hier und jetzt roselt es rötlich.” In Sätzen dieser neuen Sprache gäbe es weder singuläre Terme noch umgangssprachliche “Quantoren” (wie “alle”, “einige”, “manche”). Hätte Leute wie Quine Recht, dann müsste man nur für alle möglichen Sätze, die irgend eine ontologische Festlegung mit sich bringen, zeigen, dass sie in eine solche nicht-referentielle und nicht-quantifikationale Sprache übersetzbar sind; und damit wäre man ein für alle Mal befreit von jeglicher ontologischer Festlegung. 3

Siehe Quine 1953b, 13.

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Aber in Wirklichkeit ist damit gar nichts gewonnen. Damit das uns vertraute “Diese Rose ist rot” durch das neue “Hier und jetzt roselt es rötlich” ersetzt werden kann, müssen beide Sätze bedeutungsgleich sein. Wenn “Diese Rose ist rot” bedeutungsgleich ist mit “Hier und jetzt roselt es rötlich”, dann kann aber letzterer Satz auch jederzeit durch den ersteren ersetzt werden. Damit eine Paraphrasierungsstrategie überhaupt Aussicht auf Erfolg hat, müsste nicht nur gezeigt werden, dass ein bestimmter Satz p durch einen anderen Satz p’ ersetzbar ist; sondern es müsste außerdem – und vor allem – gezeigt werden, dass die zweite Ausdrucksweise (p’) richtiger ist als die erste (p). Tatsächlich kann es Argumente dafür geben, dass eine bestimmte Ausdrucksweise p’ einer anderen Ausdrucksweise p vorzuziehen ist. Betrachten wir etwa folgenden Satz: (9) Die durchschnittliche österreichische Frau im Alter von 30 Jahren ist 2,3 mal schwanger geworden. Dieser Satz impliziert, gemäß (PP), den singulären Existenzsatz (10) Die durchschnittliche österreichische Frau im Alter von 30 Jahren existiert. (9) impliziert weiters, gemäß (EG), den generellen Existenzsatz (11) Es gibt ein x, so dass: x ist 2,3 mal schwanger geworden. Während der Satz (9), etwa in einem Artikel über das Leben österreichischer Frauen, durchaus glaubwürdig ist, sind die aus (9) abgeleiteten Existenzsätze höchst unplausibel. Es bietet sich daher an, eine Paraphrasierung für (9) zu suchen. Eine solche Paraphrasierung könnte etwa lauten: (9a) Die Anzahl der bisherigen Schwangerschaften österreichischer Frauen im Alter von 30 Jahren dividiert durch die Anzahl der österreichischen Frauen im Alter von 30 Jahren ergibt 2,3. Aus (9a) lässt sich weder (10) noch (11) ableiten. In diesem speziellen Fall gibt es ein gutes Argument dafür, die Paraphrasierung (9a) als die korrektere Redeweise gegenüber dem ursprünglichen Satz (9) zu betrachten. Denn die Behauptung, dass ein Wesen 2,3 Schwangerschaften haben kann, ist nicht verträglich mit der Gesamtheit unserer Überzeugungen über Schwangerschaften. Nach allem, was wir über Schwangerschaften zu wissen glauben, kann man nur ganz oder gar nicht schwanger sein, so dass die Anzahl der Schwangerschaften einer Frau immer eine natürliche Zahl sein muss. Es dürfte daher einleuchten, dass (9a) die korrektere Ausdrucksweise ist. Mit

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diesem Argument könnte man sich dagegen verwahren, (9a) durch (9) zu ersetzen. Das Äquivalenzargument ist damit freilich nicht entkräftet. Denn angenommen, es könnte plausibel gemacht werden, dass (9a) korrekter ist als (9), so bliebe doch der Einwand noch aufrecht, dass (9a) nicht bedeutungsgleich sein kann mit (9), wenn (9) Sätze impliziert, die (9a) nicht impliziert. Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und einwenden, dass, wenn (9a) korrekter ist als (9), (9) und (9a) nicht bedeutungsgleich sein können. Denn angenommen (9) und (9a) wären bedeutungsgleich: in welchem Sinn könnte dann (9a) korrekter sein als (9)? (9a) könnte allenfalls stilistisch besser sein als (9); aber Unterschiede des Stils sind in unserem Zusammenhang nicht relevant; sie haben ja keinerlei Einfluss darauf, ob etwas aus einem Satz folgt oder nicht. Wann ist eine Paraphrasierung adäquat? Muss man also auf Paraphrasierungen gänzlich verzichten, weil sie entweder nicht adäquat oder unnütz sind? – Das ist schwer zu akzeptieren. Wir verstehen doch sehr gut den Satz (9); und doch sind wohl nur wenige von uns bereit, sich auf eine Entität genannt “die durchschnittliche Frau” festzulegen, die eine Eigenschaft haben kann, die eine gewöhnliche Frau niemals haben kann – nämlich die Eigenschaft, ein bisschen schwanger zu sein. Es ist außerdem zu vermuten, dass die Autorin eines statistischen Berichts, der den Satz (9) enthält, nicht über die durchschnittliche Frau sprechen will, sondern über gewöhnliche Frauen und ihre Lebensverläufe. Würde mich jemand fragen, wie ich den Satz (9) für wahr halten kann, ohne die Existenz der durchschnittlichen Frau zu akzeptieren, so würde ich antworten, dass ich diesen Satz als eine etwas saloppe Redeweise verstehe, mit der ein statistischer Sachverhalt ausgedrückt werden soll, den man korrekter, aber auch umständlicher, etwa mit (9a) ausdrücken könnte. Möglicherweise ist (9a) auch noch nicht wirklich eine befriedigende Ausdrucksweise; denn (9a) bringt eine ontologische Festlegung auf “Anzahlen” mit sich – was immer das genau ist. Es könnte sein, dass die ganz korrekte Ausdrucksform in diesem Fall sehr umständlich und lang sein würde. Ich werde im Folgenden argumentieren, dass Paraphrasierungen in manchen Fällen sinnvoll und nützlich sind und auch zur Vermeidung ontologischer Festlegungen beitragen können. Die Einschränkung auf manche Fälle ist allerdings wesentlich. Nicht jede unerwünschte ontologische Festlegung kann

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durch Paraphrasierungen vermieden werden. Außerdem ist die Art und Weise, wie eine Paraphrasierung zur Vermeidung ontologischer Festlegungen beiträgt, nicht in allen Fällen gleich. In manchen Fällen läuft es darauf hinaus, dass der ursprüngliche Satz einfach als falsch verworfen wird und an seiner Stelle die Paraphrasierung als wahr akzeptiert wird. In anderen Fällen ist die Sachlage komplizierter. Ich verteidige also die Paraphrasierungsstrategie, wenn auch mit wesentlichen Einschränkungen. Der Ausgangspunkt meiner Verteidigung der Paraphrasierungsstrategie ist folgende Überlegung: Manchmal drücken wir das, was wir ausdrücken wollen, in einer unklaren oder sogar irreführenden Weise aus. Wenn eine solche Ausdrucksweise philosophische Probleme oder sonstige Konfusionen nach sich zieht, dann ist es geboten, für die ursprünglichen Sätze geeignete Paraphrasierungen zu suchen, also Sätze, mit denen das, was wir ausdrücken wollen, klarer und weniger irreführend ausgedrückt wird. Indem wir das, was wir ausdrücken wollen, klarer und weniger irreführend ausdrücken, können wir unter Umständen philosophische Probleme (unter anderem Probleme mit unerwünschten ontologischen Festlegungen) vermeiden. In diesem Sinn können Paraphrasierungen sinnvoll und erfolgreich sein. Wie aber geht das zusammen mit Alstons Äquivalenzargument? – Die Antwort auf Alstons Einwand muss so lauten: Für die Adäquatheit einer Paraphrasierung p’ ist es nicht erforderlich, dass p’ bedeutungsgleich mit p ist. Eine adäquate Paraphrasierung p’ kann gar nicht mit p bedeutungsgleich sein – und zwar genau aus den von Alston angeführten Gründen: Mit einer bedeutungsgleichen Paraphrasierung wäre nichts gewonnen; sie wäre, jedenfalls von einem logischen oder ontologischen Standpunkt, unnütz. Wenn aber p’ nicht mit p bedeutungsgleich ist, dann kann es tatsächlich sein, dass p’ gewisse Existenzsätze nicht impliziert, die p impliziert, und dass daher p’ gewisse ontologische Festlegungen nicht nach sich zieht, die p nach sich zieht. In diesem Sinn können uns Paraphrasierungen in der Tat von ontologischen Festlegungen befreien. Es muss aber doch irgendein Kriterium dafür geben, dass eine Paraphrasierung p’ eines Satzes p adäquat ist. Das wirft die Frage auf: Wenn Bedeutungsgleichheit nicht das Kriterium ist, was ist es dann? Die Antwort auf diese Frage lautet: p’ ist eine adäquate Paraphrasierung von p genau dann, wenn p’ das in korrekter Weise ausdrückt, was ein Sprecher mit p gemeint, aber nicht korrekt ausgedrückt hat. Man muss das, was ein Satz p bedeutet, unterscheiden von dem, was ein Sprecher, der p äußert, mit p meint. Die Bedeutung eines Satzes p ist nicht

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per definitionem mit dem von einem Sprecher in einem bestimmten Kontext mit p Gemeinten identisch; sie wird nicht zur Gänze durch Sprecherintentionen determiniert. Zumindest ein wesentlicher Teil der Bedeutung von p ist determiniert durch Konventionen, die in einer Sprechergemeinschaft gelten. Im Idealfall fallen freilich die Bedeutung von p und das mit p Gemeinte zusammen. Aber es kann geschehen, dass Bedeutung und Gemeintes auseinanderfallen. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich jemand einfach verspricht oder die Bedeutung der verwendeten Ausdrücke nicht kennt. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Sprecher sagt: “Es gibt Erdbeeren im Garten”, aber meint: “Es gibt Himbeeren im Garten”. Für die ontologischen Festlegungen einer Person ist relevant, was die Person glaubt, nicht was die Person sagt. Eine Person, die – aufgrund eines bloßen sprachlichen Irrtums – sagt, dass es Erdbeeren im Garten gibt, aber meint, dass es Himbeeren im Garten gibt, ist nicht darauf festgelegt, dass es Erdbeeren im Garten gibt. Vorausgesetzt, es gibt wirklich Himbeeren im Garten, ist die Überzeugung der Person richtig; der Fehler liegt nur in der Art und Weise, wie sie die Überzeugung ausdrückt. Wenn eine Person sagt, dass die Möglichkeit besteht, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden, damit aber nur ausdrücken will, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden können, so ist diese Person nicht ontologisch festgelegt auf Möglichkeiten, denn für die ontologischen Festlegungen eines Individuums sind in erster Linie seine Überzeugungen relevant, nicht sein Verhalten, auch nicht sein Sprachverhalten. (Das Sprachverhalten eines sprechenden Papageis gibt uns überhaupt keine Auskunft über etwaige ontologische Festlegungen des Vogels.) Das Sprachverhalten, das heißt: das Äußern von Sätzen in bestimmten Kontexten bzw. das Zustimmen, sind nur Indizien für die Überzeugungen einer Person und sind in diesem sekundären Sinn relevant für die Frage, worauf eine Person ontologisch festgelegt ist. Das Äquivalenzargument gegen Paraphrasierungsstrategien ist also richtig insofern es zeigt, dass ontologische Festlegungen nicht vermieden werden können nur dadurch, dass eine Redeweise durch eine andere ersetzt wird. Die Konklusion des Äquivalenzarguments – dass Paraphrasierungsstrategien unmöglich erfolgreich sein können – ist allerdings nur dann zutreffend, wenn man von einer Paraphrasierung fordert, dass sie gleichbedeutend mit dem ursprünglichen Satz sein muss. Wenn wir diese Bedingung fallen lassen, können wir Paraphrasierungsstrategien nutzbringend anwenden. Was bedeutet das nun aber für die Kriterien (SOF) und (GOF)? Die Möglichkeit, problematische Sätze zu paraphrasieren, erschien ja als Einwand ge-

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gen diese Kriterien. Müssen (SOF) und (GOF) also modifiziert werden? Mit anderen Worten: Ist eine Person S durch das Akzeptieren eines Existenzsatzes (oder einer Satzmenge, aus der ein Existenzsatz folgt) nicht ontologisch festgelegt, sofern S für die betreffenden Sätze geeignete Paraphrasierungen anführen kann? Weiter oben wurden aus (SOF1) und (GOF1) die modifizierten Kriterien (SOF3) und (GOF3) gewonnen, und zwar durch Hinzufügen der Bedingung, dass die Person S keine Paraphrasierungen der problematischen Sätze geben kann, die gleichbedeutend mit den ursprünglichen Sätzen sind und zugleich nicht die unerwünschten ontologischen Festlegungen der ursprünglichen Sätze nach sich ziehen.4 Nun zeigt Alstons Argument aber, dass diese Zusatzbedingung grundsätzlich unerfüllbar ist. Daher ist durch sie nichts gewonnen; wir können sie also ohne Schaden weglassen und gelangen auf diese Weise wieder zu (SOF1) und (GOF1). (SOF3) und (GOF3) führen nur in eine Sackgasse. Ich werde weiter unten argumentieren, dass (SOF) und (GOF) doch modifiziert werden sollten. Die Notwendigkeit dieser Modifikation ergibt sich aus der Tatsache, dass manche Sätze mehrdeutig sind. Mehrdeutige Sätze schaffen Komplikationen in Bezug auf die Frage, welche ontologischen Festlegungen durch das Akzeptieren eines Satzes eingegangen werden. Doch bevor das Problem der mehrdeutigen Sätze diskutiert wird, soll der einfachere Fall der eindeutigen Sätze betrachtet werden. Ich gehe jetzt davon aus, dass der Satz (12) Es gibt Erdbeeren im Garten. in keiner Weise mehrdeutig ist. Angenommen, eine Person S äußert diesen Satz (ernsthaft und ehrlich), um der Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass es Himbeeren im Garten gibt. Wir können annehmen, dass die Muttersprache dieser Person Englisch ist und dass sie fälschlich glaubt, dass “Erdbeeren” das deutsche Wort für “raspberries” ist. In diesem Fall wäre (13) Es gibt Himbeeren im Garten. eine adäquate Paraphrasierung von (12). Es ist klar, dass in diesem Fall S den ursprünglichen Satz (12) nicht weiterhin als wahr akzeptieren kann (vorausgesetzt, S glaubt nicht, dass es im Garten auch Erdbeeren gibt). In diesem Fall läuft die Paraphrasierungsstrategie also darauf hinaus, dass der ursprünglich als wahr akzeptierte Satz nicht mehr als wahr akzeptiert wird. 4

Siehe 51f.

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Sofern der ursprünglich als wahr akzeptierte Satz nicht mehrdeutig ist, läuft eine Paraphrasierung immer darauf hinaus, dass der ursprünglich als wahr akzeptierte Satz nicht länger als wahr akzeptiert wird (es sei denn, die Paraphrasierung ist gleichbedeutend mit dem ursprünglichen Satz und daher nutzlos, so weit es Probleme der ontologischen Festlegung betrifft). Sofern Sätze über Möglichkeiten und “durchschnittliche Frauen” nicht mehrdeutig sind, gilt: Wenn es keine Möglichkeiten gibt, dann ist der Satz (1) falsch. Das gilt auch dann, wenn Sprecher mit diesem Satz etwas durchaus Wahres sagen wollen, etwa, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden können. Wenn es keine durchschnittlichen Frauen gibt, dann ist der Satz (9) falsch, auch wenn Sprecher mit diesem Satz etwas Wahres über einen statistischen Sachverhalt sagten wollen. Wahr sind in diesem Fall die Sätze (1b) und (9a). Das ist auch dann der Fall, wenn die meisten oder sogar alle Angehörigen der betreffenden Sprechergemeinschaft wissen, dass jemand, der (1) bzw. (9) äußert, eigentlich (1b) bzw. (9a) meint. Wenn also eine Person S eine Menge eindeutiger Sätze als wahr akzeptiert, aus der ein Existenzsatz folgt, dann geht sie damit ontologische Festlegungen ein, ob es ihr angenehm ist oder nicht. Wenn S diese Festlegungen nicht akzeptieren will, dann liegt eben genau einer jener Konflikte vor, die oben beschrieben wurden: Das Überzeugungssystem von S ist nicht konsistent. Als Konsequenz daraus muss S entweder die betreffende ontologische Festlegung akzeptieren oder einige (mindestens eine) ihrer zugrunde liegenden Überzeugungen revidieren, wobei diese Revision in Form von Paraphrasierungen vor sich gehen kann. Paraphrasierungsstrategien sind also nicht der wunderbare vierte Weg, der uns von unerwünschten ontologischen Festlegungen befreit, ohne dass wir dafür irgendeinen Preis bezahlen müssen. Zumindest in manchen Fällen laufen Paraphrasierungsstrategien darauf hinaus, dass der ursprüngliche Satz als falsch verworfen wird. Dieser Preis muss bezahlt werden. Die Paraphrasierungen sind trotzdem nicht notwendigerweise überflüssig. Im günstigen Fall zeigen sie uns, warum der ursprüngliche Satz zu verwerfen ist, was an ihm falsch ist, und was Sprecher eigentlich meinen, wenn sie diesen Satz äußern. Bedeutungsgleichheit und Mehrdeutigkeit Die von mir soeben dargestellte Auffassung bezeichnet Frank Jackson als die “radikale referentielle Theorie”.5 Der Kern der radikalen referentiellen 5

Jackson 1980.

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Theorie ist die Auffassung, dass die einzige Möglichkeit, eine unerwünschte ontologische Festlegung durch einen Satz zu vermeiden, darin besteht, den betreffenden Satz nicht als wahr zu akzeptieren. Jackson wendet dagegen ein, es sei in vielen Fällen einfach kontraintuitiv, Sätze, die allem Anschein nach unerwünschte ontologische Festlegungen mit sich bringen, als falsch zu verwerfen: First, the radical referentialist is involved in declaring an implausibly large number of perfectly acceptable sentences to be invariably false. For example, most philosophers today reject mental objects (pains, visual images, and so on) while acknowledging the experiencing “of” mental objects (having pains, seeing images, and so on) because they accept some kind of adverbial analysis of the putatively act–object locutions that dominate our everyday talk about the mental. But, of course, according to the radical referentialist, it is quite wrong to talk of analysis here. An adverbial theorist, according to him, can avoid mental objects only by declaring “There is a pain in my foot” and the host of like locutions invariably false. This is surely an extreme and implausible position.6

Es hilft auch nichts, meint Jackson, zu sagen, dass gewisse Sätze streng genommen oder wörtlich genommen nicht wahr seien, aber “alltäglich genommen” schon wahr seien. Denn man müsste dann erklären, was der Unterschied zwischen einem alltäglichen und einem wörtlichen Verständnis einer Redeweise ist, und diese Erklärung dürfte nicht einfach darauf hinauslaufen, dass das wörtliche Verständnis – im Unterschied zum alltäglichen – uns ontologisch festlegt. Außerdem werden hier “Arten von Wahrheit” unterschieden; und das sei nicht akzeptabel. Auch ich halte es für unsinnig, “Arten von Wahrheit” zu unterscheiden. Doch Jacksons Einwände gegen die radikal referentielle Theorie erscheinen mir nur teilweise plausibel. Ich verteidige die radikal referentielle Theorie nicht für mehrdeutige Sätze, wohl aber für eindeutige. Jackson unterscheidet nicht zwischen eindeutigen und mehrdeutigen Sätzen; es scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass diese Unterscheidung im Kontext der Diskussion über Paraphrasierungen relevant ist. Es ist aber wohl kaum ein reiner Zufall, dass wenigstens ein Teil von Jacksons eigenen Beispielen zu den mehrdeutigen Sätzen zu rechnen ist. Betrachten wir (14) There is a pain in my foot. 6

Ebd., 308f.

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Ich denke, dass dieser Satz mehrdeutig ist, und zwar aufgrund einer Mehrdeutigkeit des Wortes “pain”. Mit “Schmerz” kann einerseits eine Empfindung gemeint sein (also ein psychischer Zustand), andererseits aber auch das Objekt einer Empfindung. Dieser Unterschied entspricht dem zwischen einem visuellen Sinneserlebnis, das man als “Rotempfindung” oder “Rotsehen” bezeichnen könnte, und dem, was manche ein “Rot-Sinnesdatum” nennen. So wenig, wie eine Rotempfindung mit einem Rot-Sinnesdatum identisch ist, ist ein Schmerzerlebnis mit einem “Schmerz-Sinnesdatum” identisch. Letztere sind die Objekte der ersteren; sie sind das, was empfunden wird. (Mit der Feststellung dieses Unterschieds ist keine ontologische Festlegung auf Sinnesdaten intendiert. Es soll nur gesagt sein, dass, falls es Sinnesdaten gibt, diese nicht mit Empfindungen identisch sind.) Wenn ein Satz mehrdeutig ist, weil er ein mehrdeutiges Wort enthält, dann sage ich, dass dieser Satz lexikalisch mehrdeutig ist. Der Satz (14) ist also lexikalisch mehrdeutig. Lexikalische Mehrdeutigkeiten sind leicht zu bereinigen, indem die betreffenden mehrdeutigen Wörter durch eindeutige ersetzt werden. Das ist eine Art der Paraphrasierung. Zum Beispiel könnte man (14) wie folgt paraphrasieren: (14a) There is a pain sensation in my foot. (14a) ist eine adäquate Paraphrasierung von (14), wenn jemand über eine Schmerzempfindung in seinem Fuß sprechen möchte, nicht aber über ein Schmerz-Sinnesdatum. Es scheint mir außerdem, dass (14a) eine gute Paraphrasierung ist, da die Formulierung (14a) deutlich weniger missverständlich ist als die Formulierung (14). Wenn jemand allerdings über ein Schmerz-Sinnesdatum sprechen möchte, dann wäre folgende Paraphrasierung adäquat: (14b) There is a pain sense-datum in my foot. (14) hat also (mindestens) zwei Bedeutungen, nämlich die von (14a) und die von (14b). Die Mehrdeutigkeit von (14) kann explizit gemacht werden durch die Paraphrasierungen (14a) und (14b); und dadurch wird eine Person, die (14) als wahr akzeptiert, in die Lage versetzt, explizit zu machen, in welcher seiner Bedeutungen sie den Satz als wahr akzeptiert. Ob eine Person auf Empfindungen oder auf Sinnesdaten oder auf beides oder auf keines von beiden ontologisch festgelegt ist, hängt davon ab, ob sie (14) und ähnliche Sätze in der Bedeutung von (14a), von (14b), in beiden Bedeutungen oder in keiner von beiden als wahr akzeptiert. Viele Philosophen würden vermutlich den Satz (14a) als wahr akzeptieren, aber den Satz (14b) als falsch verwerfen, und zwar deshalb, weil sie zwar

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Empfindungen in ihrer Ontologie akzeptieren, nicht aber Sinnesdaten. Vom Standpunkt eines Sinnesdaten-Gegners ist es zweifellos nicht extrem und unplausibel, (14b) als falsch zu verwerfen; es mag aber aus seiner Sicht extrem und unplausibel sein, (14a) als falsch zu verwerfen. Vom Standpunkt eines Physikalisten hingegen ist es wohl auch nicht extrem und unplausibel, (14a) als falsch zu verwerfen. Wer Sätze über Empfindungen, Gefühle, Überzeugungen, Phantasievorstellungen etc. als wahr akzeptiert, ist ontologisch festgelegt auf Empfindungen, Gefühle etc. Wer diese Festlegungen nicht akzeptieren will, muss die betreffenden Sätze als falsch verwerfen; andernfalls besteht Inkonsistenz des Überzeugungssystems. Ich nehme jetzt an, dass das Wort “Schmerz” entweder die Bedeutung von “Schmerzempfindung” oder die Bedeutung von “Schmerz-Sinnesdatum” hat. Das heißt: Ich schließe aus, dass das Wort “Schmerz” irgendeine Bedeutung hat, die sich in einer rein physikalistischen Sprache ausdrücken ließe. Vorausgesetzt, dass das richtig ist, gilt, dass ein Physikalist allen Grund hat, den Satz (14) als falsch zu verwerfen. Denn vom physikalistischen Standpunkt kann dieser Satz in keiner seiner beiden Bedeutungen wahr sein. Ein Philosoph, der sich zu einer rein physikalistischen Ontologie bekennt, sollte es nicht extrem und unplausibel finden, diesen Satz als falsch zu verwerfen. Tut er es doch, so ist das ein Indiz dafür, dass er anti-physikalistische Intuitionen hat, dass also manche seiner Überzeugungen nicht dem physikalistischen Glaubensbekenntnis entsprechen. Sein Überzeugungssystem ist inkonsistent, und er muss sich, um Konsistenz herzustellen, entweder dazu durchringen, Sätze wie (14) als falsch zu verwerfen, oder er muss seine physikalistische Einstellung revidieren. Natürlich kann der Physikalist eine andere Paraphrasierung für (14) vorschlagen, eine Paraphrasierung, in der weder von Sinnesdaten noch von Empfindungen die Rede ist, sondern zum Beispiel nur von Zuständen des Nervensystems. Aber eine solche Paraphrasierung hätte ein völlig verschiedene Bedeutung vom ursprünglichen Satz (14), und sie würde nichts daran ändern, dass der Satz (14) als falsch verworfen werden muss, damit das physikalistische Weltbild konsistent ist. Übrigens sind auch die Paraphrasierungen (14a) und (14b) nicht im vollen Sinn bedeutungsgleich mit dem ursprünglichen Satz (14). Ich sage, dass ein Satz p und ein Satz p’ bedeutungsgleich sind genau dann, wenn p alle Bedeutungen hat, die p’ hat, und umgekehrt. Der ursprüngliche Satz (14) ist lexikalisch mehrdeutig, die Paraphrasierungen (14a) und (14b) sind es nicht. Ein mehrdeutiger Satz und ein eindeutiger Satz können niemals bedeutungsgleich

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

sein im explizierten Sinn. Die Bedeutungen von (14a) und (14b) sind jeweils identisch mit einer der Bedeutungen von (14). Wenn ein Satz p’ eine der Bedeutungen von p hat, aber nicht alle, dann ist p’ teilbedeutungsgleich mit p. Die Paraphrasierungen (14a) und (14b) sind also teilbedeutungsgleich mit (14). Ein Satz über neuronale Zustände ist hingegen nicht einmal teilbedeutungsgleich mit (14). Die Einsicht, dass Paraphrasierungen nutzlos sind, wenn sie wirklich bedeutungsgleich mit den ursprünglichen Sätzen sind, wirft auch Licht auf eine Facette des Streits um die Existenz von Universalien. Nach platonistischer Auffassung ist der Satz (15) Einige Hunde sind weiß. zu paraphrasieren als (15a) Einige Dinge, die Hundehaftigkeit exemplifizieren, exemplifizieren auch Weiße. Die Anerkennung von (15) zieht anscheinend eine ontologische Festlegung auf Hunde nach sich, nicht aber eine ontologische Festlegung auf die platonischen Ideen Hundehaftigkeit und Weiße, während (15a) eine ontologische Festlegung auf eben diese abstrakten Entitäten nach sich zu ziehen scheint. Den Streit zwischen Nominalisten und Platonisten kann man auffassen als einen Streit darüber, ob (15a) eine adäquate Paraphrasierung von (15) ist oder nicht. Alstons Äquivalenzargument macht deutlich, dass – unabhängig vom Ausgang des Streits – die Debatte weder der Sache des Platonisten noch der Sache des Nominalisten dienlich wäre, wenn (15) und (15a) logisch äquivalent wären. Denn dann würden entweder sowohl (15) als auch (15a) oder weder (15) noch (15a) eine ontologische Festlegung auf Universalien mit sich bringen. Die ganze Debatte hat nur dann Sinn, wenn (15) und (15a) gerade nicht als äquivalent aufgefasst werden. Dann geht es nicht darum, ob (15) dasselbe ausdrückt wie (15a), sondern ob (15) in irgendeinem Sinn richtiger ist als (15a). Die natürlichste und angemessenste Reaktion eines Nominalisten auf den Paraphrasierungsvorschlag (15a) besteht darin, (15a) als falsch zurückzuweisen. Ein Nominalist hat keinen Grund, (15a) als wahr zu akzeptieren, nur weil er (15) als wahr akzeptiert und ein Platonist (15a) als Paraphrasierung für (15) vorschlägt. Ein Nominalist, der es unplausibel findet, (15a) als falsch zurückzuweisen, muss sich wohl von anderen Nominalisten den Vorwurf gefallen lassen, er hege platonistische Intuitionen, ob er sich diese nun selber eingestehen mag oder nicht. Es liegt in diesem Fall ein Konflikt innerhalb des Überzeugungssystems vor.

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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Ich fasse zusammen: Für eindeutige Sätze gilt uneingeschränkter radikaler Referentialismus. Wenn also eine Person einen eindeutigen Satz als wahr akzeptiert, dann ist sie ontologisch festgelegt aufgrund der Kriterien (SOF) und (GOF). Wenn ein Satz aber mehrdeutig ist (in einer für seine ontologischen Implikationen relevanten Weise), dann kann man zunächst nicht eindeutig sagen, worauf jemand, der diesen Satz als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt ist. Man kann es erst dann eindeutig sagen, wenn die verschiedenen Bedeutungen des Satzes expliziert sind und wenn klar ist, in welcher dieser Bedeutungen der Satz akzeptiert wird. Hier können Paraphrasierungen eine wichtige Rolle spielen; sie können dazu dienen, mehrdeutige Sätze zu disambiguieren. Eine Paraphrasierung p’ eines Satzes kann eine eindeutige Formulierung einer der Bedeutungen eines mehrdeutigen Satzes p sein. Sätze können auf verschiedene Weisen mehrdeutig sein. Der Satz (14) There is a pain in my foot. ist lexikalisch mehrdeutig, aufgrund der Mehrdeutigkeit des Wortes “pain”. Viele Sätze, die unerwünschte ontologische Festlegungen nach sich ziehen, können aber kaum als lexikalisch mehrdeutig betrachtet werden. Ich kann zum Beispiel keine lexikalische Mehrdeutigkeit erkennen in den Sätzen (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. und (9) Die durchschnittliche österreichische Frau im Alter von 30 Jahren ist 2,3 mal schwanger geworden. Das Problem mit diesen Sätzen ist Folgendes: 1. Sie implizieren die Existenz von Möglichkeiten und durchschnittlichen Frauen. 2. Gemäß der radikal referentiellen Theorie ist es demnach nötig, diese Sätze als falsch zu verwerfen, um die ontologische Festlegung auf Möglichkeiten und durchschnittliche Frauen zu vermeiden. 3. Man kann es in der Tat unplausibel finden, dass Sätze wie diese als falsch zu verwerfen sind, selbst wenn man sich nicht auf die Existenz von Möglichkeiten und durchschnittlichen Frauen festlegen will. Anders ausgedrückt: Radikaler Referentialismus scheint in manchen Fällen eine Spur zu streng zu sein. Es ist eine nicht unvernünftige empirische Hypothese über den Gebrauch der Wendung “es gibt die Möglichkeit, dass”, dass der Satz (1) tatsächlich oft in der Bedeutung von (1b) Die Gäste können vom Bahnhof abgeholt werden. gebraucht wird. Eine radikale Referentialistin kann das freilich zugestehen, muss aber zugleich sagen, dass dieser Gebrauch, wie weit verbreitet er auch

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

sein mag, falsch ist. Aber vielleicht wird diese Auffassung der Komplexität natürlicher Sprachen nicht völlig gerecht. In einer natürlichen Sprache kann ein Satz Bedeutungen annehmen, die von seiner wörtlichen Bedeutung abweichen. Zum Beispiel: (16) Die Sonne geht im Westen unter. Wörtlich genommen drückt dieser Satz aus, dass die Sonne sich bewegt. Das ist falsch, wie wir wissen. Dennoch würden die meisten von uns nicht zögern, diesen Satz als wahr zu akzeptieren. Wir können (16) durch folgende Paraphrasierung ersetzen: (16a) Die Sonne verschwindet im Westen hinter dem Horizont. Wahrscheinlich wollen viele Leute, die (16) als wahr akzeptieren, “eigentlich” (16a) als wahr akzeptieren. Ist es plausibel zu sagen, dass jeder, der (16) als wahr akzeptiert, einen Fehler macht? – Das hängt davon ab, welche Theorie der Bedeutung man akzeptieren will. Wenn man nur wörtliche Bedeutungen zulässt, muss man sagen, dass der Satz (16) falsch ist, ebenso wie die Sätze (1) und (9) (vorausgesetzt, es gibt weder Möglichkeiten noch durchschnittliche Frauen). Denn wörtlich genommen sind diese Sätze falsch. Lässt man jedoch nicht-wörtliche, “übertragene” Bedeutungen zu, dann kann man sagen, dass diese Sätze in einer nicht-wörtlichen Bedeutung wahr sind. Eine Diskussion über Bedeutungsbegriffe kann ich hier nicht führen. Ich will im Zweifel großzügig sein und annehmen, dass es Sinn macht, von nichtwörtlichen Bedeutungen eines Satzes zu sprechen. Ich nehme also an, dass ein Satz p zusätzlich zu seiner wörtlichen Bedeutung (oder möglicherweise zu mehreren wörtlichen Bedeutungen, falls der Satz lexikalisch mehrdeutig ist) noch eine oder mehrere nicht-wörtliche Bedeutungen haben kann. Ich nenne einen Satz, der zusätzlich zu seinen wörtlichen Bedeutungen noch mindestens eine nicht-wörtliche Bedeutung hat, metaphorisch mehrdeutig. Wir können also Sätze über Sonnenuntergänge, Möglichkeiten und durchschnittliche Frauen als metaphorisch mehrdeutig betrachten. Paraphrasierungen dieser Sätze können wörtliche Formulierungen der nicht-wörtlichen Bedeutungen der ursprünglichen Sätze sein. So kann (16a) als eine wörtliche Formulierung der nicht-wörtlichen Bedeutung von (16) verstanden werden. Ebenso kann (1b) als wörtliche Formulierung der nicht-wörtlichen Bedeutung von (1) Es besteht die Möglichkeit, dass die Gäste vom Bahnhof abgeholt werden. interpretiert werden; und Analoges gilt für den Satz über die durchschnittliche österreichische Frau und dessen Paraphrasierung.

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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Auch hier können Paraphrasierungen also dazu dienen, mehrdeutige Sätze zu disambiguieren. Wenn ein Satz metaphorisch mehrdeutig ist, dann können wir nicht wissen, worauf jemand, der diesen Satz als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt ist, so lange wir nicht wissen, ob der Satz in seiner wörtlichen oder in seiner nicht-wörtlichen Bedeutung als wahr akzeptiert wird. Paraphrasierungen können die nötige Klarheit schaffen. Jemand, der die Existenz von Möglichkeiten nicht anerkennt, sollte es aber nicht extrem und unplausibel finden, den Satz (1) in seiner wörtlichen Bedeutung als falsch zu verwerfen. Ebenso sollte jemand, der nicht an die Existenz durchschnittlicher Individuen glaubt, es nicht unplausibel finden, den Satz (9) Die durchschnittliche österreichische Frau im Alter von 30 Jahren ist 2,3 mal schwanger geworden. als falsch zu verwerfen. Wer es unplausibel findet, diesen Satz in seiner wörtlichen Bedeutung als falsch zu verwerfen, der kann sich den betreffenden ontologischen Festlegungen nicht entziehen. Gegen Jacksons Einwand, die radikale referentielle Theorie sei in vielen Fällen extrem und unplausibel, antworte ich also einerseits mit einer Verteidigung, andererseits mit einer Modifikation. Die Verteidigung betrifft alle eindeutigen Sätze, die Modifikation alle mehrdeutigen. Logische Mehrdeutigkeit Jackson bringt noch ein weiteres Argument gegen die radikale referentielle Theorie vor – wahrscheinlich das stärkste. Es lautet wie folgt: My final objection to the radical Referential theory is that it fails the basic test for acceptability for any reasonably austere theory of ontological commitment, namely, it fails to allow that you may take a sentence of the form “A does not exist” to be true without ontologically committing yourself to A. The usual way of parsing “Thor does not exist” so as to exhibit that it does not ontologically commit to Thor are as “Nothing Thors” or as “It is false that Thor exists”. But, according to the radical referentialist, offering such parsings avoids ontic commitment only if it also involves denying what is being parsed. Hence, he cannot retain “Thor does not exist” while avoiding commitment to Thor.7

Ich stimme mit Jackson darin überein, dass es wahre negative singuläre Existenzsätze gibt; und jede akzeptable Theorie der ontologischen Festlegung 7

Jackson 1980, 309.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

muss dieser Tatsache Rechnung tragen. Das Problem der negativen singulären Existenzsätze wird später8 noch ausführlich behandelt werden. An dieser Stelle will ich mich daher auf eine sehr knappe Darstellung beschränken. Das Problem besteht darin, dass singuläre Existenzsätze die grammatikalische Form von Prädikationen haben. Es scheint daher, dass auf singuläre Existenzsätze das Prädikationsprinzip anzuwenden ist. Wendet man das Prädikationsprinzip nun etwa auf (17) Thor existiert nicht. an, wobei “existiert nicht” als (logisch einfaches) negatives Prädikat aufgefasst wird, dann hat (17) die Form “Fa” und daher folgt aus (17) der singuläre Existenzsatz (18) Thor existiert, was natürlich nicht akzeptabel ist. Eine Paraphrasierung von (17) scheint ein Ausweg zu sein. Man könnte (17) etwa so paraphrasieren: (17a) Es ist nicht der Fall, dass Thor existiert. Es ist offensichtlich, dass (17a) nicht mehr die Form “Fa” hat, daher lässt sich auf (17a) auch nicht das Prädikationsprinzip anwenden, und daher auch nicht (18) ableiten. Der Widerspruch ist auf diese Weise vermieden, das Problem scheint gelöst.9 Jackson wendet nun aber ein, dass eine radikale Referentialistin (17) als falsch zurückweisen müsste, zugunsten von (17a). Das wäre in der Tat kontraintuitiv und damit ein Argument gegen die radikale referentielle Theorie. Die Lösung besteht auch in diesem Fall in der Einsicht, dass die betreffenden Sätze mehrdeutig sind. Alle Sätze der Form “a existiert nicht” sind mehrdeutig. Aber der Satz (17) ist weder lexikalisch noch metaphorisch mehrdeutig. Vielmehr ist dieser Satz logisch mehrdeutig. Sätze der Form “a existiert nicht” sind generell logisch mehrdeutig. Ich sage, dass ein Satz logisch mehrdeutig ist, wenn er mehrere logische Interpretationen zulässt. Die Paraphrasierung (17a) ist eine logische Interpretation von (17). Eine andere logische Interpretation von (17) könnte so dargestellt werden: 8

Siehe Kap. III.4. In Wirklichkeit ist es damit nicht gelöst. Ich komme darauf in Kap. III.4 zurück. Eine andere mögliche Lösung bestünde darin, negative singuläre Existenzsätze generell als Sätze über Namen zu interpretieren, also so: (17*) “Thor” bezeichnet nichts. Diesen Lösungsweg würde ich allerdings nur als letzten Ausweg wählen; denn intuitiv sind singuläre Existenzsätze nicht generell metasprachlich. 9

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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(17b) Thor/existiert nicht. Der Schrägstrich in (17b) soll die Grenze zwischen den logischen Teilen des Satzes repräsentieren. Das heißt: (17b) ist ein Satz mit nur zwei logischen Teilen, nämlich dem Subjektausdruck “Thor” und dem Prädikat “existiert nicht”. Die logische Interpretation eines Satzes beginnt mit einer logischen Analyse, aber eine vollständige logische Interpretation eines Satzes kann sich nicht in der Analyse erschöpfen. Eine logische Interpretation eines Satzes ist vollständig, wenn an ihrem Ende eine vollständigen Klärung der logischen Struktur des Satzes steht.10 Analyse ist immer eine Art der Zerlegung. Im Laufe einer Analyse wird ein komplexes Ganzes in einfachere Einheiten zerlegt. Dadurch wird die Struktur des komplexen Ganzen deutlich, das heißt: es wird klar, aus welchen Teilen das Ganze besteht, und wie diese Teile zusammengesetzt sind. Sätze können grundsätzlich auf zwei Arten zerlegt werden. Man kann sie entweder in ihre grammatikalischen oder in ihre logischen Teile zerlegen. Entsprechend lässt sich an Sätzen eine grammatikalische und eine logische Struktur unterscheiden, und die Analyse eines Satzes kann eine grammatikalische oder eine logische Analyse sein. Eine vollständige logische Interpretation eines Satzes ist aber mit der Zerlegung in seine logischen Teile noch nicht abgeschlossen; es muss außerdem noch die logische Funktion der logischen Teile des Satzes geklärt werden. (17a) ist das Resultat der Zerlegung von (17) in drei logische Teile, nämlich “Thor”, “existiert” und “nicht”. (17a) ist aber außerdem Resultat einer logischen Interpretation des “nicht”; und zwar wird das “nicht” als ein Satzoperator interpretiert. Man kann also (17) in zwei Teile zerlegen, nämlich in das Subjekt “Thor” und das Prädikat “existiert nicht”. In diesem Fall wäre die logische Struktur 10

Streng genommen ist es nicht korrekt, von “der” logischen Struktur eines logisch mehrdeutigen Satzes zu sprechen (so, wie es auch nicht korrekt ist, von “der” Bedeutung eines lexikalisch mehrdeutigen Wortes zu sprechen). Die logische Struktur eines logisch mehrdeutigen Satzes zu klären, heißt, sich auf eine der möglichen logischen Interpretationen des Satzes festzulegen. In diesem Fall gibt es nicht “die” logische Struktur, die man durch sorgfältige Untersuchung “entdecken” könnte; vielmehr muss man sich für eine bestimmte Interpretation entscheiden (wobei es natürlich für eine solche Entscheidung gute Gründe geben kann). Wenn ich trotzdem im Folgenden gelegentlich auch in Bezug auf logisch mehrdeutige Sätze von “der” logischen Struktur spreche, so ist das in diesem Sinne zu verstehen.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

dieses Satzes eindeutig “Fa”. Man kann diesen Satz aber auch in drei Teile zerlegen, nämlich in “Thor”, “existiert” und “nicht”. In diesem Fall erhebt sich die Frage, ob das “nicht” als Bestandteil des Prädikats aufzufassen ist (so dass das Prädikat ein komplexes Gebilde ist), oder ob das “nicht” als Satzoperator aufzufassen ist. Mit der vorgeschlagenen Interpretation (17a) wurde eine Entscheidung zugunsten der Teilung in drei Teile getroffen; und es wurde außerdem das “nicht” als Satzoperator interpretiert. Eine logische Interpretation p’ eines Satzes p ist nicht immer bedeutungsgleich mit p. Sie ist es dann nicht, wenn p logisch mehrdeutig ist und wenn p’ nicht (jedenfalls nicht in derselben Weise) logisch mehrdeutig ist. In diesem Fall kann eine logische Interpretation p’ eines Satzes p nur teilbedeutungsgleich mit p sein. Ob eine Person S, die (17) als wahr akzeptiert, auf die Existenz von Thor festgelegt ist, hängt davon ab, welche der logischen Interpretationen von (17) S als wahr akzeptiert. Die Interpretation (17b) impliziert, dass Thor existiert. Die Interpretation (17a) impliziert das nicht. Daher ist es möglich, zugleich (17a) und (17) als wahr zu akzeptieren, ohne auf die Existenz von Thor festgelegt zu sein. (17) kann von jemandem, der (17a) als Paraphrasierung von (17) akzeptiert, als wahr akzeptiert werden, weil (17) in einer seiner Interpretationen wahr ist – nämlich in jener Interpretation, die durch (17a) ausgedrückt wird. Es ist also möglich, einen Satz p und zugleich seine Paraphrasierung p’ als wahr zu akzeptieren und dennoch ontologische Festlegungen zu vermeiden, wenn p’ eine von mehreren möglichen logischen Interpretationen von p ist (das heißt: wenn p logisch mehrdeutig ist), wenn p’ die problematischen Existenzsätze nicht impliziert, andere logische Interpretationen von p diese problematischen Existenzsätze aber implizieren. Damit ist die kontraintuitive Konsequenz vermieden, dass negative singuläre Existenzsätze von den Vertretern einer radikalen referentiellen Theorie als falsch verworfen werden müssen. Ich fasse zusammen: Radikaler Referentialismus ist richtig für eindeutige Sätze, aber nicht für mehrdeutige. Wir können mehrere Arten von Mehrdeutigkeit unterscheiden: lexikalische, metaphorische, logische. Immer gilt: Wenn eine Paraphrasierung dazu dient, einen Satz zu disambiguieren, dann ist die Paraphrasierung nicht bedeutungsgleich mit dem ursprünglichen Satz, sondern nur teilbedeutungsgleich. Daher trifft das Äquivalenzargument diese Art von Paraphrasierungen nicht. Andererseits erklärt sich daraus die Intuition, dass die ursprünglichen Sätze doch “in irgendeinem Sinn” wahr sind. Um ontologische Festlegungen durch das Akzeptieren eines mehrdeutigen Satzes zu

1. Die Paraphrasierungsstrategie

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vermeiden, ist es manchmal nicht nötig, einen als wahr akzeptierten Satz “in Bausch und Bogen” zu verwerfen. Es kann genügen, die verschiedenen Bedeutungen des Satzes zu explizieren und den Satz nur in einigen seiner Bedeutungen zu verwerfen, während er in anderen Bedeutungen weiterhin als wahr akzeptiert werden kann. Die Einschränkung des radikalen Referentialismus in Bezug auf mehrdeutige Sätze erfordert eine Modifikation der Kriterien (SOF1)/(GOF1) bzw. (SOF2)/(GOF2). Ich schlage folgende Formulierungen vor: Singuläre ontologische Festlegung (SOF4) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf einen bestimmten Gegenstand a genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eindeutige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass a existiert. Generelle ontologische Festlegung (GOF4) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf Fs genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eindeutige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn ein Existenzsatz folgt, mit dem ausgedrückt wird, dass Fs existieren. Durch Anwendung der existentiellen Prinzipien (PP), (RP) und (EG) auf (SOF4) und (GOF4) erhalten wir: Singuläre ontologische Festlegung (SOF5) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf einen bestimmten Gegenstand a genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eine eindeutige Prädikation mit a als Subjekt als wahr, oder S akzeptiert einen eindeutigen Relationssatz mit a als einem der Relationsglieder als wahr, oder S akzeptiert beliebige eindeutige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn eine Prädikation mit a als Subjekt oder ein Relationssatz mit a als einem der Relationsglieder folgt. Generelle ontologische Festlegung (GOF5) Eine Person S ist ontologisch festgelegt auf Fs genau dann, wenn gilt: S akzeptiert eine eindeutige Prädikation als wahr, mit welcher einem Gegenstand das Prädikat “F” zugesprochen wird, oder

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

S akzeptiert eindeutige Sätze p1 – pn als wahr, so dass aus p1 – pn eine Prädikation folgt, mit welcher einem Gegenstand das Prädikat “F” zugesprochen wird. Ich werde in dieser Arbeit sowohl (SOF4)/(GOF4) als auch (SOF5)/(GOF5) verteidigen. Wenn im Folgenden von Kriterien der ontologischen Festlegung die Rede ist und wenn im gegebenen Kontext sowohl (SOF4)/(GOF4) als auch (SOF5)/(GOF5) gemeint ist, dann lasse ich die unteren Indizes weg und spreche einfach von (SOF) bzw. (GOF).

2. “Kontextuelle Semantik”1 Ein nicht-referentieller Wahrheitsbegriff Terence Horgan beansprucht, ein Mittel zur Vermeidung unerwünschter ontologischer Festlegungen gefunden zu haben, und zwar unter Umgehung der Paraphrasierungsstrategie. Er versucht, eine naturalistische Ontologie gegen die Annahme abstrakter und intentionaler Gegenstände zu verteidigen, und er tut das mit Hilfe einer Theorie, die er – in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung – “Sprachspiel-Semantik”, “psychologistische Semantik” und “kontextuelle Semantik” nennt. Ich werde im Folgenden ausschließlich die Bezeichnung “kontextuelle Semantik” verwenden. Ohne das Prädikationsprinzip ausdrücklich zu erwähnen, expliziert Horgan das Problem, das die kontextuelle Semantik lösen soll, wie folgt: Es scheint, dass wir ontologische Festlegungen auf nicht-physikalische Gegenstände akzeptieren müssen, wenn wir gewisse Subjekt-Prädikat-Sätze als wahr akzeptieren, nämlich Subjekt-Prädikat-Sätze, deren Subjektterme keine physikalischen Gegenstände bezeichnen. Zum Beispiel: (1) (2) (3) (4)

General Motors is a powerful corporation. Beethoven’s fifth symphony has four movements. Quine’s Word and Object is an influential book. The United States of America is a non-Communist nation.2

Horgan meint, dass für alle diese Sätze Folgendes gilt: (i) we take them to be unproblematically true; (ii) they contain singular terms which appear to denote [...] entities other than those countenanced by a minimal ontology; (iii) there is no obvious or natural way to paraphrase the sentences into forms which avoid this apparent ontological commitment to unwelcome entities; and (iv) there is no plausible way to identify the entities purportedly referred to in these sentences with ontologically “respectable” entities (such as Quinean physical objects, or sets constructed from them.)3

Horgan möchte sich nicht auf die Annahme nicht-physikalischer Entitäten festlegen. Seine Lösung besteht aber nicht darin, Paraphrasierungen für die 1

Dieses Kapitel ist eine Übersetzung und überarbeitete Version von Reicher 2002 unter Berücksichtigung von Terence Horgans Replik auf die hier formulierte Kritik an seiner Theorie (siehe Horgan 2002). 2 Horgan 1986a, 22. 3 Ebd., 21f.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

problematischen Sätze zu suchen. Er meint, das Problem durch eine Neudefinition der Beziehungen zwischen Wahrheit, Referenz und Ontologien lösen zu können. Sein Vorschlag ist zu sehen vor dem Hintergrund der “referentiellen Semantik”. Gemäß der referentiellen Semantik ist ein Satz der Form “Fa” wahr genau dann, wenn es im Diskursbereich einen Gegenstand gibt, der durch “a” bezeichnet wird, und wenn a das Prädikat “F” erfüllt. [L]anguage users might sometimes adopt standards of correct assertibility under which a sentence can count as correctly assertible (and hence as true) even if it contains singular terms that do not pick out any actual constitutents [sic!] of the world – or even if no actual constitutents [sic!] of the world answer to some of the sentence’s unnegated existential-quantifier expressions. In such a situation, the sentence would not satisfy the criteria for truth which are laid down by referential semantics; rather, the world’s contribution to the sentence’s correct assertibility would be more indirect. The truth of sentence (1), for example, [...] might consist in the fact that the actual objects in the world – perhaps none of which happen to answer to the term “General Motors” – behave in a way which, under the relevant assertibility standards, renders (1) correctly assertible.4

Die kontextuelle Semantik lässt sich in Form der folgenden vier Thesen in den Grundzügen darstellen: (KS1) Der Begriff der Wahrheit ist ein normativer Begriff. (KS2) Dass ein Satz p wahr ist, heißt, dass p korrekterweise behauptbar5 ist. (KS3) Es gibt mehrere Standards der korrekten Behauptbarkeit; manche davon sind verschieden von den Standards der referentiellen Semantik. (KS4) Es gibt Standards der korrekten Behauptbarkeit, denen gemäß gilt: Ein Satz der Form “Fa” (also ein Subjekt-Prädikat-Satz) kann wahr sein auch dann, wenn “a” nichts bezeichnet. Aus diesen vier Thesen ist bereits ersichtlich, dass das Herzstück der kontextuellen Semantik eine Theorie der Wahrheit ist. Die zentrale These lautet: Wahrheit ist dasselbe wie “korrekte Behauptbarkeit”. Gemäß den Bedingun4

Ebd., 23. Mittlerweile zieht Horgan den Terminus “korrekte Akzeptierbarkeit” [correct affirmability] dem Terminus “korrekte Behauptbarkeit” [correct assertibility] vor. (Siehe Horgan 2002, 313) Da ich etliche Stellen aus früheren Arbeiten Horgans zitiere, in denen noch von korrekter Behauptbarkeit die Rede ist, werde ich aber bei der alten Terminologie bleiben.

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2. “Kontextuelle Semantik”

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gen der referentiellen Semantik ist ein Satz der Form “Fa” wahr genau dann, wenn es im Diskursbereich einen Gegenstand gibt, der durch den singulären Term “a” bezeichnet wird, und wenn dieser Gegenstand zur Menge jener Gegenstände gehört, die F sind. Es gibt aber verschiedene Bedingungen korrekter Behauptbarkeit; die Bedingungen der referentiellen Semantik sind nicht die einzigen. Ich werde im Folgenden darlegen, auf welchen Voraussetzungen die kontextuelle Semantik beruht. Ich werde zeigen, dass sie entweder auf eine Paraphrasierungsstrategie hinausläuft oder zur Aufgabe bestimmter Prinzipien zwingt, die ich keinesfalls aufgeben möchte. Ich beginne damit, die vier Thesen etwas näher zu betrachten. Bereits die erste These, KS1, ist explikationsbedürftig. Inwiefern ist Wahrheit ein normativer Begriff? Die These KS2 trägt nichts zur Klärung bei – eher im Gegenteil. Der Begriff der korrekten Behauptbarkeit liefert keine Explikation des Begriffs der Wahrheit; vielmehr müsste der Begriff der korrekten Behauptbarkeit selbst expliziert werden. Der Begriff der korrekten Behauptbarkeit ist sogar noch unklarer als der Wahrheitsbegriff selbst. Korrekte Behauptbarkeit könnte verstanden werden als etwas, das mit “political correctness” zu tun hat, oder mit Höflichkeit oder ethischer Verantwortung; doch nichts von dieser Art ist gemeint. Korrekte Behauptbarkeit soll auch nicht von der Übereinstimmung mit den Überzeugungen anderer Subjekte abhängen. Die einzige Erklärung, die für den Begriff der korrekten Behauptbarkeit gegeben wird, besteht darin, korrekte Behauptbarkeit mit Wahrheit gleichzusetzen. Offenbar können die Ausdrücke “Wahrheit” und “korrekte Behauptbarkeit” in jedem Satzkontext miteinander vertauscht werden, ohne dass der Sinn des Satzes verändert würde. Daher ist durch die Einführung des Begriffs der korrekten Behauptbarkeit nichts gewonnen. Ich werde im Folgenden (ebenso wie Horgan selbst) “Wahrheit” und “korrekte Behauptbarkeit” als gegenseitig austauschbar verwenden. Den Kern der kontextuellen Semantik bilden also offenbar die Thesen KS3 und KS4. Diese lauten (gegeben die wechselseitige Substituierbarkeit von “Wahrheit” und “korrekte Behauptbarkeit”): Es gibt verschiedene Wahrheitsbedingungen, nicht nur jene der referentiellen Semantik. Manche Wahrheitsbedingungen erlauben es, einen Satz der Form “Fa” wahr zu nennen, auch wenn “a” nichts bezeichnet. Gemäß der kontextuellen Semantik gibt es nicht die eine, in allen Kontexten richtige Antwort auf die Frage: “Unter welchen Bedingungen ist ein Satz der Form ‘Fa’ wahr?” In manchen Kontexten gilt die Antwort der referentiellen Semantik, in anderen nicht. Das wirft die folgenden beiden Fragen auf:

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Erstens, in welchen Kontexten sind die Standards der referentiellen Semantik wirksam, und in welchen nicht? Zweitens, wenn die Standards der referentiellen Semantik nicht gelten, welche Standards gelten dann in einem gegebenen Kontext? Ich werde auf diese Fragen später zurückkommen. Zuvor möchte ich noch einige von Horgans Bemerkungen über die Natur der Wahrheit in der kontextuellen Semantik betrachten: [C]orrect assertibility is ordinarily a joint product of two factors: (i) the contextually operative assertibility norms; and [(ii)] how things actually are in the WORLD.6

Das wird durch zwei Bemerkungen näher erläutert, nämlich: (i) die wirksamen Normen der Behauptbarkeit sind je nach Kontext verschieden; (ii) der zweite Faktor (also der tatsächliche Weltzustand) hat nicht in allen Kontexten dasselbe Gewicht. Weiters erklärt Horgan: On this view, there is a whole spectrum of ways that a sentence’s correct assertibility can depend upon THE WORLD. At one end of the spectrum are sentences whose assertibility norms, in a given context of usage, coincide with those laid down by referentialism. [...] At the other end of the spectrum are sentences whose governing assertibility norms, in a given context, are such that those sentences are sanctioned as correctly assertible by the norms alone, independently of how things are with THE WORLD. (Sentences of pure mathematics are plausible candidates for this status.) And various intermediate positions are occupied by sentences whose correct assertibility, in a given context, does depend in part on how things are with THE WORLD, but where this dependence does not consist in direct correspondence between (i) the referential apparatus of the sentence (its singular terms, quantifiers, and predicates), and (ii) OBJECTS or PROPERTIES in THE WORLD.7

An anderer Stelle kontrastiert Horgan direkte Übereinstimmung [direct correspondence] mit indirekter Übereinstimmung [indirect correspondence].8 In den Fällen, für welche weder streng referentielle Standards noch die Standards der Mathematik gelten (jenen Fällen also, die “Zwischenpositionen” einnehmen), soll Wahrheit in indirekter Korrespondenz bestehen. 6

Horgan 1994a, 316f. Ebd., 317. Durch die Verwendung von Großbuchstaben soll verdeutlicht werden, dass von bewusstseinsunabhängigen und diskursunabhängigen Entitäten die Rede ist. 8 Siehe Horgan 1997. 7

2. “Kontextuelle Semantik”

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Man könnte denken, dass der Begriff der “Behauptbarkeitsnormen”, der in dem vorangegangenen Zitat eingeführt wurde, endlich Licht auf die Normativitätsthese KS1 wirft. Tatsächlich ist aber der Begriff der Behauptbarkeitsnormen selbst explikationsbedürftig. In den “gemischten Fällen” (in jenen Fällen also, die weder strikt referentiell noch von der Art der mathematischen Sätze sind) sollen sowohl die Behauptbarkeitsnormen als auch der Zustand der Welt ausschlaggebend sein für Wahrheit oder Falschheit des Satzes. In diesen Fällen soll Wahrheit oder Falschheit von zwei Faktoren abhängen: (i) Übereinstimmung mit den Tatsachen und (ii) Übereinstimmung mit den relevanten Behauptbarkeitsnormen. Im Folgenden richte ich meine Aufmerksamkeit auf diese angeblichen gemischten Fälle. Den Fall der Mathematik und Logik lasse ich ganz beiseite. Meine nächste Frage lautet: In welcher Weise wirkt die geforderte Übereinstimmung mit den Behauptbarkeitsnormen zusammen mit der geforderten Übereinstimmung mit den Tatsachen? Wie ist die Beziehung zwischen diesen beiden Faktoren zu verstehen? Horgans Bemerkungen legen zwei Interpretationen nahe, die zu einander ausschließenden Antworten auf diese Frage führen. Gemäß der ersten Interpretation sind die beiden Faktoren unabhängig voneinander, so dass die eine Forderung erfüllt sein kann und die andere nicht. Freilich wäre der betreffende Satz in einem solchen Fall nicht wahr. Denn weder Übereinstimmung mit den Behauptbarkeitsnormen allein noch Übereinstimmung mit den Tatsachen allein ist eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit. Beides ist erforderlich, damit ein “gemischter Satz” wahr ist. Diese Interpretation erscheint als die natürlichste im Licht von Horgans Bemerkungen. Aber leider macht sie keinen Sinn. Denn offensichtlich ist, in den betreffenden Fällen, Übereinstimmung mit den Tatsachen sowohl eine notwendige als auch eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit. Jedenfalls gilt das, sofern die folgenden beiden Prinzipien gelten (die, soweit ersichtlich, auch von Horgan akzeptiert werden): (i) Für jeden Satz p gilt: Entweder p stimmt vollständig mit den Tatsachen überein, oder p stimmt nicht vollständig mit den Tatsachen überein. (ii) Für jeden Satz p gilt: Entweder p ist wahr, oder p ist falsch. Angenommen, ein Satz p stimmt vollständig mit den Tatsachen überein (das heißt: p ist wahr gemäß den Standards der referentiellen Semantik): Ist es dann möglich, dass die relevanten Behauptbarkeitsnormen in einem gegebenen Kontext derart sind, dass p falsch ist – trotz der vollständigen Übereinstimmung mit den Tatsachen?

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Das ist offenbar nicht der Fall. Eine solche Möglichkeit anzuerkennen hieße jedenfalls, die Ausdrücke “wahr” und “falsch” in einem wesentlich anderen Sinn zu verwenden, als sie für gewöhnlich verwendet werden. Gemäß der üblichen Bedeutung von “wahr” und “falsch” ist vollständige Übereinstimmung mit den Tatsachen zweifellos eine hinreichende Bedingung für Wahrheit. Offenbar können also die kontextabhängigen Behauptbarkeitsnormen allenfalls in jenen Fällen eine Rolle spielen, in denen nicht vollständige Übereinstimmung mit den Tatsachen vorliegt, wenn also ein Satz falsch ist gemäß den Standards der referentiellen Semantik. Nehmen wir nun einen solchen Fall an, also den Fall, dass ein Satz p nicht vollständig mit den Tatsachen übereinstimmt: Ist es in einem solchen Fall möglich, dass die relevanten Behauptbarkeitsnormen derart sind, dass p wahr ist – trotz fehlender Übereinstimmung mit den Tatsachen? Wie schon gesagt, soll es hier nur um solche Sätze gehen, für deren Wahrheit Übereinstimmung mit den Tatsachen irgendeine Rolle spielt. (Ob es überhaupt Sätze gibt, deren Wahrheit von der Übereinstimmung mit den Tatsachen völlig unabhängig ist, ist eine Frage, die hier nicht entschieden werden muss.) Die Frage lautet also: Kann ein Satz p wahr sein, dessen Wahrheit von der Beschaffenheit der Welt abhängt und der nicht mit dem gegebenen Weltzustand übereinstimmt? Offenbar kann das nicht sein. Wenn die Wahrheit von p von der Beschaffenheit der Welt abhängt, und wenn die Welt nicht so beschaffen ist, wie p sagt, dann ist p nicht wahr. Das Resultat lautet also: In allen Fällen, in denen Übereinstimmung mit den Tatsachen relevant ist für die Wahrheit, können kontextabhängige Behauptbarkeitsnormen keinerlei Einfluss auf den Wahrheitswert eines Satzes haben. Entweder ein Satz p stimmt mit den Tatsachen überein; dann ist p wahr. Oder p stimmt nicht mit den Tatsachen überein; dann ist p falsch. Es spielt keine Rolle, ob p mit den im gegebenen Kontext relevanten Behauptbarkeitsnormen übereinstimmt (worin immer diese bestehen mögen). Indirekte Übereinstimmung und Paraphrasierungen Das Aufspalten der Wahrheitsbedingungen in Übereinstimmung mit den Tatsachen einerseits und Übereinstimmung mit kontextabhängigen Behauptbarkeitsnormen andererseits ist also eine Sackgasse. Ich schlage daher eine andere Interpretation vor. In dieser zweiten Interpretation mache ich ausdrücklichen Gebrauch von Horgans Begriff der indirekten Übereinstimmung.

2. “Kontextuelle Semantik”

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Gemäß dieser Interpretation ist Übereinstimmung mit kontextabhängigen Behauptbarkeitsnormen nicht etwas, das zusätzlich zur Übereinstimmung mit den Tatsachen erforderlich ist, oder gar etwas, das die Übereinstimmung mit den Tatsachen ersetzen kann. Vielmehr besteht die Funktion der kontextabhängigen Behauptbarkeitsnormen darin, zu bestimmen, welche Art von Übereinstimmung mit den Tatsachen erforderlich ist. Das folgende Zitat weist in diese Richtung: Contextual semantics also stresses that semantic standards vary somewhat from one sociolinguistic context to another. In the limit case, the applicable standards are referentially strict: they require direct referential linkages connecting a statement’s basic subsentential constituents to real objects and real properties. In this limit case, truth (i. e., semantically correct assertibility) is direct correspondence. But the contextually operative standards also can work in such a way that the requisite goings-on in the world need not involve real entities or real properties answering to the statement’s basic subsentential constituents. In such cases, truth is indirect correspondence.9

In manchen Kontexten sollen also die Behauptbarkeitsnormen derart sein, dass für die Wahrheit eines Satzes direkte Übereinstimmung mit den Tatsachen erforderlich ist, während in anderen Kontexten indirekte Übereinstimmung hinreicht. Es ist zu betonen, dass gemäß dieser Interpretation in allen Fällen Übereinstimmung mit den Tatsachen eine sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung für die Wahrheit eines Satzes ist (jedenfalls wenn der Spezialfall der Mathematik und Logik ausgeschlossen ist) – nur die Art der Übereinstimmung kann von Fall zu Fall verschieden sein, nämlich entweder direkt oder indirekt. Gemäß dieser Interpretation gilt also: Für die Wahrheit verschiedener Sätze in verschiedenen Kontexten sind verschiedene Arten der Übereinstimmung mit den Tatsachen nötig. Die Übereinstimmung mit den Tatsachen kann direkt oder indirekt sein. Der Begriff der direkten Übereinstimmung mit den Tatsachen soll hier als hinreichend klar vorausgesetzt werden. Es ist also als nächstes der Begriff der indirekten Übereinstimmung zu klären. In der oben zitierten Passage charakterisiert Horgan Fälle von indirekter Übereinstimmung mit der Bemerkung, dass in diesen Fällen die Wahrheit eines Satzes nicht erfordere, “dass die betreffenden Vorgänge in der Welt den Satzbestandteilen entsprechende reale Entitäten oder reale Eigenschaften involvieren müssen”. Das soll sicher nicht so verstanden werden, dass wir uns 9

Horgan 1997, 505.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

in Fällen indirekter Übereinstimmung auf “nicht-reale Entitäten” beziehen und diesen “nicht-reale Eigenschaften” zusprechen. Gemeint ist wohl vielmehr, dass wir in Fällen indirekter Übereinstimmung nicht jene ontologischen Festlegungen eingehen, die wir eingehen würden, wenn direkt referentielle Behauptbarkeitsnormen wirksam wären. Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, worin indirekte Übereinstimmung mit den Tatsachen besteht. Das folgende Zitat soll zu einem intuitiven Verständnis des Begriffs der indirekten Übereinstimmung verhelfen: The correct assertibility of [“Beethoven’s fifth symphony has four movements”] probably does not require that there be some ENTITY answering to the term “Beethoven’s fifth symphony”, and also answering to the predicate “has four movements”. Rather, under the operative assertibility norms, [“Beethoven’s fifth symphony has four movements”] is probably correctly assertible (i.e., true) by virtue of other, more indirect, connections between the sentence and THE WORLD. Especially germane is the behaviour by Beethoven that we could call “composing his fifth symphony.” But a considerably wider range of goings-on is relevant too: in particular, Beethoven’s earlier behaviour in virtue of which his later behaviour counts as composing his fifth symphony; and also a broad range of human practices in virtue of which such behaviour counts as “composing a symphony” in the first place.10

Es ist klar, was hier mit der kontextuellen Semantik erreicht werden soll, nämlich die Vermeidung der ontologischen Festlegung auf Musikwerke bzw. die Vermeidung der ontologischen Festlegung auf abstrakte Gegenstände und Universalien im Allgemeinen. Musikwerke sind als abstrakte Gegenstände, genauer: als Universalien zu betrachten (sofern man nicht zu künstlichen und wenig plausiblen Paraphrasierungen von Sätzen über Musikwerke Zuflucht nehmen will).11 Der Satz (2) Beethoven’s fifth symphony has four movements. ist offenkundig wahr. Wenn für die Wahrheit von (2) direkte Übereinstimmung erforderlich ist, dann bringt (2) eine ontologische Festlegung auf Musikwerke – und damit auf abstrakte Gegenstände und Universalien – mit sich. Die kontextuelle Semantik soll uns ermöglichen, diese Festlegungen zu vermeiden, ohne dass wir (2) als falsch verwerfen müssen und ohne dass wir 10

Horgan 1994a, 317f. In dieser Hinsicht stimme ich mit Horgan vollkommen überein. Für Argumente zur Verteidigung dieser Auffassung siehe Kapitel IV.1. 11

2. “Kontextuelle Semantik”

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(2) paraphrasieren müssen. Es fragt sich: Kann die kontextuelle Semantik das leisten? Ich nehme folgendes Prinzip als wahr an: (FOWA) Für jeden sinnvollen Behauptungssatz p gilt: Es ist grundsätzlich möglich, Wahrheitsbedingungen (= Bedingungen der korrekten Behauptbarkeit) für p zu formulieren. Ich nenne dieses Prinzip “das Prinzip der Formulierbarkeit von Wahrheitsbedingungen” (abgekürzt “FOWA”). Die Hinweise, die Horgan auf die (nichtreferentiellen) Wahrheitsbedingungen für den Satz (2) gibt, reichen nicht aus, die Wahrheitsbedingungen für (2) vollständig anzugeben. Es wird aber immerhin angedeutet, wie solche Wahrheitsbedingungen ungefähr aussehen könnten: Beethovens Verhalten soll eine zentrale Rolle dabei spielen, ebenso Beethovens kultureller Kontext. Nehmen wir an, wir wären in der Lage, die Wahrheitsbedingungen für (2) vollständig und exakt zu formulieren, und zwar auf der Basis der von Horgan gegebenen Hinweise. Die Formulierung dieser Wahrheitsbedingungen würde dann ungefähr folgendem Schema entsprechen: (WB2) Beethoven tat das-und-das in dem-und-dem kulturellen Kontext. Stellen wir uns dieses Schema nun ausgefüllt vor, so dass wir damit eine vollständige und exakte Angabe der Wahrheitsbedingungen von (2) hätten. Die relevanten Tätigkeiten von Beethoven könnten, unter anderem, folgende sein: Beethoven, wie er am Klavier sitzt und nachdenkt; Beethoven, wie er kurze Abfolgen von Noten am Klavier spielt; Beethoven, wie er Noten auf ein Blatt Papier schreibt; Beethoven, wie er seine fertige Partitur an den Verleger sendet. Freilich ist das noch lange keine vollständige und adäquate Beschreibung aller für das Komponieren der fünften Symphonie relevanten Vorgänge. Es wäre außerordentlich langwierig und schwierig (vielleicht praktisch unmöglich), alle diese Vorgänge vollständig und adäquat zu beschreiben – von einer adäquaten und vollständigen Beschreibung der relevanten Aspekte des kulturellen Kontexts dieser Vorgänge gar nicht zu reden. Doch von diesen praktischen Schwierigkeiten soll hier, um des Arguments willen, abgesehen werden. Es soll angenommen werden, wir hätten mit (WB2) eine vollständige und adäquate Beschreibung aller relevanten Vorgänge, einschließlich einer vollständigen und adäquaten Beschreibung der relevanten Aspekte des Kontexts. In diesem Fall wäre (WB2) nichts anderes als eine Paraphrasierung von (2), und zwar eine Paraphrasierung, in welcher die Bezugnahme auf ein Mu-

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

sikwerk, dem eine strukturelle Eigenschaft zugesprochen wird, ersetzt ist durch die Bezugnahme auf Beethoven, dem bestimmte Tätigkeiten zugesprochen werden. Demnach wäre die Semantik der indirekten Übereinstimmung nichts anderes als eine versteckte Paraphrasierungsstrategie. Ein Anhänger der kontextuellen Semantik könnte sagen: “Satz (2) ist wahr genau dann, wenn es eine Person namens Beethoven gab, die das-und-das in dem-und-dem Kontext getan hat.” Ein Vertreter einer Paraphrasierungsstrategie könnte sagen: “Satz (2) drückt – in irreführender Weise – aus, dass es eine Person namens Beethoven gab, die das-und-das in dem-und-dem Kontext getan hat.” Die beiden Strategien scheinen auf dasselbe hinauszulaufen. Freilich muss ein Vertreter einer Paraphrasierungsstrategie nicht direkte und indirekte Übereinstimmung mit den Tatsachen unterscheiden. Denn wenn der Satz (2) durch eine Paraphrasierung in der Art von (WB2) ersetzt ist, dann ist direkte Übereinstimmung mit den Tatsachen die notwendige und hinreichende Bedingung für die Wahrheit des Satzes. Aber auch ein Vertreter der kontextuellen Semantik wird vermutlich nicht leugnen wollen, dass für die Wahrheit von (WB2) direkte Übereinstimmung mit den Tatsachen sowohl notwendig als auch hinreichend ist. Indirekte Übereinstimmung ist also nicht eine spezielle Sprache-Welt-Beziehung, verschieden von direkter Übereinstimmung. Indirekte Übereinstimmung ist indirekt nur insofern als die involvierten Gegenstände nicht jene sind, die anscheinend von den singulären Termen in den betreffenden Sätzen bezeichnet werden. Dass der Satz (2) wahr ist aufgrund von indirekter Übereinstimmung zwischen (2) und der Welt bedeutet also: (2) ist nicht wahr aufgrund einer Übereinstimmung mit der Tatsache, dass es eine Symphonie namens “Beethovens Fünfte” gibt, die aus vier Sätzen besteht, sondern aufgrund der Übereinstimmung mit einer anderen Tatsache, zum Beispiel der Tatsache, dass es eine Person namens “Beethoven” gab, die das-und-das getan hat. Aber die Übereinstimmung mit dieser Tatsache ist genauso direkt wie die Übereinstimmung mit der zuerst erwähnten Tatsache sein würde, wenn es eine solche Tatsache gäbe. Wir können noch einen Schritt weiter gehen und fragen, wie denn die Wahrheitsbedingungen für (WB2) lauten. Die Frage macht Sinn, weil (WB2) ja selbst ein Behauptungssatz ist. Die referentiellen Wahrheitsbedingungen für (WB2) würden lauten: (WBWB2) Es gibt einen Gegenstand im Diskursbereich, der durch den Ausdruck “Beethoven” bezeichnet wird, und dieser Gegen-

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stand gehört zur Klasse der Gegenstände, die das-und-das getan haben. Wenn das richtig ist, dann besteht die Wahrheit von (WB2) in einer direkten Übereinstimmung mit der Welt. Außerdem gilt: Wenn die Wahrheit von (2) von der Wahrheit von (WB2) abhängt, und wenn die Wahrheit von (WB2) von der Wahrheit von (WBWB2) abhängt, dann hängt die Wahrheit von (2) von der Wahrheit von (WBWB2) ab. Das bedeutet, dass die Wahrheit von (2) letztlich davon abhängt, ob eine direkte Übereinstimmung mit der Welt besteht oder nicht. Natürlich muss man die in (WBWB2) formulierten referentiellen Wahrheitsbedingungen für (WB2) nicht akzeptieren. Angenommen, jemand akzeptiert keine Personen und Dinge in seiner Ontologie, sondern nur Sachverhalte oder Prozesse: In diesem Fall müssten die Wahrheitsbedingungen für (WB2) so formuliert sein, dass in ihnen nicht von Personen und Dingen die Rede ist, sondern von Sachverhalten oder Prozessen. Doch dann würden vermutlich die Wahrheitsbedingungen von (WBWB2) in direkt referentieller Weise zu formulieren sein. Eine solche Formulierung könnte etwa folgendem Schema entsprechen: (WBWBWB2) Es gibt einen Prozess im Diskursbereich, so dass ... Natürlich ist eine Festlegung auf referentielle Wahrheitsbedingungen auch auf dieser Stufe nicht zwingend. Man könnte das Spiel noch eine Weile weiter treiben: von den Wahrheitsbedingungen in der Sprache der Prozesse zu Wahrheitsbedingungen in der Sprache der Sinnesdaten, von diesen zu Wahrheitsbedingungen in der Sprache der Empfindungen, und so fort. Aber an irgendeinem Punkt gelangt man zu Wahrheitsbedingungen, in denen ausdrücklich ein Weltbezug gefordert wird – wie auch immer dieser aussieht. Ich möchte diese These in Form eines Prinzips formulieren, das ich “das Prinzip der Weltverankerung” nenne: (WV) Für jeden sinnvollen Behauptungssatz p gilt: Die Wahrheitsbedingungen von p beruhen letztlich auf direkter Übereinstimmung mit der Welt. Mit anderen Worten: Für jeden sinnvollen Behauptungssatz p ist es grundsätzlich möglich, direkt referentielle Wahrheitsbedingungen zu formulieren. Hier ist ein Argument für diese These: 1. Für jeden sinnvollen Behauptungssatz p gilt: Wenn es grundsätzlich unmöglich ist, direkt referentielle Wahrheitsbedingungen für p zu formulie-

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

ren, dann ist es grundsätzlich unmöglich zu wissen, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist. 2. Wenn es grundsätzlich unmöglich ist zu wissen, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist, dann ist p nicht sinnvoll. 3. Also: Wenn p sinnvoll ist, dann ist es grundsätzlich möglich, direkt referentielle Wahrheitsbedingungen für p zu formulieren. (1,2) Ein anderes Argument, das zur selben Konklusion führt, ist Folgendes: 1. Für jeden sinnvollen Behauptungssatz p gilt: Es ist grundsätzlich möglich, eine Formulierung (WBp) der Wahrheitsbedingungen von p zu geben, so dass (WBp) uns sagt, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist. 2. Damit (WBp) uns sagt, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist, muss (WBp) direkt referentiell sein, das heißt: (WBp) muss eine der folgenden beiden Bedingungen erfüllen: a. (WBp) drückt direkt referentielle Wahrheitsbedingungen aus (also Wahrheitsbedingungen, die direkte Übereinstimmung mit den Tatsachen erfordern). b. (WBp) kann übersetzt werden in eine direkt referentielle Formulierung, wobei die Übersetzung auf Übersetzungsregeln beruht, deren Anwendbarkeit ausschließlich von der Struktur von (WBp) abhängen. 3. Also: Wenn p sinnvoll ist, dann ist es grundsätzlich möglich, direkt referentielle Wahrheitsbedingungen für p zu formulieren. (1,2) Betrachten wir, zur Erläuterung der zweiten Prämisse des zweiten Arguments, noch einmal die Wahrheitsbedingungen von Satz (2): (WB2) Beethoven tat das-und-das in dem-und-dem kulturellen Kontext. (WB2) ist keine referentielle Formulierung der Wahrheitsbedingungen von (2). Im Rahmen der referentiellen Semantik kann (WB2) leicht in eine direkt referentielle Formulierung übertragen werden, und zwar durch Anwendung der folgenden Regel: “Wenn Fa, dann gibt es etwas, das durch ‘a’ bezeichnet wird, und a erfüllt das Prädikat ‘F’.” Im Rahmen der kontextuellen Semantik kann diese Regel jedoch nicht automatisch angewendet werden. Denn es könnte ja sein, dass die relevanten Behauptbarkeitsnormen von (WB2) nicht die der referentiellen Semantik sind. In diesem Fall sagt uns (WB2) nicht, wie die Welt beschaffen sein muss (bzw. musste), damit (2) wahr ist. Damit wir wissen, wie die Welt beschaffen sein muss, damit (2) wahr ist, müssen wir in diesem Fall die Wahrheitsbedingungen von (WB2) kennen, das heißt:

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wir müssen wissen, wie (WBWB2) lautet. Angenommen, in (WBWB2) wäre von Bewusstseinsvorgängen die Rede, und (WBWB2) wäre direkt referentiell formuliert oder könnte, durch Anwendung der oben erwähnten Regel, in eine direkt referentielle Formulierung übertragen werden: dann wüssten wir, wie die Welt beschaffen sein muss, damit (2) wahr ist. Aber wenn (WBWB2) nicht direkt referentiell formuliert ist und sich auch nicht in eine direkt referentielle Formulierung übertragen lässt, dann wissen wir noch immer nicht, was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist. Das geht so lange, bis wir endlich Wahrheitsbedingungen gefunden haben, die direkt referentiell formuliert sind oder sich durch Anwendung der obigen Regel in eine direkt referentielle Formulierung übertragen lassen. Wenn wir niemals bei direkt referentiellen Wahrheitsbedingungen ankommen, dann wissen wir niemals, wie die Welt beschaffen sein muss, damit (2) wahr ist. Dasselbe lässt sich auch (und sogar einfacher) in der ParaphrasierungsTerminologie ausdrücken: Wenn wir (2) wörtlich nehmen, dann ist es klar, was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist: Es muss einen Gegenstand geben, der durch den singulären Term “Beethovens fünfte Symphonie” bezeichnet wird, und dieser Gegenstand muss zur Klasse derjenigen Gegenstände gehören, die vier Sätze haben. Aber wenn wir es ablehnen, (2) wörtlich zu nehmen, dann müssen wir erklären, was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist. Wenn wir (WB2) als Paraphrasierung von (2) vorschlagen, und wenn wir (WB2) wörtlich nehmen, dann sagt uns (WB2), was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist: Es muss einen Gegenstand geben, der durch den singulären Term “Beethoven” bezeichnet wird, und dieser Gegenstand muss zur Klasse derjenigen Gegenstände gehören, die das-und-das in dem-und-dem kulturellen Kontext getan haben. Aber wenn wir auch (WB2) nicht wörtlich nehmen, dann ist es wieder offen, wie die Welt beschaffen sein muss, damit (2) wahr ist. Das geht so lange weiter, bis wir schließlich bei einer Paraphrasierung angelangt sind, die wir wörtlich nehmen. Diese letzte Paraphrasierung sagt uns dann, was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist. So lange wir eine solche letzte, wörtlich zu nehmende Paraphrasierung nicht gefunden haben, wissen wir nicht, was der Fall sein muss, damit (2) wahr ist; und wenn es grundsätzlich unmöglich ist, eine solche letzte, wörtlich zu nehmende Paraphrasierung zu finden, dann ist (2) kein sinnvoller Satz. Terence Horgan akzeptiert diese Konsequenz nicht, ebenso wenig wie die analoge Behauptung (die Konklusion der obigen Argumente), dass für jeden sinnvollen Satz direkt referentielle Wahrheitsbedingungen formulierbar sein müssen, und also auch nicht das Prinzip der Weltverankerung.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Die gegebenen Argumente sind für ihn nicht zwingend, weil er nicht alle Prämissen anerkennt. Augenscheinlich anerkennt er die Prämisse, dass für jeden sinnvollen Satz p irgendwelche Wahrheitsbedingungen formulierbar sein müssen, die uns sagen “wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist”. Es scheint, dass er auch anerkennt, dass ein Satz p nicht sinnvoll ist, wenn wir grundsätzlich nicht wissen können, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist. Er leugnet aber, dass die betreffenden Wahrheitsbedingungen in jedem Fall direkt referentiell oder auf direkt referentielle Wahrheitsbedingungen zurückführbar sein müssen.12 Er führt aus: When I advert to “semantic standards” (or “semantic norms”) that govern various kinds of discourse (e. g., symphony discourse) and only require indirect correspondence rather than direct correspondence, the semantic standards I have in mind do not take the form of tractably formulable, cognitively surveyable, truth conditions that are expressed in language that only quantifies over ENTITIES that are REAL. I deny that in general, there are such truth conditions – or need to be. (This denial is part of my rejection of the paraphrase strategy as the only legitimate way of avoiding ontological commitment to OBJECTS and PROPERTIES answering to the relevant singular and general terms.) So I also deny that we must know such truth conditions in order to understand the meanings of our terms and concepts, or in order to employ them competently. What we need, rather, for understanding of meaning and for semantic competence, is to be able to apply the terms and concepts in a way that reflects semantic correctness reasonably well, to the extent that available evidence allows us to do so.13

Horgan anerkennt offenbar, dass es zu jedem sinnvollen Behauptungssatz Wahrheitsbedingungen gibt; nur müssen diese seiner Ansicht nach nicht “tractably formulable” und “cognitively surveyable” sein. Auch in Ermangelung der Kenntnis solcher Wahrheitsbedingungen könnten wir semantisch kompetente Sprecher sein, in dem Sinn, dass unser Gebrauch von sprachlichen Ausdrücken “semantische Korrektheit hinreichend gut reflektiert”. Ich habe versucht, die Frage zu klären, worin die “indirekte Übereinstimmung” eines Satzes mit der Wirklichkeit bestehen könnte, und ich bin zu dem Resultat gelangt, dass indirekte Übereinstimmung letztlich immer auf direkte Übereinstimmung zurückführbar ist. Horgan leugnet genau das, aber er gibt keine positive alternative Antwort auf meine Frage. Seine Antwort ist vielmehr, dass es eine solche Antwort nicht geben kann. Indirekte Übereinstim12

Siehe Horgan 2002. Ebd., 314.

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mung soll, wenn ich es recht verstehe, so sein, dass es grundsätzlich unmöglich ist, in irgendeinem Fall die Bedingungen für das Vorliegen indirekter Übereinstimmung explizit zu machen. Ich muss es jeder Leserin/jedem Leser überlassen, selbst für sich zu entscheiden, ob diese Antwort befriedigend ist. Ich finde sie nicht befriedigend. Wahrheitsbedingungen, die sich grundsätzlich jeder expliziten Formulierung entziehen, sind ein Mysterium. Wohlgemerkt, es geht nicht darum, dass die Formulierung expliziter Wahrheitsbedingungen in manchen Fällen ein sehr schwieriges Unternehmen sein kann, weil die betreffenden Sätze außerordentlich komplexe Sachverhalte ausdrücken. Es geht vielmehr um grundsätzliche Unmöglichkeit. Mir erscheint die Aufgabe des Prinzips der Weltverankerung ein zu hoher Preis für die Vermeidung der ontologischen Festlegung auf Symphonien, Theorien und Institutionen. Wozu verschiedene Standards der Behauptbarkeit? Von den bisher besprochenen Einwänden abgesehen wirft die kontextuelle Semantik die folgende Frage auf: Angenommen, es gibt tatsächlich sowohl referentielle als auch nicht-referentielle Behauptbarkeitsnormen. Was bestimmt dann die relevanten Behauptbarkeitsnormen eines gegebenen Satzes p in einem bestimmten Kontext? Nach welchen Kriterien ist zu entscheiden, ob die für p in einem bestimmten Kontext gültigen Behauptbarkeitsnormen die der referentiellen Semantik sind oder nicht? Das Postulieren verschiedener semantischer Standards für strukturell gleichartige Sätze muss gerechtfertigt werden. Durch das Akzeptieren des Satzes (5) Die Sonnenblume auf meinem Balkon wächst schnell. lege ich mich auf die Existenz einer Sonnenblume auf meinem Balkon fest. Der Satz (5) gleicht in allen relevanten Strukturmerkmalen dem Satz (2) Beethoven’s fifth symphony has four movements. Welchen Grund gibt es zu leugnen, dass jemand, der (2) als wahr akzeptiert, sich damit auf die Existenz einer fünften Beethoven’schen Symphonie festlegt? Ein Appell an den common sense liefert dafür keine hinreichende Begründung, denn es ist keineswegs evident, dass eine ontologische Festlegung auf nicht-physikalische Gegenstände per se mit dem common sense konfligiert (auch wenn Physikalisten das vielfach zu glauben scheinen).14 Horgan 14

Vgl. Horgan 1986a, 25.

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versucht, eine “psychologistische” Rechtfertigung zu geben.15 Das Folgende ist meine Rekonstruktion dieser Rechtfertigung: 1. Ob wir ontologisch festgelegt sind oder nicht, hängt nicht von unserem Gebrauch singulärer Terme oder Quantoren (bzw. quantorenartiger Ausdrücke wie “es gibt”) ab, sondern davon, was in unserem Bewusstsein vorgeht, wenn wir die Bedeutungen von Sätzen erfassen, in denen diese Ausdrücke vorkommen. Mit anderen Worten: Es hängt davon ab, was wir meinen, nicht davon, was wir sagen. 2. Oft bestehen die betreffenden Bewusstseinsvorgänge nicht darin, dass wir ein Individuum aus einem gegebenen Bereich herausgreifen und dem Individuum etwas zusprechen (um nur den Fall der singulären Terme zu erwähnen). Diese Vorgänge spielen sich nur dann ab, wenn wir einen singulären Term in referentieller Weise gebrauchen. Wenn es das ist, was sich abspielt, dann sind wir ontologisch festgelegt auf etwas, das durch den betreffenden singulären Term bezeichnet wird. Es können sich aber auch ganz andere Bewusstseinsvorgänge abspielen; und in diesen anderen Fällen sind wir nicht ontologisch festgelegt auf einen vermeintlichen Referenten des betreffenden singulären Terms. 3. Die Frage, was sich in unserem Bewusstsein abspielt wenn wir die Bedeutung eines Satzes erfassen, ist eine Angelegenheit der cognitive science. Darum ist es letztlich die cognitive science, die uns sagen kann, worauf wir ontologisch festgelegt sind. Ich stimme der ersten These zu, und zwar aufgrund der Überlegungen, die ich in Zusammenhang mit der Paraphrasierungsstrategie angestellt habe. Der bloße Gebrauch von singulären Termen oder Existenzausdrücken bringt noch keine ontologische Festlegung mit sich. Er bringt dann keine ontologische Festlegung mit sich, wenn die betreffenden Sätze überhaupt nicht als wahr akzeptiert werden, oder, sofern es sich um mehrdeutige Sätze handelt, wenn sie nur in jenen Bedeutungen als wahr akzeptiert werden, die die betreffenden ontologischen Festlegungen nicht mit sich bringen. In diesem Sinn kann ich auch der zweiten These zustimmen. Negative singuläre Existenzsätze sind ein gutes Beispiel hierfür. Das Erfassen der Bedeutung des Satzes (6) Pegasus existiert nicht. könnte darin bestehen, dass ein Individuum namens “Pegasus” aus einem Diskursbereich herausgegriffen wird und dass diesem Individuum das negati15

Ebd., 30.

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ve Prädikat “existiert nicht” zugesprochen wird. Wenn eine Person S diesen Satz so versteht und ihn, so verstanden, als wahr akzeptiert, dann ist S ontologisch festgelegt auf Pegasus. Wenn S aber den Satz nur in einer bestimmten logischen Interpretation, die nicht mehr den singulären Term “Pegasus” enthält, als wahr akzeptiert, dann ist S nicht auf Pegasus ontologisch festgelegt. Ich bezweifle jedoch die letzte der drei Thesen, also die Behauptung, dass es Sache der cognitive science ist zu entscheiden, was sich in unserem Bewusstsein abspielt, wenn wir singuläre Terme und Existenzausdrücke gebrauchen. Betrachten wir noch einmal den Beispielsatz (2) Beethoven’s fifth symphony has four movements. Horgan behauptet, dass jemand, der denkt, dass Beethovens fünfte Symphonie vier Sätze hat, dabei nicht eine Entität namens “Beethovens fünfte Symphonie” herausgreift und dieser Entität das Prädikat “hat vier Sätze” zuspricht. Ich bin aber davon überzeugt, dass es genau das ist, was ich tue, wenn ich denke, dass Beethovens fünfte Symphonie vier Sätze hat. Nach Horgans Auffassung müsste ich dabei an die Person Beethoven und gewisse Tätigkeiten Beethovens, die wir “Komponieren” nennen, denken, und zwar wahrscheinlich nicht nur an das Komponieren der fünften, sondern auch an das Komponieren der vier vorangegangenen Symphonien. Tatsächlich kann ich aber in meinem Bewusstsein von derlei Gedanken keine Spur finden, wenn ich denke, dass Beethovens fünfte Symphonie vier Sätze hat. Das ist eine empirische Tatsache betreffend meine eigenen mentalen Vorgänge und Dispositionen. Ich beanspruche nicht vollkommene Gewissheit für meine Überzeugungen betreffend meine eigenen mentalen Vorgänge und Dispositionen. Ich gebe zu, dass ich mich irren könnte. Aber keine empirische Untersuchung mit den Methoden der cognitive science kann meine diesbezüglichen Überzeugungen widerlegen. Welche empirische Evidenz kann es in diesem Fall geben, die stärker ist als die Evidenz meiner inneren Wahrnehmung? Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf das richte, was in meinem Bewusstsein vorgeht, wenn ich urteile, dass Beethovens fünfte Symphonie vier Sätze hat, dann finde ich, dass ich mich auf eine (wahrscheinlich abstrakte) Entität beziehe und dass ich dieser Entität das Attribut “hat vier Sätze” zuspreche. Normalerweise finde ich keine Gedanken über Beethovens Verhalten in meinem Bewusstsein, wenn ich urteile, dass eine von Beethovens Symphonien vier Sätze hat. Ebenso wie ich normalerweise keine Gedanken über bioche-

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mische Prozesse auf molekularer Ebene in meinem Bewusstsein finde, wenn ich urteile, dass meine Blumen heuer schnell wachsen. Es gibt grundsätzlich zwei Arten, Ontologie zu betreiben. Der Ausgangspunkt der ersten Art ist eine ontologische These (zum Beispiel: “Es gibt nur physische Dinge.”). Der Ausgangspunkt der zweiten Art ist die Gesamtheit unserer Überzeugungen. Das Ziel der ersten Art von Ontologie ist es, die als Ausgangspunkt gewählte ontologische These zu verteidigen. Das Ziel der zweiten Art von Ontologie ist es, herauszufinden, welche ontologischen Annahmen das Gesamtsystem der Überzeugungen so kohärent wie möglich machen. Ich habe schon zu Beginn der vorliegenden Arbeit klar gemacht, dass ich den zweiten Zugang gewählt habe. Meiner Meinung nach erhöht dieser Zugang – auf lange Sicht – die Chancen, sich der Wahrheit anzunähern. Diese Art, Ontologie zu betreiben, erfordert allerdings, dass man das eigene Überzeugungssystem ohne ontologische Vorurteile untersucht. Wenn ich das System meiner Überzeugungen ohne ontologische Vorurteile betrachte, dann kann ich keinen Grund finden, an den Satz (2) Beethoven’s fifth symphony has four movements. andere semantische Standards anzulegen als an den Satz (5) Die Sonnenblume auf meinem Balkon wächst schnell. Da ich davon überzeugt bin, dass ich durch das Akzeptieren des zweiten Satzes auf Sonnenblumen ontologisch festgelegt bin, sehe ich keinen Grund zu leugnen, dass ich durch das Akzeptieren des ersten Satzes auf Symphonien ontologisch festgelegt bin.

3. Ist die Objektsprache ontologisch neutral? So wie Terence Horgan vertritt auch Frank Jackson die Auffassung, dass Äußerungen ontologisch neutral sein können. Jackson nennt seine Version dieser Auffassung eine “modifizierte referentielle Theorie”.1 Gemäß dieser Theorie gibt es zwar ontologische Festlegung, aber nicht auf der Ebene der Objektsprache, sondern ausschließlich auf der Ebene der Metasprache: Consider the true sentence “Mr Pickwick is Dickens’s most famous character”. The (traditional) referentialist seeks to avoid having to admit Mr Pickwick into his ontology by searching for an allegedly innocuous paraphrase. But suppose, instead, we try to say straight out why accepting the sentence does not ontologically commit us to Mr Pickwick. Surely it is in full accord with the basic thought behind the Referential theory to put the matter thus. “Mr Pickwick is Dickens’s most famous character” does not force us to acknowledge the existence of Mr Pickwick because “Mr Pickwick” in this sentence fails to denote, it is a name in form only. If we assented to “‘Mr Pickwick’ denotes Dickens’s most famous character”, then we would be admitting Mr Pickwick into our ontology, but it is, precisely, the latter sentence which we should not assent to. Mr Pickwick is Dickens’s most famous character; but “Mr Pickwick” does not denote Dickens’s most famous character, it does not denote anything. In short, the crucial question is not what one assents to in the object language, but what one assents to in the metalanguage which explicitly states the semantical roles of the terms in the object language.2

Die Anerkennung von Sätzen der Objektsprache soll also grundsätzlich keinerlei ontologische Festlegungen mit sich bringen. Erst auf der Ebene der Metasprache müsse man ontologisch Farbe bekennen. In the case of general terms, true ontological seriousness is indicated by preparedness to express one’s sentences in terms of the semantic relation of being true of or application. Thus, when we assent to “There are comic characters in Dickens”, our assent is not to be granted ontological status unless we are prepared also to assent to “There are things which ‘is a comic character in Dickens’ applies to”. And those who hold (as most do) that fictional characters ought not to be admitted into one’s ontology, can express this by saying that though there are comic characters in Dickens, “is a comic character in Dickens” does not apply to anything.3 1

Jackson 1980. Ebd., 310. 3 Ebd. 2

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Es geht also nicht darum, ob man einen Satz der Objektsprache als wahr anerkennt oder nicht, sondern es geht darum, welche Wahrheitsbedingungen für einen Satz angenommen werden. Und so soll gelten: Der Satz “Mr Pickwick ist Dickens’ berühmteste Figur” ist wahr; aber für die Wahrheit dieses Satzes soll es nicht Bedingung sein, dass “Mr Pickwick” etwas bezeichnet, und es soll nicht Bedingung sein, dass das Prädikat “ist Dickens’ berühmteste Figur” auf irgendetwas zutrifft. Man kann also, gemäß Jacksons modifizierter referentieller Semantik, den Satz (1) Mr. Pickwick is Dickens’s most famous character. als wahr akzeptieren, ohne sich auf die Existenz von Mr. Pickwick festzulegen. Eine ontologische Festlegung auf Mr. Pickwick soll nur dann vorliegen, wenn man den metasprachlichen Satz (1a) “Mr. Pickwick” denotes Dickens’s most famous character. als wahr akzeptiert. Außerdem soll das Akzeptieren des objektsprachlichen Satzes (2) There are comic characters in Dickens. keine ontologische Festlegung auf fiktive Figuren mit sich bringen. Wenn eine Person jedoch den metasprachlichen Satz (2a) There are things which “is a comic character in Dickens” applies to. akzeptiert, dann ist diese Person auf die Existenz fiktiver Figuren festgelegt. Das impliziert, dass der Satz (1) Mr. Pickwick is Dickens’s most famous character. wahr sein kann, während der metasprachliche Satz (1a) “Mr. Pickwick” denotes Dickens’s most famous character. falsch ist. Andernfalls könnte eine Person ja nicht den Satz (1) als wahr akzeptieren und zugleich (1a) als falsch verwerfen, ohne inkonsistent zu sein; und nichts deutet darauf hin, dass Jackson für das Vermeiden ontologischer Festlegungen auf fiktive Gegenstände den Preis der Inkonsistenz bezahlen will. Vielmehr soll es offenbar konsistenterweise möglich sein, (1) zu akzeptieren und zugleich (1a) als falsch zu verwerfen. Aus denselben Gründen muss gemäß Jacksons Theorie gelten, dass der objektsprachliche Satz (2) wahr sein kann, auch wenn (2a) falsch ist. Gemäß der referentiellen Semantik sind aber die Sätze (1a) und (2a) nichts anderes als Formulierungen der Wahrheitsbedingungen für (1) und (2). Jacksons modifizierte referentielle

3. Ist die Objektsprache ontologisch neutral?

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Theorie läuft also, ebenso wie Horgans kontextuelle Semantik, auf ein Aufgeben der referentiellen Semantik hinaus: Zumindest in manchen Fällen sollen nicht die Wahrheitsbedingungen der referentiellen Semantik gelten. Es erhebt sich, wie schon bei Horgans kontextueller Semantik, auch hier die Frage: Wenn für Sätze wie (1) und (2) nicht die Standard-Wahrheitsbedingungen der referentiellen Semantik gelten, welche Wahrheitsbedingungen gelten dann? Auch Jackson hält nichts von Paraphrasierungsstrategien. Im Gegensatz zu Horgan macht er aber nicht einmal den Versuch, alternative Wahrheitsbedingungen für Sätze mit unliebsamen ontologischen Konsequenzen zu finden. Seine Lösung besteht offenbar vielmehr darin, auf die Angabe von Wahrheitsbedingungen überhaupt zu verzichten: The traditional Referential theory, particularly Quine’s version of it, frequently plays a polemic role. It is appealed to as a way of forcing an admission of ontological commitment from someone. Consider, for example, a person who assents to “I have at least one false belief”. On the orthodox Referential theory, he is convicted of ontological commitment to objects of belief; for the sentence is obviously equivalent to “There is something false such that I believe it”. On the other hand, on the modified theory, he cannot be so convicted. He can be so convicted only if he ventures into the semantical metalanguage and assents to something like “There is something which ‘is a false belief of mine’ applies to”. He can always avoid ontologically committing himself by refusing to express matters in the semantical metalanguage. However, he can buy this immunity only at a prize. He will be unable to tell us about the semantic roles parts of sentences play in determining the truth or falsity of those sentences. He will lack any articulated theory of how the meanings of sentences are related to the semantic roles of their parts. Therefore, the modified theory does not allow one to escape ontological commitment as easily as one might at first suppose.4

Man hat also für das Vermeiden einer ontologischen Festlegung doch einen Preis zu bezahlen, und zwar den des völligen Verzichts auf Wahrheitsbedingungen. Damit wird jede Verbindung zwischen Denken und Sprechen einerseits und der gedanken- und sprachunabhängigen Wirklichkeit andererseits vollkommen abgeschnitten. Unsere Gedanken und Sätze, die sich dem Anschein nach auf eine gedanken- und sprachunabhängige Wirklichkeit beziehen, sind in keiner Weise mehr in dieser Wirklichkeit “verankert”. Wenn für einen Satz p keine Wahrheitsbedingungen formuliert werden können, dann wird nicht nur unklar, was es heißt, dass p wahr ist. Es wird auch unklar, 4

Ebd., 314.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

was es heißt, dass eine Person dem Satz p zustimmt, den Satz als wahr akzeptiert. Denn in welchem Sinn kann man einem Satz p zustimmen, wenn man grundsätzlich nicht in der Lage ist, irgendwelchen Wahrheitsbedingungen für p zuzustimmen? Es wird dann auch unklar, was es heißt, einen Satz zu verstehen. Denn in welchem Sinn kann man behaupten, einen Satz p zu verstehen, wenn man grundsätzlich nicht in der Lage ist anzugeben, wie die Welt beschaffen sein muss, damit p wahr ist? In welchem Sinn kann ein Satz überhaupt eine Bedeutung haben, wenn es grundsätzlich unmöglich ist anzugeben, was der Fall sein muss, damit der Satz wahr ist? Gemäß Jacksons modifizierter referentieller Theorie sind ontologische Festlegungen zu vermeiden um den Preis des Aufgebens aller Verbindungen zwischen Bedeutung, Wahrheit und Welt. Dieser Preis ist mir zu hoch. Daher verwerfe ich auch diese Version der Neutralitätsthese.

4. Seinsweisen Ich habe bisher die verschiedenen Existenzausdrücke – “existiert”, “besteht” etc. – als gleichbedeutend gebraucht. Von manchen wird aber bestritten, dass diese Ausdrücke gleichbedeutend sind. Diese Frage spielt eine Rolle für das Problem der ontologischen Festlegung. Denn wenn “a existiert” und “a besteht” nicht gleichbedeutend sind (bzw. wenn “Fs existieren” und “Fs bestehen” nicht gleichbedeutend sind), dann ist es jedenfalls nicht mehr selbstverständlich, dass das Akzeptieren von “Es gibt a” oder “a besteht” gleichermaßen eine ontologische Festlegung nach sich zieht wie “a existiert” bzw. “Fs existieren”. Ob das Akzeptieren von Sätzen der Form “Es gibt a” oder “a besteht” eine Person wirklich ontologisch festlegt, erscheint insbesondere deshalb zweifelhaft, weil wir solche Sätze häufig sehr unbekümmert verwenden. Wir sagen Dinge wie: “Es besteht die Möglichkeit, dass er diesen Sommer kommt” oder “Es gibt viele Unterschiede zwischen den Brüdern” oder “Es gibt Wassermangel im Süden”. Wir sind sehr leicht dazu zu bringen, Sätze wie diese als wahr zu akzeptieren; aber wenn wir uns fragen oder gefragt werden würden, ob wir wirklich glauben, dass es Möglichkeiten gibt, gerade so wie es tatsächlich stattfindende Ereignisse gibt, ob es die Unterschiede zwischen den Brüdern zusätzlich zu den Brüdern gibt und ob der Wassermangel ebenso existiert wie die trockene Erde oder das Wasser in anderen Gegenden, dann würden manche zumindest zögern oder sich rundheraus von diesen ontologischen Festlegungen distanzieren. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir bei der Verwendung des Zeitwortes “existieren” mehr Vorsicht an den Tag legen als bei der Verwendung von “es gibt” oder “besteht”. Wir sagen kaum: “Es existiert ein Wassermangel ... ”, “Es existieren Unterschiede ...”, “Es existiert die Möglichkeit ...”. Das Wort “existiert” scheint mehr Gewicht zu haben als das allgegenwärtige “es gibt”. Freilich zieht die natürliche Sprache keine scharfen Grenzen zwischen “existiert” einerseits und “es gibt” bzw. “besteht” andererseits; man kann allenfalls eine Tendenz feststellen. Mancher würde – ausgehend von seinem natürlichen Sprachgefühl und unabhängig von einer philosophischen Reflexion über die Ontologie der Zahlen – nichts dabei finden, dem Satz “Es existiert eine Primzahl zwischen 3 und 7” zuzustimmen, und würde doch zögern, sich explizit darauf festzulegen, dass Zahlen existieren. Aber tendenziell wird im natürlichen Sprachgebrauch dem Wort “existiert” eine ausgezeichnete Stellung gegenüber seinen Bedeutungsverwandten “es gibt” und “besteht” eingeräumt.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Die interessante Frage lautet: Ist dieser Unterschied im Sprachgebrauch relevant für das Problem des Kriteriums der ontologischen Festlegung? Gibt uns das natürliche Sprachgefühl hier einen Wink, dem wir nachgehen sollten? Oder handelt es sich nur um stilistische Varianten, denen kein relevanter inhaltlicher Unterschied entspricht? Es könnte gegen (SOF) und (GOF) eingewendet werden, dass es nicht korrekt ist, die Sätze “a existiert”, “Es gibt a” und “a besteht” (bzw. “Fs existieren” etc.) hinsichtlich der Frage der ontologischen Festlegung in einen Topf zu werfen, wie ich das getan habe. Wenn “Fs existieren” und “Fs bestehen” nicht bedeutungsgleich sind, dann könnte man bestreiten, dass beide Sätze ontologische Festlegungen mit sich bringen; oder man könnte zumindest annehmen, dass sie verschieden starke ontologische Festlegungen mit sich bringen. Man könnte zum Beispiel behaupten, dass eine Person S nur dann ontologisch festgelegt ist auf einen Gegenstand a, wenn S den Satz “a existiert” als wahr akzeptiert, nicht aber, wenn S nur “Es gibt a” oder “a besteht” als wahr akzeptiert. Analog könnte man behaupten, dass eine Person S nur dann auf Fs ontologisch festgelegt ist, wenn S “Fs existieren” als wahr akzeptiert, nicht aber wenn S nur “Fs bestehen” als wahr akzeptiert. Oder man könnte einräumen, dass eine Person S auch durch das Akzeptieren von “Es gibt a” oder “a besteht” (bzw. von “Es gibt Fs” bzw. “Fs bestehen”) ontologisch festgelegt ist, könnte aber zugleich darauf bestehen, dass diese Festlegungen schwächer sind als jene, die man durch das Akzeptieren von “a existiert” bzw. “Fs existieren” auf sich nimmt. Wenn “a existiert” nicht bedeutungsgleich ist mit “Es gibt a” oder “a besteht” (und analog für “Fs existieren” und “Es gibt Fs” etc.), worin könnte der Bedeutungsunterschied bestehen? – Manche Ontologen meinen, dass es nicht nur verschiedene Kategorien von Entitäten gibt (zum Beispiel materielle Dinge, Zahlen, Propositionen, Eigenschaften, Sachverhalte ...), sondern auch verschiedene Arten oder Weisen des Seins.1 Es wird behauptet, dass es einen allgemeinen Ausdruck gibt (zum Beispiel “sein”), der mehrdeutig ist in dem Sinn, dass verschiedene Weisen des Seins unterschieden werden können. Diese verschiedenen Seinsweisen können zum Beispiel “Existenz” und “Subsistenz” oder “Bestand” genannt werden. Selbstverständlich kann auch eine andere Terminologie gewählt werden. Man könnte etwa auch “existieren” als jenen Ausdruck wählen, der die all1

Siehe zum Beispiel Apostel 1960, Dölling 1980, Ingarden 1960, Krukowski 1981, Orenstein 1978, Trapp 1976.

4. Seinsweisen

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gemeinste Weise des Seins bezeichnet, und zur Bezeichnung verschiedener speziellerer Weisen des Seins etwa die Ausdrücke “reale Existenz” und “nicht-reale Existenz” oder “eigentliche Existenz” und “uneigentliche Existenz” einführen. Man muss sich natürlich auch nicht mit nur zwei Seinsweisen begnügen, sondern kann mehr als zwei Weisen des Seins unterscheiden. Berühmt ist Alexius Meinongs Einteilung der Gegenstände in “seiende” und bloß “außerseiende”, wobei die seienden wiederum zerfallen in “existierende” einerseits und bloß “bestehende” andererseits.2 Seinsweisenunterscheidungen finden sich aber auch bei zeitgenössischen Autoren.3 Im Folgenden soll der Sinn von Seinsweisenunterscheidungen und ihre Relevanz für das Problem der ontologischen Festlegung untersucht werden. Für diesen Zweck genügt es, hypothetisch zwei Seinsweisen zu unterscheiden. Ich werde den Ausdruck “Sein” bzw. “sein” als allgemeines “Seinswort” verwenden, also zur Bezeichnung von Sein im Allgemeinen, unbesehen spezieller Seinsweisen. Statt “a hat Sein” bzw. “a ist” werde ich auch sagen “es gibt a”. Zur Bezeichnung der beiden hypothetisch angenommenen Seinsweisen verwende ich die Ausdrücke “existieren” und “bestehen”. Es gilt also: Alles, was Sein hat (bzw. alles, was es gibt) hat entweder Existenz oder Bestand (existiert oder besteht). Diese Seinsweisen sollen ausschließend verstanden werden. Das heißt: Wenn ein Gegenstand besteht, dann existiert er nicht; und wenn ein Gegenstand existiert, dann besteht er nicht. Aus “a hat Sein” lässt sich also nur ableiten: “a existiert oder besteht”, nicht aber “a existiert” und auch nicht “a besteht”. Für gewöhnlich werden diese Ausdrücke eingeführt, indem sie zu bestimmten Kategorien von Gegenständen in Beziehung gesetzt werden, etwa so: Existenz ist die Seinsweise der materiellen und mentalen Entitäten (raumzeitliche Dinge, Personen, psychische Vorgänge und Zustände ...); Bestand ist die Seinsweise der abstrakten Entitäten (Zahlen, Propositionen, Sachverhalte ...). Ich werde im Folgenden “Existenz” und “Bestand” (wenn nicht ausdrücklich anders angegeben) in diesem Sinn verwenden. Wenn man Seinsweisenunterscheidungen akzeptiert, dann ist es notwendig, genau anzugeben, wie die existentiellen Prinzipien – (PP), (EG), (RP) und (REG) – gelesen werden sollen. Bei der ursprünglichen Formulierung dieser Prinzipien in Kapitel I.1 wurde auf eventuelle Bedeutungsunterschiede zwischen “es gibt”, “besteht” und “existiert” keine Rücksicht genommen. Im 2

Vgl. Meinong 1904b und Meinong 1902/1910. Siehe zum Beispiel Trapp 1976, 43f.; Dölling 1980, 1517; Orenstein 1978, 143.

3

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

Lichte einer Seinsweisenunterscheidung muss aber geklärt werden, ob aus einem Satz der Form “Fa” folgen soll, dass a existiert, oder ob nur folgen soll, dass es a gibt. Analoges gilt für die übrigen drei Prinzipien. Die verschiedenen Versionen lauten also: (PPa) Fa  Es gibt a. (PPb) Fa  a existiert. (EGa) Fa  Es gibt Fs. (EGb) Fa  Fs existieren. (RPa) Rab  Es gibt a & es gibt b. (RPb) Rab  a existiert & b existiert. (REGa) Rab  Es gibt ein x, so dass gilt: x steht in der Relation R zu b, und es gibt ein y, so dass gilt: a steht in der Relation R zu y. (REGb) Rab  Es existiert ein x, so dass gilt: x steht in der Relation R zu b, und es existiert ein y, so dass gilt: a steht in der Relation R zu y. Bewusst habe ich bei diesen Formulierungen der existentiellen Prinzipien auf die Verwendung von Existenzquantoren verzichtet. Denn sobald man sich für eine Seinsweisenunterscheidung entscheidet, erhebt sich die Frage nach der Bedeutung des Existenzquantors: Vorausgesetzt, der Existenzquantor wird grundsätzlich als symbolische Entsprechung eines natürlichsprachlichen Seinswortes interpretiert, so ist zu klären, ob der Quantor nun für Existenz stehen soll oder für Bestand oder für das neutrale “es gibt”; und wenn diese Frage entschieden ist, muss entschieden werden, auf welche Weise die übrigen Seinswörter formalisiert werden sollen. Wenn eine Seinsweisenunterscheidung grundsätzlich akzeptiert ist, erscheint die schwächere Version von (PP) – also (PPa) – der stärkeren – (PPb) – vorzuziehen; Analoges gilt natürlich auch für die anderen Prinzipien. Nicht nur, dass die schwächeren Versionen uns scheinbar helfen, ontologisch sparsam zu sein – sie scheinen auch durchaus ausreichend als Tribut an jene Intuitionen, denen die existentiellen Prinzipien ihre Plausibilität verdanken. Im Lichte einer solchen Auffassung bietet es sich an, den Quantor als die symbolische Entsprechung des neutralen “es gibt” zu interpretieren und für Existenz und Bestand Prädikate einzuführen. Eine solche Konvention wird einer weit verbreiteten Intuition gerecht, der gemäß der Existenzquantor möglichst wenig ontologisches Gewicht tragen soll; zugleich ist er aber, so verstanden, doch eine symbolische Entsprechung eines natürlichsprachlichen “Seinswortes”.

4. Seinsweisen

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Das alles wirft keine unlösbaren formalen Probleme auf und führt nicht notwendig in Widersprüche. Zweifelhaft ist nur, ob den terminologischen Unterscheidungen zwischen “es gibt” einerseits und “existiert” etc. andererseits irgendwelche Unterschiede in der Wirklichkeit entsprechen, ob es also tatsächlich verschiedene Weisen des Seins gibt, und wenn ja, ob diese Unterschiede für die Frage der ontologischen Festlegung relevant sind. Viele waren und sind der Meinung, dass Seinsweisenunterscheidungen im besten Fall leer, wenn nicht gar unsinnig, sind.4 Quine schreibt zum Beispiel: I shall find no use for the narrow sense which some philosophers have given to “existence”, as against “being”; viz., concreteness in space-time. If any such special connotation threatens in the present pages, imagine “exists” replaced by “is”. When the Parthenon and the number 7 are said to be, no distinction in the sense of “be” need be intended. The Parthenon is indeed a placed and dated object while the number 7 (if such there be) is another sort of thing; but this is a difference between the objects concerned and not between senses of “be”.5

Diese Intuition teile ich, und die folgenden Überlegungen sollen einerseits zu ihrer Klärung, andererseits zu ihrer Bestärkung beitragen. Ich werde mich dazu des Mittels der Analogie bedienen. Zuvor sollen aber Befürworter und Gegner verschiedener Seinsweisentheorien zu Wort kommen. Ryles Argument für eine Vielheit von Seinsweisen In einem Aufsatz mit dem Titel “The Use of ‘Exists’”6 unterscheidet Morton White zwei philosophische Positionen hinsichtlich des Gebrauchs der Ausdrücke “Existenz” bzw. “existiert”. Er nennt diese beiden Positionen “Univokalismus” bzw. “Multivokalismus”. Univokalismus, erklärt White, ist die Auffassung, dass alles, was existiert, im selben Sinn existiert. Multivokalismus ist die Auffassung, dass Gegenstände, die verschiedenen Kategorien angehören, in verschiedenen Sinnen existieren. Mit anderen Worten: Multivokalismus ist die Auffassung, dass es verschiedene Arten der Existenz gibt; Univokalismus ist die Auffassung, dass es nur eine Art von Existenz gibt. Ich möchte im Folgenden bei meinem schon eingeführten Sprachgebrauch bleiben und von Weisen bzw. Arten des Seins anstelle von Weisen bzw. ArVgl. zum Beispiel Jackson 1980, Quine 21959, Quine 1969b, Stegmüller 2 1969, van Inwagen 1983. 5 Quine 21959, 198. 6 White 1956. 4

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

ten der Existenz sprechen. Das ist nur eine terminologische Konvention, ohne Relevanz für die Frage, ob der Multivokalismus oder der Univokalismus richtig ist. Ich sage also: Univokalismus ist die Auffassung, dass es alles, was es gibt, im selben Sinn gibt; Multivokalismus ist die Auffassung, dass es Gegenstände verschiedener Kategorien in verschiedenem Sinn gibt. Wir können verschiedene Arten des Multivokalismus unterscheiden. In seiner bescheidensten Form werden nur zwei Sinne von “es gibt” unterschieden. White nennt diese spezielle Version des Multivokalismus “Duovokalismus”. Die radikalste und zugleich konsequenteste Form des Multivokalismus besagt, dass es genau so viele Weisen des Seins gibt wie Arten von Gegenständen. Ein Vertreter dieser Form des Multivokalismus ist Gilbert Ryle: It may be true that there exists a cathedral in Oxford, a three-engined bomber, and a square number between 9 and 25. But the naive passage to the conclusion that there are three existents, a building, a brand of aircraft and a number soon leads to trouble. The senses of “exists” in which the three subjects are said to exist are different and their logical behaviors are different.7

Ryle vertritt also die Auffassung, dass “existieren” ein äquivoker Ausdruck ist, der in verschiedenen Kontexten jeweils verschiedene Bedeutungen annimmt. Dasselbe würde Ryle sicherlich auch von “sein” behaupten. Ryle unterscheidet also verschiedene Seinsweisen, ohne für diese verschiedene Seinswörter zu gebrauchen. Als einen Vertreter des Duovokalismus führt White Bertrand Russell an. In den Problemen der Philosophie unterscheidet Russell zwei grundlegende Kategorien von Entitäten, nämlich Universalien einerseits und Individuen andererseits. Russell betrachtet Individuen als zeitliche und Universalien als unzeitliche Entitäten. The fact seems to be that all our a priori knowledge is concerned with entities which do not, properly speaking, exist, either in the mental or in the physical world. These entities are such as can be named by parts of speech which are not substantives; they are such entities as qualities and relations. Suppose, for instance, that I am in my room. I exist, and my room exists; but does “in” exist? Yet obviously the word “in” has a meaning; it denotes a relation which holds between me and my room. This relation is something, although we cannot say that it exists in the same sense in which I and my room exist.8

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Ryle 1945, 15f. Siehe auch Ryle 1949, 23. Russell 1912, 50f. (Hervorhebungen im Original.)

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4. Seinsweisen

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Russell gebraucht das Wort “existiert” als eine Art von Abkürzung für “ist in der Zeit”. Für unzeitliches Sein verwendet Russell den Terminus “Subsistenz”. Für Russell gilt also: Zeitliche Gegenstände existieren; unzeitliche Gegenstände existieren nicht, sondern subsistieren.9 Wie argumentieren Russell und Ryle für ihre Auffassung? Russell geht von der Feststellung aus, dass es fundamentale Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Gegenständen gibt: Unzeitliche und immaterielle Gegenstände sind offenbar radikal verschieden von physikalischen Gegenständen (die in Raum und Zeit sind) und mentalen Gegenständen (die zwar nicht im Raum, aber doch immerhin in der Zeit sind). Daraus folgt freilich nicht, dass der Ausdruck “es gibt” in “Es gibt Körper und Geister” eine andere Bedeutung hat als in “Es gibt Universalien”. Wie rechtfertigt Russell den Schritt von der Unterscheidung verschiedener Arten von Gegenständen zur Unterscheidung von verschiedenen Arten des Seins? Russell rechtfertigt diesen Schritt überhaupt nicht. Man kann den Eindruck gewinnen, dass für ihn die Unterscheidung zwischen Existenz und Subsistenz nur eine terminologische Konvention ist, ohne metaphysischen Gehalt. Denn er schreibt: “We shall find it convenient only to speak of things existing when they are in time […].”10 Einen Grund für diese Einschränkung des Gebrauchs des Wortes “existiert” führt er nicht an. Ryle hingegen hat ein Argument für seinen Multivokalismus. Sein Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass gewisse Existenzsätze “seltsam klingen”. Zum Beispiel: (1) There is a cathedral in Oxford, a three-engined bomber, and a square number between 9 and 25. (2) There are prime numbers, Wednesdays, public opinions and navies. Ryle erklärt die offenbare “Seltsamkeit” dieser Sätze damit, dass hier der Ausdruck “es gibt” in ein und demselben Satz in verschiedenen Bedeutungen verwendet wird. Morton White entgegnet darauf, dass Ryles Beispiele nicht deshalb seltsam klingen, weil in ihnen der Ausdruck “es gibt” in verschiedenen Bedeutungen verwendet wird, sondern deshalb, weil in ihnen verschiedenartige Gegenstände in einem Atemzug genannt werden, also zum Beispiel physikalische Gegenstände, Typen von Artefakten und Zahlen, oder Zahlen, Wochentage, intentionale Zustände und Institutionen. Wenn diese Replik 9

Ebd., 57. Ebd. (Die erste Hervorhebung ist von mir.)

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

richtig ist (und ich denke, sie ist richtig), dann haben weder Russell noch Ryle zwingende Argumente für ihre Seinsweisenunterscheidungen gegeben.11 Wir können also festhalten, dass daraus, dass es verschiedene Arten von Gegenständen gibt, nicht folgt, dass es auch verschiedene Weisen des Seins gibt. Freilich schließt das nicht aus, dass es verschiedene Weisen des Seins geben könnte. Angenommen, es gibt verschiedene Seinsweisen: Welche Beziehung besteht dann zwischen den Seinsweisen einerseits und den Gegenstandsarten andererseits? Ist eine dieser beiden Unterscheidungen fundamentaler als die andere? Wenn ja, welche? Vieles spricht dafür, dass die Unterscheidung verschiedener Arten von Gegenständen fundamentaler ist als die Seinsweisenunterscheidung. Für gewöhnlich werden Seinsweisen abgeleitet von einer vorgängig gemachten Unterscheidung verschiedener Arten von Dingen. Ein Zitat von Rainer W. Trapp sei stellvertretend für viele andere angeführt: “Man kann nämlich mehrere Unterarten von spezieller Existenz unterscheiden, die sich der Natur des jeweiligen Bezugsbereichs entsprechend ergeben.”12 Auch Russell und Ryle leiten ihre Seinsweisenunterscheidung ab von einer Unterscheidung verschiedener Arten von Gegenständen – nicht umgekehrt. Dasselbe gilt für Alexius Meinongs Unterscheidung zwischen Existenz und Bestand. Es ist in der Tat schwer vorzustellen, wie es anders herum funktionieren sollte. Angenommen, ein Philosophielehrer versucht, seinen Studierenden zu erklären, was für eine Art von Gegenständen Universalien sind, und er erzählt ihnen, dass Universalien diejenigen Gegenstände sind, die nicht existieren, sondern nur bestehen. Diese Information macht den Begriff des Universales nicht einen Deut klarer. Man kann den Begriff des Bestehens offenbar erläutern, indem man erklärt, dass es sich um die Seinsweise der Universalien handelt. Aber man kann nicht den Begriff des Universales erläutern, indem man erklärt, dass Universalien bestehen. Wir können also auch festhalten, dass die Unterscheidung von Arten von Gegenständen fundamentaler ist als die Unterscheidung von Seinsweisen. Dass eine Unterscheidung in irgendeinem Sinn fundamentaler ist als eine andere, impliziert freilich nicht, dass die letztere auf die erste zurückgeführt werden kann. Es ist also noch nicht gezeigt, dass Seinsweisenunterscheidungen redundant sind. Doch ich vertrete die Auffassung, dass Seinsweisenun11

Für eine gute Formulierung genau dieser Kritik siehe auch Grossmann 1992, 96. Trapp 1976, 43.

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terscheidungen in der Tat redundant sind. Das soll durch eine Analogie plausibel gemacht werden. Die Redundanz von Seinsweisenunterscheidungen. Eine Analogie Es gibt verschiedene Weisen, wütend zu werden, verschiedene Weisen, genial zu sein, verschiedene Weisen zu laufen und zu schwimmen, und so fort. Ich verwende für meine Analogie das Schwimmen, weil wir in der natürlichen Sprache für verschiedene Arten des Schwimmens gute Spezialausdrücke haben. Wir unterscheiden zum Beispiel Brustschwimmen, Kraulen und Delphinschwimmen. Wir können sagen, dass Brustschwimmen und Kraulen zwei Weisen des Schwimmens sind. Sind nun die Weisen des Seins analog den Weisen des Schwimmens? Ist die Unterscheidung zwischen Existenz und Bestand (wie sie oben eingeführt wurde) analog der Unterscheidung zwischen Kraulen und Delphinschwimmen? Ich nehme im Folgenden der Einfachheit halber an, dass Existenz und Bestand die einzigen Seinsweisen sind und dass Kraulschwimmen und Delphinschwimmen die einzigen Weisen des Schwimmens sind. Es gilt also: (3) a hat Sein impliziert (4) Entweder a existiert oder a besteht. Analog gilt: (5) a schwimmt. impliziert (6) Entweder a krault oder a schwimmt Delphin. Aber (5) impliziert weder (7) a krault. noch (8) a schwimmt Delphin. Hingegen wird (5) sowohl von (7) als auch von (8) impliziert. Analog gilt, dass (3) a hat Sein weder (9) a existiert. noch

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(10) a besteht. impliziert. Hingegen wird (3) sowohl von (9) als auch von (10) impliziert. So weit scheint die Analogie perfekt zu sein. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied, wie sich gleich zeigen wird. Ich führe jetzt zwei neue Termini ein, und zwar “schwummen” und “schwümmen”. Wenn ein Mann schwimmt, sage ich, dass er schwummt; und wenn eine Frau schwimmt, sage ich, dass sie schwümmt. Es ist zu betonen, dass der Unterschied zwischen Schwummen und Schwümmen kein Unterschied des Schwimmstils sein soll, also nicht so wie Kraulen und Delphinschwimmen. Ich setze voraus, dass Männer nicht grundsätzlich anders schwimmen als Frauen. Es geht also nicht um einen Unterschied wie etwa den zwischen dem Schwimmen eines Fischs und dem Schwimmen eines Krokodils. Schwummen und Schwümmen sind hinsichtlich des Schwimmstils genauso unbestimmt wie Schwimmen. Der einzige Unterschied zwischen Schwummen und Schwümmen ist: Das eine wird von Männern, das andere von Frauen ausgeführt. Die Begriffe Schwummen und Schwümmen sind also nicht koextensiv. Aber sie sind nicht Weisen des Schwimmens in demselben Sinn, in dem Kraulen und Delphinschwimmen Weisen des Schwimmens sind. Denn die Unterscheidung zwischen Schwummen und Schwümmen kann in einer Weise weganalysiert werden, in welcher die Unterscheidung zwischen Kraulen und Delphinschwimmen nicht weganalysiert werden kann: Vorausgesetzt, dass die Termini “schwummen” und “schwümmen” in der Weise eingeführt werden, in der ich sie eingeführt habe, gilt, dass (11) a schwummt. gleichbedeutend ist mit (11’) a ist ein Mann und a schwimmt. Analog gilt: (12) a schwümmt. ist gleichbedeutend mit (12’) a ist eine Frau und a schwimmt. Die Unterscheidung zwischen Existenz und Bestand ist nicht analog der Unterscheidung zwischen Kraulen und Delphinschwimmen, sondern analog der Unterscheidung zwischen Schwummen und Schwümmen. Denn genau in der Weise, in der man die Termini “schwummen” und “schwümmen” weganaly-

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sieren kann, kann man auch “existieren” und “bestehen” weganalysieren: Vorausgesetzt, dass die Termini “existieren” und “bestehen” in der Weise eingeführt werden, in der ich sie eingeführt habe, gilt, dass (9) a existiert. dasselbe bedeutet wie (9’) a ist ein physikalischer Gegenstand oder a ist ein mentaler Gegenstand, und es gibt a. Analog gilt: (10) a besteht. ist gleichbedeutend mit (10’) a ist ein abstrakter Gegenstand, und es gibt a. Die Analogie kann selbstverständlich auch auf andere Versionen des Multivokalismus angewendet werden. Das bedeutet, dass Seinsweisenunterscheidungen redundant sind. Es gibt nicht verschiedene Weisen des Seins, sondern nur verschiedene Arten von Gegenständen. Sein und Wie-Sein Mein Analogieargument beruht freilich auf der Voraussetzung, dass Existenz und Bestand tatsächlich nur hinsichtlich ihrer Gegenstände verschieden sind. Vertreter von Seinsweisentheorien werden diese Voraussetzung vermutlich nicht teilen und daher die Reduktion nicht akzeptieren. Doch scheint mir hier die Beweislast auf der Seite der Gegner zu liegen. Sie mögen erklären, worin der über die kategorialen Unterschiede der Gegenstände hinausgehende Unterschied zwischen Existenz und Bestand besteht. So lange das nicht geschehen ist, gibt es keinen Grund, einen solchen Unterschied anzunehmen. Es soll damit keineswegs gegen die Verwendung verschiedener Seinswörter für Gegenstände verschiedener Kategorien argumentiert werden. Man kann natürlich das Wort “existiert” ausschließlich für materielle und mentale Gegenstände reservieren und von abstrakten Gegenständen sagen, dass sie bestehen. Der springende Punkt ist, dass eine solche terminologische Konvention nichts zur Vermeidung ontologischer Festlegungen beiträgt. Gemäß (EGa) Fa  Es gibt Fs. folgt aus (13) 7 ist eine Primzahl.

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der generelle Existenzsatz (14) Es gibt Primzahlen. Gemäß (GOF) ist daher jemand, der (13) als wahr akzeptiert, auf Zahlen ontologisch festgelegt. Wir können freilich übereinkommen, von Zahlen nicht zu sagen, dass sie existieren, sondern zu sagen, dass sie bestehen. Demgemäß würde aus (14) nicht folgen (15) Primzahlen existieren, sondern “nur” (16) Primzahlen bestehen. (15) bedeutet so viel wie (15’) Es gibt Primzahlen, und Primzahlen sind physikalische oder mentale Gegenstände. (16) bedeutet hingegen so viel wie (16’) Es gibt Primzahlen, und Primzahlen sind abstrakte Gegenstände. Freilich drücken (15’) und (16’) wesentlich Verschiedenes aus. Aber eine Person, die (16’) als wahr akzeptiert, ist nicht weniger ontologisch festgelegt auf Zahlen als eine Person, die (15’) als wahr akzeptiert. Der Unterschied ist nur, dass eine Person, die (16’) als wahr akzeptiert, sich ausdrücklich auf abstrakte Gegenstände ontologisch festlegt, während eine Person, die (15’) als wahr akzeptiert, sich nur auf physikalische bzw. mentale Gegenstände ontologisch festlegt. So gesehen wäre das Akzeptieren von (15) für nominalistisch gesinnte Denker sogar unproblematischer als das Akzeptieren von (16)! Verteidiger von Seinsweisentheorien könnten auf das Analogieargument entgegnen, dass es sehr wohl möglich ist, die Termini “existieren” und “bestehen” ohne explizite Bezugnahme auf Arten von Gegenständen zu definieren. Rudolf Ameseder schlägt zum Beispiel folgendes Kriterium zur Unterscheidung von Existenz und Bestand vor: Existenz soll stets zeitlich, Bestand stets zeitlos sein.13 Demgemäß könnte man Existenz und Bestand wie folgt definieren: (DE) Fs existieren =def. Es gibt Fs und Fs sind zeitlich. (DB) Fs bestehen =def. Es gibt Fs und Fs sind zeitlos. Man könnte argumentieren, dass zeitliches Sein doch offenbar verschieden ist von zeitlosem Sein. Das ist in einem Sinn zwar richtig, aber es trägt nichts 13

Ameseder 1904, 78f.

4. Seinsweisen

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dazu bei, ontologische Festlegungen zu vermeiden oder auch nur abzuschwächen. Gemäß (DE) wäre (15) äquivalent mit (15’’) Es gibt Primzahlen und Primzahlen sind zeitlich. Gemäß (DB) wäre (16) äquivalent mit (16’’) Es gibt Primzahlen und Primzahlen sind zeitlos. So, wie ich die kategorialen Termini “physikalischer Gegenstand”, “mentaler Gegenstand” und “abstrakter Gegenstand” hier gebrauche, kann “physikalischer Gegenstand” definiert werden als “raum-zeitlicher Gegenstand”; “mentaler Gegenstand” kann definiert werden als “nicht-räumlicher und zeitlicher Gegenstand”; und “abstrakter Gegenstand” kann definiert werden als “nicht-räumlicher und zeitloser Gegenstand”. Unter diesen Voraussetzungen sind (15’) und (15’’) bzw. (16’) und (16’’) äquivalent. Aber unabhängig davon ist klar, dass jemand, der (16’’) als wahr akzeptiert, nicht weniger auf Primzahlen ontologisch festgelegt ist als jemand, der (15’’) als wahr akzeptiert. Der Unterschied ist nur, dass jemand, der (16’’) als wahr akzeptiert, sich explizit auf zeitlose Gegenstände festlegt, während jemand, der (15’’) als wahr akzeptiert, sich nur auf zeitliche Gegenstände festlegt. Die Behauptung, dass bestimmte Gegenstände nicht existieren, sondern “nur” bestehen, läuft demnach darauf hinaus, dass es Gegenstände gibt, die zeitlos sind, und daher zieht diese Behauptung eine ontologische Festlegung auf zeitlose Gegenstände nach sich. Wiederum erscheint daher das Anerkennen bestehender Primzahlen von einem nominalistischen Standpunkt sogar problematischer als das Anerkennen existierender Primzahlen. Vertreter von Seinsweisentheorien haben meist eine starke Intuition, die sich etwa so ausdrücken lässt: “Das Sein eines abstrakten Gegenstandes ist doch offensichtlich verschieden vom Sein eines materiellen Dinges!” Das ist richtig, wenn damit gemeint ist, dass materielle Dinge räumlich ausgedehnt, sinnlich wahrnehmbar und zeitlich sind, abstrakte Gegenstände aber nicht. Entscheidend ist aber, dass das keine Unterschiede des Seins sind, sondern Unterschiede des “Was-Seins” bzw. des “Wie-Seins”. Das “Sein” eines Steines im Sinne des Wie-Seins ist zweifellos verschieden vom “Sein” (im Sinne von: “Wie-Sein”) eines Lebewesens. Steine haben keinen Stoffwechsel, können sich nicht bewegen, können sich nicht fortpflanzen. Dennoch sind die beiden Vorkommnisse von “es gibt” in dem Satz (17) Auf dem Mond gibt es nur Steine, aber auf dem Mars gibt es auch Mikroorganismen.

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II. Gibt es ontologisch neutrale Äußerungen?

bedeutungsgleich. Analog trifft es sicherlich zu, dass das Sein eines armen und kranken Menschen im Sinne des Wie-Seins sehr verschieden ist vom Sein eines reichen und gesunden. Trotzdem gilt nicht, dass in dem Satz (18) Es gibt Leute, die sind arm und krank, und es gibt Leute, die sind reich und gesund. das erste Vorkommnis von “es gibt” eine andere Bedeutung hat als das zweite. Viel Verwirrung in der Debatte über Seinsweisen ist eine Folge des Umstands, dass Sein häufig mit Was-Sein bzw. Wie-Sein konfundiert wird. Will man auf diesem Gebiet Klarheit gewinnen, dann ist eine scharfe begriffliche Trennung des Seins vom Was-Sein bzw. Wie-Sein erforderlich. Damit ist freilich nicht gesagt, dass es ein Sein ohne ein Was- bzw. Wie-Sein gibt! Alles, was ist, ist irgendwie bzw. irgendetwas. Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, manche Seinswörter so zu gebrauchen, dass ihre Bedeutung eine Was- bzw. Wie-Seins-Komponente enthält. Wenn man “existieren” und “bestehen” so gebraucht wie oben eingeführt, dann sind diese Ausdrücke nicht mehr reine Seinswörter, sondern enthalten bereits eine implizite Beschreibung der Gegenstände, von denen gesagt wird, dass sie existieren bzw. bestehen. Aber diese deskriptive Komponente ist für die Frage, ob ontologische Festlegung vorliegt oder nicht, irrelevant. Bei der Frage, ob man auf eine bestimmte Art von Gegenständen ontologisch festgelegt ist oder nicht, geht es zunächst nur darum, ob man anerkennt, dass die betreffenden Gegenstände sind; es spielt keine Rolle, was man darüber denkt, wie sie sind. Ich fasse zusammen: Man kann sich entscheiden, manche Seinswörter nur auf Gegenstände bestimmter Kategorien anzuwenden, aber dadurch werden ontologische Festlegungen weder vermieden noch abgeschwächt. Vielmehr wird die Frage der ontologischen Festlegungen davon gar nicht berührt. Im logischen Sinn (das heißt: in Abstraktion vom Was-Sein und Wie-Sein) “sind” alle Gegenstände auf dieselbe Weise. Da es bei der Frage nach den Kriterien der ontologischen Festlegung um dieses “logische Sein” geht, werde ich (SOF) und (GOF) nicht dahingehend ändern, dass nur noch das Akzeptieren von Sätzen der Form “a existiert” bzw. “Fs existieren” ontologische Festlegungen nach sich zieht. Aus diesem Grund halte ich auch daran fest, nicht zwischen “sein”, “existieren”, “bestehen” etc. zu unterscheiden, sondern diese Ausdrücke als gleichbedeutend zu gebrauchen.

III. ONTOLOGIE UND LOGIK

1. Natürliche und reglementierte Sprachen Logische und grammatikalische Struktur Bereits an früherer Stelle1 wurde sichtbar, dass es in manchen Fällen nicht ausreicht, zu untersuchen, welche natürlichsprachlichen Sätze eine Person als wahr akzeptiert, um entscheiden zu können, worauf die betreffende Person ontologisch festgelegt ist. In diesem früheren Kontext ging es um negative singuläre Existenzsätze, also um Sätze wie (1) Pegasus existiert nicht. Es wurde festgestellt, dass solche Sätze logisch mehrdeutig sind. Das heißt: Ihre grammatikalische Struktur determiniert nicht eindeutig ihre logische Struktur. Es sind mehrere logische Interpretationen möglich. Welche der möglichen logischen Interpretationen eines Satzes gewählt wird, kann relevant sein für die Frage, worauf jemand, der den betreffenden Satz als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt ist. (1) könnte als Prädikation interpretiert werden oder als negativer genereller Existenzsatz, also als Satz der Form “¬x (Fx)”. Würde eine Person S (1) in der ersten Interpretation als wahr akzeptieren, so wäre S ontologisch festgelegt auf Pegasus, also auf jenen Gegenstand, dessen Existenz in (1) gerade verneint wird. Diese Konsequenz macht die erste Interpretation freilich extrem unplausibel. Ob aus einem Satz, der in einer natürlichen Sprache formuliert ist, ein Existenzsatz folgt oder nicht, hängt also unter anderem von der logischen Interpretation des betreffenden Satzes ab. Die logische Interpretation eines Satzes macht die logische Struktur eines Satzes klar, das heißt: es wird geklärt, aus welchen logischen Teilen der Satz besteht. Wie der Fall der negativen singulären Existenzsätze zeigt, haben wir die logische Struktur eines Satzes von seiner grammatikalischen Struktur zu unterscheiden. Die logische Struktur eines Satzes kann ein Abbild der grammatikalischen Struktur des Satzes sein; sie kann aber auch von der grammatikalischen Struktur abweichen. Im Falle des Satzes (2) Bruno schläft. entspricht die logische Struktur offenbar genau der grammatikalischen Struktur. Die Beschreibung der grammatikalischen Struktur dieses Satzes lautet: Der Satz besteht aus zwei Bestandteilen, nämlich einem grammatikalischen 1

Siehe Kapitel II.1.

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III. Ontologie und Logik

Subjekt und einem grammatikalischen Prädikat, wobei das Prädikat auf das Subjekt folgt. Eine Beschreibung der logischen Struktur dieses Satzes könnte so aussehen: Der Satz besteht aus zwei Bestandteilen, nämlich aus einem singulären Term und einem allgemeinen Term, wobei der allgemeine Term auf den singulären Term folgt. Den singulären Term könnte man in diesem Fall auch “das logische Subjekt”, den allgemeinen Term “das logische Prädikat” nennen. Anders als im Fall von Satz (1) scheint bei Satz (2) die logische Struktur ganz eindeutig und von der grammatikalischen Struktur vollkommen determiniert zu sein. Es scheint hier keinen Spielraum für eine abweichende logische Interpretation zu geben. Logische Mehrdeutigkeit liegt aber nicht nur bei negativen singulären Existenzsätzen vor. In Kapitel I.4 wurde die Frage aufgeworfen, ob aus dem Satz (3) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. der Satz (4) Die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. folgt. Wäre dem so, dann wäre jeder, der (3) als wahr akzeptiert, festgelegt auf die Existenz der Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Das aber ist unplausibel, denn es scheint möglich zu sein, sich vor etwas zu fürchten, das noch nicht existiert oder sogar niemals existieren wird. Daraus ließe sich ein Einwand gegen das Relationsprinzip machen. Wie erinnerlich lautet das Relationsprinzip: (RP) Rab  a existiert & b existiert. (Lies: Wenn a in der Relation R zu b steht, dann existiert a und es existiert b.) Ein Argument gegen (RP) könnte so lauten: Der Satz (3) drückt aus, dass der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns in der Relation des Fürchtens steht zu der Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Daher folgt, gemäß (RP), aus (3) nicht nur, dass der Hauptaktionär des HenkelKonzerns existiert, sondern auch, dass die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. (3) könnte aber wahr sein, auch wenn es nicht der Fall ist, dass die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. Daher muss (RP) zurückgewiesen werden.

1. Natürliche und reglementierte Sprachen

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In diesem Argument wird jedoch stillschweigend vorausgesetzt, dass (3) tatsächlich die logische Struktur “Rab” hat. Man kann (3) auch tatsächlich als einen Satz der Form “Rab” interpretieren; man muss es aber nicht. Man könnte denselben Satz auch als einen Satz mit der logischen Struktur “Fa” interpretieren. Gemäß der Rab-Interpretation besteht (3) aus drei logischen Teilen, nämlich: 1. dem singulären Term “der Hauptaktionär des HenkelKonzerns”, 2. dem singulären Term “die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht” und 3. dem Relationsausdruck “fürchtet”. Gemäß der Fa-Interpretation besteht (3) nur aus zwei Teilen, nämlich: 1. aus dem singulären Term “der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns” und 2. aus dem einstelligen Prädikat “fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht”. Im Licht der zweiten Interpretation lässt sich aus (3) selbstverständlich nicht ableiten, dass die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. Ein weiteres Beispiel für einen Satz, dessen logische Struktur sich nicht einfach von der grammatikalischen Struktur ablesen lässt, ist das Folgende: (5) Anna übt Schuberts Sonate Nr. 21. Worauf legt sich jemand ontologisch fest, der diesen Satz als wahr akzeptiert? Gewiss, jemand der (5) als wahr akzeptiert, ist ontologisch festgelegt auf Anna. Ist aber jemand, der (5) als wahr akzeptiert, auch auf Schuberts Sonate Nr. 21 ontologisch festgelegt? Folgt aus (5), dass Schuberts Sonate Nr. 21 existiert? Diese Frage ist nicht eindeutig zu entscheiden, so lange wir den Satz in seiner natürlichsprachlichen Form betrachten. Hier liegt wiederum ein Fall eines logisch mehrdeutigen natürlichsprachlichen Satzes vor. Grammatikalisch betrachtet besteht dieser Satz aus drei Teilen, nämlich aus einem grammatikalischen Subjekt, einem grammatikalischen Prädikat und einem grammatikalischen Objekt. Es ist aber durch die grammatikalische Struktur nicht eindeutig determiniert, wie eine Beschreibung der logischen Struktur dieses Satzes zu lauten hat. Sie könnte lauten: Der Satz besteht aus drei Teilen, nämlich zwei singulären Termen (“Anna” und “Schuberts Sonate Nr. 21”) und einem Relationsausdruck (“übt”). Sie könnte aber auch lauten: Der Satz besteht aus zwei Teilen, nämlich einem singulären Term (“Anna”) und einem allgemeinen Term (“übt Schuberts Sonate Nr. 21”). Der Satz (5) lässt also zwei verschiedene logische Interpretationen zu. Welche Interpretation gewählt wird, zeigt sich, wenn dieser Satz in eine reglementierte Sprache übertragen wird. Die Übertragung in eine regle-

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III. Ontologie und Logik

mentierte Sprache zwingt uns, uns für eine der möglichen Interpretationen zu entscheiden. Meist sind reglementierte Sprachen zugleich formale oder halbformale Sprachen. Eine formalen Sprache ist ein Zeichensystem, dessen Zeichenvorrat nur Symbole enthält, die ausschließlich syntaktisch definiert sind (wie etwa die logischen Konstanten, Variablen, Individuenkonstanten etc. der Sprache der Standard-Prädikatenlogik). Eine “halbformale Sprache” ist eine Mischform aus natürlichen und formalen Sprachen. Obwohl, wie gesagt, reglementierte Sprachen üblicherweise formale oder halbformale Sprachen sind (und man könnte hinzufügen: obwohl formale Sprachen üblicherweise reglementierte Sprachen sind), kann es auch nichtformale reglementierte Sprachen geben. Dass eine Sprache eine formale Sprache ist, ist weder hinreichend noch notwendig dafür, dass sie auch eine reglementierte Sprache ist. Entscheidend ist, dass die Regeln einer reglementierten Sprache keine logischen Mehrdeutigkeiten zulassen dürfen. Ich nenne also eine Sprache dann und nur dann “reglementiert”, wenn sie so ist, dass die in ihr formulierten Sätze keine strukturellen Mehrdeutigkeiten aufweisen können. Der Satz (5) kann auf zwei Arten in eine reglementierte Sprache übertragen werden. Ich bediene mich hier zunächst einer formalen reglementierten Sprache. (5) kann also auf zwei Weisen in eine formale reglementierte Sprache übertragen (“formalisiert”) werden: (5a) Sa (5b) Üas Die in (5a) und (5b) verwendeten Zeichen werden in dieser Formalisierung so interpretiert, dass “a” für den Namen “Anna” steht, “S” für das einstellige Prädikat “übt Schuberts Sonate Nr. 21”, “s” für den singulären Term “Schuberts Sonate Nr. 21” und “Ü” für das zweistellige Prädikat “übt”. Die Sätze (5a) und (5b) sind strukturell eindeutig. Mit anderen Worten: Es ist klar, wie eine Beschreibung der logischen Struktur dieser Sätze zu lauten hat. (5a) besteht aus zwei Teilen, nämlich einem singulären Term (“a”) und einem allgemeinen Term, genauer: einem einstelligen Prädikat (“S”). (5b) hingegen besteht aus drei Teilen, nämlich aus zwei singulären Termen (“a” und “s”) und einem zweistelligen Prädikat (“Ü”). Grundsätzlich könnte strukturelle Eindeutigkeit auch mit Hilfe einer nichtformalen reglementierten Sprache hergestellt werden. Es braucht dazu nur irgendwelche Konventionen, die die logische Struktur eines Satzes sichtbar machen. Man könnte zum Beispiel übereinkommen, die logischen Teile eines Satzes durch Schrägstriche voneinander abzugrenzen. Man erhielte dann:

1. Natürliche und reglementierte Sprachen

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(5a’) Anna/übt Schuberts Sonate Nr. 21. (5b’) Anna/übt/Schuberts Sonate Nr. 21. Im Rahmen dieser nicht-formalen reglementierten Sprache wäre es klar, dass (5a’) aus einem singulären Term und einem einstelligen Prädikat besteht und (5b’) aus zwei singulären Termen und einem zweistelligen Prädikat. Die Antwort auf die Frage, welche ontologischen Festlegungen man durch das Akzeptieren von (5) eingeht, hängt davon ab, für welche logische Interpretation man sich entscheidet. Auf (5a) ist das Prädikationsprinzip anzuwenden, nicht aber das Relationsprinzip. Demgemäß ist jemand, der (5a) als wahr akzeptiert, auf Anna ontologisch festgelegt – und das ist die einzige singuläre ontologische Festlegung, die das Akzeptieren von (5a) mit sich bringt. Hingegen ist auf (5b) das Relationsprinzip anzuwenden, und daher ist jemand, der (5b) als wahr akzeptiert, sowohl auf Anna als auch auf Schuberts Sonate Nr. 21 ontologisch festgelegt. Der natürlichsprachliche Satz (5) lässt also zwei logische Interpretationen zu, die sich hinsichtlich ihrer ontologischen Konsequenzen unterscheiden. Probleme der logischen Interpretation Es hat sich bereits gezeigt, dass das Übertragen eines natürlichsprachlichen Satzes in eine reglementierte Sprache keine rein mechanische Angelegenheit ist, kein “Übersetzen” nach vorgegebenen Übersetzungsregeln, die es nur anzuwenden gelte. Vielmehr enthält dieses Übertragen in eine reglementierte Sprache ein Element der Interpretation. Wenn die Entscheidung für eine bestimmte Interpretation nicht willkürlich sein soll (und da diese Entscheidung ontologische Konsequenzen hat, sollte man Willkür wohl vermeiden), muss für die betreffende Entscheidung argumentiert werden. Da die grammatikalische Struktur des Satzes selbst keine hinreichenden Gründe liefert für oder gegen eine Interpretation, müssen die Argumente über rein strukturelle Betrachtungen hinausgehen. Der Versuch, solche Argumente zu finden, kann in sehr verwickelte und scheinbar weit abliegende Probleme führen. Im Falle des Satzes (5) könnte man aus Gründen der ontologischen Sparsamkeit zu einer Entscheidung zugunsten der Interpretation (5a’) Anna/übt Schuberts Sonate Nr. 21. tendieren. Damit würde man die Festlegung auf Schuberts Sonate Nr. 21 vermeiden. Doch es gibt auch Überlegungen, die für die Interpretation

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III. Ontologie und Logik

(5b’) Anna/übt/Schuberts Sonate Nr. 21. sprechen: Vergleichen wir (5) Anna übt Schuberts Sonate Nr. 21. mit (6) Bruno übt Johann Sebastian Bachs Bourrée. Würde man für diese Sätze die erste Interpretation wählen, so erhielte man: (5a) Sa (6a) Bb Die formalisierte Darstellung macht sichtbar, dass nach dieser Interpretation “übt Schuberts Sonate Nr. 21” und “übt Johann Sebastian Bachs Bourrée” zwei grundverschiedene Prädikate sind, so verschieden wie “schmeckt nach Ananas” und “ist ein guter Mittelstreckenläufer”. Das spricht aber, prima facie jedenfalls, gegen diese Interpretation. Denn es geht dabei verloren, dass die beiden Prädikate “übt Schuberts Sonate Nr. 21” und “übt Johann Sebastian Bachs Bourrée” einen gemeinsamen Bestandteil haben, nämlich “übt”. Das muss verloren gehen, da ja gemäß der in Rede stehenden Interpretation die Prädikate “übt Schuberts Sonate Nr. 21” und “übt Johann Sebastian Bachs Bourrée” als nicht weiter analysierbare Satzbestandteile aufzufassen sind. Das aber scheint diesen beiden Prädikaten nicht gerecht zu werden. Es muss betont werden, dass das nicht daran liegt, dass die Prädikate “übt Schuberts Sonate Nr. 21” und “übt Johann Sebastian Bachs Bourrée” grammatikalisch betrachtet zusammengesetzt sind. Es gibt zahlreiche Prädikate, die grammatikalisch betrachtet zusammengesetzt sind, und die dennoch, prima facie, als logisch einfache Prädikate betrachtet werden können. Die vielleicht besten Beispiele dafür sind jene Prädikate, die Hilfszeitwörter enthalten: Das Prädikat “ist Zahnarzt” und das Prädikat “ist klug” enthalten zwar, grammatikalisch betrachtet, einen gemeinsamen Bestandteil (das “ist”), aber es spricht prima facie nichts dagegen, diese Prädikate als logisch einfach zu betrachten. Es scheint nicht, dass etwas Wesentliches verloren geht, wenn in einer Formalisierung das Prädikat “ist Zahnarzt” als “Z” und das Prädikat “ist klug” als “K” dargestellt wird. Warum ist das so? Was macht den Unterschied zwischen den Prädikaten aus? Warum sind wir geneigt, in dem einen Fall die grammatikalische Komplexität als Abbild der logischen Komplexität zu betrachten, und in dem anderen Fall nicht? – Es hängt davon ab, was wir aus den betreffenden Sätzen ableiten wollen. Intuitiv folgt aus (5) und (6) der generelle Existenzsatz

1. Natürliche und reglementierte Sprachen

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(7) Es gibt etwas, das Anna und Bruno gemeinsam haben: Beide üben etwas. Hingegen würde wohl kaum jemand auf die Idee kommen, aus (8) Bruno ist Zahnarzt. und (9) Anna ist klug. zu folgern: (10) Es gibt etwas, das Anna und Bruno gemeinsam haben: Beide sind etwas. Nicht zuletzt deshalb scheint es vernünftig, (8) und (9) in der folgenden Weise zu interpretieren: (8a) Bruno/ist Zahnarzt. (9a) Anna/ist klug. Ebenso würde man intuitiv wohl kaum aus (11) Bruno hat Fieber. und (12) Anna hat eine Wohnung mit Balkon. folgern, dass Anna und Bruno etwas gemeinsam haben, nämlich dass sie beide etwas haben. Hier drängt sich für (11) die Interpretation (11a) Bruno/hat Fieber. auf, während für (12) auch die Interpretation (12a) Anna/hat/eine Wohnung mit Balkon. nicht unplausibel erscheint. Andererseits könnten leidgeprüfte Eltern sehr wohl klagen: “Immer haben die Kinder etwas!” Und auf eine mitfühlende Nachfrage hin könnten sie ausführen: “Einmal haben sie Fieber, dann wieder Bauchschmerzen oder Husten.” Das könnte man in einer halbformalen Sprache etwa so darstellen: (13) Immer gibt es ein x, so dass: Die Kinder haben x, und x = Fieber v x = Bauchschmerzen v x = Husten. Das aber lässt die Interpretation (11b) Bruno/hat/Fieber. wieder in günstigerem Licht erscheinen. Ein weiterer interessanter Fall ist der folgende:

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III. Ontologie und Logik

(14) Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß. Auch dieser Satz ist offenbar strukturell mehrdeutig, das heißt: seine grammatikalische Struktur determiniert nicht eindeutig seine logische Struktur. Diese strukturelle Mehrdeutigkeit ist schon im Hauptsatz (15) Anna weiß etwas. enthalten. Die zwei möglichen logischen Interpretationen von (15) lauten: (15a) Anna/weiß etwas. (15b) Anna/weiß/etwas. Gemäß der Interpretation (15a) besteht der Satz (15) aus zwei logischen Teilen, nämlich aus einem singulären Term (“Anna”) und einem einstelligen Prädikat (“weiß etwas”). Gemäß der Interpretation (15b) besteht der Satz (15) aus drei logischen Teilen, nämlich aus einem singulären Term (“Anna”), einem zweistelligen Prädikat (“weiß”) und dem “etwas”. In diesem Fall drängt sich die zweite Interpretation auf, und zwar nicht eigentlich wegen des Satzes (15), isoliert betrachtet, sondern wegen des gesamten Satzes (14). Denn die Interpretation muss so gewählt sein, dass sie im Kontext von (14) Sinn macht, das heißt, dass sie eine konsistente logische Interpretation von (14) erlaubt. (14) enthält unter anderem das Pronomen “das”, und es gilt, eine plausible logische Interpretation dieses Satzteiles zu geben. Es ist offenkundig, dass das Pronomen “das” im Nebensatz die Funktion hat, sich auf denselben Gegenstand zu beziehen, auf den sich das “etwas” im Hauptsatz bezieht. Diese doppelte Bezugnahme – einmal im Hauptund einmal im Nebensatz – muss eine plausible logische Interpretation reflektieren, das heißt: sie muss in einer reglementierten Formulierung des ganzen Satzes sichtbar sein. Genau das ist aber offenbar nur dann möglich, wenn sowohl das “etwas” im Hauptsatz als auch das “das” im Nebensatz als eigenständige logische Bestandteile des Satzes (14) interpretiert werden. Man könnte das durch folgende Schreibweise zum Ausdruck bringen: (14a) Anna/weiß/etwas,/das/Bruno/nicht/weiß. Das ist ein erster Schritt in Richtung einer reglementierten Formulierung von Satz (14); denn hiermit ist klar gemacht, welchen grammatikalischen Teilen eigenständige logische Teile entsprechen. Aber damit ist die logische Struktur dieses Satzes noch nicht vollständig geklärt. Insbesondere ist die oben formulierte Forderung noch nicht erfüllt, dass eine adäquate logische Deutung von (14) so sein muss, dass die Struktur des Satzes widerspiegelt, dass das “das” im Nebensatz sich auf etwas beziehen soll, auf das sich im Hauptsatz das

1. Natürliche und reglementierte Sprachen

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“etwas” bezieht. Diese Forderung wird durch die folgende Formulierung erfüllt: (14b) Es gibt etwas, so dass gilt: Anna weiß es, und Bruno weiß es nicht. Das zweimalige Vorkommen von “es” macht hier klar, dass zwei Mal vom selben die Rede ist. (14b) ist auf eine Weise reglementiert, die es leicht macht, eine formalsprachliche Entsprechung zu finden. Diese könnte etwa lauten: (14c) x (Wax & ¬Wbx) (Lies: Es gibt ein x, so dass: Anna weiß x, und es ist nicht der Fall, dass: Bruno weiß x.) Die formalisierte Version (14c) macht klar, welche Rolle gemäß dieser Interpretation das “etwas” im Hauptsatz und das “das” im Nebensatz spielen: Sie fungieren als Variablen, genauer gesagt: als natürlichsprachliche Pendants zu Variablen. Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass es in manchen Fällen nötig ist, einen natürlichsprachlichen Satz in eine reglementierte Sprache zu übertragen, um zweifelsfrei feststellen zu können, welche ontologischen Festlegungen das Akzeptieren dieses Satzes mit sich bringt. Das bedeutet freilich nicht, dass wir uns nur dann ontologisch festlegen, wenn wir uns einer reglementierten Sprache bedienen. Es ist keineswegs so, dass nicht-reglementierte Sprachen ontologisch neutral sind. Auch das Akzeptieren von Sätzen in nicht-reglementierten Sprachen bringt ontologische Festlegungen mit sich; nur kann es, aufgrund der Mehrdeutigkeit nicht-reglementierter Sätze, unklar sein, welche ontologischen Festlegungen das Akzeptieren eines Satzes mit sich bringt. Die reglementierten Sprachen erfüllen lediglich den Zweck, diese Unklarheiten zu beseitigen. Keineswegs werden durch sie erst ontologische Festlegungen geschaffen. Wenn ein natürlichsprachlicher Satz logisch mehrdeutig ist, dann bringt das Übertragen eines natürlichsprachlichen Satzes in eine reglementierte Sprache die Entscheidung für eine von mehreren möglichen Interpretationen mit sich. Diese Entscheidung kann ontologische Konsequenzen haben, und sie erfordert mitunter weitreichende Überlegungen. Die Übertragung eines logisch mehrdeutigen Satzes in eine reglementierte Sprache macht klar, welche Interpretation des Satzes als wahr akzeptiert wird. Damit kann sie auch Klarheit darüber bringen, welche ontologischen Festlegungen mit dem Akzeptieren des Satzes eingegangen werden.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation Im vorigen Kapitel wurde der Satz (1) Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß. interpretiert als (1a) Es gibt etwas, so dass gilt: Anna weiß es, und Bruno weiß es nicht. (1a) wurde auf die folgende Weise symbolisiert: (1b) x (Wax & ¬Wbx) (Lies: Es gibt ein x, so dass: Anna weiß x, und es ist nicht der Fall, dass: Bruno weiß x.) Dass das Akzeptieren von (1a) bzw. (1b) eine ontologische Festlegung auf Anna und Bruno mit sich bringt, nehme ich jetzt als gegeben an. Aber sind das schon alle ontologischen Festlegungen, die jemand auf sich nimmt, der (1a) akzeptiert? – Dagegen spricht, dass in diesem Satz offenbar ja nicht bloß von Anna und Bruno die Rede ist, sondern auch von einem “Etwas”, von dem gesagt wird, dass es von Anna gewusst wird und dass es von Bruno nicht gewusst wird. Bringt das Akzeptieren von (1a) also noch eine weitere ontologische Festlegung mit sich, und wenn ja, worauf legt man sich damit fest? Es scheint in der Tat, dass, gemäß (GOF), das Akzeptieren von (1a) zusätzlich zu der singulären ontologischen Festlegung auf Anna und Bruno noch eine generelle ontologische Festlegung mit sich bringt. Allem Anschein nach drückt (1a) bzw. (1b) aus, dass Gegenstände einer bestimmten Art existieren, nämlich Gegenstände, die das relationale Prädikat “wird von Anna gewusst und wird von Bruno nicht gewusst” erfüllen. Aber was für Gegenstände können Eigenschaften wie Gewusst-zu-werden bzw. Nicht-gewusst-zu-werden haben? – Falls es solche Gegenstände gibt, können wir sie mit Ausdrücken der Form “dass p” benennen. Wir können sagen: “Anna weiß, dass der Zug Verspätung hat.” “Bruno weiß nicht, dass seine Freundin schwanger ist.” Es entspricht zwar nicht dem natürlichen Sprachgebrauch, aber für die Zwecke einer reglementierten Sprache können wir solche “dass-Satzkonstruktionen” als singuläre Terme auffassen, und die so bezeichneten Gegenstände können wir, verschiedenen philosophischen Traditionen folgend, “Urteilsinhalte”, “Propositionen” oder “Sachverhalte” nennen. Die Interpretation (1b) des Satzes (1) führt also allem Anschein nach zu einer ontologischen Festlegung auf Urteilsinhalte bzw.

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III. Ontologie und Logik

Propositionen. Dieses Ergebnis entspricht auch dem berühmten Kriterium der ontologischen Festlegung von Willard van Orman Quine: [A] theory is committed to those and only those entities to which the bound variables of the theory must be capable of referring in order that the affirmations made in the theory be true.1

Quines Kriterium weicht allerdings in manchen Punkten von meinem ab. Erstens spricht Quine davon, dass Theorien festgelegt sind auf Entitäten, dass Entitäten von Theorien angenommen werden. Diese Redeweise ist nicht besonders glücklich, denn Annahmen sind intentionale Einstellungen, und Theorien können nicht Subjekte intentionaler Einstellungen sein. Nicht Theorien sind festgelegt auf Entitäten, sondern Personen, die Theorien als wahr akzeptieren. So weit ich sehe, hängt für Quine an diesem Punkt nichts Wesentliches für sein Kriterium; deshalb werde ich im Folgenden einfach so tun, als sei Quines Kriterium in diesem Sinn zu interpretieren. Ein fundamentaler Unterschied zwischen meinem und Quines Kriterium ist aber Quines Auffassung bezüglich der ontologischen Bedeutung von singulären Termen. Nach Meinung Quines zieht die Verwendung singulärer Terme überhaupt keine ontologischen Festlegungen nach sich.2 Dem widersprechen die von mir angenommenen Prinzipien (PP) und (RP). In Quines Formulierungen seines Kriteriums spielen die Ausdrücke “Variable” und “Existenzquantor” eine wesentliche Rolle. Diese Ausdrücke verwenden wir zur Bezeichnung von Symbolen formaler Sprachen. Unsere natürlichen Sprachen enthalten keine Variablen, jedenfalls nicht Variablen im üblichen Wortsinn, und ebenso wenig enthalten sie ein “”. Es wäre aber falsch, daraus zu schließen, dass Quines Kriterium nur auf Sätze in formalen Sprachen anwendbar ist. Das ist nicht der Fall, jedenfalls nicht gemäß Quines eigenem Verständnis seines Kriteriums. Denn Quine versteht die Bestandteile formaler Sprachen, insbesondere die Quantoren und Variablen, stets in Beziehung zu natürlichen Sprachen. Sie sind für ihn formalsprachliche Entsprechungen von Ausdrücken natürlicher Sprachen: The quantifiers “(x)” and “(x)” mean “there is some entity x such that” and “each entity x is such that”.3 1

Quine 1953b, 13f. Für andere, leicht abweichende Formulierungen dieses Kriteriums siehe Quine 1953d, 103, und Quine 1969b, 94. 2 Siehe z. B. Quine 1969b, 94. 3 Quine, 1953d, 102.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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An expression “a” may occur in a theory, we saw, with or without purporting to name an object. What clinches matters is rather the quantification “(x) (x = a).” It is the existential quantifier, not the “a” itself, that carries existential import. This is just what existential quantification is for, of course. It is a logically regimented rendering of the “there is” idiom.4 Existence is what existential quantification expresses.5

Nach Quines Auffassung ist also der Existenzquantor “” das formale Äquivalent zum natürlichsprachlichen “es gibt”; die Variable “x” ist die formale Entsprechung zum natürlichsprachlichen “etwas”. Das ist freilich nicht die einzig mögliche Interpretation. Man könnte auch den ganzen Ausdruck “x (___ x)” als formale Entsprechung des “es gibt” auffassen. Das würde der natürlichsprachlichen Lesart des “es gibt” etwa in “Es gibt Pferde” entsprechen, während die Interpretation Quines der Lesart “Es gibt etwas, das ein Pferd ist” entspricht.6 In der letzteren Lesart würde der ganze Ausdruck “x (___ x)” dem natürlichsprachlichen “Es gibt etwas, das ___” entsprechen. Je nachdem, welche Lesart man wählt, bekommen auch die Prädikatbuchstaben der formalen Sprache eine andere Bedeutung. In der ersten Lesart steht ein Prädikatbuchstabe “F” etwa für “Pferde”, in der zweiten steht er etwa für “ist ein Pferd”. Ich bleibe im Folgenden bei der zweiten Lesart, wonach das “” allein für das “es gibt” bzw. “existiert” steht und das “x” für ein Pronomen. Im gegenwärtigen Zusammenhang spielt die Entscheidung für die eine oder andere Lesart nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, dass die Quantoren und Variablen irgendwelche Entsprechungen in den natürlichen Sprachen haben. Daher bringen auch Sätze und Theorien, die in natürlichen Sprachen formuliert sind, ontologische Festlegungen mit sich. Dieser Punkt ist wichtig. Denn wäre es nicht so, dann wäre Quines Kriterium ziemlich irrelevant. Schließlich gibt es nur wenige Theorien, die von ihren Schöpfern in formalen Sprachen formuliert worden sind; und noch seltener werden Alltagsüberzeugungen in formalen Sprachen ausgedrückt. Wenn überhaupt, so würde Quines Kriterium, wenn es nur auf formalsprachliche Sätze anwendbar wäre, uns nur einen verschwindend geringen Teil der tatsächlich gemachten ontologischen Festlegungen enthüllen. Die meisten der vom ontolo4

Quine 1969b, 94. Hervorhebung von mir. Ebd., 97. 6 Siehe Sauer 2002. 5

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III. Ontologie und Logik

gischen Standpunkt interessanten ontologischen Festlegungen, die unseren bewährten Alltagsüberzeugungen und wissenschaftlichen Theorien zugrunde liegen, würde dieses Kriterium niemals ans Licht bringen. Es ist also die These, dass den Quantoren und Variablen natürlichsprachliche Ausdrücke entsprechen, ein wesentlicher Bestandteil von Quines Kriterium. Im Lichte dieser Auffassung fungieren die deutschen Wörter “etwas” und “das” in (1) Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß. als Variablen. Als Werte dieser Variablen kommen, wie wir gesehen haben, Sachverhalte bzw. Propositionen in Frage. Nun ist aber die Annahme von Urteilsinhalten, Sachverhalten, Propositionen etc. sehr umstritten. Einerseits herrscht kein Konsens darüber, ob es derlei Entitäten gibt oder nicht, andererseits herrscht nicht einmal Konsens darüber, was für eine Art von Entitäten sie sind, falls es sie gibt. Für viele scheinen sie etwas Abstraktes zu sein; aber Carnaps Propositionen sind etwas Physikalisches,7 und Stumpf fasste Sachverhalte als mentale Gegenstände auf, nämlich als Bestandteile von Urteilen (Urteile hier verstanden als individuelle psychische Vorkommnisse).8 Nicht zuletzt ihr unklarer ontologischer Status macht Urteilsinhalte bzw. Propositionen vielen Philosophen suspekt. Die vielfältigen Schwierigkeiten einer Ontologie der Propositionen zu besprechen, ist hier nicht der rechte Ort. Sie sind jedenfalls so schwerwiegend, dass kein ernsthafter Denker sich leichtfertig auf die Annahme von Propositionen einlässt. Wenn sie doch angenommen werden, dann geschieht es auf der Grundlage von Argumenten, die nach Ansicht ihrer Verfechter mindestens so schwer wiegen wie die Schwierigkeiten, die man sich mit dieser Annahme einhandelt; und nicht wenige bezweifeln oder leugnen rundheraus, dass es so schwerwiegende Argumente für diese ontologische Annahme gibt. Vor diesem Hintergrund mutet es zumindest seltsam an, dass das bloße Akzeptieren des scheinbar harmlosen Satzes (1) eine ontologische Festlegung auf Propositionen nach sich ziehen soll. Lässt sich die ontologische Festlegung auf Propositionen vermeiden, wenn man an der Wahrheit von Satz (1) festhalten will? – Ich werde im Folgenden einen möglichen Weg zur Vermeidung dieser ontologischen Festlegung diskutieren. Der Weg besteht darin, zu leugnen, dass die Verwendung eines Existenzquantors notwendig eine ontologische Festlegung mit sich bringt. Mit an7

Siehe Carnap 1947, § 6. Siehe Smith 1996.

8

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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deren Worten: Es wird behauptet, dass der Existenzquantor (zumindest in manchen Kontexten) ontologisch neutral ist. Im Lichte dieser Auffassung ist die Bezeichnung “Existenzquantor” tendenziös, weil sie bereits eine nicht ontologisch neutrale Deutung suggeriert. Man könnte die möglicherweise schädliche Suggestivkraft der Bezeichnung “Existenzquantor” vermeiden, indem man sie durch den Terminus “Partikularisator” (englisch: particular quantifier) ersetzt, der keine ontologischen Konnotationen hat. Der Terminus “Partikularisator” war insbesondere in der polnischen Tradition populär und wird auch heute noch von Anhängern einer ontologisch neutralen Deutung des Quantors verwendet.9 Ich werde jedoch die Bezeichnung “Partikularisator” vorläufig nicht gebrauchen, denn ich werde am Ende dieses Kapitels vorschlagen, zwei Quantoren mit je verschiedener Bedeutung zu unterscheiden, wobei einer von diesen ontologisch neutral und der andere ontologisch nicht neutral ist, und ich reserviere den Terminus “Partikularisator” für den ontologisch neutralen Quantor. Ich verwende von nun an den Terminus “E-Quantor”, wenn ich mich nicht auf eine der beiden Bedeutungen festlegen möchte. Die These, dass der E-Quantor ontologisch neutral sein kann, steht im Widerspruch zur Konjunktion der folgenden beiden Annahmen: 1. Der E-Quantor ist die symbolische Entsprechung des natürlichsprachlichen “es gibt”. 2. Das “es gibt” drückt Existenz aus, hat also sozusagen “ontologisches Gewicht”. Ersteres ist die eben besprochene Auffassung von Quantifikation Quines. Letzteres ist eine Annahme bezüglich der Bedeutung des “es gibt” in der natürlichen Sprache, die ich schon zu Beginn dieser Arbeit explizit formuliert habe, als ich das “es gibt” als einen der zahlreichen Existenzausdrücke eingeführt habe. Diese Annahme soll, ebenso wie die vorige, jetzt einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Falls es zutrifft, dass der E-Quantor, zumindest in manchen Kontexten, kein ontologisches Gewicht hat, muss mindestens eine dieser beiden Annahmen falsch sein. Das heißt: Entweder ist Quines Auffassung der Quantifikation falsch und der E-Quantor ist gar nicht die formale Entsprechung des “es gibt”; oder es ist nicht der Fall, dass das “es gibt” ontologisches Gewicht hat (jedenfalls nicht in allen Kontexten). Natürlich könnten auch beide Annahmen falsch sein. 9

Siehe z. B. Orenstein 1978, Kamitz 1995.

126

III. Ontologie und Logik

Es gibt also drei Fragen, die in diesem Zusammenhang relevant sind: a. Ist der E-Quantor gleichbedeutend mit dem “es gibt”? b. Ist der E-Quantor Träger der ontologischen Festlegung? c. Ist das “es gibt” Träger der ontologischen Festlegung? Man kann, rein rechnerisch, die möglichen Antworten auf diese drei Fragen auf acht verschiedene Weisen miteinander kombinieren: (i) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind Träger der ontologischen Festlegung. Das ist die Auffassung Quines. (ii) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der EQuantor ist Träger der ontologischen Festlegung; das “es gibt” ist ontologisch neutral. Diese Kombination fällt aus, denn wenn der E-Quantor mit dem “es gibt” gleichbedeutend ist, dann kann nicht eines ontologisch neutral sein und das andere ontologisches Gewicht haben. Aus demselben Grund ist auch das Folgende von vorne herein zurückzuweisen: (iii) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der EQuantor ist ontologisch neutral; das “es gibt” ist Träger der ontologischen Festlegung. (iv) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind Träger der ontologischen Festlegung. Das ist, im Gegensatz zu (ii) und (iii), zwar möglich, aber es ist keine in unserem Zusammenhang relevante Möglichkeit. Denn eventuelle Bedeutungsunterschiede zwischen “es gibt” und dem Quantor interessieren hier nur insofern, als sie ontologische Konsequenzen haben. (v) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind ontologisch neutral. Das ist eine der möglichen Gegenpositionen zu der Auffassung Quines. (vi) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der E-Quantor ist Träger der ontologischen Festlegung; das “es gibt” ist ontologisch neutral. Das ist eine andere mögliche Gegenposition zu Quine. (vii) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der E-Quantor ist ontologisch neutral. Das “es gibt” ist Träger der ontologischen Festlegung. Auch das ist eine mögliche Gegenposition zu Quines Auffassung. (viii) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind ontologisch neutral.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

127

Für diese Variante gilt, was bereits über (iv) gesagt wurde: Sie ist möglich, aber im vorliegenden Zusammenhang irrelevant, weil für die Zwecke dieser Arbeit von allen ontologisch folgenlosen Bedeutungsunterschieden abgesehen werden kann. Von acht rein rechnerisch möglichen Kombinationen sind demnach zwei unmöglich und zwei irrelevant. Es bleiben also vier Positionen übrig, die diskussionswürdig sind, nämlich: (i) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind Träger der ontologischen Festlegung. (v) Der E-Quantor ist gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” sind ontologisch neutral. (vi) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der E-Quantor ist Träger der ontologischen Festlegung; das “es gibt” ist ontologisch neutral. (vii) Der E-Quantor ist nicht gleichbedeutend mit dem “es gibt”. Der E-Quantor ist ontologisch neutral. Das “es gibt” ist Träger der ontologischen Festlegung. Vorausgesetzt ist hier freilich, dass sowohl der E-Quantor als auch das “es gibt” eindeutige Zeichen sind, also in allen Kontexten dieselbe Bedeutung haben. Ich werde später argumentieren, dass diese Voraussetzung aufzugeben ist, aber als Ausgangspunkt der Diskussion ist sie nützlich, und darum soll zunächst hypothetisch angenommen werden, dass “es gibt” und der E-Quantor nicht mehrdeutig sind. Im Rahmen dieser hypothetischen Annahme gibt es drei Möglichkeiten, die Festlegung auf die Existenz von Propositionen zu vermeiden, ohne den Satz (1) Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß. als falsch verwerfen zu müssen. Man könnte 1. sowohl das “es gibt” als auch den E-Quantor für ontologisch neutral erklären; in diesem Fall könnte man sowohl die logische Interpretation (1a) Es gibt etwas, so dass gilt: Anna weiß es, und Bruno weiß es nicht. als auch die Symbolisierung (1b) x (Wax & ¬Wbx) beibehalten. Man könnte 2. nur das “es gibt” für ontologisch neutral erklären und den E-Quantor weiterhin als ontologisch bedeutsam interpretieren; in diesem Fall könnte man

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III. Ontologie und Logik

die logische Interpretation (1a) beibehalten, müsste aber die Symbolisierung (1b) als nicht adäquat zurückweisen. Man könnte 3. nur den E-Quantor als ontologisch neutral erklären und das “es gibt” weiterhin als ontologisch bedeutungsvoll verstehen; in diesem Fall könnte man eventuell (1b) als Symbolisierung von (1) beibehalten, aber man müsste die logische Interpretation (1a) von (1) als nicht adäquat zurückweisen. Ich werde im folgenden Abschnitt die Frage diskutieren, ob der E-Quantor tatsächlich das formale Äquivalent jener natürlichsprachlichen Ausdrücke ist, die, wie ich bisher angenommen habe, Existenz ausdrücken. Im darauf folgenden Abschnitt wird es darum gehen, ob der E-Quantor ontologisches Gewicht hat oder ob er ontologisch neutral ist. Außerdem soll geklärt werden, ob jene natürlichsprachlichen Ausdrücke, die ich bisher als Träger der ontologischen Festlegung behandelt habe, auch tatsächlich Existenz ausdrücken. Die Quantoreninterpretation der Existenz Wie gesagt, wurde in dieser Arbeit bisher vorausgesetzt, dass natürlichsprachliche Ausdrücke wie “es gibt” und “es existiert” in einer formalen Sprache durch den E-Quantor wiederzugeben sind. Ich nenne diese Auffassung die “Quantoreninterpretation der Existenz”. Im Folgenden werden einige Einwände gegen die Quantoreninterpretation diskutiert. Den Anfang machen die folgenden vier Einwände von Leo Apostel:10 Einwand 1: Die Quantoreninterpretation der Existenz macht die Formulierung singulärer Existenzsätze unmöglich: The sentence “John exists” asserting an individual to be real, cannot be well formed according to the proposed translation, if existence should always indicate the non-emptiness of a predicate (no predicate being present in this sentence). This implies that the type of entities most consistently considered to exist by ontologists of the past cannot even be said to exist or not exist in the present translation.11

Einwand 2: Die Regel der existentiellen Generalisierung erlaubt die Ableitung einer Existenzquantifikation aus jeder beliebigen Prädikation. Es gibt Prädikationen über fiktive Gegenstände. Wenn der E-Quantor Existenz ausdrückt, dann folgt aus jeder Prädikation über einen fiktiven Gegenstand, dass der fiktive Gegenstand existiert. 10

Alle Einwände stammen aus Apostel 1960. Ebd., 204.

11

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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Einwand 3: Jede Allquantifikation impliziert eine Existenzquantifikation. Das heißt: Wenn der E-Quantor Existenz ausdrückt, dann würde zum Beispiel aus dem allgemeinen Satz “Alle Einhörner haben Hörner” die Existenz von Einhörnern folgen. Einwand 4: Gemäß der Quantoreninterpretation ist der Satz “Etwas existiert” eine analytische Wahrheit. Aus diesen vier Einwänden entwickelt Apostel Kriterien für die Adäquatheit einer akzeptablen Definition von Existenz. Diese Kriterien lauten: C1. It should be possible for individuals to exist [...]. C2. Truth and reality should be distinct: “p is true” should not presuppose anything about the existence of the denotata of the terms occurring in p [...]. C3. Fitting relations should exist between existence and the modalities: a) it should not be true that everything exists with necessity; b) it should not be true, on the basis of the definition of existence alone, that it is necessary that something exists; c) it should not be true that it is impossible, by the definition of existence itself, for something to exist with necessity.12

Ich betrachte nun diese Einwände gegen die Quantoreninterpretation des Existenzbegriffs und die zugeordneten Kriterien für eine adäquate Interpretation des Existenzbegriffs nacheinander, in der vorgegebenen Reihenfolge. Zu Einwand 1 und zum Kriterium C1: Es stimmt nicht, dass die Quantoreninterpretation keine singulären Existenzsätze als wohlgeformt zulässt. Die Quantoreninterpretation sagt nichts darüber aus, welche Sätze in natürlichen Sprachen wohlgeformt sind. Es ist nicht in Widerspruch zur Quantoreninterpretation, den englischen Satz “John exists” als wohlgeformt zu akzeptieren. Die Quantoreninterpretation besagt lediglich, dass das englische Prädikat “to exist” in der gewählten formalen Sprache als E-Quantor darzustellen ist. Außerdem ist festzuhalten, dass auch gemäß der Quantoreninterpretation der Existenz eine Symbolisierung singulärer Existenzsätze möglich ist. Der Satz “John exists” könnte etwa symbolisiert werden als “x (x = John)”.13 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass es eine Frage ist, ob man Existenz vernünftigerweise von einem einzelnen, ganz bestimmten Individuum aussagen kann oder nicht, und eine andere, ob Individuen existieren oder nicht. Selbst wenn man singuläre Existenzsätze als logisch nicht wohlgeformt ablehnt, ist damit keineswegs impliziert, dass Individuen nicht existieren, wie 12

Ebd., 204f. Siehe z. B. Hintikka 1959, Lambert 1991, Quine 2 1959.

13

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III. Ontologie und Logik

Apostel (vor allem durch sein Kriterium C1) suggeriert. Außerdem steht es vollkommen außer Streit, dass wir sagen können, dass Individuen existieren, selbst dann, wenn wir uns entscheiden würden, singuläre Existenzsätze als nicht wohlgeformt aus der Sprache zu verbannen. Dass Individuen existieren, kann man ja nicht nur mit singulären, sondern auch mit generellen Existenzsätzen ausdrücken. Mit dem generellen Existenzsatz “Tiger existieren” wird ja auch die Existenz von Einzeldingen zum Ausdruck gebracht. Apostel scheint hier auf denselben Abweg geraten zu sein wie Jonathan Barnes, der Freges Auffassung, dergemäß Existenz ein Prädikat zweiter Stufe ist und singuläre Existenzsätze daher nicht wohlgeformt sind, in die Form des Slogans “Nothing exists” bringt.14 Die Quantoreninterpretation der Existenz zieht natürlich keineswegs die Konsequenz nach sich, dass nichts existiert. Apostels Kriterium C1 ist also zu akzeptieren; aber es ist vollkommen verträglich mit der Quantoreninterpretation des Existenzbegriffs. Zu Einwand 2 und zum Kriterium C2: Das Kriterium C2 ist abzulehnen. Es widerspricht dem Prädikationsprinzip. Jene Konsequenz, die Apostel so inakzeptabel findet, nämlich dass aus einer Prädikation über einen fiktiven Gegenstand folgt, dass der fiktive Gegenstand existiert, ist in Wirklichkeit sehr plausibel. Wenn etwas Eigenschaften hat, dann existiert es auch. Wahrheit und “Realität” (bei Apostel ist “Realität” gleichbedeutend mit “Existenz”) hängen sehr eng zusammen und können nicht voneinander getrennt werden. Zu Einwand 3: Dieser Einwand trifft die klassische Quantorenlogik nicht. Apostel macht hier offenbar einen Fehler. Er schreibt: It is also true that (x) (fx) implies (Ex) (fx). In a particular case, this becomes “all unicorns have horns” implies “there exist some unicorns having horns”. Again, if the existential quantifier has any relation with existence, the possibility to make general statements about a concept, would already imply its existence.15

Freilich trifft es zu, dass “x (Fx)” impliziert “x (Fx)”. Aber die StandardSymbolisierung von (2) All unicorns have horns. hat nicht die Form “x (Fx)”, sondern die komplexere Form “ x (Fx  Gx)”. Das heißt: (2) wird interpretiert als (2a) If something is a unicorn, then it has horns. 14

Barnes 1972, 50–54. Apostel 1960, 204.

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Aus “x (Fx  Gx)” folgt selbstverständlich nicht “x (Fx)”, sondern nur “x (Fx  Gx)”. Daher folgt aus (2) nicht (3) x (x is a unicorn), sondern nur (4) x (If x is a unicorn, then x has horns). Apostels Einwand wäre nur dann stichhaltig, wenn die Variable “x” als “Einhornvariable” interpretiert werden würde, also als Variable mit einem eingeschränkten Interpretationsbereich, der ausschließlich Einhörner enthält. Dann könnte man (2) tatsächlich in der Form “x (Fx)” symbolisieren, wobei das “F” in diesem Fall für das Prädikat “has horns” stehen würde. Aber was zwingt uns zur Einführung von Einhornvariablen? Apostel hat mit diesem Argument bestenfalls ein Argument gegen die Einführung von Einhornvariablen gefunden, aber sicher nicht ein Argument gegen die Interpretation des EQuantors als symbolisches Äquivalent natürlichsprachlicher Existenzausdrücke. Einwand 3 ist daher als hinfällig zu betrachten. Zu Einwand 4 und zum Kriterium C3: Dass der Satz “Etwas existiert” in vielen Logiken analytisch ist, kann man problematisch finden.16 Aber die Wurzel des Problems liegt hier nicht wirklich in der “existentiellen” Interpretation des E-Quantors, sondern einfach darin, dass in diesen Logiken “x (x = x)” gültig ist. Daher liegt es nahe, die Lösung des Problems in einer Änderung der logischen Systeme zu suchen, einer Änderung mit dem Effekt, dass “x (x = x)” nicht mehr gültig ist. Die Quantoreninterpretation des Existenzbegriffs kann dabei ruhig beibehalten werden. Auch Jonathan Barnes lehnt Quines Doktrin ab, wonach Existenz das ist, was der E-Quantor ausdrückt. Er argumentiert: There is a class of relations characterised by the fact that “aRb” does not entail “There exists an x such that aRx”: e.g. “look for”, “hunt”, “want”, “need”, “fear”, “worship”, “admire”, “believe in” [...]. Thus: [(5)] Socrates vowed a cock to Asclepius does not entail: [(6)] There exists someone to whom Socrates vowed a cock. But it surely does entail: [(6a)] Socrates vowed a cock to someone 16

Siehe dazu auch Kamitz 1995, 210.

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III. Ontologie und Logik

and it does so in virtue of the same rule by which it entails: [(7)] Someone vowed a cock to Asclepius.17

Diesem Argument liegt folgende logische Interpretation des Satzes (5) zugrunde: (5a) Socrates/vowed a cock to/ Asclepius, wobei “Socrates” und “Asclepius” als singuläre Terme und “vowed a cock to” als zweistellige Relation aufgefasst wird. (5) ist gemäß der Interpretation (5a) in der folgenden Weise zu symbolisieren: (5a’) Vsa. Barnes nimmt offenbar an, dass aus (5a’) folgt (6b) x (Socrates vowed a cock to x), aber er leugnet, dass der Quantor in (6b) ontologische Bedeutung hat. Hingegen betrachtet er den Ausdruck “there exists” in (6) offenbar als ontologisch bedeutsam. Deshalb hält er es für nicht angemessen, “there exists” mit Hilfe des E-Quantors zu symbolisieren. Hinter Barnes’ Interpretation steckt die Annahme, dass es zweistellige Relationen gibt, welche nicht die Existenz beider Glieder erfordern. Das ist eine Annahme, die ich ablehne. Eine zweistellige Relation besteht, wenn sie besteht, per definitionem, zwischen zwei Gegenständen, außer das erste Relationsglied ist mit dem zweiten identisch. Ich stimme aber mit Barnes darin überein, dass (5) nicht impliziert, dass jemand existiert, dem Sokrates ein Opfer geweiht hat. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, ist es aber nicht nötig, die Quantoreninterpretation der Existenz aufzugeben. Es genügt, eine alternative logische Interpretation von (5) zu geben. Diese lautet: (5b) Socrates/vowed a cock to Asclepius, wobei “vowed a cock to Asclepius” als einstelliges Prädikat zu betrachten ist. Eine Symbolisierung von (5b) hätte demnach die Form “Fa”, nicht die Form “Rab”. Daher folgt aus (5) in dieser Interpretation nicht (6b). Ich halte in der Tat (5b) für die angemessenere logische Interpretation von (5). Denn ich verstehe den Satz (5) in der Weise, dass damit über eine komplexe Handlung von Sokrates berichtet wird, eine Handlung, die auch gewisse Überzeugungen einschließt (darunter vermutlich auch die Überzeugung, dass Asklepios existiert und das Hahnenopfer zu schätzen weiß). In diesem 17

Barnes 1972, 57.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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Sinn verstanden ist (5) ein Satz über Sokrates, und nur über Sokrates; von einer Relation zwischen Sokrates und einem Adressaten der Opfergabe ist überhaupt keine Rede. In analoger Weise lassen sich auch die übrigen Prädikate behandeln, die Barnes hier als Beispiele anführt. Alle diese Prädikate enthalten intentionale Verben, also Verben, die eine “intentionale Relation” (bzw. eine intentionale Einstellung) ausdrücken: “sucht ...”, “jagt ...”, “will ...”, “braucht ...”, “fürchtet ...”, “verehrt ...”, “bewundert ...”, “glaubt an ...”. Sie können alle als einstellige Prädikate interpretiert werden. Damit ist freilich noch nicht das letzte Wort gesprochen über Sätze, die intentionale Einstellungen ausdrücken. Denn Barnes behauptet ja, dass (5) impliziert (6a) Socrates vowed a cock to someone. Es erhebt sich die Frage, ob das zutrifft, und wenn ja, ob die Interpretation von “vowed a cock to Asclepius” als einstelliges Prädikat damit in Einklang zu bringen ist. Barnes würde das vermutlich bestreiten. Denn Barnes behauptet ja, dass der Schritt von (5) zu (6a) auf Grund derselben Regel gültig sei wie der Schritt von (5) zu (7) Someone vowed a cock to Asclepius. Eine Regel, auf Grund welcher sowohl (6a) als auch (7) aus (5) ableitbar sind, ist das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung. Dieses lautet, wie erinnerlich: (REG) Rab  x (Rxb) & y (Ray) Wenn (5) relational interpretiert wird, dann folgt aufgrund von (REG) aus (5) tatsächlich sowohl (7a) x (x vowed a cock to Asclepius). als auch (6b) x (Socrates vowed a cock to x), wobei (6b) eine (Teil-)Formalisierung von (6a) ist. Das funktioniert freilich nur, wenn (5) relational interpretiert wird und ist daher nicht verträglich mit der Auffassung, dass “vowed a cock to Asclepius” ein einstelliges Prädikat ist. Auf das Problem der Sätze mit intentionalen Verben wird später noch einmal zurückzukommen sein.18 Ich werde zeigen, dass es möglich ist, Prädika18

Siehe Kapitel IV.2.

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III. Ontologie und Logik

te wie “vowed a cock to Asclepius” als einstellige Prädikate aufzufassen und dennoch Schlüsse wie den von (5) Socrates vowed a cock to Asclepius. auf (6a) Socrates vowed a cock to someone. zuzulassen. Hier sei nur festgehalten, dass auch Barnes’ Argument keinen zwingenden Grund gegen die Quantoreninterpretation der Existenz darstellt. Gegenständliche und ontologisch neutrale Quantifikation Im Vorigen wurden Einwände gegen Quines Auffassung diskutiert, wonach natürlichsprachliche Existenzausdrücke in einer formalen Sprache durch den E-Quantor darzustellen seien. Das nannte ich die “Quantoreninterpretation der Existenz”. Die Kehrseite der Quantoreninterpretation der Existenz ist die so genannte “gegenständliche Interpretation der Quantifikation”,19 der gemäß der E-Quantor Existenz ausdrückt und “x” daher als “Es gibt ein x” bzw. “Es existiert ein x” zu lesen ist. Vielfach wird der gegenständlichen Deutung der Quantifikation die so genannte “substitutionale Interpretation” als Gegensatz gegenübergestellt. Besser ist es jedoch, in diesem allgemeinen Sinn von “ontologisch neutraler” Deutung der Quantifikation zu sprechen. Denn die substitutionale Interpretation ist nur eine spezielle Variante einer ontologisch neutralen Deutung der Quantifikation. Ich spreche von “ontologisch neutraler Quantifikation”, wenn der E-Quantor bzw. der Quantifikator nicht Existenz ausdrückt. Ein E-Quantor kann ontologisch neutral sein, auch wenn er nicht substitutional interpretiert wird. Darüber hinaus ist die substitutionale Interpretation nur unter bestimmten Voraussetzungen ontologisch neutral; doch davon wird weiter unten noch ausführlich die Rede sein. Die substitutionale Interpretation der Quantifikation Ruth Barcan Marcus entwickelt die substitutionale Interpretation der Quantifikation in einem berühmten Aufsatz mit dem Titel “Interpreting Quantification” aus dem Jahr 1962 wie folgt: A sei eine propositionale Funktion, die “x” als freie Variable enthält. (Der Einfachheit halber sei “x” die einzige 19

Meines Wissens wurde die Bezeichnung “gegenständliche Quantifikation” erstmals verwendet in Quine 1969b, 105.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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freie Variable in A.) Eine propositionale Funktion ist ein Ausdruck, der mindestens eine freie Variable enthält und aus dem durch Ersetzung aller freien Variablen durch geeignete Ausdrücke ein wohlgeformter Satz wird. “Fx” ist eine propositionale Funktion; aber nicht jede propositionale Funktion hat die Form von “Fx”. Eine Substitutionsinstanz von A ist das Resultat der Ersetzung von “x” in A durch eine Individuenkonstante. “Fa” (wobei “a” für einen singulären Term steht) ist also eine Substitutionsinstanz von “Fx”. (8) x (A) interpretiert Marcus wie folgt: (8a) Irgendeine Substitutionsinstanz von A ist wahr. bzw. (8b) Es gibt mindestens einen Wert von “x” für den A wahr ist. (9) x (A) wird interpretiert als (9a) Jede Substitutionsinstanz von A ist wahr. bzw. (9b) A ist wahr für jeden Wert von “x”.20 Man sieht bereits, dass die substitutionale Interpretation der Quantifikation darin besteht, dass Wahrheitsbedingungen für Quantifikationen angegeben werden, in denen von “Substitutionsinstanzen” die Rede ist. So gebrauche ich hier jedenfalls den Terminus “substitutional” – wie ich meine in Übereinstimmung mit dem üblichen Sprachgebrauch.21 Aus der Angabe der “substitutionalen Wahrheitsbedingungen” ist aber noch nicht ersichtlich, welche Relevanz eine solche Deutung für die Frage der ontologischen Festlegung haben könnte. Doch nach Marcus’ Ansicht ist Quantifikation, wenn sie substitutional gedeutet wird, ontologisch neutral: If ontological commitments have to do with existence, no ontological commitments are involved here. Quantification is tied to the notion of an open sentence and only incidentally to a particular choice of variables. It has to do with the sorting of propositional functions into those which are true in some substitution instances (at least one), and those which are true in all substitution instances. 20

Marcus 1962, 252f. Gelegentlich finden sich aber Abweichungen von diesem Sprachgebrauch, so etwa in Orenstein 1978 (siehe 31).

21

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III. Ontologie und Logik

Quantification need not be bound to the subject-predicate form unless we choose it as the basic form of a sentence. If we choose as values of the variables the names of things, the names of classes, or the names of properties, then it is no metaphysical mystery that instantiation and quantification will be about things, properties, and classes. The notion of quantification, the process involved, like the operations of the propositional calculus, goes beyond the particular choice of basic sentence form.22

Hier macht Marcus den entscheidenden Punkt: Die substitutionale Deutung des Quantors erlaubt es, verschiedene Arten von Variablen zu verwenden, darunter auch Variablen, die nicht durch Namen ersetzbar sind. Variablen, die durch Namen ersetzbar sind, nenne ich im Folgenden “Individuenvariablen” (und zwar auch dann, wenn die betreffenden Namen nicht Namen für Dinge im engeren Sinn sind, sondern etwa Namen für Klassen, Eigenschaften oder Propositionen). Es gibt, so Marcus, Beispiele für Quantifikationen, die keine Individuenvariablen enthalten. Zum Beispiel “p (p)”, wobei p eine propositionale Variable ist. Marcus meint also, dass ontologische Festlegung nicht durch die Verwendung von Quantoren zustande kommt, sondern durch die Verwendung bestimmter Variablen, genauer gesagt: durch die Verwendung von Individuenvariablen. Marcus stellt fest, dass es eine Tendenz gibt, den Ausdruck “x” zu lesen als “Es gibt (existiert) ein x”; und sie bemerkt, dass diese Leseweise unglücklich sei, weil sie eine eingeengte Sichtweise von Quantifikation nahe lege. Die substitutionale Interpretation der Quantifikation wird nicht selten missverstanden. Die häufigsten Missverständnisse sind die Folgenden:23 1. Die substitutionale Quantifikation ist nur ein Spezialfall der gegenständlichen Quantifikation, wobei die Besonderheit darin besteht, dass bei der substitutionalen Quantifikation der Interpretationsbereich nur Namen enthält und die Variablen Namen als Werte haben.24 2. Die substitutionale Quantifikation führt auf der Meta-Ebene in eine ontologische Festlegung auf Namen, nämlich dort, wo man “intuitive Quantoren” (z. B.: “irgendeine Substitutionsinstanz”, “es gibt mindestens einen Wert”) benutzt, um den formalen Quantoren die substitutionale Interpretation zu geben. 22

Marcus 1962, 253. Siehe Dunn/Belnap 1968, 184f. 24 Dieses Missverständnis findet sich zum Beispiel in Williams 1981, 206–210. 23

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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3. Die substitutionale Quantifikation macht Quantifikationen zu metasprachlichen Sätzen “über” sprachliche Ausdrücke. ad 1. Es trifft nicht zu, dass die substitutionale Interpretation einfach darin besteht, den “gewöhnlichen” Interpretationsbereich (der Gegenstände aller Art enthält) durch einen Interpretationsbereich zu ersetzen, der ausschließlich Namen enthält. Vielmehr kann man gemäß der substitutionalen Interpretation auf die Annahme eines Interpretationsbereichs überhaupt verzichten, mit dem Resultat, dass es keine “Werte von Variablen” gibt. ad 2. Die substitutionale Quantifikation führt nicht notwendigerweise auf der Meta-Ebene in eine ontologische Festlegung auf Namen.25 Das wäre nur dann der Fall, wenn die “intuitiven Quantoren” (“irgendein” etc.) ihrerseits gegenständlich interpretiert werden würden. Das kann man tun, man muss es aber nicht. ad 3. Es ist nicht der Fall, dass die substitutionale Interpretation jede Quantifikation zu einem metasprachlichen Satz macht.26 Die semantische Beschreibung der Quantoren ist natürlich immer metasprachlich. Das macht aber noch nicht aus den entsprechend interpretierten Quantifikationen selber metasprachliche Aussagen. Nicht-substitutionale ontologisch neutrale Interpretationen der Quantifikation Marcus ist die Urheberin der substitutionalen Deutung der Quantifikation. Aber (nicht-substitutionale) ontologisch neutrale Deutungen der Quantifikation finden sich vor 1962 bereits bei Arthur N. Prior und (so scheint es mir jedenfalls) auch bei Peter Geach.27 Manche sehen die Wurzeln der substitutionalen Interpretation sogar schon bei Bertrand Russell. Russell verwendet für “x (Fx)” ganz zwanglos die Redeweise “‘Fx’ ist manchmal wahr” (und zwar, laut Orenstein, in allen seinen Schriften von 1905–1910). Doch Russell verwendet ebenso zwanglos die existentielle Leseweise; und es gibt keinen Hinweis darauf, dass Russell an der Verträglichkeit der beiden Leseweisen zweifelte. Derlei Zweifel finden sich aber in manchen Bemerkungen Wittgensteins. In einer Tagebucheintragung vom 9. 7. 1916 heißt es: “Nicht vergessen, daß (x)fx nicht heißt: es gibt ein x so daß fx, sondern: es gibt einen 25

Siehe auch Orenstein 1978, 34f. Siehe auch ebd., 35–37. 27 Geach 1951, Prior 1971. 26

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wahren Satz ‘fx’.”28 Ganz explizit findet sich die nicht-gegenständliche Interpretation aber bei den polnischen Logikern, insbesondere bei Lesniewski und Kotarbinski.29 Dass es nicht-substitutionale ontologisch neutrale Deutungen der Quantifikation geben kann, liegt daran, dass es nicht notwendig ist, substitutionale Wahrheitsbedingungen für Quantifikationen anzunehmen, nur um andere als Individuenvariablen zuzulassen. In einer Arbeit über Quines “On What There Is” kritisiert Geach Quines These, dass Namen “Pro-Pronomen” sind. Dass Namen “Pro-Pronomen” sind, bedeutet, in Geachs Interpretation, dass Pronomen (also Ausdrücke wie “dieses” und “jenes”, aber auch Ausdrücke wie “etwas”, “alles”, “nichts”) die Funktion von Namen erfüllen (nämlich auf Gegenstände zu referieren) und dass sie außerdem diese Funktion in gewisser Weise sogar besser erfüllen als Namen. Geach argumentiert, dass die logische Funktion von Pronomen völlig verschieden ist von der logischen Funktion von Namen. Das zeige sich besonders deutlich für den Fall der unbestimmten Pronomen (also “etwas”, “alles”, “nichts”). Geach vertritt die Auffassung, dass das symbolische Gegenstück zu “etwas” nicht einfach die Variable “x” ist, sondern ein komplexer Ausdruck, zum Beispiel “x (... x)”. Aber “x (... x)” ist weit davon entfernt, etwas Namenartiges zu sein; es ist vielmehr eine logische Konstante.30 Geach unterscheidet zwischen benennen und stehen für. Namen (wie “Jemima” oder “Fido”) benennen etwas (die Katze Jemima, den Hund Fido); Prädikatausdrücke benennen nichts, aber sie stehen für etwas. Doch sie stehen nicht für abstrakte Gegenstände. Zum Beispiel: Der Ausdruck “rot” steht für das, was alle roten Dinge sind (nämlich rot); aber er steht nicht für einen abstrakten Gegenstand die Röte oder Ähnliches. Quine […] seems to take it for granted that if the predicate “red” stands for anything, then it stands for what the abstract name “redness” stands for [...]. Whatever “redness” may or may not stand for, the predicate “red” certainly stands for something. If A and B are both red, then there is something that they both are, and “red” stands for this. Quine thinks that if I say “A and B both are something, viz., red”, this commits me to recognizing two sorts of entities: concrete entities like A and B, and abstract 28

Wittgenstein 1914–1916, 170. Siehe Orenstein 1978, 28–30. 30 Geach 1951, 128–131. 29

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entities like what A and B are. His mistake is like the following one: “Jemima and Ahab, being cats, are the same animal. So there are two sorts of animals: concrete individual animals, like Jemima and Ahab; and abstract universal animals, like the Cat – the animal that Jemima and Ahab both are”. The essential point here is that the phrase “the animal that Jemima and Ahab both are” so far from being a name of a third, abstract animal, is a logical predicate and not a name at all.31

Geach unterscheidet zwei Verwendungsweisen des Ausdrucks “etwas”: Im einen Fall ist “etwas” durch einen Namen ersetzbar (z. B. in “Etwas ist rot”); im anderen Fall ist “etwas” durch ein Prädikat erster Stufe ersetzbar (z. B. in “A und B sind etwas (nämlich rot)”). Wir können aus “A und B sind etwas” nicht schließen, dass es eine abstrakte Entität gibt.32 Im Gegensatz zu Marcus bedient sich Geach nicht des Begriffs der Substitutionsinstanz, und er unternimmt auch nicht den Versuch, nicht-gegenständliche Wahrheitsbedingungen für Quantifikationen zu formulieren. Dennoch lassen sich Geachs kritische Anmerkungen zu Quine als ontologisch neutrale Deutung der Quantifikation interpretieren.33 Geachs Pointe ist, dass der Gebrauch von “etwas” nicht notwendigerweise ontologische Festlegungen mit sich bringt, denn das Pronomen “etwas” ist nicht in jedem Fall ein Pronomen für Namen.34 Nicht am Pronomen “etwas” hängt die ontologische Festlegung, sondern daran, wofür das “etwas” ein Pronomen ist. Wenn das “etwas” ein Pronomen für Prädikatausdrücke ist, dann ist es ontologisch neutral. Auch Arthur N. Prior versucht nicht (im Gegensatz zu Marcus und anderen Substitutionalisten), nicht-gegenständliche Wahrheitsbedingungen für 31

Ebd., 132f. Ebd., 133. 33 Eine andere Deutung wird von Werner Sauer vertreten: Sauer meint, Geach verteidige hier den Frege’schen Standpunkt, dass das Prädikatwort “rot” den Begriff rot bezeichne, wobei “bezeichnen” durchaus im referentiellen Sinn zu verstehen sei, nur ist ein Begriff (nach Freges Auffassung) kein Gegenstand. Demgemäß kann Quantifikation referentiell, zugleich aber nicht gegenständlich sein. Ich kann nicht ausschließen, dass meine Interpretation Geachs Intentionen nicht gerecht wird (obwohl ich in Geach 1951 nichts gefunden habe, was die Frege’sche Interpretation nahe legen würde). Doch in Anbetracht der Schwierigkeiten mit Freges Unterscheidung zwischen Begriff und Gegenstand (siehe dazu Kap. III.4) meine ich, dass Geachs Position in meiner Deutung stärker ist als in der Frege’schen. 34 Siehe auch Künne 1983, 106f. 32

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III. Ontologie und Logik

Quantifikationen zu formulieren. Dennoch gibt er eine explizite ontologisch neutrale Deutung des Quantors. Priors Ausgangspunkt ist die Frage, was eigentlich der Gegenstand unseres Denkens ist: Was denken wir, wenn wir etwas denken? Prior behauptet, dass das, was wir denken, niemals ein Satz ist – selbst wenn es wahr sein sollte, dass wir immer “in Sätzen” denken. Denn ein und derselbe Gedanke lässt sich in vielen verschiedenen Sätzen ausdrücken. Man könnte von daher auf die Idee verfallen, dass das, was wir denken, Propositionen sind. Doch diese Auffassung lehnt Prior ab.35 Was wir nach Priors Ansicht bekämpfen müssen, ist die Vorstellung, dass ein Ausdruck der Form (10) x denkt, dass p. irgendeine Relation zwischen x und p ausdrückt, ja allgemein, dass damit überhaupt irgendeine Relation ausgedrückt wird. Diese Vorstellung käme daher, so Prior, dass man gewohnt sei, Sätze dieser Form so aufzuteilen: (10a) x/denkt/dass p. Prior schlägt dagegen folgende Aufteilung vor: (10b) x/denkt, dass/p. Der Ausdruck “x denkt, dass” sei ähnlich dem “es ist der Fall, dass”.36 Kaum jemand käme auf die Idee anzunehmen, dass ein Satz der Form (11) Es ist der Fall, dass p. eine Relation zwischen einer Proposition p und irgendeinem anderen Gegenstand ausdrückt. Es gibt aber Fälle, in denen es schwieriger ist, die scheinbare Bezugnahme auf Propositionen zu eliminieren. Zum Beispiel: (12) Cohen und Prior glauben immer dasselbe. (13) Einiges, das Cohen glaubt, glaubt Prior nicht. (14) Alles, was Cohen sagt, ist falsch. Priors Lösung besteht darin, solche Sätze in Quantifikationen umzuwandeln: (12a) Für alle p, Cohen glaubt, dass p, genau dann, wenn Prior glaubt, dass p. (13a) Es gibt ein p, so dass Cohen glaubt, dass p, und Prior glaubt nicht, dass p. 35

Prior 1971, 14–16. Ebd., 16–20.

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(14a) Für alle p, wenn Cohen sagt, dass p, dann ist es nicht der Fall, dass p. Es ist klar, dass die Variable “p” in diesen Sätzen nicht durch einen Namen ersetzt werden darf, auch nicht durch den Namen eines Satzes. Die Einsetzung eines Namens (zum Beispiel eines Anführungsnamens) würde grammatikalischen Unsinn ergeben.37 Vielmehr ist für die Variable “p” ein Satz einzusetzen. Der Satz (15*) Cohen glaubt, dass “Abstrakte Gegenstände existieren.”. enthält einen Anführungsnamen eines Satzes, nämlich “‘Abstrakte Gegenstände existieren’”; aber (15*) ist grammatikalisch nicht wohlgeformt. Richtig muss es heißen: (15) Cohen glaubt, dass abstrakte Gegenstände existieren. Der auf “Cohen glaubt, dass” in (15) folgende Ausdruck ist aber kein Name, auch nicht der Name eines Satzes. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass es unmöglich ist, eine Theorie der Propositionen in einer Logik erster Stufe (also einer Logik, die ausschließlich Individuenvariablen enthält) zu formulieren. Selbstverständlich könnte man “p” auch als Individuenvariable für Propositionen verwenden, und dann wären für “p” Namen für Propositionen einzusetzen. Die formalen Interpretationen der Sätze (12)–(14) müsste dann freilich anders aussehen als die Interpretationen (12a)–(14a)38 und eine ontologische Festlegung auf Propositionen wäre die Folge. Hier geht es aber gerade darum, diese ontologische Festlegung zu vermeiden.39 Wir denken nicht nur Propositionen, sondern manchmal denken wir auch an Propositionen, zum Beispiel wenn wir denken, dass eine Proposition absurd oder notwendigerweise wahr ist. Doch auch das soll uns nicht zwingen, uns auf Propositionen ontologisch festzulegen. Das erklärt Prior wie folgt: 37

Ebd., 24f. Siehe die Interpretationen (12b)–(14b) unten. 39 Um einem möglichen Missverständnis vorzubauen, sei betont: Welche Arten von Variablen zugelassen werden, sagt gar nichts darüber aus, auf welche Arten von Entitäten man sich festlegt. Die Beschränkung auf Individuenvariablen ist selbstverständlich nicht per se “nominalistisch” (denn man kann ja in einer Logik erster Stufe über Universalien, Propositionen etc. quantifizieren); erst recht ist eine Logik, die andere Arten von Variablen zulässt, nicht per se “platonistisch”; vielmehr kann gerade der Wunsch, eine Festlegung auf “platonische Entitäten” zu vermeiden, ein Motiv für die Zulassung von Propositionsvariablen, Prädikatvariablen etc. sein. 38

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III. Ontologie und Logik

Der Term “... glaubt, dass ... intelligent ist”, etwa als Bestandteil des Satzes (16) Kurt glaubt, dass Anna intelligent ist, drückt eine zweistellige Relation aus. Der Term “... glaubt, dass es absurd ist zu denken, dass ...”, etwa in dem Satz (17) Prior glaubt, dass es absurd ist zu denken, dass abstrakte Gegenstände existieren, hat eine andere logische Form. Im ersten Fall setzen wir in beide Leerstellen Namen ein, im zweiten Fall aber nicht.40 Man sieht, dass Priors Lösung darin besteht, gebundene Variablen zuzulassen, die keine Namensvariablen sind, für die also keine singulären Terme eingesetzt werden können, sondern, beispielsweise, Sätze. In diesem Punkt widerspricht Prior Quine. Für Quine kommen nur singuläre Terme als Einsetzungen für Variablen in Frage. Das zeigt sich zum Beispiel in der folgenden Passage, in der es Quine eigentlich darum geht, den Unterschied zwischen singulären und generellen Termen zu erläutern: In terms of logical structure, what it means to say that the singular term “purports to name one and only one object” is just this: The singular term belongs in positions of the kind in which it would also be coherent to use variables “x”, “y”, etc. (or, in ordinary language, pronouns). Contexts like: Socrates is wise, Piety is a virtue, Cerberus guards the gate, 7 = 3 + 4, etc. are parallel in form to open sentences: x is wise, x guards the gate, x is a virtue, x = 3 + 4 such as may occur in closed statements having the form of quantifications: “(x) (x is wise)”, etc. The terms “Socrates”, “Cerberus”, “piety”, and “7” are, in short, substitutable for variables in open sentences without violence to grammar; and it is this that makes them singular terms.41

Quine spricht an dieser Stelle nicht über nicht-gegenständliche Interpretationen der Quantifikation, aber es ist klar, dass er hier implizit “Variable” mit “Individuenvariable” gleichsetzt und somit jede andere Art von Variablen ablehnt. Da der Unterschied zwischen singulären und generellen Termen durch die “Quantifizierbarkeit” der ersteren expliziert wird, kann Quine nichts anderes als singuläre Terme als Einsetzungen für Variablen zulassen. Variablen 40

Prior 1971, 29. Quine 2 1959, 205f. Hervorhebung im Original. Vgl. auch Quine 1953d, Quine 1966b und Quine 1969b. 41

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an Stellen, die anderen als singulären Termen vorbehalten sind, ergeben nach Quines Auffassung keine wohlgeformten Sätze: General terms, in contrast to singular ones, do not occur in positions appropriate to variables. Typical positions of the general term “man” are seen in “Socrates is a man”, “All men are mortal”; it would not make sense to write: [(18)] Socrates is an x, All x are mortal, or to imbed such expressions in quantifications in the fashion: [(19)] (x) (Socrates is an x), [(20)] (x) (all x are mortal Socrates is mortal).42

Prior hingegen sieht keinen Grund, den Gebrauch von Variablen auf Namensvariablen einzuschränken. Variablen “stehen für” sprachliche Ausdrücke (in einem primären Sinn von “stehen für”). Wenn diese sprachlichen Ausdrücke Namen sind, dann “stehen” die Namen “für” Gegenstände, die sie bezeichnen, und in einem sekundären Sinn stehen folglich die Variablen für diese Gegenstände. Aber wenn die sprachlichen Ausdrücke, für die die Variablen stehen, keine Namen sind, dann gibt es auch keine Gegenstände, “für die die Variablen stehen”.43 Quines Auffassung ist nachvollziehbar vor dem Hintergrund einer spezifischen normalsprachlichen Deutung des E-Quantors – und nur vor diesem Hintergrund. Quine sieht den E-Quantor von allem Anfang an als formales Äquivalent gewisser natürlichsprachlicher Ausdrücke mit einer festgelegten Bedeutung. In diesem Sinn ist die natürliche Sprache für Quine primär. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, nur Individuenvariablen zuzulassen. Alles andere würde der bereits vorausgesetzten Deutung des E-Quantors nicht entsprechen. Damit soll aber keineswegs suggeriert werden, dass eine natürlichsprachliche Deutung des E-Quantors uns zwingt, ausschließlich Individuenvariablen zu verwenden. Im nächsten Abschnitt wird, im Gegenteil, gezeigt werden, dass die Verwendung von anderen Arten von Variablen in der natürlichen Sprache ihre (vielfach nicht beachteten) Entsprechungen hat und also auch von dieser Seite gerechtfertigt ist. Doch davon abgesehen ist der “normalsprachliche Zugang” nur ein möglicher Zugang zu einer formalen Sprache und ihren Zeichen, und daher auch zum E-Quantor. Es gibt aber noch den 42

Quine 2 1959, 206. 43 Prior 1971, 34–37.

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“formalsprachlichen Zugang”: Man kann den Quantor primär als eine logische Konstante sehen, die rein syntaktisch definiert ist, und deren Aufgabe darin besteht, freie Variablen zu binden. Wählt man den formalsprachlichen Zugang, dann gibt es prima facie keinen Grund für irgendwelche Einschränkungen hinsichtlich der zulässigen Arten von Variablen, die der E-Quantor binden kann. Freilich kann man, wie Quine es tut, eine formale Sprache so aufbauen, dass Sätze wie (19) x (Socrates is an x), oder (20’) x (all x are mortal  Socrates is mortal). in ihr nicht gebildet werden können. Aber man kann eine formale Sprache auch so aufbauen, dass solche Sätze in ihr sehr wohl gebildet werden können. Das ist eine Entscheidung, die von den “Architekten” der jeweiligen formalen Sprache getroffen werden muss, und die Entscheidung ist nicht durch die natürliche Sprache vorgegeben. Andererseits spricht für den natürlichsprachlichen Zugang, dass formale Sprachen ja nicht Selbstzweck sein sollen, sondern Hilfsmittel zur Lösung von Problemen, die durch die Mehrdeutigkeit unserer natürlichen Sprachen entstehen. Eine formale Sprache hat keinen Nutzen, wenn sie nicht zur Formalisierung von natürlichsprachlichen Sätzen verwendet werden kann. Wir können also festhalten: Es ist zweifellos möglich, eine formale Sprache so zu konstruieren, dass in ihr Platz ist für verschiedene Arten von Variablen, wie zum Beispiel für propositionale Variablen oder Prädikatvariablen. Die nächste Frage lautet: Ist es zweckmäßig, solche formalen Sprachen zu konstruieren? Mit anderen Worten: Ist eine formale Sprache, die auch propositionale Variablen und Prädikatvariablen enthält, leistungsfähiger als eine formale Sprache, die ausschließlich Individuenvariablen enthält? Ist eine solche formale Sprache besser geeignet zur Formalisierung natürlichsprachlicher Sätze, die in Argumentationszusammenhängen vorkommen können und an deren adäquater Formalisierung wir daher ein Interesse haben? Wozu ontologisch neutrale Quantoren? Ich nenne im Folgenden einen Quantor “ontologisch neutral” genau dann, wenn er keine Individuenvariablen bindet, sondern Variablen, für die anstelle singulärer Terme Ausdrücke beliebiger anderer Kategorien einzusetzen sind. Ich nehme an – in Übereinstimmung mit den Verteidigern ontologisch neutra-

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ler Quantoren –, dass die Verwendung eines ontologisch neutralen Quantors keine ontologischen Festlegungen mit sich bringt. Hingegen betrachte ich Quantoren, die Individuenvariablen binden, in keinem Fall als ontologisch neutral. Ich bleibe dabei, dass die Verwendung eines E-Quantors mit einer Individuenvariable eine ontologische Festlegung nach sich zieht. Ich bleibe auch dabei, dass ein E-Quantor in Verbindung mit einer Individuenvariable die formale Entsprechung natürlichsprachlicher Existenzausdrücke (“es gibt ein x”, “es existiert ein x”) ist. Ich werde diese Auffassung später begründen. Vorläufig soll nur festgehalten werden, dass der E-Quantor sowohl ontologisch neutral als auch ontologisch bedeutungsvoll sein kann und dass neutrale und nicht-neutrale Quantoren durch die mit ihnen verbundenen Variablen unterschieden werden können. Da ontologisch neutrale Quantoren zweifellos eine andere Bedeutung haben als ontologisch nicht-neutrale Quantoren, werde ich vorschlagen, für ontologisch neutrale Quantoren eigene Symbole einzuführen, so dass sie auf den ersten Blick von den ontologisch nicht-neutralen Quantoren unterschieden werden können. Dass Quantoren mit Individuenvariablen in einer formalen Sprache zweckmäßig sind, bestreitet – meines Wissens – niemand. Hier soll nun untersucht werden, inwieweit ontologisch neutrale Quantoren (also Quantoren mit anderen als Individuenvariablen) als Bestandteile einer formalen Sprache zweckmäßig sind. Eine der wichtigsten Anwendungen ontologisch neutraler Quantoren wurde bereits vorgeführt, nämlich Quantifikationen mit propositionalen Variablen. Ontologisch neutrale Quantoren mit propositionalen Variablen erlauben eine elegante und natürliche Formalisierung der folgenden Sätze: (12) Cohen und Prior glauben immer dasselbe. (13) Einiges, das Cohen glaubt, glaubt Prior nicht. (14) Alles, was Cohen sagt, ist falsch. Würde man versuchen, diese Sätze ohne propositionale Variablen, nur mit Hilfe von Individuenvariablen, zu symbolisieren, dann könnte das Resultat wie folgt aussehen: (12b) x (Cohen hält x für wahr  Prior hält x für wahr). (13b) x (Cohen hält x für wahr & ¬(Prior hält x für wahr)). (14b) x (Cohen sagt, dass x wahr ist  x ist falsch). Die Variable “x” in (12b)–(14b) ist eine Individuenvariable. Einzusetzen sind für “x” hier Namen für Propositionen. (12b)–(14b) sind daher Sätze über

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Propositionen. Wer (12b)–(14b) als wahr akzeptiert, ist ontologisch festgelegt auf Propositionen. Etwas glauben wird hier als Relation zwischen einem Glaubenden und einem Geglaubten interpretiert. Es ist aber zweifelhaft, ob es das ist, was jemand meint, der die Sätze (12)–(14) äußert. In den Sätzen (12)–(14) ist von Propositionen keine Rede. Die Bezugnahme auf Propositionen kommt erst durch die Formalisierungen (12b)–(14b) zustande. Die oben formulierten Formalisierungen (12a)–(14a), die anstelle von Individuenvariablen propositionale Variablen enthalten, vermeiden die Bezugnahme auf Propositionen und sind in diesem Sinne näher an den natürlichsprachlichen Originalsätzen. Wer (12a)–(14a) als wahr akzeptiert, ist dadurch nicht ontologisch festgelegt auf Propositionen. Analog lässt sich das Problem mit dem Satz (1) Anna weiß etwas, das Bruno nicht weiß. lösen. Die oben vorgeschlagene Interpretation (1a) Es gibt etwas, so dass gilt: Anna weiß es, und Bruno weiß es nicht. in Verbindung mit der Symbolisierung (1b) x (Wax & ¬Wbx) bringt eine ontologische Festlegung auf Propositionen mit sich. Diese wird vermieden durch folgende Interpretation: (1c) Es gibt ein p, so dass gilt: Anna weiß, dass p, und Bruno weiß nicht, dass p. Es ist klar, dass die Variable “p” in (1c) – im Gegensatz zu “x” in (1b) keinesfalls durch einen singulären Term ersetzt werden kann. Daher kann man (1c) akzeptieren, ohne sich auf die Existenz von Propositionen festzulegen. Doch damit sind die Anwendungsmöglichkeiten ontologisch neutraler Quantoren noch lange nicht erschöpft. Hier sind einige weitere Beispiele: (21) (22) (23) (24) (25) (26)

Anna und Barbara haben einiges gemeinsam. Was immer Anna gern tut, tut auch Barbara gern. Anna kommt irgendwann nach Hause. Wann immer Anna nach Hause kommt, begrüßt sie ihre Katze. Bruno hat die Prüfung irgendwie bestanden. Wie auch immer Bruno die Prüfung besteht, er freut sich.

Es ist offenbar nicht leicht, für diese Sätze im Rahmen der gegenständlichen Deutung der Quantifikation Symbolisierungen zu finden. Versucht man es trotzdem, könnten die Resultate etwa wie folgt lauten:

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(21a) x (x ist eine Eigenschaft & Anna exemplifiziert x & Barbara exemplifiziert x). (22a) x (x ist eine Tätigkeit & (Anna übt x gern aus  Barbara übt x gern aus)). (23a) x (x ist ein Zeitpunkt & Anna steht zu x in der Relation des NachHause-kommens-zu). (24a) x ((x ist ein Zeitpunkt & Anna steht zu x in der Relation des Nach-Hause-kommens-zu)  Anna steht zu x in der Relation des Ihre-Katze-begrüßens-zu). (25a) x (x ist eine Art und Weise & Bruno steht zu x in der Relation des Die-Prüfung-bestanden-habens-in x). (26a) x ((x ist eine Art und Weise & Bruno steht zu x in der Relation des Die-Prüfung-bestanden-habens-in x)  Bruno freut sich). Diese Symbolisierungen sind Interpretationen der Sätze (21)–(26), denen gemäß es sich um Sätze über Eigenschaften, Zeitpunkte und “Arten und Weisen” handelt, obwohl in den ursprünglichen Sätzen von derlei Entitäten keine Rede ist. Wer (21a)–(26a) als wahr akzeptiert, ist ontologisch festgelegt auf Eigenschaften, auf Typen von Tätigkeiten, auf Zeitpunkte und auf “Arten und Weisen”. Darüber hinaus müssen seltsame Relationen angenommen werden, wie die Relation des “Nach-Hause-kommens-zu”. Insgesamt erwecken diese Symbolisierungen den Eindruck, dass man den ursprünglichen Sätzen Gewalt antun musste, um sie überhaupt symbolisierbar zu machen. Mit den Mitteln der ontologisch neutralen Quantifikation lässt sich all das vermeiden. Eine ontologisch neutrale Symbolisierung der Sätze (21)–(26) könnte wie folgt aussehen: (21b) (22b) (23b) (24b) (25b) (26b)

 (Anna & Barbara ).  (Anna liebt es  Barbara liebt es ).  (Anna kommt nach Hause).  (Anna kommt nach Hause  Anna begrüßt ihre Katze).  (Bruno hat die Prüfung bestanden).  (Bruno hat die Prüfung bestanden  Bruno freut sich).

Ich verwende hier “” als Zeichen für den ontologisch neutralen E-Quantor, “” als Zeichen für den ontologisch neutralen Allquantor und “ ” als ontologisch neutrale Variable. In (21b) ist für “ ” ein Prädikatausdruck einzusetzen, also zum Beispiel “ist eine gute Schwimmerin”, “studiert Philosophie”, “isst gerne Bananen”. “ ” ist hier also eine Prädikatvariable. In (22b) ist für

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“ ” etwa einzusetzen: “zu wandern”, “ins Kino zu gehen”, “im Garten zu arbeiten”. In (23b) und (24b) steht die Variable “ ” für Zeitangaben, also zum Beispiel für: “um 12 Uhr”, “zu Weihnachten”, “in einer halben Stunde”. In (25b) und (26b) steht “ ” für eine adverbiale Bestimmung der Art “mit Ach und Krach”, “bravourös”, “mit Hilfe eines Schwindelzettels”. Natürlich könnte man jeweils eigene Symbole für Prädikatvariablen, Zeitvariablen, Art-undWeisen-Variablen etc. einführen; doch ich erspare mir das hier aus Einfachheitsgründen. So oder so gilt: Wer (21b)–(26b) als wahr akzeptiert, ist dadurch nicht ontologisch festgelegt auf Eigenschaften, Zeitpunkte sowie Arten und Weisen. Darüber hinaus ermöglicht die ontologisch neutrale Quantifikation eine elegante und natürliche Formalisierung von natürlichsprachlichen Ausdrücken wie “wo auch immer”, “wann auch immer”, “wie auch immer” bzw. “irgendwo”, “irgendwann”, “irgendwie”.44 Ontologisch neutrale Quantifikationen haben also zahlreiche Entsprechungen in der natürlichen Sprache. Selbst der Ausdruck “es gibt etwas, das” ist nicht in jedem Fall gegenständlich zu interpretieren. In dem Satz (1a’) Es gibt etwas, das Anna weiß und das Bruno nicht weiß. kann das “es gibt etwas, das” gegenständlich interpretiert werden, aber, wie oben bereits ausgeführt wurde, es muss nicht gegenständlich interpretiert werden. Analoges gilt für (21c) Es gibt etwas, das Anna und Barbara gemeinsam haben. Dieser Satz könnte etwa ergänzt werden mit “... nämlich die Liebe zur Musik”. In diesem Fall liegt eine gegenständliche Deutung vor, weil “die Liebe zur Musik” ein singulärer Term ist. Darum fungiert das “etwas” in diesem Fall als Individuenvariable. Der Satz könnte aber auch ergänzt werden mit “... nämlich, dass sie beide gern musizieren”. In diesem Fall liegt keine gegenständliche Deutung vor, denn “dass sie beide gern musizieren” ist kein singulärer Term. Daher fungiert das “etwas” in diesem Fall nicht als Individuenvariable. Quine hat die zweite mögliche Deutung offenbar einfach übersehen. Eine weitere mögliche Anwendung für ontologisch neutrale Quantifikation besteht in der Verwendung von Zahlvariablen. Ohne Zahlvariablen wirft ein Satz der Form (27) Es gibt gleich viele As wie Bs. 44

Prior 1971, 37–39.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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ein Problem auf: Was heißt es zu sagen, dass es gleich viele Dinge einer Art A wie Dinge einer Art B gibt? Man könnte es mit folgender Interpretation versuchen: (27a) Die Anzahl der As ist identisch mit der Anzahl der Bs. (27a) bringt allerdings eine ontologische Festlegung auf “Anzahlen” mit sich. Wir können diese ontologische Festlegung durch die Einführung einer Zahlvariable “n” vermeiden: (27b) n (Es gibt genau n As & es gibt genau n Bs). Prädikatvariablen ermöglichen, sozusagen nebenbei, eine elegante Lösung für ein altes Problem, nämlich das Problem der Ähnlichkeit. Eines der wichtigsten Argumente zugunsten eines Universalienrealismus platonischen Typs ist das bereits an früherer Stelle erwähnte Ähnlichkeitsargument.45 Grundlage des Ähnlichkeitsarguments ist eine philosophische Analyse des Ähnlichkeitsbegriffes. Die Fragestellung lautet: Was heißt es, dass zwei Gegenstände einander ähnlich sind? Die erste Prämisse ist eine Definition des Ähnlichkeitsbegriffs.: 1. xy (x ist y ähnlich  z (x instantiiert z & y instantiiert z)). Die übliche Reaktion der Nominalisten auf dieses Argument besteht darin, diese Prämisse zurückzuweisen. Universalienrealisten haben daher guten Grund, an die Nominalisten die Frage zu richten, wie denn sie selber Ähnlichkeit definieren würden, wenn sie diese Definition nicht akzeptieren wollen. Die übliche Antwort der Nominalisten auf diese Frage lautet schlicht: “Es gibt keine Definition für den Begriff der Ähnlichkeit. Ähnlichkeit ist ein undefinierter und undefinierbarer Grundbegriff.” Man muss den Nominalisten zugestehen, dass es undefinierbare Grundbegriffe gibt; und es könnte natürlich sein, dass Ähnlichkeit ein solcher undefinierbarer Grundbegriff ist. Aber das ist schwer zu glauben. Denn Gegenstände, die einander ähnlich sind, sind immer ähnlich in irgendeiner ganz bestimmten Hinsicht, zum Beispiel in Bezug auf ihre Farbe, ihre Größe, ihre Gestalt, die Zugehörigkeit zu einer Art, und so weiter. Dieses Faktum spiegelt sich in der universalienrealistischen Definition der Ähnlichkeit sehr schön wider. Zwei ähnliche Gegenstände sind demnach ähnlich in Hinsicht auf diejenigen Universalien, die sie beide instantiieren. Nominalisten hingegen scheinen für diese “Hinsichtlichkeit der Ähnlichkeit” keinerlei Erklärung zu haben. 45

Siehe Kapitel I.2, 19.

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III. Ontologie und Logik

Ein Nominalist kann nicht sagen, dass zwei Dinge ähnlich sind in Bezug auf Farbe oder Größe. Denn Farbe und Größe sind Universalien. Ein Nominalist kann auch nicht sagen, dass zwei Dinge ähnlich sind in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zu einer Art, zum Beispiel in Bezug auf ihr Mensch-Sein. Denn Mensch-Sein ist ein Universale. So lange keine alternative Definition der Ähnlichkeit gefunden ist, erfüllt die ontologische Annahme von Universalien eine theoretische Funktion und ist daher gerechtfertigt. Denn es ist grundsätzlich wünschenswert, über eine Definition des Ähnlichkeitsbegriffs zu verfügen, so dass eine Theorie, die eine solche Definition enthält – ceteris paribus – besser ist als eine Theorie, die keine solche Definition enthält. Doch mit Hilfe von Prädikatvariablen ist es möglich, Ähnlichkeit zu definieren, ohne sich dadurch auf Universalien festzulegen. Eine “nominalistische Definition der Ähnlichkeit” könnte so aussehen: (Ä) xy (x ist y ähnlich   ( x & y). Es kann also zusammenfassend festgehalten werden, dass es zahlreiche gute Gründe gibt für die Zulassung von Variablen, die keine Individuenvariablen sind – und damit für eine ontologisch neutrale Deutung des E-Quantors. Es ist aber zu betonen, dass die ontologisch neutrale Deutung des Quantors die gegenständliche Deutung nicht ausschließt. Es sind grundsätzlich beide Deutungen möglich und zulässig, und es hängt vom Kontext ab, welche Deutung in einem gegebenen Fall adäquat ist. Das natürlichsprachliche “es gibt” kann gegenständlich gemeint sein, und wenn es so gemeint ist, ist es selbstverständlich auch gegenständlich zu deuten. Das natürlichsprachliche “es gibt” ist also mehrdeutig. Es kann Existenz ausdrücken, aber es muss nicht. Dieser Bedeutungsunterschied sollte in einer formalen Sprache sichtbar gemacht werden können. Eine formale Sprache sollte also die Mittel für die gegenständliche und für die ontologisch neutrale Quantifikation bereitstellen. Was ontologisch neutrale Quantifikation nicht leistet Im vorangegangenen Abschnitt war von den Leistungen der ontologisch neutralen Quantifikation die Rede. Es wurde gezeigt, dass mit Hilfe der ontologisch neutralen Quantifikation gewisse unerwünschte ontologische Festlegungen vermieden werden können. Aber es lassen sich nicht alle Probleme der ontologischen Festlegung durch ontologisch neutrale Quantifikation lösen. Im Folgenden diskutiere ich einige Anwendungen ontologisch neutraler Deutun-

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gen der Quantifikation, die nicht jene Probleme lösen, die sie nach Meinung der Anwender lösen sollten. Ontologisch neutrale Quantifikation und leere singuläre Terme Ruth Barcan Marcus diskutiert folgendes Beispiel, das sie von Strawson übernimmt: (28) There was at least one woman among the survivors. Die Formalisierung von (28) müsste lauten: (28c) x (x is a woman & x was among the survivors). Marcus stellt dazu Folgendes fest: Wenn “x” gelesen wird als “Es gibt ein x”, dann wird suggeriert, dass eine weibliche Überlebende noch immer am Leben ist. Aber das können wir aus (28) nicht ableiten. Das Ereignis, von dem mit (28) gesprochen wird, könnte vor 150 Jahren stattgefunden haben; alle damaligen Überlebenden könnten längst eines natürlichen Todes gestorben sein. Aus diesem Grund schlägt Marcus die folgende Lesart von (28c) vor, welche diese Schwierigkeiten nicht aufwerfen soll: (28a) Eine Substitutionsinstanz von “x is a woman and x was among the survivors” ist wahr, wobei das “is” des ersten Konjunktionsgliedes die Beziehung der Attribution ausdrückt.46 Aber die Lesart (28a) löst das aufgeworfene Problem nicht wirklich. Das Problem besteht darin, dass das “es gibt” im Tempus des Präsens steht, und wenn man das ernst nimmt, dann bedeutet “es gibt” stets “es gibt jetzt”. Doch in (28) kommt kein “es gibt” vor, sondern ein “es gab”. Deshalb scheint (28c) keine adäquate Symbolisierung von (28) zu sein, jedenfalls dann nicht, wenn das “x” gelesen wird als “Es gibt ein x”.47 Doch die vorgeschlagene Lesart (28a) beseitigt diese Schwierigkeit nicht, weil wenn es zutrifft, dass (28c) in der Lesart von Strawson die gegenwärtige Existenz einer Überlebenden suggeriert, dann trifft das ebenso auf die Lesart (28a) zu. Denn es heißt ja: “Eine Substitutionsinstanz von ‘x is a woman and x was among the survivors’ ist wahr.” Das heißt: Auch hier kommt die Zeitform des Präsens vor. Wenn (28c) in der Lesart von Strawson nur dann wahr sein kann, wenn etwas existiert, dessen Name für “x” hier eingesetzt werden 46

Marcus 1962, 255. Zum Problem der Deutung des Existenzquantors hinsichtlich der Zeiform siehe Kapitel IV.3.

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III. Ontologie und Logik

kann, dann gibt es keinen guten Grund anzunehmen, dass das bei (28a) anders ist. Auch in (28a) ist die Zeitform von (28) nicht adäquat wiedergegeben. Wenn man die Zeitform ernst nimmt, dann gibt es eine passende Substitutionsinstanz nur dann, wenn eine weibliche Überlebende jetzt noch existiert. Denn andernfalls wäre das erste Konjunktionsglied, “x is a woman”, nicht wahr. Die folgende Lesart von (28c) wirft diese Schwierigkeit nicht auf: (28b) Eine Substitutionsinstanz von “x is a woman and x was among the survivors” war wahr. Hier ist die Zeitform von (28) berücksichtigt. Aber eine analoge Lösungsmöglichkeit gibt es für die Strawson’sche Lesart auch, nämlich die, dass man statt “es gibt” eben “es gab” liest. Es wäre dann der Quantor in Bezug auf die Zeit mehrdeutig. Aber ob man ihn nun gegenständlich oder substitutional interpretiert, spielt dabei keine Rolle. Marcus argumentiert, dass das “ist” in “Es gibt etwas, das … ist” zeitlos zu verstehen sei. Strawson anerkennt, dass es einen zeitlosen Gebrauch von “ist” gibt, aber er anerkennt das nur in Bezug auf abstrakte Gegenstände, wie zum Beispiel Zahlen. Marcus meint hingegen, es gäbe einen zeitlosen Gebrauch von “ist” auch für raum-zeitliche Gegenstände, zum Beispiel in (29) Es gibt Fälle von spontaner Krebsheilung. (In alternativer Formulierung: (29’) Es gibt ein x, so dass: x ist ein Fall von spontaner Krebsheilung.) oder in (30) Es gibt keine katholischen amerikanischen Präsidenten vor Kennedy. (In alternativer Formulierung: (30’) Es ist nicht der Fall, dass es ein x gibt, so dass: x ist ein katholischer amerikanischer Präsident vor Kennedy.) Außerdem führt Marcus das “historische Präsens” an. Nun trifft es zweifellos zu, dass sowohl das “ist” der Prädikation als auch das “es gibt” manchmal nicht so gemeint ist, dass etwas gegenwärtig soundso ist bzw. dass es jetzt, also im Augenblick der Äußerung, etwas gibt, das soundso ist. Mehrere alternative Deutungen der grammatikalischen PräsensForm “es gibt” sind möglich: 1. es gibt manchmal (das heißt: zu irgendeinem Zeitpunkt, der gegenwärtig, vergangen oder zukünftig sein kann); 2. es gibt immer (also zu jedem beliebigen Zeitpunkt);

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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3. es gibt während einer bestimmten Zeitspanne t1–tn (wobei diese Zeitspanne ganz vergangen oder ganz zukünftig sein oder in der Vergangenheit beginnen und in die Zukunft hineinreichen kann); 4. es gibt zu dem-und-dem bestimmten Zeitpunkt t (wobei dieser Zeitpunkt gegenwärtig, vergangen oder zukünftig sein kann). Das “es gibt” in (29) ist offenbar im Sinne von “es gibt manchmal” zu verstehen. Das “es gibt” in (30) ist wohl am besten als “es gibt während einer bestimmten Zeitspanne” zu interpretieren, wobei diese Zeitspanne in (30) sogar spezifiziert wird, nämlich als die Zeit vor der Präsidentschaft von Kennedy. Man kann, wenn man will, diese Verwendungsweisen von “es gibt” (bzw. die analogen Verwendungsweisen von prädikativ gebrauchten Verben) “zeitlos” nennen, obwohl diese Bezeichnung nicht glücklich ist. Denn es fehlt ja in keinem Fall der Zeitbezug; es handelt sich nur um verschiedene Arten von Zeitbezügen, bestimmte und unbestimmte. Im strengen Sinn zeitlos wäre ein “es gibt” gebraucht, wenn aus “Es gibt etwas, das … ist” nicht einmal abgeleitet werden dürfte: “Es gibt (jetzt) etwas, das … ist, oder es gab etwas, das … war, oder es wird etwas geben, das … sein wird” (im Sinne des einschließenden “oder”). Ich wüsste allerdings nicht, was in diesem Fall “es gibt” überhaupt noch heißen soll. Eine in diesem Sinn streng zeitlose Deutung erscheint mir unverständlich. Ich schließe sie daher aus. Das historische Präsens ist in diesem Zusammenhang überhaupt irrelevant. Denn es ist wohl klar, dass das historische Präsens die Mitvergangenheit ersetzt, wobei die Ersetzung üblicherweise aus rein stilistischen Gründen erfolgt (etwa um dem Publikum in einer dramatischen Phase einer Erzählung einen besonderen Eindruck von Unmittelbarkeit zu vermitteln). Jedenfalls gibt es keinen Grund, das historische Präsens als “zeitlos” zu betrachten. Aber die Frage, ob es zeitlose Prädikate gibt, und wenn ja, wie Zeitlosigkeit zu interpretieren ist, ist ganz irrelevant für die Frage, wie der E-Quantor zu deuten ist. Denn wenn man das “is” in “x is a woman” zeitlos interpretieren kann, dann kann man auch das “is” in “There is an x, such that x …” zeitlos interpretieren. Das bedeutet: Die von Marcus beanstandete Strawson’ sche Leseweise von (28c) x (x is a woman & x was among the survivors). ist nicht problematischer als die von ihr vorgeschlagene (28a). Ein weiterer von Marcus präsentierter Anwendungsfall für die substitutionale Deutung des Quantors ist Folgender: Aus (31) Pegasus is a winged horse.

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III. Ontologie und Logik

können wir, aufgrund von (EG) ableiten: (32) x (x is a winged horse). (32) nach Art von Strawson gelesen lautet: (32a) Es gibt mindestens ein Flügelpferd. Die substitutionale Interpretation lautet hingegen: (32b) Es gibt mindestens eine wahre Substitutionsinstanz von “ x is a winged horse”. Marcus stellt dazu fest: “[And] surely if we can claim [(31)] we can claim [(32b)].”48 Das ist richtig, doch es ist zu ergänzen: Wenn wir (31) behaupten können, dann können wir auch (32a) behaupten. Mit anderen Worten: Wenn es wahr ist, dass Pegasus ein Flügelpferd ist, dann ist auch die existentielle Generalisierung (32) wahr, und zwar sowohl in der herkömmlichen Leseweise (32a) als auch in der substitutionalen Leseweise (32b). Wenn es aber nicht wahr ist, dass Pegasus ein Flügelpferd ist, dann haben wir keinen Grund, die existentielle Generalisierung (32) als wahr zu akzeptieren, und zwar weder in der herkömmlichen noch in der substitutionalen Leseweise. Denn wenn es nicht wahr ist, dass Pegasus ein Flügelpferd ist, dann ist (31) eben keine wahre Substitutionsinstanz von “x is a winged horse”. Daher löst die substitutionale Deutung des Quantors das Pegasus-Problem nicht. Das ist im Grunde nicht überraschend, denn die Variable in (32) ist eine Individuenvariable. In Quantifikationen, die ausschließlich Individuenvariablen enthalten, fällt die substitutionale Deutung mit der gegenständlichen zusammen. Denn eine Substitutionsinstanz für die Aussagefunktion “Fx” (wobei “x” eine Individuenvariable ist) kann nur dann wahr sein, wenn es einen singulären Term gibt, der etwas bezeichnet, das F ist. Mit anderen Worten: Zu sagen, dass es eine wahre Substitutionsinstanz für “Fx” gibt, heißt so viel wie zu sagen, dass es etwas gibt (im gegenständlichen Sinn), das F ist. Jedenfalls gilt das unter der Voraussetzung, dass das Prädikationsprinzip gilt. Marcus ist an dieser Stelle übrigens sehr vorsichtig. Sie behauptet nicht, dass die substitutionale Deutung der Quantifikation das Problem der unerwünschten ontologischen Festlegung auf Flügelpferde durch den Satz (31) löst. Sie führt eine Reihe von Lösungsvorschlägen an, ohne sich auf einen festzulegen, und bemerkt, das Problem betreffe eigentlich gar nicht die Interpretation des Quantors in (32), sondern eher den Sinn von (31). 48

Marcus 1962, 256.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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Dem ist mit Nachdruck zuzustimmen, doch es wirft die Frage auf, wieso Marcus das Problem dann überhaupt aufwirft im Kontext einer Arbeit, in der es darum geht, mögliche Anwendungen für eine nicht-gegenständliche Deutung der Quantifikation aufzuzeigen. Marcus beantwortet diese Frage so: Der Begriff der Quantifikation enthalte keine Bestimmung derart, dass Quantifikation an eine Logik geknüpft sei, die Aussagen wie (31) gar nicht zulasse.49 Das ist inhaltlich richtig, aber als Erklärung für die Diskussion des Pegasus-Problems etwas eigenartig, denn die Zulässigkeit leerer Namen (und um diese geht es hier) hat mit der Deutung des E-Quantors überhaupt nichts zu tun. Eine gegenständliche Deutung der Quantifikation schließt die Zulassung leerer singulärer Terme nicht aus. Umgekehrt löst eine nicht-gegenständliche Deutung nicht die Probleme, die man sich durch diese Zulassung einhandelt. Es lässt sich der Eindruck nicht verscheuchen, dass Marcus doch die Hoffnung hegt, mit der substitutionalen Deutung der Quantifikation zur Lösung des Pegasus-Problems beitragen zu können. Denn obwohl sie, wie gesagt, zu vorsichtig ist zu behaupten, dass die substitutionale Interpretation das Problem mit dem Satz (31) löst, ist es doch offensichtlich, dass Marcus die substitutionale Leseweise (32b) ontologisch harmloser und daher akzeptabler findet als das gegenständliche (32a).50 Aber das ist aus den angeführten Gründen nicht gerechtfertigt. Andere sind übrigens weniger vorsichtig als Marcus. Daniel Bonevac zum Beispiel behauptet explizit, das Pegasus-Problem durch eine ontologisch neutrale Deutung des Quantors lösen zu können: The parametric substitutional interpretation of the quantifiers I am advocating has a number of advantages. It allows for greater flexibility than ordinary, objectual quantification, in that it does not commit us to speaking of reference to objects. The atomic sentences are assigned a truth value somehow, but in the general case we do not care about the details. We may assign truth according to satisfaction by objects of open sentences, but in other contexts we may assign truth in other ways. We can thus incorporate non-denoting terms; “Pegasus is a flying horse” may receive a truth value quite apart from considerations of denotation and satisfaction.51 49

Ebd., 256f. Außerdem führt Marcus 10 Jahre später neuerlich ein Pegasus-Beispiel als Anwendungsfall für die substitutionale Quantifikation an. Siehe Marcus 1972, 242. 51 Bonevac 1985, 242f. 50

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III. Ontologie und Logik

Nach Bonevac’s Auffassung kann also der atomare Satz (31) Pegasus is a winged horse. wahr sein auch dann, wenn “Pegasus” ein leerer singulärer Term ist.52 In diesem Fall würden nicht die Wahrheitsbedingungen der referentiellen Semantik gelten; vielmehr würden wir diesem atomaren Satz “irgendwie” einen Wahrheitswert zuordnen – unabhängig davon, ob “Pegasus” einen Gegenstand bezeichnet, der das Prädikat “ist ein Flügelpferd” erfüllt. Diese Auffassung entspricht genau der an früherer Stelle ausführlich diskutierten “kontextuellen Semantik”.53 Die Einwände gegen die kontextuelle Semantik brauchen an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden. Da Bonevac keine weiteren Argumente für sie anführt, bleibe ich bei meiner Ablehnung; und ich bleibe konsequenterweise auch dabei, dass die Behauptung, es gäbe eine wahre Substitutionsinstanz für “x ist ein Flügelpferd” genau dieselbe ontologische Festlegung mit sich bringt wie die schlichte Behauptung, dass es Flügelpferde gibt. Eine substitutionale Leseweise der Quantoren bewahrt uns nicht generell vor der Festlegung auf Gegenstände. Alles hängt von der Art der gebundenen Variablen ab. Individuenvariablen sind Gegenstandsvariablen. Für Gegenstandsvariablen sind referentielle Ausdrücke einzusetzen. Wer Individuenvariablen verwendet, spricht über Gegenstände, egal ob er den Quantor gegenständlich liest oder substitutional. Substitutionale Quantifikation ist nur dann ontologisch neutral, wenn für die Variablen keine referentiellen Ausdrücke einzusetzen sind.54 In der substitutionalen Leseweise ist der Gegenstandsbezug freilich indirekt; aber er ist vorhanden, und zwar durch den Wahrheitsbegriff, der konstitutiver Bestandteil der substitutionalen Lesart ist. Wenn die Wahrheit eines atomaren Satzes von der Existenz gewisser Gegenstände abhängt, dann hängt auch die Wahrheit einer substitutionalen Lesart einer Existenzquantifikation von der Existenz dieser Gegenstände ab. Aus diesem Grund habe ich mich oben darauf festgelegt, einen Quantor dann, und nur dann, “ontologisch neutral” zu nennen, wenn er keine Individuenvariablen bindet. Das heißt: Es spielt für die ontologische Bedeutsamkeit eines Quantors keine Rolle, wie er gelesen wird. Der Quantor in (32) x (x is a winged horse). 52

Dieselbe Auffassung vertritt Orenstein. Siehe Orenstein 1978, 46. Siehe Kapitel II.2. 54 Siehe auch Hugly/Sayward 1994. 53

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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ist daher auf keinen Fall ontologisch neutral, gleichgültig, ob man (32) als (32a) Es gibt mindestens ein Flügelpferd. liest oder als (32b) Es gibt mindestens eine wahre Substitutionsinstanz von “ x is a winged horse”. Nicht-gegenständliche Interpretation des Quantors hat nichts damit zu tun, wie man das “x” im halbformalen Logiker-Jargon liest, sondern damit, welche Arten von Variablen man zulässt. Doch nicht nur Bonevac hält ontologisch neutrale Quantoren auch mit Individuenvariablen für möglich. Dale Gottlieb formuliert folgendes Kriterium der ontologischen Festlegung: (C) T is ontologically committed to a/F’s iff T logically implies “(x) (x = a)”/“(x)Fx” and “(x)” is understood objectually.55 Dabei ist es klar, dass die Variable “x” hier eine Individuenvariable ist. Allerdings betont auch Gottlieb, dass es nicht genügt, einfach den Quantor substitutional zu lesen; vielmehr komme es darauf an, adäquate Wahrheitsbedingungen für die betreffenden atomaren Sätze anzugeben: [S]ubstitutional quantification has not been shown a viable method for avoiding ontological commitment unless an adequate semantics can be provided for the atomic sentences of the language. This means that the atomic sentences must receive a semantical interpretation of their own which (a) meets all the constraints that apply to semantics in general; and (b) does not reinstate the very commitment we are trying to avoid. [...] (b) reminds us that we must take care to avoid reference to the entities we are trying to avoid when we give the semantics of the atomic sentences. For example, it obviously will not do to interpret the substituends of the substitutional variables as names of entities we are trying to avoid.56

Gottlieb weist also völlig zu Recht darauf hin, dass wir der ontologischen Festlegung auf Flügelpferde nicht einfach dadurch entgehen können, dass wir den Quantor in (32) zum substitutionalen Quantor erklären. Der springende Punkt ist, welche Wahrheitsbedingungen für den atomaren Satz (31) Pegasus is a winged horse. wir angeben können. Wenn die Wahrheitsbedingungen für (31) referentiell sind, dann können wir durch keine wie immer geartete Lesart des Quantors in (32) die ontologische Festlegung vermeiden. 55

Gottlieb 1980, 47. Ebd., 49f.

56

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III. Ontologie und Logik

Manche meinen, die Wahrheitsbedingungen für einen atomaren Satz seien immer dann nicht-referentiell, wenn der singuläre Term leer ist. Orenstein vertritt, wie ich, die Auffassung, dass die substitutionale Deutung der Quantifikation nur dann ontologisch neutral ist, wenn die Wahrheitsbedingungen für die betreffenden atomaren Sätze nicht-referentiell sind.57 Doch Orenstein vertritt offenbar darüber hinaus noch die Auffassung, dass die Wahrheitsbedingungen für einen atomaren Satz notwendigerweise nicht-referentiell sind, wenn der singuläre Term nichts bezeichnet.58 Ich stimme zu, dass der existential import einer Quantifikation stets von den Wahrheitsbedingungen der Instanzen abhängt, und dass daher auch eine substitutional interpretierte Quantifikation einen Sprecher ontologisch festlegen kann. Die entscheidende Frage ist also stets die nach den Wahrheitsbedingungen für die atomaren Sätze. An diesem Punkt unterscheide ich mich aber von Orenstein. Denn er meint offenbar, dass die Wahrheitsbedingungen eines atomaren Satzes immer dann nicht-referentiell sind, wenn die Einsetzungen für die gebundenen Variablen einer Quantifikation nichts bezeichnen – also auch etwa im Falle leerer singulärer Terme. Diese Auffassung führt zu einer kontextuellen Semantik. Lehnt man – wie ich – kontextuelle Semantiken ab, dann sind für atomare Sätze in jedem Fall referentielle Wahrheitsbedingungen als gültig anzusehen. So soll es auch sein. Denn die Bedeutung des “es gibt” in einem bestimmten Kontext hängt nicht davon ab, was es gibt. Das “es gibt” in “Es gibt Seeungeheuer” wird nicht bloß dadurch nicht-referentiell, dass “Nessie” (und eventuelle andere Einsetzungen) nichts bezeichnen. Ob das “es gibt” in “Es gibt Seeungeheuer” referentiell zu interpretieren ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob Nessie existiert oder nicht. Ob jemand sich mit “Es gibt Seeungeheuer” ontologisch auf Seeungeheuer festlegt, hängt nicht davon ab, ob Seeungeheuer existieren oder nicht. Man kann sich auch mit falschen Existenzbehauptungen ontologisch festlegen. Andernfalls wären irrige ontologische Festlegungen unmöglich; und das ist absurd. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Unter der Voraussetzung, dass die Wahrheitsbedingungen für atomare Sätze referentiell sind (wofür schon an früherer Stelle ausführlich argumentiert wurde), kann ein E-Quantor, der Individuenvariablen bindet, nicht ontologisch neutral sein. Denn die Wahrheit einer E-Quantifikation hängt ja von der Wahrheit gewisser atomarer Sätze ab; und daher gilt: wenn die Wahrheit dieser Sätze die Existenz ge57

Orenstein 1978, 39f. Ebd., 42.

58

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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wisser Gegenstände erfordert, dann erfordert auch die Wahrheit der EQuantifikation die Existenz dieser Gegenstände. Ontologisch neutrale Quantifikation und Modalität Viele sehen ein weiteres Anwendungsgebiet der substitutionalen Interpretation in der Modallogik. Marcus führt exemplarisch zwei Probleme vor, welche ihrer Meinung nach durch die substitutionale Deutung gelöst werden können. Das erste Problem ist folgender Satz (die so genannte “Barcan-Formel”), den viele modallogische Systeme als Theorem enthalten: (B) M x (Fx)  x M (Fx) (“M” ist der Möglichkeitsoperator.) Marcus findet (B) problematisch, weil im Antezedens von “möglichen Gegenständen” die Rede sei, im Konsequens jedoch von aktualen. Marcus gelangt zu dieser Ansicht, weil sie das Antezedens liest als “Es gibt ein mögliches x, so dass: x ist F”. Es erscheint ihr intuitiv schwer zu akzeptieren, dass die Existenz eines möglichen Gegenstandes die Existenz eines aktualen Gegenstandes implizieren soll. Wenn man (B) substitutional interpretiere, entstünde dieses Problem nicht.59 Für Orenstein stellt sich das Problem etwas anders dar. Auch er liest eine der beiden Formeln der Subjunktion als einen Satz über mögliche Gegenstände, jedoch nicht (wie Marcus) das “M x (Fx)”, sondern das “x M (Fx)”. Seine Schlussfolgerungen entsprechen jedoch denen von Marcus: If this [die Barcan-Formel] is read as [(Ba)] If it is possible that there exists an x that has F, then there exists an x such that x possibly has F. it appears to be false. The possibility cited in the antecedent does not preclude that there does not exist an object having that possibility. Consider the following instance: If it is possible that there exist purple cows, then there exist possible purple cows. The formula would sanction reasoning from the possible to what exists. This certainly is improper if we identify what exists with the actual or contingent, for we violate the principle that one cannot infer from the possible to the actual. Barcan Marcus, however, reads the formula as [(Bb)] If it is possible that “x is an F” is sometimes true for x, then it is sometimes true for x that it is possible that x is an F. 59

Marcus 1962, 257f.

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III. Ontologie und Logik

Here the doubts about the Barcan formula do not arise. In particular, the point that existence suggests actuality or contingency cannot be duplicated here, as the quantifier is not read existentially.60

Doch das Problem hier hat nichts damit zu tun, wie der Quantor gelesen wird, sondern eher damit, wie der Möglichkeitsoperator gelesen wird. Marcus liest das Antezedens von (B) als “Es gibt ein mögliches x, so dass: x ist F”. Aber das Antezedens muss nicht so gelesen werden. Die alternative Leseweise lautet: “Es ist möglich, dass es ein x gibt, so dass: x ist F.” Diese Lesart des Möglichkeitsoperators steht uns offen unabhängig davon, wie wir den E-Quantor interpretieren wollen. Orenstein liest das Konsequens von (B) als “Es gibt mögliche Fs”, bzw. er setzt “Es gibt etwas, das möglicherweise F ist” mit “Es gibt mögliche Fs” gleich und interpretiert beides als die Behauptung, es gäbe mögliche (nichtaktuale) Gegenstände. Genau das ist der Fehler. (33) Es gibt etwas, das möglicherweise eine rote Kuh ist. impliziert nicht (34) Es gibt eine mögliche (aber nicht-aktuale) rote Kuh. Vielmehr ist (33) zu lesen als: (33a) Es gibt mindestens einen (aktualen) Gegenstand, der eine rote Kuh sein könnte. Dieser Gegenstand könnte die ganz aktuale braune Kuh auf Bauer Hubers Weide sein. Von “möglichen Gegenständen” ist da keine Rede. Die substitutionale Lesart des Quantors würde hier gar nichts bringen; denn “x” ist eine Individuenvariable, und daher ist der E-Quantor nicht ontologisch neutral. Der Ausgangspunkt des zweiten Problems, das Marcus in diesem Zusammenhang anführt, ist der Satz (35) N (Der Abendstern = der Abendstern). (“” ist der Notwendigkeitsoperator.) Aus (35) folgt, durch existentielle Generalisierung, (36) N x (x = der Abendstern). Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass es zwar intuitiv plausibel ist, dass 60

Orenstein 1978, 47.

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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(37) Der Abendstern = der Abendstern. eine notwendige Wahrheit ist, dass aber zugleich (38) Es gibt etwas, das mit dem Abendstern identisch ist. nur kontingenterweise wahr zu sein scheint. Marcus meint dazu: Wenn man (36) substitutional interpretiere, dann gelte gewiss: Falls (35) wahr ist, ist auch (36) wahr, denn wenn (35) wahr ist, dann gibt es auch eine Einsetzung für “x” in (36), nämlich “der Abendstern”.61 Doch tatsächlich liegt hier nur scheinbar ein Paradoxon vor. Falls (35) wahr ist, ist auch (36) wahr – und zwar unabhängig davon, ob der Quantor in (36) gegenständlich gelesen wird oder nicht. Aber (35) ist nicht wahr. Entgegen dem ersten Eindruck ist es nicht der Fall, dass (37) notwendigerweise wahr ist, und zwar aus folgendem Grund: (37) ist nur dann wahr, wenn der singuläre Term “der Abendstern” nicht leer ist, mit anderen Worten: wenn es etwas gibt, das mit dem Abendstern identisch ist. Genau das ist aber nicht notwendigerweise der Fall. Daher ist (37), trotz seiner scheinbaren Trivialität, eine kontingente Wahrheit.62 Ob der Quantor in (36) substitutional gelesen wird oder nicht, ist für das vermeintliche Paradoxon völlig unerheblich. Wer (35) als wahr akzeptiert, ist darauf festgelegt, dass der Abendstern notwendigerweise existiert – egal, wie der Quantor in (36) gelesen wird. Denn wenn es eine wahre Einsetzungsinstanz für (36) gibt, dann ist (35) eine solche. Mit anderen Worten: Wenn es eine wahre Einsetzungsinstanz für (36) gibt, dann ist (37) notwendigerweise wahr. Doch (37) ist, wie ausgeführt, nur dann wahr, wenn etwas existiert, das mit dem Abendstern identisch ist. Das zu leugnen würde darauf hinauslaufen, das Prädikationsprinzip bzw. das Relationsprinzip aufzugeben. Ein weiteres Problem, von dem manche meinen, es sei durch eine substitutionale Deutung der Quantifikation zu lösen, ist das Folgende: (39) (40) (41) (42)

N (9 ist größer als 7). 9 = die Anzahl der Planeten. N (Die Anzahl der Planeten ist größer als 7). x N (x ist größer als 7).

Vorausgesetzt wird, dass (39) und (40) wahr sind und (41) falsch ist. Für Orenstein stellt sich das Problem wie folgt dar: 61

Marcus 1962, 258. Siehe dazu auch Kapitel III.3 und IV.4.

62

III. Ontologie und Logik

162 Reading [(42)] as

[(42a)] There exists something necessarily greater than 7. creates a puzzle. We have said that [(42)] follows from [(39)] by generalization. But [(42)] is problematic, for what object is necessarily greater than 7? To say it is the number 9, which is also the number of the planets, is incompatible with [(41)] which is false. Marcus reads [(42)] as [(42b)] For some substituends, N (x is greater than 7) is true. On this reading [(42)] is true.63

Das Problem besteht also darin, dass die gemachten Voraussetzungen anscheinend darauf hinauslaufen, dass die Anzahl der Planeten notwendigerweise größer als 7 ist; und das erscheint unplausibel, denn wir haben doch Grund zu der Annahme, dass es auch 7 oder weniger Planeten geben könnte. Aber es gibt keinen Grund, (42b) als wahr zu akzeptieren, wenn (42a) nicht als wahr akzeptiert wird. Das Problem entsteht nicht durch den Schritt der Generalisierung zu (42), sondern bereits durch den Schritt der Ersetzung von “9” durch “die Anzahl der Planeten”, der zu (41) führt. Es handelt sich also gar nicht um ein Problem der Interpretation des Quantors. Folglich kann es auch nicht durch eine bestimmte Interpretation des Quantors gelöst werden. Wenn (41) wahr ist, dann ist die Generalisierung völlig unproblematisch und (42) in beiden Leseweisen wahr. Wenn (41) aber nicht wahr ist, dann kann für “x” in (42) auch nicht “die Anzahl der Planeten” eingesetzt werden, und somit entsteht das Problem gar nicht. Ob (41) wahr ist, hängt davon ab, wie die bestimmte Beschreibung “die Anzahl der Planeten” interpretiert wird. Ich werde später zwei Arten des Gebrauchs von bestimmten Beschreibungen unterscheiden, nämlich definitorischen und nicht-definitorischen Gebrauch.64 (41) ist falsch, wenn die bestimmte Beschreibung definitorisch gelesen wird, wahr, wenn sie nicht-definitorisch gelesen wird. So oder so spielt es keine Rolle, wie die Quantifikation gedeutet wird. Das Problem der namenlosen Gegenstände Abschließend soll ein häufig vorgebrachter Einwand gegen die substitutionale Interpretation diskutiert werden.65 Es ist zu betonen, dass dieser Einwand 63

Orenstein 1978, 46. Siehe Kapitel III.4. 65 Siehe zum Beispiel Künne 1983, 114–118 und 123f. 64

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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tatsächlich nur die substitutionale Interpretation betrifft und nicht alle nichtgegenständlichen Interpretationen des Quantors. Priors Variante zum Beispiel ist davon nicht betroffen. Selbst wenn der Einwand schlagend wäre, wäre damit nicht ein Argument gegen eine ontologisch neutrale Deutung der Quantifikation im Allgemeinen gefunden, sondern nur ein Argument gegen eine spezielle Version einer ontologisch neutralen Deutung. Doch meine ich, dass dieser Einwand vielfach überschätzt wird. Der Einwand lautet: Es gibt namenlose Gegenstände, also Gegenstände, die niemals jemand benannt hat und womöglich auch niemals jemand benennen wird – nicht einmal mit einem Namen wie “das da”. Wir können offenbar über namenlose Gegenstände quantifizieren, und wenn wir die Quantifikation gegenständlich interpretieren, können die betreffenden Quantifikationen auch wahr sein. Aber wenn wir dieselben Quantifikationen substitutional interpretieren, sind sie scheinbar falsch, da wir für die betreffenden Gegenstände keine Namen und daher für die Variablen keine Einsetzungen haben. Besonders deutlich wird dies, wenn wir es mit Gegenstandsbereichen zu tun haben, die überabzählbar viele Gegenstände enthalten, wie etwa der Bereich der reellen Zahlen. Unsere Sprachen können nur abzählbar viele Variablen und Konstanten enthalten. Daher scheint es, dass die substitutionale Interpretation an Diskursen scheitern muss, in denen wir es mit überabzählbar vielen Gegenständen zu tun haben.66 Manche Kritiker der substitutionalen Interpretation halten es gar nicht für nötig, überabzählbar große Bereiche anzunehmen, um das Problem der namenlosen Gegenstände aufwerfen zu können. Eine Ratte im Grazer Kanalsystem, von deren Existenz niemals irgendjemand Notiz nimmt, ein Sandkorn am Grunde des Stillen Ozeans oder ein Meteorit, der in der Atmosphäre verglüht, ohne von den Astronomen registriert worden zu sein, sind ja ebenfalls namenlose Gegenstände.67 Der Satz (43) Es gibt namenlose Gegenstände. ist also offenbar wahr, scheint aber die substitutionalen Wahrheitsbedingungen unmöglich erfüllen zu können. Etliche Autoren haben sich mit diesem Einwand auseinander gesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er harmlos ist. Daniel Bonevac meint, der Einwand gehe eigentlich am Punkt vorbei. Denn man müsse ja nicht die Referenz jeder Konstanten von vorne herein fixieren; wenn man das nicht 66

Siehe Quine 1966c, 181. Vgl. Sauer 2002.

67

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III. Ontologie und Logik

tue, dann habe man für jeden beliebigen Gegenstand aus einer Menge von überabzählbar vielen Gegenständen eine Konstante zur Verfügung; man könne also jeden Gegenstand aus einer solchen Menge benennen – wenn auch nicht alle auf einmal.68 Aber Bonevac will sich auf diese Argumentationslinie nicht verlassen (obwohl sie ihm plausibel erscheint). Er argumentiert vielmehr, man könne dafür Sorge tragen, dass wir überabzählbar viele Konstanten zur Verfügung haben. Zwar würde jede Sprache nur abzählbar viele Konstanten enthalten, aber es gibt parametrische Erweiterungen [parametric extensions] von Sprachen. Es ist nicht ganz klar, ob eine einzelne solche Erweiterung überabzählbar viele Konstanten enthalten kann. Bonevac hält es nicht für ausgeschlossen, aber er will sich darauf auch nicht festlegen. Er verlegt sich daher auf eine andere Argumentation: Er will zeigen, dass es überabzählbar viele Erweiterungen einer Sprache geben kann. Dies würde genügen, ausreichend viele Konstanten auch für überabzählbar große Bereiche zur Verfügung zu stellen.69 Bonevac zeigt, dass namenlose Gegenstände kein Problem sind, so lang sie grundsätzlich benennbar sind. Und benennbar ist jeder Gegenstand, wenn nicht in einer gegebenen Sprache, dann in einer Erweiterung dieser Sprache.70 Diese Behandlung von Namen und Benennbarkeit entspricht übrigens sehr gut der Rolle, die Namen tatsächlich in natürlichen Sprachen spielen. Es ist niemals ein Problem, einer Sprache einen neuen Namen hinzuzufügen; ja in einem bestimmten Sinn ändert sich die Sprache dadurch gar nicht, weil Namen nicht im eigentlichen Sinn zur Sprache gehörig zu sein scheinen.71 Konklusion Ich komme jetzt zurück auf die drei Fragen, die zu Beginn dieses Kapitels formuliert wurden: a. Ist der E-Quantor gleichbedeutend mit dem “es gibt”? b. Ist der E-Quantor Träger der ontologischen Festlegung? c. Ist das “es gibt” Träger der ontologischen Festlegung? 68

Bonevac 1985, 233. Ebd., 229–234 und 239. 70 Ähnlich argumentieren auch Orenstein in Orenstein 1978, 42–45, sowie Hugly und Sayward in Hugly/Sayward 1994, 55, die sich ihrerseits auf Geach berufen. 71 Orenstein 1978, 243f. 69

2. Ontologisch neutrale versus gegenständliche Quantifikation

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Die vorangegangenen Überlegungen haben Folgendes gezeigt: Das “es gibt” ist systematisch mehrdeutig. Es kann Träger der ontologischen Festlegung sein, aber es ist nicht immer Träger der ontologischen Festlegung. In manchen Fällen ist es aus dem Kontext ersichtlich, ob das “es gibt” ontologisch zu deuten ist oder nicht, zum Beispiel in (38) Es gibt etwas, das mit dem Abendstern identisch ist. In anderen Fällen geht es aus dem Kontext nicht klar hervor, zum Beispiel in: (1a’) Es gibt etwas, das Anna weiß und das Bruno nicht weiß. In solchen Fällen muss erst durch eine logische Interpretation geklärt werden, ob das “es gibt” ontologische Bedeutung hat oder nicht. Entscheidend ist dabei, welche Art von Variablen in der reglementierten Version vorkommt. Denn nicht nur das “es gibt” in (1a’) ist mehrdeutig, sondern auch das “etwas”. Es kann als Individuenvariable fungieren oder auch als Satzvariable. Auf die Frage c. – “Ist das ‘es gibt’ Träger der ontologischen Festlegung?” – lautet die Antwort also: “Manchmal, aber nicht immer.” Die Frage a. – “Ist der E-Quantor gleichbedeutend mit dem ‘es gibt’?” – kann ebenfalls nicht einfach mit “ja” oder “nein” beantwortet werden, denn es wurde ja, zusätzlich zum “”, ein zweiter E-Quantor “”, eingeführt. Ich nenne ab jetzt das “” einen “Existenzquantor” und das “” einen “Partikularisator”. Es kann festgehalten werden, dass sowohl der Existenzquantor “” als auch der Partikularisator “” mit dem “es gibt” in einer seiner Bedeutungen gleichbedeutend ist, wobei der Existenzquantor “” die Bedeutung des ontologischen “es gibt” hat und der Partikularisator “” die Bedeutung des ontologisch neutralen “es gibt”. Es wurde also durch die Einführung zweier Quantoren verhindert, dass die Mehrdeutigkeit des natürlichsprachlichen “es gibt” in der formalen Sprache ihre Fortsetzung findet – und der Existenzquantor trägt nun seinen Namen völlig zu Recht. Die Frage b. – “Ist der EQuantor Träger der ontologischen Festlegung?” – wurde durch die vorangegangenen Bemerkungen bereits indirekt beantwortet: Der Existenzquantor ist Träger der ontologischen Festlegung, der Partikularisator nicht.

3. Existenzfreie Logiken Viele Probleme mit unerwünschten ontologischen Festlegungen entstehen, wie sich gezeigt hat, durch das Prädikationsprinzip oder das Prinzip der existentiellen Generalisierung oder das Relationsprinzip oder das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung. Ein Weg, viele Probleme der ontologischen Festlegung mit einem Schlag zu lösen, besteht darin, diese vier Prinzipien aufzugeben. Dieser Weg wurde auch von einer Reihe von Theoretikern beschritten, und zwar vielfach im Rahmen einer existenzfreien Logik. In diesem Kapitel sollen folgende Fragen geklärt werden: 1. Was ist eine existenzfreie Logik? Wodurch unterscheiden sich existenzfreie Logiken von der klassischen Quantorenlogik? Welche Arten von existenzfreien Logiken gibt es? 2. Welche Beweggründe gibt es für das Akzeptieren existenzfreier Logiken? Welche – vermeintlichen oder tatsächlichen – Vorzüge haben existenzfreie Logiken gegenüber der klassischen Quantorenlogik? 3. Können wir durch existenzfreie Logiken unerwünschte ontologische Festlegungen vermeiden? Die Existenzvoraussetzungen der klassischen Quantorenlogik Die klassische Quantorenlogik macht zwei verschiedene Arten von Existenzvoraussetzungen. Beide hängen zusammen mit dem folgenden Prinzip: (PSI) x (x = x). Ich nenne das “das Prinzip der Selbstidentität”. (PSI) kann auf zweierlei Weisen gelesen werden: Entweder als (PSIa) Für alle x: x ist mit sich selbst identisch. oder als (PSIb) Für alle x: x existiert. (PSI) ist in der klassischen Quantorenlogik gültig. Aus (PSI) folgt (NLU) x (x = x). (NLU) kann gelesen werden als (NLUa) Es gibt etwas, das mit sich selbst identisch ist, oder kurz als (NLUb) Etwas existiert.

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III. Ontologie und Logik

Ich nenne dieses Prinzip “das Prinzip von der Nicht-Leerheit des Universums”, denn es drückt nichts anderes aus, als dass das Universum mindestens einen Gegenstand enthält, dass es also nicht vollkommen leer ist. Das ist eine Existenzvoraussetzung, wenn auch eine sehr schwache. Doch die klassische Quantorenlogik macht noch andere, stärkere Existenzvoraussetzungen. Um diese zu erläutern, ist es nötig, auf einige formale Besonderheiten der klassischen Quantorenlogik näher einzugehen. Ich habe bisher bewusst auf eine vollständige Symbolisierung der Prinzipien (PP) und (RP) verzichtet. Ich wollte von Prinzipien und Sätzen ausgehen, die (mit den erwähnten Einschränkungen) intuitiv überzeugend sind und nicht bereits die Entscheidung für eine bestimmte Logik voraussetzen. Jetzt aber werde ich diese Enthaltsamkeit aufgeben. Ich bediene mich der klassischen Quantorenlogik. Diese Logik soll nicht sakrosankt sein. Es ist aber nützlich, ein Referenzsystem zu haben, das man, wo es angebracht erscheint, für Symbolisierungen anwenden kann und vor dessen Hintergrund andere Systeme dargestellt und diskutiert werden können. In der klassischen Quantorenlogik ist sowohl das Prädikationsprinzip als auch das Relationsprinzip als auch das Prinzip der existentiellen Generalisierung gültig. Ich möchte zunächst erläutern, warum das Prädikationsprinzip und das Relationsprinzip in der klassischen Quantorenlogik gültig sind: Das Konsequens von (PP) ist ein singulärer Existenzsatz, (1) a existiert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, singuläre Existenzsätze zu symbolisieren. Man könnte ein Existenzprädikat “E” bzw. “E!” einführen.1 Dann wäre (1) zu symbolisieren als (1a) E!a. Doch in der klassischen Quantorenlogik ist diese Symbolisierung nicht möglich, weil Existenz in der klassischen Quantorenlogik ausschließlich mit Hilfe des Existenzquantors dargestellt werden kann und Existenzquantoren nur in Verbindung mit Prädikaten – nicht in Verbindung mit Individuenkonstanten – einen wohlgeformten Satz ergeben. Daher enthält die klassische Quantorenlogik kein Existenzprädikat. Dennoch kann man in der klassischen Quantorenlogik singuläre Existenzsätze darstellen, und zwar in der folgenden Weise: (1b) x (x = a).

3. Existenzfreie Logiken

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Diese Formel steht einerseits für (1) a existiert; andererseits kann sie aber auch gelesen werden als (1c) Es gibt etwas, das mit a identisch ist. (1b) ist der Form nach ein genereller Existenzsatz. Dennoch soll er den singulären Existenzsatz (1) symbolisieren. Der Trick dieser Symbolisierung besteht in der Einführung eines speziellen Prädikats (“= a” – lies: “ist identisch mit a”), das den singulären Term “a” als Bestandteil enthält und das als Prädikat zu verstehen ist, welches nur einem einzigen Gegenstand wahrheitsgemäß zugeschrieben werden kann, nämlich dem Träger des singulären Terms “a”. Ob Existenz ein Prädikat ist oder nicht, wird an späterer Stelle noch ausführlich diskutiert werden. Im vorliegenden Zusammenhang, wo es um existenzfreie Logiken und ihre Relevanz für das Problem der ontologischen Festlegung geht, muss diese Frage nicht beantwortet werden. Je nachdem, wie singuläre Existenzsätze symbolisiert werden, kann eine vollständige Symbolisierung des Prädikationsprinzips lauten: (PPa) Fa  E!a oder (PPb) Fa  x (x = a). In der klassischen Quantorenlogik kommt, aus dem angeführten Grund, nur (PPb) als Symbolisierung in Frage. In dieser Symbolisierung ist (PP) in der klassischen Quantorenlogik eine logische Wahrheit. Denn neben dem Prädikationsprinzip, dem Relationsprinzip, dem Prinzip der existentiellen Generalisierung und dem Prinzip der Selbstidentität gilt in der klassischen Quantorenlogik auch das so genannte Prinzip der universellen Instantiierung: (UI) x (Fx)  Fa. (Lies: “Wenn alles F ist, dann ist auch a F.”) Aufgrund von (UI) folgt aus (PSI): (2) a = a. Denn wenn alles mit sich selbst identisch ist, dann ist, gemäß (UI), auch a mit sich selbst identisch. (2) impliziert wiederum: (1b) x (x = a). 1

Siehe zum Beispiel Apostel 1960, Jacquette 1996, Lambert 1958, Leonard 1956, Rescher 1959.

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III. Ontologie und Logik

Natürlich folgt (1) auch direkt aus (PSI). Denn, gemäß (UI) gilt ja: Wenn alles existiert, dann existiert auch a; und (PSI) drückt ja aus, dass alles existiert. Wenn (1b) eine logische Wahrheit ist, ist natürlich auch (PPb) Fa  x (x = a) eine logische Wahrheit, da das Konsequens der Subjunktion stets wahr ist. Deshalb gilt in der klassischen Quantorenlogik das Prädikationsprinzip. Analoges gilt für das Relationsprinzip. (RP) kann symbolisiert werden als (RPa) Rab  E!a & E!b bzw. als (RPb) Rab  x (x = a) & y (y = b), wobei in der klassischen Quantorenlogik nur (RPb) in Frage kommt. Da beide Konjunktionsglieder im Konsequens logisch wahr sind – und zwar aufgrund von (PSI) und (UI) – ist die ganze Subjunktion natürlich ebenfalls logisch wahr. Deshalb ist in der klassischen Quantorenlogik auch das Relationsprinzip gültig. Das Prädikationsprinzip und das Relationsprinzip sind also gültig in der klassischen Quantorenlogik, und zwar aufgrund der Gültigkeit des Prinzips der Selbstidentität und des Prinzips der universellen Instantiierung. Doch gerade diese beiden letzteren Prinzipien führen in Schwierigkeiten: Angenommen, wir lassen, im Rahmen der klassischen Quantorenlogik, den singulären Term “die Arche Noah” als Term unserer reglementierten Sprache zu. Dann würde aus (PSI) folgen (3) Die Arche Noah = die Arche Noah. Aus (3) würde folgen (4) x (x = die Arche Noah). bzw. (4a) Die Arche Noah existiert. Das bedeutet: Dass die Arche Noah existiert, wäre eine logische Wahrheit. Da eine logische Wahrheit aus jedem beliebigen Satz folgt, folgt (4) bzw. (4a) auch aus jedem beliebigen Satz der Form “Fa” oder “Rab”. Und so für jeden anderen singulären Existenzsatz, der einen singulären Term enthält, der in der reglementierten Sprache der klassischen Quantorenlogik zugelassen ist. Würden wir “das runde Viereck” als singulären Term zulassen, so würde auch gelten:

3. Existenzfreie Logiken

171

(5) Das runde Viereck = das runde Viereck. und (6) x (x = das runde Viereck). bzw. (6a) Das runde Viereck existiert. Doch wir wissen natürlich, dass es möglich ist, dass die Arche Noah nicht existiert und auch niemals existiert hat; und wir wissen, dass es unmöglich ist, dass ein rundes Viereck existiert. Aus diesem Grund können wir nicht akzeptieren, dass (4) und (6) logisch wahr sind. Eine Logik, aus deren Prinzipien folgt, dass runde Vierecke existieren, ist nicht akzeptabel. Da die Prinzipien (PSI) und (UI) die Wurzel dieser Schwierigkeiten sind, läge es nahe, entweder (PSI) oder (UI) aufzugeben. Doch die Vertreter der klassischen Quantorenlogik gehen einen anderen Weg: Um zu verhindern, dass aus der logischen Wahrheit (PSI) offensichtliche Falschheiten wie (4) und (6) folgen, werden singuläre Terme, die nichts bezeichnen, in der Sprache der klassischen Quantorenlogik nicht zugelassen. Mit anderen Worten: Es ist nicht erlaubt, einen leeren singulären Term für eine Variable einzusetzen. Es muss jeder singuläre Term, der in irgendeiner Formel (einem Satz) Verwendung findet, einen Gegenstand bezeichnen, damit nicht falsche singuläre Existenzsätze als logische Wahrheiten akzeptiert werden müssen. Es gilt in der klassischen Quantorenlogik: Wann immer wir einen singulären Term verwenden, existiert ein Gegenstand, den dieser Term bezeichnet. Auf diese Weise wird der Schluss von (PSIb) Für alle x: x existiert. auf (6a) blockiert. Der Schluss ist nicht zulässig, weil “das runde Viereck” ein leerer singulärer Term ist, und deshalb dürfen wir diesen Term nicht für “x” in (PSI) einsetzen. Analog sollten wir wohl auf die Einsetzung des singulären Terms “die Arche Noah” verzichten, so lange nicht geklärt ist, ob dieser Term etwas bezeichnet oder nicht. Daher ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht zulässig, aus (PSI) (4a) abzuleiten. So lange wir nur nicht-leere singuläre Terme als Einsetzungen für die Individuenvariablen zulassen, können wir an (PSI) und (UI) festhalten, ohne unerwünschte ontologische Festlegungen fürchten zu müssen. So lange feststeht, dass der singuläre Term “der Grazer Schlossberg” etwas bezeichnet, ist sowohl (7) Der Grazer Schlossberg = der Grazer Schlossberg.

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III. Ontologie und Logik

als auch (8) x (x = der Grazer Schlossberg). bzw. (8a) Der Grazer Schlossberg existiert. völlig unproblematisch. In der klassischen Quantorenlogik werden unerwünschte ontologische Festlegungen vermieden, indem die singulären Terme vorselektiert werden. Nur solche, die zweifelsfrei etwas bezeichnen, sind zulässig. In dieser Hinsicht weicht die Sprache der klassischen Quantorenlogik von den natürlichen Sprachen ab, denn diese enthalten zahlreiche singuläre Terme, von denen wir mit guten Gründen glauben, dass sie nichts bezeichnen, oder von denen zweifelhaft ist, ob sie etwas bezeichnen, zum Beispiel: “Pegasus”, “Zeus”, “Julius Cäsar”, “das runde Viereck”, “der goldene Berg”, “der Jungbrunnen”, “die Arche Noah”, “die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht”, “das Perpetuum mobile”. In der formalen Sprache der klassischen Quantorenlogik wird hingegen vorausgesetzt, dass jeder Individuenkonstante ein Gegenstand im Interpretationsbereich zugeordnet werden kann. Auch in diesem Sinn macht die klassische Quantorenlogik Existenzvoraussetzungen, und zwar Existenzvoraussetzungen in Bezug auf singuläre Terme. Im Folgenden wird es in erster Linie um diese Art von Existenzvoraussetzungen gehen. Einwände gegen Existenzvoraussetzungen in der Logik Gegen die Existenzvoraussetzungen der klassischen Quantorenlogik lassen sich verschiedene Einwände erheben. Ein Einwand lautet, dass die Sprache der klassischen Quantorenlogik durch ihre Existenzvoraussetzungen wesentlich ausdrucksärmer ist als die natürlichen Sprachen. Denn in der Sprache der klassischen Quantorenlogik lassen sich Sätze, die leere singuläre Terme enthalten, überhaupt nicht ausdrücken. Wenn also zum Beispiel die singulären Terme “Pegasus”, “das runde Viereck” und “die Arche Noah” leer sind, dann lassen sich Sätze, die diese Terme enthalten, mit der Sprache der klassischen Quantorenlogik nicht symbolisieren. Weder (9) Pegasus ist ein Flügelpferd. noch (10) Das runde Viereck ist ein unmöglicher Gegenstand. noch

3. Existenzfreie Logiken

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(11) Die Arche Noah existiert nicht. lassen sich dann in der Sprache der klassischen Quantorenlogik ausdrücken. Auch die Formulierung gewisser Konditionalsätze, wie zum Beispiel (12) Wenn Gott existiert, dann existiert er notwendigerweise. oder (13) Wenn der Yeti existiert, dann ist er sehr scheu, ist nicht möglich, so lange die Existenz Gottes bzw. die Existenz des Yeti nicht außer Zweifel steht. Die Existenzvoraussetzungen der klassischen Quantorenlogik schränken also die Ausdruckskraft ihrer Sprache empfindlich ein. Ein weiteres Argument lautet so: Nach althergebrachter Auffassung können Existenzsätze niemals notwendige Wahrheiten sein, jedenfalls positive Existenzsätze nicht. Negative Existenzsätze können unter Umständen logisch wahr sein, nämlich dann, wenn die Existenz logisch unmöglicher Gegenstände verneint wird, also zum Beispiel: (14) Es gibt nichts, das zugleich rund und nicht-rund ist. Aber grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Logik, uns zu sagen, was existiert. Existenzsätze können, nach traditioneller Auffassung, nur kontingenterweise wahr sein. Daher überschreitet eine Logik, die Existenzvoraussetzungen macht, sozusagen ihre natürlichen Kompetenzen. In welchem Sinn sind existenzfreie Logiken existenzfrei? Das grundsätzliche Unbehagen gegenüber Existenzvoraussetzungen in der Logik war eines der Motive für die Entwicklung so genannter existenzfreier Logiken (Free Logics).2 Die Mehrzahl ist hier angebracht, weil es tatsächlich verschiedene Systeme existenzfreier Logiken gibt. “Existenzfrei” werden Logiken genannt, die frei sind von Existenzvoraussetzungen bezüglich singulärer Terme. Mit anderen Worten: Existenzfreie Logiken beschränken den zulässigen Bestand an singulären Termen nicht durch die Vorschrift, dass jeder singuläre Term etwas bezeichnen muss. Auch nicht-bezeichnende, also “leere” singuläre Terme, wie “Pegasus” und “das runde Viereck” sind zugelassen. Sätze, die leere singuläre Terme enthalten, gelten in existenzfreien Logiken als wohlgeformt. Sätze wie (9), (10) und (11) können also in der 2

Ein Pionier der existenzfreien Logik ist Ernst Mally. Siehe Mally 1971. Siehe außerdem Hintikka 1959a, Lambert 1983, Lambert 1991, Leblanc/Hailperin 1959, Lejewski 1954, Leonard 1956, Rescher 1959.

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III. Ontologie und Logik

Sprache einer existenzfreien Logik symbolisiert werden, und zwar auch dann, wenn “Pegasus”, “das runde Viereck” und “die Arche Noah” als leere singuläre Terme gelten. Die Zulassung leerer singulärer Terme ist das Wesensmerkmal existenzfreier Logiken. Eine existenzfreie Logik muss aber nicht von allen Existenzvoraussetzungen frei sein. Eine existenzfreie Logik kann die Voraussetzung enthalten, dass irgendetwas existiert. Die Zulassung leerer singulärer Terme schließt nicht aus, dass (NLU) x (x = x) als logische Wahrheit anerkannt wird. Manche Vertreter existenzfreier Logiken akzeptieren diese schwache Existenzvoraussetzung, manche lehnen sie ab.3 Da diese Existenzvoraussetzung stets erfüllt sein wird, so lange irgend jemand sich mit Logik beschäftigt, hat die Entscheidung für oder gegen (NLU) keine weitreichenden Konsequenzen. “Meinongianische existenzfreie Logiken” Karel Lambert unterscheidet existenzfreie Logiken, die ein “meinongianisches Weltbild” zur Grundlage haben, von solchen, die auf ein “russellianisches Weltbild” gegründet sind.4 Ein meinongianisches Weltbild zu haben heißt anzunehmen, dass es nicht nur existierende, sondern auch nichtexistierende Gegenstände gibt. Ein russellianisches Weltbild zu haben heißt, ausschließlich existierende Gegenstände anzunehmen. Czeslaw Lejewskis Logik kann in diesem Sinne als eine “meinongianische existenzfreie Logik” interpretiert werden.5 Im Folgenden soll Lejewskis Theorie dargestellt und diskutiert werden. Daran anschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit die Grundidee der existenzfreien Logik überhaupt mit einem meinongianischen Weltbild verträglich ist. Lejewskis Ausgangspunkt sind die folgenden beiden Schlussfolgerungen: I. Der Schluss von (PSIb’) x (x existiert). auf (15) Pegasus existiert. 3

Siehe Lambert 1991b. Siehe ebd. 5 Siehe Lejewski 1954. 4

3. Existenzfreie Logiken

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II. Der Schluss von (16) Pegasus existiert nicht. auf (17) x (x existiert nicht). Wenn der Quantor Existenz ausdrückt, dann ist (PSIb’) wahr und (17) falsch. Wenn keinerlei Einschränkungen vorgenommen werden, dann gilt: Aufgrund von (UI) folgt aus der Wahrheit, dass alles existiert, die Falschheit, dass Pegasus existiert; und aufgrund von (EG) folgt aus der Wahrheit, dass Pegasus nicht existiert, die Falschheit, dass etwas existiert, das nicht existiert. (Hier wird “existiert nicht” als Prädikat behandelt.6) Beide Schlüsse sind prima facie inakzeptabel. Die klassischen Logiker (wie zum Beispiel Quine) lösen das Problem, wie gesagt, indem sie “Pegasus” nicht als singulären Term zulassen. Dagegen wendet Lejewski ein: It follows from his [Quines] remarks that before we can safely use certain laws established by logic, we have to find out whether the noun-expressions we may like to employ, are empty or not. This, however, seems to be a purely empirical question. Furthermore, all the restrictions which according to Quine must be observed whenever we reason with empty noun-expressions, will have to be observed also in the case of noun-expressions of which we do not know whether they are empty or not. This state of affairs does not seem to be very satisfactory. The idea that some of our rules of inference should depend on empirical information, which may or may not be forthcoming, is so foreign to the character of logical enquiry that a thorough re-examination of the two inferences may prove to be worth our while.7

Lejewskis Lösung besteht darin, zwei Interpretationen des Quantors zu unterscheiden, nämlich: 1. die eingeschränkte Interpretation und 2. die uneingeschränkte Interpretation. Gemäß der eingeschränkten Interpretation ist (PSIb’) wahr und (17) falsch. Für Variablen dürfen nur Konstanten eingesetzt werden, die etwas bezeichnen. Der Quantor hat ontologische Bedeutung. Gemäß der uneingeschränkten Interpretation dagegen ist (PSIb’) falsch und (17) wahr. Für Variablen dürfen auch Konstanten eingesetzt werden, die nichts bezeichnen. Der Existenzquantor hat keine ontologische Bedeutung. (Daher schlägt Lejewski auch vor, an Stelle von “existential quantifica6

Vgl. Kapitel II.1. Lejewski 1954, 108.

7

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III. Ontologie und Logik

tion” und dem “existential quantifier” von “particular quantification” und dem “particular quantifier” zu sprechen.)8 Gemäß der eingeschränkten Interpretation sind die Schlüsse von (PSIb’) auf (15) und von (16) auf (17) ungültig, da “Pegasus” nichts bezeichnet. Gemäß der uneingeschränkten Interpretation sind diese Schlüsse gültig, und es gilt: (PSIb’) und (15) sind falsch, (16) und (17) sind wahr. Lejewski entscheidet sich für die uneingeschränkte Interpretation. Es ist zu beachten, dass Lejewski keines der oben erwähnten in der klassischen Quantorenlogik gültigen Prinzipien aufgeben muss. Es genügt ihm, eine andere Interpretation vorzunehmen. Bei Lejewski gilt sowohl (EG) Fa  x (Fx) als auch (UI) x (Fx)  Fa. Nur soll (18) x (Fx) nicht gelesen werden als (18a) Fs existieren. Lejewski hat auch keinen Grund, (PSI) aufzugeben. Nur wird (PSI) nicht interpretiert als (PSIb) Für alle x: x existiert. Entsprechend kann Lejewski auch (1b) x (x = a) als logische Wahrheit anerkennen, denn er interpretiert (1b) nicht als (1) a existiert. Gegen Lejewskis Lösung ist Folgendes einzuwenden: Sein -Quantor soll nicht Existenz ausdrücken; er soll also ein Partikularisator sein, kein Existenzquantor. Das ist der Kern seiner Lösung. Das bedeutet: Entweder Lejewskis uneingeschränkt interpretierter E-Quantor ist ontologisch neutral, oder er drückt eine andere Seinsweise als Existenz aus. Es gibt also grundsätzlich zwei mögliche nicht-existentielle Lesarten des Quantors in (17) x (x existiert nicht). 8

Ebd., 113f.

3. Existenzfreie Logiken

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Entweder der Quantor ist hier ontologisch neutral, das heißt: ein Partikularisator im Sinne des vorigen Kapitels; oder der Quantor drückt eine Seinsweise aus, die nicht mit Existenz identisch ist. Die natürlichste Lesart von (17) lautet: (17a) Es gibt etwas, das nicht existiert. Das “es gibt” in (17a) ist entweder gleichbedeutend mit dem “existiert”, oder es ist nicht gleichbedeutend. Wenn es gleichbedeutend ist, dann ist (17a) eine Kontradiktion. Doch für Lejewski ist (17a) eine Wahrheit; daher kommt diese Interpretation nicht in Frage. Das “es gibt” kann also nicht mit dem “existiert” gleichbedeutend sein. Es gilt auch hier: Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, das “es gibt” in (17a) nicht-existentiell zu interpretieren, nämlich entweder im Sinne eines Partikularisators oder im Sinne einer Seinsweise, die verschieden von Existenz ist. Letzteres wäre eine meinongianische Interpretation. (17a) würde demnach ausdrücken, dass Existenz eine spezielle Seinsweise ist, die nicht allen seienden (bzw. außerseienden) Gegenständen zukommt.9 Demgemäß wäre der Quantor (bzw. das “es gibt”) zwar nicht gänzlich ontologisch neutral (nicht im Sinne des Partikularisators), doch er würde nicht Existenz ausdrücken, sondern irgendeinen anderen, eventuell schwächeren, ontologischen Status. (15a) Es gibt Pegasus. wäre dann nicht gleichbedeutend mit (15) Pegasus existiert, obwohl das Akzeptieren beider Sätze eine ontologische Festlegung mit sich bringen würde. Das Akzeptieren von (15a), zusammen mit (16) Pegasus existiert nicht. würde dann eine ontologische Festlegung auf einen nichtexistierenden Gegenstand mit sich bringen. In dieser Interpretation bringt Lejewskis Version einer existenzfreien Logik also eine Seinsweisenunterscheidung mit sich. Die Annahme verschiedener Seinsweisen wurde schon an früherer Stelle diskutiert und als ontologisch irrelevant bzw. inhaltsleer zurückgewiesen.10 Lejewskis uneingeschränkt interpretierter Quantor bzw. das “es gibt” in (17a) müsste also ontologisch neutral sein, damit seine Lösung tragfähig wä9

Vgl. Meinong 1904b. Siehe Kapitel II.4.

10

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III. Ontologie und Logik

re. Mit anderen Worten: Der Quantor müsste ein Partikularisator sein. Es wurde im vorangegangenen Kapitel klar gemacht, dass gegen die Einführung von Partikularisatoren nichts einzuwenden ist – ganz im Gegenteil. Ein Partikularisator ist ontologisch neutral. Es gibt also ontologisch neutrale Quantoren. Doch ein Partikularisator ist ein Quantor, der Variablen bindet, die keine Individuenvariablen sind. Lejewskis Quantor ist nicht ontologisch neutral in diesem Sinn, denn die Variablen in (17) sind eindeutig Individuenvariablen, und das bedeutet: Wer eine Substitutionsinstanz von (17) als wahr akzeptiert, ist ontologisch festgelegt auf einen Gegenstand, der nicht existiert. Der Quantor “” in (17) ist also kein Partikularisator, sondern ein Existenzquantor, von dem Lejewski behauptet, dass er ontologisch neutral sei. Aber ontologisch neutrale Existenzquantoren gibt es nicht, wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde. Analoges gilt natürlich auch für die Lesart (17a). Wenn das Pronomen “etwas” hier (wie es offenbar der Fall ist) als Pronomen für singuläre Terme gemeint ist, dann hat das “es gibt” ontologische Bedeutung. Das “es gibt” kann in diesem Kontext nicht ontologisch neutral im Sinne des Partikularisators sein, denn das “etwas” ist hier zweifellos eine natürliche Individuenvariable. Da es eine Seinsweise, die verschieden von Existenz ist, nicht gibt, und da das “es gibt” in (17a) nicht ontologisch neutral ist, bedeutet (17a) Es gibt etwas, das nicht existiert. dasselbe wie (17b) Es existiert etwas, das nicht existiert. Daher ist (17) falsch. Lejewskis Variante einer existenzfreien Logik ist also zu verwerfen, weil sie entweder zur Annahme eines ontologisch neutralen Existenzquantors oder zur Annahme von Seinsweisen zwingt; und beide Annahmen sind falsch. Ich habe weiter oben gesagt, dass ich unter einer “existenzfreien Logik” eine Logik verstehe, in der leere (das heißt: nicht-bezeichnende) singuläre Terme zugelassen sind. Es ist deshalb zweifelhaft, ob jemand, der ein meinongianisches Weltbild vertritt, überhaupt mit Recht ein existenzfreier Logiker genannt werden kann. Denn wenn es außer dem Bereich des Existierenden noch einen Bereich des Nichtexistierenden gibt, dann können wir wohl annehmen, dass der Name “Pegasus” einen Gegenstand im Bereich des Nicht-

3. Existenzfreie Logiken

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existierenden bezeichnet. Dann wäre aber der Name “Pegasus”, so scheint es jedenfalls, nicht wirklich leer. Ein Name ist leer, wenn er nichts bezeichnet. Aber ist ein nichtexistierender Gegenstand nichts? Ein echter Meinongianer würde das sicher bestreiten. Die Pointe der Gegenstandstheorie Alexius Meinongs besteht nämlich gerade darin, dass auch etwas Nichtexistierendes etwas ist – ein Gegenstand im weitesten Sinn. Daher kann ein echter Meinongianer kaum ein existenzfreier Logiker sein in dem oben explizierten Sinn, denn für einen Meinongianer ist es schwierig, wirklich leere singuläre Terme zu finden. Die Grundlage des meinongianischen Weltbildes ist ja die Annahme, dass jeder singuläre Term einen Gegenstand bezeichnet – wenn nicht einen existierenden Gegenstand, dann eben einen nichtexistierenden. In diesem Sinn ist Lamberts Unterscheidung von “russellianischen” und “meinongianischen” existenzfreien Logiken nicht ganz unproblematisch. Eine “meinongianische existenzfreie Logik” kann offenbar nur in dem Sinn existenzfrei sein, dass singuläre Terme zugelassen werden, die nichts Existierendes bezeichnen. Aber eine solche “existenzfreie” Logik ist ununterscheidbar von einer klassischen Quantorenlogik, die durch Einführung eines Existenzprädikats erweitert wurde. Eine klassische Logikerin kann ja auch ein meinongianisches Weltbild vertreten. Sie kann alle Prinzipien der klassischen Quantorenlogik beibehalten, so lange sie nur den Quantor nicht existentiell interpretiert. Ich möchte daher den Terminus “existenzfreie Logik” jenen Logiken vorbehalten, die im eigentlichen Sinn des Wortes leere (nicht-bezeichnende) singuläre Terme zulassen, also singuläre Terme, die weder Existierendes noch Nichtexistierendes bezeichnen. Manchmal ist es nicht leicht zu entscheiden, ob jemand ein existenzfreier Logiker oder doch eher ein Meinongianer ist. Das gilt zum Beispiel für Nicholas Rescher.11 Einerseits gibt es starke Hinweise darauf, dass Rescher ein meinongianisches Weltbild vertritt. Denn er bekennt sich zu einer ontologischen Festlegung auf nichtexistierende bzw. “bloß begriffliche” Gegenstände. Die nichtexistierenden Gegenstände nennt Rescher “Nonentitäten”. Das Diskursuniversum zerfalle, so Rescher, in zwei sich gegenseitig ausschließende Sub-Universen, nämlich in das Universum des Existierenden und das Universum der Nonentitäten. Andererseits soll für nichtexistierende Gegenstände die Regel der existentiellen Generalisierung nicht gültig sein, da nichtexistierende Gegenstände nicht zum Bereich der Werte von Individuenvariablen gehören. Sie sollen die 11

Siehe Rescher 1959.

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III. Ontologie und Logik

“Elemente der Null-Klasse” sein.12 Diese letzte Bemerkung spricht dafür, dass Reschers Nonentitäten, wie ja die Bezeichnung schon suggeriert, keine Gegenstände sind (nicht einmal Gegenstände im meinongianischen Sinn), sondern einfach nichts. Denn auf die Frage “Was enthält die Null-Klasse?” lautet die richtige Antwort: “Die Null-Klasse enthält nichts”, wobei zu beachten ist, dass “nichts” hier klein geschrieben ist, also keinesfalls als Name für “das Nichts” betrachtet werden darf. Nach dieser Interpretation quantifiziert Rescher nicht über nichtexistierende Gegenstände. Vielleicht will Rescher aber auch sagen, dass es gar nicht stimmt, dass die Null-Klasse nichts enthält. Möglicherweise ist seine Auffassung, dass die Null-Klasse lediglich nichts Existierendes enthält. Für diese Interpretation spricht, dass Rescher zwei verschiedene E-Quantoren verwendet, und zwar “1 ” für den Bereich des Existierenden und “2 ” für den Bereich der Nonentitäten: I had remarked in Section V above that the rejection of [(19)] (y) (y = x)  Ex has a seeming air of paradox about it. But this can now be smoothed out. For the paradox disappears once we recognize that an equivocation in the meaning of existential quantification is an inevitable result of speaking of two orders of entities: those which (actually) exist, and those which only “subsist” (i.e., do not exist save as entia imaginationis). When this equivocation is removed by explicit introduction of two kinds of existential quantification, we see that [(19)] is indeed legitimate and acceptable in the form, [(19a)] (1 y) (y = x)  Ex, but is not acceptable, and must be rejected in the form, [(19b)] (2 y) (y = x)  Ex.13

(“E” fungiert hier als Existenzprädikat.) Nun ist es aber klar, dass die Variable “y” in (19b) eine Individuenvariable ist. Es muss Werte für diese Variable geben. Denn sonst könnte “(2 y) (y = x)” nicht wahr sein und damit (19b) als Ganzes nicht falsch. Doch als Werte dieser Variable kommen nur nichtexistierende Gegenstände in Frage. Es ist also klar, dass sowohl “1 ” als auch “2 ” ein Existenzquantor ist und nicht ein Partikularisator. Rescher quantifiziert offenbar also doch über nichtexistierende Gegenstände. 12

Ebd., 174f. Ebd., 176.

13

3. Existenzfreie Logiken

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Existenzfreie Logiken im eigentlichen Sinne Glücklicherweise gibt es auch existenzfreie Logiken, die ohne die Annahme eines ontologisch neutralen Existenzquantors und ohne die Annahme von Seinsweisen und nichtexistierenden Gegenständen auskommen. Karel Lambert bezeichnet es sogar als ein Merkmal existenzfreier Logiken, dass der Quantor ontologisches Gewicht hat.14 Im Folgenden sollen nur noch solche existenzfreien Logiken betrachtet werden, in denen weder zwei verschiedene Arten von Existenzquantoren verwendet werden noch der Existenzquantor als ontologisch neutral interpretiert wird. Diese sind im eigentlichen Sinne existenzfrei. Es soll nun erläutert werden, durch welche Abweichungen von der klassischen Quantorenlogik in existenzfreien Logiken die Zulassung von leeren singulären Termen ermöglicht wird. Ich setze jetzt voraus, dass (PSI) x (x = x) als (PSIb) Für alle x: x existiert. zu lesen ist. Im Rahmen dieser Voraussetzung gilt: Man kann auf der Grundlage eines russellianischen Weltbildes die Existenzvoraussetzungen hinsichtlich der singulären Terme vermeiden, indem man (PSI) aufgibt. Wenn (PSI) nicht logisch wahr ist, dann ist auch (1b) x (x = a) (Lies: “a existiert.”) nicht logisch wahr. Das Aufgeben von (PSI) ist der wesentliche Schritt von der klassischen zu einer existenzfreien Logik. Außerdem kann in einer existenzfreien Logik das Prinzip der universellen Instantiierung, (UI) x (Fx)  Fa, nicht gelten. Denn in einer existenzfreien Logik könnte “x (Fx)” wahr und “Fa” falsch oder wahrheitswertlos sein. Nehmen wir zum Beispiel an, dass Folgendes wahr ist: (20) x (x ist irgendwann entstanden oder x existiert notwendigerweise). Nehmen wir weiters an, dass Pegasus nicht existiert und niemals existiert hat. Aufgrund von (UI) würde aus (20) folgen: 14

Siehe Lambert 1991b.

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III. Ontologie und Logik

(21) Pegasus ist irgendwann entstanden, oder Pegasus existiert notwendigerweise. Unter der Voraussetzung, dass Pegasus nicht existiert und niemals existiert hat, ist (21) natürlich falsch. Das Prinzip der universellen Instantiierung muss also in einer existenzfreien Logik aufgegeben werden. Es kann aber in einer existenzfreien Logik folgendes Prinzip akzeptiert werden: (UIf) (x (Fx) & x (x = a))  Fa bzw., mit Hilfe eines Existenzprädikats ausgedrückt, (Uif’) (x (Fx) & E!a)  Fa.15 (Lies: Wenn alles F ist, und wenn a existiert, dann Fa.) Existenzfreie Logiken können ein Existenzprädikat enthalten, aber sie müssen es nicht. Es hat keinerlei Auswirkungen auf das System, ob “a existiert” mit dem Existenzprädikat “E!” symbolisiert wird oder als (1b). Das Prinzip (UIf) ist aus dem Prinzip der universellen Instantiierung entstanden durch Hinzufügung einer weiteren Bedingung im Antezedens, nämlich der Bedingung, dass a existiert. Dieses Prinzip ist auch dann unproblematisch, wenn leere singuläre Terme zugelassen werden. Zum Beispiel folgt, gemäß (UIf), aus (20) und (22) Das runde Viereck existiert. die gewiss nicht ganz unproblematische Behauptung (23) Das runde Viereck ist irgendwann entstanden oder das runde Viereck existiert notwendigerweise. Diesen Schluss können wir als gültig akzeptieren, ohne uns darauf festzulegen, dass der singuläre Term “das runde Viereck” etwas bezeichnet. Denn wenn das runde Viereck existiert, dann ist es auch plausibel, dass es entweder irgendwann entstanden ist oder dass es notwendigerweise existiert. Wir müssen (23) nicht akzeptieren, weil wir (22) zurückweisen können. Das Prinzip (UIf) enthält also eine explizite Existenzvoraussetzung, und dadurch werden Schlüsse wie der von (20) auf (23) blockiert. Manche existenzfreien Logiker geben nicht nur (UI), sondern auch (EG) auf und ersetzen es durch Folgendes: (EGf) (Fa & x (x = a))  x (Fx), bzw., unter Verwendung eines Existenzprädikats, 15

Siehe zum Beispiel Hintikka 1959a, Leblanc/Hailperin 1959, Leonard 1956.

3. Existenzfreie Logiken

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(EGf’) (Fa & E!a)  x (Fx).16 (Lies: Wenn Fa und wenn a existiert, dann gibt es etwas, das F ist.) (EG) würde den Schluss von (9) Pegasus ist ein Flügelpferd. auf (24) Es gibt Flügelpferde. ermöglichen. Durch das Aufgeben von (EG) wird dieser Schluss blockiert. Aufgrund von (EGf) ließe sich (24) nur aus (9) und (15) Pegasus existiert. ableiten. Dieser Schluss ist aber unproblematisch. Denn wenn Pegasus existiert, und wenn Pegasus ein Flügelpferd ist, dann existieren natürlich Flügelpferde. Ein Beweis dafür, dass Pegasus irgendwann existiert hat und ein geflügeltes Pferd war, wäre zugleich ein Beweis dafür, dass Flügelpferde einmal existiert haben. Sowohl (EG) als auch (UI) werden also in existenzfreien Logiken in einschränkender Weise modifiziert. Sie gelten nur noch unter der Voraussetzung, dass a existiert, dass also der singuläre Term “a” nicht leer ist. Diese Voraussetzung wird in (EGf) und (UIf) explizit zum Ausdruck gebracht durch die zusätzliche Bedingung (1b) x (x = a). bzw. (1a) E!a. Es ist zu erwarten, dass jemand, der das Prinzip der existentiellen Generalisierung nicht akzeptiert, auch das Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung nicht akzeptiert. Denn wenn aus “Fa” nicht folgt, dass es etwas gibt, das F ist, dann folgt wohl aus “Rab” nicht, dass es etwas gibt, das zu b in der Relation R steht, und dass es etwas gibt, zu dem a in der Relation R steht. Man kann also davon ausgehen, dass in existenzfreien Logiken, in denen (EG) nicht gilt, (REG) auch nicht gilt. Es ist aber leicht, nach dem Muster von (UIf) und (EGf) eine existenzfreie Version von (REG) zu konstruieren: (REGf’) (Rab & E!a & E!b)  (x (Rxb) & y (Ray)). (Lies: Wenn a zu b in der Relation R steht und wenn a existiert und b existiert, dann gibt es etwas, das zu b in der Relation R steht, und es gibt etwas, zu dem a in der Relation R steht.) 16

Siehe ebd.

184

III. Ontologie und Logik

Manche Vertreter existenzfreier Logiken verwerfen aber nicht nur das Prinzip der universellen Instantiierung und das Prinzip der existentiellen Generalisierung, sondern auch das Prädikationsprinzip. Lamberts “Prinzip der Unabhängigkeit” (“PdU”) wurde an früherer Stelle bereits erwähnt.17 Es besagt, dass der Schluss von “Fa” auf “a hat Sein” bzw. “a existiert” nicht gültig ist.18 Das ist die Verneinung des Prädikationsprinzips. Wer das Prädikationsprinzip nicht akzeptiert, hat wohl auch keinen Anlass, das Relationsprinzip zu akzeptieren. Wenn aus “Fa” nicht “a existiert” folgt, dann folgt wohl auch nicht “a existiert” und “b existiert” aus “Rab”. Das Relationsprinzip steht und fällt mit dem Prädikationsprinzip. Ich halte zusammenfassend fest: Existenzfreie Logiken unterscheiden sich von der klassischen Quantorenlogik dadurch, dass sie leere singuläre Terme zulassen. In diesem Sinn sind sie frei von Existenzannahmen in Bezug auf Individuen. Aufgrund dieser Freiheit von singulären Existenzannahmen kann in existenzfreien Logiken das Prinzip der Selbstidentität und das Prinzip der universellen Instantiierung nicht gültig sein. Darüber hinaus verwerfen zumindest manche existenzfreien Logiker auch das Prinzip der existentiellen Generalisierung, das Prädikationsprinzip und das Relationsprinzip. Doch auch innerhalb dieser Gruppe von existenzfreien Logiken lassen sich noch Unterscheidungen treffen. Existenzfreie Logiken können nämlich auch danach eingeteilt werden, wie sie es mit den Wahrheitswerten von atomaren Sätzen mit leeren singulären Termen halten. Lambert unterscheidet nach diesem Kriterium drei Arten von existenzfreien Logiken: a. In so genannten positiven freien Logiken gilt: Manche Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab” mit leeren singulären Termen sind wahr. b. In so genannten negativen freien Logiken gilt: Alle Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab” mit leeren singulären Termen sind falsch. c. In so genannten neutralen freien Logiken gilt: Alle Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab” mit leeren singulären Termen sind wahrheitswertlos.19 Existenzfreie Logiken und ontologische Festlegung Im Vorigen wurden zwei Beweggründe für das Akzeptieren existenzfreier Logiken angeführt: 17

Siehe Kapitel I.4. Lambert 1983. 19 Siehe Lambert 1991b, 9. 18

3. Existenzfreie Logiken

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1. Die Sprache einer existenzfreien Logik ist leistungsfähiger, weil sie die Symbolisierung von natürlichsprachlichen Sätzen zulässt, die leere singuläre Terme enthalten. 2. Logiken sollten grundsätzlich keine Existenzvoraussetzungen enthalten, denn die Gültigkeit einer Logik soll nicht von kontingenten Faktoren abhängen. Es gibt aber noch einen dritten Beweggrund, nämlich: 3. Existenzfreie Logiken sollen helfen, unerwünschte ontologische Festlegungen zu vermeiden. Im nun folgenden Abschnitt werde ich drei eng miteinander zusammenhängende Thesen verteidigen: 1. Von den drei angeführten Beweggründen für das Akzeptieren existenzfreier Logiken sind die ersten beiden gute Gründe, der dritte – die vermeintliche Vermeidung unerwünschter ontologischer Festlegungen – ist aber kein guter Grund. 2. Negative oder neutrale existenzfreie Logiken sind intuitiv plausibel, positive existenzfreie Logiken nicht. 3. Während in einer existenzfreien Logik die “klassischen” Prinzipien (PSI) und (UI) aufgegeben werden müssen, können (und sollen) die existentiellen Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) gelten. Die Forderung nach Existenzfreiheit im Sinne der Zulässigkeit leerer singulärer Terme erzwingt nicht die Aufgabe eines oder mehrerer dieser Prinzipien; und es gibt gute Gründe für diese Prinzipien – unabhängig von dem aufgegebenen Prinzip (PSI). Ehe ich die Verteidigung dieser Thesen in Angriff nehme, soll durch einen Blick in die einschlägige Literatur belegt werden, dass das Problem unerwünschter ontologischer Festlegungen tatsächlich für viele existenzfreie Logiker ein wesentliches (vielleicht sogar das wesentliche) Motiv ist. Die drei angeführten Motive werden häufig nicht sehr scharf voneinander getrennt, und so kommt es, dass (UI) und (EG) oft in einem Aufwasch verworfen und durch die schwächeren existenzfreien Prinzipien (UIf) und (EGf) ersetzt werden, so als müsste man für die beiden Schritte gar nicht getrennt argumentieren. Die grundsätzlichen Bedenken gegen Existenzvoraussetzungen in der Logik sind oft nur ein Nebenthema gegenüber dem Problem unerwünschter ontologischer Festlegungen. Jaakko Hintikka zum Beispiel argumentiert für die Ersetzung von (EG) durch (EGf) (Fa & x (x = a))  x (Fx) wie folgt:

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III. Ontologie und Logik

Prior’s puzzle about names like “Bucephalus” is due exactly to the use of existential generalization; he is worried about the fact that this process yields illegitimate inferences if sentences in the present tense are really thought of as referring to the present moment. The (invalid) inference from “Alexander rode Bucephalus” to “there is (sc., now is) an object which Alexander rode” is a case in point. From what we have found it appears that existential generalization with respect to a term actually depends on a tacit premise which insures that the term in question really refers to something. In the present case this premise would be, under Prior’s reading of present-tense sentences, “Bucephalus (now) exists”. This is simply false, making the offensive inference impossible. Thus Prior’s puzzle is dissolved in a straightforward way which seems to me preferable to his own solution.20

Priors Lösung besteht darin, den Ausdruck “Bucephalus” nicht mehr als Namen zu betrachten, weil Alexanders Pferd – der Träger dieses Namens – längst gestorben ist. Hintikka bemerkt dazu: “[T]his implies the eminently unsatisfactory conclusion that the logical status of a name changes when its bearer dies.”21 Diese Kritik ist selbstverständlich vollkommen berechtigt; der logische Status von Ausdrücken kann nicht von Existenzvoraussetzungen abhängen. Wir wissen nicht, ob die Arche Noah existiert, ja nicht einmal, ob sie jemals existiert hat; aber unabhängig davon ist der Ausdruck “die Arche Noah” ein singulärer Term. Hintikka betrachtet “Bucephalus” als singulären Term, ungeachtet der Tatsache, dass (jetzt) kein Träger dieses Namens existiert. Hintikka erklärt den Schluss von (25) Alexander rode Bucephalus. auf (26) x (x = Bucephalus). für ungültig. Der Schluss wäre gültig, wenn (RP) gelten würde. Aber Hintikka akzeptiert (RP) nicht. Karel Lambert findet die folgenden Sätze intuitiv wahr: (27) Vulkanus ist identisch mit Vulkanus. (28) Das runde Viereck ist rund. (29) Ponce de León suchte den Jungbrunnen.22

20

Hintikka 1959a, 136. Ebd., Fußnote 15. 22 Lambert 1983, 138f. 21

3. Existenzfreie Logiken

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Trotzdem will Lambert keine ontologische Festlegung auf Vulkanus, das runde Viereck und den Jungbrunnen eingehen. Die Lösung besteht natürlich darin, (PP) und (RP) aufzugeben. Henry Leonard beklagt, dass in der Standardlogik der Schluss von (30) Santa Claus lebt am Nordpol. auf (31) x (x lebt am Nordpol). gültig ist.23 Offenbar betrachtet Leonard (30) als wahr und (31) als falsch. Leonards Lösung des Problems besteht darin, (EG) aufzugeben. Leblanc und Hailperin weisen (EG) zurück, um nicht den Schluss von (16) Pegasus existiert nicht. auf (17a) Es gibt etwas, das nicht existiert. akzeptieren zu müssen.24 Alle Autoren wollen sich zunutze machen, dass die Aufgabe der existentiellen Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) viele Probleme mit unerwünschten ontologischen Festlegungen auf einen Schlag löst, indem die Ableitung von Existenzsätzen aus Prädikationen und Relationssätzen blockiert wird. Die Methode erscheint gleichermaßen einfach wie wirkungsvoll. Wenn (PP) nicht gilt, dann folgt aus (32) Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. nicht, dass Pegasus existiert. Wenn (EG) nicht gilt, dann folgt aus (9) Pegasus ist ein Flügelpferd. nicht (24) Es gibt Flügelpferde. Das existenzfreie Prinzip (EGf) (Fa & E!a)  x (Fx) rechtfertigt den Schluss von (9) auf (24) nicht. Aufgrund von (EGf) könnte man (9) nur aus der Konjunktion (33) Pegasus ist ein Flügelpferd und Pegasus existiert. ableiten. Aber die Annahme, dass Pegasus existiert, soll ja gerade nicht gemacht werden. 23

Leonard 1956, 52. Leblanc/Hailperin 1959, 239.

24

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III. Ontologie und Logik

Wenn (RP) nicht gilt, dann folgt aus (34) Sokrates verehrt Asklepios. nicht (35) Asklepios existiert, und zwar auch dann nicht, wenn (34) als ein Satz der Form “Rab” interpretiert wird. Und wenn (REG) nicht gilt, dann lässt sich aus (36) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. nicht ableiten (37) x (Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet x). Dies gilt wiederum auch dann, wenn der Satz (36) als ein Satz der Form “Rab” interpretiert wird. Aufgrund des existenzfreien Prinzips (REGf) (Rab & E!a & E!b)  (x (Rxb) & y (Ray)) könnte man (37) nur ableiten aus (38) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, und die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert. Aber die angeführte Zusatzbedingung (dass die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert) ist ja eben – laut Annahme – nicht erfüllt. Existenzfreie Logiken scheinen also eine hochwirksame Medizin gegen eine ganze Reihe von Problemen der ontologischen Festlegung zu sein. Zugleich gibt es gute Argumente, die für eine existenzfreie Logik sprechen. Dennoch sind existenzfreie Logiken keine zufriedenstellende Lösung für Probleme der ontologischen Festlegung. Der entscheidende Punkt ist, dass die existentiellen Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) nur in positiven existenzfreien Logiken aufgegeben werden müssen, nicht aber in negativen oder neutralen existenzfreien Logiken. Die existentiellen Prinzipien stören nur dann, wenn angenommen wird, dass zumindest manche atomaren Sätze, die leere singuläre Terme enthalten, wahr sind. Wenn angenommen wird, dass atomare Sätze, die leere singuläre Terme enthalten, stets falsch oder wahrheitswertlos sind, dann gibt es keine Veranlassung, die existentiellen Prinzipien aufzugeben. Die angeführten Beispiele zeigen dies klar. Stets ist der Ausgangspunkt ein Satz, von dem dreierlei angenommen wird:

3. Existenzfreie Logiken

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1. dass er die Form “Fa” bzw. die Form “Rab” hat; 2. dass mindestens einer der in ihm enthaltenen singulären Terme leer ist; und 3. dass er wahr ist. Ich lehne positive existenzfreie Logiken ab, weil ich nicht glaube, dass es auch nur einen einzigen Satz gibt, der jede dieser drei Bedingungen erfüllt. Von den als Beispiele angeführten Sätzen haben einige nicht die Form “Fa” bzw. “Rab”, andere sind nicht wahr, wieder andere enthalten keine leeren singulären Terme. Ich werde diese These im letzten Teil der vorliegenden Arbeit ausführlich begründen. Vorläufig müssen ein paar Hinweise genügen: Der Satz (25) Alexander rode Bucephalus. hat, entgegen dem oberflächlichen Anschein, nicht die logische Struktur “Rab”.25 Die Sätze (27) Vulkanus ist identisch mit Vulkanus. und (28) Das runde Viereck ist rund. sind in einer Interpretation falsch, in einer anderen Interpretation sind sie wahr, ziehen aber keine ontologische Festlegung auf Vulkanus bzw. das runde Viereck nach sich.26 (29) Ponce de León suchte den Jungbrunnen. ist ein strukturell mehrdeutiger Satz. In einer Interpretation ist er wahr, hat aber nicht die Form “Rab”; in einer anderen Interpretation hat er die Form “Rab”, ist aber nicht wahr. Dasselbe gilt für (34) Sokrates verehrt Asklepios. und (36) Der Hauptaktionär des Henkel-Konzerns fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht.27 Der Satz (30) Santa Claus lebt am Nordpol. ist falsch. Dasselbe gilt für 25

Siehe Kapitel IV.3. Siehe Kapitel IV.4. 27 Siehe Kapitel IV.2. 26

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III. Ontologie und Logik

(9) Pegasus ist ein Flügelpferd. Hingegen ist (32) Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. wahr, aber “Pegasus” ist in diesem Satz kein leerer singulärer Term.28 Der Satz (16) Pegasus existiert nicht. hat nicht die Form “Fa”.29 Die grundsätzlichen Einwände gegen die Existenzvoraussetzungen der klassischen Quantorenlogik sind stark. Ob etwa die Zeichenfolge “Fa” eine wohlgeformte Formel ist, sollte doch nicht davon abhängen, ob die Individuenkonstante “a” einen singulären Term vertritt, der etwas bezeichnet, oder ob sie einen singulären Term vertritt, der nichts bezeichnet. Ob ein singulärer Term etwas bezeichnet oder nicht, kann in den meisten Fällen nur mittels empirischer Methoden festgestellt werden. In manchen Fällen kann es vielleicht gar nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Es widerspricht offenbar dem Verständnis der Logik als einer rein formalen Disziplin, dass es nötig ist, empirische Untersuchungen anzustellen, um entscheiden zu können, ob eine Zeichenfolge eine wohlgeformte Formel ist oder nicht – oder dass das womöglich überhaupt nicht entschieden werden kann. Existenzaussagen sind grundsätzlich kontingente Aussagen. Es kann nicht Aufgabe der Logik sein, uns zu sagen, was existiert. Außerdem sollte es grundsätzlich möglich sein, Sätze zu symbolisieren, die leere singuläre Terme enthalten. Das alles lässt sich erreichen durch Fallenlassen des Prinzips (PSI) x (x = x). Aus den angeführten Gründen plädiere ich für diesen Schritt. (PSI) soll nicht als logische Wahrheit anerkannt werden. Damit fallen natürlich auch (2) a = a und (1b) x (x = a) aus dem Bereich der logischen Wahrheiten heraus; und das ist gut so. Damit entfällt freilich auch die oben gegebene Begründung für die Gültigkeit des Prädikationsprinzips. Denn das Nachglied von 28

Siehe Kapitel IV.1. Siehe Kapitel III.4.

29

3. Existenzfreie Logiken

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(PPb) Fa  x (x = a) könnte ja nunmehr auch falsch sein. Analoges gilt für das Relationsprinzip. Ich plädiere trotzdem dafür, (PP) und (RP) nicht aufzugeben. Es wäre freilich angebracht, (PP) und (RP) fallen zu lassen, wenn sie allein durch ihre Ableitbarkeit aus (PSI) begründet wären. Doch das ist nicht der Fall. Denn diese Prinzipien gewinnen ihre Plausibilität nicht daraus, dass jeder singuläre Existenzsatz notwendigerweise wahr ist. Sie gewinnen ihre Plausibilität vielmehr aus der Überlegung, dass es unmöglich ist, dass etwas eine Eigenschaft hat und dabei nicht existiert, bzw. dass es unmöglich ist, dass etwas in einer Relation zu etwas anderem steht und dabei nicht existiert. Es muss betont werden, dass die Prinzipien (PP) und (RP) mit den Grundintentionen existenzfreier Logik (wie sie oben dargelegt wurden) vollkommen verträglich sind. Weder (PP) noch (RP) implizieren, dass es logisch wahre Existenzsätze gibt. Es wird nur behauptet: Wenn einem Gegenstand a wahrheitsgemäß irgendein Prädikat F zugesprochen werden kann (wenn also “Fa” wahr ist), dann muss a existieren; und wenn ein Gegenstand a in einer Relation R zu einem Gegenstand b steht (wenn also “Rab” wahr ist), dann muss sowohl a als auch b existieren. Die Prinzipien (PP) und (RP) schließen auch in keiner Weise die Verwendung leerer singulärer Terme aus. Wenn der singuläre Term “a” leer ist, dann ist “Fa” nichtsdestotrotz eine wohlgeformte Formel; nur ist “Fa” dann falsch oder wahrheitswertlos. Analog gilt: Wenn entweder “a” oder “b” oder beide leere singuläre Term sind, dann ist “Rab” wohlgeformt, aber falsch oder wahrheitswertlos. (PP) und (RP) verlieren nicht ihre Gültigkeit dadurch, dass leere singuläre Terme als Bestandteile von Sätzen der Form “Fa” bzw. “Rab” zugelassen werden. Sie verlieren ihre Gültigkeit nur dann, wenn angenommen wird, dass Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab”, die leere singuläre Terme enthalten, wahr sein können. In der Tat besagen ja (PP) und (RP) nichts anderes als dass Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab” nicht wahr sein können, wenn sie leere singuläre Terme enthalten. Eine existenzfreie Logik, die es nicht ausschließt, dass Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab”, die leere singuläre Terme enthalten, wahr sind, muss konsequenterweise (PP) und (RP) aufgeben. Wer “Pegasus” für einen leeren Namen hält und trotzdem den Satz (9) Pegasus ist ein Flügelpferd. für wahr hält, der kann (PP) nicht akzeptieren. Denn unter diesen Voraussetzungen gilt offensichtlich nicht, dass der Satz (9) impliziert, dass Pegasus

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III. Ontologie und Logik

existiert. Wer den Namen “Asklepios” für leer hält und außerdem glaubt, dass der Satz (34) Sokrates verehrt Asklepios. eine Relation zwischen Sokrates und Asklepios ausdrückt, und wer trotzdem glaubt, dass (34) wahr ist, der kann (RP) nicht akzeptieren. Denn unter den gemachten Voraussetzungen gilt offenbar nicht, dass der Satz (34) impliziert, dass Asklepios existiert. Analoges gilt für (EG) und (REG). Wenn zugelassen wird, dass “Fa” wahr ist, obwohl “a” nichts bezeichnet, dann kann (EG) nicht mehr gültig sein. Denn wer glaubt, dass es keine Flügelpferde gibt, und trotzdem glaubt, dass (9) wahr ist, der kann nicht Folgendes akzeptieren: (39) Pegasus ist ein Flügelpferd  Es gibt Flügelpferde. Und wenn zugelassen wird, dass “Rab” wahr ist, obwohl entweder “a” oder “b” oder beide leer sind, kann (REG) nicht generell gelten. Denn wer akzeptiert, dass verehren eine zweistellige Relation ist und dass “Asklepios” ein leerer singulärer Term ist und trotzdem glaubt, dass (34) ein wahrer Satz ist, der kann Folgendes nicht akzeptieren: (40) Sokrates verehrt Asklepios  Es gibt etwas, das Asklepios verehrt, und es gibt etwas, das von Sokrates verehrt wird. Ob die Prinzipien (PP), (RP), (EG) und (REG) in einer existenzfreien Logik aufgegeben werden müssen oder nicht, hängt also davon ab, welche Wahrheitswerte Sätzen mit leeren singulären Termen zugesprochen werden. (PP), (RP), (EG) und (REG) müssen aufgegeben werden in positiven existenzfreien Logiken, können aber beibehalten werden in negativen und neutralen existenzfreien Logiken. Mit einer negativen oder neutralen existenzfreien Logik wird einerseits den berechtigten Einwänden gegen Existenzvoraussetzungen in der Logik Rechnung getragen, andererseits wird die Intuition berücksichtigt, dass etwas, das nicht existiert, keinerlei Eigenschaften haben und zu nichts in irgendwelchen Beziehungen stehen kann. Damit sind freilich keine Probleme der ontologischen Festlegung gelöst. Das ist aber auch nicht die Aufgabe existenzfreier Logiken. Existenzfreie Logiken sollen die Logik von nicht gerechtfertigten Existenzvoraussetzungen befreien. Die Lösung von Problemen mit unerwünschten ontologischen Festlegungen ist eine andere Sache.

4. Ist Existenz ein Prädikat? Die Frage, ob Existenz ein Prädikat ist, gehört vermutlich zu den meistdiskutierten Fragen der Ontologie und Philosophie der Logik. Aber bereits die Formulierung der Frage verlangt nach einer Erklärung. In seiner üblichen Bedeutung bezeichnet der Terminus “Prädikat” eine grammatikalische Kategorie. Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass das Verbum “existieren” in Sätzen der Form “a existiert” ein grammatikalisches Prädikat ist. Es kann also keinesfalls darum gehen, ob dem Zeitwort “existieren” der Status als grammatikalisches Prädikat abgesprochen werden soll. Die Bedeutung der Frage, ob Existenz ein Prädikat ist, kann sowohl von der inhaltlichen als auch von der formalen Seite her expliziert werden. Inhaltlich betrachtet geht es darum, ob Existenz eine Eigenschaft ist. Ein Satz der Form “Fa” drückt aus, dass der Gegenstand a die Eigenschaft F-zu-sein hat. Das Reden von “Eigenschaften” muss hier natürlich nicht in einem platonistischen Sinn verstanden werden. Es können auch einfach Merkmale, Bestimmungen von Gegenständen gemeint sein, aristotelische Akzidenzien, Tropen, oder was immer. Darauf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Frage, ob Existenz ein Prädikat ist, kann also interpretiert werden als die Frage, ob Existenz ein Merkmal von Gegenständen ist, ob man einen Gegenstand beschreibt, indem man ihm Existenz zu- oder abspricht. Das ist die inhaltliche Explikation der Frage, ob Existenz ein Prädikat ist. Formal betrachtet geht es bei dieser Frage um die logische Form von Existenzsätzen. Daher wird die Frage auch oft in die folgende Formulierung gekleidet: “Ist Existenz ein logisches Prädikat?” Gewöhnliche grammatikalische Prädikationen haben die logische Form “Fa”. Die Frage ist, ob ein Satz der Form “a existiert” ebenfalls die logische Form “Fa” hat. Das heißt: Die Frage, ob Existenz ein Prädikat ist, ist die Frage nach der korrekten logischen Interpretation natürlichsprachlicher Existenzsätze. Spätestens seit Kant ist die Standardantwort auf die Frage, ob Existenz ein Prädikat ist, negativ. Zwar gab und gibt es abweichende Meinungen, aber die Mainstream-Auffassung lautet, dass Existenz kein Prädikat ist. Das heißt: Es wird allgemein angenommen, dass der Satz “a existiert” nicht die logische Form “Fa” hat und dass mit diesem Satz keine Beschreibung von a gegeben wird. Was ist von dieser These zu halten? Wenn es zutrifft, dass grammatikalische Prädikate für gewöhnlich zur Beschreibung von Gegenständen gebraucht werden (und ich gehe hier davon aus, dass das zutrifft), warum sollte

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III. Ontologie und Logik

man leugnen, dass das für das Prädikat “existiert” nicht gilt? Für die Behauptung, dass Existenz kein logisches Prädikat ist, muss jedenfalls argumentiert werden. Denn die meisten grammatikalischen Prädikate sind zugleich auch logische Prädikate. Es wäre mehr als fragwürdig, ohne Argument das grammatikalische Prädikat “existiert” anders zu behandeln als andere grammatikalische Prädikate. Der ontologische Gottesbeweis und das Problem singulärer Existenzsätze Der Verdacht, dass Existenz nicht wie ein gewöhnliches Prädikat zu behandeln ist, hat – historisch betrachtet – seine Wurzeln einerseits im ontologischen Gottesbeweis und andererseits im Problem singulärer Existenzsätze. Vom Problem der negativen singulären Existenzsätze war ja bereits mehrmals die Rede. Ich expliziere es hier noch einmal: Gemäß dem Prädikationsprinzip folgt aus jedem Satz der Form “Fa”, dass a existiert. Wenn nun “existiert nicht” ein Prädikat wäre, so würde aus (1) a existiert nicht. folgen, dass a existiert – was natürlich nicht akzeptabel ist. Auf diese Formulierung des Problems lässt sich freilich leicht eine Erwiderung finden, nämlich: In dieser Formulierung entsteht das Problem dadurch, dass der Satz (1) als atomarer Satz interpretiert wird, also so: (1a) a/existiert nicht.1 Wir sind aber frei, die andere Interpretation zu wählen, nämlich: (1b) ¬(a existiert). Aus (1b) folgt natürlich nicht, dass a existiert. Ginge es beim Problem der singulären Existenzsätze nur um die richtige logische Interpretation des “nicht”, so wäre das Problem in der Tat leicht zu lösen. Doch nach Ansicht mancher geht das Problem tiefer. Viele meinen nämlich, dass ein Satz der Form “Fa” nicht nur nicht wahr sein kann, wenn a nicht existiert, sondern dass ein solcher Satz nicht einmal sinnvoll sein kann, wenn a nicht existiert. Dass ein (behauptender) Satz sinnvoll ist, soll hier zweierlei heißen: 1. Wir können den Satz verstehen. 2. Der Satz ist entweder wahr oder falsch. Das eigentliche Problem der negativen singulären Exis1

“Existiert nicht” ist hier als logische Einheit zu betrachten. Vergleiche Kap. II.1, 67–70.

4. Ist Existenz ein Prädikat?

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tenzsätze besteht nicht darin, dass negative singuläre Existenzsätze in sich widersprüchlich sind; vielmehr besteht das Problem – falls es wirklich ein Problem gibt – darin, dass “a existiert” nicht sinnvoll sein kann, wenn “a” ein leerer singulärer Term ist. Wenn “a existiert” nicht sinnvoll ist, dann ist selbstverständlich auch die Negation von “a existiert”, also (1b), nicht sinnvoll. Denn die Negation eines sinnlosen Zeichengebildes kann nicht ihrerseits ein sinnvolles Zeichengebilde sein. Das heißt: Wenn “a existiert” nicht sinnvoll ist, dann kann (1b) nicht wahr und auch nicht falsch sein – wie auch “a existiert” selbst weder wahr noch falsch ist. Es wäre demnach also auch ein positiver singulärer Existenzsatz weder wahr noch falsch, wenn der in ihm vorkommende singuläre Term leer ist. Das bedeutet, dass ein Satz der Form “a existiert” niemals falsch sein könnte. Sofern der Satz “a existiert” überhaupt einen Wahrheitswert hat, wäre er wahr. Wahr wäre er dann, wenn “a” nicht leer ist; andernfalls wäre er sinnlos. Ganz kurz lässt sich das Problem der negativen singulären Existenzsätze also wie folgt darstellen: 1. Es gibt wahre negative singuläre Existenzsätze, also Sätze der Form “¬(a existiert)”. 2. Damit “¬(a existiert)” wahr sein kann, muss zweierlei gelten: a. “a” ist ein leerer singulärer Term; b. “a existiert” ist falsch. 3. Wenn “a” ein leerer singulärer Term ist, dann ist “a existiert” nicht falsch, sondern sinnlos. 4. Also: Es gibt keine wahren negativen singulären Existenzsätze. (2,3) Das Problem besteht also darin, dass Sätze wie “Pegasus existiert nicht”, “Gott existiert nicht”, “Das Christkind existiert nicht” etc. – dem Augenschein zum Trotz – nicht wahr sein können, falls es zutrifft, dass eine Prädikation, die einen leeren singulären Term enthält, nicht sinnvoll sein kann und falls Sätze wie “Pegasus existiert”, “Gott existiert” etc. logische Prädikationen sind. Ich setze hier voraus, dass einige Sätze der Form “a existiert nicht” wahr sein können. Unter dieser Voraussetzung gibt es grundsätzlich zwei Wege, das Problem zu lösen: a. Wir können die Annahme aufgeben, dass Sätze der Form “a existiert” logische Prädikationen sind. b. Wir können die Annahme aufgeben, dass Prädikationen, die leere singuläre Terme enthalten, nicht sinnvoll sein können. Diese beiden Lösungsmöglichkeiten schließen einander freilich nicht aus; es können auch alle beide erwähnten Annahmen aufgegeben

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III. Ontologie und Logik

werden. Ich werde weiter unten argumentieren, dass beide Annahmen falsch sind, dass also Sätze der Form “a existiert” nicht die logische Form von Prädikationen haben und dass Sätze der Form “Fa” sinnvoll sein können auch dann, wenn “a” ein leerer singulärer Term ist. Auf dem Weg zu diesem Resultat muss jedoch noch die Beziehung zwischen Eigennamen und bestimmten Beschreibungen und deren jeweilige Funktion geklärt werden. Das wird im Laufe dieses Kapitels geschehen. Aber noch stehen wir am Beginn, und hier soll es zunächst nur darum gehen, klar zu machen, warum es zweifelhaft ist, ob Existenz ein logisches Prädikat ist. So viel für den Augenblick zum Problem der singulären Existenzsätze. Das zweite historisch wichtige Motiv für die Annahme, dass Existenz kein logisches Prädikat ist, ist, wie gesagt, der ontologische Gottesbeweis. Der ontologische Gottesbeweis existiert in vielen Varianten. Der Kern aller ontologischen Gottesbeweise ist die These, dass der Begriff Gottes den Begriff der Existenz einschließt. Diese These beruht im Wesentlichen auf zwei Annahmen, nämlich: 1. Der Begriff Gottes schließt den Begriff der Vollkommenheit ein. 2. Zur Vollkommenheit gehört Existenz. Das Argument kann so formuliert werden: 1. Gott ist das vollkommenste Wesen, das gedacht werden kann. 2. Würde Gott nicht existieren, dann könnte immer etwas gedacht werden, das vollkommener ist als Gott (nämlich etwas, das so ist wie Gott und außerdem noch existiert). 3. Also existiert Gott. Kurz gefasst: Einem nicht existierenden Gott würde etwas zur Vollkommenheit fehlen, und das kann aus begrifflichen Gründen nicht sein. Das Argument stieß schon früh auf Widerspruch. Ein Einwand lautete, dass sich mit diesem Argument zu viel beweisen lasse, zum Beispiel die Existenz der vollkommenen Insel, die Existenz des vollkommenen Pferdes etc. Kant formulierte jenen Einwand, der auf die Funktion des grammatikalischen Prädikats “existiert” Bezug nimmt. Kant stellte fest, dass der ontologische Gottesbeweis auf der Annahme beruhe, dass Existenz ein “reales Prädikat” sei; aber: Sein ist offenbar kein reales Prädikat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne.2

2

KrV, B 626.

4. Ist Existenz ein Prädikat?

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Das Redundanzargument Es liegt mir nichts ferner als Kant darin widersprechen zu wollen, dass der Fehler des ontologischen Gottesbeweises in einer inadäquaten Behandlung des grammatikalischen Prädikats “existiert” besteht. Kants Explikation des Unterschiedes zwischen “existiert” und einem “realen” Prädikat könnte jedoch auf eine falsche Fährte führen, insbesondere dann, wenn sie im Lichte von sehr ähnlich lautenden Bemerkungen Humes gelesen wird. Es lohnt sich daher, diese Explikation näher zu betrachten, um zu erkennen, worin die Besonderheit des “Existenzprädikats” nicht besteht. In welchem Sinn kann der Begriff der Existenz nicht zu dem Begriff irgendeines Dinges hinzukommen? – Eine mögliche Erklärung dafür könnte lauten, dass der Begriff der Existenz redundant ist, weil er in jedem Begriff irgendeines Dinges bereits enthalten ist. Mit anderen Worten: Reale Prädikate bestimmen die Gegenstände, von denen sie ausgesagt werden, näher; das Prädikat “existiert” bestimmt einen Gegenstand, von dem es ausgesagt wird, nicht näher. Denn dieses Prädikat kann von jedem Gegenstand wahrheitsgemäß ausgesagt werden, weil jeder Gegenstand existiert. Existenz ist daher kein Merkmal, das einen Gegenstand von irgendeinem anderen Gegenstand unterscheidet. In diesem Sinn ist das Prädikat “existiert” redundant. Einen etwas anderen Weg zum selben Ergebnis findet man bei David Hume beschritten: An einen Gegenstand denken, so argumentiert Hume, heißt immer schon, an den Gegenstand als existierenden zu denken. Das bedeutet freilich nicht, dass man nicht an einen Gegenstand denken könnte, ohne zu urteilen, dass der Gegenstand existiert. Es heißt nur, dass man einen Gegenstand nur als existierend vorstellen kann. Selbst Gegenstände, deren Existenz man zu leugnen bereit ist, können nur als existierend vorgestellt werden. Wenn jemand einen goldenen Berg vorstellt, stellt er einen existierenden goldenen Berg vor; wenn jemand ein geflügeltes Pferd vorstellt, wird ein existierendes geflügeltes Pferd vorgestellt. Die Vorstellung eines goldenen Berges einfachhin und die Vorstellung eines existierenden goldenen Berges sind also identisch.3 Diese Überlegungen sind sehr einleuchtend, und sie sind tauglich zur Erläuterung des Unterschiedes zwischen Existenz und “gewöhnlichen” Prädikaten; aber sie zeigen nicht, dass Existenz kein logisches Prädikat ist. Genauer: Es wird weder gezeigt, dass Existenz kein Merkmal von Gegen3

Siehe Hume 1973, 1. Buch, 2. Teil, 6. Abschnitt.

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III. Ontologie und Logik

ständen ist, noch wird gezeigt, dass singuläre Existenzsätze nicht die Form “Fa” bzw. “¬Fa” haben. Humes Überlegungen sind durchaus verträglich damit, dass Existenz ein Merkmal von Gegenständen ist, und zwar ein Merkmal, das von jedem anderen Merkmal eingeschlossen ist. Das würde erklären, warum die Vorstellung eines F immer schon die Vorstellung eines existierenden F ist. Übrigens ist Existenz nicht das einzige redundante Prädikat. Einige weitere Beispiele: “ist ein Gegenstand”, “ist mit sich selbst identisch”, “ist entweder rot oder nicht rot”, “ist derart, dass 2 + 2 = 4”. Es leuchtet ein, dass es überflüssig ist, solche Prädikate einem Gegenstand zuzusprechen; aber damit ist nicht gezeigt, dass es falsch ist, das zu tun. Dass Existenz kein logisches Prädikat ist, kann auf diese Weise also nicht begründet werden. Dass Existenz kein gewöhnliches oder kein reales Prädikat ist, kann auf diese Weise begründet werden, sofern damit nicht mehr gesagt sein soll, als dass das Prädikat “existiert” auf jeden Gegenstand zutrifft und daher redundant ist. Aber auch ein redundantes Prädikat kann ein logisches Prädikat sein. Dass “a existiert” von jedem beliebigen Satz der Form “Fa” impliziert wird, impliziert seinerseits nicht, dass “a existiert” selbst nicht die Form “Fa” hat. Angenommen, die Redundanzthese wäre richtig. Wir wären dann genau dort, wo wir zu Anfang waren, nämlich bei dem Rätsel, wie es möglich ist, dass ein positiver Existenzsatz falsch und ein negativer Existenzsatz wahr sein kann. Gerade das scheint die Redundanzthese auszuschließen. Wenn alles existiert, wie kann es dann Gegenstand wissenschaftlicher Debatten sein, ob die Arche Noah existiert oder ob Homer existiert hat? Und wie kann es dann sein, dass Pegasus nicht existiert, das runde Viereck nicht existiert, der gegenwärtige König von Frankreich nicht existiert? Schlimmer noch: Die Redundanzthese macht sogar generelle Existenzsätze problematisch. Wenn alles existiert, wieso ist dann der Satz (2) Weiße Elefanten existieren. informativ, und wie ist es möglich, dass der Satz (3) Rosarote Panther existieren nicht. wahr ist? Das Redundanzargument ist eine Sackgasse im Kontext des vorliegenden Problems. Darüber hinaus könnte man die Redundanzthese natürlich auch angreifen. Angenommen, Existenz ist nur eine Seinsweise neben anderen, dann wäre

4. Ist Existenz ein Prädikat?

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das Prädikat “existiert” keineswegs redundant. Denken wir etwa an die Meinong’sche Unterscheidung zwischen bloßem Außersein, bloßem Bestand und Existenz: Alles hat Außersein, aber nicht alles hat Sein; von dem, was Sein hat, hat alles Bestand, aber nicht alles hat Existenz. Vor dem Hintergrund dieses Weltbildes erscheint es durchaus informativ, von einem Gegenstand zu sagen, dass er existiert. Denn hier gilt ja nicht, dass alles existiert. Freilich ist das kein starkes Argument gegen die Redundanzthese. Abgesehen von den grundlegenden Einwänden gegen Seinsweisenunterscheidungen,4 würde wohl jeder Vertreter der Redundanzthese – sofern er bereit ist, die Seinsweisenunterscheidung zu akzeptieren – sich beeilen zuzugeben, dass in diesem Fall Existenz kein redundantes Prädikat ist; aber im nächsten Schritt würde das Redundanzargument auf den jeweils höchsten und allgemeinsten “Seinsbegriff” angewendet werden, sei dies nun “Bestand” oder “Sein” oder “Außersein”. Die Debatte würde sich nur verschieben. Die Formalisierung genereller Existenzsätze Bisher wurden vor allem singuläre Existenzsätze untersucht. Dass Existenz kein Prädikat ist, lässt sich aber viel leichter plausibel machen für generelle Existenzsätze. Man betrachte die folgenden beiden Sätze: (4) Kängurus sind Säugetiere. (5) Kängurus existieren. Grammatikalisch unterscheiden sich diese beiden Sätze nicht. Aber wenn wir sie mit den Mitteln der Standardlogik formalisieren, tut sich ein interessanter Unterschied auf: (4a) x (Kx  Sx) (5a) x (Kx) Das grammatikalische Prädikat “sind Säugetiere” in (4) wird als Prädikatbuchstabe “S” symbolisiert. Das grammatikalische Prädikat “existieren” in (5) wird nicht als Prädikatbuchstabe symbolisiert, sondern als Existenzquantor “x” bzw. eigentlich als Satzfunktion “x (_x)”. Warum aber diese Ungleichbehandlung des grammatikalischen Prädikats “sind Säugetiere” und des grammatikalischen Prädikats “existieren”? Es wäre doch ein Leichtes, das grammatikalische Prädikat “existieren” in der gleichen Weise wie das grammatikalische Prädikat “sind Säugetiere” zu symbo4

Siehe Kapitel II.4.

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III. Ontologie und Logik

lisieren. Man könnte als Prädikatbuchstaben “E” verwenden. Die Formalisierung würde dann so aussehen: (5b) x (Kx  Ex) Diese Formalisierung (5b) ist das genaue Analogon zu (4a). Hier soll natürlich nicht argumentiert werden, dass (5b) eine adäquate Formalisierung ist, sondern ganz im Gegenteil: es soll gezeigt werden, dass es höchst unplausibel ist, (4) und (5) in analoger Weise zu behandeln. Was spricht nun für die orthodoxe Formalisierung (5a) und gegen (5b)? – Ein Argument ist das Folgende: Die Sätze (4) und (5) weisen dieselbe grammatikalische Struktur auf. Die Frage, die es zu klären gilt, ist, ob der Gleichheit der grammatikalischen Struktur eine Gleichheit der logischen Struktur entspricht oder nicht, oder besser: ob die logische Interpretation der beiden Sätze dieselbe sein soll oder ob man sie in logischer Hinsicht verschieden interpretieren soll. Die logische Interpretation eines Satzes zeigt sich in der Formalisierung. Die beiden Sätze auf dieselbe Weise zu formalisieren, heißt, ihnen dieselbe logische Interpretation zu geben. Ich möchte jetzt gegen die Interpretation von Existenz als logisches Prädikat argumentieren, indem ich zeige, dass diese Interpretation höchst unplausible Konsequenzen hat. Der Satz (5) Kängurus existieren. ist eine kontingente Wahrheit. Es könnte auch sein, dass keine Kängurus existieren. Das bedeutet: Die Negation von (5) muss wahr sein können. Eine adäquate Formalisierung von (5) muss also so sein, dass die Negation dieser Formalisierung wahr sein könnte. Betrachten wir nun die Negationen der beiden alternativen Formalisierungen (5a) und (5b): (6) ¬x (Kx) (7) ¬x (Kx  Ex) (6) drückt aus, dass von allen Gegenständen, die es gibt, kein einziger ein Känguru ist. Das könnte zweifellos wahr sein. (7) hingegen drückt aus, dass es mindestens einen Gegenstand x gibt, für den gilt: x ist ein Känguru und x existiert nicht. Zwei einfache Umformungsschritte machen das deutlich: (7’) x ¬(Kx  Ex) (7’’) x (Kx & ¬Ex) Mit anderen Worten: (7) drückt aus, dass es ein nichtexistierendes Känguru gibt. Doch nichtexistierende Kängurus gibt es nicht. Daher ist (7) falsch. Als Adäquatheitskriterium für eine Formalisierung von (5) wurde festgelegt, dass die Negation der Formalisierung von (5) wahr sein kann. Diese Be-

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dingung wird nur von einer der beiden vorgeschlagenen Formalisierungen erfüllt, nämlich von (5a). Deshalb ist die Formalisierung (5a), in welcher das grammatikalische Prädikat “existieren” durch den Existenzquantor symbolisiert wird, der Formalisierung (5b), in welcher das grammatikalische Prädikat “existieren” durch einen Prädikatbuchstaben symbolisiert wird, vorzuziehen. Freges Analyse des Existenzbegriffs Gemäß Gottlob Freges Analyse ist Existenz ein “Begriff zweiter Stufe”.5 Ein Begriff ist für Frege die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks, nämlich eines Prädikats. Der Begriff Pferd zum Beispiel ist die Bedeutung des Prädikats “ist ein Pferd”. Frege unterscheidet also streng zwischen Begriffen und sprachlichen Ausdrücken. Begriffe sind für Frege Funktionen. Frege bedient sich des Funktionsbegriffs der Mathematik, modifiziert ihn jedoch. Unter einer Funktion wurde ursprünglich ein Ausdruck verstanden, der eine Variable enthält, ein Ausdruck, in dem “eine Zahl durch den Buchstaben x nur unbestimmt angedeutet ist”6, zum Beispiel “2 . x2 + x”. Ersetzt man die Variable “x” in diesem Ausdruck durch ein Zahlzeichen, zum Beispiel durch “1”, dann nennt man die Zahl 1 das Argument der Funktion. Man erhält dann den Ausdruck “2 . 1 + 1”. Da 2 . 1 + 1 gleich 3 ist, ist 3 der Wert der Funktion für das Argument 1. Ein Wert einer Funktion ist also das, was man erhält, wenn man die Variable in der Funktion durch eine Zahl ersetzt, bzw. genauer: ein Wert einer Funktion ist die Bedeutung desjenigen Ausdrucks, den wir erhalten, wenn wir die Variablen in einem Funktionsausdruck durch ein Zahlzeichen ersetzen. Frege erweitert diesen mathematischen Funktionsbegriff nun in mehreren Schritten: Als ersten Schritt nimmt Frege das Identitätszeichen “=” in den Kreis jener Zeichen auf, die zur Bildung eines Funktionsausdrucks verwendet werden können. Auf diese Weise lässt sich etwa folgende Funktion bilden: x2 = 1. Klar ist, dass hier für die Variable “x” Zahlzeichen einzusetzen sind, dass also die Argumente dieser Funktion Zahlen sind. Was aber sind die Werte dieser Funktion? Zahlen können es offenbar nicht sein; denn wir erhalten niemals ein Zahlzeichen, wenn wir in “x2 = 1” die Variable durch ein Zahlzeichen ersetzen. Wir erhalten immer nur Gleichungen. Hier tritt Freges zweite Erweiterung in Kraft: Frege erweitert den Bereich jener Gegenstände, die 5

Frege 1891, Anmerkung 8. Ebd., 21.

6

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Werte von Funktionen sein können. Durch Ersetzung der Variable in “x2 = 1” erhalten wir eine Gleichung. Gleichungen sind wahr oder falsch. Die Funktionswerte dieser Funktion sind die Wahrheitswerte der entstehenden Gleichungen. Für die Argumente 1 und -1 ist der Wert der Funktion x2 = 1 das Wahre. Für alle übrigen Argumente ist der Wert dieser Funktion das Falsche.7 Demnach bedeuten “22 = 4” und “24 = 42 ” dasselbe, nämlich das Wahre. Frege formuliert dagegen selbst den Einwand, dass die beiden Gleichungen doch zweifellos verschiedene Gedanken ausdrücken. Wie kann man dann aber sagen, dass sie dasselbe bedeuten? Als Antwort unterscheidet Frege zwischen Sinn und Bedeutung eines Ausdrucks. Die beiden Gleichungen haben verschiedenen Sinn, aber dieselbe Bedeutung. Inwiefern hängt aber der Begriff der Funktion mit dem Begriff des Begriffs zusammen? Den Zusammenhang erläutert Frege so: Der Wert der Funktion x2 = 1 ist für beispielsweise das Argument -1 das Wahre. Dieser Sachverhalt lässt sich aber auch auf andere Weise ausdrücken, nämlich: [...]: “die Zahl -1 hat die Eigenschaft, daß ihr Quadrat 1 ist”, oder kürzer: “-1 ist eine Quadratwurzel aus 1”, oder “-1 fällt unter den Begriff der Quadratwurzel aus 1”. Wenn der Wert der Funktion x2 = 1 für ein Argument, z. B. 2, das Falsche ist, so werden wir das so ausdrücken können: “2 ist nicht Quadratwurzel aus 1” oder “2 fällt nicht unter den Begriff Quadratwurzel aus 1”. Wir sehen daraus, wie eng das, was in der Logik Begriff genannt wird, zusammenhängt mit dem, was wir Funktion nennen. Ja, man wird geradezu sagen können: ein Begriff ist eine Funktion, deren Wert immer ein Wahrheitswert ist.8

Von den Gleichungen und Ungleichungen geht Frege über zu den Behauptungssätzen. Das ist kein großer Sprung, denn Gleichungen bzw. Ungleichungen haben ja schon die Form von Behauptungssätzen. Ein Behauptungssatz enthält als Sinn einen Gedanken – oder macht wenigstens Anspruch darauf, einen zu enthalten –; und dieser Gedanke ist im allgemeinen wahr oder falsch; d. h. er hat im allgemeinen einen Wahrheitswert, der ebenso als Bedeutung des Satzes aufzufassen ist, wie etwa die Zahl 4 die Bedeutung des Ausdruckes “2+2” ist, oder wie London die Bedeutung des Ausdrucks “Englands Hauptstadt” ist.9

7

Ebd., 26. Ebd., 27f. 9 Ebd., 28f. 8

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Behauptungssätze lassen sich, wie Gleichungen, in zwei Teile zerlegen. Der eine Teil ist in gewissem Sinne “unvollständig”, das heißt: er enthält eine Leerstelle, die nur durch einen singulären Term ausgefüllt werden kann. Die Bedeutung des unvollständigen Teils nennt Frege auch hier eine “Funktion”. Die Bedeutung des anderen Teils ist ein beliebiger Gegenstand. Zum Beispiel: (8) Caesar eroberte Gallien. Der unvollständige Teil in diesem Satz ist “eroberte Gallien”. Caesar ist das Argument, der Wert ist das Wahre. Wir können sagen: Ein Begriff ist für Frege eine Funktion, dessen Ausdruck, wenn vervollständigt, einen Behauptungssatz ergibt. “Unvollständig” sind aber nicht nur manche Ausdrücke, sondern auch das, was diese Ausdrücke bezeichnen, also die Funktionen: “[D]ie Funktion für sich allein ist unvollständig, ergänzungsbedürftig oder ungesättigt zu nennen.”10 Auch bestimmte Beschreibungen zerlegt Frege in einen in sich geschlossenen und einen ungesättigten Teil, z. B.: “die Hauptstadt des deutschen Reiches”. Der ungesättigte Teil ist “die Hauptstadt des”, das Argument ist das deutsche Reich, und der Wert ist Berlin. Auf diese Weise kommt Frege auch zu einer Explikation des Begriffes “Gegenstand”: “Gegenstand ist alles, was nicht Funktion ist, dessen Ausdruck also keine leere Stelle mit sich führt.”11 Funktionen, respektive Begriffe, sind demnach keine Gegenstände. Wahrheitswerte hingegen sind Gegenstände, da sie nicht “ungesättigt” sind; die Ausdrücke “das Wahre” und “das Falsche” enthalten keine Leerstellen. Man kann auch Funktionen bilden, deren Argumente nicht Gegenstände, sondern selbst wieder Funktionen sind. Eine solche Funktion ist zum Beispiel (9) x (_x). Die Leerstelle in diesem Funktionsausdruck kann nur mit einem anderen Funktionsausdruck aufgefüllt werden, etwa mit “Fx”12. Die Funktion Fx ist 10

Ebd., 21f. Ebd., 30. 12 Genau genommen ist die Leerstelle in (9) natürlich nur mit “F” aufzufüllen – und nicht mit “Fx”, denn der vervollständigte Ausdruck soll ja “x (Fx)” sein. Daher fungiert “x” an dieser Stelle nicht mehr als Variable (also als Zeichen, das ein anderes Zeichen “unbestimmt andeutet”, wie Frege sagt), denn wenn es so wäre, dann dürfte 11

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also ein Argument der Funktion (9). Der Wert der Funktion für dieses Argument ist wiederum entweder das Wahre oder das Falsche. Funktionen, deren Argumente selbst wieder Funktionen sind, nennt Frege Funktionen zweiter Stufe. Funktionen zweiter Stufe, die Begriffe sind, nennt Frege konsequenterweise Begriffe zweiter Stufe. Ein Begriff zweiter Stufe ist also eine Funktion, deren Argumente wiederum Funktionen sind. Existenz ist eine solche Funktion. Also ist Existenz ein Begriff zweiter Stufe. Frege selbst erläutert das wie folgt: Existenz ist nicht eine Eigenschaft von Gegenständen, sondern eine Eigenschaft von Begriffen. In dem Satze “es gibt mindestens eine Quadratwurzel aus 4” wird nicht etwa von der bestimmten Zahl 2 etwas ausgesagt, noch von -2, sondern von einem Begriffe, nämlich Quadratwurzel aus 4, daß dieser nicht leer sei.13

Wenn man sagt “Es gibt ein F”, dann drückt man aus, dass ein Begriff (F) unter einen anderen Begriff höherer Stufe (Existenz) fällt. Begriff und Gegenstand Freges Behauptung, Begriffe (bzw. Funktionen im Allgemeinen) seien keine Gegenstände, ist schon früh auf Kritik gestoßen. Die Gegenposition lautet, dass Begriffe nichts anderes als eine besondere Art von Gegenständen seien. Frege meint, der Unterschied zwischen Begriffen und Gegenständen werde auf der Ebene der Sprache dadurch sichtbar, dass Gegenstände durch singuläre Terme, Begriffe jedoch durch Begriffswörter bezeichnet werden. Ein Begriffswort kann im Satz nur die Stelle des Prädikats einnehmen, niemals die Stelle eines Subjekts. Dagegen kann man allerdings einwenden, dass es anscheinend ein Leichtes ist, singuläre Terme für Begriffe zu bilden, zum Beispiel “der Begriff Pferd”. Der singuläre Term “der Begriff Pferd” kann selbstverständlich in einem Satz die Stelle des Subjekts einnehmen, zum Beispiel in (10) Der Begriff Pferd ist nicht leer. es bei der Einsetzung in “x (_x)” nicht einfach verschwinden. Vielmehr deutet das “x” hier nur an, wie das Funktionszeichen zu vervollständigen ist. Ich verdanke diesen wichtigen Hinweis Werner Sauer, der mich auch darauf aufmerksam machte, dass Frege selbst später diese beiden Rollen des “x” durch Verwendung verschiedener Symbole kenntlich machte. Aber ich schließe mich hier aus Einfachheitsgründen Freges mehrdeutigem Gebrauch des “x” in Frege 1891 an. 13 Frege 1892, 73f.

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Frege entgegnet darauf: Ganz recht! Die drei Worte “der Begriff Pferd” bezeichnen einen Gegenstand, aber eben darum keinen Begriff, wie ich das Wort gebrauche. Dies stimmt vollkommen mit dem von mir gegebenen Kennzeichen überein, wonach beim Singular der bestimmte Artikel immer auf einen Gegenstand hinweist, während der unbestimmte ein Begriffswort begleitet.14

Frege gesteht ein, dass eine gewisse “sprachliche Härte” vorliege, wenn man behauptet, dass der Begriff Pferd kein Begriff ist.15 Aber die sprachliche Härte ist nur ein Symptom für ein tiefer liegendes Problem. Dieses besteht darin, dass es – folgt man Frege – offenbar unmöglich ist, über einzelne Begriffe zu sprechen, beispielsweise von einem Begriff zu sagen, dass er leer bzw. nicht leer ist. Denn “_ ein Pferd ist nicht leer” ist kein wohlgeformter Satz, weil “_ ein Pferd” kein singulärer Term ist, an der Stelle von “_ ein Pferd” in “_ ein Pferd ist nicht leer” aber ein singulärer Term stehen müsste, damit ein wohlgeformter Satz entstünde. Sobald man aber “_ ein Pferd” in diesem Kontext durch einen singulären Term ersetzt – zum Beispiel durch “der Begriff Pferd” oder “das, was der Ausdruck ‘_ ein Pferd’ bezeichnet” – spricht man, laut Frege, nicht mehr über einen Begriff, sondern über einen Gegenstand. Es scheint aber, dass man Begriffen wahrheitsgemäß Prädikate zusprechen kann – “ist leer” und “ist nicht leer” zum Beispiel. Es hilft auch nicht, den Ausdruck “der Begriff Pferd” zu ersetzen durch “was ‘Pferd’ bedeutet”. Freilich könnte man argumentieren, dass “was ‘Pferd’ bedeutet” synonym ist mit “(ein) Pferd”, und “(ein) Pferd” ist kein singulärer Term, sondern ein Prädikatausdruck. In der Tat ist der Ausdruck “was ‘Pferd’ bedeutet” mehrdeutig. Er kann interpretiert werden als synonym mit dem Prädikatausdruck “(ein) Pferd”; er kann aber auch interpretiert werden als synonym mit dem singulären Term “der Begriff Pferd”. Aber das löst nicht das Problem, dass es ohne singuläre Terme für Begriffe nicht möglich ist, einem Begriff eine Eigenschaft zuzusprechen. Man vergleiche die folgenden drei Sätze: (11) Was “Pferd” bedeutet, ist ungesättigt. (11a) Der Begriff Pferd ist ungesättigt. (11b) Ein Pferd ist ungesättigt.

14

Ebd., 69. Ebd., 71.

15

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(11a) und (11b) sind mögliche Interpretationen von (11). Gemäß Frege muss (11a) wahr sein, aber (11b) ist ein Kategorienfehler-Unsinn (vorausgesetzt natürlich, das Prädikat “ungesättigt” in (11b) bedeutet die Ungesättigtheit eines Begriffs und nicht das Hungergefühl eines Lebewesens, das durch einen Sack Hafer zu stillen wäre). Also: Entweder der Ausdruck “was ‘Pferd’ bedeutet” wird als singulärer Term interpretiert; dann würde er, nach Frege einen Gegenstand bezeichnen und nicht einen Begriff. Oder der Ausdruck “was ‘Pferd’ bedeutet” wird als Prädikatausdruck “(ein) Pferd” interpretiert; dann bezeichnet er, nach Frege, einen Begriff, aber er kann nicht verwendet werden, um von einem Begriff zu sagen, dass er ungesättigt ist. Und damit sind wir keinen Schritt weiter als mit dem Ausdruck “der Begriff Pferd”.16 Nach Frege kann ein Begriff kein Gegenstand sein, weil jeder Gegenstand “vollständig” ist; Begriffe sind “ungesättigt” bzw. “unvollständig”, und daher können sie keine Gegenstände sein. Diese Explikation des Terminus “Gegenstand” ist sehr eigenwillig, und es fragt sich, warum man ihr folgen soll. Fast könnte man den Eindruck haben, dass Frege sich in diesem Fall von einer von ihm selbst erdachten Metapher zu sehr beeindrucken ließ. Denn was heißt es eigentlich, dass eine Funktion “ungesättigt”, “unvollständig” ist? Heißt es nur, dass durch Hinzufügung von etwas anderem etwas Drittes entsteht? – Versuchen wir, Freges Metapher weiterzuführen: Ein längliches Stück Holz mit einem Loch kann durch Ausfüllen des Loches mit einem Stück Metall oder Stein zu einer Axt vervollständigt werden. Ist der Axtstiel nun etwas “Unvollständiges”, “Ungesättigtes” im Sinne Freges? Das ist wohl kaum anzunehmen. Freilich ist ein Stiel ohne Klinge in gewissem Sinn unvollständig. Dennoch ist der Stiel selbstverständlich ein Gegenstand. Ein Stiel ohne Klinge ist natürlich keine vollständige Axt, aber doch ein vollständiger Stiel; und auch ein Stiel ist ein Gegenstand. Daraus, dass aus einer Funktion durch Hinzufügung von etwas anderem etwas Drittes entstehen kann, würde also nicht folgen, dass eine Funktion kein Gegenstand ist. Natürlich muss die 16

Werner Sauer verdanke ich den Hinweis, dass Frege selbst später aus diesem Problem die Konsequenz zog, dass “Begriff” und “Funktion” in einer logisch korrekten Sprache nicht als Begriffswörter vorkommen dürfen. Das bestätigt meine Auffassung, dass das Begriff-Pferd-Paradoxon mehr ist als nur ein oberflächliches Sprachproblem. Es wirft aber auch die Frage nach etwaigen Konsequenzen für Freges Theorie der Bedeutung auf. Schließlich bezeichnet Frege in Frege 1892 Begriffe als die Bedeutungen (= Referenten) von Begriffswörtern. Ich lasse es hier dahingestellt, inwieweit diese Theorie in einer Sprache ohne das Wort “Begriff” (oder irgendwelche Synonyme dafür) noch formulierbar ist.

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“Unvollständigkeit” einer Funktion von anderer Art sein als die Unvollständigkeit eines Stiels ohne Klinge. Aber warum soll etwas, das in irgendeinem Sinn unvollständig ist, deshalb kein Gegenstand sein? Freilich kann man die terminologische Entscheidung treffen, Funktionen nicht “Gegenstände” zu nennen. Aber man kann sich auch anders entscheiden. Ich selbst verwende den Terminus “Gegenstand” als allgemeinsten Begriff, der alles einschließt. Eine Definition von “Gegenstand” lautet: (G) x (x ist ein Gegenstand  F (Fx)). (G) könnte wie folgt paraphrasiert werden: “x ist ein Gegenstand genau dann, wenn x eine Eigenschaft hat”; oder: “x ist ein Gegenstand genau dann, wenn es ein Prädikat gibt, das x wahrheitsgemäß zugesprochen werden kann”; oder: “x ist ein Gegenstand genau dann, wenn x irgendwie bzw. irgendetwas ist”. Das “F” in (G) ist natürlich eine Prädikatvariable, also eine Variable, für die Prädikatausdrücke einzusetzen sind. Prädikatausdrücke bezeichnen nichts. Nur singuläre Terme haben die Funktion, etwas zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Frege sage ich also nicht, dass zum Beispiel der Ausdruck “_ ist ein Pferd” einen Begriff bezeichnet (bzw., in Freges Terminologie: dass die Bedeutung dieses Ausdrucks ein Begriff ist). Ich sage, gerade im Gegenteil, dass nur ein singulärer Term – also zum Beispiel “der Begriff Pferd”, oder auch “der Begriff ‘_ ist ein Pferd’” – einen Begriff bezeichnen kann. Insofern schließe ich mich Freges Kriterium an, wonach es ein Kennzeichen eines Gegenstandes ist, dass er durch einen singulären Term bezeichnet werden kann. Frege’sche Begriffe sind zweifellos Gegenstände im Sinne von (G). Freges Analyse des Existenzbegriffs ist aber unabhängig von seiner Explikation des Gegenstandsbegriffs. Man kann also durchaus seine Explikation des Gegenstandsbegriffs ablehnen und zugleich seine Analyse des Existenzbegriffs akzeptieren; und das ist die Position, für die ich plädiere. Mit anderen Worten: Ich folge Frege darin, Existenz als Prädikat zweiter Stufe zu betrachten; aber ich verwende den Terminus “Gegenstand” in einem weiteren Sinn als Frege, nämlich so, dass er auch “Ungesättigtes” einschließt. Sollen singuläre Existenzsätze aus der Sprache verbannt werden? Freges Analyse des Existenzbegriffs bezieht sich auf generelle Existenzsätze. Was ergibt sich daraus für das Problem der singulären Existenzsätze? – Freges Position dazu ist klar: Singuläre Existenzsätze sollte es eigentlich gar

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nicht geben. Denn ein singulärer Existenzsatz ist nicht wohlgeformt. Existenz ist ein Begriff zweiter Stufe, ein Prädikat von Prädikaten, nicht ein Prädikat von Individuen. Wer also einem Individuum Existenz zu- oder abspricht, missachtet die Regeln der logischen Grammatik. Leider lassen die Grammatiken unserer natürlichen Sprachen Verstöße gegen die logische Grammatik zu. In einer von den Mängeln der natürlichen Sprachen gereinigten Sprache würde es keine singulären Existenzsätze mehr geben. Die Lösung des Problems der singulären Existenzsätze kann also nur darin bestehen, dass die natürlichen Sprachen so modifiziert werden, dass die Bildung singulärer Existenzsätze gar nicht mehr zugelassen wird. So weit Freges Auffassung. Nun ist es aber eine Tatsache, dass singuläre Existenzsätze in verschiedenen Diskursen eine Rolle spielen, dass sie nicht nur geäußert, sondern auch verstanden werden. Man kann also nicht einfach sagen, dass singuläre Existenzsätze nicht wohlgeformte und daher sinnlose sprachliche Gebilde sind. Es mag sein, dass singuläre Existenzsätze Regeln der logischen Grammatik verletzen; aber dennoch verbinden wir einen Sinn mit ihnen. Wenn also singuläre Existenzsätze nicht wohlgeformt sind, dann muss es möglich sein, sie durch andere, wohlgeformte Sätze zu ersetzen, die jenen Sinn ausdrücken, den wir bisher – in unkorrekter Weise – durch singuläre Existenzsätze ausgedrückt haben. Die Plausibilität der These, dass Existenz ein Begriff zweiter Stufe ist und daher singuläre Existenzsätze nicht wohlgeformt sind, hängt nicht zuletzt daran, ob und inwieweit es möglich ist, Ersatz für jene singulären Existenzsätze zu finden, die uns in naiver Einstellung so sinnvoll erscheinen. Betrachten wir einige Beispiele: (11) (12) (13) (14)

Pegasus existiert nicht. Das runde Viereck existiert nicht. Das Perpetuum mobile existiert nicht. Die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, existiert noch nicht. (15) Der Jungbrunnen existiert. (16) Die Arche Noah existiert. (17) Die Sowjetunion existiert nicht mehr.

Nach Frege könnte in einer idealen Sprache keiner dieser Sätze mehr gebildet werden. Und doch wollen wir mit diesen Sätzen etwas ausdrücken; und die ideale Sprache sollte das erlauben. Es kommt also darauf an, für das, was mit diesen Sätzen ausgedrückt werden soll, eine Form zu finden, in der Existenz nicht mehr als Prädikat erster Stufe auftritt.

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Russells Kennzeichnungstheorie Ein diesbezüglicher Vorschlag ist Russells Theorie der Kennzeichnungen (auch “Theorie der bestimmten Beschreibungen” genannt). Russells Kennzeichnungstheorie ist nichts anderes als eine Analyse bestimmter Beschreibungen. Eine bestimmte Beschreibung ist ein Ausdruck der Form “der/die/ das Soundso”, also eine Beschreibung, in welcher ein bestimmter Artikel vorkommt, der darauf hinweist, dass von einem, und nur von einem, Gegenstand die Rede ist. Russell gibt eine Definition bestimmter Beschreibungen, indem er eine Paraphrasierung von Sätzen, die bestimmte Beschreibungen enthalten, in Sätze, die keine bestimmten Beschreibungen enthalten, vorschlägt. Der Satz (18) Der gegenwärtige König von Frankreich hat eine Glatze. ist gemäß Russells Kennzeichnungstheorie wie folgt zu verstehen: (19) Es gibt genau eine Entität, die jetzt König von Frankreich ist und eine Glatze hat. Russells Analyse besteht also darin, die Kennzeichnungen zu eliminieren. Die Paraphrasierung (19) des Satzes (18) enthält keine Kennzeichnung mehr; sie enthält überhaupt keinen singulären Term, sondern ausschließlich allgemeine Terme (“ist König von Frankreich”, “hat eine Glatze”), sowie einen Existenzquantor (“Es gibt eine Entität ...”) und einen Ausdruck für die Einzigkeitsbedingung (“genau eine”). Aus einem Satz der Form “Fa”, einer Prädikation, ist eine Existenzquantifikation geworden. Diese Analyse lässt sich unschwer auf einen singulären Existenzsatz wie (12) Das runde Viereck existiert nicht. anwenden. Wir erhalten: (12a) ¬x ((x ist ein rundes Viereck & y (y ist ein rundes Viereck  y = x)). In diesem Fall verwandelt die Russell’sche Paraphrasierung einen singulären Existenzsatz in einen allgemeinen Existenzsatz. Satz (12a) ist keine Prädikation und wirft daher auch nicht die Frage auf, wie man einem Gegenstand Existenz absprechen kann, ohne den Gegenstand als existierend anzunehmen. Es ist ganz klar, dass hier kein Gegenstand als existierend angenommen wird; es ist gar nicht von einem bestimmten Gegenstand die Rede. Es ist auch klar, dass hier keinem Gegenstand Existenz abgesprochen wird; es wird

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hier nämlich keine Eigenschaft zu- und auch nicht abgesprochen. Ganz im Sinne Freges wird hier Existenz als Prädikat zweiter Stufe behandelt. So wird das Problem der singulären Existenzsätze vermieden. Die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen Das Problem der singulären Existenzsätze könnte freilich nur dann als gelöst gelten, wenn jeder singuläre Existenzsatz gemäß Russells Kennzeichnungstheorie durch einen allgemeinen Existenzsatz ersetzbar wäre. Dem steht entgegen, dass nicht alle singulären Existenzsätze Kennzeichnungen als singuläre Terme enthalten. Nicht wenige enthalten auch Eigennamen, zum Beispiel: (11) Pegasus existiert nicht. Auf Sätze dieser Art lässt sich Russells Kennzeichnungstheorie nicht anwenden, jedenfalls nicht direkt. Es gibt zwei Möglichkeiten zur Umgehung dieser Schwierigkeit: Entweder der Eigenname wird durch eine bestimmte Beschreibung ersetzt; oder es wird aus dem Eigennamen ein künstliches Prädikat gebildet. Ein solches künstliches Prädikat könnte etwa mit Hilfe der Identität gebildet werden; dem Namen “Pegasus” würde dann das Prädikat “ist identisch mit Pegasus” entsprechen. Man könnte aber auch, Quines Vorschlag folgend, ein künstliches Verbum bilden, etwa “pegasieren”.17 Entsprechend würde dann die Russell’sche Paraphrasierung von (11) eine der beiden folgenden Formen annehmen: (11a) ¬x (x ist identisch mit Pegasus). (11b) ¬x (x pegasiert). Beide Wendungen setzen allerdings ein Verständnis des Eigennamens “Pegasus” voraus, um ihrerseits verständlich zu sein. Sie können daher, für sich genommen, nicht als geglückte Verfahren zur Eliminierung des Eigennamens gelten, auch wenn die beiden Sätze (11a) und (11b) formal keinen Eigennamen mehr enthalten. Etwas anderes ist es, wenn der Name “Pegasus” als bloße Abkürzung einer bestimmten Beschreibung oder eines Bündels von bestimmten Beschreibungen betrachtet wird. Dann kann das Prädikat “ist identisch mit Pegasus” bzw. das Prädikat “pegasiert” seinerseits als bloße Abkürzung aufgefasst werden, als Abkürzung nämlich für “ist identisch mit etwas, das die-und-die Eigenschaften hat” bzw. einfach für “hat die-und-die Eigenschaften”. In die17

Quine 1953b.

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sem Fall könnte man “Pegasus” aber auch gleich durch die betreffende Beschreibung bzw. die betreffenden Beschreibungen ersetzen und Russells Kennzeichnungstheorie in gewohnter Weise anwenden. Ich beziehe mich auf die Auffassung, dass jeder Name eine bloße Abkürzung für eine bestimmte Beschreibung ist, als die “Kennzeichnungstheorie der Eigennamen”. Gemäß der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen sind Eigennamen in einer idealen Sprache überflüssig. Selbst in den natürlichen Sprachen wären sie verzichtbar. Sie dienten lediglich zur Erleichterung der Kommunikation, weil sie uns die Formulierung möglicherweise langer und umständlicher Beschreibungen ersparen. Die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen zusammen mit Russells Theorie der Kennzeichnung läuft auf eine fast vollständige Eliminierung singulärer Terme hinaus (vielleicht mit Ausnahme einiger indexikalischer Ausdrücke wie “ich”, “jetzt”, “dieses”). Probleme der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen Gegen die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen gibt es mehrere Einwände: 1. Nicht selten verwenden wir Eigennamen, deren Träger wir nicht durch eine oder mehrere bestimmte Beschreibungen identifizieren können, weil wir über keine bestimmten Beschreibungen verfügen. Wir können uns mit einem Bekannten über eine Person unterhalten, von der wir vielleicht nur wissen, dass sie männlich ist, “Miller” heißt, amerikanischer Staatsbürger ist und mit unserem Bekannten Geschäfte macht. Es ist leicht möglich, dass unser Bekannter mit mehr als einem männlichen amerikanischen Staatsbürger Geschäfte macht. In diesem Fall wären wir außerstande, eine bestimmte Beschreibung anzugeben, die den Namen “Miller” ersetzen könnte. Selbstverständlich können wir stets aus einem Namen eine bestimmte Beschreibung konstruieren, zum Beispiel: “die Person, die Miller genannt wird”. Aber für solche Beschreibungen wäre Russells Kennzeichnungstheorie extrem unplausibel. Kaum jemand, der den Namen “Miller” verwendet, wird ernstlich behaupten wollen, dass es eine, und nur eine, Person gibt, die “Miller” genannt wird.18 Wer behauptet, dass Homer existierte, wird damit kaum behaupten wollen, dass genau eine Person “Homer” genannt wurde. In diesem Fall ist wohl eher gemeint, dass es einen und nur einen Verfasser der Odyssee gab; und es ist irrelevant, ob der Verfasser der Odyssee “Homer” genannt wurde. 18

Vgl. auch Moore 1933, 60–70.

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III. Ontologie und Logik

2. Sehr oft verfügen wir über mehr als eine bestimmte Beschreibung, die als Ersatz für einen Namen verwendet werden könnte. Wenn der Name eine Abkürzung für eine oder mehrere bestimmte Beschreibungen sein soll, dann fragt es sich, für welche dieser bestimmten Beschreibungen er steht. Nachdem wir – in den meisten Fällen – über keine diesbezüglichen definitorischen Festlegungen verfügen, ist es schwierig, diese Frage ohne Willkür zu entscheiden. 3. Oft verfügen verschiedene Verwender ein und desselben Namens über verschiedene Kennzeichnungen zur Beschreibung des benannten Gegenstandes. Demgemäß hätte der Name für verschiedene Verwender jeweils verschiedenen Sinn. Namen wären demgemäß extrem mehrdeutig, und es fragt sich, wie unter diesen Voraussetzungen überhaupt Kommunikation möglich ist. Wieso verstehen wir uns, wenn wir Namen verwenden, die doch für jeden von uns etwas anderes bedeuten? Zum Beispiel könnte der Name “Lemberg” für einen Sprecher S1 die Kennzeichnung “der Geburtsort Alexius Meinongs” abkürzen und für einen anderen Sprecher S2 “die Stadt, die 1772 an Österreich kam und Sitz des Statthalters von Galizien war”, und es könnte sein, dass diese beiden Sprecher nicht über die betreffende Kennzeichnung des jeweils anderen verfügen. Wenn diese beiden über Lemberg sprechen, und wenn S1 statt des Namens die Kennzeichnung “der Geburtsort Meinongs” und S2 statt des Namens die Kennzeichnung “die Stadt, die 1772 an Österreich kam” verwenden würden, dann würden sie sich nicht verstehen. Sie wüssten nicht, wovon der jeweils andere spricht. Aber wenn sie den Namen “Lemberg” verwenden, dann entsteht kein Kommunikationsproblem. S1 könnte etwa sagen, dass Lemberg heute in der Ukraine liegt, und S2 würde ihn verstehen; S2 könnte sagen, dass Lemberg heute über 800.000 Einwohner hat, und S1 würde ihn verstehen. 4. Der Satz “Lemberg ist der Geburtsort Meinongs” ist keine Tautologie. Aber der Satz “Der Geburtsort Meinongs ist der Geburtsort Meinongs” ist eine Tautologie.19 Je größer die Zahl der Kennzeichnungen ist, für die ein Na19

Werner Sauer bringt gegen dieses Argument folgenden Einwand vor: Wenn der Satz “Der Geburtsort Meinongs ist der Geburtsort Meinongs” gemäß Russells Kennzeichnungstheorie interpretiert wird, dann ist er keine Tautologie. (Denn: “Es gibt genau einen Geburtsort Meinongs” ist natürlich nur kontingenterweise wahr.) Das heißt: Ich setze hier etwas voraus, was gemäß Russells Kennzeichnungstheorie falsch ist, nämlich dass “der Geburtsort Meinongs” ein genuiner singulärer Term ist. Das setze ich tatsächlich voraus, aber ich meine, dass das in diesem Kontext kein

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me als bloße Abkürzung steht, desto größer ist die Zahl der Prädikationen, die tautologisch sind. Wenn Eigennamen aufgefasst werden als Abkürzungen für die Gesamtheit der Beschreibungen, die auf den benannten Gegenstand zutreffen, dann wird überhaupt jede Prädikation eine Tautologie. Es gibt aber doch offenbar nicht-tautologische Prädikationen. Eine modifizierte Theorie der Eigennamen: Deskriptiver und nicht-deskriptiver Gebrauch Alle diese Einwände gegen die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen sind gerechtfertigt. Dennoch liegt der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen eine wichtige Einsicht zugrunde. Diese Einsicht lautet, dass die erfolgreiche Verwendung eines Eigennamens ebenso wie das Verstehen eines Eigennamens die Fähigkeit voraussetzt, den Träger des Namens zu identifizieren. Man kann nicht über etwas sprechen, ohne zu wissen, worüber man spricht. Eine adäquate Theorie der Eigennamen muss dieser Einsicht Rechnung tragen und zugleich jene Fehler der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen vermeiden, die Anlass zu den obigen Einwänden geben. Es gibt eine solche Theorie. Sie stammt von Gareth Evans.20 Evans unterscheidet zunächst deskriptiven Gebrauch von Eigennamen von nicht-deskriptivem Gebrauch. Der deskriptive Gebrauch eines Eigennamens entspricht sehr genau einer einfachen Version der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen. Es gibt Fälle solchen deskriptiven Gebrauchs, aber es handelt sich um Sonderfälle des Gebrauchs von Eigennamen. So ein Sonderfall liegt etwa vor, wenn man sagt: “Nennen wir den Erfinder des Reißverschlusses ‘Julius’ ...” Das sind Fälle, in denen durch die Art der Einführung des referentiellen Ausdrucks klar ist, dass der Ausdruck nichts weiter ist als eine Abkürzung für eine ganz bestimmte Kennzeichnung. In solchen Fällen kann das Verstehen des betreffenden referentiellen Ausdrucks nur darin bestehen, dass der Hörer die richtige Kennzeichnung denkt. Kein anderer Gedanke – und sei es auch der einer anderen bestimmten Beschreibung, die (um beim Beispiel zu bleiben) auf den Erfinder des Reißverschlusses zutrifft – wäre, streng genommen, adäquat. Daran erkennt man aber auch gleich die Besonderheit des Fehler ist. Denn hier steht ja nicht Russells Theorie der Kennzeichnungen zur Diskussion, sondern die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen; und diese lässt es ja zunächst offen, wie Kennzeichnungen zu interpretieren sind. 20 Evans 31992, besonders Kap. 9 (“Communication and Information”).

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III. Ontologie und Logik

Falles. Denn im gewöhnlichen Gebrauch referentieller Ausdrücke ist es für das Verstehen hinreichend, den gemeinten Gegenstand in irgendeiner Weise identifizieren zu können, egal in welcher Weise. Genau das – das Identifizieren eines Gegenstandes in irgendeiner Weise – macht den nicht-deskriptiven Gebrauch von Eigennamen aus. Evans formuliert das gemeinsame Charakteristikum der nicht-deskriptiven Verwendung von referierenden Ausdrücken auf Seite 305 wie folgt: “In order to understand an utterance containing a referring expression used in this way, the hearer must link up the utterance with some information in his possession.” Diese “Information”, mit welcher der Hörer die Äußerung des Sprechers verbinden muss, kann von verschiedener Art sein: Es kann eine aktuelle Wahrnehmung sein; es kann eine Erinnerung an eine Wahrnehmung sein; oder es kann etwas sein, das der Hörer früher gelesen oder gehört hat. Auf jeden Fall muss die verfügbare Information den Hörer befähigen, den betreffenden Gegenstand zu identifizieren. Es ist aber nicht festgelegt, auf welche Weise der Gegenstand identifiziert wird. Es ist durchaus möglich, dass Sprecher und Hörer den Gegenstand auf verschiedene Weise identifizieren. Das stört die Kommunikation nicht, so lange derselbe Gegenstand identifiziert wird. Ebenso kann freilich ein und derselbe Sprecher bei verschiedenen Gelegenheiten ein und denselben Gegenstand auf verschiedene Weise identifizieren. Beim nicht-deskriptiven Gebrauch eines Namens ist es ganz irrelevant, ob der Hörer den gemeinten Gegenstand auf dieselbe Weise identifiziert wie der Sprecher. Der Sprecher muss nicht erwarten, dass der Hörer überhaupt in der Lage ist, den gemeinten Gegenstand auf dieselbe Weise zu identifizieren wie er selbst. Er kann sogar wissen, dass der Hörer dazu nicht in der Lage ist. Er muss nur voraussetzen, dass der Hörer in der Lage ist, den gemeinten Gegenstand irgendwie zu identifizieren. Umgekehrt muss der Hörer nicht danach streben, den gemeinten Gegenstand auf dieselbe Weise zu identifizieren wie der Sprecher. Es kann ihm ganz gleichgültig sein, auf welche Weise der Sprecher den betreffenden Gegenstand identifiziert hat. Er muss lediglich herausfinden, welcher der gemeinte Gegenstand ist. Das bedeutet, dass Namen nicht “versteckte Kennzeichnungen”, bloße Abkürzungen für bestimmte Beschreibungen sind, und zwar aus zwei Gründen: 1. Unter bestimmten Umständen kann ein Gegenstand auch dann identifiziert werden, wenn keine bestimmte Beschreibung für den Gegenstand verfügbar ist. Das ist dann der Fall, wenn die Identifizierung auf einer Wahrnehmung beruht. Wenn ein Gegenstand gerade wahrgenommen wird, dann ist zu

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seiner Identifizierung keine Beschreibung nötig. Freilich wäre es in einem solchen Fall leicht möglich, eine Beschreibung zu formulieren, z. B.: “das Ding, das sich jetzt in der Mitte meines Gesichtsfeldes befindet”, “der Mann rechts neben der Türe” etc. Aber die Beschreibungen sind offenbar nicht notwendig zur Identifizierung des betreffenden Gegenstandes. Vielmehr ist der Gegenstand schon vorab identifiziert, und zwar durch Wahrnehmung. Dasselbe gilt, wenn ein Gegenstand zwar nicht aktuell wahrgenommen wird, wenn er aber einmal wahrgenommen wurde, und wenn diese Wahrnehmung erinnert wird. In solchen Fällen ist es nicht mehr so einfach, identifizierende Beschreibungen zu geben, denn solche Beschreibungen müssen sehr oft eine Identifikation der erinnerten Wahrnehmungssituation beinhalten, zum Beispiel: “der Mann mit dem Vollbart, den ich voriges Jahr bei der Weihnachtsfeier im Büro gesehen habe”. Aber sehr oft können wir uns zwar an Wahrnehmungen erinnern, sind aber nicht in der Lage anzugeben, wann und wo wir diese Wahrnehmungen hatten. Aber eine Beschreibung der Art “ein Mann mit Bart, den ich irgendwann gesehen habe” ist wohl in den meisten Fällen zu unspezifisch für eine identifizierende Beschreibung. Glücklicherweise ist in einem solchen Fall die Verfügbarkeit einer identifizierenden Beschreibung keine notwendige Bedingung für eine gelungene Referenz. Es genügt, wenn eine Wahrnehmungssituation erinnert wird, die identifizierend war. Es ist nicht erforderlich, für diese Situation auch noch eine identifizierende Beschreibung zu haben. Selbst wenn jemand grundsätzlich in der Lage ist, eine identifizierende Beschreibung anzugeben, ist es in vielen Fällen so, dass die Identifizierung des Gegenstandes nicht über die Beschreibung, sondern über Wahrnehmungserinnerungen erfolgt. Das zeigt die Erfahrung. Wenn wir uns über Personen, Orte oder Dinge unterhalten, gelingt es uns meist mühelos, zu verstehen, wen oder was der andere meint. Aber wenn wir eine identifizierende Beschreibung des Gemeinten geben sollen, müssen wir oft sehr lange nachdenken, Ordnung ins Chaos unserer Wahrnehmungserinnerungen bringen. Selbstverständlich ist es für das Gelingen der Kommunikation nicht erforderlich, dass Sprecher und Hörer dieselben Wahrnehmungen erinnern. Es genügt, wenn sie beide denselben Gegenstand identifizieren. Das kann durch völlig verschiedene Wahrnehmungserinnerungen geschehen. Um also einen Namen sinnvoll verwenden bzw. verstehen zu können, ist es nicht nötig, mit dem Namen eine oder mehrere bestimmte Beschreibungen zu verbinden. Es genügt, wenn mit dem Namen Wahrnehmungen bzw. Wahrnehmungserinnerungen verbunden sind. Die Verwendung von Namen

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III. Ontologie und Logik

ist also keineswegs an das Vorhandensein bestimmter Beschreibungen gebunden. Schon alleine aus diesem Grund ist die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen zu verwerfen. 2. Es muss hier überhaupt nicht entschieden werden, wie wichtig die Identifizierung durch Wahrnehmung bzw. Wahrnehmungserinnerung für das Verstehen und den Gebrauch von Namen ist. Selbst wenn es tatsächlich keine auf Wahrnehmung gegründete Identifizierung von Individuen geben würde, wenn jede Identifizierung stets auf einer oder mehreren bestimmten Beschreibungen beruhen würde, wäre die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen abzulehnen. Wenn ein Name so verwendet wird, dass es ganz gleichgültig ist, welche bestimmte Beschreibung bzw. Beschreibungen ein Sprecher bzw. Hörer mit dem Namen verbindet (so lange nur der richtige Gegenstand getroffen wird), dann kann es nicht zutreffen, dass der Name nur eine Abkürzung für eine oder mehrere bestimmte Beschreibungen ist. Namen, so lange sie nicht-deskriptiv gebraucht werden, sind nicht durch Beschreibungen definiert – selbst wenn das, was Verwender und Hörer des Namens denken, stets einer Beschreibung entspricht. Ich fasse zusammen: Namen können deskriptiv und nicht-deskriptiv gebraucht werden. Ein Name, der deskriptiv gebraucht wird, ist tatsächlich als bloße Abkürzung für eine bestimmte Beschreibung eingeführt; er ist durch diese Beschreibung definiert, und daher bestimmt diese Beschreibung die Grenzen seiner Verwendung. Wenn der Name “Julius” als Abkürzung für “der Erfinder des Reißverschlusses” eingeführt ist, dann ist der Satz “Julius ist nicht der Erfinder des Reißverschlusses” falsch (vorausgesetzt, die Kennzeichnung “der Erfinder des Reißverschlusses” ist nicht leer) – auch wenn sich herausstellt, dass der, den man bisher für den Erfinder des Reißverschlusses gehalten hat, nicht der Erfinder des Reißverschlusses ist. Ein Name, der deskriptiv gebraucht wird, kann nur von jemandem korrekt verwendet werden, der weiß, für welche Kennzeichnung bzw. Kennzeichnungen der Name steht. Ein solcher Name kann auch nur von jemandem verstanden werden, der weiß, für welche Kennzeichnungen der Name steht. Ein Name, der nicht-deskriptiv verwendet wird, ist nicht durch eine oder mehrere Beschreibungen definiert. Er ist überhaupt nicht definiert. Es gibt lediglich eine Konvention innerhalb einer Sprechergemeinschaft, dass dieser Name zur Bezeichnung eines bestimmten Gegenstandes zu verwenden ist. Aber es gibt keine feste Menge von bestimmten Beschreibungen für diesen Gegenstand. Die Verwender des Namens müssen über irgendwelche Mittel verfügen, den Gegenstand zu identifizieren. Diese Mittel können Wahrneh-

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mungen oder Beschreibungen sein. Verschiedene Namensverwender (oder auch dieselben Namensverwender zu verschiedenen Gelegenheiten) können sich verschiedener Identifizierungsmittel bedienen. Es steht außer Zweifel, dass Namen manchmal nicht-deskriptiv gebraucht werden; wahrscheinlich ist der deskriptive Gebrauch eher die Ausnahme als die Regel. Die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen berücksichtigt nur den deskriptiven Gebrauch. Sie muss daher als generelle Theorie der Eigennamen zurückgewiesen werden. Die Kennzeichnungstheorie der Eigennamen ist auf den ersten Blick attraktiv, weil sie eine wichtige Einsicht reflektiert, nämlich dass man einen Namen nur dann sinnvoll verwenden bzw. verstehen kann, wenn man weiß, wen oder was der Name bezeichnen soll, m. a. W.: wenn man den Träger des Namens identifizieren kann. Noch anders gesagt: Man muss etwas “meinen”, wenn man einen Namen verwendet. Der Fehler der Kennzeichnungstheorie der Eigennamen liegt in einer zu engen Auffassung darüber, was es heißt, einen Gegenstand zu identifizieren. Einerseits wird fälschlich angenommen, dass man nur mittels bestimmter Beschreibungen einen Gegenstand identifizieren kann. Es wird übersehen, dass Identifizierung auch ohne Beschreibungen, nur mittels Wahrnehmung möglich ist. Andererseits wird übersehen, dass man einen Gegenstand mittels einer bestimmten Beschreibung identifizieren kann, ohne diese Beschreibung als definitorisch zu betrachten. Definitorischer und nicht-definitorischer Gebrauch von Kennzeichnungen Nicht nur Eigennamen, sondern auch Kennzeichnungen können auf verschiedene Weisen gebraucht werden, und zwar definitorisch oder nicht-definitorisch. Ein Sprecher S gebraucht eine Kennzeichnung K nicht-definitorisch, wenn S die Kennzeichnung K zur Bezugnahme auf einen Gegenstand a verwendet, den S auch auf andere Weise (entweder durch andere Kennzeichnungen oder durch Wahrnehmungen) identifizieren könnte, und wenn K durch andere Identifikationsmittel außer Kraft gesetzt werden kann.21 21

Dass eine Kennzeichnung in diesem Sinn “nicht-definitorisch” verwendet wird, bedeutet nicht, dass die Kennzeichnung wie ein Eigenname verwendet wird. Ich verdanke Werner Sauer den wichtigen Hinweis, dass es (für mich) nicht akzeptable Konsequenzen hätte, nicht-definitorisch gebrauchte Kennzeichnungen als Namen zu interpretieren. In einer früheren Version dieser Arbeit verwendete ich anstelle der

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III. Ontologie und Logik

Wenn K nicht durch andere Identifikationsmittel außer Kraft gesetzt werden kann, dann ist K definitorisch gebraucht. Ich erläutere das an einem Beispiel: Ein Kellner k erhält von einem Gast g ein großzügiges Trinkgeld und sieht g, nachdem dieser das Lokal verlassen hat, in einem großen Auto davonfahren. An einem der folgenden Tage spaziert k mit einem Freund durch die Stadt, sieht den großen Wagen am Straßenrand parken, erkennt ihn wieder, erinnert sich an das Trinkgeld und sagt zu seinem Begleiter (auf das Auto zeigend): (20) Der Besitzer dieses Autos ist großzügig. Es stelle sich nun heraus, dass k den Gast irrtümlich für den Besitzer des Wagens hält. g hatte den Wagen an jenem Abend bloß geliehen. k werde über diesen Irrtum aufgeklärt. Gefragt, wen er denn nun für großzügig halte, den Autobesitzer oder seinen freigiebigen Gast, gibt k – wenig verwunderlich – ohne zu zögern den letzteren an. In diesem Fall hat der Sprecher die Kennzeichnung “der Besitzer dieses Autos” eindeutig nicht-definitorisch verwendet. Denn die bestimmte Beschreibung “der Besitzer dieses Autos” wurde durch eine Information (die Information, dass der Gast nicht der Besitzer dieses Autos ist) außer Kraft gesetzt. Die identifizierende Funktion, die diese Beschreibung erfüllen sollte, wird von anderen Identifikationsmitteln übernommen – in diesem Fall wahrscheinlich vor allem von Wahrnehmungserinnerungen. k hat nicht diejenige Person gemeint, welche die Kennzeichnung “der Besitzer dieses Autos” erfüllt. Im Geiste Russells könnte man hier einwenden, dass in die Analyse des Satzes (20) ein Identitätssatz der Art “Der Besitzer dieses Autos = der großzügige Gast” einzubeziehen sei. Dann könne man die in diesem Fall vorliegende “Fehlidentifikation” einfach durch die Falschheit eben dieses Identitätssatzes erklären und es bestünde keine Notwendigkeit, davon zu sprechen, dass eine bestimmte Beschreibung “außer Kraft gesetzt” werde.22 Aber ich bestreite gerade, dass in einer adäquaten Analyse von (20) ein Identitätssatz der Art “Der Besitzer des Autos = der großzügige Gast” vorzukommen hat. Zwar trifft es zu, dass k glaubt, dass der Besitzer des Autos mit dem großzügigen Gast identisch ist; und es trifft auch zu, dass diese Überzeugung dafür Termini “definitorischer” und “nicht-definitorischer Gebrauch von Kennzeichnungen” die Ausdrücke “deskriptiver” und “nicht-deskriptiver Gebrauch”, was mir im Lichte von Sauers Hinweis als unglücklich erscheint. Ich hoffe, dass die nunmehrige Terminologie weniger irreführend ist. 22 Ich verdanke auch diesen Einwand Werner Sauer.

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(mit-) verantwortlich ist, dass k (20) für wahr hält. Aber das impliziert nicht, dass k jedes Mal, wenn er die Beschreibung “der Besitzer des Autos” verwendet, implizit behauptet, dass der Besitzer des Autos mit dem großzügigen Gast identisch ist. Deshalb ist eine Analyse von (20), welche die bestimmte Beschreibung “der großzügige Gast” enthält, nicht adäquat. Man kann die Situation des beschriebenen Beispiels wie folgt analysieren: k verfügt über mehrere Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn und Kennzeichnungen K1–Kn zur Identifizierung einer bestimmten Person. Außerdem hat k eine Reihe von Überzeugungen, die mit diesen Wahrnehmungserinnerungen und Kennzeichnungen verbunden sind. Nämlich: a. k glaubt, dass alle Kennzeichnungen K1–Kn erfüllt werden. b. k glaubt, dass alle Kennzeichnungen K1–Kn von demselben Gegenstand erfüllt werden. c. k glaubt, dass alle Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn Erinnerungen an Realwahrnehmungen sind. d. k glaubt, dass alle Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn Erinnerungen an denselben Gegenstand sind. e. k glaubt, dass der Gegenstand der Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn identisch ist mit dem Gegenstand, der die Kennzeichnungen K1–Kn erfüllt. In ein solch komplexes Gewebe von Überzeugungen kann sich leicht ein Fehler einschleichen. Jede einzelne dieser Überzeugungen könnte falsch sein. Es könnte sein, dass eine oder mehrere der Kennzeichnungen K1–Kn nicht erfüllt werden, oder dass zwar alle Kennzeichnungen erfüllt werden, aber nicht alle von demselben Gegenstand, oder dass manche der Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn nicht Erinnerungen an Realwahrnehmungen sind, sondern Erinnerungen an (nicht durchschaute) Halluzinationserlebnisse. Es könnte sogar sein, dass zwar alle Wahrnehmungserinnerungen W1–Wn Erinnerungen an Realwahrnehmungen sind, dass aber nicht alle diese Erinnerungen denselben Gegenstand haben. Nehmen wir an, der Kellner k aus dem Beispiel habe in Wahrheit nicht einen Gast bedient, sondern zwei, die Zwillingsbrüder sind und die sich nur jeweils einzeln und abwechselnd in dem Lokal aufgehalten haben. In diesem Fall hätte k Wahrnehmungserinnerungen von zwei verschiedenen Personen, aber er würde glauben, dass diese Wahrnehmungserinnerungen Erinnerungen an nur eine Person sind. In dem zu Beginn geschilderten Beispielfall ist auf alle Fälle die Überzeugung e. falsch, vielleicht auch die Überzeugung b., etwa wenn sich unter den Kennzeichnungen K1–Kn die Folgende befindet: “der Mann, der mir das größte Trinkgeld dieser Woche gegeben hat”.

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III. Ontologie und Logik

Der Sprecher in unserem Beispiel hat die von ihm gemeinte Person mittels der Kennzeichnung “der Besitzer dieses Wagens” zu identifizieren versucht; aber der Besitzer dieses Wagens ist nicht die vom Sprecher gemeinte Person. Nicht immer kann eine Kennzeichnung durch ein anderes Identifizierungsmittel außer Kraft gesetzt werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann wird die Kennzeichnung definitorisch gebraucht. Eine Kennzeichnung kann insbesondere dann nicht durch andere Identifizierungsmittel außer Kraft gesetzt werden, wenn keine anderen Identifizierungsmittel zur Verfügung stehen. Wenn wir einen Gegenstand nur durch eine ganz bestimmte Kennzeichnung identifizieren können, dann müssen wir diese Kennzeichnung definitorisch gebrauchen. Der gemeinte Gegenstand kann dann nur derjenige sein, der diese Kennzeichnung erfüllt. (Falls die Kennzeichnung leer ist, ist der Versuch der Referenz in diesem Fall fehlgeschlagen; es gibt also keinen “gemeinten Gegenstand”.) Wenn neben dieser Kennzeichnung noch andere Identifikationsmittel zur Verfügung stehen (Wahrnehmungen, Wahrnehmungserinnerungen oder andere Kennzeichnungen), dann hängt es davon ab, ob der Sprecher bereit ist, im Konfliktfall die betreffende Kennzeichnung zugunsten anderer Identifikationsmittel außer Kraft zu setzen oder nicht. Wenn er dazu bereit ist, dann gebraucht er die Kennzeichnung nicht-definitorisch; wenn er dazu nicht bereit ist, gebraucht er sie definitorisch. Vermutlich werden in den meisten Situationen im Konfliktfall Wahrnehmungsidentifikationen sich gegenüber Kennzeichnungsidentifikationen durchsetzen. Konklusion: Existenz ist kein Prädikat erster Stufe Es kann nun festgehalten werden: Sowohl Eigennamen als auch Kennzeichnungen können auf zwei Weisen gebraucht werden. Ein Eigenname wird deskriptiv gebraucht, wenn er als Abkürzung für eine Kennzeichnung definiert ist; andernfalls wird er nicht-deskriptiv gebraucht. Eine Kennzeichnung wird definitorisch gebraucht, wenn entweder keine anderen Identifizierungsmittel zur Verfügung stehen, oder wenn kein anderes Identifizierungsmittel die Kennzeichnung als Identifizierungsmittel außer Kraft setzen kann. Andernfalls wird die Kennzeichnung nicht-definitorisch gebraucht. Nur ein deskriptiv gebrauchter Eigenname ist durch eine bestimmte Beschreibung ersetzbar. Das heißt: Eigennamen sind nicht generell durch bestimmte Beschreibungen ersetzbar, und das bedeutet: singuläre Terme können nicht ohne Verlust aus der Sprache eliminiert werden.

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Für das Problem der singulären Existenzsätze ergibt sich daraus Folgendes: In jenen Sätzen der Form (1) a existiert nicht. in denen “a” eine definitorisch gebrauchte Kennzeichnung ist, und in jenen Fällen, in denen “a” ein deskriptiv gebrauchter Eigenname ist, kann Russells Kennzeichnungstheorie angewendet werden, und wir haben damit eine gute Erklärung für den Wahrheitswert der betreffenden Sätze. Damit ist eine große Zahl von Fällen abgedeckt. Sehr viele Vorkommnisse singulärer Existenzsätze enthalten bestimmte Beschreibungen bzw. QuasiBeschreibungen (z. B.: “das runde Viereck”, “das Perpetuum mobile”); und in diesen Fällen ist es plausibel anzunehmen, dass die Kennzeichnungen definitorisch zu verstehen sind, weil wir keine konkurrierenden Identifizierungsmittel zur Verfügung haben. Wenn in singulären Existenzsätzen Eigennamen vorkommen, handelt es sich dabei häufig um Namen von fiktiven Gegenständen (“Pegasus”, “Sherlock Holmes”). Fiktive Gegenstände identifizieren wir aber für gewöhnlich durch eine recht eng begrenzte Auswahl von bestimmten Beschreibungen (“das geflügelte Pferd”, “der kokainsüchtige Meisterdetektiv”); und wer behauptet, dass Pegasus nicht existiert, wird damit in aller Regel ausdrücken wollen, dass kein geflügeltes Pferd existiert. Dennoch gibt es Fälle von singulären Existenzsätzen, in denen allem Anschein nach singuläre Terme vorkommen, die nicht-deskriptiv bzw. nicht-definitorisch verwendet werden. Das sind häufig Sätze der Form (21) a existiert nicht mehr. und Sätze der Form (22) a existiert noch. So etwas sagen wir oft über altes Kinderspielzeug, einen Hund oder unsere Großeltern – kurz: über Gegenstände, mit denen wir sehr vertraut sind (oder waren), die wir auf vielfältige Weise identifizieren können und die wir für gewöhnlich eher durch Wahrnehmungserinnerungen identifizieren als durch Beschreibungen. Es ist prima facie unwahrscheinlich und widerspricht der Erfahrung, dass wir einen Namen, den wir jahrelang nicht-deskriptiv verwendet haben, plötzlich deskriptiv verwenden, wenn wir von dem Träger des Namens sagen, dass er noch (bzw. nicht mehr) existiert. Es ist außerdem unwahrscheinlich und widerspricht aller Erfahrung, dass wir eine Kennzeich-

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nung, die wir immer nicht-definitorisch verwendet haben, in diesem Kontext nun plötzlich definitorisch verwenden. Ich denke an Fälle wie (23) Der alte Teddybär existiert noch. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass jemand, der (23) äußert, damit ausdrücken will, dass ein und nur ein alter Teddybär existiert. Vielmehr wird jemand, der (23) äußert, im Standardfall an einen ganz bestimmten alten Teddybären denken, der durch eine Vielzahl von Wahrnehmungserinnerungen identifiziert wird. In diesen Fällen ist die russellianische Analyse nicht adäquat. Trotzdem ist es auch in diesen Fällen nicht plausibel anzunehmen, dass Existenz als Prädikat erster Stufe verwendet wird. Wir wollen doch normalerweise, wenn wir von einem Gegenstand sagen, dass er nicht mehr existiert, nicht ausdrücken, dass er eine Eigenschaft verloren hat. Ein Satz dieser Form kann freilich diese Bedeutung annehmen, wenn der Sprecher mehrere Seinsweisen unterscheidet und eine spezielle metaphysische Theorie darüber hat, wie es nach dem Ende der Existenz weitergeht. Aber das ist nicht die übliche Bedeutung eines Satzes der Form (21) bzw. (22). Das, was damit im Standardfall ausgedrückt werden soll, ist sehr treffend dargestellt in der Standard-Symbolisierung singulärer Existenzsätze: (24) x (x = a) Umgangssprachlich formuliert besagt das: Es gibt etwas in der Welt, das a ist. Dass a nicht mehr existiert, bedeutet, dass es nichts mehr gibt, das a ist. Mit einem Satz der Form (21) bzw. (22) sprechen wir also nicht eigentlich über einen Gegenstand a, sondern wir sprechen über die Welt als Ganzes. (24) ist ein genereller Existenzsatz. Aber das ist kein Makel dieser Symbolisierung, sondern dem Inhalt natürlichsprachlicher singulärer Existenzsätze völlig angemessen. Es ist damit auch klar, warum singuläre Existenzsätze sinnvoll sein können auch dann, wenn der singuläre Term leer ist und nichtdeskriptiv bzw. nicht-definitorisch gebraucht wird. Damit das Prädikat “= a” verständlich ist, müssen wir mit “a” irgendeinen “Sinn” verbinden; doch dieser Sinn muss nicht die mentale Entsprechung einer bestimmten Beschreibung sein. Auch Wahrnehmungserinnerungen können den Sinn eines singulären Terms ausmachen. Es bleibt also dabei: Existenz ist niemals ein Prädikat erster Stufe.

IV. PROBLEME DER ONTOLOGISCHEN FESTLEGUNG

Zu Beginn dieser Arbeit wurde die Struktur von Problemen der ontologischen Festlegung wie folgt beschrieben: 1. Eine Person S hält beliebige Sätze p1 – pn für wahr. 2. Aufgrund der logischen Prinzipien, die S akzeptiert, folgt aus p1 – pn ein Existenzsatz q. 3. S hält q nicht für wahr. Aus der Struktur dieses Konflikts ergeben sich grundsätzlich drei Möglichkeiten seiner Auflösung: a. S entscheidet sich, einen oder mehrere der Sätze p1 – pn nicht länger als wahr zu akzeptieren. (Diese Lösung kann die Form einer Paraphrasierungsstrategie annehmen.) b. S kann sich entscheiden, nicht zu akzeptieren, dass q aus p1 – p n folgt. (S kann die logischen Regeln, aufgrund derer q aus p1 – pn folgt, aufgeben, oder S kann eine logische Interpretation von q geben, so dass q nicht aus p1 – pn folgt.) c. S kann sich entscheiden, q als wahr zu akzeptieren. (Auch diese Lösung kann die Form einer Paraphrasierungsstrategie annehmen.) Einige weitere Versuche, Probleme der ontologischen Festlegung zu lösen bzw. gar nicht entstehen zu lassen, wurden im Laufe dieser Arbeit diskutiert: a. “Ontologischer Pragmatismus”: So nannte ich die Auffassung, dass Probleme der ontologischen Festlegung nur Scheinprobleme sind, weil Existenzbehauptungen entweder empirisch überprüfbar oder trivial oder bloße Vereinbarungen ohne kognitiven Gehalt sind.1 b. “Ontologische Neutralität”: So nannte ich verschiedene Versuche, alltägliches und wissenschaftliches Sprechen teilweise oder zur Gänze von ontologischen Festlegungen frei zu halten.2 c. Seinsweisenunterscheidungen: Das ist der Versuch, ontologische Festlegungen zu vermeiden durch die Annahme, dass manche Gegenstände nicht existieren, sondern nur eine “schwächere” Weise des Seins haben.3 d. Ontologisch neutrale Quantifikation: Das ist der Versuch, ontologische Festlegungen zu vermeiden durch Verwendung eines Existenzquantors, der nicht Existenz ausdrückt.4 Siehe Kapitel I.3. 2Siehe Kapitel II.2 und II.3. 3Siehe Kapitel II.4. 4Siehe Kapitel III.2. 1

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

e. Existenzfreie Logiken: Das ist der Versuch, ontologische Festlegungen zu vermeiden durch Aufgabe gewisser Prinzipien, die in der klassischen Quantorenlogik gültig sind.5 Alle diese Versuche, Probleme der ontologischen Festlegung zu lösen bzw. zu vermeiden, wurden als nicht oder nur teilweise erfolgreich zurückgewiesen. Insofern sind die in der vorliegenden Arbeit bisher erzielten Resultate vorwiegend negativer Natur, jedenfalls so weit es das Problem unerwünschter ontologischer Festlegungen betrifft. Eine Ausnahme bildet die Diskussion über das Problem der singulären Existenzsätze im vorigen Kapitel, wo eine konstruktive Lösung vorgeschlagen wurde. Der letzte Teil dieser Arbeit soll nun zur Gänze konstruktiven Lösungsvorschlägen gewidmet sein. Eines kann vorweg gesagt werden: Es gibt nicht eine passende Lösung für alle Probleme mit unerwünschten ontologischen Festlegungen. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die im Folgenden skizzierten Lösungsvorschläge teilweise tatsächlich kaum mehr als Skizzen sind, Vorschläge, in welcher Richtung man weiterarbeiten könnte – nicht ausgearbeitete Theorien.6 Dennoch erscheint es mir nicht nur legitim, sondern sogar angezeigt, im Rahmen dieser Arbeit auch ein paar positive Antworten zu geben auf die Frage, wie denn Sätze mit leeren singulären Termen zu interpretieren sind. Die wichtigsten Probleme mit unerwünschten ontologischen Festlegungen lassen sich unter die folgenden vier Überschriften bringen: i. Das Problem der fiktiven Gegenstände ii. Das Problem der Intentionalität iii. Das Problem vergangener und zukünftiger Gegenstände iv. Das Problem bloß möglicher und unmöglicher Gegenstände 1. Fiktive Gegenstände Das Problem Unter einem “fiktiven Gegenstand” verstehe ich hier und im Folgenden nicht einfach jeden nichtexistierenden Gegenstand, sondern die Figuren und Dinge, Siehe Kapitel III.3. 6 Das gilt vor allem für die Vorschläge zur Lösung des Problems der Intentionalität (Kap. IV.2) und des Problems der vergangenen und zukünftigen Gegenstände (Kap. IV.3). Eine Ausarbeitung dieser Lösungsvorschläge würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 5

1. Fiktive Gegenstände

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die in (im weitesten Sinn) literarischen Fiktionen vorkommen, also die Figuren aus Romanen, Erzählungen, Mythen, Filmen, Opern etc., zum Beispiel Pegasus, Sherlock Holmes oder Hamlet. Es gibt Sätze, die die folgenden Bedingungen erfüllen: 1. Sie haben die grammatikalische Struktur von Prädikationen. 2. Die singulären Terme an der Subjektstelle sind Namen bzw. Kennzeichnungen für fiktive Gegenstände. 3. Sie werden mit guten Gründen für wahr gehalten. Zum Beispiel: (1) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Es gibt gute Gründe, (1) für wahr zu halten. Angenommen, bei der Millionenshow würde einem Kandidaten die folgende Frage gestellt: “Wer oder was ist Pegasus? – a. ein geflügelter Elch; b. ein geflügeltes Pferd; c. ein fliegendes Schiff; oder d. ein geflügelter Mensch?” Zweifellos würde die Antwort b. als richtig gewertet werden; und es wäre keinerlei Protest dagegen zu erwarten. Sollte aber doch eine Rechtfertigung nötig sein, könnte man eine beliebige Auswahl von Nachschlagewerken konsultieren. Das Ergebnis würde eindeutig ausfallen. Unter der Voraussetzung, dass (1) die logische Form “Fa” hat (was ich jetzt als gegeben annehme), folgt aufgrund des Prädikationsprinzips aus (1): (2) x (x = Pegasus). Darüber hinaus folgt aus (1) aufgrund des Prinzips der existentiellen Generalisierung (3) x (x ist ein geflügeltes Pferd). Daher ist jemand, der (1) als wahr akzeptiert, auf Flügelpferde im Allgemeinen und Pegasus im Besonderen ontologisch festgelegt. Doch wir wissen, dass Pegasus eine mythologische Figur ist, und wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass ein geflügeltes Pferd jemals existierte. Das Problem kann in Form zweier Widersprüche dargestellt werden: 1. Pegasus ist ein Flügelpferd. 2. Pegasus existiert. (1,PP) 3. Pegasus ist eine mythologische Figur. 4. Mythologische Figuren existieren nicht. 5. Pegasus existiert nicht. (3,4) 1. Pegasus ist ein Flügelpferd. 2. Es gibt Flügelpferde. (1,EG) 3. Es gibt keine Flügelpferde.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Im Alltag versuchen Leute oft, den drohenden Widersprüchen durch Bemerkungen wie der folgenden zu entgehen: “Geflügelte Pferde gibt es nur in Sagen und Märchen, aber nicht in der Realität.” Das ließe sich eventuell verallgemeinern zu: “Fiktive Gegenstände existieren nur in Fiktionen, aber nicht in der Realität.” Ob sich daraus eine akzeptable Lösung gewinnen lässt, kann auf Anhieb nicht gesagt werden. Es muss zunächst geklärt werden, was es heißt, dass etwas “in einer Fiktion” existiert (im Gegensatz zu “in der Realität”). Wenn man versucht, die Redeweise von “Existenz in einer Fiktion” versus “Existenz in der Realität” möglichst wörtlich zu nehmen, könnte man auf folgende Interpretation verfallen: Es gibt nur eine aktuale (“reale”) Welt, aber zusätzlich viele fiktionale Welten. Dass geflügelte Pferde nur in einer Fiktion existieren, bedeutet, dass es geflügelte Pferde nicht in der aktualen Welt, wohl aber in (mindestens) einer fiktionalen Welt gibt.7 Dies ist eine Variation einer Mögliche-Welten-Ontologie. Eine Variation ist es unter anderem deshalb, weil fiktionale Welten nicht nur mögliche, sondern eventuell auch unmögliche Welten sein können, da manche Fiktionen in sich widersprüchlich sind. Diese Auffassung würde darauf hinauslaufen, dass die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände nicht vermieden, sondern akzeptiert wird. Die Widersprüche werden aufgelöst um den Preis der Aufgabe der Prämissen 4. (“Mythologische Figuren existieren nicht”) bzw. 3. (“Es gibt keine geflügelten Pferde”). Es wird angenommen, dass fiktive Gegenstände existieren, wenn auch nicht in der aktualen, sondern in einer fiktionalen Welt. Hier soll nicht darüber diskutiert werden, ob es irgendwelche guten Gründe für die Festlegung auf bloß mögliche (und eventuell zusätzlich noch unmögliche Welten) gibt. Es soll nur festgehalten werden, dass das Problem der fiktiven Gegenstände keinesfalls einen guten Grund für eine solche Festlegung liefert. Selbst wenn es bloß mögliche bzw. unmögliche Welten gäbe, wäre der “Wohnort” der uns bekannten fiktiven Gegenstände (falls diese existieren) doch die aktuale Welt und keine andere. Pegasus existiert in der aktualen Welt nicht obwohl, sondern weil er eine Figur aus der griechischen Mythologie ist. Denn die griechische Mythologie ist Teil der aktualen Welt.8 Eine solche Position wird etwa vertreten von Heintz 1979, Howell 1979, Pasniczek 2001 und Routley 1979. 8Vgl. Wolterstorff 1980, S. 356. 7

1. Fiktive Gegenstände

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Um herauszufinden, wer oder was Pegasus ist, müssen wir nicht andere Welten erforschen, sondern uns nur einer Fiktion unserer aktualen Welt zuwenden. Es ist eine bloß mögliche Welt denkbar, in der es die griechische Mythologie (wie wir sie kennen) nicht gibt; in einer solchen Welt gäbe es auch Pegasus nicht. Es ist eine mögliche Welt denkbar, in der ein fiktiver geflügelter Elch existiert. In der aktualen Welt gibt es (meines Wissens) keine fiktiven geflügelten Elche, weil es keine Fiktionen gibt, in denen geflügelte Elche vorkommen. Fiktive Gegenstände in andere Welten zu verlegen, heißt, den Unterschied zwischen Pegasus und einem geflügelten Elch zu verwischen.9 Eine andere Interpretation der Redeweise von “Existenz in einer Fiktion” lautet: “Existenz in einer Fiktion” ist nicht gewöhnliche Existenz in einer anderen Welt, sondern eine besondere Art der Existenz in der realen Welt.10 Diese Auffassung läuft auf eine Seinsweisenunterscheidung hinaus. Statt “existiert in einer Fiktion” könnten wir, nach dieser Interpretation, auch sagen: “existiert fiktional”. Wie an früherer Stelle ausführlich argumentiert wurde, lassen sich mit Seinsweisenunterscheidungen niemals ontologische Festlegungen vermeiden. Was immer es heißt, dass ein Gegenstand “fiktional existiert”: Wer behauptet, dass geflügelte Pferde fiktional existieren, ist nicht weniger ontologisch festgelegt auf geflügelte Pferde als jemand, der einfach behauptet, dass geflügelte Pferde existieren. Viele meinen, das Problem der fiktiven Gegenstände sei durch eine Paraphrasierungsstrategie zu lösen.11 Paraphrasiert werden sollen natürlich Sätze wie (1) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Die Paraphrasierung soll entweder nicht die logische Form “Fa” haben, oder, wenn sie die logische Form “Fa” hat, dann darf ihr Subjekt nicht mehr ein fiktiver Gegenstand sein. Auf jeden Fall muss eine Paraphrasierung (1’) von (1) derart sein, dass aus (1’) weder (2) x (x = Pegasus). noch Vgl. van Inwagen 1977, S. 308. Vgl. auch die Unterscheidung zwischen “nonentities” and “nonsuches” in Woods 1974. (Geflügelte Pferde sind “nonentities”, geflügelte Elche sind “nonsuches”.) 10Siehe. z. B. Carl 1974, Castañeda 1979, Dölling 1980, Ingarden 1960, § 33. 11Siehe z. B. Braithwaite 1933, Feagin 1983, Kapitan 1990, Ryle 1933. 9

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

(3) x (x ist ein geflügeltes Pferd). ableitbar ist. Es liegt nahe, die Bezugnahme auf fiktive Gegenstände durch eine Bezugnahme auf Autoren oder Geschichten zu ersetzen, etwa so: (4) Jemand hat sich ein geflügeltes Pferd namens “Pegasus” ausgedacht. Oder: (5) Es werden/wurden Geschichten erzählt, in denen ein geflügeltes Pferd namens “Pegasus” vorkommt. Wie an früherer Stelle ausgeführt wurde, ist eine Paraphrasierung p’ eines Satzes p eine adäquate Paraphrasierung von p genau dann, wenn p’ das ausdrückt, was mit p gemeint ist. Sind (4) und (5) adäquate Paraphrasierungen von (1) in diesem Sinne? Selbstverständlich kann ich diese Frage nicht für alle Sprecher zu allen Zeiten beantworten. Es ist möglich, dass manche Sprecher, die (1) äußern, damit (4) oder (5) meinen. Doch ich kann definitiv sagen, dass manche Sprecher (darunter auch ich selbst), wenn sie (1) äußern, weder (4) noch (5) meinen. Wenn ich einen Gedanken des in (1) ausgedrückten Inhalts denke und mich dabei selber beobachte, finde ich für gewöhnlich keine Vorstellungen eines Autors, der sich Pegasus ausgedacht hat, und ich finde auch keine Vorstellungen von Akten des Geschichtenerzählens. Natürlich könnte ein Vertreter einer Paraphrasierungsstrategie der Art (4) oder (5) darauf entgegnen, dass in diesem Fall meine mit (1) ausgedrückte Überzeugung schlicht falsch ist. Aber das würde meine Überzeugung nicht ändern und daher auch das Problem nicht lösen. Eine vielversprechendere Paraphrasierungsstrategie ist die Strategie der Geschichtenoperatoren.12 Nach dieser Strategie lautet die adäquate Paraphrasierung von (1) wie folgt: (1a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Der Ausdruck “gemäß einer Geschichte” ist hier als Satzoperator zu interpretieren. Die logische Form von (1a) ist also: (6) G (Fa), wobei “G” für den Geschichtenoperator “gemäß einer Geschichte gilt” steht. Gemäß der Operatorentheorie sind Sätze über fiktive Gegenstände als Ellipsen zu interpretieren: Eine vollständige Formulierung eines solchen Satzes Siehe z. B. Bertolet 1984, Künne 1983, Purtill 1978.

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1. Fiktive Gegenstände

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müsste stets mit einem Geschichtenoperator beginnen. Doch in den meisten Fällen ersparen wir uns die explizite Formulierung des Geschichtenoperators, weil aus dem Kontext klar genug hervorgeht, dass er mitgemeint ist. Das ist plausibel für Sätze wie (1). Aber es ist nicht für alle Sätze über fiktive Gegenstände plausibel. Zum Beispiel: (7) Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Wenn wir diesem Satz einen Geschichtenoperator voranstellen, erhalten wir: (7a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Aber (7a) ist wahrscheinlich falsch, während (7) wahr ist. In jener Geschichte, in der Pegasus ursprünglich vorkommt, ist Pegasus keine “Figur”, sondern ein Lebewesen aus Fleisch und Blut. Die griechische Mythologie ist der “Wahrmacher” von Satz (7), aber nicht der Wahrmacher von (7a). Ein Wahrmacher von (7a) wäre eine Geschichte, die ihrerseits eine Geschichte enthält, unter deren Figuren Pegasus ist. Die ursprüngliche Pegasus-Geschichte ist aber keine Geschichte über eine Pegasus-Geschichte, sondern eine Geschichte über Pegasus. Man kann zwei Arten von Sätzen über fiktive Gegenstände unterscheiden, nämlich interne und externe. “Intern” nenne ich jene Sätze über fiktive Gegenstände, die als elliptische Formulierungen für Sätze der Form “G (p)” aufzufassen sind. “Extern” nenne ich jene Sätze über fiktive Gegenstände, die nicht als elliptische Formulierungen für Sätze der Form “G (p)” aufgefasst werden können. (1) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. ist also ein interner Satz über einen fiktiven Gegenstand. (7) Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. ist ein externer Satz über einen fiktiven Gegenstand. Hier sind noch ein paar weitere Beispiele: (8) Sherlock Holmes lebt in der Baker Street. (intern) (9) Sherlock Holmes ist ein fiktiver Gegenstand. (extern) (10) Der Vogel Greif hat die Beine und den Kopf eines Adlers und den Rumpf eines Löwen. (intern) (11) Mr. Pickwick ist die berühmteste Figur von Charles Dickens. (extern) (12) Hamlet hasst den Mann seiner Mutter. (intern) (13) Hamlet wurde von Sigmund Freud analysiert. (extern)

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Den externen Sätzen können wir keine Geschichtenoperatoren voranstellen, ohne Gefahr zu laufen, aus Wahrheiten Falschheiten zu machen. Doch bringen externe Sätze, ebenso wie interne, ontologische Festlegungen mit sich. (11) impliziert zum Beispiel (14) x (x = Mr. Pickwick). (9) impliziert (15) x (x ist ein fiktiver Gegenstand). Daher lassen sich auch durch die Operatorentheorie ontologische Festlegungen auf fiktive Gegenstände nicht vermeiden. Eine realistische Ontologie fiktiver Gegenstände Ich schlage folgende Lösung vor: Es gibt keinen zufrieden stellenden Weg, die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände zu vermeiden. Aber das ist kein Problem; denn es gibt auch keinen guten Grund, die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände vermeiden zu wollen. Mit anderen Worten: Die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände ist zu akzeptieren. Der Satz (15) x (x ist ein fiktiver Gegenstand). ist wahr. Es ist eine empirische Tatsache, dass es fiktive Gegenstände gibt. Romanfiguren, Märchenprinzen und Filmheldinnen sind fiktive Gegenstände (sofern wir es mit Romanen und Filmen zu tun haben, für die gilt, dass die Handlung “frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen rein zufällig und unbeabsichtigt” ist). Es ist eine empirische Tatsache, dass es Märchenprinzen, fiktive Romanfiguren und Filmheldinnen gibt, weil es Märchen, Romane und Filme gibt, in denen Figuren vorkommen, die frei erfunden sind.13 Dass es vielen so schwer fällt, diese Tatsache anzuerkennen, hat (nicht immer, aber häufig) seinen Grund in einer kategorialen Verwechslung, der man sehr leicht anheim fallen kann. Der Kategorienfehler besteht in der (oft stillschweigend gemachten) Annahme, dass fiktive Gegenstände, wenn sie existierten, raum-zeitliche Gegenstände sein müssten, also Wesen aus Fleisch Die Auffassung, dass fiktive Gegenstände existieren und kontingent sind findet sich auch in MacDonald 1954, Thomasson 1996a, van Inwagen 1977. Für eine platonistische Variante (fiktive Gegenstände als notwendigerweise existierende Gegenstände) siehe Wolterstorff 1980.

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und Blut, die man sehen und anfassen kann. Aber das sind sie nicht. Fiktive Gegenstände fallen in dieselbe Kategorie wie Märchen und Romane: Sie sind abstrakte Gegenstände, abstrakt im Sinne von “weder raum-zeitlich noch psychisch”. Wie Märchen und Romane sind auch fiktive Gegenstände kontingente Gegenstände. Sie werden von Autoren geschaffen. Hamlet ist eine Schöpfung von Shakespeare, Mr. Pickwick ist eine Schöpfung von Dickens, Sherlock Holmes ist eine Schöpfung von Arthur Conan Doyle. Eine Figur wird geschaffen durch eine Serie mentaler Akte. Wir sagen ja auch: “Jemand hat sich diese Geschichte/diese Figur ausgedacht.” Fiktive Gegenstände sind also Produkte menschlicher Phantasie. Als solche existieren sie auch, sind Teil unserer kulturellen Welt, ebenso wie Romane, Musikwerke und wissenschaftliche Theorien. Wer sich auf fiktive Gegenstände ontologisch festlegt, muss also keineswegs unter einem dramatischen Verlust an Realitätssinn leiden. Es ist keineswegs impliziert, dass es Sinn macht, zoologische Forschungsprojekte mit dem Zweck des Aufspürens von Flügelpferden zu finanzieren oder nach London zu reisen, um Sherlock Holmes zu besuchen. Denn Pegasus und Sherlock Holmes sind abstrakte Gegenstände, ontologisch gesehen auf einer Ebene mit literarischen Werken, Symphonien, philosophischen Abhandlungen und anderen Artefakten, die ihre Existenz menschlichem Erfindungsgeist verdanken. Im Lichte dieser Einsicht ist die Wahrheit der externen Sätze über fiktive Gegenstände ganz leicht einzusehen. Ein Mensch kann keine Schöpfung eines Autors sein (es sei denn, der Autor ist entweder Gott oder Frankenstein), eine Romanfigur aber schon. Freud konnte Hamlet nicht therapieren, aber er konnte ihn analysieren. Betrachten wir noch einmal, wie das Problem fiktiver Gegenstände oben expliziert wurde: 1. Pegasus ist ein Flügelpferd. 2. Pegasus existiert. (1,PP) 3. Pegasus ist eine mythologische Figur. 4. Mythologische Figuren existieren nicht. 5. Pegasus existiert nicht. (3,4) Es ist jetzt klar, wie der Widerspruch zu vermeiden ist: Die vierte Prämisse ist falsch – und daher folgt nicht, dass Pegasus nicht existiert (was natürlich auch falsch ist). Es existieren mythologische Figuren im Allgemeinen und Pegasus im Besonderen.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Manchen mag es zunächst völlig absurd erscheinen, den Satz (16) Fiktive Gegenstände existieren nicht. als falsch zu verwerfen. Man könnte sogar die Intuition haben, dass dieser Satz eine analytische Wahrheit ist. Kontrastiert man aber das geflügelte Pferd (das fiktiv ist) mit dem geflügelten Elch (der nicht einmal ein fiktiver Gegenstand ist), könnte diese Intuition ins Wanken geraten. Es sind Kontexte wie dieser, die Seinsweisenunterscheidungen attraktiv erscheinen lassen. Man könnte intuitiv geneigt sein, dem geflügelten Pferd etwas mehr “Realität” zuzubilligen als dem geflügelten Elch, aber doch keinesfalls so viel wie den Wesen, die wir im Tiergarten bestaunen können. Aber wenn “Realität” so viel heißen soll wie “Existenz” oder “Sein”, dann ist diese intuitive Ontologie von vorne herein fehlgeleitet. Denn Sein ist keine Angelegenheit von Graden. Entweder etwas ist oder es ist nicht; dazwischen gibt es nichts.14 Es liegt hier genau jener Irrtum vor, der in Kapitel II.4 explizit gemacht wurde: Unterschiede zwischen Arten von Gegenständen werden mit Unterschieden zwischen Weisen des Seins verwechselt. Flügelpferde haben keine andere Seinsweise als die Elefanten im Zoo, sie gehören vielmehr einer anderen Kategorie von Gegenständen an. Es ist falsch, dass fiktive Gegenstände nicht existieren. Wahr ist vielmehr: (17) Fiktive Gegenstände sind keine raum-zeitlichen Gegenstände. Falsch ist auch, dass Pegasus nicht existiert. Wahr ist aber: (18) Pegasus ist kein raum-zeitlicher Gegenstand. Zwei Arten von Prädikaten Es gibt jedoch einen ernst zu nehmenden Einwand gegen die These, dass fiktive Gegenstände abstrakte (also nicht raum-zeitliche) Gegenstände sind. Die Aus diesem Grund vermeide ich es weitgehend, von “wirklichen” und “nichtwirklichen” bzw. “realen” und “nichtrealen” Gegenständen zu sprechen. Diese Ausdrücke findet man häufig verwendet, gerade in Zusammenhang mit dem Problem fiktiver Gegenstände, aber es fehlt ihnen zumeist ein klarer Sinn. Natürlich könnte man sich entscheiden, abstrakte Gegenstände als “nichtreal” zu bezeichnen. Aber das würde an der ontologischen Festlegung auf fiktive Gegenstände nichts ändern (vergleiche Kap. II.4); und da “nichtreal” häufig auch im Sinne von “nichtexistierend” verstanden wird, ziehe ich es vor, diesen Ausdruck zu vermeiden. 14

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“Abstraktheitstheorie” (wie ich sie jetzt kurz nenne) liefert, wie gezeigt wurde, eine ausgezeichnete Erklärung der externen Sätze über fiktive Gegenstände; aber bei den internen Sätzen scheint sie zu versagen. Betrachten wir noch einmal die bisher verwendeten Beispiele für interne Sätze: (1) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. (8) Sherlock Holmes lebt in der Baker Street. (10) Der Vogel Greif hat die Beine und den Kopf eines Adlers und den Rumpf eines Löwen. (12) Hamlet hasst den Mann seiner Mutter. Hier werden fiktiven Gegenständen Prädikate zugesprochen, die abstrakten Gegenständen offensichtlich nicht wahrheitsgemäß zugesprochen werden können. Ein Pferd – geflügelt oder nicht – ist ein räumlich ausgedehnter Gegenstand; dasselbe gilt für jegliches Wesen, das den Rumpf eines Löwen hat. Ein abstrakter Gegenstand “lebt” nicht, weder in der Baker Street noch sonst wo. Und ein abstrakter Gegenstand hat weder eine Mutter noch Affekte. Abstrakte Gegenstände haben weder psychische noch physikalische Eigenschaften; das charakterisiert sie als abstrakte Gegenstände. Jemanden zu hassen, ist eine psychische Eigenschaft. Daher kann ein fiktiver Gegenstand so wenig hassen wie eine Zahl oder ein mathematischer Beweis. Die Eigenschaften, ein geflügeltes Pferd zu sein, in der Baker Street zu leben und den Kopf eines Adlers zu haben, schließen raum-zeitliche Lokalisierbarkeit ein und können aus diesem Grund keine Eigenschaften fiktiver Gegenstände sein, wenn es zutrifft, dass fiktive Gegenstände abstrakte Gegenstände sind. Das Problem kann auf folgenden Widerspruch zugespitzt werden: 1. Fiktive Gegenstände sind abstrakte Gegenstände. 2. Abstrakte Gegenstände haben weder psychische noch Raumzeitlichkeit einschließende Eigenschaften. 3. Fiktive Gegenstände haben psychische und Raumzeitlichkeit einschließende Eigenschaften. 4. Also sind fiktive Gegenstände keine abstrakten Gegenstände. (2,3) Da die zweite Prämisse nur eine Explikation des Ausdrucks “abstrakter Gegenstand” ist, kann der Widerspruch nur durch Aufgabe der ersten oder der dritten Prämisse vermieden werden. In der Tat ist die dritte Prämisse falsch: Es trifft nicht zu, dass fiktive Gegenstände psychische und Raumzeitlichkeit einschließende Eigenschaften haben. Das bedeutet: Die meisten internen Sätze über fiktive Gegenstände sind falsch.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Dieses Resultat mag auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen. In der Tat widerspricht es gerade jener Intuition, von der ausgehend das Problem entwickelt wurde. Der Ausgangspunkt war, dass Sätze wie (1) allgemein und mit guten Gründen für wahr gehalten werden. Nun wird gerade das geleugnet. Der Konflikt mit dieser Intuition kann fürs erste gemildert werden durch die Geschichtenoperatoren-Strategie. Wie oben ausgeführt wurde, besteht die Geschichtenoperatoren-Strategie darin, Sätzen über fiktive Gegenstände einen “Geschichtenoperator” (das ist ein Ausdruck der Form “in einer Geschichte gilt” oder “gemäß einer Geschichte gilt”) voranzustellen. So erhalten wir zum Beispiel aus (1) den Satz: (1a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. Es wurde gezeigt, dass die Operatorenstrategie für externe Sätze über fiktive Gegenstände unplausibel ist. Wohl aber ist sie für interne Sätze plausibel. (1a) ist eine adäquate Paraphrasierung von (1). Denn (1a) drückt exakt das aus, was wir für gewöhnlich sagen wollen, wenn wir (1) behaupten. Analoges gilt für (8a) Gemäß einer Geschichte gilt: Sherlock Holmes lebt in der Baker Street. (10a) Gemäß einer Geschichte gilt: Der Vogel Greif hat die Beine und den Kopf eines Adlers und den Rumpf eines Löwen. (12a) Gemäß einer Geschichte gilt: Hamlet hasst den Mann seiner Mutter. Die Operatorenstrategie kann auf alle internen Sätze mit Erfolg angewendet werden, das heißt: Sie führt stets zu adäquaten Paraphrasierungen der ursprünglichen internen Sätze. Die Operatorenstrategie löst auch die Spannung zwischen den internen und den externen Sätzen über fiktive Gegenstände auf. Ohne die Operatorenstrategie lässt sich aus beinahe jedem internen Existenzsatz ein Paradoxon der folgenden Art konstruieren: 1. Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. 2. Pegasus ist ein fiktiver Gegenstand. 3. Fiktive Gegenstände sind abstrakte Gegenstände. 4. Also: Pegasus ist ein abstrakter Gegenstand. (2,3) 5. Pegasus ist ein Pferd. (1) 6. Pferde sind raum-zeitliche Gegenstände. 7. Also: Pegasus ist ein raum-zeitlicher Gegenstand. (5,6) 8. Also: Pegasus ist sowohl ein abstrakter als auch ein raum-zeitlicher Gegenstand. (4,7)

1. Fiktive Gegenstände

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Mit Hilfe der Operatorenstrategie kann der Schluss von (1) Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. auf (19) Pegasus ist ein Pferd. blockiert werden, und damit auch der Schluss von (19) und (20) Pferde sind raum-zeitliche Gegenstände. auf (21) Pegasus ist ein raum-zeitlicher Gegenstand. Denn aus (1a) folgt nicht, dass Pegasus ein Pferd ist. Es folgt lediglich: (19a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist ein Pferd. Und daraus, zusammen mit der Prämisse, dass Pferde raum-zeitliche Gegenstände sind, folgt nicht, dass Pegasus ein raum-zeitlicher Gegenstand ist, sondern es folgt nur: (21a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist ein raum-zeitlicher Gegenstand. Gegen diese Konklusion ist nichts einzuwenden. Sie steht insbesondere auch nicht in Konflikt damit, dass Pegasus ein abstrakter Gegenstand ist. Das Reden über fiktive Gegenstände läuft also sozusagen auf zwei Geleisen. Manchmal reden wir darüber, was “in einer Geschichte” der Fall ist, was fiktiven Gegenständen “dort” zustößt, wie sie “dort” handeln, lieben und leiden, welche Charakterzüge sie aufweisen, und so fort. Manchmal nehmen wir aber auch eine externe Perspektive ein und betrachten die fiktiven Gegenstände als das, was sie tatsächlich sind: abstrakte Gebilde, die unsere Kultur hervorgebracht hat. Oft wechseln wir zwischen internen und externen Aussagen hin und her, ohne uns dessen bewusst zu sein. Wenn man sich dieser Doppelgleisigkeit bewusst wird, verschwinden die meisten Paradoxien, die mit fiktiven Gegenständen zu tun haben. Man kann sich mit dieser Lösung zufrieden geben und die Untersuchung an dieser Stelle abbrechen. Man kann aber auch noch einen Schritt weitergehen und die Frage nach der Bedeutung des Geschichtenoperators stellen. Was heißt es eigentlich genau, dass “in” bzw. “gemäß einer Geschichte” das-und-das der Fall ist? Man kann den Geschichtenoperator auf zwei Weisen deuten, nämlich entweder als Satzoperator oder als Prädikatoperator. Bisher wurde der Geschichtenoperator als Satzoperator interpretiert, und die bisher gewählte

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Schreibweise, in welcher der Operator jeweils vor den ganzen Satz gestellt wurde, legt diese Deutung auch nahe. Wenn der Operator als Satzoperator interpretiert wird, dann hat der Satz (1a) Gemäß einer Geschichte gilt: Pegasus ist ein geflügeltes Pferd. die Struktur “G (Fa)”. Man könnte den Geschichtenoperator aber auch in das Prädikat hineinverlegen, nämlich so: (1b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd. Ich interpretiere jetzt den Geschichtenoperator in Satz (1a) als Satzoperator und den Geschichtenoperator in Satz (1b) als Prädikatoperator. Demgemäß hat der Satz (1b) die Struktur “Fa”. Das Prädikat lautet “ist gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd”. Der Unterschied der beiden Interpretationen ist für die Frage der ontologischen Festlegung bedeutsam. Denn aus (1b) folgt (2) x (x = Pegasus), sowie (22) x (x ist gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd). Aus (1a) folgt hingegen weder (2) noch (22). Welche Interpretation soll man wählen? Soll der Geschichtenoperator als Satz- oder als Prädikatoperator interpretiert werden? – Wie gesagt sollte der Geschichtenoperator ursprünglich die Funktion erfüllen, die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände vermeiden zu helfen. In dieser Funktion kommt aus den eben erläuterten Gründen nur die Satzoperatoren-Interpretation in Frage. Aber wir haben gesehen, dass wir die ontologische Festlegung auf fiktive Gegenstände auf diese Weise nicht loswerden können, und zwar wegen der externen Sätze über fiktive Gegenstände. Über jeden fiktiven Gegenstand kann es externe Sätze geben; und für die Ontologie spielt es keine Rolle, ob Existenzsätze aus internen oder externen Sätzen abgeleitet werden. Darum ist für die Sache der ontologischen Festlegungen durch die Satzoperatoren-Interpretation nichts gewonnen. Andererseits gibt es gute Gründe für die Prädikatoperatoren-Interpretation. Wie gesagt folgt aus (1b), dass Pegasus existiert. Wenn man einmal mögliche ontologische Skrupel beiseite lässt (die ich, wenigstens zum Teil, ausgeräumt zu haben hoffe), dann ist es wünschenswert, dass aus (1b) folgt, dass Pegasus existiert. Das ist deshalb wünschenswert, weil es den Umstand reflektiert, dass der Satz (1b) ein Satz über Pegasus ist. Mit anderen Worten: Mit diesem Satz wird Pegasus beschrieben; es wird von ihm etwas ausgesagt, es wird ihm eine Eigenschaft

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zugesprochen – nämlich die Eigenschaft, gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd zu sein. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass (1b) ein externer Satz über Pegasus ist – nicht ein interner. In der griechischen Mythologie hat Pegasus nicht die Eigenschaft, gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd zu sein, sondern die Eigenschaft, ein geflügeltes Pferd zu sein. Der Unterschied ist substantiell. Die Eigenschaft, ein geflügeltes Pferd zu sein, impliziert Raumzeitlichkeit, die Eigenschaft, gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd zu sein, aber nicht. Ein Gegenstand, der ein geflügeltes Pferd ist, ist ein Pferd und somit ein Lebewesen und somit ein raum-zeitlicher Gegenstand. Ein Gegenstand, der gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd ist, ist kein Pferd, sondern ein fiktiver Gegenstand, und somit kein Lebewesen und kein raum-zeitlicher Gegenstand. (1b) ist also ein externer Satz über Pegasus. Dennoch können wir einen Unterschied machen zwischen einem externen Satz wie (1b) und einem externen Satz wie (7) Pegasus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Äußerlich zeigt sich der Unterschied darin, dass in dem externen Satz (7) kein Geschichtenoperator vorkommt. Man könnte Sätze, die Geschichtenoperatoren enthalten, auch “quasi-interne Sätze” nennen und die anderen “rein externe Sätze”. Wenn wir einen fiktiven Gegenstand beschreiben wollen, werden wir ohne quasi-interne Sätze kaum auskommen. Eine Beschreibung ausschließlich mit rein externen Sätzen ist ziemlich inhaltsleer. Die rein externen Prädikate geben kategoriale Zugehörigkeiten an (z. B. “ist ein fiktiver Gegenstand”) oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Geschichte (z. B. “ist eine Figur aus der griechischen Mythologie”) oder Einzelheiten über die Entstehungsgeschichte (z. B. “ist eine Schöpfung von Arthur Conan Doyle”) oder Relationen (z. B. “basiert auf einer historischen Persönlichkeit” oder “ist berühmt”). Aber das, was uns an einer Figur üblicherweise primär interessiert – nämlich ihre Eigenschaften “in der Geschichte” –, das sagen uns die rein externen Prädikationen nicht. Dazu brauchen wir die quasi-internen Prädikationen. Ich will auf Folgendes hinaus: Ein Ausdruck der Form “ist gemäß einer Geschichte F” muss als Prädikat interpretiert werden; andernfalls haben wir keine Mittel, fiktive Gegenstände adäquat zu beschreiben. Aus diesem Grund plädiere ich für die Prädikatinterpretation des Geschichtenoperators.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Ein weiteres Argument zugunsten dieser Interpretation ist das Folgende: Betrachten wir die beiden Sätze (23) Sherlock Holmes ist gemäß einer Geschichte ein Detektiv. (24) Hercule Poirot ist gemäß einer Geschichte ein Detektiv. Intuitiv ist es vollkommen in Ordnung, aus (23) und (24) Folgendes abzuleiten: (25) F (Sherlock Holmes ist F & Hercule Poirot ist F). Das ist aber nur möglich, wenn der Ausdruck “gemäß einer Geschichte” als Prädikatoperator interpretiert wird. Die Satzoperatoren-Interpretation lässt den Schluss von (23) und (24) auf (25) nicht zu. Aus (23a) Gemäß einer Geschichte gilt: Sherlock Holmes ist ein Detektiv. und (24a) Gemäß einer Geschichte gilt: Hercule Poirot ist ein Detektiv. können wir nicht schließen: (25a) Gemäß einer Geschichte gilt: F (Sherlock Holmes ist F & Hercule Poirot ist F). Der entscheidende Punkt ist, dass fiktiven Gegenständen zwei Arten von Prädikaten wahrheitsgemäß zugesprochen werden können: “rein externe” und “quasi-interne”. Mit Hilfe dieser Unterscheidung können Paradoxien wie die oben dargestellte aufgelöst werden. Denn aus (1b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd. folgt nicht, dass Pegasus ein Pferd ist, sondern nur (19b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein Pferd. Daraus folgt wiederum nicht, dass Pegasus ein raum-zeitlicher Gegenstand ist, sondern nur: (21b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein raum-zeitlicher Gegenstand. Das aber ist vollkommen verträglich mit (18) Pegasus ist kein raum-zeitlicher Gegenstand. Dass wir beim Sprechen über fiktive Gegenstände zwei Arten von Prädikaten zu unterscheiden haben, ist eine ziemlich weit verbreitete Einsicht.15 Es gibt allerdings keine einheitliche Terminologie zur Verdeutlichung dieser UnSiehe zum Beispiel Fine 1982, Jacquette 1996, Parsons 1980, Rapaport 1978, Van Inwagen 1977, Wolterstorff 1980, Zalta 1988. 15

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terscheidung. Grundsätzlich lassen sich die verschiedenen Ansätze in zwei Gruppen einteilen. Ich nenne diese hier, in Ermangelung besserer Bezeichnungen, “Eigenschaftsarten-Theorien”16 und “Zuschreibungsweisen-Theorien”17. Der Unterschied zwischen Eigenschaftsarten-Theorien und Zuschreibungsweisen-Theorien wird nur dann sichtbar, wenn Prädikationen nicht in zwei, sondern in drei logische Teile zerlegt werden. Das heißt: Es wird nicht nur Subjekt und Prädikat unterschieden, sondern das Prädikat wird noch einmal zerlegt in die Kopula (das “ist”) und den allgemeinen Term. Ich möchte das zunächst an Hand der bereits eingeführten Geschichtenoperatoren-Terminologie erläutern. Der interne Satz (19) Pegasus ist ein Pferd. lässt sich in drei Teile zerlegen: “Pegasus”, “ist” und “ein Pferd”. Betrachten wir nun noch einmal den quasi-internen Satz (19b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein Pferd. Es ist hier vorausgesetzt, dass der Operator “gemäß einer Geschichte” als Prädikatoperator zu interpretieren ist. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob der Operator zur Kopula, dem “ist”, oder zum Allgemeinterm “ein Pferd” gehört. Beides wäre möglich: (19c) Pegasus/ist gemäß einer Geschichte/ein Pferd. (19d) Pegasus/ist/gemäß einer Geschichte ein Pferd. Im ersten Fall modifiziert der Geschichtenoperator die Kopula, im zweiten Fall den Allgemeinterm. Das ist zunächst nur ein Unterschied in der Art der Zerlegung, ohne inhaltliche Relevanz. Die Angelegenheit bekommt aber beträchtliches metaphysisches Gewicht, sobald man sich einer Eigenschaftsredeweise bedient. In der Eigenschaftsredeweise lautet der Satz (19) so: (19e) Pegasus exemplifiziert die Eigenschaft Ein-Pferd-zu-sein. Hier ist aus der Kopula ein Relationsausdruck (“exemplifiziert”) geworden und aus dem Allgemeinterm “ist ein Pferd” der abstrakte singuläre Term “die Eigenschaft Ein-Pferd-zu-sein”. Ich nehme jetzt an, dass (19e) in drei logische Teile zu zerlegen ist, nämlich in “Pegasus”, “exemplifiziert” und “die Eigenschaft Ein-Pferd-zu-sein”. (Andernfalls gäbe es keinen Grund, die komplizierte Eigenschaftsredeweise zu verwenden.) In dieser Interpretation Siehe Meinong 1915, Parsons 1980, Jacquette 1996. Siehe z. B. Mally 1912, Rapaport 1978, Zalta 1983, 1988 und 1999.

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bringt das Akzeptieren von (19e) nicht nur eine ontologische Festlegung auf Pegasus, sondern darüber hinaus eine ontologische Festlegung auf Eigenschaften mit sich. Denn es folgt aus (19e) der singuläre Existenzsatz (26) x (x = die Eigenschaft Ein-Pferd-zu-sein). Freilich muss man Eigenschaften nicht grundsätzlich als Universalien betrachten. Aber jemand, der (19e) als wahr akzeptiert, hat kaum eine andere Wahl. Denn nach dem üblichen Verständnis der Exemplifikationsrelation können nur Universalien exemplifiziert werden. Demnach ist jemand, der (19e) als wahr akzeptiert, ontologisch festgelegt auf Universalien. Selbstverständlich lässt sich auch der quasi-interne Satz (19b) in die Eigenschaftsredeweise übertragen. Aber das kann auf zwei Weisen geschehen, je nachdem, ob der Geschichtenoperator dem Relationsausdruck “exemplifiziert” oder dem abstrakten singulären Term “die Eigenschaft Ein-Pferd-zusein” zugeschlagen wird. Die beiden Varianten lauten: (19f) Pegasus/exemplifiziert gemäß einer Geschichte/die Eigenschaft EinPferd-zu-sein. (19g) Pegasus/exemplifiziert/die Eigenschaft Gemäß-einer-Geschichteein-Pferd-zu-sein. Im ersten Fall – in (19f) – modifiziert der Geschichtenoperator die Relation zwischen dem Individuum und der Eigenschaft. Im zweiten Fall – in (19g) – bleibt die Relation unverändert und es wird stattdessen die Eigenschaft modifiziert. Es ist klar, dass ein Vertreter einer Eigenschaftsarten-Theorie ganz andere ontologische Festlegungen eingeht als ein Vertreter einer Zuschreibungsweisen-Theorie. Beide sind ontologisch festgelegt auf Eigenschaften. Aber ein Vertreter einer Eigenschaftsarten-Theorie ist auf sehr viel mehr Eigenschaften ontologisch festgelegt als ein Vertreter einer Zuschreibungsweisen-Theorie. Denn es gibt keine Eigenschaft, die ein fiktiver Gegenstand nicht “in einer Geschichte” haben könnte. Das bedeutet: Zu jeder beliebigen “gewöhnlichen” Eigenschaft F-zu-sein gibt es ein modifiziertes Gegenstück Gemäß-einer-Geschichte-F-zu-sein. Damit verdoppelt sich die Anzahl der angenommenen Universalien. Zuschreibungsweisen-Theorien vermeiden diese explosionsartige Vermehrung der Universalien. Das könnte zu ihren Gunsten – und gegen die Eigenschaftsarten-Theorien – ins Treffen geführt werden. Allerdings ist die Sache damit nicht entschieden. Denn die Zuschreibungsweisen-Theorien bezahlen für ihre relative ontologische Sparsamkeit einen Preis: Sie sind gezwungen,

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einen zusätzlichen undefinierten Grundbegriff einzuführen. In der Geschichtenoperatoren-Redeweise ist das der Begriff “exemplifiziert gemäß einer Geschichte”. Das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Immerhin quält es die Universalienrealisten seit Platon, dass sie die Beziehung zwischen Universalien und ihren “Instanzen” (“Exemplifikationen”) lediglich durch Angabe von Beispielen erläutern können. Wenn aber schon unklar ist, was es heißt, dass ein Gegenstand eine Eigenschaft exemplifiziert, so ist es mindestens ebenso unklar, was es heißt, dass ein Gegenstand eine Eigenschaft gemäß einer Geschichte exemplifiziert. Es ist also schwierig, im Lichte dieser Argumente sich entweder für eine Eigenschaftsarten-Theorie oder für eine Zuschreibungsweisen-Theorie zu entscheiden. Glücklicherweise kann man dieser schwierigen Entscheidungsfrage ausweichen – und zwar ohne sich vor ontologischer Verantwortung zu drücken. Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen Eigenschaftsarten-Theorien und ZuschreibungsweisenTheorien sich erst dann auftut, wenn gewöhnliche Prädikationen als Aussagen über Relationen zwischen Universalien und ihren Exemplifikationen interpretiert werden. Der springende Punkt ist, dass es keinen zwingenden Grund gibt, diesen Schritt zu tun. Eigenschaftsrealisten müssen sich zwischen Eigenschaftsarten-Theorien und Zuschreibungsweisen-Theorien entscheiden; für die anderen stellt sich diese Frage gar nicht. Eigenschaftsrealisten sehen die Kopula “ist” als versteckten Relationsausdruck (“exemplifiziert”, “instantiiert” etc.). Von daher ist klar, dass sie dazu neigen, die Kopula als eigenständigen logischen Teil einer Prädikation zu betrachten. Es gibt sogar eine Neigung, die Kopula dort, wo sie – grammatikalisch betrachtet – gar nicht vorhanden ist, einzufügen, so dass ein Satz wie (27) Bruno kocht. interpretiert wird als (27a) Bruno ist kochend. Die Neigung, die Kopula als eigenständigen logischen Teil zu betrachten, ist, wie gesagt, verständlich vor dem Hintergrund eines Eigenschaftsrealismus. Aber davon abgesehen gibt es dafür keinen guten Grund. Da ich keine guten Gründe dafür sehe, eine ontologische Festlegung auf Eigenschaften zu akzeptieren, betrachte ich das kopulative “ist” auch nicht als eigenständigen logischen Teil. Der Satz

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

(19) Pegasus ist ein Pferd. besteht aus ebenso vielen logischen Teilen wie der Satz (27) Bruno kocht, nämlich aus zwei – dem Subjekt “Pegasus” und dem Prädikat “ist ein Pferd”. Aus diesem Grund ist es müßig zu fragen, ob der Geschichtenoperator in (19b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein Pferd. zum “ist” oder zu “ein Pferd” gehört. Der Operator gehört zum Prädikat, und das logische Prädikat “ist ein Pferd” ist nicht weiter zerlegbar. Der entscheidende Punkt ist also, dass zwei Arten von Prädikaten zu unterscheiden sind. Wie diese Unterscheidung ausgedrückt wird, ist nebensächlich.18 Unvollständigkeit Mit Hilfe der Unterscheidung zweier Arten von Prädikaten (egal in welcher Version) lässt sich auch ein anderes Rätsel leicht lösen, das häufig mit fiktiven Gegenständen in Verbindung gebracht wird, nämlich das so genannte Problem der Unvollständigkeit fiktiver Gegenstände. Auf den ersten Blick scheint es, dass fiktive Gegenstände das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten verletzen. Betrachten wir den Satz (28) Sherlock Holmes hat ein Muttermal am Rücken. Angenommen, nirgends in den Sherlock Holmes-Geschichten wird ausdrücklich erwähnt, dass Sherlock Holmes ein Muttermal am Rücken hat, und weiter angenommen, es wird nirgends ausdrücklich erwähnt, dass Sherlock Holmes kein Muttermal am Rücken hat. Welchen Wahrheitswert hat in diesem Fall der Satz (28)? Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Bestimmung des Wahrheitswertes von (28) kein epistemisches Problem ist.19 Mit anderen Worten: Es geht nicht einfach nur darum, dass wir nicht wissen können, ob Sherlock Holmes ein Muttermal am Rücken hat oder nicht. Der Punkt ist vielmehr, dass Sherlock Holmes hinsichtlich dieser Eigenschaft unbestimmt ist. Es scheint daher, dass weder (28) noch (29) Sherlock Holmes hat kein Muttermal am Rücken. Siehe dazu auch Reicher 1999. Auch wenn das von manchen behauptet wird. Siehe Crittenden 1982.

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wahr sein kann. Wenn aber (29) als Negation von (28) gedeutet wird (und das ist eine prima facie plausible Deutung), müsste, gemäß dem Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten, einer dieser beiden Sätze wahr sein. Also verletzt Sherlock Holmes anscheinend das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten. Die Lösung ist einfach: Es trifft nicht zu, dass weder (28) noch (29) wahr ist. Tatsächlich ist wahr, dass Sherlock Holmes kein Muttermal am Rücken hat. Denn Sherlock Holmes ist, wie gesagt, ein abstrakter Gegenstand; folglich hat er keinen Körper und damit beantwortet sich die Frage nach etwaigen Muttermalen an irgendwelchen Körperstellen von selbst. Hingegen trifft es zu, dass keiner der beiden folgenden Sätze wahr ist: (30) Sherlock Holmes hat gemäß einer Geschichte ein Muttermal am Rücken. (31) Sherlock Holmes hat gemäß einer Geschichte kein Muttermal am Rücken. Dadurch ist aber der Satz vom ausgeschlossenen Dritten in keiner Weise berührt, denn (31) ist nicht die Negation von (30). Fiktive Gegenstände verletzen also nicht das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten. Übrigens verletzen fiktive Gegenstände auch nicht das Prinzip vom Widerspruch. Es ist zwar richtig, dass ein Gegenstand gemäß einer Geschichte sowohl F als auch non-F sein kann. Aber der Satz (32) A ist gemäß einer Geschichte rund. ist nicht die Negation von (33) A ist gemäß einer Geschichte nicht rund. Daher können (32) und (33) zusammen wahr sein, ohne dass der Satz vom Widerspruch dadurch verletzt werden würde. Eine realistische Ontologie kultureller Gegenstände Die Einführung einer besonderen Art von Prädikaten löst nicht nur Probleme mit fiktiven Gegenständen. Es gibt dafür ein viel breiteres Anwendungsfeld. Die Ontologie der fiktiven Gegenstände ist nur ein Teil einer großräumigeren Ontologie der kulturellen Gegenstände. Im Folgenden soll diese Ontologie der kulturellen Gegenstände in den Grundzügen dargestellt werden.20 Ein Teil des Anwendungsfeldes der Prädikat-Unterscheidung ist die Ontologie der Musik. Es gibt sehr gute Gründe für die Annahme, dass MusikwerSiehe dazu ausführlicher Reicher 1998, 2001a und 2003.

20

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ke abstrakte Gegenstände sind: Ich setze voraus, dass es Musikwerke gibt. Von manchen Philosophen wird diese Voraussetzung nicht akzeptiert. Manche meinen, dass unser vermeintliches Reden über Musikwerke in Wahrheit ein Reden über etwas anderes ist, nämlich zum Beispiel über gewisse Aktivitäten von Komponisten oder Musikerinnen, oder über gewisse psychische Zustände von Musikhörerinnen, oder über eine Kombination dieser Gegenstände. Ich setze hier voraus, dass unser Reden über Musikwerke wirklich ein Reden über Musikwerke ist. Mehr noch, ich setze voraus, dass viele unserer Urteile über Musikwerke wahr sind. Das impliziert, dass es Musikwerke gibt. Aus (34) Beethovens Opus 90 ist eine Klaviersonate. folgt (35) x (x = Beethovens Opus 90). und (36) x (x ist eine Klaviersonate). Es ist wahr, dass Beethovens Opus 90 eine Klaviersonate ist. Also gibt es Klaviersonaten im Allgemeinen und Beethovens Opus 90 im Besonderen. Wenn Klaviersonaten keine abstrakten Gegenstände sind, dann sind sie entweder materielle oder psychische Gegenstände. Doch sowohl die materialistische als auch die mentalistische Auffassung haben Konsequenzen, die in Widerspruch stehen zu zahlreichen fest in unserem Überzeugungssystem verwurzelten Überzeugungen über Musikwerke. Nehmen wir für einen Augenblick an, dass Musikwerke materielle Gegenstände sind. Es stellt sich dann die Frage: Welche Gegenstände unserer materiellen Welt könnten wir mit einiger Plausibilität mit Musikwerken identifizieren? Folgende Kandidaten bieten sich an: 1. Partituren (in Form von beschriebenem Papier oder in Form eines Mikrofiche etc.), 2. Aufführungen, 3. Tonträger aller Art (also CDs, DVDs, Tonbänder, Schallplatten etc.), 4. “Abspielungen” von Tonträgern. Diese Kandidatenliste zeigt nebenbei, dass die Kategorie der materiellen Gegenstände nicht homogen ist. Wir können innerhalb der Kategorie der materiellen Gegenstände zwei Subkategorien unterscheiden, nämlich die Kate-

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gorie der Dinge einerseits und die Kategorie der Ereignisse andererseits.21 Partituren und Tonträger sind Dinge. Aufführungen und Abspielungen von Tonträgern sind Ereignisse. Ereignisse zeichnen sich durch folgende Besonderheit gegenüber den Dingen aus: Sie sind zwar zeitliche Gegenstände (das heißt: sie fangen irgendwann an zu existieren und sie hören irgendwann auf zu existieren), aber sie sind in keinem Moment ihrer Existenz als Ganzes vorhanden. Eine Aufführung nimmt eine bestimmte Zeitspanne in Anspruch. Aber wenn wir irgendeinen (echten) Teil dieser Zeitspanne herausnehmen – gleichgültig, wie groß dieser Teil gewählt ist –, müssen wir immer sagen, dass während dieses Teils nur ein Teil der Aufführung existiert, nicht die Aufführung als Ganzes. Betrachten wir zum Beispiel die Aufführung einer dreisätzigen Symphonie. Wir können drei zeitliche Teile der Aufführung unterscheiden: T1: t1 – t2: 1. Satz T2: t2 – t3: 2. Satz T3: t3 – t4: 3. Satz Der erste Teil, T1, dauert von einem Zeitpunkt t1 bis zu einem Zeitpunkt t2; T2 dauert von t2 bis t3; T3 von t3 bis t4. Es ist klar, dass in der Zeitspanne von t1 bis t2 nur der erste Satz existiert, nicht aber der zweite und dritte Satz, während in der Zeitspanne von t2 bis t3 nur der zweite Satz existiert, nicht aber der erste und der dritte, und so fort. Natürlich könnten wir auch kleinere zeitliche Teile betrachten, und als Resultat würde die Aufführung in immer kleinere Teile aufgesplittert werden. Aber es genügt bereits eine “großteilige” Betrachtung, um zu sehen, dass ein Ereignis zu keiner Zeit als Ganzes existiert. Allein aus diesem Grund schon ist es extrem unplausibel, Musikwerke mit Aufführungen oder Abspielungen von Tonträgern zu identifizieren. Denn es gehört zweifellos zu unseren fest verwurzelten Überzeugungen über Musikwerke, dass jedes Musikwerk, sobald der Prozess seiner Komposition beendet ist, als Ganzes existiert. Es gibt aber noch viele andere fest verwurzelte Überzeugungen über Musikwerke, die sich nicht mit der Annahme vertragen, dass Musikwerke Aufführungen oder Abspielungen von Tonträgern sind. Zum Beispiel: Es gibt zahlreiche Aufführungen von Beethovens Opus 90; aber nach üblicher Auffassung gibt es nur ein Opus 90 von Beethoven. Oder: Seit Beethoven sein Opus 90 komponiert hat, gab es immer wieder Perioden, in denen diese Sonate nirgendwo auf der Welt aufgeführt wurde. Unserer Alltagsüberzeugung Zur Ontologie der Ereignisse siehe Kanzian 2001.

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nach hat Beethovens Opus 90 aber auch in den Perioden zwischen den Aufführungen existiert. Dieselben Überlegungen gelten natürlich auch für Abspielungen von Tonträgern. Ein weiteres Argument ist das Folgende: Wenn Musikwerke mit Aufführungen identisch wären, dann könnte es unmöglich nicht aufgeführte Musikwerke geben. Aber es gibt Musikwerke, die niemals aufgeführt wurden. Die anderen beiden Kandidaten, also die Partituren und die Tonträger, bewähren sich keineswegs besser. Eher im Gegenteil. Gegen diese beiden drängt sich sofort der Einwand auf, dass weder die Existenz von Partituren noch die Existenz von Tonträgern eine notwendige Bedingung für die Existenz von Musikwerken ist. Es gab und gibt Musikwerke, die nicht notiert sind, von denen also keine Partituren existieren; und es gab und gibt Musikwerke, von denen keine Tonträger existieren. Daher können wir musikalische Gegenstände weder mit Partituren noch mit Tonträgern identifizieren. Die Kandidaten der Kategorie der materiellen Gegenstände fallen also alle durch. Etwas weniger ideologisch ausgedrückt: Sie verletzen tief verwurzelte Alltagsüberzeugungen über Musikwerke. Aus diesem Grund ist die materialistische Auffassung zu verwerfen. Nehmen wir jetzt an, dass der Mentalismus richtig ist, dass also Musikwerke mit psychischen Gegenständen zu identifizieren sind. Wiederum stellt sich die Frage: Welche Gegenstände aus der Kategorie des Psychischen kämen denn grundsätzlich in Frage als Musikwerke? Hier bietet sich zweierlei an, nämlich: 1. Vorgänge im Bewusstsein der Komponisten während des Komponierens eines Werks; 2. Vorgänge im Bewusstsein der Hörer während des Hörens einer Aufführung des Werks bzw. einer Abspielung eines Tonträgers.22 Gegen die Kandidaten aus dem Bereich des Psychischen drängen sich Einwände auf, die bereits in analoger Form gegen Aufführungen und Abspielungen von Tonträgern vorgebracht wurden. Erstens gibt es den generellen Einwand gegen Ereignisse, dass sie zu keiner Zeit als Ganzes existieren. Man könnte einwenden, dass ich hier nicht alles berücksichtige. Erstens gibt es ja auch noch die Vorgänge im Bewusstsein der ausführenden Musiker. Zweitens gibt es Menschen, die Partituren lesen können, und die Bewusstseinsvorgänge beim Lesen einer Partitur scheinen ebenfalls als Kandidaten in Frage zu kommen. Beide Einwände sind richtig, aber diese speziellen Fälle fügen der Diskussion keine neuen Aspekte hinzu, daher können sie aus Einfachheitsgründen beiseite gelassen werden. 22

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Zweitens gab es sicher Perioden nach der Entstehung von Beethovens Opus 90, in denen in keinem Bewusstsein entsprechende Vorgänge existiert haben. Wir würden aber sagen, dass Beethovens Opus 90 auch in diesen Perioden existiert hat. Drittens sprechen wir von Beethovens Opus 90 als einem Werk; aber wenn wir jeden Bewusstseinsvorgang, der während einer Aufführung von Beethovens Opus 90 entsteht, mit diesem Werk identifizieren, dann erhalten wir sehr viele Werke dieses Namens. Den Vorgang im Bewusstsein während des Komponierens gibt es zwar nur einmal, aber hier tut sich ein anderes Problem auf: Dieser Vorgang ist vergangen, sobald das Werk fertig komponiert ist. Wir würden aber nicht sagen wollen, dass ein Werk zu existieren aufhört in dem Moment, in dem es vollendet ist. Aus diesen Gründen ist auch die mentalistische Auffassung zu verwerfen. Wenn Musikwerke weder materielle noch psychische Gegenstände sind, dann bleibt nur übrig, dass sie abstrakte Gegenstände sind. Die Abstraktheitsthese kann aber nicht nur negativ begründet werden (durch Argumente gegen die Alternativen), sondern auch positiv, nämlich dadurch, dass gezeigt wird, dass diese Auffassung in der Tat sehr gut zusammengeht mit unseren alltäglichen fest verwurzelten Überzeugungen über Musikwerke. Ich formuliere die wichtigsten dieser Überzeugungen am Beispiel von Beethovens Opus 90: 1. Es gibt genau ein Musikwerk, das Beethovens Opus 90 ist. 2. Beethovens Opus 90 existiert seit seiner Entstehung in jedem Moment als Ganzes und ohne Unterbrechung. 3. Beethovens Opus 90 verdankt seine Existenz seinem Komponisten. 4. Weder eine neue Kopie der Partitur noch eine neue Aufführung führen zu einer Veränderung des Werks. Die Auffassung, dass ein Musikwerk ein abstrakter Gegenstand ist, ist konform mit allen diesen Überzeugungen. Allerdings gibt es andere Überzeugungen über Musikwerke, die mit der Abstraktheitsthese in Konflikt zu stehen scheinen. Es gilt zum Beispiel: (37) Beethovens Opus 90 ist in E Moll. Kann ein abstrakter Gegenstand in einer Tonart sein? Die Eigenschaft, in der-und-der Tonart zu sein, ist offenbar eine Eigenschaft von Klanggebilden. Klänge sind grundsätzlich der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich. Abstrakte Gegenstände sind grundsätzlich nicht der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich. Klanggebilde können also keine abstrakten Gegenstände sein. Demnach gilt: Wenn es zutrifft, dass in einer Tonart zu stehen eine Eigen-

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schaft von Klanggebilden ist, und wenn es außerdem zutrifft, dass Musikwerke abstrakte Gegenstände sind, dann kann es nicht sein, dass Beethovens Opus 90 in E Moll ist. Tatsächlich wird das Prädikat “ist in E Moll” nicht von Beethovens Opus 90 erfüllt, wohl aber von jeder (korrekten) Aufführung von Beethovens Opus 90. Das bedeutet, dass der Satz (37) wörtlich genommen nicht wahr ist. Wir können aber annehmen, dass es eine Paraphrasierung dieses Satzes gibt, die wahr ist. Da das Prädikat “ist in E Moll” von jeder (korrekten) Aufführung von Opus 90 erfüllt wird, ist der folgende Paraphrasierungsvorschlag nahe liegend: (37a) Jede korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 ist in E Moll. (37a) ist zweifellos wahr; und es gibt keine zwingenden Einwände gegen diese Paraphrasierung. Es erhebt sich aber die Frage, was eine “korrekte Aufführung von Opus 90” ist. Welche Bedingungen muss ein musikalisches Ereignis erfüllen, um eine korrekte Aufführung von Opus 90 zu sein? Hier ist nicht der Ort, diese Bedingungen im Detail anzuführen. Es genügt hier die ein wenig trivial klingende Feststellung, dass die Bedingungen der Korrektheit einer Aufführung eines Werks festgelegt sind durch das Werk selber. Dass eine korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 in E Moll zu sein hat, liegt daran, dass Beethovens Opus 90 so ist, wie es ist. Wäre nicht gerade festgestellt worden, dass Beethovens Opus 90 nicht in E Moll sein kann, könnte man geneigt sein zu sagen: Dass eine korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 in E Moll zu sein hat, liegt daran, dass Beethovens Opus 90 in E Moll ist (was aber, wörtlich genommen, nicht richtig sein kann). Es ist also festzuhalten, dass Korrektheitsbedingungen für die Aufführungen eines Musikwerks von Eigenschaften des Musikwerks selbst abhängen. Also muss auch die Tatsache, dass jede korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 in E Moll ist, abhängen von irgendeiner Eigenschaft von Beethovens Opus 90. Mit anderen Worten: Zwischen manchen Eigenschaften eines Musikwerks und manchen Eigenschaften von korrekten Aufführungen desselben muss eine Beziehung bestehen. In der Eigenschaftsredeweise ließe sich diese Beziehung wie folgt darstellen: Wenn ein Werk W die Eigenschaft F-zu-sein exemplifiziert, dann gibt es eine Eigenschaft G-zu-sein, so dass notwendigerweise gilt: Jede korrekte Aufführung von W exemplifiziert G-zu-sein. Umgekehrt gilt auch:

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Wenn jede korrekte Aufführung eines Werks W notwendigerweise die Eigenschaft G-zu-sein exemplifiziert, dann gibt es eine Eigenschaft F-zusein, so dass gilt: W exemplifiziert F-zu-sein. Die Notwendigkeit muss hier ins Spiel kommen, weil es ja darum geht, welche Eigenschaften eine Aufführung exemplifizieren muss, um eine korrekte Aufführung eines gegebenen Werks zu sein. Jene Eigenschaften eines Musikwerks, die determinieren, welche Eigenschaften jede korrekte Aufführung des betreffenden Werks erfüllen muss, nenne ich die determinierenden Eigenschaften des Werks. Man könnte den Satz (37) unter Verwendung der Eigenschaftsredeweise wie folgt paraphrasieren: (37b) Beethovens Opus 90 exemplifiziert die Eigenschaft, so zu sein, dass jede korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 notwendigerweise die Eigenschaft In-E-Moll-zu-sein exemplifiziert. Diese Formulierung ist aber nicht nur unschön, sondern bringt auch noch eine ontologische Festlegung auf Eigenschaften mit sich. Ich schlage daher folgende elegantere und zugleich ontologisch sparsamere Formulierung vor: (37c) Beethovens Opus 90 ist bestimmt als in E Moll seiend. “Ist bestimmt als in E Moll seiend” ist ein einstelliges Prädikat. Auf diese Weise wird die ontologische Festlegung auf platonische Eigenschaften vermieden. Diese Formulierung ist außerdem insofern passend, als sie andeutet, wie Musikwerke ihre determinierenden Eigenschaften (“Eigenschaften” hier nicht platonistisch verstanden) erhalten, nämlich durch Festlegungen ihrer jeweiligen Schöpfer. Für die determinierenden Eigenschaften eines Musikwerks ist dessen Komponist allein verantwortlich; für die übrigen Eigenschaften gilt das nicht unbedingt. Nicht-determinierende Eigenschaften eines Musikwerks könnten etwa sein: berühmt zu sein, im Jahre 1877 uraufgeführt worden zu sein, von den bedeutendsten Pianisten interpretiert worden zu sein. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass diese Eigenschaften nicht die notwendigen Eigenschaften korrekter Aufführungen des Werks determinieren. Es gibt also zwei verschiedene Arten von Prädikaten von Musikwerken, nämlich solche, die die notwendigen Eigenschaften korrekter Aufführungen determinieren, und andere, die das nicht tun. Musikwerke und fiktive Gegenstände haben also gemeinsam, dass sie zwei verschiedene Arten von Prädikaten erfüllen. Auf den ersten Blick scheint das nur eine oberflächliche Gemeinsamkeit zu sein. Man sieht vielleicht nicht gleich die Verwandtschaft zwischen den Geschichtenoperator-

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Prädikaten der fiktiven Gegenstände und den Bestimmt-als-Prädikaten der Musikwerke. Schließlich ist es offenkundig absurd, etwa von Beethovens Opus 90 zu sagen, es sei “gemäß einer Geschichte in E Moll”. Aber es ist gar nicht absurd, von Sherlock Holmes zu sagen, er sei “bestimmt als Detektiv”. Denn für diese (und alle übrigen quasi-internen Eigenschaften) ist allein der Autor der Sherlock Holmes-Figur verantwortlich. In der Tat sind fiktive Gegenstände und Musikwerke in ontologischer Hinsicht eng verwandt. Beide sind abstrakte Gegenstände und beide verdanken ihre Existenz und einen Teil ihrer Eigenschaften (nämlich jene Eigenschaften, die ihr “Wesen” ausmachen) der schöpferischen Tätigkeit phantasiebegabter Individuen. Die Geschichtenoperatoren-Prädikate sind ein Spezialfall der Bestimmtals-Prädikate. Mit anderen Worten: Zwar ist nicht jedes Bestimmt-als-Prädikat ein Geschichtenoperatoren-Prädikat, aber jedes GeschichtenoperatorenPrädikat ist ein Bestimmt-als-Prädikat. Statt (1b) Pegasus ist gemäß einer Geschichte ein geflügeltes Pferd. können wir also auch sagen (1c) Pegasus ist bestimmt als ein geflügeltes Pferd; statt (12a) Gemäß einer Geschichte hasst Hamlet den Mann seiner Mutter. können wir sagen (12b) Hamlet ist bestimmt als den Mann seiner Mutter hassend; und so fort. Nicht nur fiktive Gegenstände und Musikwerke, sondern zahlreiche andere Artefakte erfüllen ebenfalls Bestimmt-als-Prädikate. Zum Beispiel: (38) Das Fahrrad ist bestimmt als ein zweirädriges Fahrzeug, das mit Hilfe von Pedalen angetrieben wird. (39) Die österreichische Fahne ist bestimmt als rot-weiß-rot. (40) Die Sachertorte ist bestimmt als mit Marillenmarmelade bestrichen. Beethovens Opus 90, das Fahrrad, die österreichische Fahne und die Sachertorte haben folgendes Merkmal gemeinsam: Sie alle sind vielfach instantiierbar. Die Instantiierungen von Beethovens Opus 90 sind konkrete musikalische Aufführungen, die Instantiierungen des Fahrrades sind konkrete Fahrräder, die Instantiierungen der Sachertorte sind konkrete Sachertorten, und so fort. Gegenstände, die vielfach instantiierbar sind, nenne ich Typen. Beethovens

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Opus 90 ist also ein Typus, der in musikalischen Aufführungen instantiiert sein kann, dessen Existenz aber nicht von der Existenz etwaiger Instantiierungen abhängt. (Beethovens Opus 90 existiert auch dann, wenn es gerade nirgendwo auf der Welt aufgeführt wird.) Jede korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90 ist eine Instantiierung von Beethovens Opus 90. Typen zeichnen sich dadurch aus, dass sie determinierende Eigenschaften haben. Die Beziehung zwischen den determinierenden Eigenschaften eines Typus und den notwendigen Eigenschaften seiner Instantiierungen kann wie folgt expliziert werden: (B) Für jeden Typus T, für alle F: Wenn T bestimmt ist als F, dann gilt, für alle x: Wenn x eine Instantiierung von T ist, dann: Fx. Zum Beispiel: Da Beethovens Opus 90 bestimmt ist als in E Moll seiend, gilt: Jede Instantiierung (also jede korrekte Aufführung von Beethovens Opus 90) ist in E Moll. Da die Sachertorte bestimmt ist als mit Marillenmarmelade bestrichen, gilt: Jede Instantiierung der Sachertorte ist mit Marillenmarmelade bestrichen. Und so fort. Mit Hilfe der Bestimmt-als-Prädikate kann die Beziehung zwischen Typen und ihren Instantiierungen definiert werden: (TI) Für alle x, für jeden Typus T: x ist eine Instantiierung von T genau dann, wenn gilt: Für alle F, wenn T als F bestimmt ist, dann: Fx. Zum Beispiel: Ein Schokoladenkuchen, der unter der Schokoladenkuvertüre nicht eine dünne Schicht Marillenmarmelade aufweist, ist kein Exemplar des Typus Sachertorte, weil es zu den determinierenden Eigenschaften des Typus Sachertorte zählt, als mit Marillenmarmelade bestrichen bestimmt zu sein. Ein Fahrzeug, das nicht mit Hilfe von Pedalen, sondern mittels von Hand zu bewegender Hebel angetrieben wird, ist keine Instantiierung des Typus Fahrrad, weil der Typus Fahrrad bestimmt ist als mit Hilfe von Pedalen angetrieben. Und so fort. Es kann auch Typen geben, die grundsätzlich nicht instantiierbar sind, weil einige determinierende Eigenschaften sich gegenseitig ausschließen. Die Instantiierbarkeit ist also kein Wesensmerkmal von Typen. Das Wesensmerkmal von Typen ist, dass sie determinierende Eigenschaften haben bzw. dass sie Bestimmt-als-Prädikate erfüllen. Fiktive Gegenstände sind ebenfalls Typen, da sie ja Bestimmt-als-Prädikate erfüllen. Die meisten fiktiven Gegenstände sind darüber hinaus instantiierbar. Dass die meisten tatsächlich niemals realisiert werden, ändert nichts an ihrem ontologischen Status.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände Nach einer Auffassung, die von Franz Brentano herkommt, zeichnen sich psychische Zustände und Vorgänge durch ein besonderes Merkmal aus, nämlich: Jeder psychische Akt (also jedes Vorstellen, Wahrnehmen, Urteilen, Wünschen, Begehren usf.) ist in einem spezifischen Sinn “auf etwas gerichtet”, m. a. W.: jeder psychische Akt “hat einen Gegenstand”. Das heißt: Wer vorstellt, stellt etwas vor, wer wahrnimmt, nimmt etwas wahr, wer begehrt, begehrt etwas, und so fort.1 Das ist das “Prinzip der Intentionalität”. Dieses besondere “etwas zum Gegenstand haben” intentionaler Akte und Zustände wird auch als “intentionales Gerichtetsein” bezeichnet. Ich nenne im Folgenden jene Gegenstände, auf die sich jemand intentional richtet bzw. gerichtet hat, “intentionale Gegenstände”. Intentionales Gerichtetsein ist dem oberflächlichen Anschein nach eine Relation zwischen einem psychischen Subjekt und einem intentionalen Gegenstand. Es wird sich gleich zeigen, dass es gute Gründe dafür gibt, die verschiedenen Formen des intentionalen Gerichtetseins nicht als Relationen zu interpretieren. Deshalb spreche ich von “intentionalen Relationen” in Anführungszeichen. Einige Beispiele für “intentionale Relationen” wurden bereits genannt: etwas vorstellen, etwas wahrnehmen, über etwas urteilen, sich etwas wünschen, etwas begehren. Weitere Beispiele sind: etwas fürchten, etwas verehren, etwas suchen, etwas lieben oder hassen, sich an etwas erinnern, etwas bewundern oder verachten. Nun ist es aber eine unleugbare Tatsache, dass nicht jeder psychische Akt auf etwas gerichtet ist, das existiert. In manchen Fällen existiert das Objekt des intentionalen Gerichtetseins nicht. Wir können uns an Dinge erinnern, die nicht mehr existieren; wir können uns Dinge wünschen, die noch nicht existieren; wir können uns Dinge vorstellen, die niemals existieren werden; manche verehren Gegenstände, die nicht existieren, oder fürchten Gegenstände, die nicht existieren. Gemäß dem Prinzip der Intentionalität hat aber jeder psychische Akt einen Gegenstand. Was sind die intentionalen Gegenstände von psychischen Akten, die auf nichts Existierendes gerichtet sind? Gibt es doch nichtexistierende Gegenstände? Wenn ja, sind manche unserer intentionalen Akte auf nichtexistierende Gegenstände 1

Siehe Brentano 1874, Zweites Buch, Erstes Kapitel, § 5.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

gerichtet? Oder darf man das intentionale Gerichtetsein nicht als Relation interpretieren? Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände ist eng verbunden mit dem Prinzip der relationalen existentiellen Generalisierung (REG) und dem Relationsprinzip (RP): (REG) Rab  x (Rxb) & y (Ray) (RP) Rab  x (x = a) & y (y = b) Angenommen, die verschiedenen Formen des intentionalen Gerichtetseins (fürchten, vorstellen, verehren etc.) wären tatsächlich Relationen. Dann wäre der Satz (1) Die antiken Griechen verehrten Zeus. als ein Satz der Form “Rab” zu interpretieren, mit “verehren” als zweistelliger Relation. (Ich nehme mir hier die Freiheit, den Ausdruck “die antiken Griechen” als singulären Term für ein Kollektiv zu behandeln.) Demgemäß würde aufgrund von (REG) aus (1) folgen: (2) x (die antiken Griechen verehrten x). Außerdem würde aufgrund von (RP) aus (1) folgen: (3) x (x = Zeus). Doch während (1) eine durch glaubwürdige Quellen gestützte allgemein akzeptierte historische These ist, widerspricht (3) nach allgemeiner Auffassung den historischen Tatsachen. Es gab niemals etwas, das mit Zeus identisch war. Analog gilt: Wenn “suchen” eine zweistellige Relation ist, dann ist auch der Satz (4) Ponce de León suchte den Jungbrunnen. als ein Satz der Form “Rab” zu interpretieren. Dann folgt aufgrund von (REG) aus (4) der generelle Existenzsatz (5) x (Ponce de León suchte x). und aufgrund von (RP) der singuläre Existenzsatz (6) x (x = der Jungbrunnen). Doch nach heute allgemein verbreiteter Meinung existierte der sagenhafte Jungbrunnen niemals; die Geschichten, die über ihn erzählt werden, sind

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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bloß Legenden. Historisch verbürgt ist allerdings, dass der spanische Konquistador Ponce de León die Legenden für bare Münze nahm und auf der Suche nach dem Jungbrunnen Florida durchstreifte. Das Problem kann wie folgt auf den Punkt gebracht werden: 1. Es wird mit guten Gründen angenommen, dass der Satz (4) wahr ist. 2. Es wird mit guten Gründen angenommen, dass aus diesem Satz folgt, dass der Jungbrunnen existiert. 3. Es wird mit guten Gründen angenommen, dass der Jungbrunnen nicht existiert. Analoges lässt sich natürlich auch über das erste Beispiel sagen: Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die Griechen Zeus verehrten, und es gibt gute Gründe für die Annahme, dass daraus folgt, dass Zeus existierte, und es gibt schließlich gute Gründe für die Annahme, dass Zeus niemals existiert hat. Grundsätzlich könnte das Problem durch Aufgabe irgendeiner dieser drei Annahmen gelöst werden. Ich will aber hier (wie es auch allgemein üblich ist) weder die erste noch die dritte dieser drei Annahmen in Zweifel ziehen. Ich gehe also davon aus, dass es wahr ist, dass die Griechen Zeus verehrten und dass Ponce de León den Jungbrunnen suchte, obwohl weder Zeus noch der Jungbrunnen jemals existierten. Der Widerspruch kann demnach nur vermieden werden durch Aufgabe der zweiten Annahme: Es kann nicht sein, dass aus (1) folgt, dass Zeus existierte, und es kann nicht sein, dass aus (4) folgt, dass der Jungbrunnen existierte. Die Annahme, dass aus dem Satz (4) folgt, dass der Jungbrunnen existiert, beruht ihrerseits auf zwei Voraussetzungen: Erstens wird vorausgesetzt, dass (4) die logische Form “Rab” hat; und zweitens wird die Gültigkeit des Relationsprinzips (RP) vorausgesetzt. Mindestens eine dieser Voraussetzungen muss falsch sein. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten, das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände zu lösen: Man kann entweder das Relationsprinzip aufgeben, oder man kann die Annahme aufgeben, dass (4) – und alle Sätze, die dasselbe Problem aufwerfen – die logische Form “Rab” haben. Ich werde im Folgenden beide Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Ich beginne damit, das Relationsprinzip in Frage zu stellen.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Soll das Relationsprinzip aufgegeben werden? Eine einfache Möglichkeit zur Lösung des Problems wäre die ersatzlose Streichung von (RP). (RP) ist das “relationale Gegenstück” zu (PP), und einige der Gründe, die zugunsten von (PP) angeführt worden sind, lassen sich, mutatis mutandis, auch zugunsten von (RP) anführen. So schwer begreiflich es ist, wie ein Ding, das nicht existiert, eine Eigenschaft haben können soll, so schwer begreiflich ist es auch, wie ein Ding, das nicht existiert, in irgendeiner Beziehung zu einem anderen Ding stehen können soll. Wie an früherer Stelle ausgeführt wurde, ist in manchen existenzfreien Logiken weder (PP) noch (RP) gültig. Es wurde aber auch aufgezeigt, dass die guten Gründe für die Freiheit von Existenzannahmen in Bezug auf singuläre Terme nicht auch gute Gründe für die Eliminierung von (PP) und (RP) sind. Denn eine negative oder neutrale existenzfreie Logik (also eine existenzfreie Logik, in der alle Prädikationen mit leeren singulären Termen falsch bzw. wahrheitswertlos sind) ist sowohl mit (PP) als auch mit (RP) verträglich. Positive existenzfreie Logiken erzwingen freilich die Aufgabe von (RP) – ebenso wie die von (PP); doch müssten für positive existenzfreie Logiken Argumente angeführt werden, die über die grundsätzlichen Überlegungen zugunsten einer existenzfreien Logik hinausgehen.2 Hier erhebt sich die Frage: Stellt nicht gerade das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände einen guten Grund für positive existenzfreie Logiken dar? Ich halte dagegen: Diese Lösung des Problems der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände wäre ad hoc. Denn die Aufgabe des Relationsprinzips erscheint in erster Linie, ja nahezu ausschließlich, für intentionale Relationen intuitiv plausibel.3 Sicher, man möchte gern den Schluss von (4) Ponce de León suchte den Jungbrunnen. auf (6) x (x = der Jungbrunnen). blockieren. Es leuchtet intuitiv ein, dass mit diesem Schluss etwas nicht in Ordnung ist. Aber wenn der intuitiv erkannte Fehler im Prinzip (RP) liegt, 2

Siehe Kapitel III.3. Ein weiterer Fall wird in Zusammenhang mit dem Problem der vergangenen Gegenstände diskutiert werden (siehe Kapitel IV.3). 3

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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dann stellt sich die Frage, warum in unzähligen anderen Fällen niemand an diesem Prinzip Anstoß nehmen würde. Wer würde beispielsweise bestreiten, dass aus (7) Anna rutschte auf der Bananenschale aus, die Bruno auf den Gehsteig geworfen hatte. folgt, dass es eine Bananenschale gibt oder gab, die von Bruno auf einen Gehsteig geworfen wurde? In der Tat erscheint es vollkommen ausgeschlossen, dass jemand (7) ernsthaft behaupten könnte, wenn von Seiten des oder der Behauptenden irgendwelche Zweifel an der Existenz einer weggeworfenen Bananenschale bestehen würden. Noch weniger erscheint es vorstellbar, dass (7) wahr sein könnte, wenn die erwähnte Existenzvoraussetzung nicht erfüllt wäre. Es gibt hier keinen Anlass für den leisesten Anflug eines Zweifels am Relationsprinzip. Ich behaupte, dass fast alle Fälle von dieser Art sind, dass es nur ganz wenige Arten von Sätzen gibt (Arten, die sich leicht identifizieren lassen), in denen die Anwendung des Relationsprinzips zu merkwürdigen oder sogar inakzeptablen Konsequenzen führt. Angesichts dieser Sachlage erscheint es angebracht, die Fälle, in denen das Relationsprinzip nicht funktioniert, als Anomalien zu betrachten, für die es eine Erklärung zu suchen gilt, die das Relationsprinzip unangetastet lässt. Die Aufgabe des Relationsprinzips erschiene frühestens dann gerechtfertigt, wenn alle übrigen Versuche, eine Erklärung zu finden, als gescheitert angesehen werden müssten. Eine Analogie mag diese methodologische Bemerkung illustrieren: Unter Pilzsammlern gilt der Parasol als schmackhafter Speisepilz, dessen Genuss völlig unbedenklich ist. Gelegentlich geschieht es aber, dass nach dem Verzehr von (vermeintlichem oder echtem) Parasol eine Magenverstimmung auftritt. Aber niemand würde deshalb gleich aufhören, den Parasol zu den genießbaren Pilzen zu zählen. Für die bedauerlichen Ausnahmefälle würde man verschiedenste andere Erklärungen suchen: Hat sich der Pilzsammler vielleicht geirrt und liegt eine Verwechslung vor? Rührt das Unwohlsein vielleicht nicht vom Genuss des Pilzgerichtes her, sondern von einer anderen Speise? Leidet der Kranke womöglich unter einer akuten Infektion, die zufällig nach dem Pilzessen ausgebrochen ist? Erst wenn alle erdenklichen alternativen Möglichkeiten ausgeschlossen werden müssen,

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

wird man vielleicht der Annahme näher treten, dass der Parasol doch nicht der harmlose Speisepilz ist, für den er bisher gehalten wurde. Kann eine meinongianische Ontologie das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände lösen? Vielfach stellt das Problem der intentionalen Gegenstände eine Motivation für das Akzeptieren eines meinongianischen Weltbildes dar. Die Basis eines meinongianischen Weltbildes ist die Annahme, dass es Gegenstände gibt, die nicht existieren. Das läuft auf eine Seinsweisenunterscheidung hinaus. Ich will jetzt von allen an früherer Stelle formulierten Einwänden gegen Seinsweisenunterscheidungen absehen und stattdessen fragen, ob das meinongianische Weltbild überhaupt (und unabhängig von diesen Einwänden) eine befriedigende Lösung für das Problem der intentionalen Gegenstände darstellt. Die Antwort lautet: “Nein.” Um zu erläutern, warum die Annahme einer meinongianischen Ontologie in Hinsicht auf dieses Problem ganz nutzlos ist, will ich vorübergehend einen meinongianischen Standpunkt einnehmen. Die wesentlichen Elemente einer meinongianischen Theorie sind die folgenden drei: 1. Es gibt nicht nur seiende (existierende und bestehende) Gegenstände, sondern auch bloß außerseiende (das sind Gegenstände, die keinerlei Sein haben). 2. Gegenstände können Eigenschaften haben (und in Relationen zu anderen Gegenständen stehen), ohne Sein zu haben. (Das ist das Prinzip der Unabhängigkeit des Soseins vom Sein.) 3. Zu jeder Eigenschaft bzw. jeder Mehrheit von Eigenschaften gibt es einen Gegenstand, der genau diese Eigenschaft bzw. diese Eigenschaften hat; dieser Gegenstand kann entweder seiend oder bloß außerseiend sein. Dieses Prinzip nenne ich, nach Dale Jacquette, das Prinzip der unbeschränkten Annahmefreiheit, oder kurz: Annahmeprinzip.4 Das Annahmeprinzip hat zur Konsequenz, dass es Gegenstände gibt, die eine, und nur eine, Eigenschaft haben, zum Beispiel die Eigenschaft Rotzu-sein oder die Eigenschaft Mensch-zu-sein. Ebenso gibt es, gemäß dem 4

Jacquette 1996.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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Annahmeprinzip, Gegenstände, die genau zwei Eigenschaften haben, und Gegenstände, die genau drei Eigenschaften haben, und so fort. Diese Annahme führt allerdings in Widersprüche, die nur durch eine wesentliche Modifikation der Theorie zu vermeiden sind: 1. (Annahme) Es gibt einen Gegenstand a, der die Eigenschaft Rot-zusein hat, und sonst keine Eigenschaft. 2. a hat genau eine Eigenschaft. (1) 3. a hat die Eigenschaft Genau-eine-Eigenschaft-zu-haben. (2) 4. Die Eigenschaft Rot-zu-sein ist nicht identisch mit der Eigenschaft Genau-eine-Eigenschaft-zu-haben. 5. a hat (mindestens) zwei Eigenschaften, nämlich die Eigenschaft Rotzu-sein und die Eigenschaft Genau-eine-Eigenschaft-zu-haben. (1,3,4) 6. a hat nicht genau eine Eigenschaft. (5) Was kann man tun, um diesen Widerspruch zu vermeiden? Die Frage führt zurück zu einem bereits im vorangegangenen Kapitel in Zusammenhang mit dem Problem der fiktiven Gegenstände angeschnittenen Thema, nämlich der Unterscheidung von Eigenschaftsarten bzw. Arten von Prädikaten. Die ursprüngliche, von Meinong selbst akzeptierte Lösung lautete wie folgt: Wir müssen zwei Arten von Eigenschaften unterscheiden, nämlich konstitutorische Eigenschaften einerseits und außerkonstitutorische Eigenschaften andererseits.5 Wir können dann das Annahmeprinzip wie folgt reformulieren: Zu jeder konstitutorischen Eigenschaft bzw. jeder Mehrheit von konstitutorischen Eigenschaften gibt es einen Gegenstand, der diese Eigenschaft bzw. diese Eigenschaften hat; dieser Gegenstand kann entweder seiend oder bloß außerseiend sein. Das Problem mit dem Gegenstand, der nur die Eigenschaft Rot-zu-sein haben soll, lässt sich nun auf die folgende Weise lösen: Die Eigenschaft Rot-zu-sein wird zur konstitutorischen Eigenschaft erklärt, die Eigenschaft Genau-eine-Eigenschaft-zu-haben und alle übrigen Eigenschaften, die dem in Rede stehenden Gegenstand wahrheitsgemäß zugesprochen werden können, werden als außerkonstitutorisch klassifiziert. Wir können dann sagen, dass der betreffende Gegenstand genau eine konstitutorische Eigenschaft hat, nämlich die Eigenschaft Rot-zu-sein; alle übrigen Eigenschaften dieses 5

Meinong 1915, § 25.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Gegenstandes sind außerkonstitutorisch. Ein Widerspruch ergibt sich auf diese Weise nicht. So scheint das Annahmeprinzip gerettet zu sein. Doch ich habe hier einfach stipuliert, dass Rot-zu-sein eine konstitutorische Eigenschaft ist, Genau-eine-Eigenschaft-zu-haben hingegen eine außerkonstitutorische. Als Problemlösung kann ein solches Vorgehen freilich nicht überzeugen. Es ist vielmehr zu zeigen, dass die Unterscheidung zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften eine inhaltliche Basis hat, mit anderen Worten: dass es feststellbare Unterscheidungsmerkmale zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften gibt. Zweifellos ist und war die Konstitutorisch-außerkonstitutorisch-Unterscheidung von allen ihren vergangenen und gegenwärtigen Vertretern auch so gemeint – als inhaltlich fundierte Unterscheidung nämlich, nicht als ein bloßes Spiel mit Worten. Doch worin besteht der Unterschied zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften? Was macht es aus, dass Rot-zu-sein konstitutorisch ist und Genaueine-Eigenschaft-zu-haben außerkonstitutorisch? Auf welche Merkmale ist diese Unterscheidung gegründet? Aufgrund welcher Kriterien können wir entscheiden, ob eine gegebene Eigenschaft konstitutorisch oder außerkonstitutorisch ist? Eine Definition der Begriffe “konstitutorisch” bzw. “außerkonstitutorisch” gibt es nirgends, weder bei Meinong selbst, noch bei einem seiner Nachfolger. Die forschende Leserin muss sich mit Beispielen und Appellen an ihre Intuition begnügen.6 Leider führen diese Versuche, Klarheit zu schaffen, nur in neue Schwierigkeiten. Eines der am häufigsten angeführten Beispiele für eine außerkonstitutorische Eigenschaft ist Existenz. (Meinongianer pflegen Existenz als Eigenschaft zu betrachten.) Andererseits brauchen die Meinongianer Existenz als konstitutorische Eigenschaft, um ein Paradoxon zu vermeiden, mit dem Russell Meinong selbst konfrontierte. Russell hatte Meinong zunächst Inkonsistenz vorgeworfen, weil dieser Gegenstände zulasse, die einander ausschließende Eigenschaften haben. Russells Kritik gründete auf einer durchaus richtigen Beobachtung. Das Annahmeprinzip hat ja als Konsequenz, dass es, zum Beispiel, einen Gegenstand gibt, der sowohl die Eigenschaft Rund-zu-sein als auch die Eigenschaft Nicht-rund-zu-sein hat. 6

Vgl. z. B. Parsons 1980, Jacquette 1996.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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(Meinongianer pflegen negative Eigenschaften anstandslos zu akzeptieren.) Ein Gegenstand, der sowohl rund als auch nicht-rund ist verletze das Prinzip der Widerspruchsfreiheit, so Russell. Meinong replizierte darauf, das Prinzip der Widerspruchsfreiheit gelte nur für existierende Gegenstände und er habe niemals behauptet, dass ein Ding, das zugleich rund und nicht-rund sei, existiere. Russell erhob keinen Einspruch gegen diese Erklärung, brachte aber einen neuen Einwand vor: Der gegenwärtige König von Frankreich existiere nicht, ebenso wenig aber existiere der existierende gegenwärtige König von Frankreich. Der existierende gegenwärtige König von Frankreich sei also sowohl existierend als auch nichtexistierend.7 Meinong verteidigte sich wie folgt: Es mache einen Unterschied, ob etwas existiere oder nur existierend sei. Der existierende gegenwärtige König von Frankreich sei zwar existierend, aber er existiere nicht.8 Russell konnte mit dieser Erklärung freilich nichts anfangen.9 Im Licht der Konstitutorisch-außerkonstitutorisch-Unterscheidung (die Meinong damals noch nicht in seine Theorie aufgenommen hatte und die Russell daher auch nicht bekannt sein konnte) kann man Meinongs Replik aber durchaus einen guten Sinn abgewinnen. Offenbar ist Existierend-sein eine konstitutorische, Existieren aber eine außerkonstitutorische Eigenschaft. Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit kann nur für jene Gegenstände gelten, die außerkonstitutorische Existenz haben. Das bedeutet aber: Existenz kommt sowohl als konstitutorische als auch als außerkonstitutorische Eigenschaft vor. Damit stellt sich die Frage nach den Unterscheidungskriterien für konstitutorische und außerkonstitutorische Eigenschaften verschärft. Was unterscheidet Existenz als konstitutorische von Existenz als außerkonstitutorischer Eigenschaft? Es war Meinongs Schüler Ernst Mally (von dem übrigens auch die Konstitutorisch-außerkonstitutorisch-Unterscheidung ursprünglich stammt), der eine widerspruchsfreie Version der Gegenstandstheorie schuf. Ich werde diese Version nun in ihren Grundzügen darstellen, und zwar nicht aus historischem Interesse, sondern weil diese oder eine ähnliche Version die einzige Möglichkeit bietet, eine meinongianische Ontologie ohne Wider7

Russell 1905a und 1905b. Meinong 1907. 9 Siehe Russell 1907. 8

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

sprüche zu vertreten. Will man also eine meinongianische Lösung für das Problem der intentionalen Gegenstände ernsthaft in Erwägung ziehen, dann kann man nichts Besseres tun, als Mallys Version zugrunde zu legen. Mally gibt die Unterscheidung zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften auf. Stattdessen führt er eine neue Unterscheidung ein, eine Unterscheidung, welche die Beziehung zwischen Eigenschaften und Gegenständen betrifft: Eine Eigenschaft kann einen Gegenstand determinieren oder von einem Gegenstand erfüllt werden. Dass ein Gegenstand eine Eigenschaft F-zu-sein erfüllt, heißt, dass der Gegenstand diese Eigenschaft im gewöhnlichen Sinn hat, bzw. (in der Klassenredeweise), dass der Gegenstand zur Klasse derjenigen Gegenstände gehört, die F sind, oder einfach: dass der Gegenstand F ist. Wenn ein Gegenstand die Eigenschaft F-zu-sein nicht erfüllt, sondern durch diese Eigenschaft nur determiniert wird, dann ist der Gegenstand nicht F, gehört nicht zur Klasse der F-Dinge. Der Kreis (nicht irgendein besonderer Kreis, sondern ein abstrakter Gegenstand) ist determiniert durch die Eigenschaften Eine-geschlossene-Linie-zu-sein, In-der-Ebene-zu-liegen, Nur-Punkte-zu-enthalten-die-von-einem-Punkt-gleichen-Abstand-haben, aber der Kreis erfüllt diese Eigenschaften nicht.10 Auf der Grundlage dieser Unterscheidung können wir sagen: Der existierende gegenwärtige König von Frankreich ist determiniert durch die Eigenschaft Existierender-gegenwärtiger-König-von-Frankreich-zu-sein. Aber der existierende gegenwärtige König von Frankreich erfüllt diese Eigenschaft nicht. Das heißt: Der existierende gegenwärtige König von Frankreich gehört nicht zur Klasse der existierenden Könige; er ist kein König. Er ist ein abstrakter Gegenstand, der determiniert ist durch die Eigenschaften Existierend-zu-sein und König-von-Frankreich-zu-sein. Jeder Gegenstand erfüllt irgendwelche Eigenschaften. Der existierende gegenwärtige König von Frankreich zum Beispiel erfüllt, unter anderem, folgende Eigenschaften: die Eigenschaft Abstrakt-zu-sein, die Eigenschaft Durch-die-Eigenschaft-Existierend-zu-sein-determiniert-zu-sein, die Eigenschaft Nicht-Element-der-Klasse-der-Könige-zu-sein. “Gewöhnliche” Gegenstände erfüllen alle ihre Eigenschaften; es gibt keine Eigenschaften, durch die sie nur determiniert werden, ohne sie zu erfüllen. Nur manche 10

Vgl. Mally 1912, 64.

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Gegenstände werden durch Eigenschaften determiniert, ohne diese zu erfüllen. Solche Gegenstände nennt Mally “Determinate”. Der existierende gegenwärtige König von Frankreich ist also ein Determinat. Das Annahmeprinzip lässt sich auf der Grundlage dieser Unterscheidung wie folgt reformulieren: Zu jeder Eigenschaft bzw. jeder Mehrheit von Eigenschaften gibt es einen Gegenstand, der durch diese Eigenschaft bzw. diese Eigenschaften determiniert ist. Das heißt: Es gibt zu jeder Eigenschaft einen Gegenstand, der nur durch diese eine Eigenschaft determiniert ist. Es gibt Gegenstände, die durch genau zwei Eigenschaften determiniert sind, Gegenstände, die durch genau drei Eigenschaften determiniert sind, und so fort. Es gibt aber keinen Gegenstand, der nur eine Eigenschaft erfüllt; es gibt auch nicht zu jeder Eigenschaft bzw. jeder Mehrheit von Eigenschaften einen Gegenstand, der diese Eigenschaft bzw. diese Eigenschaften erfüllt. Diese Version der Gegenstandstheorie ist widerspruchsfrei und daher auch immun gegen alle Einwände Russells. Es gibt keinen Gegenstand, der zugleich rund und nicht-rund ist. Es gibt nur einen Gegenstand, der durch die Eigenschaften Rund-zu-sein und Nicht-rund-zu-sein determiniert ist. Das konfligiert nicht mit dem Prinzip der Widerspruchsfreiheit. Mit diesem würde lediglich die Annahme konfligieren, dass es einen Gegenstand gibt, der zugleich die Eigenschaft Rund-zu-sein und die Eigenschaft Nicht-rundzu-sein erfüllt. Dass der Gegenstand, der durch diese beiden Eigenschaften determiniert ist, diese etwa auch erfüllen könnte, können wir von vorne herein ausschließen. Denn dieser Gegenstand ist ein Determinat. Determinate sind abstrakte Gegenstände. Abstrakte Gegenstände sind nicht ausgedehnt. Was nicht ausgedehnt ist, kann auch nicht die Eigenschaft Rund-zusein erfüllen. Es ist also ausgeschlossen, dass dieser Gegenstand sowohl die Eigenschaft Rund-zu-sein als auch die Eigenschaft Nicht-rund-zu-sein erfüllt. Die Annahme, dass ein Gegenstand durch genau eine Eigenschaft determiniert wird, führt auch nicht in Widersprüche. Das Determinat, das durch die Eigenschaft Rot-zu-sein determiniert wird, und durch sonst keine Eigenschaft, wird durch genau eine Eigenschaft determiniert. Dieses Determinat hat freilich die Eigenschaft Durch-genau-eine-Eigenschaft-determiniert-zu-werden. Aber diese Eigenschaft erfüllt es. Das aber widerspricht

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

nicht der Annahme, dass es nur eine Eigenschaft gibt, durch die es determiniert wird. Was hat das nun mit der Unterscheidung zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften zu tun? – Wir können die Konstitutorisch-außerkonstitutorisch-Redeweise vollständig in die Determinationsund Erfüllungs-Redeweise übersetzen, und umgekehrt. Wir können sagen: Eine Eigenschaft P ist eine konstitutorische Eigenschaft eines Gegenstandes x genau dann, wenn x durch P determiniert wird. Eine Eigenschaft P ist eine außerkonstitutorische Eigenschaft eines Gegenstandes x genau dann, wenn x P erfüllt. Mit anderen Worten: Es gibt nicht eine konstitutorische Eigenschaft der Existenz und eine von dieser verschiedene außerkonstitutorische Eigenschaft der Existenz. Konstitutorisch-zu-sein bzw. Außerkonstitutorisch-zu-sein sind keine intrinsischen Eigenschaften von Eigenschaften, sondern relationale Eigenschaften von Eigenschaften. Es ist darum auch keine Eigenschaft schlechthin konstitutorisch oder außerkonstitutorisch, sondern immer nur konstitutorisch oder außerkonstitutorisch in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand (den sie determiniert bzw. von dem sie erfüllt wird).11 Daher ist es nicht verwunderlich, dass es den Meinongianern nicht gelungen ist, Merkmale anzugeben, durch die sich konstitutorische von außerkonstitutorischen Eigenschaften unterscheiden. Der Irrtum liegt in der Annahme, dass diese Unterscheidungsmerkmale intrinsisch sein müssten; aber intrinsische Unterscheidungsmerkmale gibt es nicht. Die Unterscheidung zwischen konstitutorischen und außerkonstitutorischen Eigenschaften macht Sinn, wenn sie in der erläuterten Weise interpretiert wird. In diesem Fall ist sie aber nur eine andere Ausdrucksweise für das, was die Determinations- und Erfüllungsredeweise ebenfalls ausdrückt. Versuchen wir nun, diese in sich widerspruchsfreie Version der Gegenstandstheorie für die Lösung des Problems der intentionalen Gegenstände fruchtbar zu machen. Es ist in erster Linie das Annahmeprinzip, das die Gegenstandstheorie zunächst als eine geeignete Lösung erscheinen lässt. Denn wenn das Annahmeprinzip gilt, dann kann es keine intentionale Einstellung, kein Fürchten, Wünschen, Verehren geben, für das wir nicht ei11

Vgl. Reicher 2001b.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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nen Gegenstand als intentionales Objekt zur Verfügung hätten. Zum Beispiel: Die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, wäre demnach derjenige Gegenstand, der determiniert ist durch die Eigenschaften Waschmaschine-zu-sein und Ohne-Waschmittel-perfekt-sauberzu-waschen. Das Annahmeprinzip besagt, dass es diesen Gegenstand gibt. In Meinongs Version der Gegenstandstheorie würde gelten, dass die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, ein nichtexistierender, genauer: ein außerseiender Gegenstand ist. Hier drängt sich die Frage auf: Kann es denn sein, dass die Aktionäre des Henkel-Konzerns einen nichtexistierenden Gegenstand fürchten? Warum sollten sie? Eine nichtexistierende Waschmaschine ist doch keine Bedrohung für ihre Rendite (so wenig wie ein nichtexistierender Lottogewinn ein Grund zur Freude ist). Wenn sie eine Waschmaschine fürchten, dann doch wohl eine existierende! Freilich hat die von den Aktionären gefürchtete Waschmaschine Existenz als konstitutorische Eigenschaft. Aber das entkräftet den Einwand nicht. Denn es ist klar, dass kein Anlass besteht, etwas zu fürchten, das Existenz lediglich als konstitutorische, nicht aber als außerkonstitutorische Eigenschaft hat. Kein Bösewicht fürchtet ein Höllenfeuer, das Existenz nur als konstitutorische Eigenschaft hat, keine Bank gewährt einen Kredit aufgrund eines Lottogewinns, der nicht auch außerkonstitutorische Existenz hat. Die Rendite der Aktionäre könnte sich nur durch ein neues Gerät mit außerkonstitutorischer Existenz vermindern; und daher wird nur ein solches gefürchtet. Eine nichtexistierende Waschmaschine kann also nicht das gesuchte intentionale Objekt sein. In Mallys Version der Gegenstandstheorie ist von Nichtexistenz aber keine Rede mehr. In der Tat ist in Mallys Version eine Seinsweisenunterscheidung (oder gar die Einführung eines besonderen Status namens “Außersein”) überflüssig geworden. Der Kreis in abstracto ist kein nichtexistierender Gegenstand, sondern ein abstrakter Gegenstand. Es gibt keinen Grund, ihm Existenz abzusprechen. Dasselbe gilt für die Waschmaschine, die ohne Waschpulver perfekt sauber wäscht. Wir finden diese Waschmaschine freilich in keinem Haushalt, keiner Fabrik, keinem Entwicklungslabor. Das liegt aber nicht daran, dass sie nichtexistierend ist, sondern daran, dass sie ein abstrakter Gegenstand ist. Da sie die Eigenschaft Waschmaschine-zu-sein nicht erfüllt, sondern durch sie nur determiniert ist, kann sie

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

nicht mit Schmutzwäsche befüllt werden. Existenz braucht ihr deswegen so wenig abgesprochen zu werden wie dem Kreis in abstracto oder Einsteins Relativitätstheorie oder Schuberts Streichquartetten. Dennoch ist es äußerst unwahrscheinlich, dass dieser Gegenstand von Menschen gefürchtet wird, die sich um ihren Profit sorgen. Denn eine abstrakte Waschmaschine macht keine Socken sauber, weder mit noch ohne Waschpulver. So lange nichts existiert, das die Eigenschaft Ohne-Waschmittel-sauber-zu-waschen erfüllt, können die Aktionäre des Henkel-Konzerns weiterhin ruhig schlafen. Einen Gegenstand, der durch diese Eigenschaft nur determiniert ist, brauchen sie nicht zu fürchten und fürchten sie sicher auch nicht. Daher können weder Meinongs bloß außerseiende Gegenstände noch Mallys Determinate die gesuchten fehlenden Glieder intentionaler Relationen sein. Manchen mag an dieser Stelle folgender Einwand in den Sinn kommen: “Kann es nicht sein, dass die Aktionäre zwar tatsächlich einen Gegenstand fürchten, der durch die Eigenschaft Ohne-Waschmittel-sauber-zu-waschen nur determiniert ist, dass sie aber fälschlich glauben, einen Gegenstand zu fürchten, der diese Eigenschaft erfüllt?” Darauf ist zu antworten: Ein derartiger Irrtum ist praktisch nicht möglich. Jeder, der die vorangegangenen Ausführungen über konstitutorische und außerkonstitutorische Eigenschaften, über Determinate und das Erfüllen von Eigenschaften, verstanden hat, kann an sich selbst feststellen, dass es etwas ganz anderes ist, an ein Determinat zu denken, als an einen Gegenstand zu denken, der alle seine Eigenschaften erfüllt. Der Gedanke an einen Gegenstand, der die Eigenschaft Lottogewinn-zu-sein erfüllt, weckt sicher in vielen Menschen Sehnsüchte. Der Gedanke an einen Gegenstand, der durch diese Eigenschaft nur determiniert ist, tut nichts dergleichen. Determinate und “reale” Gegenstände (Gegenstände, die alle ihre Eigenschaften erfüllen) sind so radikal verschieden, dass eine Verwechslung praktisch ausgeschlossen ist. Wir können uns jederzeit darüber irren, ob das, woran wir denken, existiert. Aber wir können uns sehr viel schwerer darüber irren, woran wir denken. Eine meinongianische Ontologie liefert uns also keine Lösung für das Problem der intentionalen Gegenstände.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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Die Mehrdeutigkeit intentionaler Ausdrücke Es wurde festgestellt, dass das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände grundsätzlich auf zwei Weisen gelöst werden könnte, nämlich entweder durch Aufgabe des Relationsprinzips oder durch eine nicht-relationale Interpretation von Sätzen, die intentionale Einstellungen ausdrücken. Das Relationsprinzip habe ich verteidigt. So bleibt der zweite Weg übrig. Das heißt: Sätze wie (1) Die antiken Griechen verehrten Zeus, (4) Ponce de León suchte den Jungbrunnen. und (8) Bruno fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. sind nicht als Sätze der Form “Rab” zu interpretieren. Vielmehr haben diese Sätze die logische Struktur “Fa”. “Verehrten” in (1) ist kein zweistelliges Prädikat, sondern ein Bestandteil des einstelligen Prädikats “verehrten Zeus”. Analog sind auch “suchte” in (4) bzw. “fürchtet” in (8) keine zweistelligen Prädikate, sondern Bestandteile der einstelligen Prädikate “suchte den Jungbrunnen” bzw. “fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht”. Der Satz (8) ist also kein Satz über Bruno und eine (nichtexistierende) Waschmaschine, sondern nur ein Satz über Bruno, und es wird mit diesem Satz nicht ausgedrückt, dass eine Relation zwischen Bruno und einer nichtexistierenden Waschmaschine besteht. Vielmehr wird ausgedrückt, dass Bruno sich in einem bestimmten (aktuellen oder dispositionellen) psychischen Zustand befindet, nämlich im Zustand der Furcht, genauer: der Furcht vor einer Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Das Prädikat beschreibt also Brunos psychischen Zustand, und weiter nichts. Ähnlich, wenn auch etwas komplizierter, liegen die Dinge bei den Sätzen (1) und (4). Auch mit diesen Sätzen wird nicht das Bestehen einer Relation ausgedrückt. Allerdings würde es in diesen Fällen vermutlich zu kurz greifen, die Prädikate lediglich als Beschreibungen der psychischen Dispositionen der antiken Griechen bzw. Ponce de Leóns zu interpretieren. Wenn von den alten Griechen gesagt wird, dass sie Zeus verehrten, dann ist normalerweise damit mehr gemeint, als dass sie bestimmte Überzeugun-

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gen und Gefühlsdispositionen hatten. Vielmehr ist wohl mitgemeint, dass sie Tempel erbauten, Statuen schnitzten, bestimmte Rituale ausführten, und anderes mehr. Ebenso drückt der Satz (4) nicht bloß aus, dass Ponce de León sich in einer bestimmten suchenden Einstellung befand. Seine Suche manifestierte sich in konkreten Taten, in die er Zeit und Geld investierte. Doch das soll nur nebenbei angemerkt sein; für die Frage der logischen Form der in Rede stehenden Sätze ist die genaue Bedeutung der Prädikate nicht relevant; entscheidend ist, dass es sich um einstellige Prädikate handelt. Man könnte versuchen, die wahre logische Form von Sätzen wie (1), (4) und (8) durch Paraphrasierungen explizit zu machen. Zum Beispiel: (1a) Die antiken Griechen waren Zeus-Verehrer. (4a) Ponce de León war ein Jungbrunnen-Sucher. Diese Formulierungen legen eine relationale Interpretation jedenfalls sehr viel weniger nahe als die ursprünglichen Sätze (1) und (4). Vielmehr liegt es nahe, die Ausdrücke “Zeus” bzw. “Jungbrunnen” in (1a) und (4a) nicht als singuläre Terme zu interpretieren, sondern als Ausdrücke, die die Funktion von Adverbien erfüllen. Daher kann diese Interpretation auch als adverbiale Interpretation bezeichnet werden. Der Ausdruck “Zeus” in “verehrten Zeus” bzw. “waren Zeus-Verehrer” hat, nach der adverbialen Interpretation, die Funktion, das Verehren näher zu bestimmen. Analog hat der Ausdruck “Jungbrunnen” in “suchte den Jungbrunnen” bzw. “war ein Jungbrunnen-Sucher” die Funktion, das Suchen näher zu bestimmen. “Zeus” und “der Jungbrunnen” erfüllen hier dieselbe Funktion wie “schnell” in “läuft schnell”: es wird einem Verbum eine nähere Bestimmung hinzugefügt. Es macht einen Unterschied, ob jemand Zeus verehrt oder Asklepios, und es macht einen Unterschied, ob jemand den Jungbrunnen sucht oder die Arche Noah – auch wenn möglicherweise weder das eine noch das andere existiert. Wenn wir wissen, dass Ponce de León den Jungbrunnen suchte, dann wissen wir mehr über Ponce de León als wenn wir bloß wüssten, dass er irgendetwas suchte. Würde es nicht gar zu seltsam klingen, könnte man das Prädikat “verehrten Zeus” auch ersetzen durch “verehrten zeuslich” und “suchte den Jungbrunnen” durch “suchte jungbrunnenhaft”, um die adverbiale Funktion der Ausdrücke “Zeus” und “Jungbrunnen” in den gegebenen Kontexten noch expliziter zu machen.

2. Das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände

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Gegen die adverbiale Deutung könnte aber eingewendet werden, dass sie bestimmte logische Beziehungen zwischen Sätzen verschleiert. Betrachten wir zum Beispiel: (8) Bruno fürchtet die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. (9) Anna wünscht sich die Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht. Intuitiv folgt aus (8) und (9) (10) Es gibt etwas, das Bruno fürchtet und das Anna sich wünscht. (10) folgt intuitiv auch dann aus (8) und (9), wenn eine Waschmaschine, die ohne Waschmittel perfekt sauber wäscht, nicht existiert. Wenn (8) und (9) relational gedeutet werden, wirft diese Intuition keinerlei Schwierigkeiten auf. Es folgt dann aus (8) und (9) (10a) x (Bruno fürchtet x & Anna wünscht sich x). Wenn (8) und (9) aber adverbial interpretiert werden, dann folgt (10a) nicht. Die Lösung des Problems liegt in der Verwendung des Partikularisators.12 Wenn (8) und (9) adverbial interpretiert werden, folgt zwar nicht (10a), wohl aber folgt: (10b)  (Bruno fürchtet  & Anna wünscht sich ). Die Variable “x” in (10a) ist eine Individuenvariable, die Variable “” in (10b) ist eine Adverbvariable. Das heißt: An die Stelle der Variable “” ist ein Ausdruck zu setzen, der die Funktion hat, das Verbum des Satzes näher zu bestimmen. Daher ist der Quantor in (10a) ein Existenzquantor, der Quantor in (10b) aber ein Partikularisator. Gegen die adverbiale Deutung kann aber auch eingewendet werden, dass sie nicht für alle Sätze, die intentionale Einstellungen ausdrücken, plausibel ist. Betrachten wir zum Beispiel: (11) Anna sucht ihren Wohnungsschlüssel. (12) Bruno fürchtet sich vor dem Hund des Nachbarn.

12

Siehe Kapitel III.2.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Angenommen, diese Sätze werden in Kontexten geäußert, in denen es außer Zweifel steht, dass Annas Wohnungsschlüssel und der Hund von Brunos Nachbarn existieren. Dann folgt intuitiv aus (11) (13) x (x = Annas Wohnungsschlüssel); und es folgt intuitiv aus (12) (14) x (x = der Hund von Brunos Nachbar). Außerdem folgen aus (11) und (12) intuitiv: (15) x (x wird von Anna gesucht). bzw. (16) x (x wird von Bruno gefürchtet). Wenn (11) und (12) adverbial interpretiert werden, dann folgen aber weder (13) und (14) noch (15) und (16). Es ist offenbar so, dass wir uns in manchen Fällen mit Sätzen, die intentionale Einstellungen ausdrücken, nicht nur auf das Subjekt der intentionalen Einstellung, sondern auch auf das Objekt ontologisch festlegen wollen. In anderen Fällen wollen wir das aber nicht. Daraus ist zu schließen, dass Sätze, die intentionale Einstellungen ausdrücken, systematisch zweideutig sind: In einer Bedeutung drücken sie tatsächlich das Bestehen einer Relation aus, in der anderen Bedeutung nicht. In der nicht-relationalen Bedeutung beschreiben sie nur eine Eigenschaft des Subjekts. Wir sind nicht gewohnt, diese beiden Lesarten zu unterscheiden, weil in der großen Mehrzahl der Kommunikationssituationen beide Deutungen gleichermaßen korrekt und unproblematisch sind. Daher kann die systematische Zweideutigkeit der Intentionalitätssätze leicht übersehen werden. Die nicht-relationale Deutung ist in jedem Fall korrekt, die relationale Deutung aber nicht. Ob die relationale Deutung korrekt ist oder nicht, hängt von den Sprecherintentionen ab. Bei der Abklärung der Sprecherintentionen kann die Bildung konvers intentionaler Relationen helfen. Ist ein Subjekt S, das dem Satz (4) Ponce de León suchte den Jungbrunnen. zustimmt, auch bereit, dem konvers intentionalen Gegenstück (17) Der Jungbrunnen wurde von Ponce de León gesucht.

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zuzustimmen? Wenn ja, dann ist anzunehmen, dass S den Satz (4) relational interpretiert, und damit ist S ontologisch festgelegt nicht nur auf Ponce de León, sondern auch auf den Jungbrunnen. Wenn S hingegen zwar dem Satz (4) zustimmt, dem konvers intentionalen Gegenstück (17) aber die Zustimmung verweigert, dann ist davon auszugehen, dass S den Satz (4) nicht-relational interpretiert. In diesem Fall ist S auch durch sein Akzeptieren von (4) nicht auf die Existenz des Jungbrunnens festgelegt.

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände Betrachten wir die folgenden beiden Sätze: (1) Aristoteles war ein Schüler von Platon. (2) Die erste Päpstin wird keine Italienerin sein. Dem Anschein nach hat (1) die logische Form “Rab”, mit “Aristoteles” und “Platon” als singulären Termen und “war ein Schüler von” als zweistelliger Relation. Ich nehme für den Augenblick an, dass der Schein nicht trügt und (1) also wirklich die logische Form “Rab” hat. Dann folgt aus (1), gemäß dem Relationsprinzip: (3) x (x = Aristoteles) & y (y = Platon). Die übliche Lesart für (3) ist, wie an früherer Stelle ausgeführt: (3a) Aristoteles existiert und Platon existiert. Das bedeutet, dass, dem Anschein nach, jemand, der (1) akzeptiert, darauf festgelegt ist, dass Platon und Aristoteles existieren. Doch sowohl Aristoteles als auch Platon sind vor mehr als 2000 Jahren gestorben. Kann man von einem bereits verstorbenen Menschen noch sagen, dass er existiert? – Nach bestimmten religiös-metaphysischen Überzeugungen ist das vielleicht möglich; doch will ich hier derart starke Voraussetzungen nicht machen, sondern davon ausgehen, dass ein verstorbener Mensch nicht mehr existiert. Infolgedessen ist es jetzt, im dritten Jahrtausend nach Christus, falsch, dass Aristoteles existiert und dass Platon existiert. Wahr ist vielmehr, dass Aristoteles und Platon nicht mehr existieren. Nichtsdestotrotz ist es auch im dritten Jahrtausend nach Christus noch wahr, dass Aristoteles ein Schüler Platons war. Ich nenne das “das Problem der vergangenen Gegenstände”. Ein analoges Problem werfen Sätze auf, die von zukünftigen Gegenständen handeln: Ich nehme für den Augenblick an, dass der Satz (2) die logische Form “Fa” hat, mit der bestimmten Beschreibung “die erste Päpstin” als singulärem Term und dem einstelligen Prädikat “wird keine Italienerin sein”. Ich mache, um das Argument in Gang zu bringen, außerdem folgende Annahmen: 1. Der Satz (2) wird im Jahr 2003 geäußert.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

2. Im Jahr 2070 wird erstmals eine Frau zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt werden, und diese Frau wird nicht italienische Staatsbürgerin sein. 3. Die Frau, die 2070 zum ersten weiblichen Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt werden wird, wird im Jahr 2020 geboren werden. Gegeben alle diese Annahmen gilt: (2) ist wahr, und es folgt aus (2), gemäß dem Prädikationsprinzip: (4) x (x = die erste Päpstin). Das wird, wie ausgeführt, gelesen als: (4a) Die erste Päpstin existiert. Ich setze hier ohne weiteres Argument voraus, dass ein Mensch, der im Jahr 2020 geboren wird, im Jahr 2003 noch nicht existiert. Das bedeutet, dass der Existenzsatz (4) falsch ist, jedenfalls zum Zeitpunkt der Äußerung der Zukunftsprognose (2), das heißt: im Jahr 2003 – und das, obwohl (2), wie angenommen, wahr ist. Wahr ist vielmehr, dass die erste Päpstin im Jahr 2003 noch nicht existiert. Ich nenne das “das Problem der zukünftigen Gegenstände”. Das Problem der vergangenen und das Problem der zukünftigen Gegenstände sind Probleme der ontologischen Festlegung und haben dieselbe Grundstruktur wie alle anderen Probleme der ontologischen Festlegung: Aus Sätzen, die mit guten Gründen für wahr gehalten werden, scheinen Sätze zu folgen, die mit guten Gründen für falsch gehalten werden, und das aufgrund von logischen Prinzipien, die mit guten Gründen als gültig akzeptiert werden. Die ontologischen Festlegungen, um die es hier geht, sind allerdings von besonderer Art: Es geht um Gegenstände, die irgendwann einmal existiert haben oder irgendwann einmal existieren werden, aber eben zum gegenwärtigen Zeitpunkt (das heißt: zum Zeitpunkt der jeweiligen ontologischen Festlegung) nicht existieren. Der Ausgangspunkt des Problems der vergangenen und zukünftigen Gegenstände sind Sätze, deren singuläre Terme Gegenstände bezeichnen sollen, die entweder nicht mehr oder noch nicht existieren. Die singulären Terme an der Subjektstelle dieser Sätze sind also leer. Meist stehen die Verben dieser Sätze nicht im Präsens, sondern in einer Vergangenheits- oder Zukunftsform. Sätze, deren Verben in einer Vergangenheits- bzw. Zukunftsform stehen, nenne ich im Folgenden kurz “Vergangenheits-” bzw. “Zukunftssätze”.

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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Es sind zwei Arten von Vergangenheits- bzw. Zukunftssätzen zu unterscheiden: Viele Vergangenheitssätze sind Sätze über Gegenstände, die noch existieren, und viele Zukunftssätze sind Sätze über Gegenstände, die schon existieren. Denn selbstverständlich können wir auch über die Vergangenheit und die Zukunft gegenwärtig existierender Personen und Dinge sprechen. Zum Beispiel: (5) Anna war eine gute Schülerin. (6) Bruno wird sein Auto verkaufen. Diese Sätze können natürlich auch dann wahr sein, wenn “Anna” und “Bruno” keine leeren singulären Terme sind. Ich nenne diese Art von Vergangenheits- und Zukunftssätzen “schwache Vergangenheits-” bzw. “schwache Zukunftssätze”. Auf jene Vergangenheits- und Zukunftssätze, deren Subjektterme leer sind (wie die Sätze (1) und (2) oben) beziehe ich mich als “starke Vergangenheits-” bzw. “starke Zukunftssätze”. Im Folgenden geht es in erster Linie um die starken Vergangenheits- und Zukunftssätze, denn nur diese werfen das skizzierte Problem der ontologischen Festlegung auf. Eine nicht-temporale Interpretation von “existieren” Wie bei allen Problemen der ontologischen Festlegung, so gibt es auch hier grundsätzlich drei Lösungswege: 1. Man könnte die Annahme aufgeben, dass starke Vergangenheits- und Zukunftssätze wahr sind. Mit anderen Worten: Man könnte stipulieren, dass starke Vergangenheits- und Zukunftssätze stets falsch sind. 2. Man könnte die Annahme aufgeben, dass vergangene und zukünftige Gegenstände nicht existieren. 3. Man könnte die Annahme aufgeben, dass aus starken Vergangenheitsund Zukunftssätzen folgt, dass vergangene und zukünftige Gegenstände existieren. Den ersten der drei genannten Lösungswege weise ich ohne weiteres Argument zurück. Ich setze hier voraus, dass manche starken Vergangenheits- und Zukunftssätze wahr sind. Also trifft es entweder nicht zu, dass vergangene und zukünftige Gegenstände nicht existieren, oder es trifft nicht zu, dass aus starken Vergangenheits- und Zukunftssätzen folgt, dass vergangene und zukünftige Gegenstände existieren.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Verfolgen wir zunächst den erstgenannten Ansatz: Unter welchen Voraussetzungen könnte man vernünftigerweise leugnen, dass vergangene und zukünftige Gegenstände nicht existieren? Man kann das vernünftigerweise leugnen unter der Voraussetzung, dass Existenz “nicht-temporal” interpretiert wird. Gemäß der nicht-temporalen Interpretation der Existenz bedeutet “existiert” nicht “existiert gegenwärtig”. Es gibt verschiedene Arten der nicht-temporalen Interpretation von Existenz. Nach einer Interpretation bedeutet “existiert” soviel wie: “hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren”.1 Demgemäß wären die Sätze (3a) Aristoteles existiert und Platon existiert. und (4a) Die erste Päpstin existiert. zu lesen als: (3b) Aristoteles hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren, und Platon hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren. bzw. (4b) Die erste Päpstin hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren. In dieser Lesart sind die Sätze (3) und (4) vollkommen unproblematisch. Wer behauptet, dass Aristoteles ein Schüler von Platon war, sollte keinen Grund haben zu leugnen, dass Aristoteles und Platon einmal existiert haben. Analog sollte jemand, der behauptet, dass die erste Päpstin keine Italienerin sein wird, kein Problem mit der Festlegung haben, dass ein weibliches Oberhaupt der katholischen Kirche einmal existieren wird. Diese “DeTemporalisierung” der Existenz würde das Problem der ontologischen Festlegung auf vergangene und zukünftige Gegenstände also lösen. Es bleibt die Frage, ob es plausibel ist “existiert” als “hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren” zu interpretieren. Mit anderen Worten: Meinen wir, wenn wir von einem Gegenstand sagen, dass er existiert, tatsächlich nur, dass der Gegenstand irgendwann existiert hat, gegenwärtig existiert oder irgendwann existieren wird? Es ist evident, dass wir “existiert” zumindest nicht immer im nicht-temporalen Sinn gebrauchen. Betrachten wir zum Beispiel: 1

Vgl. z. B. Chakrabarti 1997, Kapitel 3.

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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(7) Jugoslawien existiert nicht mehr. In der nicht-temporalen Lesart würde (7) lauten: (7a) Jugoslawien hat nicht mehr existiert, existiert gegenwärtig nicht mehr oder wird nicht mehr existieren. In den üblichen Kontexten ist der Satz (7) aber wohl so zu verstehen: (7b) Jugoslawien existiert gegenwärtig nicht mehr. Analoges gilt für (8) Die erste Päpstin existiert noch nicht. Das ist normalerweise wohl gemeint im Sinne von (8a) Die erste Päpstin existiert gegenwärtig noch nicht, nicht im Sinne von (8b) Die erste Päpstin hat noch nicht existiert, existiert gegenwärtig noch nicht oder wird noch nicht existieren. Eigentümlich mutet die nicht-temporale Interpretation auch für Sätze wie den Folgenden an: (9) Dinosaurier existieren nicht, aber sie haben existiert. Wenn wir das “haben existiert” im zweiten Teil des Satzes unverändert lassen, dann lautet die nicht-temporale Interpretation von (9): (9a) Dinosaurier haben nicht existiert, existieren gegenwärtig nicht oder werden nicht existieren, aber sie haben existiert. Offenkundig wollen wir manchmal sagen, dass etwas gegenwärtig existiert bzw. gegenwärtig nicht mehr oder noch nicht existiert, und wir drücken das oft nur durch die Präsens-Form von “existieren” aus, ohne “gegenwärtig” oder “jetzt” oder irgendein Synonym dieser Ausdrücke hinzuzufügen. Diese Tatsache, den Gebrauch des natürlichsprachlichen “existiert” betreffend, muss uns freilich nicht daran hindern, den Existenzquantor als nicht-temporales “existiert” bzw. “es gibt” zu interpretieren. Demnach wären (10) x (Fx) bzw. (11) x (x = a) stets wie folgt zu lesen:

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

(10a) Es hat etwas gegeben, das F ist, oder es gibt gegenwärtig etwas, das F ist, oder es wird etwas geben, das F ist. bzw. (11a) a hat existiert oder a existiert gegenwärtig oder a wird existieren. Das Problem der ontologischen Festlegung auf vergangene und zukünftige Gegenstände wäre somit dadurch gelöst, dass die Festlegung keine Festlegung auf gegenwärtige Existenz mehr wäre, sondern eben nur eine Festlegung auf vergangene oder gegenwärtige oder zukünftige Existenz. Die Annahme, dass vergangene und zukünftige Gegenstände nicht existieren, wäre aufzugeben, insofern “existieren” nicht-temporal verstanden wird. Allerdings wirft die nicht-temporale Deutung des Existenzquantors die folgenden Fragen auf: Wie können wir, im Rahmen dieser Deutung, ausdrücken, dass etwas gegenwärtig existiert? Wie können wir sagen, dass etwas existiert hat; und wie können wir sagen, dass etwas existieren wird? Wenn der Quantor “” nicht-temporal gelesen wird, dann können temporale Existenzsätze nicht mehr einfach in Form von (10) bzw. (11) symbolisiert werden. Andererseits ist klar, dass eine formale Sprache die Mittel zur Formulierung temporaler Existenzsätze bereitstellen sollte. Denn wie sollte man sonst Sätze wie (7), (8) und (9) symbolisieren? Weitreichende Ergänzungen der Standardlogik wären auf jeden Fall nötig, wenn man sich entschließen würde, den Existenzquantor nicht-temporal zu interpretieren. Man könnte zum Beispiel für die verschiedenen Arten temporaler Existenz verschiedene Existenzprädikate oder zusätzliche, temporale Existenzquantoren einführen. Die Interpretation der nicht-perspektivischen Zeitlichkeit Es gibt noch eine andere Möglichkeit der nicht-temporalen Interpretation von Existenz. Ich nenne diese andere Interpretation “die Interpretation der nicht-perspektivischen Zeitlichkeit”. Eine zeitliche Ordnung der Dinge und Ereignisse auf der Grundlage der Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft setzt stets eine zeitliche Perspektive voraus. Die Gegenwart ist nichts Absolutes, und daher auch nicht die Vergangenheit und die Zukunft. Mit anderen Worten: Worauf sich der Ausdruck “gegenwärtig” bezieht, hängt vom Kontext der Äußerung dieses Ausdrucks ab. Gegenwärtig ist stets der Zeitpunkt der Äußerung. Daher ist in verschiedenen Kontexten je Verschiedenes gegenwärtig, vergangen und zukünftig. Die

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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Ausdrücke “vergangen”, “gegenwärtig” und “zukünftig” machen nur Sinn, wenn sie relativ zu einem bestimmten Zeitpunkt oder einer Zeitspanne (genannt “Gegenwart”) verstanden werden können. Wenn wir einen Text finden, in dem gegenwärtige (das heißt: zur Zeit der Niederschrift des Textes gegenwärtige) Ereignisse beschrieben werden, können wir diese Ereignisse nur dann zeitlich einordnen, wenn wir herausfinden können, wann der Text niedergeschrieben wurde. Der Bezug auf die Gegenwart ermöglicht uns sonst in keiner Weise eine zeitliche Orientierung. Ereignisse, Zustände und Dinge können auf zwei Weisen zeitlich geordnet werden: entweder mit Hilfe der kontextrelativen (“perspektivischen”) Kategorien “vergangen”, “gegenwärtig” und “zukünftig”, oder mit Hilfe nicht-perspektivischer Zeitbestimmungen, wie sie zum Beispiel unsere Kalender und Uhren liefern. Der 17. Dezember 2002 nach Christus ist immer der 17. Dezember 2002 nach Christus. Die Zeitbestimmung “am 17. Dezember 2002 nach Christus” ist daher nicht kontextrelativ. Wir müssen nicht den Kontext der Äußerung kennen, um ein Ereignis zeitlich einordnen zu können, von dem irgendwo geschrieben steht, dass es am 17. Dezember 2002 nach Christus geschah. Betrachten wir noch einmal den Satz (3a) Aristoteles existiert und Platon existiert. Oben wurde eine nicht-temporale Interpretation von Existenz diskutiert, gemäß der (3a) zu lesen wäre als (3b) Aristoteles hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren, und Platon hat existiert, existiert gegenwärtig oder wird existieren. Man könnte diese Bezugnahme auf Gegenwärtigkeit, Vergangenheit und Zukunft aber vermeiden, wenn man einen Satz wie (3a) als unvollständig (elliptisch, ergänzungsbedürftig) auffasst. Damit meine ich, dass das “existiert” in (3a) jeweils durch eine nicht-perspektivische Zeitangabe zu ergänzen ist, entweder durch eine mehr oder weniger bestimmte oder durch eine völlig unbestimmte. Zum Beispiel: (3c) Aristoteles existiert 360 v. Chr. und Platon existiert 360 v. Chr. Das wäre eine ziemlich genau bestimmte nicht-perspektivische Zeitangabe. Die völlig unbestimmte nicht-perspektivische Zeitangabe ist “irgendwann”. Ergänzt durch eine völlig unbestimmte Zeitangabe lautet (3a) also: (3d) Aristoteles existiert irgendwann und Platon existiert irgendwann.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Das “irgendwann” ist hier zu verstehen als eine ontologisch neutrale Variable, für die (nicht-perspektivische) Zeitangaben einzusetzen sind. Analog für (4a) Die erste Päpstin existiert. Man könnte zum Beispiel so “vervollständigen”: (4c) Die erste Päpstin existiert irgendwann nach 2050 n. Chr. Auch diese (die nicht-perspektivische nicht-temporale) Interpretation der Existenz ist geeignet, das Problem der ontologischen Festlegung auf vergangene und zukünftige Gegenstände zu lösen. Zumindest die Festlegung auf eine Existenz zu einem überhaupt nicht näher bestimmten Zeitpunkt ist in jedem Fall akzeptabel. Wer behauptet, dass Aristoteles ein Schüler von Platon war, ist jedenfalls darauf festgelegt, dass sowohl Aristoteles als auch Platon irgendwann existieren (“existieren” nicht-temporal verstanden); und wer behauptet, dass die erste Päpstin keine Italienerin sein wird, muss auch akzeptieren, dass ein weibliches Oberhaupt der katholischen Kirche irgendwann existiert (“existiert” wieder nicht-temporal verstanden). Man könnte den Existenzquantor lesen als “existiert irgendwann”, wobei “existiert” zeitlos zu verstehen ist; und damit wären die Sätze (3) und (4) nicht länger problematisch, jedenfalls nicht aus ontologischen Gründen. Doch auch hier, wie schon bei der Erörterung der perspektivischen Interpretation der nicht-temporalen Existenz, stellt sich die Frage, wie in einer formalen Sprache, deren Existenzquantor nicht-temporal zu lesen ist, temporale Existenz ausgedrückt werden soll. Sätze wie (7) Jugoslawien existiert nicht mehr. und (8) Die erste Päpstin existiert noch nicht. enthalten ganz klar einen perspektivischen Zeitbezug. Was diese Sätze ausdrücken, kann nicht ausgedrückt werden durch Sätze, in denen das “existiert” zeitlose Bedeutung hat – auch dann nicht, wenn das zeitlose “existiert” durch genaue nicht-perspektivische Zeitangaben ergänzt wird. Die temporale Interpretation von “existieren” und die logische Rekonstruktion der Zeitformen Es wurden nun zwei nicht-temporale Interpretationen der Existenz diskutiert. Beide liefen darauf hinaus, dass Sätze wie

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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(3) x (x = Aristoteles) & y (y = Platon). und (4) x (x = die erste Päpstin). nicht falsch sind – egal, wann sie geäußert werden. Ich lasse nun die nicht-temporalen Interpretationen der Existenz hinter mir und wende mich der zweiten möglichen Strategie zur Vermeidung der ontologischen Festlegung auf vergangene und zukünftige Gegenstände zu. Diese zweite mögliche Strategie besteht darin, den Schluss von (1) Aristoteles war ein Schüler von Platon. auf (3) zu blockieren, und analog natürlich auch den Schluss von (2) Die erste Päpstin wird keine Italienerin sein. auf (4). Ich setze im Folgenden, bei der Diskussion der verschiedenen Varianten dieser Strategie, stets voraus, dass der Existenzquantor temporal interpretiert wird. Die Sätze (3) und (4) sind also zu lesen als (3a) Aristoteles existiert und Platon existiert. bzw. als (4a) Die erste Päpstin existiert, wobei “existiert” stets im Sinne von “existiert gegenwärtig” zu verstehen ist. Daher sind (3) und (4) im Jahre 2003 falsch. Wie lässt sich nun der Schluss von (1) auf (3a) bzw. der Schluss von (2) auf (4a) blockieren? – Hier sind einige Möglichkeiten: (a) Man könnte es ablehnen, den Existenzquantor als formale Entsprechung des natürlichsprachlichen “existiert” zu interpretieren. (b) Man könnte das Relationsprinzip und das Prädikationsprinzip aufgeben. (c) Man könnte die Annahme aufgeben, dass (1) die logische Form “Rab” und (2) die logische Form “Fa” hat. Über die ersten beiden Strategien ist an dieser Stelle nicht mehr viel zu sagen, weil sie beide ausführlich in den vorangegangenen Kapiteln dieser Arbeit diskutiert wurden. Es muss genügen, die wichtigsten Resultate dieser Diskussion in Erinnerung zu rufen: ad (a) Wenn der Existenzquantor nicht als formale Entsprechung des natürlichsprachlichen “existiert” interpretiert wird, dann wird er entweder als

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Ausdruck einer anderen “Seinsweise” oder aber als (ontologisch neutraler) Partikularisator interpretiert. Es wurde argumentiert, dass die Annahme von Seinsweisen nur dann Sinn macht, wenn Seinsweisen-Unterscheidungen durch Rekurs auf Gegenstandsarten-Unterscheidungen expliziert werden; in diesem Fall trägt die Annahme verschiedener “Seinsweisen” aber niemals zu einer Vermeidung (oder auch nur Abschwächung) ontologischer Festlegungen bei.2 Das gilt auch in diesem Fall: Wer sagt, dass vergangene bzw. zukünftige Gegenstände nicht existieren, sondern “nur” subsistieren, ist ebenso ontologisch festgelegt wie jemand, der meint, dass vergangene und zukünftige Gegenstände existieren. Wer erklärt, dass subsistierende Gegenstände nicht räumlich lokalisiert sind und dass vergangene und zukünftige Gegenstände subsistieren, ist ontologisch festgelegt auf Gegenstände, die nicht räumlich lokalisiert sind. Wer darüber hinaus erklärt, dass Platon und Aristoteles Philosophen sind (und zwar vergangene Philosophen), der ist ontologisch festgelegt auf die Existenz nicht räumlich lokalisierter Philosophen. Was die Partikularisator-Interpretation betrifft, so wurde argumentiert, dass ein Quantor, der Individuenvariablen bindet, in keinem Fall ontologisch neutral sein kann.3 Nun ist es klar, dass das “x” und das “y” in (3) und (4) Individuenvariablen sind. Daher kann der E-Quantor in (3) und (4) nicht ontologisch neutral sein. ad (b) Das Prädikationsprinzip und das Relationsprinzip wurden bereits ausführlich gegen verschiedenste Einwände verteidigt. Insbesondere wurde gezeigt, dass die guten Gründe für existenzfreie Logiken nicht auch die Aufgabe dieser beiden Prinzipien rechtfertigen.4 ad (c) Es bleibt die Strategie, die logische Struktur der starken Vergangenheits- und Zukunftssätze unter die Lupe zu nehmen. Wie dargelegt wurde, beruht das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände unter anderem auf den Annahmen, dass ein Satz wie (1) die logische Form “Rab” hat, und dass ein Satz wie (2) die logische Form “Fa” hat. Diese Voraussetzungen muss man nicht akzeptieren. In der Tat besteht die Lösung, der ich zuneige, darin, starke Vergangenheits- und Zukunftssätze niemals als Sätze der Form “Rab” oder “Fa” zu interpretieren. 2

Siehe Kapitel II.4. Siehe Kapitel III.2. 4 Siehe Kapitel III.3. 3

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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Ich gehe davon aus, dass die Zeitform nicht ignoriert werden darf. Das heißt: Es muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Satz (12) Aristoteles ist ein Schüler von Platon. eine andere Bedeutung hat als der Satz (1). Analoges gilt natürlich auch für (13) Die erste Päpstin ist keine Italienerin. und (2). Zwischen (1) und (12) bzw. zwischen (2) und (13) besteht nicht bloß ein stilistischer Unterschied. Hier werden jeweils verschiedene Sachverhalte behauptet. Diesem Unterschied muss selbstverständlich auch eine logische Interpretation der betreffenden Sätze Rechnung tragen. Das kann auf verschiedene Weisen geschehen. Man könnte den Unterschied zwischen (1) und (12) bzw. (2) und (13) ausschließlich als Unterschied der Prädikate bzw. Relationen interpretieren. Nach dieser Interpretation hat sowohl (1) als auch (12) die logische Form “Rab”: (1a) Aristoteles/war ein Schüler von/Platon. (12a) Aristoteles/ist ein Schüler von/Platon. Der Unterschied zwischen (1a) und (12a) besteht einzig in der jeweiligen Relation, deren Bestehen in (1a) bzw. (12a) behauptet wird: Im Fall von (12a) ist das die Relation des Schüler-Seins-von, im Fall von (1a) ist es die Relation des Schüler-Gewesenseins-von. Analog wäre der Unterschied zwischen (2) und (13) als ein Unterschied des Prädikats zu interpretieren: (2a) Die erste Päpstin/wird keine Italienerin sein. (13a) Die erste Päpstin/ist keine Italienerin. Das Prädikat in (13a) ist “ist keine Italienerin”, das Prädikat in (2a) ist hingegen “wird keine Italienerin sein”. Doch sowohl (2a) als auch (13a) haben die Form “Fa”. Ich nenne diese Interpretation “die Prädikatinterpretation der Zeitformen”, da, gemäß dieser Interpretation, die Zeitformen lediglich die Prädikate verändern, die Struktur des Satzes als Ganzes aber unverändert bleibt. Eine Alternative dazu ist die Satzinterpretation der Zeitformen. Gemäß dieser Interpretation lassen sich die Zeitformen am besten als Satzoperatoren darstellen. Ich verwende im Folgenden “V” als Vergangenheitsoperator und “Z” als Zukunftsoperator. “V” kann gelesen werden als “Es war der Fall:”. “Z” kann gelesen werden als “Es wird der Fall sein:”. Für Gegen-

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

wartssätze verwende ich keinen Operator. Die Beispielsätze (1) und (2) sind demnach wie folgt zu interpretieren: (1b) V (Aristoteles/ ist ein Schüler von/ Platon). (2b) Z (Die erste Päpstin/ ist keine Italienerin).5 Wesentlich ist, dass (1b) und (2b) nicht die logische Form “Rab” bzw. “Fa” haben, sondern die Form “V (Rab)” bzw. “Z (Fa)”. Aus diesem Grund lässt sich aus (1b) nicht ableiten, dass Aristoteles und Platon existieren; und aus (2b) lässt sich nicht ableiten, dass die erste Päpstin existiert. Die Zeitoperatoren haben also eine ähnliche Wirkung wie die in Kapitel IV.1 eingeführten Geschichtenoperatoren (verstanden als Satzoperatoren). Indem sie verhindern, dass das Prädikationsprinzip und das Relationsprinzip auf starke Vergangenheits- und Zukunftssätze angewendet werden können, blockieren sie die Ableitung von problematischen Existenzsätzen; mit anderen Worten: sie blockieren die Ableitung von Existenzsätzen, die wir nicht akzeptieren können, ohne uns darauf festzulegen, dass Gegenstände existieren, die nicht mehr oder noch nicht existieren. Auf diese Weise lösen die Zeitoperatoren das Problem der ontologischen Festlegung auf vergangene und zukünftige Gegenstände. Während aber Sätze wie (3a) Aristoteles existiert und Platon existiert. und (4a) Die erste Päpstin existiert. zu den problematischen Existenzsätzen gehören, gibt es andere Existenzsätze, die intuitiv sehr wohl aus starken Vergangenheits- und Zukunftssätzen folgen. Zum Beispiel folgt intuitiv aus (1) Aristoteles war ein Schüler von Platon. der Satz (14) Aristoteles existierte und Platon existierte. Ebenso folgt intuitiv aus (2) Die erste Päpstin wird keine Italienerin sein. der Satz (15) Die erste Päpstin wird existieren. 5

Vgl. Prior 1968 und McArthur 1976.

3. Das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände

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Problematisch wären diese Sätze nur dann, wenn man “existierte” und “wird existieren” als Prädikate auffassen würde: (14a) Aristoteles/existierte & Platon/existierte. (15a) Die erste Päpstin/wird existieren. Unproblematisch ist hingegen das Folgende: (14b) V (x (x = Aristoteles) & y (y = Platon)). (15b) Z (x (x = die erste Päpstin)). Es gibt keine ontologischen Einwände dagegen, die Zeitoperatoren so zu definieren, dass (14b) aus (1) und (15b) aus (2) folgt.6 Die systematische Mehrdeutigkeit schwacher Vergangenheits- und Zukunftssätze Für schwache Vergangenheits- und Zukunftssätze ist sowohl die Prädikatinterpretation als auch die Satzinterpretation der Zeitformen plausibel. Angenommen, die folgenden beiden Sätze sind schwache Vergangenheitsbzw. Zukunftssätze, das heißt: die in ihnen vorkommenden singulären Terme sind nicht leer: (5) Anna war eine gute Schülerin. (6) Bruno wird sein Auto verkaufen. Dann sind zweierlei Interpretationen möglich: (5a) Anna/war eine gute Schülerin. (6a) Bruno/wird verkaufen/sein Auto. (5b) V (Anna/ ist eine gute Schülerin). (6b) Z (Bruno/verkauft/ sein Auto). Mit (5a) bezieht man sich auf die (gegenwärtige) Anna und schreibt ihr die Eigenschaft zu, eine gute Schülerin gewesen zu sein. So weit es die Bezugnahme auf Anna betrifft, besteht kein Unterschied zwischen (5a) und zum Beispiel (16) Anna ist eine gute Lehrerin. Wenn (5a) wahr ist, dann ist der Name “Anna” nicht leer und daher ist erfolgreiche Bezugnahme auf Anna möglich. (5a) impliziert, dass Anna ge6

Vgl. den analogen Vorschlag für die Geschichtenoperatoren in Kapitel IV.1.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

genwärtig existiert. (5b) jedoch kann auch dann wahr sein, wenn der Name “Anna” leer ist und daher eine erfolgreiche Bezugnahme auf Anna nicht möglich ist. (5b) impliziert weder, dass Anna gegenwärtig existiert noch dass Anna gegenwärtig nicht mehr existiert. Die Unmöglichkeit der erfolgreichen Bezugnahme auf gegenwärtig nicht existierende Gegenstände ist wahrscheinlich für noch nicht Existierendes leichter einzusehen als für nicht mehr Existierendes. Angenommen, eine bekannte Schauspielerin verkündet bei einer Pressekonferenz, sie plane, in einigen Jahren ein Baby zu bekommen, und zwar einen Sohn, den sie “Bruno” nennen werde. Es ist gut möglich, dass die Gesellschaftsjournalisten daraufhin über die Eigenschaften des zukünftigen Menschen Spekulationen anstellen, etwa: (17) Bruno wird ein berühmter Schauspieler werden. Selbst wenn die Schauspielerin tatsächlich einige Jahre später einen Sohn zur Welt bringt und ihn “Bruno” tauft, erscheint es kontraintuitiv anzunehmen, dass mit dem Satz (17) – der Jahre vor der Zeugung Brunos geäußert wurde – eine erfolgreiche Bezugnahme auf Bruno stattgefunden hat – außer man will sich auf sehr starke metaphysische Annahmen bezüglich der Existenz zukünftiger Menschen einlassen. Schwache Vergangenheits- und Zukunftssätze sind also in einer sehr subtilen Weise mehrdeutig. Doch starke Vergangenheits- und Zukunftssätze können nur im Sinne der Satzinterpretation der Zeitformen interpretiert werden, jedenfalls dann, wenn man Existenz temporal interpretiert und sich nicht auf die Existenz vergangener und zukünftiger Gegenstände festlegen möchte.

4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände Betrachten wir folgende Sätze: (1) Der goldene Berg ist golden. (2) Das runde Viereck ist rund. (3) Das Perpetuum mobile ist identisch mit dem Perpetuum mobile. (4) Der goldene Berg ist ein möglicher Gegenstand. (5) Das runde Viereck ist ein unmöglicher Gegenstand. Diese Sätze haben eines gemeinsam: Wenn sie als Prädikationen bzw. als Relationssätze interpretiert werden, dann folgt aus ihnen, dass Gegenstände existieren, die tatsächlich nicht existieren. Die problematischen logischen Interpretationen sehen so aus: (1a) (2a) (3a) (4a) (5a)

Der goldene Berg/ist golden. Das runde Viereck/ist rund. Das Perpetuum mobile/ist identisch mit/dem Perpetuum mobile. Der goldene Berg/ist ein möglicher Gegenstand. Das runde Viereck/ist ein unmöglicher Gegenstand.

Diese Interpretationen sind prima facie plausibel. Darüber hinaus gibt es gute Gründe, die Sätze (1) – (5) als wahr zu akzeptieren, sogar als notwendigerweise wahr.1 Man kann mit guten Gründen (1), (2) und (3) als logische, (4) und (5) als metaphysische Wahrheiten betrachten. Aber gegeben die Interpretationen (1a) – (5a) folgen aus (1) – (5) folgende Existenzsätze: (6) x (x = der goldene Berg). (7) x (x = das runde Viereck). (8) x (x = das Perpetuum mobile). Es gibt gute Gründe, diese Existenzsätze nicht als wahr zu akzeptieren. Ich nenne das “das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände”. “Möglich” heißt hier so viel wie “bloß möglich”. Ein “möglicher Gegenstand” in diesem Sinn ist also ein Gegenstand, der existieren könnte, aber faktisch nicht existiert. Ein “unmöglicher Gegenstand” ist ein Gegenstand, der nicht nur faktisch nicht existiert, sondern nicht einmal existieren könnte. Auf eine spezielle Interpretation der Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit soll hier verzichtet werden. Es spielt für das Problem der ontologischen Festlegung und seine möglichen Lösungswege keine Rolle, ob von logisch möglichen, metaphysisch 1

Für Karel Lambert sind die Sätze (1) – (3) analytische Wahrheiten. Siehe Lambert 1983.

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

möglichen oder empirisch möglichen bzw. unmöglichen Gegenständen die Rede ist. Wie immer, so gibt es auch hier grundsätzlich drei mögliche Strategien zur Vermeidung der drohenden Widersprüche: (a) Man könnte die Sätze (6) – (8) als wahr akzeptieren. (b) Man könnte versuchen, die Ableitung der Existenzsätze (6) – (8) aus den Sätzen (1) – (5) zu verhindern. (c) Man könnte die Sätze (1) – (5) als falsch verwerfen. ad (a) Unter welchen Voraussetzungen kann man die Sätze (6) – (8) akzeptieren, ohne in Widersprüche zu geraten? – Im Laufe dieser Arbeit wurden bereits einige mögliche hier anwendbare Strategien diskutiert: (i) Man könnte den Existenzquantor nicht als Existenzquantor, sondern als “Subsistenzquantor”, allgemeinen “Seinsquantor” oder Ähnliches interpretieren. Mit anderen Worten: Man könnte mehrere Seinsweisen unterscheiden und den Quantor nicht als formales Äquivalent des natürlichsprachlichen “existiert” auffassen. (ii) Man könnte den Existenzquantor als ontologisch neutralen Partikularisator interpretieren. (iii) Man könnte eine meinongianische Ontologie des Mally’schen Typs annehmen. Das heißt: Man könnte anerkennen, dass der goldene Berg, das Perpetuum mobile und das runde Viereck existieren, aber nur als abstrakte Gegenstände, die durch einen Teil ihrer Eigenschaften nur determiniert werden, ohne sie zu erfüllen. Keine dieser drei Strategien ist überzeugend: ad (i) Die Argumente gegen die Seinsweisen-Strategie müssen hier nicht mehr im Detail wiederholt werden.2 Seinsweisenunterscheidungen ermöglichen in keinem Fall die Vermeidung unerwünschter ontologischer Festlegungen; so auch hier nicht: Selbst wenn man sich entschließen würde, den Quantifikator in den Sätzen (6) – (8) als “es subsistiert ein x, so dass” zu lesen, wäre man dadurch nicht weniger auf den goldenen Berg, das Perpetuum mobile und das runde Viereck ontologisch festgelegt. Denn eine Festlegung auf subsistierende Gegenstände (was immer subsistierende Gegenstände sind) ist ebenso eine ontologische Festlegung wie eine Festlegung auf existierende Gegenstände. ad (ii) Die Partikularisatoren-Strategie funktioniert hier nicht, weil die Variable “x” in den Sätzen (6) – (8) offenkundig eine Individuenvariable ist, und 2

Siehe Kapitel II.4.

4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände

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Quantoren, die Individuenvariablen binden, sind (wie an früherer Stelle ausgeführt) niemals ontologisch neutral.3 ad (iii) Wer eine meinongianische Ontologie vertritt, kann tatsächlich die Sätze (6) x (x = der goldene Berg). (7) x (x = das runde Viereck). (8) x (x = das Perpetuum mobile). als wahr akzeptieren. Ich spreche hier, wie gesagt, nicht von der ursprünglichen Fassung der Gegenstandstheorie, denn eine solche ist, wie ausgeführt wurde, in sich widersprüchlich.4 Vielmehr ist die Rede von Mallys modifizierter Version der Gegenstandstheorie bzw. einer der Versionen, die auf Mallys Ideen aufbauen oder einer äquivalenten Theorie.5 Gemäß einer solchen meinongianischen Theorie sind der goldene Berg, das runde Viereck und das Perpetuum mobile abstrakte Gegenstände, und die ontologische Festlegung auf diese abstrakten Gegenstände wird bewusst akzeptiert. Der goldene Berg ist demnach derjenige Gegenstand, der determiniert ist durch die Eigenschaften, golden zu sein und ein Berg zu sein, und durch sonst keine Eigenschaften; das runde Viereck ist derjenige Gegenstand, der determiniert ist durch die Eigenschaften, rund zu sein und ein Viereck zu sein; und das Perpetuum mobile ist determiniert durch die Eigenschaft, eine Maschine zu sein, die mehr Energie liefert, als in sie hineingesteckt wird. Selbstverständlich gibt es nicht nur diese drei abstrakten Gegenstände, sondern unzählige andere, zum Beispiel: der drei Meter hohe goldene Berg, der vier Meter hohe goldene Berg etc., das blaue runde Viereck, das rote runde Viereck, und so fort. Diese Theorie ist, wie gesagt, nicht in sich widersprüchlich. Die Frage ist nur, ob der enormen Zunahme an ontologischen Festlegungen, die sie mit sich bringt, eine angemessene Erklärungsleistung entspricht. Es wurde bereits gezeigt, dass eine meinongianische Ontologie nicht das Problem der nichtexistierenden intentionalen Gegenstände löst. Man könnte hinzufügen: Sie löst auch nicht das Problem der vergangenen und zukünftigen Gegenstände, denn wenn wir über Platon, Aristoteles und die erste Päpstin sprechen, dann meinen wir damit Gegenstände, die die Eigenschaften, Philosoph zu sein bzw. Päpstin zu sein erfüllen – und nicht etwa abstrakte Gegenstände, die durch diese Eigenschaften nur determiniert werden. 3

Siehe Kapitel III.2. Siehe Kapitel IV.2. 5 Siehe zum Beispiel Zalta 1988. 4

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

Auch im Kontext des Problems der möglichen und unmöglichen Gegenstände erscheint die meinongianische Lösung nicht wirklich als besonders attraktiv. Denn gemäß der meinongianischen Theorie sind Sätze wie (1) Der goldene Berg ist golden. (2) Das runde Viereck ist rund. wörtlich genommen falsch. Wahr wäre hingegen: (1b) Der goldene Berg ist bestimmt als golden. (2b) Das runde Viereck ist bestimmt als rund, bzw., in der Eigenschaftsredeweise: (1c) Der goldene Berg ist determiniert durch die Eigenschaft Golden-zusein. (2c) Das runde Viereck ist determiniert durch die Eigenschaft Rund-zusein. Selbst die Wahrheit von Sätzen der Art (4) Der goldene Berg ist ein möglicher Gegenstand. (5) Das runde Viereck ist ein unmöglicher Gegenstand. kann die meinongianische Theorie nicht erklären. Denn gemäß dieser Theorie ist der goldene Berg ja nicht nur ein bloß möglicher, sondern ein aktual existierender Gegenstand. Mehr noch: Dieser Gegenstand existiert sogar notwendigerweise, so wie alle anderen Determinate auch. (Zur Erinnerung: “Determinate” nennt Mally jene Gegenstände, die durch manche ihrer Eigenschaften nur determiniert werden, ohne sie zu erfüllen.) Auch das runde Viereck ist gemäß dieser Theorie ein Determinat und existiert daher notwendigerweise – während in (5) ausgedrückt wird, dass das runde Viereck gar nicht existieren kann. Nicht existieren kann freilich ein Gegenstand, der zugleich die Eigenschaft Rund-zu-sein und die Eigenschaft Viereck-zu-sein erfüllt. Einen solchen Gegenstand gibt es aber nicht, auch nicht nach der meinongianischen Theorie. Wäre die Kennzeichnung “das runde Viereck” so zu verstehen, dass sie einen Gegenstand bezeichnen soll, der ein rundes Viereck ist (nicht bloß als rundes Viereck bestimmt ist), dann wäre diese Kennzeichnung leer, und aus diesem Grund könnte weder (2) noch (5) wahr sein. Analoges gilt natürlich auch für die Kennzeichnung “der goldene Berg”. So viel zur meinongianischen “Lösung” des Problems der möglichen und unmöglichen Gegenstände. Im Folgenden gehe ich davon aus, dass es dabei bleibt, dass die Existenzsätze

4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände

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(6) x (x = der goldene Berg). (7) x (x = das runde Viereck). (8) x (x = das Perpetuum mobile). falsch sind. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände muss also entweder dadurch gelöst werden, dass eine Interpretation der Sätze (1) – (5) gefunden wird, der gemäß diese Sätze nicht als wahr zu akzeptieren sind, oder dadurch, dass die Ableitung der Existenzsätze (6) – (8) aus den Sätzen (1) – (5) verhindert wird. Es bietet sich an, Russells Kennzeichnungstheorie auf die Sätze (1) – (5) anzuwenden. Wir erhalten dadurch: (1d) x (x ist golden & x ist ein Berg & x ist golden & y (y ist golden & y ist ein Berg  y = x)). (Lies: Es gibt genau ein x, so dass: x ist golden und x ist ein Berg, und x ist golden.) (2d) x (x ist rund & x ist ein Viereck & x ist rund & y (y ist rund & y ist ein Viereck  y = x)). Lies: Es gibt genau ein x, so dass: x ist rund und x ist ein Viereck, und x ist rund.) (3b) x (x = das Perpetuum mobile & x = x & y (y = das Perpetuum mobile  y = x)). (Lies: Es gibt genau ein x, so dass: x ist das Perpetuum mobile, und x ist mit sich selbst identisch). (4b) x (x ist golden & x ist ein Berg & x ist ein möglicher Gegenstand & y (y ist golden & y ist ein Berg  y = x)). (Lies: Es gibt genau ein x, so dass: x ist ein goldener Berg, und x ist ein möglicher Gegenstand.) (5b) x (x ist rund & x ist ein Viereck & x ist ein unmöglicher Gegenstand & y (y ist rund & y ist ein Viereck  y = x)). (Lies: Es gibt genau ein x, so dass: x ist ein rundes Viereck, und x ist ein unmöglicher Gegenstand.) Die russellianischen Interpretationen (1b) – (5b) sind prima facie plausibel, aber in dieser Interpretation sind die Sätze (1) – (5) falsch, und zwar wegen der Falschheit der jeweils ersten Konjunktionsglieder: Es ist falsch, dass es etwas gibt, das golden und ein Berg ist; es ist falsch, dass es etwas gibt, das

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IV. Probleme der ontologischen Festlegung

ein rundes Viereck ist; und es ist falsch, dass es etwas gibt, das mit dem Perpetuum mobile identisch ist. Das wäre also eine gangbare Strategie zur Vermeidung der ontologischen Festlegung auf runde Vierecke und goldene Berge, allerdings nur für diejenigen, die nicht intuitiv die Sätze (1) Der goldene Berg ist golden, (2) Das runde Viereck ist rund. (3) Das Perpetuum mobile ist identisch mit dem Perpetuum mobile. für analytische Wahrheiten halten. Es gibt aber auch eine alternative Interpretation, die der Intuition gerecht wird, dass die Sätze (1) – (3) analytische Wahrheiten sind, nämlich: (1e) x ((x ist golden & x ist ein Berg)  x ist golden). (Lies: Jeder goldene Berg ist golden.) (2e) x ((x ist rund & x ist ein Viereck)  x ist rund). (Lies: Jedes runde Viereck ist rund.) (3c) x ((x = das Perpetuum mobile)  x = x). (Lies: Alles, was mit dem Perpetuum mobile identisch ist, ist mit sich selbst identisch.) Diese Sätze sind analytische Wahrheiten. Aber es folgt aus (1e) nicht (6) x (x = der goldene Berg); und es folgt aus (2e) nicht, dass das runde Viereck existiert, und analog für (3c). Verallgemeinernd kann man sagen: Sätze der Form “A = A” oder “AB ist A” oder “AB ist B” sind entweder zu interpretieren als Existenzquantifikationen (“Es gibt genau ein x, so dass: x = A” oder “Es gibt genau ein x, so dass x ist A und x ist B, und x ist A” etc.) oder als Allsätze (“Jedes x, welches mit A identisch ist, ist auch mit sich selbst identisch”, oder “Jedes x, das A und B ist, ist A” etc.). Im ersten Fall sind sie falsch, im zweiten Fall implizieren sie nicht die Existenz eines A bzw. eines AB. Beide Interpretationen lösen also das Problem der unerwünschten ontologischen Festlegungen auf mögliche und unmögliche Gegenstände durch Sätze der Form “A = A” bzw. “AB ist A” oder “AB ist B”. Auf die Sätze (4) Der goldene Berg ist ein möglicher Gegenstand. und (5) Das runde Viereck ist ein unmöglicher Gegenstand.

4. Das Problem der möglichen und unmöglichen Gegenstände

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ist die zweite Strategie jedoch nicht ohne Einschränkungen anzuwenden. Jedenfalls hat sie nicht den Effekt, die notwendige Wahrheit dieser Sätze zu erklären. Wir würden erhalten: (4c) x ((x ist golden & x ist ein Berg)  x ist ein möglicher Gegenstand). bzw. (5c) x ((x ist rund & x ist ein Viereck)  x ist ein unmöglicher Gegenstand). Die Wahrheit von (5c) ist garantiert, unter der Voraussetzung, dass der Vordersatz von (5c) unmöglich wahr sein kann. Aber der Vordersatz von (4c) könnte wahr sein. In diesem Fall wäre (4c) als Ganzes falsch, jedenfalls dann, wenn “möglich” im Sinne von “bloß möglich” zu verstehen ist. Denn wenn ein goldener Berg existiert, dann ist er eben nicht mehr nur bloß möglich. Fasst man aber “möglich” so auf, dass alles, was wirklich ist, auch möglich ist, dann ist auch (4c) in jedem Fall wahr. Mir erscheint aber folgende Interpretation von (4) und (5) am plausibelsten: (4d) M x (x ist golden & x ist ein Berg). (Lies: Es ist möglich, dass es etwas gibt, das golden und ein Berg ist.) (5d) ¬M x (x ist rund & x ist ein Viereck). (Lies: Es ist nicht möglich, dass es etwas gibt, das rund und ein Viereck ist.) (4d) und (5d) implizieren nicht die Existenz eines möglichen goldenen Berges bzw. eines unmöglichen runden Vierecks. Mit anderen Worten: Aus (4d) folgt nicht (9) x (x ist golden & x ist ein Berg); und erst recht folgt nicht aus (5d) (10) x (x ist rund & x ist ein Viereck). Die Sätze (1) – (5) und ähnliche zwingen also nicht zu einer ontologischen Festlegung auf mögliche bzw. unmögliche Gegenstände, weil sie nicht als Sätze der Form “Fa” bzw. “Rab” interpretiert werden müssen.

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Personenregister Alston, William P., 52f., 57, 59, 64 Ameseder, Rudolf, 106 Apostel, Leo, 96, 128–131, 169

Jackson, Frank, 17f., 60f., 67f., 91–94, 99 Jacquette, Dale, 169, 240f., 260, 262

Barnes, Jonathan, 40f., 130–134 Belnap, Nuel D., 136 Bertolet, Rod, 230 Bonevac, Daniel, 155–157, 163f. Braithwaite, R. B., 229 Brentano, Franz, 255

Kamitz, Reinhard, 125, 131 Kant, Immanuel, 193, 196f. Kanzian, Christian, 247 Kapitan, Tomis, 229 Kotarbinski, Tadeusz, 138 Krukowski, Lucian, 96 Künne, Wolfgang, 139, 162, 230

Carl, Wolfgang, 229 Carnap, Rudolf, 23–28, 124 Castañeda, Hector-Neri, 229 Chakrabarti, Arindam, 38f., 278 Crittenden, Charles, 39, 41, 244 Dölling, Evelyn, 96f., 229 Dunn, J. Michael, 136 Evans, Gareth, 39, 213f. Feagin, Susan, 229 Fine, Kit, 240 Frege, Gottlob, 37–39, 130, 139, 201– 208, 210 Geach, Peter Thomas, 137–139, 164 Gottlieb, Dale, 16, 157 Grossmann, Reinhardt, 102 Hailperin, Theodore, 173, 182, 187 Heintz, John, 228 Hintikka, Jaakko, 129, 173, 182, 185f. Horgan, Terence, 73–81, 85–87, 89, 91, 93 Howell, Robert, 228 Hugly, Philip, 156, 164 Hume, David, 197f. Ingarden, Roman, 96, 229 Inwagen, van, Peter, 99, 229, 232, 240

Lambert, Karel, 39–41, 129, 169, 173f., 179, 181, 184, 186f., 289 Leblanc, Hugues, 173, 182, 187 Lejewski, Czeslaw, 173–178 Leonard, Henry S., 169, 173, 182, 187 Lesniewski, Stanislaw, 138 MacDonald, Margaret, 232 Mally, Ernst, 173, 241, 263–265, 267f., 290–292 Marcus, Ruth Barcan, 134–137, 139, 151–155, 159–162 McArthur, Robert P. 286 Meinong, Alexius 97, 102, 177, 179, 199, 241, 261–263, 267f. Moore, George Edward 211 Orenstein, Alex, 96f., 125, 135, 137f., 156, 158–162, 164 Parsons, Terence, 240f., 262 Pasniczek, Jacek, 228 Platon, 243 Prior, Arthur N. 137, 139–143, 148, 163, 186, 286 Purtill, Richard R. 230 Quine, Willard van Orman 12, 18, 28, 52, 54, 93, 99, 122–126, 129, 131, 134, 138f., 142–144, 148, 163, 175, 210

318

Personenregister

Rapaport, William J. 240f. Reicher, Maria Elisabeth, 73, 244f., 266 Rescher, Nicholas 169, 173, 179f. Routley, Richard, 228 Russell, Bertrand, 38, 100–102, 137, 209–213, 218, 221, 262f., 265, 294 Ryle, Gilbert, 99–102, 229 Sauer, Werner, 123, 139, 163, 204, 206, 212, 217f. Sayward, Charles, 156, 164 Smith, Barry, 124 Stegmüller, Wolfgang, 99

Strawson, Peter Frederick, 151–154 Stumpf, Carl, 124 Thomasson, Amie L., 232 Trapp, Rainer W., 96f., 102 White, Morton, 99–101 Williams, Christopher John Fards 136 Wittgenstein, Ludwig, 137f. Wolterstorff, Nicholas, 228, 232, 240 Woods, John, 229 Zalta, Edward N. 240f., 291

Sachregister Adverbvariablen, 271 Akte intentionale, 255 psychische (siehe auch: Zustände, psychische, 255 Allgemeinterme (siehe auch: Terme, allgemeine), 241 Allquantifikation, 129 Allquantor ontologisch neutraler, 147 Analyse, logische, 69 Annahmefreiheit, 260 Annahmen, ontologische, 18, 20f., 28–30, 39, 124, 150 Annahmeprinzip, 260–262, 265–267 Außersein, 199, 267 Bedeutung [bei Frege], 37f., 201–203, 206f. ontologische, 122, 132, 165, 175, 178 Bedeutungen, 57f., 62–67, 69, 71, 88, 94 Begriffe, 139, 196f., 201–207 zweiter Stufe, 201, 204, 208 Beschreibungen bestimmte, 17, 162, 196, 203, 209– 222, 275 identifizierende, 215 Bestand, 47 Bestimmt-als-Prädikate, 252f. Determinate, 265, 268, 292 Diskursbereich (siehe auch: Gegenstandsbereich; Interpretationsbereich, 74f., 82f., 88 Diskursuniversum, 179 Eigennamen (siehe auch: Kennzeichnungstheorie der Eigennamen), 17, 37f., 196, 210f., 213, 217, 220f. deskriptiv gebrauchte, 220f.

deskriptiver Gebrauch von, 213 nicht-deskriptiver Gebrauch von, 213, 218 Eigenschaften Arten von, 261 außerkonstitutorische, 261–264, 266–268 determinierende, 251, 253 intrinsische, 266 konstitutorische, 261–264, 266–268 negative, 263 physikalische, 235 psychische, 235 Raumzeitlichkeit einschließende, 235 relationale, 266 Eigenschaftsarten, 241–243, 261 Einsetzungsinstanzen (siehe auch: Substitutionsinstanzen), 161 Einstellungen, intentionale, 122, 133, 269, 271f. Entitäten (siehe auch: Gegenstände) abstrakte, 27, 29, 64, 89, 97, 139 E-Quantifikation, 158 E-Quantor, 125–129, 131f., 134, 143– 145, 147, 150, 153, 155, 158, 160, 164f., 176, 180, 284 ontologisch neutraler, 147 Ereignisse, 23, 247f., 250 Exemplifikation (siehe auch: Instantiierungen), 242f. Existenz, 13f., 20, 23, 35, 38, 40f., 46– 48, 50, 53, 56, 64f., 67, 70, 87 außerkonstitutorische, 263, 267 gegenwärtige, 151, 280 in der Realität, 228 in einer Fiktion, 228f. nicht-temporale, 282 vergangene, 280 zukünftige, 280 Existenzannahmen, 21, 184, 258 Existenzaussagen, 190 Existenzbegriff, 129–131, 201, 207

320

Sachregister

Existenzfragen, 10–13, 23–25, 27f. externe, 23–30 interne, 23–25, 27 Existenzfreiheit, 185 Existenzprädikat, 168, 179f., 182, 197, 280 Existenzquantifikation, 128f., 156, 209, 294 Existenzquantor, 17, 98, 122–125, 151, 165, 168, 175f., 178, 180f., 199, 201, 209, 225, 271, 279f., 282f., 290 Existenzsätze, 13–16, 31–33, 37, 47– 53, 55, 57, 59f., 70f., 101, 111, 173, 187, 191, 193, 225, 238, 276, 286, 289f., 292f. allgemeine, 209f. generelle, 31f., 34–36, 50, 55, 106, 111, 116, 130, 169, 198f., 207, 222, 256 negative, 173, 198 negative generelle, 111 negative singuläre, 38, 67f., 70, 88, 111f., 194f. positive, 173, 198 positive singuläre, 195 singuläre, 31f., 34–36, 50, 55, 68, 128–130, 168–171, 191, 194, 196, 198f., 207–210, 221f., 226, 242, 256 temporale, 280 Existenzvoraussetzungen, 167f., 172– 174, 181f., 185f., 190, 192, 259 Existierendes, 179f., 255, 288 Festlegung, ontologische, 7, 9, 14–18, 31f., 36f., 45–54, 56–62, 64f., 67, 70, 73, 80, 87f., 91–97, 99, 105, 107f., 115, 119, 121–124, 126–128, 135– 137, 139, 141, 145f., 149f., 154, 156–158, 164f., 167, 169, 171f., 177, 179, 184f., 187–189, 192, 223, 225f., 228f., 232, 234, 238, 242f., 251, 276–278, 280, 282–284, 286, 289– 291, 294f. explizite, 16

generelle, 15, 17, 42, 52, 71, 121 implizite, 16 Kriterien der, 17f., 21f., 26f., 31, 41, 45f., 72, 96, 108, 122, 157 referentielle Theorie der, 17 singuläre, 15, 17, 42, 51, 71, 115, 121 Fiktionen, 40, 227–229 Form grammatikalische, 68 logische, 142, 193, 196, 227, 229f., 257, 270, 275, 283–286 Free Logics (siehe auch: Logiken, existenzfreie), 173 Funktionen [im Sinne Freges], 201– 204, 206f. zweiter Stufe, 204 Gegenstand [Definition], 207 Gegenstände abstrakte, 10, 26f., 48, 73, 80, 105– 107, 138, 152, 233–237, 245f., 249f., 252, 264f., 267, 290f. aktuale, 159f. außerseiende, 97, 177, 260, 267f. bloß begriffliche, 179 existierende, 97, 174, 179, 197, 260, 263, 290, 292 fiktive, 39, 41, 92, 128, 130, 221, 226–240, 242, 244f., 251–253, 261 immaterielle, 101 intentionale, 73, 255, 260, 264, 266, 268 kontingente, 233 kulturelle, 245 materielle, 10, 12f., 105, 246, 248f. mentale, 101, 105–107, 124 mögliche, 28, 159f., 226, 289f., 292– 295 namenlose, 162–164 nichtexistierende, 174, 177, 179–181, 226, 255, 267, 288 nichtexistierende intentionale, 255–258, 260, 269, 291

Sachregister

nicht-physikalische, 73, 87 nicht-räumliche, 107 nichtreale, 234 nichtwirkliche, 234 notwendigerweise existierende, 232 physikalische, 73, 101, 105–107 psychische, 246, 248f. räumlich ausgedehnte, 235 raum-zeitliche, 107, 152, 232, 234, 236f., 239f. reale, 234, 268 seiende, 97, 177, 260 subsistierende, 284, 290 unmögliche, 172f., 226, 289f., 292– 295 unzeitliche, 101 vergangene, 41, 226, 258, 275–278, 280, 282–284, 286, 288, 291 wirkliche, 234 zeitliche, 101, 107, 247 zeitlose, 107 zukünftige, 226, 275–278, 280, 282– 284, 286, 288, 291 Gegenstandsbereich (siehe auch: Diskursbereich; Interpretationsbereich), 163 Gegenstandstheorie, 179, 263, 265– 267, 291 Gegenstandsvariablen, 156 Generalisierung, existentielle, 33, 35, 128, 154, 160, 167–169, 179, 183f., 227 relationale, 33f., 36, 133, 167, 183, 256 Gerichtetsein, intentionales, 255f. Geschichtenoperatoren, 230–232, 236– 239, 241–244, 251f., 286f. Gewicht, ontologisches, 98, 125f., 128, 181 Gottesbeweis, ontologischer, 194, 196f. Grammatik, logische, 208 Individuenkonstanten, 114, 135, 168, 172, 190

321

Individuenvariablen, 17, 136, 138, 141–146, 148, 150, 154, 156–158, 160, 165, 171, 178–180, 271, 284, 290f. Instantiierbarkeit, 253 Instantiierung, universelle, 169f., 181f., 184 Instantiierungen (siehe auch: Exemplifikation), 252f. Intentionalität, 226, 255 Interpretationen, 69f., 111, 113–119, 121, 123, 129, 131–133, 141, 146f., 149, 154, 162, 175–177, 189, 194, 200, 206, 238, 240f., 269f., 278, 280, 282, 284f., 287, 289, 293–295 adverbiale, 270 gegenständliche [der Quantifikation], 134 logische, 68–70, 89, 111–113, 115, 118, 127f., 132, 165, 193f., 200, 225, 285, 289 nicht-gegenständliche [der Quantifikation], 138, 142, 157, 163 nicht-temporale [der Existenz], 277– 283 ontologisch neutrale, 137 substitutionale [der Quantifikation], 134–137, 154f., 159, 162f. temporale [der Existenz], 282 Interpretationsbereich (siehe auch: Diskursbereich, Gegenstandsbereich), 131, 136f., 172 Kategorien, 96f., 99f., 105, 108, 144, 233f., 246–248, 281 Kategorienfehler, 206, 232 Kennzeichnungen, 209–214, 216–221, 227, 292 definitorisch gebrauchte, 221 definitorischer Gebrauch von, 217f. nicht-definitorisch gebrauchte, 217 nicht-definitorischer Gebrauch von, 217f. Kennzeichnungstheorie, 38, 209–212, 221, 293

322

Sachregister

der Eigennamen, 210f., 213, 216f. Konditionalsätze, 173 Konstitutorisch-außerkonstitutorischUnterscheidung (siehe auch: Eigenschaften, außerkonstitutorische; Eigenschaften, konstitutorische), 262f. Kontexte, ontologisch neutrale, 45f. Logiken, existenzfreie, 167, 169, 173f., 177–179, 181–185, 188, 191f., 226, 258, 284 meinongianische, 174, 179 negative, 184f., 188, 192, 258 neutrale, 184f., 188, 192, 258 positive, 184f., 188f., 192, 258 Mehrdeutigkeit, 38, 60, 62, 65, 70, 119, 144, 165, 269 lexikalische, 62, 65 logische, 67, 112, 114 strukturelle, 114, 118 systematische, 287 Metasprache, 47, 91 Modalität, 159 Modallogik, 159 Möglichkeitsoperator, 159f. Namen, 37f., 68, 136–139, 141–143, 145, 151, 163f., 178–180, 186, 192, 210–217, 221, 227, 287f. leere, 38, 155, 191 Namensvariablen, 142f. Neutralität, ontologische, 45, 47, 225 Neutralitätsthese, 45, 94 Nichtexistenz, 13, 267 Nichtexistierendes, 39, 41, 178f. Nominalisten, 64, 149f. Nonentitäten, 179f. Notwendigkeit, 40, 251 Notwendigkeitsoperator, 160 Null-Klasse, 180 Objekte, intentionale (siehe auch: Gegenstände, intentionale), 267 Objektsprache, 45, 47, 91f.

ontological commitment. Siehe Festlegung, ontologische Ontologie, meinongianische, 260, 263, 268, 290f. Operatorentheorie (siehe auch: Geschichtenoperatoren), 230, 232 Paraphrasierungen, 45f., 49–68, 70, 73, 78, 80–82, 85, 209f., 229f., 236, 250, 270 Paraphrasierungsstrategie, 46f., 49, 52– 55, 57–60, 73, 75, 82, 88, 93, 225, 229f. Partikularisator, 125, 165, 176–178, 180, 271, 284, 290 Platonisten, 64 Prädikate Arten von, 234, 240, 244f., 251, 261 erster Stufe, 139, 208, 220, 222 grammatikalische, 112f., 193f., 196f., 199, 201 logische, 112, 193f., 196–198, 200, 244 reale, 196–198 redundante, 198f. zweiter Stufe, 130, 207, 210 Prädikationen, 17, 31, 33–35, 40–42, 68, 71f., 111, 128, 130, 187, 193, 195f., 209, 213, 227, 239, 241, 243, 258, 289 Prädikationsprinzip, 33, 35, 37–41, 68, 73, 115, 130, 154, 161, 167–170, 184, 190, 194, 227, 276, 283f., 286 Prädikatoperatoren, 237f., 240f. Prädikatvariablen, 141, 144, 147–150, 207 Propositionen, 25, 41, 96f., 121f., 124, 127, 136, 140f., 145f. Propositionsvariablen, 141 Quantifikation, 125, 134–140, 142, 145f., 151, 154f., 158, 161–163 gegenständliche, 121, 134, 136, 150 ontologisch neutrale, 121, 134, 147f., 150f., 159, 225

Sachregister

substitutionale, 136f., 155f. Quantifikator, 34, 134, 290 Quantoren, 54, 88, 98, 122–126, 132, 136f., 140, 144f., 150, 152–157, 160–163, 165, 175–179, 271, 280, 284, 290f. ontologisch neutrale, 125, 144–146, 157, 178 Quantoreninterpretation [der Existenz], 128–132, 134 Quantorenlogik, klassische, 130, 167– 173, 176, 179, 181, 184, 190, 226 Redundanzargument, 197–199 Referenten, 37, 88, 206 Referenz, 41, 54, 74, 163, 215, 220 Relationen, intentionale, 133, 255, 258, 268, 272 Relationsprinzip, 33f., 36, 112, 115, 161, 167–170, 184, 191, 256–259, 269, 275, 283f., 286 Relationssätze, 34, 36, 42, 71, 187, 289 Sachverhalte, 10, 23, 48, 83, 96f., 121, 124 Satzoperatoren, 69f., 230, 237f., 240, 285f. Satzvariablen, 165 Sein, 13f., 39, 47, 96f., 100, 102f., 105–108, 184, 196, 199, 225, 234, 260 Seinsweisen, 45, 47, 95–100, 102f., 105–108, 176–178, 181, 198f., 222, 225, 229, 234, 260, 267, 284, 290 Selbstidentität, 167, 169f., 184 Semantik kontextuelle, 73–76, 80–82, 84, 87, 93, 156, 158 referentielle, 74–78, 84, 87, 92f., 156 Sinn, 37, 202, 212, 222 Sosein, 260 Sprachen formale, 12, 17, 33, 114, 122f., 128f., 134, 143–145, 150, 165, 172, 280, 282

323

halbformale, 114, 117 ideale, 208, 211 natürliche, 12, 23, 33f., 66, 95, 111, 114, 122f., 125, 129, 143f., 148, 164, 172, 208, 211 reglementierte, 111, 113–115, 119, 121, 170 Struktur grammatikalische, 31, 69, 111–113, 115, 118, 200, 227 logische, 12, 69, 111–114, 118, 189, 200, 269, 284 Substitutionsinstanzen (siehe auch: Einsetzungsinstanzen), 135f., 139, 151f., 154, 156f., 178 Teile logische, 69, 111, 113f., 118, 241, 243f. zeitliche, 247 Terme abstrakte singuläre, 241f. allgemeine, 112–114, 209, 241 leere singuläre, 40, 151, 155f., 158, 171–174, 178f., 181f., 184f., 188– 192, 195f., 226, 258, 277 nicht-leere singuläre, 171 singuläre, 17, 33f., 39, 45f., 54, 75, 82, 85, 88f., 112–115, 118, 121f., 132, 135, 142–144, 146, 148, 154, 158, 161, 169–173, 175, 178f., 181–183, 186, 189–191, 195, 203– 207, 209–212, 220–222, 227, 256, 258, 270, 275f., 287 Typen, 101, 147, 252f. Überzeugungen, ontologische, 12–15, 18 Universalien, 10, 13f., 19f., 48, 64, 80, 100–102, 141, 149f., 242f. Universalienrealismus, 19, 149 Unvollständigkeit [fiktiver Gegenstände], 244

324

Sachregister

Variablen (siehe auch: Adverbvariablen, Gegenstandsvariablen, Individuenvariablen, Namensvariablen, Prädikatvariablen, Propositionsvariablen, Satzvariablen, Zahlvariablen), 17, 34, 114, 119, 122–124, 131, 134–138, 141–146, 148, 150, 154, 156–158, 163, 165, 171, 175, 178, 180, 201–203, 207, 271, 290 ontologisch neutrale, 147, 282 propositionale, 136, 144–146 Verben, intentionale, 133 Vergangenheitsoperator, 285 Verpflichtung, ontologische. Siehe Festlegung, ontologische Voraussetzungen, ontologische, 15, 22 Wahrheiten analytische, 129, 234, 289, 294 logische, 169–171, 174, 176, 190, 289 metaphysische, 289 notwendige, 40f., 161, 173, 295 Wahrheitsbedingungen, 75, 78, 81–87, 92–94, 135, 156–158 nicht-gegenständliche, 139 nicht-referentielle, 81 referentielle, 82–86, 158 substitutionale, 135, 138, 163

Wahrheitswerte, 37f., 78, 156, 184, 192, 195, 202f., 221, 244 Wahrmacher, 231 Wahrnehmung, innere, 89 Weltbild meinongianisches, 174, 178f., 260 russellianisches, 174, 181 Welten aktuale, 228f. fiktionale, 228 mögliche, 228f. reale, 228f. unmögliche, 228 Zahlvariablen, 148f. Zeitformen Prädikatinterpretation der, 285, 287 Satzinterpretation der, 285, 287f. Zeitoperatoren (siehe auch: Vergangenheitsoperator; Zukunftsoperator), 286f. Zukunftsoperator, 285 Zuschreibungsweisen, 241–243 Zustände intentionale, 101, 255 psychische (siehe auch: Akte, psychische), 62, 97, 246, 255, 269

Philosophische Analyse Philosophical Analysis ______________________________________________________________________ Edited by Herbert Hochberg • Rafael Hüntelmann • Christian Kanzian Richard Schantz • Erwin Tegtmeier Vol. 1 Herbert Hochberg Russel, Moore and Wittgenstein The Revival of Realism

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