Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit: untersucht am Beispiel der Lehre vom Vertragsabschluß [1 ed.] 9783428453207, 9783428053209

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Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit: untersucht am Beispiel der Lehre vom Vertragsabschluß [1 ed.]
 9783428453207, 9783428053209

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RÜDIGER NIERWETBERG

Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit

Schriften zur

Rechtstheo

Heft 103

Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit untersucht am Beispiel der Lehre vom Vertragsschluß

Von

Rüdiger Nierwetberg

DUNCKER

&

H U M B L O T / B E R L I N

Die Drucklegung w u r d e gefördert d u r c h die H a n n s M a r t i n S c h l e y e r - S t i f t u n g

Nierwetberg, Rüdiger: Rechtswissenschaftlicher Begriff u n d soziale W i r k l i c h k e i t : unters, am Beispiel d. Lehre v o m Vertragsschluß / v o n Rüdiger Nierwetberg. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1983. (Schriften zur Rechtstheorie; H. 103) I S B N 3-428-05320-6 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany I S B N 3 428 05320 β

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung über das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit — insbesondere des Vertragsschlusses — gründet auf der Geschichtenphilosophie Wilhelm Schapps. Der philosophische Ansatz Wilhelm Schapps ist von Jan Schapp gerade i m Hinblick auf die juristische Vertragslehre aufgenommen und fortentwickelt worden. Es ist deshalb für diese Untersuchung i n ganz besonderer Weise förderlich gewesen, daß m i r Herr Prof. Dr. Jan Schapp bei der Abfassung der Arbeit m i t seinem Rat zur Seite stand. I h m schulde ich besonderen Dank. Gießen, i m Dezember 1982 Rüdiger

Nierwetberg

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

13

Teil

A

Die These von der Krise der Vertragslehre I. Die überkommene

Vertragslehre

nach dem BGB

16

1. Die Regelung des B G B

16

2. Der geistesgeschichtliche Hintergrund: Privatautonomie u n d W i l lensdogma

18

IL Die Lehre von den faktischen

Vertragsverhältnissen

1. Begründung der Lehre durch G. Haupt

21 21

a) Diskrepanz v o n zivilistischer Vertragskonzeption u n d sozialer Wirklichkeit

21

b) Die Relativierung der überkommenen Vertragsdogmatik

24

2. Rezeption der Lehre Haupts u n d Ablehnung durch die herrschende Meinung a) Rezeption der Lehre Haupts

25 25

aa) Simitis

26

bb) Larenz cc) Rechtsprechung dd) Zusammenfassung

27 28 29

b) Ablehnung der Lehre Haupts durch die herrschende Meinung

Teil

30

Β

Rechtswissenschaftlicher Begriff und soziale Wirklichkeit I. Begriffserklärung 1. Recht u n d rechtswissenschaftlicher Begriff

34 34

10

Inhaltsverzeichnis 2. „Sollen u n d Sein" u n d das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff u n d sozialer W i r k l i c h k e i t

I I . Veränderungen

der sozialen Wirklichkeit

des Vertragsverkehrs?

36 38

1. Lage vor u n d i m Kodifikationszeitraum

38

2. Der nachkodifikatorische Zeitraum

40

3. Problemstellung u n d weiterer Gang der Darlegungen

42

III. Normlogistische Isolierung der rechtswissenschaftlichen keit von der sozialen Wirklichkeit

Begrifflich-

1. Die Reale Rechtslehre Ernst Wolfs a) Ontologischer Status der rechtlichen Verhältnisse b) Verhältnis der Realen Rechtslehre zu anderen Positionen des Normlogismus

46 47 47 50

aa) Konvergenzen

50

bb) Divergenzen; Wolfs Ontologie

52

2. Folgerungen für die Vertragslehre

54

3. Kritische Würdigung des Normlogismus

57

a) Normlogismus i m allgemeinen

57

b) Die naturalistische Variante des Normlogismus

61

4. Zusammenfassung IV. Die Ontologische

Rechtslehre

1. Die Geschichtenphilosophie W. Schapps a) Aufgabe u n d Angriffsrichtung

64 66 67 67

b) Die Geschichten

69

c) Ganzheitliche Betrachtungsweise

76

aa) Allgemeiner Begriff u n d allgemeiner Gegenstand bb) Der Horizontcharakter der Geschichten d) Asymptotische Annäherung an die soziale Lebenswirklichkeit 2. Rechtsverhältnisse als Geschichten. Die Vertragsgeschichte

77 81 82 84

a) Eigentum u n d Wozuding

85

b) Der Vertrag als Geschichte

86

3. Die Bedeutung der Ontologischen Rechtslehre a) Zutreffende Beschreibung der sozialen W i r k l i c h k e i t

91 91

Inhaltsverzeichnis b) Aufdeckung des Mißverständnisses wissenschaftlicher Begriffe als Ontologie

95

c) Ontologische Rechtslehre u n d Lehre v o n den faktischen Vertragsverhältnissen 102 4. Die Problematik der Ontologischen Rechtslehre

106

a) Ortslosigkeit wissenschaftlich-systematischer Begriffe

106

b) Wert rechtswissenschaftlicher Begriffsbildung

110

aa) Begriffliches System als Wissenschaftskonstitutivum

112

bb) Rationalität u n d begriffliches System

115

c) Immanente K r i t i k der Ontologischen Rechtslehre

125

aa) Postulat vollständiger Deskription als zusätzliche Prämisse 125 bb) N o r m a t i v i t ä t rechtlicher Begriffe 127 cc) Das deskriptive Element rechtlicher Begriffe 131 5. Zusammenfassende Folgerungen für das Verhältnis v o n rechts wissenschaftlichem Begriff u n d sozialer W i r k l i c h k e i t des Vertrages . . 134 V. Der Dialektische Ansatz: Wechselbeziehung schaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit

zwischen

rechtswissen-

1. Simitis'dialektischer Ansatz a) Methodisches Programm: Exakte I n d u k t i o n

136 136 136

b) A n k n ü p f u n g an die Forschungsergebnisse der Interessenjurisprudenz 137 c) Die soziale F u n k t i o n des Rechts

139

aa) Die F o r m des Rechtsinstituts als Erstarrungsprodukt des historisch-gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses 140 bb) Der I n h a l t des Rechtsinstituts als Träger seiner sich w a n delnden sozialen F u n k t i o n 141 cc) Die dialektische E n t w i c k l u n g v o n F o r m u n d I n h a l t 142 2. Folgerungen für die Vertragslehre a) Wandel der sozialen F u n k t i o n des Vertrages

143 143

b) Fortentwicklung der Vertragsdogmatik zur Lehre v o n den faktischen Vertragsverhältnissen 144 3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

145

a) Simitis' Objektivismus

145

b) Die Problematik der Denkfigur von F o r m u n d I n h a l t

150

aa) Versuch einer Verortung bb) Die Präferenz zugunsten des Inhaltselements

151 155

(1) Selbsttätige Angleichung der F o r m an den I n h a l t (2) Simitis' Verhältnis zum marxistischen Ansatz

155 158

Inhaltsverzeichnis

12

cc) Simitis' Soziologismus 161 dd) „ F o r m u n d I n h a l t " als Ausdruck des ontologisch-funktionalen MißVerständnisses 163 (1) Ontologisches Mißverständnis 163 (2) Deskriptivistisches Mißverständnis 165 ee) Die Parallele zum institutionellen Rechtsdenken c) Wandel der „bürgerlichen" zur „sozialen" Rechtsordnung?

166 170

aa) B G B u n d Liberalismus . . 170 bb) Die doppelte relative Indifferenz der überkommenen V e r tragslehre 172 4. Zusammenfassende Betrachtung zur Problematik der faktischen Vert rags Verhältnisse Literaturverzeichnis

181 187

Einleitung Der Gegenstand dieser Untersuchung ist das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit. Sie verfolgt auf diese Weise ein primär methodologisches Interesse. Dennoch w i r d aber — wie schon der Untertitel der Arbeit ausweist — nicht darauf verzichtet, jene methodologische Zielsetzung anhand eines bestimmten Ausschnittes der rechtswissenschaftlichen Dogmatik darzulegen. Es handelt sich u m die i m BGB positivierte Dogmatik der Schließung eines Vertrages, die ein Kernstück der wissenschaftlichen Dogmatik des Privatrechts beinhaltet. Diese Anknüpfung der Untersuchung an eine konkrete Figur der rechtswissenschaftlichen Dogmatik hat einen doppelten Vorteil. Zum einen werden die methodologischen Ausführungen, welche sich naturgemäß auf einem vergleichsweise abstrakten Reflexionsniveau befinden, bis zu einem gewissen Grade davor bewahrt, jede Anschaulichkeit einzubüßen. Mag man diesen Gesichtspunkt einer exemplarisch orientierten methodologischen Arbeit vielleicht mit dem Hinweis geringschätzen, die Vermittlung anschaulicher Darlegungen sei nicht Aufgabe wissenschaftstheoretischer Erörterungen, so hat die Orientierung an einem allseits bekannten Beispiel doch auf der anderen Seite noch einen wichtigeren, nämlich kritischen Vorzug aufzuweisen: Durch den konkreten Bezug auf einen bestimmten Begriff aus der rechtswissenschaftlichen Dogmatik werden jene „Fälle" benannt, anhand derer die zum Vortrag kommenden Überlegungen entwickelt wurden. A u f diese Weise w i r d von vornherein dem Eindruck eines zu weit reichenden Geltungsanspruchs der Untersuchung entgegengewirkt. Diese selbstkritische Vorgabe schließt indessen eine auf der Typizität des gewählten Beispiels ruhende allgemeinere Bedeutung der Arbeitsergebnisse nicht aus, sondern verweist sie lediglich i n angemessene Grenzen. Für die Zivilistik, deren Gedankenkreis sicherlich bedeutsame Ansätze klassischer juristischer Methodenlehre entstammen, darf man ja gerade die Lehre vom Vertrage durchaus als eine dogmatische Figur bezeichnen, der eine solche Typizität zukommt. Der Gedankengang der vorliegenden Untersuchung, welcher i m folgenden — ergänzt u m einige Bemerkungen zum Selbstverständnis unserer Darlegungen — zum Zwecke einer besseren Gesamtübersicht kurz skizziert werden soll, spiegelt die soeben dargelegten Grundsätze.

14

Einleitung

I n einem ersten Hauptteil werden zunächst die Dogmatik des Vertragsschlusses nach der Regelung des BGB und die gegen sie vorgebrachten Angriffe von Seiten der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen dargestellt, deren Verfechter diese Modifikation rechtswissenschaftlicher Dogmatik als notwendige Antwort auf tiefgehende Veränderungen der sozialen Wirklichkeit des Vertrages begreifen. A m deutlichsten w i r d dieser soziale Wandel nach der genannten Lehre bei V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e n des Massenverkehrs

der Daseinsvorsorge,

die w i r

deshalb für die Zwecke unserer Untersuchung allein herausgreifen. M i t dieser grundlegenden K r i t i k an der überkommenen Vertragslehre ordnet sich die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen i n den umfassenden Zusammenhang eines heute weit verbreiteten Tenors der Zivilrechtswissenschaft ein, demzufolge w i r i n der Gegenwart Zeugen einer tiefgreifenden Krise der als liberal angesehenen Vertragsdogmat i k sind. Der zweite Hauptteil befaßt sich sodann mit dem an dieser Entwicklung der Vertragsdogmatik aufscheinenden methodologischen Problem des Verhältnisses von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit. Den zentralen Anknüpfungspunkt bildet hierbei die Frage, inwieweit Veränderungen der Wirklichkeit des sozialen Lebens, i m gegebenen Beispiel also des Vertragsverkehrs, zugleich auch Verschiebungen der rechtswissenschaftlichen Begrifflichkeit notwendig machen. Die nachfolgende Untersuchung sieht ihre Aufgabe vor allem darin, einige i m Zusammenhang mit der Vertragslehre erarbeitete Stellungnahmen zum Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit aufzugreifen und eingehend zu diskutieren. Die Darstellung der verschiedenen Positionen ist i n ihrer jeweiligen Ausführlichkeit an dem Ziel orientiert, die Arbeit aus sich heraus verständlich zu machen. Wenn bei dieser Darstellung die einzelnen Stellungnahmen zu dem genannten Verhältnis i n den übergreifenden Kategorien von „Normlogismus", „Ontologischer Rechtslehre" und „Dialektischem Ansatz" erfaßt werden, so darf diese Gruppierung i n einem zweifachen Sinne nicht fehlgedeutet werden: Einmal haften diese Kennzeichnungen den dargestellten Positionen nicht dergestalt an, daß sie sich selbst i n diesem Sinne etikettierten und man diese Etiketten nunmehr lediglich abzulesen bräuchte; vielmehr ist die vollzogene Klassifikation maßgeblich bereits durch den Gedanken beeinflußt, die Ebenen rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit und sozialer Wirklichkeit überhaupt einander gegenüberzustellen, und insoweit also zunächst heuristische Konsequenz der sich aus dem selbst vorgegebenen System ergebenden Denkmöglichkeiten: Danach kann man die Betonung entweder auf die Ebene rechts wissenschaftlicher Begrifflichkeit oder aber auf die soziale

Einleitung

Wirklichkeit legen, schließlich jedoch auch den Versuch unternehmen, beide Ebenen i n einer gegenseitigen Wechselbeziehung zu deuten. Über das soeben Gesagte hinaus zeigt sich die heuristische Qualifikation der vorgenommenen Gruppierung aber auch darin, daß die näheren Überlegungen zu den Positionen von Normlogismus, Ontologischer Rechtslehre und Dialektischem Ansatz immer von neuem dazu Anlaß geben, die scheinbare Schärfe dieser Klassfikation kritisch i n Frage zu stellen, da sich Elemente der einen Modellvorstellung durchaus auch i n anders klassifizierten Positionen wiederfinden. I n dem zentralen Teil dieser Arbeit w i r d regelmäßig die Darstellung der jeweils i n Betracht gezogenen Position zum Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit der kritischen Würdigung dieser Position vorangeschickt. Auch dieser Aufbau ist wohl einer verdeutlichenden Anmerkung bedürftig: Die Unterscheidung von Darstellung und Würdigung kann sicherlich nicht bedeuten, daß erläuternde und erweiternde Gedanken nicht schon i n die Darstellung selbst Eingang nähmen. Dies ist die natürliche Folge davon, daß auch eine als »Darstellung' ausgewiesene Erörterung das Dargestellte jeweils mit den Augen desjenigen sieht, der die Darstellung unternimmt; jede Darstellung hat damit ein nicht eliminierbares interprétatives Moment i n sich, welches je nach dem stärker oder schwächer i n Wirkung sein kann. Das soeben Gesagte gilt insbesondere für die bewußt ausführlich referierte Geschichtenphilosophie Wilhelm Schapps, weil die vorliegende Untersuchung sich diesen philosophischen Ansatz bis zu einem gewissen Grade zu eigen macht. 1 Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung w i r d und kann nicht eine abschließende Aussage darüber sein, was rechtswissenschaftliche Begrifflichkeit und soziale Wirklichkeit „sind" oder wie ihr Verhältnis zueinander „ist". Diese Problematik ist Gegenstand einer zweitausendjährigen philosophischen oder — wenn man so w i l l — wissenschaftstheoretischen Diskussion. 2 Ziel dieser Arbeit kann damit nur sein, einen Beitrag zu dieser Diskussion zu liefern, welche für die Zivilrechtswissenschaft gerade i n dem Augenblick von erhöhtem Interesse sein muß, i n welchem man i n die Reformdiskussion zentraler Gegenstandsbereiche dieser Wissenschaft eintritt. 3

1 Vgl. die Darstellung u n d kritische Würdigung des geschichtenphilosophischen Ansatzes unten Β . I V . 2 Z u r Geschichte des Begriffs der juristischen (und medizinischen) Dogmat i k vgl. neuestens Herberger, Dogmatik. 3 Vgl. Gutachten u n d Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg. v o m Bundesminister der Justiz.

Teil A

Die These you der Krise der Vertragslehre I. Die überkommene Vertragslehre nach dem BGB 1. D i e Regelung des B G B

Der Vertrag ist der praktische Hauptfall des Rechtsgeschäftes. Das BGB selbst definiert den Begriff des Rechtsgeschäftes bekanntlich nicht ausdrücklich. Der dritte Abschnitt des ersten Buches enthält unter dem Titel „Rechtsgeschäfte" aber immerhin eine so ausführliche Regelung der m i t dem Rechtsgeschäft zusammenhängenden Fragen, daß über die vom BGB vorausgesetzten Begriffe des Rechtsgeschäftes und des Vertrages kaum Zweifel entstehen können. Schon die Koppelung des Begriffs der Geschäftsunfähigkeit an denjenigen der Willenserklärung i n den §§ 105, 107, noch deutlicher aber die Normierung des zweiten Titels mit der Überschrift „Willenserklärung" weisen darauf hin, daß die Willenserklärung der Zentralbegriff der Rechtsgeschäftskonzeption des BGB ist. Allerdings deckt sich der Begriff der Willenserklärung mit dem Begriff des Rechtsgeschäftes nicht schlechthin und vollständig; so ist i m zweiten Titel unter der Überschrift „Willenserklärung" sowohl von dieser selbst (§§ 116-124; §§ 129- 133) als auch vom Rechtsgeschäft die Rede (§§ 125 - 128; §§ 134 - 144), wobei eine ausdrückliche Klarstellung des Verhältnisses beider zueinander nicht zu erkennen ist. Eine solche ausdrückliche Klarstellung ist indessen auch nicht erforderlich, weil sich aus der Zusammenschau der Überschriften des dritten Abschnitts („Rechtsgeschäfte") sowie dessen zweiten und dritten Titels („Willenserklärung" bzw. „Vertrag") ohne weiteres ergibt, daß der Begriff der Willenserklärung mit demjenigen des Rechtsgeschäftes nur deswegen nicht synonym verwendet wird, weil es Rechtsgeschäfte gibt, welche aus mehr als nur einer Willenserklärung bestehen. Angesprochen ist damit i n der Hauptsache der Vertrag als bei weitem wichtigster Fall des Rechtsgeschäftes, welcher gem. § 151 S. 1 „durch die A n nahme des Antrags", also durch (mindestens) zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustandekommt. Daß indessen die Willenserklärung, wenn nicht Synonym, so doch jedenfalls essentieller Bestandteil eines jeden Rechtsgeschäftes ist, vermag man insbesondere der Regelung der Anfechtung wegen Willens-

1. Die Regelung des B G B

17

mängeln i n den §§119 - 124, §§ 142 - 144 unmißverständlich zu entnehmen. § 142 Abs. 1 spricht insoweit von „anfechtbaren Rechtsgeschäften". Anfechtbar sind aber gem. den §§ 119 ff. ausschließlich Willenserklärungen, so daß Rechtsgeschäfte per definitionem nur unter der Voraussetzung anfechtbar sein können, daß sie mindestens eine Willenserklärung enthalten. Aus diesem Zusammenhang der §§119 ff. mit den §§ 142 ff. folgt zwingend, daß es nach der Regelung des BGB ein Rechtsgeschäft ohne das Mindesterfordernis einer Willenserklärung nicht geben kann. I n rein logischer Betrachtungsweise besteht zwar angesichts der Regelung der §§ 119 ff., 142 ff. immerhin noch die Denkmöglichkeit, den Begriff des Rechtsgeschäftes so zu fassen, daß er eine Willenserklärung nicht notwendig voraussetzt. § 142 Abs. 1 wäre dann so zu lesen, daß Rechtsgeschäfte für den Fall, daß sie eine Willenserklärung enthalten, bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen gegebenenfalls mit der Folge angefochten werden können, daß sie von Anfang an nichtig sind. Ließe indessen der Begriff des Rechtsgeschäftes nach dem BGB wirklich zu, daß das Vorliegen einer Willenserklärung nicht unbedingt erforderlich ist, so wäre die Auswahl des Begriffes „Rechtsgeschäft" für die Normierung des § 142 Abs. 1 sinnlos, weil es keinen denkbaren Grund gibt, bei der Abfassung dieser Norm an einen Begriff anzuknüpfen, welcher eine Willenserklärung nur als Möglichkeit beinhaltet, wiewohl zweifelsfrei ausnahmslos Willenserklärungen angefochten werden können. Aus diesen Gründen muß § 142 Abs. 1 so verstanden werden, daß der Begriff „Rechtsgeschäft" nur deswegen gewählt wurde, u m auch die aus mehr als nur einer Willenserklärung bestehenden Tatbestände zu erfassen. Insbesondere beim Vertrag stellt man sich nicht die zu i h m hinführende einzelne Willenserklärung allein, sondern über sie den ganzen Vertrag als angefochten vor. 4 Das aus den Begriffen „Rechtsgeschäft", „Willenserklärung" und „Vertrag" gebildete dogmatische System hat daher nach der i m BGB positivierten Regelung folgende Gestalt: Ein Rechtsgeschäft ist ein j u r i stischer Tatbestand, der als Mindesterfordernis eine Willenserklärung voraussetzt. Praktisch wichtigster Fall des Rechtsgeschäftes ist der Vertrag, zu dessen Schließung zwei korrespondierende Willenserklärungen nötig sind. Über diesen aus den gesetzlichen Vorschriften erhobenen Befund besteht Einigkeit i n der Wissenschaft. 5 4 Vgl. Lorenz, A T , § 20 I I . c., S. 351. s Vgl. n u r Staudinger / Dilcher, Einl. zu §§ 104- 185, Rdnr. 12, Vorbem. zu §§ 145 ff., Rdnr. 4; Palandt / Heinrichs, Überbl. vor § 104, A n m . 1 b., v o r § 145, A n m . 1 a. Vgl. auch Larenz, A T , § 18 I., S. 285, § 27, S. 474: Trotz seiner Lehre v o m „sozialtypischen Verhalten" (dazu vgl. näher unten Α . I I . 2. a. bb.) bestreitet auch Larenz nicht, daß nach der gesetzlichen Regelung ein V e r tragsschluß stets zwei korrespondierende Willenserklärungen erfordert. 2 Nierwetberg

18

Α . I. Die überkommene Vertragslehre nach dem B G B

2. Der geistesgeschichtliche Hintergrund: Privatautonomie und Willensdogma Nachdem man i n einem ersten Schritt versucht hat, soweit als möglich einen positivrechtlichen Befund aus der Regelung des BGB selbst zu sichern, kann man nunmehr zu der Frage übergehen, ob diese dogmatische Begrifflichkeit eine übergeordnete geistige Konzeption hinter sich hat und inwiefern das betreffende Begriffssystem m i t dieser Konzeption i n einem spezifischen Zusammenhang steht. Bereits an dieser Stelle gilt es aber darauf hinzuweisen, daß mit dem Eintritt i n diesen Gedankenkreis nicht mehr i m eigentlichen Sinne die Regelung des Gesetzes selbst der Gegenstand der Betrachtungen ist. 6 Zu diesem kritischen Hinweis besteht u m so mehr Anlaß, als i n der Rechtswissenschaft über die Grundlinien jenes hinter der Vertragsdogmatik des BGB stehenden geistigen Gerüstes weitgehend Einigkeit herrscht. Nach dieser Auffassung erscheint die durch das BGB niedergelegte Privatrechtsordnung, insbesondere aber seine Rechtsgeschäftsund Vertragslehre, auf dem Hintergrund des mit dem Begriff Privatautonomie bezeichneten Prinzips eigenverantwortlicher Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen. 7 I n der Durchführung dieses Prinzips muß man dann i n einem spezifischen Sinne an den individuellen Willen der am Rechtsverkehr Beteiligten anknüpfen. Der Begriff der Willenserklärung und besonders derjenige des Vertrages, welchen die autonomen Individuen unter Inanspruchnahme der ihnen garantierten Privatautonomie schließen, w i r d so zum Mittel der Inszenierung eines Lehrstücks liberal verstandener Freiheit. Gerade weil man i m Hinblick auf den Vertrag den vom freien Willen getragenen Konsens als Repräsentanten des Prinzips der Privatautonomie ansieht, stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis von Wille und Erklärung, von subjektivem und objektivem Element i n der Lehre von der Willenserklärung 8 , m i t besonderer Schärfe. Allein, dem Gesetze selbst w i r d man zur Entscheidung der Vorherrschaft des einen oder des anderen Momentes kaum etwas Aussagekräftiges abgewinnen können. So kann man etwa die i n § 119 gewährte weitgehende Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums, welche i n §119 Abs. 2 sogar auf gewisse Motivirrtümer erstreckt wird, ebensogut als Anhaltspunkt für die « Vgl. die insoweit treffenden Hinweise v o n Tosch, S. 115. 7 Vgl. n u r Flume , Rechtsgeschäft, §1, S. 1 ff.; Ramm, Bd. 2, S. 420 ff.; Lorenz, A T , §2 II., S. 36 f.; Enneccerus / Nipperdey, §49 I., S.299, §145 I . 1., S. 895 f.; Staudinger / Dilcher, Einl. zu §§ 104- 185, Rdnr. 5. Kritisch etwa Zweigert, S. 493 ff. (S. 502 ff.). β Vgl. etwa Craushaar, A c P 174, S.2 (S. 5 ff.); Diederichsen, J u r A 1969, S. 71 ff.; Hanau, A c P 165, S. 220 ff.; Kellmann, JuS 1971, S. 609 ff.; Reinhardt, S. 115 ff.

2. Geistesgeschichtlicher Hintergrund: Privat-autonomer W i l l e

19

dominante Stellung des Willens werten, wie man andererseits m i t Verweis auf die aus § 119 Abs. 1 zu entnehmende grundsätzliche Unbeachtlichkeit von Motivirrtümern oder die vorbehaltlich einer Anfechtung gegebene Vollwirksamkeit irrtümlich abgegebener Willenserklärungen den gegenteiligen Beweis antreten könnte. Die einhundertjährige Kontinuität des rechtswissenschaftlichen Streits zwischen „Willens-" und „Erklärungstheorie", welcher sowohl vor 9 als auch nach 10 Erlaß des BGB weite Kreise zog, zeigt, daß der i n dieser Kontroverse anklingende Fragenkreis gleichsam „übergesetzliche" Sphären betrifft. Zutreffend wurde i n der Diskussion dieser Probleme vor der Kodifikation festgestellt, „die i n vollstem Flusse befindliche . . . Streitfrage" spiele i n das „philosophische Gebiet" hinein. 1 1 Die gesetzliche Regelung selbst hingegen läßt das Verhältnis von Wille und Erklärung i m wesentlichen offen und vermeidet konsequent eine Stellungnahme zu diesem Theorienstreit 1 2 , nachdem auch schon i m übrigen von einer näheren Erläuterung des Begriffes der Willenserklärung abgesehen wurde. Vom BGB her läßt sich auch nicht ohne weiteres eine Entscheidung darüber treffen, ob der Wille bzw. der vertragliche Konsens selbst es sind, die den m i t dem Rechtsgeschäft angestrebten rechtlichen Erfolg hervorrufen, oder ob Wille und Konsens lediglich Tatbestandsmerkmale einer Norm des objektiven Rechts sind, welche ihrerseits für den Eintritt der Rechtsfolgen — insbesondere also die Auslösung vertraglicher Leistungsansprüche — allein verantwortlich ist. Bezeichnenderweise findet sich eine entsprechende Äußerung lediglich i n den Gesetzesmaterialien 13 , wenn diese Stellungnahme auch freilich u m so deutlicher zugunsten der liberalen Betonung des Willens und damit der A n sicht ausfällt, daß der individuelle Wille die maßgebliche Konstituante der durch das Rechtsgeschäft herbeigeführten Rechtsfolgen ist. I m Hinblick auf die zivilistische Dogmatik zeigt sich die vom Willen her ansetzende Deutung etwa in der scharfen Trennung der „vertraglichen" von den „gesetzlichen" Schuldverhältnissen. 14 Unabhängig von einer weiteren Auseinandersetzung mit diesen Streitkomplexen 1 5 , welche nicht zuletzt auf der Grundlage divergieren® Vgl. Gutachtliche Äußerungen, S. 162 ff. io Vgl. hierzu Enneccerus / Nipperdey, §1641., S. 1020 ff.; Staudinger / Dileher, Vorbem. zu §§116-144, Rdnr. 29; ausführlich Flume, Rechtsgeschäft, § 4, S. 54 ff. n Vgl. Hachenburg, zit. i n Gutachtliche Äußerungen, S. 162. 12 So zutreffend Staudinger / Dilcher, Vorbem. zu §§116- 144, Rdnr. 30. 13 Vgl. Motive I, S. 126: „Rechtsgeschäft . . . ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, welcher nach der Rechtsordnung deshalb e i n t r i t t , weil er gewollt ist " (Hervorhebung von mir). 14 Vgl. etwa Fikentscher, SchR, § 18, S. 50 ff. is Vgl. näher unten Β . V. 3. c. 2*

20

Α . I. Die überkommene Vertragslehre nach dem B G B

der Vorstellungen bestimmter oberster Werte der (Privat-)Rechtsordnung entstanden sind und entstehen 16 , läßt sich als positivrechtlicher Befund nur festhalten, daß zur Schließung eines Vertrages zwei sich deckende Willenserklärungen i m Sinne eines Konsenses der Parteien erforderlich sind. Diese positivrechtliche Konzeption w i r d darüber hinaus aber weithin i n einen engen Zusammenhang mit der Geisteshaltung eines auf das autonome Individuum ausgerichteten liberalen Gedankengebäudes gerückt, nach welchem die Freiheit des Willens als höchster Wert zu gelten hat. Gerade m i t Blick auf diese Sicht der Vertragsdogmatik, die i m übrigen an späterer Stelle noch eingehender zu diskutieren sein w i r d 1 7 , entzündete sich jedoch alsbald die heftigste K r i t i k an der überkommenen Vertragslehre. Diese K r i t i k ging über die Diskussion eines eher „subjektiv" oder mehr „objektiv" ausgerichteten Verständnisses der Willenserklärung weit hinaus.

1* Vgl. J. Schapp, Recht, S. 118 ff. 17 Vgl. unten Β . V. 3. c.

I I . Die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen 1. Begründung der Lehre durch G. Haupt a) Diskrepanz von zivilistiscfaer Vertragskonzeption und sozialer Wirklichkeit

Gegen die i m Vorstehenden dargelegte Vertragslehre des BGB, derzufolge das Zustandekommen des Vertragsschlusses stets zwei korrespondierende Willenserklärungen erfordert, werden — beginnend etwa i n der Mitte der dreißiger Jahre — bis auf den heutigen Tag weitreichende Einwände geltend gemacht. Einen markanten Punkt i n dieser kritischen Auseinandersetzung mit der überkommenen Vertragsdogmatik bildet Günter Haupts Schrift „Über faktische Vertragsverhältnisse" 1 8 . Haupt entwickelt i n dieser Schrift die Auffassung, daß die Forderung zweier übereinstimmender Willenserklärungen als notwendige Elemente eines jeden Vertragsschlusses i n weiten Bereichen des Vertragsverkehrs an der sozialen Wirklichkeit vorbeigehe. 19 U m die Reichweite seiner K r i t i k einzugrenzen, nimmt Haupt Bezug auf bestimmte Fallgruppen, i n denen i h m die genannte Divergenz von juristischer Vertragslehre und sozialer Wirklichkeit i n besonderem Maße evident erscheint. Als eine dieser Fallgruppen nennt Haupt zunächst die Rechtsbeziehungen kraft sozialen Kontakts bei der Anbahnung von Vertragsabschlüssen 20 , welche man heute ohne weiteres mittels der Rechtsfigur der culpa i n contrahendo löst. Ein solcher Lösungsweg stieß aber zur Entstehungszeit der Schrift Haupts mitunter auf unüberwindliche Schwierigkeiten, weil damals als Voraussetzung einer Haftung aus dem Gesichtspunkt der culpa i n contrahendo jedenfalls der spätere Abschluß des ursprünglich intendierten Vertrages gefordert wurde. Gerade dieser Abschluß bleibt indessen nach einer Schädigung der Rechtsgüter des einen Verhandlungspartners durch den anderen häufig aus. Deswegen arbeitete man i n diesen Fällen oft mit der Annahme sogenannter „vorbereitender" Verträge, u m auf diese Weise eine vertragliche Haftung des Schädigers zu begründen. Gegen diese angeblich fiktive 18 Haupt, i n : FS Siber, Bd. 2, 1941, S. 5 ff. ie Haupt, S. 6. so Haupt, S. 9 ff.

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Α . I I . Die Lehre v o n den faktischen Vertragsverhältnissen

Unterstellung eines Vertragsschlusses wendet sich Haupts K r i t i k ; sie ist jedoch durch den Ausbau der Dogmatik der culpa i n contrahendo, welche heute einen Vertragsschluß nicht mehr verlangt, gegenstandslos geworden. Daneben findet sich bei Haupt die Fallgruppe der Rechtsbeziehungen aufgrund der Einordnung in ein Gemeinschaftsverhältnis 21 Die Einbeziehung dieser Fallgruppe i n die Betrachtung begründet Haupt indessen weniger m i t einem Auseinanderklaffen von Rechtsbegrifflichkeit und sozialer Wirklichkeit als vielmehr allein damit, daß nur auf diese Weise die Vermeidung bestimmter unerwünschter Rechtsfolgen bei (an sich ex tunc eintretender) Unwirksamkeit von Gesellschafts- und A r beitsverträgen möglich sei. Sowohl bei Haupt selbst als auch bei anderen Autoren w i r d daraus mitunter der Schluß gezogen, daß es sich bei den Rechtsbeziehungen kraft Einordnung i n ein Gemeinschaftsverhältnis u m eine i m Hinblick auf die anderen Fallgruppen völlig disparate Erscheinung handele. 22 Wiewohl man bei genauem Zusehen auch hinsichtlich dieser Fallgruppe durchaus subtile Bezüge zum problematischen Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit aufzeigen kann 2 3 , soll auch diese Gruppe faktischer Vertragsverhältnisse i n dieser Arbeit nicht weiter verfolgt werden; ihre praktische Bedeutung ist inzwischen auch durch andere dogmatische Entwicklungen überholt. Daher sollen sich die weiteren Darlegungen ganz auf die dritte von Haupt genannte Fallgruppe faktischer Vertragsverhältnisse, nämlich solche kraft sozialer Leistungsverpflichtung 24, konzentrieren. Damit sind insbesondere die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Anbietern und Verbrauchern massenhaft erbrachter Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge angesprochen. M i t diesem von Ernst Forsthoff eingeführten Begriff 2 5 w i l l man etwa die Lieferung lebensnotwendiger Güter wie elektrische Energie, Gas und Wasser sowie Bereitstellung und Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erfassen. Folgt man den Darlegungen Haupts, so bereitet es gerade für diesen Bereich des Vertragsverkehrs „erhebliche Schwierigkeiten, das Zustandekommen dieses Vertrages aus der Abgabe gegenseitiger Willenserklärungen herzuleiten." 2 « si Haupt, S. 16 ff. 22 Vgl. Haupt, S. 27. Zur grundlegenden Verschiedenheit der drei Fallgruppen vgl. auch Siebert, S. 9; Larenz, N J W 1956, S. 1898. 23 v g l . W. Schapp, Philosophie, S. 60 f. (Andeutungen). 24 Haupt, S. 21 ff. Wieacker vermutet i n diesem Bereich die zentralen A n triebe der Lehre Haupts, vgl. Wieacker, in: FS O L G Celle, S. 263 f., S. 276. 25 Vgl. Forsthoff, Verwaltung, S. 4 ff.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 368 ff., S. 567 ff.; Bärmann, Zivilrechtsordnung der Daseinsvorsorge. 2« Haupt, S. 21.

1. Begründung der Lehre durch G. Haupt

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„ I n der Praxis" — so fährt Haupt fort — finde i m Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge „ein eigentlicher Vertragsschluß durch korrespondierende Willenserklärungen . . . gar nicht statt." 2 7 So könne man etwa nicht davon ausgehen, daß bei einer Straßenbahnfahrt mit dem Einsteigen i n das Fahrzeug durch den Fahrgast eine konkludente Annahme der von dem Beförderungsunternehmen ebenso konkludent unterbreiteten, an jedermann gerichteten Vertragsofferte erfolge, da eine derartige »„Einigung 4 . . . ein recht blutleeres Gebilde (wäre), das dem wirklichen Wesen eines Vertragsschlusses wenig entspricht." 2 8 Als Gründe für diese Diskrepanz zwischen rechtsbegrifflichem Vorstellungsbild und sozialer Lebenswirklichkeit führt Haupt zunächst die Tatsache an, daß bei der gesetzlichen Vertragskonzeption offenbar an Lebensfelder gedacht worden sei, innerhalb derer die Vertragsparteien i n einem A k t persönlicher Gestaltung die Konditionen des abzuschließenden Vertrages individuell aushandeln. 29 Davon könne gegenwärtig hinsichtlich der näher bezeichneten Vertragsverhältnisse jedoch allein deswegen keine Rede mehr sein, weil die fortschreitende Vermassung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs eine immer striktere Typisierung der Geschäftsabwicklung bedinge. Wo aber ein echter Freiraum individueller Gestaltung nicht mehr bestehe, dort werde auch ein auf dem Erfordernis der gegenseitigen Erklärung des individuellen Parteiwillens fußender Vertragsbegriff sinnlos. Insbesondere aber passe die Vorstellung der Abgabe korrespondierender Willenserklärungen nicht mehr für die Erbringung von Leistungen, bezüglich welcher sowohl der Anbieter als auch der Abnehmer nicht nur i m Hinblick auf das Bestehen fester Tarife i n der Gestaltung, sondern auch i n der Entschließung zum Abschluß eines Vertrages überhaupt unfrei seien: 30 Da einerseits der Verbraucher auf die Leistungen der Daseinsvorsorge i n einem existentiellen Sinne angewiesen sei und der Unternehmer sich andererseits regelmäßig durch einen rechtlich fixierten Kontrahierungszwang gebunden sehe, werde man hier neben der Beseitigung der Vertragsgestaltungsfreiheit auch m i t einer Aufhebung der Vertragseingehungsfreiheit konfrontiert. Damit aber sei das Prinzip der Vertragfreiheit für diese Fallgruppe i n seiner Gänze nicht mehr existent, so daß das auf der Grundlage dieses Prinzips ausgearbeitete 31 System von Willenserklärung und vertraglichem Konsens zu eng geworden sei. 32 Es sei allenfalls ein Anzeichen von 27 28 29 so

Haupt, S. 6; vgl. auch Larenz, A T , § 28 II., S. 490 ff. Haupt, S. 21. Haupt, S. 28 f. Haupt, S. 6, S. 21 ff. Haupt, S. 5. 32 Haupt, S. 28; vgl. auch Bärmann, S. 86, der den Vertragsbegriff aus seiner „konsensualistischen Enge" befreien w i l l .

Α . I I . Die Lehre v o n den faktischen Vertragsverhältnissen

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Wirklichkeitsentfremdung, den Parteien i n den Fällen der genannten A r t noch die Abgabe von Willenserklärungen zu unterstellen. 33 b) Die Relativierung der überkommenen Vertragsdogmatik

Aus dieser Analyse der sozialen Wirklichkeit des Vertragsverkehrs zieht Haupt nunmehr den Schluß, daß die weitere Anwendung der überkommenen Vertragslehre i m Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge auf bloße „konstruktive Behelfe" 3 4 , auf „Fiktionen" 3 5 , ja sogar darauf hinauslaufen müsse, den Richter i n die „unwürdige Rolle" zu drängen, „daß er den Sachverhalt verfälschen muß, u m zutreffend entscheiden zu können." 3 6 Da die Parteien infolge der auf der Grundlage wirtschaftlicher oder rechtlicher Zwänge bestehenden Unfreiheit weder Anlaß noch Möglichkeit besäßen, die Vertragsverhältnisse der Daseinsvorsorge i m Sinne eines individuellen Gestaltungsaktes durch Willenserklärungen zu begründen, müsse man für diesen Bereich zur rechtlichen Bewältigung der gestellten Problematik statt auf die i m Gesetz vorfindbare Vertragsdogmatik unmittelbar auf den jeweiligen konkreten Lebenssachverhalt zurückgreifen 37 und anerkennen, daß die entsprechenden Vertragsverhältnisse nicht durch korrespondierende Willenserklärungen, sondern durch rein tatsächliche Vorgänge, durch faktisches Verhalten begründet werden könnten. 3 8 Die bloße Tatsache einer Inanspruchnahme der i m Rahmen der Daseinsvorsorge angebotenen Leistung müsse zur Begründung eines diesbezüglichen Vertragsverhältnisses genügen. Obwohl die auf diese Weise entstehenden Rechtsverhältnisse bei Haupt nicht nur Verfragsverhältnisse heißen, sondern seiner Ansicht nach auch i m übrigen die Regeln des Vertragsrechtes grundsätzlich zur Anwendung gelangen 39 , zieht Haupt die Möglichkeit einer Analogie zur herkömmlichen Dogmatik des Vertragsschlusses nicht i n Betracht. Zweck der Darlegungen Haupts ist seinen eigenen Ausführungen zufolge eine Stabilisierung der Lehre vom Rechtsgeschäft bzw. vom Vertrage. 40 Man müsse — so Haupt — den Rechtsbegriff der Willenserklärung i n seinem Anwendungsbereich auf diejenigen Lebensverhältnisse 33 34 35 3« 37 38 39 40

Haupt, Haupt, Haupt, Haupt, Haupt, Haupt, Haupt, Haupt,

S. 6. S. 7. S. 6, S. 10 u n d öfter. S. 8. S. 11, S. 37. S. 9, S. 29 u n d öfter. S. 9. S. 28 f.

2. Rezeption der Lehre Haupts u n d Ablehnung durch die h. M .

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beschränken, i n welchen er seine Funktion auch wirklich zufriedenstellend erfüllen könne. Nur so könne man die Willenserklärung vor einer Abwertung in Schutz nehmen, welche von der Anwendung dieses Begriffs auf alle nur erdenklichen Fallkonstellationen der sozialen W i r k lichkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs zu besorgen sei, i n welchen die Rechtsfolgen eines Vertragsschlusses wünschenswert und angemessen erschienen. Aus der so umrissenen Teleologie seiner Lehre ergibt sich auch, daß es Haupt nicht u m eine vollständige Verdrängung der Vertragskonzeption des BGB zu t u n ist; er t r i t t vielmehr lediglich für die Anerkennung faktischer Vertragsverhältnisse neben solchen Vertragsverhältnissen ein, welche auf dem Wege zweier korrespondierender Willenserklärungen Zustandekommen. 41 Die Lehre vom Vertrag w i r d also gerade deswegen aufgespalten — nämlich i n Vertragsverhältnisse aufgrund von Willenserklärungen und solche auf rein faktischer Grundlage —, weil nur auf diese Weise der weitere Verfall der Rechtsgeschäfts- bzw. Vertragslehre verhindert werden kann. Andererseits weist Haupt aber ausdrücklich darauf hin, daß „das A n wendungsgebiet faktischer Vertragsverhältnisse . . . durch die erläuterten Fälle natürlich keineswegs erschöpft" werde 4 2 — eine Feststellung, welcher i m Sinne Haupts gerade heute eine eher noch gestiegene Relevanz zukommen dürfte, hält man sich nur genügend deutlich vor Augen, daß sich Vermassung und Typisierung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs — maßgebliche Begründungselemente für die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen — seit der Abfassung der Schrift Haupts noch deutlich verstärkt haben. 2. Rezeption der Lehre Haupts und A b l e h n u n g durch die herrschende M e i n u n g a) Rezeption der Lehre Haupts

Die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen war von A n beginn umstritten und ist es bis heute geblieben. Verdeutlicht man sich die theoretische Tragweite dieser neuen, den überkommenen Vertragsbegriff des BGB (partiell) verdrängenden Konzeption, so kann es nicht verwundern, daß sie alsbald nach ihrer Skizzierung durch Haupt einer recht umfassenden rechtswissenschaftlichen Diskussion unterzogen wurde. 4 8 Eine bemerkenswerte Rezeption der Lehre Haupts bahnte sich an, als gegen Ende der fünfziger Jahre i n kurzer zeitlicher Aufeinan« Deutlich etwa Haupt, S. 7, S. 29. Vgl. auch Reinhardt, S. 126. 42 Haupt, S. 27. 43 Vgl. etwa Wieacker, Z A k D R 1943, S. 33 ff.; H. Lehmann, JherJb 90, S. 131 ff.; Tasche, JherJb 90, S. 101 ff.; Löning, Z A k D R 1942, S. 289 ff.; Spiess, Z A k D R 1942, S. 340 ff.; Bärmann, S. 84 ff.; Reuss, A c P 154, S. 518 f.

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derfolge zunächst Spiros Simitis monographisch und i m wesentlichen zustimmend die Übernahme der Lehre Haupts empfahl, m i t K a r l Larenz ein weiterer renommierter Vertreter der Rechtslehre mit dem Begriff des „sozialtypischen Verhaltens" an die neue Vertragslehre unmittelbar anknüpfte und darüber hinaus schließlich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung Haupts Lehre mehrfach zur Lösung praktischer Rechtsfälle heranzog. aa) Simitis I n einem umfangreichen Werk hat Spiros Simitis i m Jahre 1957 den Gedanken Haupts aufgenommen. 44 Für die vorliegende Untersuchung interessieren an dieser Stelle insbesondere jene Teile der Schrift, welche sich mit den faktischen Vertragsverhältnissen i m Massenverkehr der Daseinsvorsorge befassen. 45 A u f der Grundlage einer eingehenden Untersuchung des Verhältnisses von Recht und sozialer Wirklichkeit 4 6 — sie w i r d erst an späterer Stelle dieser Arbeit Gegenstand näherer Erörterungen sein 4 7 — kommt Simitis zu dem Ergebnis, daß i m Hinblick auf die Rechtsverhältnisse i m Bereich der Daseinsvorsorge die i m Gesetz niedergelegte Vertragskonzeption — bloß formales Relikt „eines von der Entwicklung überholten Moments des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses" 48 — ihre soziale Funktion nicht mehr erfülle. Diese soziale Funktion könne keineswegs mehr darin gesehen werden, individuelle, privatwirtschaftliche Interessen durch dem freien Willen gemäß ausgehandelte Verträge zu verwirklichen. Vielmehr gelte hier einerseits das Diktat des Unternehmerwillens, welches zudem nicht einen Einzelnen, sondern eine „Kollektivität von Kontrahenten" betreffe 4®; der auf der anderen Seite dem Unternehmer auferlegte Kontrahierungszwang sei lediglich das Spiegelbild der Tatsache, daß ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Erbringung der betreffenden lebensnotwendigen Leistungen bestehe. 50 Diese durch völlig gewandelte „Wirklichkeitsvoraussetzungen" der Vertragsdogmatik 5 1 gekennzeichnete Sachlage dürfe nun nicht — wie es innerhalb der traditionellen Lehre geschehe — durch wirklichkeits44 Simitis, Die faktischen Vertragsverhältnisse als Ausdruck der gewandelten sozialen F u n k t i o n der Rechtsinstitute des Privatrechts. 4δ Simitis, S. 463 - 532. 4« Simitis, S. 1 - 67. 47 Vgl. unten Β . V. 48 Simitis, S. 463. 4» Simitis, S. 483. so Simitis, S. 489. 5i Simitis, S. 469 ff., S. 482 ff.

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inadäquate Konstruktionen, d.h. durch die bloße Fiktion eines Vertragsschlusses mittels zweier korrespondierender Willenserklärungen, verdeckt werden. 5 2 Das Vertragsverhältnis der Daseins Vorsorge könne daher nicht als auf einer Willensübereinstimmung beruhend angesehen werden. Von einem solchen Vertragsschluß könne überhaupt keine Rede sein: „Das soziale Vertragsverhältnis der Daseins Vorsorge" beruhe „einzig und allein auf der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen des i n Frage kommenden Unternehmens." 58 bb) Larenz Auch K a r l Larenz hat die Lehre Haupts von den faktischen Vertragsverhältnissen aufgegriffen und weiterentwickelt, soweit Haupts Ausführungen sich auf die Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge beziehen. 54 Larenz spricht hier von Schuld- bzw. Vertragsverhältnissen 55 aus „sozialtypischem Verhalten". Zwar könne man die Bereitstellung der Leistungen durch den Unternehmer allenfalls noch als eine Offerte an die Allgemeinheit ansehen; auf das Vorliegen eines Annahmewillens und damit auch eine Annahmeerklärung des Benutzers könne es indessen insofern nicht ankommen, als der Verkehrsauffassung eben für den Fall, daß die durch einen Vorsorgeträger jedermann angebotenen Leistungen vom Verbraucher tatsächlich i n A n spruch genommen werden, die Verpflichtung des Benutzers zur Zahlung des Entgelts als der sozialtypische Sinn seiner rein tatsächlichen Gebrauchshandlung erscheine. 56 Zur reibungslosen Abwicklung des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge — Larenz hat hier vornehmlich die Beschränkung der Geltendmachung von Willensmängeln i m Auge 5 7 — müsse man vielmehr annehmen, daß das Vertragsverhältnis ohne weiteres mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung entstehe. 58 Die Benutzungshandlung erscheine als die „sozialtypische »Antwort 4 oder »Reaktion4 auf das Leistungsangebot". 59 A u f diese Weise gelangt dann auch Larenz konsequent zu zwei verschiedenen Tatbeständen für das Zustandekommen von Vertragsverhältnissen. I m Gegensatz zu Haupt und Simitis ist Larenz allerdings der Überzeugung, daß der Grundsatz der Privatautonomie auch hinsichtlich des 52 Simitis, S. 485 ff. 53 Simitis, S. 527. 54 Larenz, N J W 1956, S. 1897; ders., A T , § 28 II., S. 490 ff. 55 Larenz hält diese Unterscheidung für eine reine Frage der Terminologie, vgl. N J W 1956, S. 1900. 5« Larenz, N J W 1956, S. 1898; ders., A T , § 28 II., S. 492. 57 Larenz, N J W 1956, S. 1899; ders., A T , § 28 II., S. 494. 58 Larenz, A T , § 28 II., S. 490. 5» Larenz, N J W 1956, S. 1899.

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sozialtypischen Verhaltens durchaus nicht völlig überholt sei. Damit hält Larenz eine Modifikation der Rechtsgeschäftslehre jedenfalls nicht gerade deswegen für unumgänglich, weil sich die Vertragsfreiheit als Prämisse der gesetzlichen Vertragskonzeption in ihr Gegenteil verkehrt hätte 6 0 Larenz begründet seine Auffassung vielmehr mit dogmatischen Erwägungen: Zum einen sei i m Augenblick des Nutzungsbeginns durch den Verbraucher regelmäßig niemand gegenwärtig, der als Empfänger einer etwa konkludent erklärten Annahme fungieren könnte. 6 1 Zum anderen aber scheide ein Rückgriff auf den vielleicht anwendbaren § 151 S. 1 jedenfalls dann aus, wenn der Benutzer einen tatsächlichen Annahmewillen nicht gehabt habe. 62 Nach alledem seien die anstehenden Problemfälle mit der überkommenen Vertragsdogmatik nicht zu lösen. cc) Rechtsprechung M i t dem zuletzt genannten dogmatischen Argument gelangt man bereits zur Rezeption der Lehre Haupts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, die — parallel zu einigen weiteren zustimmenden oder doch wenigstens wohlwollenden Stellungnahmen aus dem Schrifttum 6 3 — erstmals i n der bekannten Parkplatzentscheidung 64 unter Berufung auf Haupt und Larenz angenommen hat, daß (im Bereich des modernen Massenverkehrs der Daseinsvorsorge) Vertragsverhältnisse auch ohne korrespondierende Willenserklärungen durch rein tatsächliches Verhalten entstehen könnten. Wie schon vor i h m Haupt und Simitis weist auch der BGH dezidiert darauf hin, daß die Lebenswirklichkeit des modernen Massenverkehrs nicht länger i n das Korsett der überkommenen Vertragslehre gezwängt werden dürfe. 66 Nachdem der V I I I . Senat dem i m Parkplatzfall entscheidenden V. Senat i n der sogenannten Elektrizitätslieferungsentscheidung 66 hinsichtlich der vorgetragenen Rechtsauffassung gefolgt war, stellte sich der V. Senat i n der sogenannten Hoferbenentscheidung 67 nicht bloß erneut auf den i m Parkplatzfall bezogenen Standpunkt, sondern wollte die «o Vgl. Larenz, N J W 1956, S. 1899; vgl. auch Betti, S. 266, S. 269. Einen „entschiedenen Fortschritt" sieht h i e r i n Bydlinski, S. 86. «ι Larenz, A T , §28 II., S.491. 62 Larenz, A T , § 28 II., S. 492. «3 Vgl. auch Betti, S. 253 ff.; vgl. auch Esser, AcP 157, S. 86 (besonders S. 95 ff.). «4 Β GHZ 21, 319 (333 ff.) v. 14. 7.1956 (V. Senat), «s Β GHZ 21, 319 (334). ββ B G H Z 23, 175 (177 ff.) v. 29.1.1957 ( V I I I . Senat). 67 B G H Z 23, 249 (261) v. 5. 2.1957 (V. Senat).

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Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen sogar auf einen Bereich außerhalb des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge ausdehnen. I n neuerer Zeit hat der BGH von dieser Lehre nicht mehr ausdrücklich Gebrauch gemacht. Vielmehr meinte der V I I I . Senat i n einer Entscheidung aus den sechziger Jahren 6 8 , einer Stellungnahme insbesondere zur Lehre Larenz' vom sozialtypischen Verhalten bedürfe es nicht, argumentiert dann jedoch — freilich neben der Heranziehung der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Rechtsfigur der protestatio facto contraria — gerade mit denjenigen topoi, welche auch Larenz selbst zur Begründung seiner Lehre benutzt. 69 Jüngst nun entschied der V I I I . Senat wiederum einen Stromlieferungsfall ohne Rückgriff auf die Lehre vom sozial typischen Verhalten. Er stellt allerdings i n einem obiter dictum ausdrücklich fest, daß es sich bei dieser u m eine „vom Senat bejahte" Lehre handele. 70 dd)

Zusammenfassung

Faßt man abschließend die Begründungen der einzelnen Anhänger der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen (im Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge) überblickartig zusammen, so ergeben sich insbesondere die folgenden Argumente gegen die Weiterverwendung der überkommenen Vertragslehre: I n der sozialen Wirklichkeit seien bei der Inanspruchnahme von jedermann angebotenen Versorgungsleistungen übereinstimmend abgegebene Willenserklärungen nicht erkennbar. Dies habe seinen Grund nicht nur darin, daß mit der ständig fortschreitenden Typisierung — vor allem durch Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Tarife und vertypte Ware — die Vertragsgestaltungsfreiheit aufgehoben sei, sondern folge gerade auch aus dem weitgehenden Wegfall der Abschlußfreiheit, der durch absolute Angewiesenheit auf den Erhalt der Leistung auf Seiten des Verbrauchers sowie Kontrahierungszwang auf Seiten des Unternehmers vermittelt werde. Der nichtsdestoweniger zur adäquaten Konfliktslösung erforderliche Vertrag könne daher nicht mehr die Aufgabe haben, die autonome Gestaltung der privaten Lebensbeziehungen zu ermöglichen, sondern gewinne für den i n Rede stehenden Bereich der Daseinsvorsorge eine soziale Funktion, indem er nicht mehr auf das individuelle, sondern auf das gesamtgesellschaftliche Interesse bezogen werde. «8 B G H N J W 1965, S. 387 (388) v. 16.12.1964 ( V I I I . Senat), «β Vgl. B G H N J W 1965, S. 388 einerseits, Larenz, N J W 1956, S. 1899 andererseits. ™ B G H M D R 1976, S. 928.

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Α . I I . Die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen b) Ablehnung der Lehre Haupts durch die herrschende Meinung

Bei der heute herrschenden Meinung i m Schrifttum stößt die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen i m Massenverkehr der Daseinsvorsorge bzw. vom sozialtypischen Verhalten auf Ablehnung. 7 1 I m einzelnen betreffen die Argumente dieser herrschenden Meinung sowohl die Unvereinbarkeit der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen mit dem geltenden Recht als auch die fehlende praktische Notwendigkeit eines solchen Eingriffs i n die überkommene Rechtsgeschäftslehre. Das BGB sieht einen Vertragsschluß ausschließlich nach dem Modus zweier sich deckender Willenserklärungen vor, wenn man vom Sonderfall des § 151 S. 1 hier einmal absieht. 72 Insoweit liegt es daher nahe, gegen die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen den Einwand der Gesetzeswidrigkeit ins Feld zu führen. 7 3 Dieser Einwand reicht allerdings für sich genommen noch nicht hin, u m die neue Lehre zurückzuweisen, da diese trotz ihres Widerspruchs zur Vertragskonzeption des BGB ein Beispiel gelungener Rechtsfortbildung sein könnte 7 4 , die heute auch als sogenannte gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zumindest i m Zivilrecht durchaus für zulässig erachtet wird. Dies gilt u m so mehr, als sich die methodologische Einsicht immer mehr Raum verschafft, daß Auslegung und Rechtsfortbildung keinen prinzipiellen, sondern lediglich einen graduellen Unterschied beschreiben. 76 W i l l man die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen als Rechtsfortbildung i n diesem Sinne gelten lassen, so taucht damit freilich die Frage auf, ob für eine solche dogmatische Neuentwicklung ein tatsächliches Bedürfnis besteht. Gerade dies jedoch w i r d von den Gegnern dieser Lehre mit Nachdruck bestritten. 7 6 Ausreichend sei auch i n den Fällen des Massen Verkehrs der Daseinsvorsorge die Anwendung Vgl. Ρalandt ! Heinrichs, Einf. vor §145, A n m . 5; MiiKo / Kramer, v o r §241, Rdnr. 58 ff.; Flume, Rechtsgeschäfte, §8, S. 97 ff.; Staudinger / Dilcher, Einl. zu §§ 104- 185, Rdnr. 29; Soergel / Lange / Hefermehl, vor §145, Rdnr. 91 ff.; Enneccerus / Nipperdey, § 163 V I I . , S. 1013 ff.; Lange / Köhler, §4011.3., S. 272 ff.; Pawlowski, A T , Bd. 2, § 4 I I . 2 . b . , S. 215 ff.; Graue, in: Jacobs, S. 105 ff. 72 Vgl. oben Α. 1.1. 73 Vgl. etwa Palandt / Heinrichs, Einf. vor § 145, A n m . 5 a.; Nipperdey, M D R 1957, S. 129. 74 Vgl. Larenz, Kennzeichen geglückter richterlicher Rechtsfortbildung. 75 Vgl. neuestens Wank, S. 71 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 350; Canaris, Systemdenken, S. 91 Fn. 23; Esser, Grundsatz, S. 255; vgl. auch ders., Vorverständnis, S. 187 ff., S. 192 ff. 7β Vgl. etwa Soergel / Lange / Hefermehl, vor §145, Rdnr. 91; Staudinger/ Dilcher, Einl. zu §§ 104 - 185, Rdnr. 29 f.; Palandt / Heinrichs, Einf. vor § 145, Rdnr. 5. a.; Graue, i n : Jakobs, S. 113 ff.

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bewährter dogmatischer Figuren, wie etwa der Willenserklärung durch schlüssiges Verhalten, das Hervorheben des objektiven Erklärungswertes einer Äußerung sowie das i n der Figur der protestatio facto contraria enthaltene Verbot widersprüchlichen Verhaltens. 77 Damit gibt die herrschende Meinung zu erkennen, daß sie bereit ist, der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen insoweit sachlich zuzustimmen, als es überhaupt u m die Einschränkung des subjektiven Willenselementes i n der Lehre vom Rechtsgeschäft geht. Dies zeigt sich deutlich i n der Zusammensetzung jenes Instrumentariums, das die herrschende Meinung zur juristischen Bewältigung der besprochenen Fallgruppe heranzieht. Faßt man dieses Instrumentarium unter einem übergeordneten Aspekt zusammen, so läßt sich sagen, daß man dem am Massenverkehr der Daseinsvorsorge Beteiligten i n zunehmendem Maße ansinnt, sich statt am subjektiv vermeinten an dem sozial typisch-objektiven Sinn seiner Erklärungen festhalten zu lassen 78 . Dies aber beinhaltet letztlich nichts anderes als einen Rekurs auf das Prinzip von Treu und Glauben. M i t einem solchen Kunstgriff, vermittels dessen lediglich das Schwergewicht vom subjektiven auf das objektive Element der Willenserklärung verlagert wird, bleibt i n methodologischer Hinsicht allerdings manches i m Dunkeln. Eine solche auf den Grundsatz von Treu und Glauben aufbauende Lösung, gegen die i n praktischer und dogmatischer Betrachtung an sich wenig einzuwenden ist, erscheint i n einem kritischen Licht, seit die Gegenkonzeption der faktischen Vertragsverhältnisse insbesondere von Simitis als ihrem Protagonisten auch i n methodologischer Hinsicht eingehend begründet worden ist 7 9 . Gerade insoweit aber hat die herrschende Meinung ersichtlich wenig oder nichts entgegenzusetzen. 80 Insbesondere geht die herrschende Meinung nicht m i t der geforderten Gründlichkeit auf das Argument der Gegenmeinung ein, i m Massenverkehr der Daseinsvorsorge vollziehe sich das rechtsgeschäftliche Handeln tatsächlich nicht nach dem Modus zweier sich deckender Willenserklärungen, vielmehr divergierten soziale W i r k lichkeit und rechtswissenschaftliche Vertragsdogmatik hier so grundlegend, daß man i n der Rechtsgeschäftslehre zur entschiedenen Rechts77 Dazu vgl. etwa B G H M D R 1976, S. 928; Ramm, Bd. 3, S. 1013; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 191; Enneccerus / Nipperdey, § 163 V I I . 3. a., S. 1016 f.; Palandt / Heinrichs, v o r §145, A n m . 5. b. Einschränkend MüKo / Kramer, vor § 241, Rdnr. 59 u n d Soergel / Lange / Hefermehl, vor § 145, Rdnr. 94. 78 Z u diesem umfassenden Zug zur „Verobjektivierung" der Rechtsgeschäftslehre vgl. insbesondere Diederichsen, J u r A 1969, S. 71 ff. 7» Simitis, S. 1 - 67. 80 Vgl. i m m e r h i n Ballerstedt, A c P 157, S. 117 ff.; Larenz, N J W 1958, S. 862 f.; Wieacker, JZ 1959, S. 382 f. Auch Bydlinski verweist S. 48 Fn. 63 lediglich auf Ballerstedt

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fortbildung schreiten müsse, wolle man nicht ein dauerndes Auseinanderfallen von rechtlich-dogmatischem System und sozialer Wirklichkeit mit einem permanenten Zwang zu konstruktivistischen Fiktionen i n Kauf nehmen. Die herrschende Meinung scheint daher insoweit nicht ausreichend fundiert, als das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit nicht mit der notwendigen Ausdrücklichkeit zum Gegenstand der Betrachtung erhoben wird. Als weiterer Beleg für die soeben geäußerte Feststellung läßt sich anführen, daß sich — der ganz überwiegenden Ablehnung eines Umbaus der überkommenen Vertragsdogmatik zum Trotze — nach einer recht verbreiteten Auffassung die Vertragskonzeption des BGB gegenwärtig in einer tiefgehenden Krise befindet. 81 Die Tatsache, daß die Redewendung von der Krise der traditionellen Vertragsdogmatik — übrigens nicht nur i m deutschsprachigen Raum 8 2 — unverändert ihre Kreise zieht, darf als Anhaltspunkt für die letztlich doch nicht völlig überzeugende Verteidigung der überkommenen Vertragskonzeption durch die herrschende Meinung gewertet werden. Der Grund für diese nicht zureichende Durchschlagskraft der herrschenden Meinung liegt darin, daß sie i m wesentlichen unter einem — entscheidend ist hinzuzufügen: methodologisch nicht genügend problematisierten — Rückgriff auf das Prinzip von Treu und Glauben einer Gegenposition zu antworten versucht, welche insbesondere i n methodologischer Hinsicht über den Rahmen des dogmatischen Problems der Lehre vom Vertragsschluß nicht unwesentlich hinausweist. Die Aufgabe der weiteren Untersuchung soll daher vornehmlich dari n bestehen, am Beispiel der rechtlichen Behandlung des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge etwas mehr Licht i n das Verhältnis von rechtswissenschaftlich-dogmatischem Begriff und sozialer Wirklichkeit zu bringen. I n bezug auf die mit der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen bzw. vom sozialtypischen Verhalten neugeschaffene —• oder neuzuschaffende? — Vertragskonzeption ist die Fragestellung dah i n zu konkretisieren, ob und inwieweit aus einer sich ändernden Verfassung der sozialen Wirklichkeit des Vertragsverkehrs zwingend Modifikationen des rechtsdogmatischen Systems gefolgert werden müssen. Gegen den soeben dargelegten Umriß der Fragestellung w i r d der Einwand erhoben, es gehe überhaupt nicht „um das methodische' Verhältnis von ,Recht und Wirklichkeit 4 i m allgemeinen, sondern u m die Vgl. E. A . Kramer, S. 9; MüKo / Kramer, vor § 145, Rdnr.4; Hanau, A c P 165, S. 222; Rehbinder, S. 158. Z u E.A. Kramer vgl. die i m wesentlichen zustimmende Besprechung von M . Wolf, A c P 175, S. 519 f. 82 Vgl. die Hinweise bei E. A. Kramer, S. 9 Fn. 2 auf das amerikanische, italienische u n d französische Schrifttum.

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Frage der adäquaten Gestaltung der rechtlichen Ordnungsziele i m Gesetz mit Vorstellungen, die dem Stande der Zeit entsprechen." 83 Dieser Einwand Essers versteht sich wohl als eine Warnung davor, bestimmte dogmatische Lösungsmodelle aus allgemeinen methodologischen Einsichten abzuleiten, statt sie i n der Arbeit am konkreten Rechtsfall zu entwickeln. 8 4 Obwohl dies sicherlich bis zu einem gewissen Grade richtig ist, ist andererseits doch auch hervorzuheben, daß die beiden Relationen von „Recht und Wirklichkeit" sowie von „rechtlichem Ordnungsziel und zeitgemäßer Vorstellung" nicht ohne weiteres voneinander isoliert werden können. I m Gegenteil w i r d man gerade das letztere Verhältnis kaum mit Erfolg näher beleuchten können, ohne sich zuvor u m die Beziehung von Recht und Wirklichkeit i n einem allgemeinen Sinne, wenn auch gegebenenfalls anhand von veranschaulichenden Beispielen, bemüht zu haben. 85 Über das Verhältnis bestimmter Ausschnitte juristischer Konzeptionen zu bestimmten Aspekten der sozialen W i r k lichkeit lassen sich begründete Aussagen nur machen, wenn von diesem Verhältnis im allgemeinen bereits ein vorgängiges B i l d zumindest als Entwurf vorhanden ist. Wenn dies aber richtig ist, so muß es auch erlaubt sein, die Problematik dieses Verhältnisses ausdrücklich zum Thema zu machen.

83 Esser, AcP 157, S. 87 ff., besonders S. 98 f. (Hervorhebung i m Text). 84 Vgl. Esser, Grundsatz, etwa S. 107 ff. 85 Die Vorstellung einer ausgeprägten Distanz zwischen allgemein-methodologischen u n d mehr oder minder unmittelbar praxisbezogenen juristischen Überlegungen ist allerdings durchaus verbreitet. Sie führt i n der Konzeption der Juristenausbildung zu dem problematischen Sachverhalt, daß insbesondere der Methodenlehre, darüber hinaus aber den Grundlagendisziplinen des Rechts überhaupt, nicht die gebührende Beachtung geschenkt w i r d . Vgl. hierzu näher Nierwetberg / Taukert, Jura 1982, S. 387 ff. 3 Nierwetberg

Teil

Β

Rechtswissenschaftlicher Begriff und Soziale Wirklichkeit I . Begriffserklärung Die vorliegende Untersuchung ist nicht dem Verhältnis von Recht und sozialer Wirklichkeit schlechthin, sondern vielmehr der Beziehung von sozialer Wirklichkeit und rechtswissenschaftlichem Begriff gewidmet. Bei der wissenschaftlichen Erörterung des damit gemeinten Sachverhaltes w i r d aber häufig auf der einen Seite der Relation schlicht der Ausdruck „Recht" eingesetzt.8® Darüber hinaus w i r d zur Bezeichnung eben des anvisierten Untersuchungsgegenstandes auch die Dichotomie von Sein und Sollen herangezogen. 87 Zur Verdeutlichung und u m Mißverständnissen vorzubeugen erscheint es daher angezeigt, die Verwendung dieser Ausdrücke innerhalb der vorliegenden Arbeit mit einigen klarstellenden Anmerkungen zu versehen. Es ist selbstverständlich, daß damit nicht etwa der zum Scheitern verurteilte Versuch unternommen werden soll, i n einem allgemeinumfassenden Sinne die Bedeutung von Begriffen wie Recht und Dogmatik zu „klären". Vielmehr kann es an dieser Stelle ausschließlich darum gehen, eine heuristische Festsetzung dessen zu treffen, was i m gegebenen Erörterungszusammenhang unter den leitenden Begriffen verstanden werden soll. Bei dieser Begriffserklärung w i r d soweit wie möglich auf die der gesamten Untersuchung als Exempel dienende Vertragslehre Bezug genommen. 1. Recht u n d rechtswissenschaftlicher Begriff

Hans Kelsen hat darauf hingewiesen, daß zwischen dem Recht als durch Rechtsnormen konstituiertem Gebilde und den Rechtssätzen als Aussagen der Rechtswissenschaft über diese Rechtsnormen deutlich unterschieden werden müsse. 88 Gegen diese Differenzierung sind sicherlich zunächst insoweit keine Einwände zu erheben, als i n der Tat zwischen Wissenschaft als dem Streben nach Erkenntnis und dem Gegen86 Vgl. Simitis, S. 4 ff.; Fechner, S. 142 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 582; Coing , S. 287 f. 87 Vgl. etwa Simitis, S. 14, S. 19 u n d öfter; Heller, S. 184 f.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 5 ff.; vgl. zu den begrifflichen Problemen auch Ballerstedt, AcP 157, S. 121 f. 88 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 73 ff.; ders., Theorie, S. 123 f.

1. Recht u n d rechtswissenschaftlicher Begriff

35

stände, dem Objekt eben dieses Erkenntnisstrebens logisch unterschieden werden kann. Unbeschadet dieser logisch denkbaren Differenz zwischen dem rechtswissenschaftlichen Begriff als Mittel rechtswissenschaftlicher Erkenntnis und dem Recht als Gegenstand dieser Erkenntnis stehen Recht und rechtswissenschaftlicher Begriff jedoch einander gleich, soweit man die (dogmatische) Rechtswissenschaft als einen Zusammenhang von Aussagen begreift, die den Rechtssuchenden darüber belehren, was rechtens ist. Eine unüberbrückbare K l u f t zwischen Recht und Rechtswissenschaft besteht damit insoweit nicht, als die Sätze der Rechtswissenschaft sich ohne weiteres als eine Weiterführung des Rechts — etwa i m Sinne einer systematischen Entfaltung oder Interpretation — darstellen. Freilich ist offensichtlich genug, daß soeben i n einem Satze die gesamte Problematik der juristischen Methodologie m i t einer leichten Handbewegung übergangen zu sein scheint. Die Frage etwa, ob und inwieweit die Ergebnisse dogmatischer Forschung Rechtsquellencharakter haben und insofern zusammen mit den Rechtsnormen selbst eine homogene Masse bilden, ist gerade ein Kernstreitpunkt methodologischer Erwägungen. Der konkrete Bezugsrahmen der vorliegenden Untersuchung erlaubt es jedoch, Recht und Rechtswissenschaft oder besser gesagt Recht und rechtswissenschaftlichen Begriff i n dem oben dargelegten Sinne synonym zu verwenden. Als rechtswissenschaftlicher Begriff werden hier das aus den einzelnen Elementen von vertraglichem Konsens und zwei korrespondierenden Willenserklärungen gebildete dogmatisch-begriffliche System bzw. dessen Bestandteile verstanden, welche selbst eindeutig der autoritativen Setzung des BGB entstammen. 89 Wenn hinsichtlich der Regelung des Gesetzes selbst soeben von „System" die Rede war, so weist dies bereits auf den Gesichtspunkt hin, welcher die Gleichsetzbarkeit von „Recht" und „rechtswissenschaftlichem Begriff" oder „Dogmatik" i n bezug auf die überkommene Vertragslehre vom Schein der Zufälligkeit befreit: Das BGB ist m i t seinem abstrahierend-generalisierenden Denkstil und seiner scharf umrissenen sowie systematisch geordneten Begrifflichkeit 0 0 selbst Ergebnis rechtswissenschaftlicher Forschung, nämlich vorderhand der auf das rezipierte römische Recht bezogenen Pandektenwissenschaft. 91 Man kommt damit für die Zwecke dieser Untersuchung, also — wie nochmals zu betonen ist — i n einem pragmatisch-heuristischen Verse Vgl. oben A. 1.1. eo Vgl. n u r Larenz, A T , § 1 IV., S.20ff.; Wassermann, ZRP 1981, S.258. »i Z u r Prägung der Gesetzesredakteure durch die Pandektenwissenschaft — unabhängig v o n ihrer H e r k u n f t aus Wissenschaft oder Praxis — vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.473. 3*

36

B . I . Begriffserklärung

ständnis, zu einem gleichsam meta-begrifflichen Zusammenhang, i n welchem Recht bzw. Rechtsnorm auf der einen und rechtsdogmatisches System bzw. rechtswissenschaftlicher Begriff auf der anderen Seite einander gleichgesetzt werden. 9 2 2. „Sollen u n d Sein" und das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff u n d sozialer W i r k l i c h k e i t

Nicht i n jeder Hinsicht identisch sind die beiden Relationen von Sollen und Sein sowie von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit. Die vorliegende Untersuchung ist — entsprechend ihrem Titel — primär auf das zweite Verhältnis ausgerichtet. Die nicht vollständige Kongruenz der beiden Relationen ist i n der Tatsache deutlich zu erkennen, daß die Frage nach dem Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit typischerweise nicht den Fall der von Kelsen sogenannten „individuellen N o r m " 9 3 — etwa einen Verwaltungsakt, ein richterliches Urteil —, sondern den der allgemeinen Norm, d. h. der generell-abstrakten Verhaltensregel, anzielt; sie ist i m Gegensatz zu „individuellen Normen" nicht i n individuell-konkreten, sondern i n generell-abstrakten Begriffen verfaßt. Soweit also hier das Verhältnis des generell-abstrakten rechtswissenschaftlichen Begriffs zur sozialen Wirklichkeit ins Auge gefaßt werden soll, ist diese Thematik gegenüber der Relation von Sein und Sollen, die als solche keinen direkten Bezug zu dieser Fragestellung aufweist, weiter spezifiziert. Andererseits befindet sich aber die Problematisierung des Verhältnisses von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit insoweit auf einem höheren Abstraktionsniveau, als sie — wiewohl unter spezifisch jurisprudentiellem Blickwinkel gesehen — einen deutlichen Bezug zu der allgemeineren Frage nach dem Verhältnis von wissenschaftlicher Begrifflichkeit und (sozialer) Lebenswirklichkeit überhaupt erkennen läßt. Benutzt man nun zur Bezeichnung des Verhältnisses von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit i m Sinne dieser UnZ u dem engen Zusammenhang zwischen rechtswissenschaftlichem Begriffssystem u n d Gesetz vgl. auch treffend Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 100 sowie ders., A T , Bd. 1, § 1 I I . 1., S. 14 ff. Unabhängig v o n der Genese des B G B k a n n m a n den Versuch unternehmen, Gesetz u n d Dogmatik bzw. Rechtsprechung als methodologisch gleichgeordnete Momente eines „Fundus juristischen Wissens" aufzufassen, der auf der Grundlage einer gemeinsamen Kulturgeschichte das Rechtsdenken bestimmt, vgl. J. Schapp, Recht, S. 51 ff.; vgl. ferner Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 274 sowie Heusinger, S. 127, S. 131. 83 Kelsen, Theorie, S. 6. Individuelle Rechtsakte sind für Kelsen aber insow e i t keine Normen mehr, als sie lediglich Vergangenes beurteilen, vgl. ders., Hauptprobleme, S. 15.

2. „Sollen u n d Sein" i m Verhältnis zum Untersuchungsgegenstand

37

tersuchung die Relation von Sollen und Sein, so bedeutet dies nach dem bisher Gesagten, daß i m Bereich des Sollens ausschließlich generellabstrakte Normen i n Betracht gezogen werden. 9 4 Abweichend hiervon werden bei Kelsen, der die Unterscheidung von Sein und Sollen i n den Mittelpunkt seiner Darlegungen rückt, auf der Sollensseite jedoch auch „individuelle Normen" mit i n die Betrachtung einbezogen. Gerade der Sollenscharakter verleiht dem Recht bei Kelsen seine dem Sein gegenüber spezifische Qualität, derentwegen eine Rechtswissenschaft vonnöten ist, welche von allen nichtnormativen Elementen „rein" ist. 9 5 I n der von Kelsen entworfenen Interpretationslehre 9 6 zeigt sich dann freilich, daß er neben dieser spezifischen Differenz von Sein und Sollen sehr wohl auch die besondere Problematik der Beziehung von abstraktgenerellem rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit berücksichtigt und i h m nicht entgangen ist, daß das rechtliche Sollen nun einmal zuallererst i n generell-abstrakten Normen verfaßt ist: I n einer kritischen Wendung gegen die Ansicht herkömmlicher Methodenlehre, die Akte der Rechtsanwendung seien durch das Gesetz festgelegt, gesteht Kelsen der rechtswissenschaftlichen Interpretation lediglich zu, einen gewissen Rahmen gesetzestreuer „individueller" Normen aus den generell-abstrakten Regeln des Gesetzes ableiten zu können. Diese relative Unbestimmtheit des rechtsanwendenden Aktes führt Kelsen gerade auf das Wesen der „bloß generellen Norm" zurück. 97 Die Unterscheidung von Sein und Sollen gehört — wie abschließend festzustellen ist — m i t zum Kern der vorliegenden Untersuchung, weil ihr Gegenstand nicht nur das Verhältnis von wissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit überhaupt, sondern gerade das Verhältnis des rechfswissenschaftlichen Begriffs zu dieser sozialen Wirklichkeit ist. Von dieser spezifisch normativen Qualität der Rechtsbegriffe w i r d àn späterer Stelle noch ausführlich zu handeln sein. 98

«4 F ü r Normen dieser Qualität w i r d der Begriff „Rechtsnorm" regelmäßig reserviert, vgl. etwa Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 22f., S.25f. Auch i m öffentlichen Recht werden die K r i t e r i e n der Abstraktheit u n d Generalität zur Abgrenzung der Rechtsnormen (vom Verwaltungsakt) herangezogen, vgl. etwa Wolff / Bachof, §46 VI., S. 385 f.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 11, 1., S. 200; Erichsen / Martens, § 11 I I . 6., S. 154 ff. «s Deutlich etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 45 ff. 06 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 346 ff.; kritisch dazu Larenz, Methodenlehre, S. 84 ff. Die Rechtsanwendungsproblematik stellt sich für Kelsen insbesondere als Konsequenz seiner Lehre v o m „Stufenbau der Rechtsordnung", dessen oberste Stufe die sogenannte „Grundnorm" bildet, vgl. dazu Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 196 ff., S. 221 ff., S. 232 ff. 07 Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 347. 9« Vgl. dazu u n t e n Β . I V . 4. c. bb.

I I . Veränderungen der sozialen Wirklichkeit des Vertragsverkehre ? Die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen begründet die Erforderlichkeit eines Abweichens von der überkommenen Vertragskonzeption insbesondere damit, daß ein Vertragsschluß i m Wege zweier korrespondierender Willenserklärungen i n der sozialen Wirklichkeit — jedenfalls was den Bereich des MassenVerkehrs der Daseins vor sorge anbelangt — nicht „mehr" vorfindbar i s t . " Darin liegt gleichzeitig auch die These, daß sich diese soziale Lebenswirklichkeit grundlegend verändert habe, die gesetzliche Vertragskonstruktion nunmehr also „nichts anderes (ist), als der Ausdruck eines von der Entwicklung überholten Momentes des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses." 100 I m folgenden soll daher zunächst ein schlaglichtartiger Blick auf den Vertragsverkehr i n der historisch-soziologisch beschreibbaren sozialen Wirklichkeit der vergangenen einhundert bis einhundertfünfzig Jahre geworfen werden, u m einen Eindruck zu gewinnen, welche Entwicklungen die Vertreter der neuen Lehre eigentlich in Bezug nehmen. Dabei bietet es sich an, die Lage vor der Jahrhundertwende m i t der nachkodifikatorischen Entwicklung bis hinein i n die Gegenwart zu vergleichen. 1. Lage vor und i m Kodifikationszeitraum

Die Kodifikation des BGB läßt sich etwa i m Zeitraum zwischen 1874 und 1900 verorten. Vor der Reichsgründung stellte sich Deutschland — zumindest bis zur Jahrhundertmitte — noch als ganz überwiegend agrarisch strukturiertes Land dar. Die Industrialisierung 1 0 1 setzte hier — etwa i m Vergleich zu England — spät ein. Erst i m letzten Drittel des Jahrhunderts wurde die alte Agrarverfassung entscheidend zurückgedrängt. Dennoch wäre es sicher unzutreffend, für den Zeitraum bis etwa 1870 von einer noch vollends i m statischen Zustand verharrenden W i r t schaftsgesellschaft zu sprechen. Begünstigt durch den Abbau der Zoll9® Vgl. Haupt, S. 6 („Verschiebung der Sachlage"), S. 28. 100 Simitis, S. 463. 101 Z u r Geschichte der Industrialisierung vgl. Bechtel, besonders S. 147 ff.; Born, in: Wehler, S. 271 ff.; Rübberdt, S. 67 ff.

1. Lage vor u n d i m Kodifikationszeitraum

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grenzen (Dt. Zollverein 1834) und nicht zuletzt auch durch den schnell ansteigenden Ausbau der Transportwege dehnten Handel und Gewerbe sich erheblich aus, bereits bevor die eigentliche industrielle Revolution v o l l zum Durchbruch kam. Abgesehen von den zunehmenden Bevölkerungsmassen, welche i m wesentlichen über kein Eigentum verfügten und besonders seit etwa 1870 immer stärker i n die Städte drängten 1 0 2 , dominierten i n dieser Zeit deutlich die kleineren und mittleren Unternehmen und Betriebe. Das durch sie vermittelte Gepräge von Handel und Wirtschaft zeigte sich auch i n dem zwischen diesen W i r t schaftssubjekten von begrenzter Größenordnung stattfindenden rechtsgeschäftlichen Verkehr. Eine vergleichsweise breit gefächerte Konkurrenz sorgte dafür, daß Partner und Inhalt der abzuschließenden Verträge bis zu einem gewissen Grade von Momenten persönlich-individueller Gestaltung abhingen. Gleiches galt auch für den Handel m i t Agrarerzeugnissen, an welchem allerdings Kleinbauern immer weniger teilhatten, je mehr ihre Selbständigkeit — eben erst durch die von Freiherr vom Stein eingeleitete Befreiung aus Erbuntertänigkeit gewonnen — durch den wirtschaftlichen Zwang zur Landveräußerung wieder aufgehoben wurde. 1 0 3 Die so umrissene soziale Wirklichkeit, vorsichtiger ausgedrückt: dasjenige, was von ihr i n einem historisch-soziologischen Sinne faßbar ist, bietet das B i l d einer Konkurrenzgesellschaft, i n welcher die sich selbständig am Wirtschaftsprozeß beteiligenden Unternehmer Verträge schlossen, deren Ob und Wie durchaus einen gewissen „individuellen" Charakter erkennen ließen. I n dem Zeitraum zwischen 1870 und 1900 nahm die industrielle Entwicklung i n Deutschland ein erheblich gesteigertes Tempo an. Das ehemals agrarisch strukturierte Deutschland verwandelte sich jetzt m i t zunehmender Geschwindigkeit i n ein Industrieland. Die Industrie, welche insbesondere unter der Regierungszeit Wilhelms II. einen bedeutsamen Aufschwung nahm, zog immer mehr Menschen als unselbständige Industriearbeiter an sich, während sich die Bevölkerungszahl i n der zweiten Jahrhunderthälfte fast verdoppelte. 1 0 4 Diese städtischen Bevölkerungsmassen unselbständiger Industriearbeiter konnten die oben geschilderte Möglichkeit vergleichsweise freier Gestaltung der rechtsgeschäftlichen Beziehungen i n einem jedenfalls nur deutlich herabgeminderten Maße für sich beanspruchen. Bereits 1882 gab es mit einem Anteil von 26,1 °/o Selbständigen sowie 10,2 °/o mithelfenden Familieni«2 v g l . Born, in: Wehler, S.271; zur Landflucht vgl. auch Bechtel, S. 198 f., S. 207, S. 274; Mitteis / Lieberich, S. 329. 103 v g l . Rübberdt, S. 68 f. i4 Die Bevölkerungszahl stieg i n Deutschland zwischen 1850 u n d 1905 v o n 30 auf 60 Millionen, vgl. Mitteis / Lieberich, S. 329.

40

Β . I I . Veränderungen der sozialen W i r k l i c h k e i t des Vert rags Verkehrs?

angehörigen auf der einen und 63,7 % abhängig Erwerbstätigen auf der anderen Seite weit weniger realwirtschaftliche Freiheiten als soziale Abhängigkeiten. 1 0 6 Es ist kennzeichnend, daß gerade i n diesem Zeitraum auch Bismarcks Sozialgesetzgebung geschaffen wurde: Krankenversicherung, Unfallversicherung, Invaliditäts- und Altersversicherung. Diese mit der Industrialisierung einhergehende Ausbildung neuartiger wirtschaftlich-sozialer Abhängigkeiten betraf indessen keineswegs allein die i n nichtselbständiger Beschäftigung Stehenden, sondern vielmehr m i t der alsbald einsetzenden Konzentration wirtschaftlicher Macht i n zunehmendem Maße auch die unternehmerisch Tätigen selbst. 2. D e r nachkodifikatorische Z e i t r a u m

Die bereits geschilderte Beschleunigung der industriellen Entwicklung setzte sich auch nach Inkrafttreten des BGB fort. Dies läßt sich zunächst mit einigen statistischen Angaben belegen: Von den i m Jahre 1907 Erwerbstätigen waren nur noch 34,7 *Vo i n Land- und Forstwirtschaft beschäftigt, auf produzierendes Gewerbe sowie Handel und Verkehr entfielen demgegenüber m i t 40,5 °/o bzw. 14,2 °/o insgesamt deutlich mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen. Von diesen waren nur noch 19 % selbständig, 67,7 % hingegen waren i n abhängiger Beschäftigung stehende Arbeitnehmer. 1 0 6 Grundlage der sich derart entwickelnden Industrialisierung war eine explosiv voranschreitende Technik. Sie stellte nicht nur i n bisher niemals dagewesenem Umfang verfügbare Kapazitäten bereit, sondern ermöglichte mit der durch sie eröffneten Beherrschbarkeit solcher „Arsenale von M i t t e l n " 1 0 7 auch subjektive Machtzusammenballungen, die vorher i m eigentlichen Sinne des Wortes „technisch" nicht denkbar waren. Durch das Nachstoßen kapitalstarker Unternehmen i n das durch diese technische Revolution geschaffene Machtvakuum kam es zu der bereits angedeuteten, sich immer klarer abhebenden Konzentration wirtschaftlicher Macht. Die Folge davon war, daß viele kleine und m i t t lere Betriebe den durch derartige Machtzusammenballungen verschärften Konkurrenzkampf nicht mehr bestehen konnten und daher — wenn sie nicht als selbständige Wirtschaftssubjekte ausfielen — jedenfalls i n ihrer Eigenständigkeit stark eingeschränkt wurden. Die universale Technisierung des Wirtschaftsprozesses hatte neben dieser tendenziell auf wenige Unternehmen hingeordneten Konzentrationsbewegung aber auch weitere strukturelle Begleiterscheinungen, los Ramm, Bd. 1, S. 64 f. io» Ramm, Bd. 1,S.65. 107 Vgl. zu dieser T y p i k der Technik Th. Litt, S. 51.

Technisches Denken, S. 43 ff.,

2. Der nachkodifikatorische Zeitraum

41

die notwendig m i t einer solchen Technisierung verbunden sind. Angesprochen ist hier insbesondere die strikte Vertypung des massenhaft abgewickelten Geschäftsverkehrs. Technisierte Produktions- und Verteilungsverfahren sind an besonders stark typisierte Formen gebunden, da der Funktionsgrund technischer Verfahren i n der Gleichartigkeit der einzelnen Handlungsabläufe liegt. Neben der fortschreitenden Ersetzung handwerklich hergestellter Produkte durch standardisierte Waren und Dienstleistungen tauchte dann i n der juristischen Ebene das Phänomen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf. 1 0 8 M i t diesen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Regelungen von Vertragsinhalten, die allerdings i n der Regel nur Nebenpunkte betrafen, schrumpften die Möglichkeiten individueller Gestaltung nicht unerheblich zusammen. Dies galt u m so mehr, als infolge der dargelegten Konzentrationsprozesse der eine Vertragspartner häufig gezwungen war, die einseitig aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen unbesehen zu akzeptieren. Die Abhängigkeit breiter Bevölkerungsschichten von anonymen Mächten basiert i m Zuge der beschriebenen Technisierung insbesondere auf einem ständig vorangetriebenen Ausbau der Arbeitsteiligkeit. 1 0 9 Zur Verdeutlichung kann hier auf den hinsichtlich grundlegender Lebensbedürfnisse weitgehend autonomen Landwirt des frühen 19. Jahrhunderts einerseits, auf den hochspezialisierten Facharbeiter der modernen Industriegesellschaft andererseits hingewiesen werden. Während der Landwirt i m alten, agrarisch strukturierten Deutschland die lebensnotwendigen Güter i n weitem Umfange — jedenfalls i m Notfalle — selbst herstellen konnte, ist der hinsichtlich seiner Kenntnisse und Fertigkeiten einseitig ausgerichtete Mensch unserer Industriekultur i n nahezu jeder Hinsicht — etwa was seine Grundbedürfnisse wie Wohnung, Nahrung, Kleidung angeht — auf fremde Leistungen angewiesen, die er sich mit seinem Einkommen erst erkaufen muß. Freilich ist zur Vermeidung von Mißverständnissen schon an dieser Stelle folgendes i n Erwägung zu ziehen: Die relative „Autonomie" des genannten Landwirtes kann nicht etwa auf seinen Status als „autonomes Individuum" i m Sinne liberaler Weltanschauung zurückgeführt werden. Sie beruhte vielmehr auf seiner Eingebundenheit i n eine agrarische K u l t u r , welcher nicht die liberal verstandene Autonomie des Individuums, sondern das Wirtschaften i m Verbände der Großfamilie ihren Charakter verlieh. Grundlage seiner Autonomie war damit engste soziale Verbundenheit, nicht aber liberale Individualität. los Vgl. grundlegend L. Raiser , Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen. i Vgl. hierzu Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 267 ff. iei J. Schapp, Recht, S. 14 ff.

3. Kritische Würdigung des Normlogismus

61

des Normlogismus i m Hinblick auf die leitende Fragestellung nach dem Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit unversehens zur Problemverweigerung. Die daran anschließende K r i t i k am Normlogismus w i r d nicht etwa dadurch hervorgerufen, daß er den Ort rechtswissenschaftlicher Dogmatik nicht kennt — dies gibt auch unsere Untersuchung keineswegs vor —, sondern vielmehr durch die Tatsache begründet, daß er nicht einmal danach fragt. Einmal mehr offenbart sich an dieser Stelle eine bestimmte innere Paradoxie des unter dem Signum mathematischer Exaktheit angetretenen modernen Wissenschaftsverständnisses. Dieses Paradoxon moderner Wissenschaft t r i t t darin hervor, sich zwar durch die Befreiung aus geistlicher Bevormundung die Chance zu unbehindertem Forschen und Fragen eröffnet zu haben, u m die frühere Unterordnung unter kirchliche Autoritäten jedoch alsbald gegen die Diktatur der mathematischnaturwissenschaftlichen Methode und der mit ihr einhergehenden typischen Blickverengung einzutauschen. Es liegt nur i n der Konsequenz einer solchen Blickverengung, daß für eine normlogistische Anschauung die i m Rahmen dieser Untersuchung herangezogenen „Geschäfte des Massenverkehrs" nicht existieren 1 9 2 , weil sie nicht existieren dürfen. Undeutlich bleibt nach alledem, wieso mit Hilfe der rechtswissenschaftlichen Begrifflichkeit Konfliktsfälle aus dem Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge entschieden werden können und auch tatsächlich ständig entschieden werden. Das Schweigen auf die gesamte Rechtsanwendungsproblematik, welche doch von keiner anderen als eben der rechtswissenschaftlichen Disziplin selbst diskutiert werden kann, macht die besondere Problematik des Normlogismus aus. b) Die naturalistische Variante des Normlogismus

Die Behauptung, daß eine wissenschaftliche Position i m Sinne reiner Mathematik jeden Wirklichkeitsbezugs ermangele, w i r d freilich i m allgemeinen als ein schwerer Vorwurf verstanden, es sei denn, der Adressat dieser Behauptung wäre die Mathematik selbst. Es gehört wohl ein i n besonderer Weise geschärftes erkenntniskritisches Empfinden dazu, die oben dargestellte Konsequenz des Normlogismus — Ausblendung von Interpretationsfragen überhaupt — nicht als Mangel der eigenen Theorie zu sehen, sondern als ausdrückliche Prämisse der Theorie voranzustellen. Diese Konsequenz hat auf Seiten des Normlogismus nur Kelsen gezogen. 193

Tosch, S. 112; vgl. dazu auch schon oben B. I I I . 2. «s Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 346 ff.

62

Β . I I I . Der Normlogismus

Andere Vertreter dieser Gruppe — es wurden die Positionen Ernst Wolfs, Toschs sowie des frühen Jhering dargestellt 1 0 4 — würden jedoch den Vorwurf mangelnden Wirklichkeitsbezugs als einen solchen aufnehmen und i h n entschieden zurückweisen, weil die von ihnen allein zum Gegenstand der Rechtswissenschaft gemachten rechtlichen Verhältnisse selbst Wirklichkeit hätten, wobei, wie gezeigt, keineswegs an eine gleichsam ideale, sondern vielmehr durchaus an eine naturhafttatsächliche Existenz dieser Gegenstände gedacht ist. I n dieser naturalistischen Variante des Normlogismus fehlt es also nach Ansicht der betreffenden Autoren nicht an einem realen Gegenstand jurisprudentieller Urteile. Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß diesen „Gegenständen" die ihnen angeblich zuzuordnende Eigenschaft ontologischer Wirklichkeit fehlt, so daß nur scheinbar scharf zwischen dem wirklich existierenden rechtlichen Verhältnis auf der einen und dem nichtwirklichen rechtswissenschaftlichen Begriff auf der anderen Seite als etwas lediglich Gedachtem unterschieden 195 wird. Tatsächlich handelt es sich bei der von E. Wolf vorgestellten „Wirklichkeit" u m eine bloße ontologistische Verdoppelung der betreffenden rechtswissenschaftlichen Begriffe. 1 9 6 Die rechtlichen Verhältnisse werden also entgegen seiner eigenen Maßgabe gerade nicht von den zugehörigen rechtlichen Begriffen getrennt, weil die rechtlichen Verhältnisse keine unabhängig von ihrer wissenschaftlich-begrifflichen Erfassung bestehende ontologische W i r k lichkeit haben. Ausdrücklich stellt Wolf fest, daß „der Begriff vom Gegenstand abhängt" und daher „nicht frei gebildet und geändert werden" könne. 1 9 7 Wie es möglich ist, daß zwei scharf voneinander zu unterscheidende Ebenen voneinander abhängen, w i r d nicht näher dargelegt. Die Vielzahl der Wolf'schen Definitionen stellt sich hier als Ausdruck der grundlegenden These heraus, man könne einen Gegenstand durch eine Realdefinition tatsächlich i m Sinne des Erfassens ontologischer Daten einfangen. Indessen ist man sich i n der neueren Wissenschaftstheorie längst darüber einig, daß es bei einer wissenschaftlichen Definition nicht u m die Erfassung des realen Seins als solchen, sondern lediglich u m eine als praktikabel erkannte Gleichsetzung von Ausdrücken i n einem zumindest primär nominalen Sinne gehen kann. 1 9 8 194 vgl. oben B. I I I . 1./2. " β E. Wolf, A T , S. 10. im Vgl. treffend Rödig, A c P 174, S. 470; J. Schapp, Recht, S. 37. 197 e . Wolf, A T , S. 15. 198 Vgl. Rödig, A c P 174, S. 472; vgl. auch Seiffert, Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 46 ff.

3. Kritische Würdigung des Normlogismus

63

Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß rechtswissenschaftliche Begriffe völlig losgelöst von der sozialen Wirklichkeit zur Entstehung gebracht würden oder werden könnten. Dagegen spricht schon die Tatsache, daß es sich bei der rechtswissenschaftlichen Terminologie nicht selten nur u m sogenannte Verschärfungsdefinitionen 10 ® handelt, d.h. u m bloße Präzisierungen auch umgangssprachlich durchaus geläufiger Ausdrücke. Insoweit befinden sich bedeutsame Teile der rechtswissenschaftlichen Begrifflichkeit auf einer vergleichsweise niedrigen A b straktionsstufe, stellt man etwa Begriffe wie Vertrag, Kauf, Miete insbesondere dem Begriffsapparat der Naturwissenschaften gegenüber. Der Ausdruck Vertrag büßt seine relative Anschaulichkeit allerdings ersichtlich i n dem Augenblick ein, i n dem man ihn i m spezifisch zivilistischen Sinne als einen auf zwei korrespondierenden Willenserklärungen basierenden Konsens interpretiert. Abzulehnen ist indessen der vorkantische Begriffsrealismus, i n welchen die naturalistische Spielart des Normlogismus verfällt. Die Problematik dieses Begriffsrealismus mag etwa folgende Überlegung zeigen: Der Begriff des vertraglichen Konsenses, dessen Unterschiedenheit vom Konsens selbst — was immer das auch sein mag — Wolf lediglich behauptet, nicht aber dartut, ist — wie jeder wissenschaftliche Begriff — notwendig abstrakt. Damit ist gemeint, daß der Begriff — w i r denken hier an den Gattungsbegriff als für die naturwissenschaftliche Methodik typische Erscheinung — i m Gegensatz zur Einzelvorstellung zumindest als Möglichkeit nicht einen singulären Gegenstand, sondern viele Einzelgegenstände bedeutet. 200 I n der Wirklichkeit jedoch gibt es immer nur einzelne Seiende — dies w i r d übrigens auch von Wolf nicht v e r k a n n t 2 0 1 —, die nicht abstrakt, sondern stets konkret sind. Wissenschaftliche Begriffe können daher keine Adäquationen der Wirklichkeit sein. Nur schwer vorstellbar wäre i n diesem Zusammenhang auch eine „Wirklichkeitsabfolge" verschiedener Abstraktionsgrade als Folge eines Begriffssystems, das seinerseits verschiedene Abstraktionsstufen aufweist. 2 0 2 Die Wirklichkeit des sozialen Lebens läßt sich nicht i n ein Schema von Gattungs- und Artbegriffen hineinzwängen. Ein solches Vorhaben müßte nicht zuletzt daran scheitern, daß der Begriff als „Zusammengriff" einzelner Merkmale stets nur eine Vielzahl von Einzelaspekten, nicht aber die als Ganzheiten verfaßten wirklichen Gesche19» v g l . Menne, in: Handbuch

philosophischer Grundbegriffe, Bd. 1, S. 273.

20° Vgl. zur Abstraktheit des Begriffs Wagner, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 1, S. 192 f. soi E. Wolf, A T , S. 8; Tosch, S. 105 m i t Verweis auf E. Wolfs unveröffentlichte „Rechtsontologie". 202 Vgl. etwa Larenz, Methodenlehre, S. 432.

64

Β . I I I . Der Normlogismus

hensabläufe erfassen kann. Wolf selbst kann dies indessen nicht anerkennen, da er ausdrücklich die Vorstellung zurückweist, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile. 2 0 3 U m sich der ganzheitlich verfaßten Wirklichkeit zu nähern, muß man zu einer von dieser wissenschaftlichen Sprechweise scharf sich abhebenden A r t der Darstellung greifen. Sie w i r d uns an späterer Stelle noch eingehend beschäftigen. 204 Es war bereits davon die Rede, daß der Normlogismus etwa Kelsens sich aus methodischen Gründen weigert, seinen Blick auf das Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit zu lenken. 2 0 5 Wendet man nun den Normlogismus — wie dies bei Wolf, Tosch und Jhering geschieht — i n einen Begriffsrealismus, so w i r d aus dieser Weigerung eine Unmöglichkeit. Ein Rechtsbegriff, der — wie derjenige Wolfs — den Anspruch erhebt, selbst die Wirklichkeit „ontologisch" zu erfassen, bietet nämlich keine Möglichkeit mehr, die Beziehungen der Rechtsbegriffe zur sozialen Wirklichkeit zum Thema zu machen. 206 Die spezifische Problematik der „Realen Rechtslehre" ist daher noch nicht vollständig getroffen, wenn man ihr verbreitet zum Vorwurf macht, sie beinhalte hinsichtlich der Zusammenhänge von Recht und sozialer Wirklichkeit sowohl i m allgemeinen als auch i n den Einzelheiten — etwa i n der Frage der faktischen Vertragsverhältnisse — eine Diskussionsverweigerung. 207 Die naturalistische Variante des Normlogismus will diese Frage nicht nur nicht anschneiden, sie kann es aufgrund ihrer eigenen Prämissen darüber hinaus auch gar nicht. 4. Zusammenfassung Faßt man die Betrachtung der Position des Normlogismus zusammen, so kann man folgendes festhalten: Nach der Konzeption des Normlogismus ist eine Beeinflussung der Ebene rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit durch die soziale W i r k lichkeit offensichtlich nicht denkbar. Er impliziert hinsichtlich des i n der vorliegenden Untersuchung als Beispiel herangezogenen Ausschnitts der juristischen Dogmatik einen starren Vertragsbegriff, der i n eine logisch geschlossene und prinzipiell unveränderliche Ordnung von Begriffen eingefügt ist. 203 E. Wolf, A T , S. 21; vgl. auch Schlick, S. 229 ff. 204

Vgl. dazu unten Β . IV., besonders 1. c. d. 205 vgl. oben B. I I I . 3. a. 2 oe So richtig Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 184. 207 Vgl. Rödig, AcP 174, S.472; Wiegand, JuS 1980, S. 391. Wolf selbst h i n gegen deutet diese Einstellung als „strenge O b j e k t i v i t ä t der wissenschaftlichen Beweisführung", vgl. ders., JuS 1980, S. 392 i n der „ A n t i k r i t i k " zur Rezension seiner Lehrbücher.

4. Zusammenfassung

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Die Problematik des Normlogismus ergibt sich daraus, daß er aufgrund einer spezifisch mathematisch-naturwissenschaftlichen Blickverengung nach den Beziehungen zwischen rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit innerhalb der Jurisprudenz entweder nicht fragen w i l l oder aber infolge einer begriffsrealistischen Wendung gar nicht fragen kann. Die Funktion rechtswissenschaftlicher Dogmatik w i r d auf diese Weise der Diskussion weitgehend entzogen.

5 Nierwetberg

I V . Die Ontologische Rechtelehre Trägt man die möglichen Stellungnahmen zum Verhältnis von rechtswissenschaftlichem Begriff und sozialer Wirklichkeit auf einer Strecke ab, deren eines Ende der Normlogismus bildet, so befindet sich an ihrem anderen Ende — also i n prinzipieller Entgegensetzung zum Normlogismus — eine Position, welche durch die Intention gekennzeichnet wird, sich der Wirklichkeit des sozialen Lebens i n einem möglichst weitgehenden Maße anzunähern. Sie verlegt den wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit ganz auf die andere Seite der hier zu untersuchenden Relation und versucht, die Rechtsverhältnisse so aufzufassen, wie sie i n der sozialen Lebenswirklichkeit tatsächlich vorkommen. Sie soll daher als „Ontologische Rechtslehre" — näherhin dann als „Ontologische Vertragslehre" — bezeichnet werden. „Ontologisch" ist dabei jedoch i n einem völlig anderen Sinne gebraucht, als dies innerhalb der bereits ausführlich geschilderten „Realen Rechtslehre" Ernst Wolfs geschieht, welche ebenfalls den Anspruch einer ontologischen Fundierung erhebt. 2 0 8 Während nämlich Wolf letztlich nur eine Verdoppelung der rechtlichen Begriffe vornimmt, u m diese Verdoppelung dann m i t einem ontologischen Status zu versehen 209 , die soziale Wirklichkeit hingegen als Gegenstand rechtswissenschaftlicher Erörterungen ausdrücklich v e r w i r f t 2 1 0 , beabsichtigt die nunmehr darzustellende Lehre, das Rechtsverhältnis und insbesondere den Vertrag ontologisch dergestalt zu erfassen, wie sie sich i n der sozialen Wirklichkeit unabhängig von den Vorgaben der überkommenen juristisch-dogmatischen Begrifflichkeit darstellen. Der zentrale Gedanke bei diesem Unterfangen ist die Auffassung der Rechtsverhältnisse als Geschichten. I m Hinblick auf den Vertrag hat insbesondere J. Schapp den Versuch unternommen, den Vertrag nicht — wie es innerhalb der herkömmlichen Vertragsdogmatik geschieht — als auf zwei korrespondierenden Willenserklärungen ruhenden Konsensus, sondern als (Vertrags-)Geschichte zu deuten. 2 1 1 Die Konzeption des Vertrages als Geschichte durch J. Schapp fußt auf der Spätphilosophie seines Vaters W. Schapp, der diese i m folgenden m i t „Geschiehs t Vgl. E. Wolf, A T , V o r w o r t , S. V. 200 Vgl. dazu oben B. I I I . 3. b. 210 Vgl. oben B. I I I . 3. b. 211 J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 115 ff.

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tenphilosophie" benannte Lehre vornehmlich i n seinen Werken „ I n Geschichten verstrickt" 2 1 2 und „Philosophie der Geschichten" 213 entworfen hat. I m weiteren Gang der Darstellung ist daher zunächst ein Abriß der Geschichtenphilosophie W. Schapps zu geben. Gerade hierbei erscheint es geboten, etwas weiter auszuholen, u m der Zielsetzung dieser Arbeit gerecht zu werden, i m großen und ganzen aus sich selbst heraus verständlich zu sein. I n einem zweiten Schritt w i r d dann die auf der Grundlage der Geschichtenphilosophie erfolgte Ausarbeitung einer Vertragskonzeption darzulegen sein, welche i n wesentlichen Grundgedanken bereits W. Schapp entwickelt hat. Schließlich ist i n einem dritten Schritt nach der Bedeutung und den spezifischen Problemstellen einer solchen ontologischen Rechts- bzw. Vertragslehre zu fragen. 1. Die Geschichtenphilosophie W. Schapps a) Aufgabe und Angriffsrichtung

W. Schapps philosophische Herkunft ist geprägt durch die Phänomenologie. Sein phänomenologischer Grundansatz — W. Schapp war Schüler Edmund Husserls — t r i t t besonders klar i n seinen früheren philosophischen und rechtsphilosophischen Schriften hervor 2 1 4 , welche auch die enge Verwandtschaft zu den anderen rechtsphänomenologischen Forschungen — etwa denjenigen Adolf Reinachs 215 — noch recht deutlich erkennen lassen. Aus der Phänomenologie entnimmt W. Schapp auch die Aufgabe, welche er m i t Hilfe seiner Philosophie lösen w i l l , nämlich die Herstellung einer phänomenalen Einheit von Welt und Subjekt. 2 1 6 Dieser Aufgabenstellung korrespondiert der Gedanke, daß die Entdeckung eines mit sich selbst identischen Subjekts nur i n der Einheit m i t seiner Lebenswelt möglich ist. Richtigerweise muß man hier sogar von einer Wiederentdeckung dieses Subjekts sprechen, da ein identischer Sinn dessen, was sinnhaft allenfalls noch als Subjekt bezeichnet werden könnte, durch die für den modernen mathematischnaturwissenschaftlichen Denkstil charakteristische Spaltung von Subjekt und Objekt verschüttet worden ist. W i r d diese Subjekt-Objekt212 Hier zitiert i n der 2. Auflage, Wiesbaden 1976, unter der A b k ü r z u n g „ I n Geschichten". 213 Hier zitiert i n der 2., durchgesehenen Auflage, F r a n k f u r t a. M . 1981, unter der A b k ü r z u n g „Philosophie". 214 Vgl. insbesondere W. Schapp, Die neue Wissenschaft v o m Recht, 2 Bde. sis Vgl. Reinach, Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts. 216 Vgl. zu diesem übergreifenden Aspekt der Phänomenologie Lübbe, Kant-Studien 1960/61, S. 232 ff. *

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Spaltung 2 1 7 zur Grundlage der Erkenntnistheorie, ja zur Bedingung von Erkennen überhaupt gemacht 218 , so muß der Ort des Subjektes i n dieser (natur-)wissenschaftlich überformten Welt vakant werden. Zum einen darf das Subjekt i n der mathematisch-naturwissenschaftlichen Weltsicht allein deswegen nicht i n Erscheinung treten, u m den A n spruch strenger wissenschaftlicher Objektivität nicht zu beeinträchtigen. Zum anderen aber — und dies mag von noch größerer Bedeutung sein — hat sich das Subjekt selbst zum Gegenstande objektiver Erkenntnis gemacht und versucht, seine gesamte Existenz bis hinein i n die Denkabläufe des menschlichen Gehirns auf der Grundlage quantitativ faßbarer und naturwissenschaftlicher Analyse zugänglicher materieller Veränderungsprozesse zu erklären. Damit aber ist alles spezifisch Subjekthafte beseitigt, das Subjekt ist in seiner naturwissenschaftlich-exakten Analyse als dasjenige, was es eigentlich ist, verlorengegangen. 219 Edmund Husserl stellte diesem Verlust des Subjekts nun seine Idee einer mathesis universalis entgegen, i n der die Einheit von Subjekt und Welt gerade durch die Ausdehnung streng wissenschaftlicher, nämlich mathematisierender Verfahren auf die Philosophie, verstanden als apriorisch-ideelle Wesensschau, hergestellt werden sollte. 2 2 0 Husserl wollte also zwar „die ganze Physik und die ganze Domäne des theoretischen Denkens (sc. physikalischer Art) aus(schließen)", dennoch aber an einem streng wissenschaftlichen Betrieb der Philosophie i m Sinne exakter Wesensanalyse festhalten. 221 Für W. Schapp indessen kann die Einheit von Subjekt und Lebenswelt nach dem i n seiner späteren Geschichtenphilosophie bezogenen Standpunkt nicht i n einer abstrakten Wesensanalyse, sondern nur i n den Geschichten als den stets konkret-individuellen Lebensgeschehnissen zu finden sein. 2 2 2 M i t seiner Geschichtenphilosophie kehrt er sich 217 Dazu vgl. Lübbe, Bewußtsein, S. 22 ff. sie Vgl. etwa Schmidt / Schischkoff, A r t . „Erkenntnis", S. 159 f. 219 Vgl. Lübbe, K a n t - S t u d i e n 1960/61, S.234. Wenn W. Schapp diesem V e r lorengehen des Subjekts m i t dem Gebilde der Geschichte zu antworten v e r sucht, so ist i n diesem Zusammenhang der parallele Hinweis von Henrich interessant, daß „eigentliches Geschichtenbewußtsein" typischerweise i n Perioden von Krisen der Identitätsbildung entsteht, vgl. ders., in: Marquard / Stierle, S. 659 ff. (S. 663). Z u den Folgen einer wissenschaftlich-technischen Blickverengung für die menschliche Persönlichkeit vgl. aus religionsphilosophischer Sicht Pabsch, S. 150 ff. 220 v g l . dazu Lübbe, Studie, S. 640 ff. Z u r Lehre E. Husserls vgl. auòh die Darstellung bei Stegmüller, S. 49 ff. 221 E. Husserl, Ideen, S. 73; ders., Philosophie als strenge Wissenschaft, S. 12, S. 67 ff. u n d passim. 222 Vgl. dazu auch Lübbe, in: Marquard / Stierle, S. 655 ff. Nicht unproblematisch erscheint allerdings, daß Lübbe hier als Beispiel einer „ K u r z -

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also gerade gegen die Einstellung mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkens sowie dessen Option für begrifflich-systematische Exaktheit und objektive Erkenntnis. Seine Stellungnahme richtet sich damit aber auch gegen die phänomenologischen Untersuchungen Husserls und seiner Schule. W. Schapp, der i n seiner früheren Philosophie selbst der Husserlschen These einer „Philosophie als strenge Wissenschaft" nahegestanden hatte, beschreibt seinen i n der Geschichtenphilosophie entwickelten Standpunkt als einen Denkansatz, welcher der rechtsphänomenologischen Idee Reinachs von einem System synthetisch-apriorischer Sätze als Vorgegebenheiten jedes positiven Rechts diametral entgegengesetzt sei. 223 Die Verbindung mit der Phänomenologie besteht jedoch fort sowohl i n dem oben beschriebenen Vorhaben der Phänomenologie, dem Subjekt wieder einen faßbaren Ort i n der Welt zuzuweisen, als auch i n der Methode, diesen Ort auf dem Wege intuitiven Schauens zu finden. b) Die Geschichten

Daß die Überschrift dieses Abschnittes nicht etwa „Der Begriff der Geschichte" oder ähnlich lautet, ist kein Zufall. Entsprechend der soeben skizzierten Angriffsrichtung der Geschichtenphilosophie liegt W. Schapp wohl nichts ferner, als eine exakt-abstrakte Begriffsanalyse dessen zu betreiben, was er Geschichte nennt. 2 2 4 Vielmehr spricht er davon, daß die Geschichte ein „Gebilde" ist, welches i n seiner Eigenart nicht einfach mit einer Definition scharf getroffen werden kann. Die Behutsamkeit, m i t der W. Schapp vorgeht, zeigt sich i n seiner Feststellung, daß man nur versuchen kann, etwa mit Definitionen und Beschreibungen dem Gebilde (sc. der Geschichte) näherzukommen, wobei man „vielleicht das Gefühl" haben mag, sich „damit nur von i h m (zu) entfernen". 2 2 5 Wenn also i m folgenden einige Elemente dieses Geschichtengebildes näher zur Sprache kommen, so darf man dies nicht als „Analyse" des „Wesens" dessen, was Geschichten sind, auffassen, sondern als soweit wie möglich unbefangenes Sprechen „von dem allen". W. Schapp verkennt dabei keineswegs, wie schwierig das Erreichen einer solchen Unbefangenheit für den Leser sein kann, der i n seinem Denken eben doch geschichte" die amtliche Identitätskarte (Personalausweis) heranzieht. M i t i h r k o m m t der konkrete In-Geschichten-Verstrickte w o h l doch n u r ganz von Ferne — gleichsam als „Merkmalskomplex" — i n den Blick; vgl. die insow e i t berechtigte K r i t i k v o n Weinrich, in: Marquard / Stierle, S. 681 ff. 223 w . Schapp, Philosophie, S. 61. 224 w. Schapp, I n Geschichten, S. 94; ders., Philosophie, S. 239. 225 w. Schapp, I n Geschichten, S. 85.

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entscheidend durch das mit einem machtvollen Universalitätsanspruch auftretende mathematisch-naturwissenschaftliche Weltbild geprägt ist. Vergleicht man — so W. Schapp — „diese Welt des Lesers m i t einem Gebäude", so muß „der Leser damit rechnen, daß w i r dies Gebäude vielleicht bis zu den Fundamenten abtragen müssen, u m den Anschluß (sc. an diese naturwissenschaftliche Welt) zu gewinnen." 2 2 * W. Schapp gebraucht den Ausdruck „Geschichte" i m Plural. Er meint damit zunächst nicht die Weltgeschichte, welche etwa i n dem bekannten Sinne den Gegenstand des Geschichtsunterrichtes bildet, sondern Geschichten i m Sinne von konkreten, zusammenhängenden Lebensvorgängen, Geschichten, von denen man etwa einem Freunde erzählt, daß sie einem „passiert" seien. 227 W. Schapp w i l l damit nicht leugnen, daß es so etwas wie Geschichte i n dem erstgenannten Sinne gibt. Er redet vielmehr selbst von „Weltgeschichte", „Allgeschichte", „Großgeschichte". Wiewohl er nun nicht vorgibt, das Verhältnis der Geschichten des oder der Einzelnen zur Weltgeschichte vollends klären zu können, steht doch i m „ M i t t e l p u n k t . . . (der) Untersuchung der einzelne i n Geschichten verstrickte Mensch". Diese Einzelgeschichten sind der Ausgangspunkt seiner Überlegungen, von hier aus tastet er sich „nach allen Richtungen über Geschichten und nur über Geschichten vorwärts." 2 2 8 I n diesem Ansetzen bei den Alltagsgeschichten, den eigenen wie auch denjenigen von Freunden, Nachbarn, Bekannten, Fremden, w i r d bereits ganz zu Beginn der philosophischen Erörterungen der Versuch deutlich, ein m i t seiner Lebenswelt und auf diese Weise mit sich selbst identisches Subjekt zu entdecken, ein Versuch, der vorhin als die selbstgewählte Hauptaufgabe der Phänomenologie hervorgehoben wurde. 2 2 9 Dem entspricht es auch, daß zu jeder Geschichte ein Mensch als der i n diese Geschichte Verstrickte gehört. Er steht als Subjekt dieser Geschichte zu ihr i n einer andersartigen Beziehung als derjenige, welcher die Geschichte vielleicht lediglich liest oder von irgend jemandem hört. Diese Verstrickung meint zunächst ein Agieren i m Kern der betreffenden Geschichte, u m welchen „der Leser, der Hörer gleichsam nur kreist, ohne daß er zu ihrem Kern gehört . . . " . W. Schapp verwendet den Ausdruck der Verstrickung dabei „ i n einem umfassenden Sinne" und w i l l „ m i t dem Verstrickten jeden treffen, dem die Geschichte passiert, der i n ihrem Mittelpunkt steht oder zu ihr gehört." 2 8 0 «»e W. Schapp, I n Geschichten, S. 7. 227 w. Schapp, I n Geschichten, S. 1; vgl. auch Lübbe, Kant-Studien 1960/61, S.238. 22« w. Schapp, Philosophie, S. 21 (Hervorhebung von mir). 22« Vgl. oben Β . I V . 1. a. 23« W, Schapp, I n Geschichten, S. 120 f.

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Die Wendung „oder zu ihr gehört" vermag bereits anzudeuten, daß der i m Kern der Geschichte Stehende nicht der einzige bleiben muß, der i n diese konkrete Geschichte verstrickt ist. Zieht man eine Parallele zu dem auf einer Bühne vorgeführten Schauspiel, so läßt sich sagen, daß es i n den Geschichten auch „Nebenpersonen, Statisten geben (mag) . . . , von denen man nicht recht weiß, ob sie noch eigentlich zur Geschichte gehören." Auch an dieser Stelle gelingen also bei der Beschäftigung mit der Frage, was wohl Geschichten sein mögen, keine scharfkantig-exakten Abgrenzungen. Wenn W. Schapp die Geschichten dennoch i n Eigen- und Fremdgeschichten unterteilt, so hat er dabei keine qualitative, sondern mehr eine quantitative Unterscheidung i m Auge. Auch die Fremdgeschichte läßt sich — soweit sie wirklich Geschichte i m Sinne einer einmalig-konkreten Wirklichkeit ist — nicht i m traditionellen, also naturwissenschaftlichen Verständnis als „Objekt" einer Untersuchung begreifen. M i t diesen Bemerkungen zur Fremdgeschichte ist man allerdings sicher an einem der schwierigsten Punkte der Geschichtenphilosophie angelangt. Um die hier belegenen zentralen Gedanken soweit wie möglich unverfälscht zu vermitteln, soll W. Schapp etwas ausführlicher selbst zu Wort kommen: „Die Geschichte läßt . . . sich nicht als Gegenstand untersuchen, weil etwas Geschichte nur insoweit ist, als ich i n die Geschichte verstrickt bin. Dies Verstricktsein läßt sich nicht so aus der Geschichte lösen, daß auf der einen Seite die Geschichte übrigbliebe und auf der anderen Seite mein Verstricktsein oder so, daß die Geschichte überhaupt noch etwas wäre ohne den Verstrickten, oder der Verstrickte noch irgend etwas wäre ohne die Geschichte. Dies Verstricktsein i n eine Geschichte baut sich auch nicht auf auf eine Kenntnis der Geschichte. Man kann an der Geschichte auch nicht unterscheiden Kenntnis der Geschichte und Vestricktsein i n die Geschichte, sondern beides fällt zusammen. Man ist i n die Geschichte soweit verstrickt, wie man sie kennt, und man kennt sie soweit, als man darin verstrickt i s t . " 2 3 1 Was mit der Fremdgeschichte neu auftaucht, ist das Phänomen des Mitverstrickten 232 Neben dem i m Kern der Geschichte Verstrickten können noch andere i n diese Geschichte mitverstrickt sein, und sie müssen es nach dem Vorstehenden sein, soweit für sie das jeweils betroffene Gebilde w i r k l i c h Geschichte ist: „Die Geschichten stehen nur dem Mitverstrickten offen." 2 3 3 So kann auch das Lesen oder Hören einer 231 W. Schapp, I n Geschichten, S. 85 f. (Hervorhebung v o n mir). 232 Vgl. etwa W. Schapp, I n Geschichten, S.86f., S. 149; ders., Philosophie, Vorwort, S. X V I I I . 233 W. Schapp, Philosophie, V o r w o r t , S. X V I I .

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anfänglichen Fremdgeschichte zu einer tiefgreifenden Eigenverstrikkung führen. W. Schapp bringt dazu das Beispiel des an einem Todesurteil beteiligten Richters. Dieser gerate „wie i n einem Strudel i n die Fremgeschichte hinein"; dabei sei aber „der Tod nur ein Grenzfall"; auch eine „Verurteilung zu . . . einer anderen Strafe" könne „ähnliche Kreise ziehen und i n das Privatleben der Richter und der anderen Beteiligten hinüberspringen." 2 3 4 M i t der Gleichsetzung des Verstricktseins i n und des Erkennens von Geschichten stößt man erneut auf die hervorstechende Frontstellung, welche der geschichtenphilosophische Ansatz gegen jenes Auseinanderdividieren von Subjekt und Objekt einnimmt, das der Lebenswirklichkeit durch das mathematisch-naturwissenschaftliche Weltbild aufgezwungen wird. Dieser Widerstand gegen die traditionelle Weise der „wissenschaftlichen" Untersuchung von „Gegenständen" muß dort besonders klare Konturen annehmen, wo W. Schapp auf die Dingwelt zu sprechen kommt, d. h. also auf dasjenige, was nach der herkömmlichen Sichtweise dem erkennenden Subjekt zuallererst als Objekt eben seiner Erkenntnis entgegengestellt wird. Der Naturwissenschaftler beobachtet den zu erkennenden Gegenstand. Er beschreibt i h n nach Maß, Zahl und Gewicht. Er analysiert ihn vielleicht, u m festzustellen, aus welchen chemischen Elementen er besteht. A m Endpunkt einer solchen Analyse mögen dann kleinste Materieeinheiten, Atome oder gar wieder Protonen, Neutronen und Elektronen als Bestandteile der Atome stehen, die unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden können: Der naturwissenschaftliche Erkenntnisvorgang scheint mit alledem objektiv-exakte, unbezweifelbare Tatsachen als Elemente der Wirklichkeit zu liefern. Es scheint so, als könne man grundsätzlich jedem Ding der Außenwelt nach dem genannten Modus auf die Spur kommen. Ein von dieser herkömmlichen Anschauung völlig divergentes B i l d bieten die Dinge der Außenwelt i n der Sicht W. Schapps. Danach ist es nicht möglich, i n jenem objektiv-analytischen Sinne von Dingen als „Gegenstand", „chemischem Element", „Stoff", „ A t o m " zu reden, weil sie als solche i n keinerlei faßbarem Sinnzusammenhang mit einer konkreten Lebenswirklichkeit stehen. Ein solcher sinnhafter Zusammenhang ist nur dann möglich, wenn diese Dinge der Außenwelt i n den konkreten Geschichten der konkreten Menschen einen Ort finden. Allenfalls von hierher kann sich dann ergeben, was etwa ein Atom, was der Stoff eines Dinges sein mag. W. Schapp setzt deshalb nicht i n der abstrakten Ebene des Atoms, sondern i n der anschaulichen Ebene des starren Wozudinges an. 2 3 5 Der Ausdruck Wozuding soll andeuten, daß 234 w. Schapp, I n Geschichten, S. 122 f. 235 v g l . W. Schapp, I n Geschichten, S. 11 ff.; ders., Philosophie, S.82; ders., Metaphysik, S. 22 f.

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damit „die von Menschen geschaffenen Dinge . . . , die Werke der Menschen" anvisiert werden. Das Wozuding ist geplant und hergestellt nicht „an sich", sondern zu einem konkreten Zweck und steht damit i n einem konkreten Sinnzusammenhang, d. h. es kommt nur i n Geschichten v o r . 2 3 6 Wozudinge können daher nur dort auftauchen, wo es eine sinnvolle Möglichkeit ihres Gebrauchs durch den Menschen gibt. Neben den Wozudingen werden „Naturdinge" — etwa die „Objekte" der Naturwissenschaften — nur anerkannt, soweit eine Annäherung über das Wozuding möglich ist; insoweit ist das Wozuding — so W. Schapp — die „Nahtstelle zwischen den Geschichten und der Außenwelt". 2 3 7 Trotz seiner Vorbehalte gegen die naturwissenschaftliche Atom-Welt bricht W. Schapp seine Untersuchung beim Wozuding nicht etwa ab, da er aufgrund einer vergleichsweise unbefangenen Blickeinstellung nicht auf bestimmte dogmatische Bindungen festgelegt ist. Daher stellt er i m Anschluß an die Erörterung des Wozudings die Frage nach dem Stoff, aus welchem das Wozuding besteht. I n der uns umgebenden farbigen Welt taucht dieser Stoff als das Auswas der Wozudinge auf. 2 3 8 Dieser Ausdruck „Auswas" zeigt schon an, daß hier nicht vom Stoff her auf das Wozuding, sondern umgekehrt vom Wozuding auf den Stoff h i n gefragt wird. Die konkret gegenwärtige farbige Welt, welche uns gerade jetzt umgibt, taucht nicht als bloße Stofflichkeit, sondern als sinnhafte Wozudinglichkeit vor uns auf, i n welcher der Stoff als das Auswas dieser Wozudinge i n einer nur „sekundären Seinsweise" allenfalls m i t gegeben ist. 2 3 9 Unabhängig von diesem Auftauchen konkreter Wozudinge nach dem Stoff oder der Materie zu fragen, bedeutet bereits wieder eine entfremdende Abstraktion aus der Geschichtenwirklichkeit. Es gibt allerdings auch eine Konstellation, i n welcher das Auswas der Wozudinge i n einem „primären" Sinne zum Auftauchen gelangt, nämlich dann, wenn man die Tätigkeit des Handwerkers oder Arbeiters betrachtet, der durch das Werken am Stoff Wozudinge herstellt. 2 4 0 I n diesem „Sägen, Bohren, Hämmern, Feilen, Hacken, Schleppen, Ziehen, Schieben" haben w i r den tätigen Menschen vor uns. W. Schapp wendet sich allerdings sogleich gegen ein mit dem Ausdruck „primäres Auftauchen des Stoffes" naheliegendes Mißverständnis, „als ob der tätige Mensch an einer vorgefundenen Materie, an einem vorgefundenen Stoffe arbeite." Es verhält sich vielmehr gerade umgekehrt: Der Stoff w. 237 w. 238 w. 239 w. 240 w.

Schapp, Schapp, Schapp, Schapp, Schapp,

I n Geschichten, S. 3. ibid. I n Geschichten, S. 15 ff. I n Geschichten, S. 19. I n Geschichten, S. 20 f.; vgl. auch ders., Philosophie, S. 81 ff.

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taucht erst über dieses „Sägen, Hämmern, Bohren" des tätigen Menschen auf 2 4 1 , wobei das zu schaffende Wozuding gleichsam schon i m Horizont steht. Mensch, Ding und Stoff sind nach alledem immer nur i n und über Geschichten anzutreffen. Das Gebilde der stets konkreteinmaligen Geschichte gibt somit das alle drei Elemente einigende Band, die Geschichte w i r d zu jenem Ort, an welchem das Subjekt zu seiner mit sich selbst identischen Einheit findet. Wenn dem Wozuding vor dem Stoff als seinem Auswas eine ontologisch vorgeordnete Stellung eingeräumt wird, das Wozuding also „erst den Stoff über die Tätigkeit (sc. des werkenden Menschen) aus dem Nichts heraus(hebt)" 212 , so erkennt man erneut die Option für eine möglichst anschauliche Erfassung des „lebendigen Zusammenhangs" der Geschichten untereinander. W. Schapp weist hier die mathematischnaturwissenschaftliche, nach Universalität strebende Methode i n ihre Grenzen, da sie i n ihrer abstrahierenden Begrifflichkeit den Weg zur konkreten Geschichtenwirklichkeit gerade verstellt. „Das Hauptgewicht des Weltganzen" — so sagt W. Schapp — „(liegt) nicht i n Naturwissenschaft und Mathematik, sondern i n den Geschichten, obwohl sich die Mathematik über Plato i n das Gebiet der Geschichten hineingedrängt hat."243 Als Deutungshilfe für den soeben dargelegten Zusammenhang von Mensch, Wozuding und Auswas i m Gebilde der Geschichte zieht W. Schapp häufig das B i l d des Kreises heran, denn dieses B i l d ist i n besonderem Maße dazu geeignet, die Unzulänglichkeit der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise mit ihrer Aufspaltung von Subjekt und Objekt zu veranschaulichen. Das B i l d des Kreises 2 4 4 weist darauf hin, daß man nicht zunächst Mensch und Ding auseinanderreißen kann, u m nach der Erschaffung dementsprechender Abstrakta das eine auf das andere sich nach der A r t eines linearen Erkenntnisprozesses richten zu lassen. Die Problematik einer so vorgestellten linearen Erkenntnisbeziehung liegt darin, daß sie nur i n einer Richtung — vom erkennenden Subjekt zum Objekt der Erkenntnis — verläuft und dann abrupt abbricht; auf diese Weise w i r d der kreisartigen Verfassung der Lebenswirklichkeit nicht Rechnung getragen. Die auf dem Hintergrund der Subjekt-Objekt-Spaltung sich abhebende Ansicht, das Subjekt könne i n einem Urteil die als bloßes Erkenntnisobjekt gesehene Wirklichkeit — zumal die Wirklichkeit des sozialen Lebens — nach mathematisch241 w. Schapp, ibid. 242 w. Schapp, I n Geschichten, S. 21. Vgl. dazu auch Lübbe, in: Marquard Stierle, S. 655 ff. 243 w. Schapp, Metaphysik, S. 5; ders., I n Geschichten, S. 94 f. 244

W. Schapp, I n Geschichten, S. 20, S. 22 f.

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naturwissenschaftlicher Denkart objektiv-exakt erfassen 245 , hat etwas sehr viel Naiveres an sich als die Unbefangenheit der Sprechweise, welcher sich die Geschichtenphilosophie bedient, weil sie darauf Bedacht nimmt, die als sinnhafte Kreisgebilde auftauchende Geschichtenwirklichkeit so weitgehend wie möglich anschaulich zu beschreiben. Diese — i m übrigen stets nur als Versuche ausgelegten 246 — Umschreibungen verstehen sich nicht als von außen an Mensch, Wozuding, Auswas oder gar die ganze Geschichte herantretendes linear gerichtetes Erkenntnisstreben, sondern sind bei näherem Zusehen selbst wieder Kreisbewegungen von demjenigen, was Geschichten sind und beinhalten. Welch fundamentale Bedeutung W. Schapp der durch das Gebilde der Geschichte geleisteten Wirklichkeitskonstitution zumißt, w i r d nicht zuletzt bei der Erörterung der Frage offenkundig, ob es auch eine W i r k lichkeit außerhalb von Geschichten geben kann. 2 4 7 Hierzu werden mehrere Stellen i n Betracht gezogen, an welchen das Auftauchen eines „Außerhalb" von Geschichten denkbar ist. Dies scheint nun zunächst i m Zusammenhang mit dem Phänomen der Zeit der Fall zu sein. Zwar läßt sich die Frage nach dem Alter von Mensch, Tier und Wozuding noch durch den Verweis auf ihre individuelle Entwicklung, auf ihre „Lebensgeschichte" i m Sinne einer Abfolge mehr oder weniger markanter Punkte, beantworten. I m Hinblick auf die Materie jedoch stellt sich die genannte Frage i n einem scheinbar anderen Lichte, weil diese Materie „ m i t dem Anspruch des ,Ewigdagewesenseins' auftritt" und „damit . . . gleichsam aus der Geschichte herausfallen w ü r d e . " 2 4 8 Bei näherem Zusehen ergibt sich indessen, daß die Ausstattung der Materie m i t dem Prädikat der Ewigkeit durch ihre Abtrennung vom Wozuding bedingt ist, was aber zugleich dazu führen muß, daß sie als ewigdagewesene i n Geschichten nicht unterzubringen ist. Außerhalb von Geschichten kann man — so verstehen w i r W. Schapp — von Materie nur sprechen, wenn man sie aus jedem denkbaren Sinnzusammenhang menschlichen Daseins herauslöst. Gleiches läßt sich i m übrigen auch für die Frage sagen, „ob diese Welt, ob Erde, Sonne, Mond und Sterne nicht auch sind, wenn sie nicht gedacht werden." Auch hier „hat es keinen Sinn, nach einem Dasein außerhalb von Geschichten zu fragen." 2 4 9 2« v g l . dazu neben der oben B. I I I . 1. a. referierten „Realen Rechtslehre" E m s t Wolfs auch Simitis, S. 1 ff. 246 v g l . etwa W. Schapp, I n Geschichten, S. 94, S. 165; ders., Philosophie, S. 80 (Überschrift zu 4. e.). 247 w. Schapp, I n Geschichten, S. 164 ff. 248 w\ Schapp, I n Geschichten, S. 165. 249 W. Schapp, I n Geschichten, S. 166.

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Als Resümee läßt sich daher zusammenfassen, daß die Geschichte der einzige Ort ist, an dem eine konkret-individuelle Wirklichkeit zu finden ist, die Sinn hat. Das Menschsein ist damit „erschöpft i m Verstricktsein i n Geschichten" 250 , das Verstricktsein i n Geschichten ist immer gegenwärtig. Wenn nun allerdings soeben davon die Rede war, daß die Geschichte der notwendige Seinsort aller konkret-individuellen Gegebenheiten sein muß, so könnte man immerhin noch der Ansicht sein, daß allgemeine Begriffe oder allgemeine Gegenstände den Weg zu einem Außerhalb von Geschichten freimachen. 251 Ob diese Ansicht zutrifft, hängt davon ab, wie W. Schapp Begriff und allgemeinen Gegenstand als solche beurteilt. Insoweit ist bereits an einer früheren Stelle dieser Untersuchung angeklungen, daß die Geschichtenphilosophie sich i n einem spezifischen Impetus vor allem gegen die mathematisch-naturwissenschaftliche Weltsicht wendet. 2 5 2 I m folgenden soll diese Frontstellung noch einer etwas eingehenderen Betrachtung unterzogen werden, innerhalb derer dann insbesondere die Stellung der allgemeinen Begriffe bzw. der allgemeinen Gegenstände i n der Geschichtenphilosophie zum Thema gemacht wird. c) Ganzheitliche Betrachtungsweise

Es ist ein markantes Kennzeichen des Selbstverständnisses moderner (Natur-)Wissënschaften, daß ihre Forschungsprozesse nicht ganzheitliche Zusammenhänge, sondern vergleichsweise eng umgrenzte Einzelheiten anzielen. Dies gilt u m so mehr, seit sich moderne Wissenschaftlichkeit vom theologisch-philosophischen Lehrgebäude als alle Wissenschaft umspannendes Dach emanzipiert hat und sich daher nicht mehr als cognitio ex principiis, d. h. als nähere Entfaltung philosophischer Einsicht entsprechender Grundsätze, begreift. 2 5 3 Die theologisch-philosophische Legitimation w i r d nunmehr durch ein empirisches Fundament ersetzt. Erst aufgrund empirischer Einzelbetrachtung und Erstellung dementsprechender Protokollsätze können dann Hypothesen, Gesetze und Theorien ausgearbeitet werden. 2 5 4 Der unverkennbare Erfolg moderner Wissenschaftlichkeit, ihr sich ständig auf experimenteller Grund250 w. Schapp, I n Geschichten, S. 167. 251 W. Schapp, ibid. 252 Vgl. oben Β . I V . 1. a. 253 v g l . dazu Baumgartner, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 6, S. 1740. 254 z u dem i n diesem Zusammenhang entstehenden sogenannten „ I n d u k tionsproblem" vgl. näher Popper, Logik, S. 3 ff.; Seiffert, Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 160 ff., besonders S. 164 ff.; vgl. auch Bochenski, S. 118.

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läge fortschreibender Erkenntsprogress, scheint gerade dadurch bedingt zu sein, daß wissenschaftliche Praxis sich vom dauernden Zwang zum Mitdenken des Gesamtzusammenhangs ihrer Tätigkeit und ihrer Ergebnisse entlastet weiß. 2 5 5 Der so umrissene Sachverhalt spiegelt sich institutionell i n dem gegenwärtig erreichten ausgeprägten Differenzierungsgrad wissenschaftlicher Tätigkeit. Diese i m weiteren Vordringen begriffene Aufspaltung der Wissenschaften i n Einzeldisziplinen m i t jeweils streng begrenzten Untersuchungsgebieten hat auch vor einer sich als Wissenschaft begreifenden Jurisprudenz nicht haltgemacht, wiewohl die ganze Schärfe disziplinärer Trennung hier — übrigens nicht zuletzt wegen der stets festgehaltenen einheitlichen Juristenausbildung — nur i n einem vergleichsweise beschränkten Maße durchschlägt. 256 Konsequenz einer solchen Ausdifferenzierung und Spezialisierung wissenschaftlicher Forschung kann aber schließlich nur sein, daß sich auch die immer i n exakt umgrenzten Einzelaspekten schlaglichtartig beleuchtete, von diesen Wissenschaften erforschte „Wirklichkeit" nur noch i n einer Vielzahl von Einzel- bzw. Teilobjekten zeigt. Gerade die so beschriebene analytische Implikation mathematischnaturwissenschaftlicher Weltbetrachtung hat W. Schapp nun i m Auge, wenn er sich mit seiner Geschichtenphilosophie gegen Mathematik und Naturwissenschaft wendet. Die durch die Geschichtenphilosophie ausgesprochene Warnung vor einer mechanistischen Zerlegung der ganzheitlich verfaßten W i r k l i c h k e i t 2 5 7 w i r d näher ausgeführt i n ihrer K r i t i k an der doppelt vermittelten analytischen Wirkung der mathematischnaturwissenschaftlichen Sichtweise. Diese Doppelwirkung besteht zum einen i n einer gegenständlich-räumlichen Vereinzelung der Dinge, zum anderen i n der isolierenden Heraustrennung eines genau fixierten Jetztpunktes aus dem zeitlichen Zusammenhang, i n welchem die i n der Geschichtenwirklichkeit auftauchenden Dinge und Vorgänge stehen. aa) Allgemeiner

Begriff

und allgemeiner

Gegenstand

Eine gerade für die vorliegende Untersuchung zentrale Stelle der Geschichtenphilosophie ist dort erreicht, wo W. Schapp die Frage nach der Existenz allgemeiner Gegenstände bzw. allgemeiner Begriffe oder Sätze zum Gegenstande seiner Darlegungen macht. 2 5 8 Seine Stellung255 v g l . Lübbe, Theorie, S. 58, S. 60. 25β Z u m ausbildungsabhängigen „Zusammenhalt der juristischen Profession" vgl. Luhmann, Ausdifferenzierung, S. 75. 257 w. Schapp, I n Geschichten, S. 75. 258 w. Schapp, I n Geschichten, S. 56 ff., S. 69 ff.; vgl. auch ders., Philosophie, S. 38 ff., S. 138 ff.

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Β . I V . Die Ontologische Rechtslehre

nähme gegen das Denken und Reden i n Gattungsbegriffen und allgemeinen Sätzen resultiert aus dem i m Rahmen mehrerer Einzeluntersuchungen gewonnenen Ergebnis, daß innerhalb der konkreten Geschichtenwirklichkeit nichts nachweisbar ist, was dazu berechtigen könnte, die Existenz allgemeiner Gegenstände anzunehmen. Man könnte sich mit W. Schapp etwa die Frage vorlegen, ob man von dem tatsächlich gegenwärtigen einzelnen Wozuding, etwa einem Automobil, das vielleicht seit einem Monat i n meinem Eigentum steht und durch eine Mehrzahl von miteinander verbundenen Momenten — Herstellung, Inbetriebnahme, Unfall m i t Blechschaden etc. — auftaucht, irgendwie zu einem allgemeinen Gegenstand des Automobils, zur Gattung Automobil gelangt. W. Schapp führt aus, daß selbst dann, wenn zehntausend Automobile nebeneinandergereiht vor uns stünden, n i r gends irgendein allgemeiner Gegenstand gegeben ist, „der über den 10 000 Automobilen schwebte." 269 Vielmehr ist jedes einzelne der zehntausend Automobile durch „seine besondere Nummer, sein besonderes Kennzeichen" von all dem, was mit dem Gattungsbegriff Automobil allenfalls gemeint sein könnte, unüberwindbar abgehoben. I m Fall des gebrauchten Automobils w i r d dies lediglich ganz besonders deutlich, es hat jedoch selbst für eine Vielzahl fabrikneuer Automobile seine Richtigkeit. Freilich kommt es hierbei darauf an, sich dessen zu versichern, daß i n Wirklichkeit nicht etwa die besondere Nummer oder das besondere Kennzeichen den unhintergehbaren Status eines jeden Automobils als Einzelgegenstand begründet, sondern letzteres stets auf seine Einordnung als Wozuding i n den ganzheitlichen Sinnzusammenhang konkreter Geschichten zurückgeht. Die Vielzahl der Automobile fügt sich nach alledem nicht zu einem allgemeinen Gegenstand oder Gattungsbegriff zusammen, sondern ist lediglich als Serie der Automobile — gegebenenfalls eines bestimmten Typs — faßbar. 2®0 Der Ausdruck Serie — W. Schapp verwendet als Synonym auch den Ausdruck Reihe 261 — soll darauf hinweisen, daß es sich hier eben nicht u m einen allgemeinen Gegenstand, sondern lediglich u m eine endliche Abfolge konkreter Einzelgegenstände handelt. Auch die Serie selbst ist wieder nicht etwas Allgemeines, sondern stellt eine einzigartige Abfolge dar, die auf eine konkrete geschichtliche Entwicklung verweist. Der allgemeine Gattungsbegriff ist das Produkt eines Abstraktionsvorganges, i n welchem von den konkreten Bestimmtheiten des ein259 w. Schapp, I n Geschichten, S. 57. 2βο W. Schapp, ibid. 2«i v g l . w. Schapp, Philosophie, S. 38 (Überschrift).

1. Die Geschichtenphilosophie W. Schapps

79

zelnen Wozudings oder auch anderer i n Geschichten auftauchender Etwasse abgesehen wird. W. Schapp deutet diesen Abstraktionsvorgang dadurch i n einer anschaulichen Form an, daß er etwa den allgemeinen Gegenstand Automobil als über der Vielzahl der einzelnen Automobile „schwebend" beschreibt. 262 I n welchem Zusammenhang steht nun die Zurückweisung der allgemeinen Gegenstände und Begriffe mit der Stellungnahme gegen das analytische Vorgehen und mit dem Eintreten für eine — der geschichtlichen Wirklichkeit allein angemessene — ganzheitliche Betrachtungsweise? Ist nicht die von W. Schapp hervorgehobene Konzentration auf den Einzelgegenstand gerade ein Votum für eine analytische Blickeinstellung? Zur Vorsicht mahnt hier bereits die Tatsache, daß W. Schapp den Ausdruck „Gegenstand" m i t seiner Tendenz zur Verobjektivierung ausdrücklich v e r w i r f t . 2 6 3 Er hat es also nicht auf Einzelheiten i m Sinne der naturwissenschaftlichen Forschung, sondern auf einzelne Wozudinge und Lebewesen abgesehen, soweit sie als in Geschichten vorkommend eine sinnhafte Einheit bilden. 2 6 4 Darin liegt auch der Grund für den zunächst überraschenden Gedanken, daß gerade i n der ausschließlichen Anerkennung einzelner Lebewesen oder Wozudinge als geschichtlich wirklich die ganzheitliche Betrachtungsweise so ausgeprägt i n Erscheinung tritt. Das Denken und Sprechen i n allgemein-abstrakten Gattungsbegriffen weist demgegenüber einen spezifischen Bezug zur analytischen Blickeinstellung auf. Diese Affinität zeigt sich darin, daß der Begriff als Verknüpfung bestimmter Merkmale vorgestellt wird, welche seinen Inhalt ausmachen. 265 Unternimmt man es nun zu untersuchen, ob ein bestimmtes Individuum zu einer bestimmten allgemeinen Gattung zugehörig ist, so w i r d dieses daher nicht i n seiner konkreten Ganzheitlichkeit, i n seiner Geschichtlichkeit, i n Betracht gezogen; vielmehr w i r d das betreffende Individuum daraufhin abgeleuchtet, ob es die von dem betreffenden Gattungsbegriff „geforderten" Merkmale aufweist. Von diesen Merkmalen spricht man dann auch als „Eigenschaften" des jeweiligen Individuums. Gerade dem Juristen ist der soeben beschriebene Vorgang unter dem Namen der Subsumtion i n besonderer Weise geläufig, wenn er überprüft, ob ein bestimmter „Lebenssachverhalt" den Tatbestand einer allgemeinen Norm erfüllt. I n dem Ableuchten des 2«2 w. Schapp, I n Geschichten, S. 57. 2«3 w. Schapp, I n Geschichten, S. 69. w. Schapp, I n Geschichten, S. 64. Vgl. Wagner, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 1, S. 196f.; Larenz, Methodenlehre, S.432; richtig insoweit auch E.Wolf, AT, S. 13. 265

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Β . I V . Die Ontologische Rechtslehre

konkreten Individuums auf das Vorliegen bestimmter Merkmale h i n ist man gezwungen, sich sukzessive je auf einzelne Teilaspekte des betreffenden Individuums zu beschränken, ohne indessen das Ganze des konkreten Einzeldings überhaupt zu Gesicht zu bekommen: Man zerlegt es so i n eine Vielzahl von Bestandteilen, denen dann jeweils wiederum eine gegenständliche Allgemeinheit zugemessen w i r d . 2 6 6 So schreibt sich die begriffliche Analyse, die zugleich eine Zerstückelung der Lebenswirklichkeit m i t sich bringt, immer weiter fort, bis etwa mit der physikalischen Quantentheorie ihr scheinbares Ende erreicht ist. M i t der von W. Schapp angegriffenen Redeweise i n abstraktallgemeinen Gattungsbegriffen und Sätzen w i r d die wichtigste Bestimmtheit eines jeden i n der Geschichtenwirklichkeit vorkommenden Individuums, gleich ob es sich dabei u m einen Menschen, ein sonstiges Lebewesen, ein Wozuding oder schließlich eine ganze Geschichte handelt, nämlich seine durch die Geschichtenwirklichkeit vermittelte, ganzheitliche Verfaßtheit, aus den Augen verloren. Die These, daß das Ganze über die Vielzahl seiner Einzelaspekte nicht zum Auftauchen gebracht werden kann, ja gleichsam dem Blick u m so mehr entschwindet, je exakter man es durch immer feinere Zergliederung i n seine Bestandteile analytisch zu beschreiben versucht, w i r d freilich nicht überall auf Zustimmung stoßen. Insbesondere folgt aus der bereits begegneten Auffassung, das Ganze könne niemals mehr sein als die Summe seiner Teile 2 6 7 , die Gegenthese, daß man das Ganze durch eine naturwissenschaftliche Betrachtung nicht etwa verfehle, sondern i m Gegenteil des Ganzen durch eine so weit wie eben möglich getriebene Zergliederung erst recht habhaft werde. Die als Geschichte verstandene Lebenssituation ist indessen — folgt man W. Schapp — nicht durch eine solche Zerlegung faßbar, „die Lebenssituation als Ganzes . . . besteht nicht aus Teilen." 2 6 8 Der sich hier auf tuenden Frage, ob nicht die Geschichtenphilosophie selbst mit ihrer Darstellung dessen, „was i n Geschichten vorkommt", der Gefahr einer analytischen Verfälschung der Geschichtenwirklichkeit verfällt, soll später noch etwas tiefer nachgegangen werden. 2 6 9

2ββ Vgl. hierzu W. Schapp, I n Geschichten, S. 64. Vgl. E.Wolf, A T , S. 21; vgl. auch Schlick, in: Topitsch, Logik, S. 229 ff. 2«8 so Lübbe, Kant-Studien 1960/61, S.231 unter Bezugnahme auf die Spätphilosophie Wittgensteins (insbesondere also Wittgensteins „Philosophische Untersuchungen"), der er daselbst S. 243 eine ausgesprochene Nähe zur Geschichtenphilosophie W. Schapps bescheinigt. Z u m Problem vgl. auch W. Schapp, Philosophie, S. 78; ders., I n Geschichten, S. 69, S. 72 ff. 2W Vgl. unten Β . I V . 1. d.

1. Die Geschichtenphilosophie W. Schapps bb) Der Horizontcharakter

der

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Geschichten

Mit dem Hinweis auf den Horizontcharakter der Geschichten wendet sich W. Schapp insbesondere gegen die analytische Blickeinstellung i n der zeitlichen Ebene. Die Wozudinge etwa tauchen nicht i n einer punktuellen Gegenwart auf, sondern immer nur i n der auch i n zeitlichdynamischer Hinsicht gegebenen Einheitlichkeit der Geschichten. 270 Während die mathematisch-naturwissenschaftliche Betrachtungsweise es gewohnt ist, den Erkenntnisakt i n ein „hic et nunc" zu verlegen, das als genau fixierter Punkt auf der Zeitachse verstanden wird, weigert sich die Geschichtenphilosophie, ein bestimmtes „gerade jetzt" aus dem gesamten Sinnzusammenhang herauszulösen und der stets nur als Geschichte gegebenen Wirklichkeit auf diese Weise Gewalt anzutun. Dieser Horizontcharakter der Geschichte und der Gebilde, die i n ihr vorkommen, w i r d etwa darin offenkundig, daß mit dem Wozuding zugleich sein Alter, seine Vergangenheit auftaucht. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts bringt W. Schapp das folgende Beispiel: „Die Tasse, aus der ich täglich trinke, hat einen Riß. Gestern war dieser Riß noch nicht da. I m Horizont t r i t t jetzt die Frage auf, wie es zu diesem Riß gekommen ist. Damit bildet sich i m Horizont, der stets vorhanden ist, gleichsam eine Insel." 2 7 1 Neben der Vergangenheit ist auch die Zukunft des jeweiligen konkreten Individuums i m Horizont bis zu einem gewissen Grade immer schon mitgegeben. 272 Vergangenheit und Zukunft haben dabei keine eigentlichen Endpunkte, sondern verlieren sich irgendwo i m Horizont. Der Horizont wandert mit den Einzelgebilden, zu denen er gehört, und verhindert damit eine ontologische Vereinzelung, wie sie die analytische Theorie des hic et nunc vorzugeben scheint. So wenig die innerhalb einer Geschichte sichtbaren Momente i n der beschriebenen Weise insolierender Betrachtung verfallen dürfen, so wenig darf dies mit der Geschichte ihrerseits geschehen. Zwar lassen sich i m menschlichen Leben viele jeweils mehr oder weniger abgeschlossene Geschichten unterscheiden, doch fügen sich diese wieder zu einer großen Gesamtgeschichte des einzelnen Verstrickten zusammen. 273 Auch die einzelne, sich gerade abspielende Geschichte (ich sitze am Schreibtisch und arbeite an meiner Untersuchung) hat ihren Horizont, in dem frühere oder spätere oder parallel laufende Geschichten bis zu 270 271 272 273

w. W. w. w.

Schapp, Schapp, Schapp, Schapp,

6 Nierwetberg

I n Geschichten, S. 17, S. 59 ff., S. 64. I n Geschichten, S. 17. I n Geschichten, S. 59. I n Geschichten, S. 128 ff.

Β . I V . Die Ontologische Rechtslehre

82

einem gewissen Grade noch oder schon gegeben sind. I m Horizont integrieren sich die Einzelgeschichten zum einheitlichen Zusammenhang meiner Lebensgeschichte, einer umfassenderen Wirgeschichte, schließlich einer umfassenden Weltgeschichte. W. Schapp verbildlicht diesen Zusammenhang wieder m i t dem organischen Wachstum einer Pflanze oder eines Baumes. „ . . . I n jeder Geschichte (ist) schon die zukünftige Geschichte mit angelegt, (so) daß die vergangene Geschichte die zukünftige hervortreibt, aus sich heraussprießen läßt oder wie man dies sonst zu treffen versuchen will." „Es wäre sinnlos . . . , sich einen Baum vorzustellen ohne dies alles (sc. Sturm, Regen, Sonnenschein, Insekten etc.), was w i r nur i n Gedanken vielleicht von i h m trennen könnten durch eine A r t Vergewaltigung." 2 7 4 d) Asymptotische Annäherung an die soziale Lebenswirklichkeit

W. Schapp bezeichnet das Verstricktsein i n Geschichten als den „Ort, wo w i r Wirklichkeit oder letzte Wirklichkeit suchen müßten." 2 7 5 Daneben gibt es aber i n seinen Ausführungen auch eine Vielzahl von Hinweisen darauf, daß es durchaus fraglich ist, inwieweit mit dem Gebilde der Geschichte tatsächlich die „letzte Wirklichkeit" getroffen ist. Bezugnehmend auf dieses Gebilde der Geschichte heißt es etwa, sobald die Frage gestellt werde, „was das nun eigentlich sei, was ein Mensch, was ein Tier, eine Geschichte sei, mögen w i r zwar viele Antworten bereit haben, aber keine Antwort, die ins Schwarze t r i f f t . " 2 7 6 A n anderer Stelle unterwirft er die von i h m statt der kritisierten abstrakten Gattungsbegriffe benutzten Ausdrücke „Serie" und „Reihe" selbst wieder einer K r i t i k , indem er darauf verweist, daß mit ihnen noch keineswegs adäquate Ausdrücke gefunden seien. Es läuft geradezu auf die Unlösbarkeit einer Aporie hinaus, daß man eigentlich weder von Gattung noch von Reihe, sondern „von etwas Drittem" sprechen sollte, „für das uns der Ausdruck fehlt." 2 7 7 Der Grund für diese Schwierigkeiten w i r d sichtbar, wenn man erkennt, daß die angedeutete Aporie gerade i m Zusammenhang mit der Zugehörigkeit von Lebewesen und Wozudingen zu einem Ganzen, also auf dem Hintergrund ihrer ganzheitlichen Verfaßtheit, auftaucht. Gerade weil die Wirklichkeit menschlichen Daseins und Miteinanderseins i n Geschichten diesen prägenden Charakter der Ganzheitlichkeit auf274 w. Schapp, 275 W. Schapp, S. 660 f. 27« IV. Schapp, 277 w. Schapp,

I n Geschichten, S. 129 ff. I n Geschichten, S. 5; vgl. dazu insbesondere Lübbe, I n Geschichten, S. 85 (Hervorhebung v o n mir). Philosophie, S. 38 f.

Studie,

1. Die Geschichtenphilosophie W. Schapps

83

weist, kann man ihr mit sprachlich gefaßten Beschreibungen letztlich niemals i n vollkommenster Weise gerecht werden. I m gleichen Augenblick, i n welchem man über eine Geschichte zu sprechen beginnt, ist man wohl schon dabei, die Geschichte insoweit zu „zerlegen", als man schlechterdings nicht über alle ihre „Elemente" — hier ist jeder Ausdruck fraglich! — zugleich reden kann. Als solche „Elemente", besser ist vielleicht noch der Ausdruck „Momente", tauchen i n der Geschichtenphilosophie W. Schapps etwa der In-Geschichten-Verstrickte, das Wozuding, der Stoff als dessen Auswas, andere Lebewesen auf. Aus der so umrissenen ontologischen Problematik nunmehr den der früheren Philosophie Wittgensteins entnommenen Schluß zu ziehen, daß man also zum Schweigen verurteilt sei 2 7 8 , wäre indessen voreilig. W. Schapp stellt der mathematisch-naturwissenschaftlichen A n a l y t i k mit ihrer Rede von Gattungsbegriffen und Begriffsmerkmalen den Ausdruck der „Abblendung" bzw. „Aufblendung" gegenüber. Danach ist es „ein großer Unterschied, ob w i r i n dieser Welt . . . Momente aufblenden, ohne dabei den Hintergrund, den Untergrund aus dem Auge zu verlieren, oder ob w i r diese Momente gleichsam selbständig machen, von dem Untergrund lösen, sie ausschneiden aus dem Ganzen." 2 7 9 I n einer solchen Aufblendung ist das i n gleichem Maße abgeblendete, abgeschattete Ganze — und dies i n deutlicher Divergenz zur Naturwissenschaft, die i n ihrer analytischen Denkweise noch den kleinsten Partikeln eine allgemeine Natur zuspricht — stets mitgegeben. Diese permanente Anwesenheit des Ganzen i m Horizont des jeweils auf geblendeten Momentes führt dazu, daß auch i n der „Einzelbetrachtung" das Ganze des jeweiligen Sinnzusammenhangs nie vollständig entschwindet. Geht man über diese Gedanken W. Schapps noch einen Schritt hinaus, so gibt es noch einen zweiten Gesichtspunkt, den man gegen die These, vor der Aufgabe der Beschreibung einer ganzheitlichen verfaßten Lebenswirklichkeit schweigen zu müssen, ins Feld führen kann. Einer drohenden Entfernung von der geschichtlichen Wirklichkeit läßt sich nämlich dadurch entgegenwirken, daß man statt einer abstraktbegrifflichen Ausdrucksweise eine Sprache der Bilder verwendet. W. Schapp selbst macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das B i l d — er denkt hier an das Gemälde — die gleiche ontologische Qualität aufweist, wie die „wirkliche" Welt. „Die Bildwelt ist so gut Welt wie die sogenannte wirkliche W e l t . " 2 8 0 Neben dieser den phänomenologischen C^rundansatz W. Schapps besonders klar hervorkehrenden Aus278 Wittgenstein, Tractatus, 7. 279 w. Schapp, I n Geschichten, S. 51. 280 W. Schapp, Philosophie, S. 118; vgl. auch S. 127. 6*

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Β . I V . Die Ontologische Rechtslehre

sage sprechen auch die hinsichtlich der Geschichtenwirklichkeit gebrauchten Ausdrücke wie Hintergrund, Vordergrund, Horizont recht deutlich die Auffassung aus, daß „auch bei der Originalwelt, wenn man einmal diesen Ausdruck gelten lassen w i l l , das meiste Hintergrund, Untergrund, Horizont nach allen Seiten und nach allen Zeiten ist . . , " 2 8 1 Das B i l d hat i n seiner Umrahmung ebensowenig eine starre Grenze, wie die Geschichte nicht einfach einen Anfang oder ein Ende hat, sondern mit Vorgeschichte und Nachgeschichte i n den gesamten Sinnhorizont der Weltgeschichte eingebettet ist. Auch die von W. Schapp verwendete Sprache hat nun ihrerseits — so meinen w i r — den angesprochenen Bildcharakter. Dies mag man sich etwa daran vergegenwärtigen, daß man einmal den für W. Schapp zentralen Ausdruck des In-Geschichten-Verstrickten dem Begriff „Subj e k t " , den mit den Beispielsfällen Tasse, Tisch, Stuhl, Haus, Dom, Straße versehenen Ausdruck Wozuding dem Begriff „Gegenstand" oder „Objekt" entgegensetzt. Auch der Vergleich der Geschichte mit einem Baum, einer Pflanze und deren Wachstum 2 8 2 spricht insoweit für sich, und die Anzahl der Beispiele aus der Geschichtenphilosophie ließe sich beliebig erweitern. Die Angemessenheit der Sprache wächst mit diesem Bildcharakter. Den vorstehenden Überlegungen ist freilich sogleich die Warnung vor einem naheliegenden Mißverständnis hinzuzufügen, als ob etwa W. Schapp an der Geschichte eine „Wortseite" und eine „Geschehensseite" unterscheide. Vielmehr betont er ausdrücklich die Unzulässigkeit eines solchen V o r h a b e n s . 2 8 3 Die

Sprache

ist unsere

menschliche

Wirk-

lichkeit. Die Frage nach einer außersprachlichen Wirklichkeit müßte sich i n unauflösbare Widersprüche verwickeln. I n diesem Sinne ist es zutreffend, wenn W. Schapp die Geschichten oder das Verstricktsein i n Geschichten als die letzte Wirklichkeit menschlichen Daseins bezeichnet. 2. Rechtsverhältnisse als Geschichten. D i e Vertragsgeschichte

Wendet man sich auf dieser philosophischen Grundlage nun wieder den spezifischen Belangen der Rechtswissenschaft zu, so stößt man bei W. Schapp selbst auf den Abschnitt „Reihen i m Recht". 2 8 4 I n diesem Abschnitt werden die juristischen Gebilde Eigentum und Vertrag be281 W. Schapp, Philosophie, S. 128. 282 w. Schapp, I n Geschichten, S. 129 ff. Der Gedanke einer besonderen Ausdruckskraft natürlich-bildhafter Sprache findet sich insbesondere auch i n der Religionsphilosophie, vgl. Pabsch, S. 162 ff. (in A n k n ü p f u n g an Guardini, S. 232 ff.). 283 w. Schapp, Philosophie, S. 271, vgl. auch S. 5 f. 284 w. Schapp, Philosophie, S.40 ff.

2. Rechtsverhältnisse als Geschichten. Die Vertragsgeschichte

85

handelt, wobei das Ziel der Untersuchung darin besteht, auch diese Gebilde i n dem Sinnzusammenhang konkreter Geschichten unterzubringen. I m folgenden soll sowohl die Stellung des Eigentums als auch des Vertrages in Geschichten näher ausgeführt werden; der Schwerpunkt der Überlegungen liegt insoweit jedoch auf dem Vertrag, wozu insbesondere J. Schapp eine tiefere Entfaltung des ontologischen Denkansatzes der Geschichtenphilosophie geboten hat. 2 8 5 a) Eigentum und Wozuding

U m einmal den ganz erheblichen Abstand zwischen der Auffassung des Eigentums durch das BGB und die i h m zuzuordnende Rechtswissenschaft auf der einen sowie durch die ontologische Rechtslehre der Geschichtenphilosophie auf der anderen Seite sichtbar zu machen, lohnt sich ein Vergleich der jeweils einführenden Sätze hinsichtlich des Eigentums. Das BGB beginnt i m ersten Titel des dritten Abschnittes des Sachenrechts unter der Überschrift „Inhalt des Eigentums" mit der Feststellung, der Eigentümer könne „ m i t der Sache nach Belieben verfahren" (§ 903). Es versucht auf diese Weise, jeden denkbaren Gebrauch, ja schlechthin alle Gebrauchsmöglichkeiten des Eigentums, damit aber den Inhalt des Eigentums allgemein zu erfassen. Ganz anders W. Schapp. Er bringt das Eigentum zunächst i n einen engen Zusammenhang mit den Wozudingen, die — selbst wieder über ihre Schaffung auf den oder die In-Geschichten-Verstrickten verweisend — „über und über eingehüllt sind oder verbunden sind mit dem, was man unter Eigentum versteht . . . < < 2 8 e Erst und nur mit diesen Wozudingen, d. h. aber nur i n Geschichten, taucht Eigentum auf. Wollte man leugnen, daß die Wozudinge eng m i t dem Eigentum verbunden sind, so gelangte man i n „eine Welt, i n der mein und dein nicht vorkommt." Weil das Eigentum nur mit dem Wozuding, also i n Verbindung mit einem sinnvollen Zweck, aufleuchtet, läßt sich der i n § 903 niedergelegte Gedanke, daß man mit dem Wozuding „nach Belieben" verfahren könne, vom Standpunkt der Ontologischen Rechtslehre her nicht nachvollziehen, denn „das Wozuding ist gemacht zum vernünftigen oder bestimmungsmäßigen Gebrauch, nicht aber zu beliebiger Verwendung." 2 8 7 Das so beschriebene, nur über Geschichten erreichbare konkrete Eigentum hat eben deshalb auch eine zeitliche Existenz; es kann nicht etwa als „Querschnitt durch die Welt" vorgestellt werden 2 8 8 , welcher 285 28« 287 288

j . Schapp, Sein u n d Ort, W. Schapp, Philosophie, W. Schapp, Philosophie, w. Schapp, Philosophie,

S. 115 ff. S.41. S. 42. S. 43.

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Β . I V . Die Ontologische Rechtslehre

jenem v o r h i n 2 8 9 beschriebenen hic et nunc naturwissenschaftlicher Weltbetrachtung eignet. Dementsprechend stellt das „Eigentum überhaupt" auch nicht einen abstrakten Gattunsgbegriff dar, sondern ist vielmehr identisch m i t der Reihe der konkreten Eigentume an einer endlichen Zahl konkreter Wozudinge, die einer Vielzahl von Eigentümern gehören. 290 b) Der Vertrag als Geschichte

Erst vom Eigentum am wertvollen Wozuding gelangt W. Schapp dann zum rechtlichen Gebilde des Vertrages. Die Stelle, an welcher i n der konkreten Geschichte des jeweiligen Eigentums so etwas wie Vertrag aufscheint, ist der friedliche Eigentümerwechsel 291 , wobei die Eigentümerwechsel beim Tode eines Menschen eine abzusondernde Reihe bilden. Jene — nach der Auffassung W. Schapps zunächst noch ganz unabhängig vom System des BGB als Verträge gesehenen — Eigentümerwechsel lassen sich wieder aufteilen i n die Reihe der entgeltlichen und die Reihe der unentgeltlichen Eigentümerwechsel. Wie unbefangen W. Schapp diesen Eigentümerwechsel auf dem Hintergrund der Geschichtenphilosophie zu entwickeln vermag, läßt sich seiner beispielhaften Schilderung etwa eines entgeltlichen Eigentümerwechsels an einem Hause entnehmen, welcher mit seinem Vor- und Nachspiel i n einen ganzheitlichen Sinnzusammenhang eingebettet ist: „Man wohnt zur Miete i n einem unruhigen Hause. Spannungen m i t Vermietern und Nachbarn. Entschluß, ein eigenes Haus zu kaufen. Man spart Jahre hindurch eisern. Man bemüht sich u m Darlehen. Endlich hat man die Anzahlung beisammen. Prüfung vieler Objekte. Abwägung des Für und Wider, schließlich Kauf, Auflassung, Eintragung i m Grundbuch, und eines schönen Morgens erwacht man i m eigenen Hause." 2 9 2 Diese Darlegungen beinhalten den Versuch, den Vertrag als einen konkret-ganzheitlichen Lebensvorgang, eberi als Geschichte zu erfassen, i n die als Hauptpersonen der Veräußerer und der Erwerber verstrickt sind. Begreift man den Vertrag mit W. Schapp i n dieser Weise, so müssen sich erste Reibungspunkte schon insoweit zeigen, als das System des BGB diesen Gesamtvorgang des Eigentümerwechsels i n eine obligatoire» Vgl. oben Β. IV. 1. c. bb. W. Schapp, Philosophie, S.44. W. Schapp, Philosophie, S. 45 ff. Der friedliche Eigentümerwechsel ist hier i m Gegensatz zum (in heutiger Sicht n u r untechnisch zu verstehenden) Eigentümerwechsel etwa durch K r i e g oder Raub gemeint. 292 W. Schapp, Philosophie, S. 46 f. 201

2. Rechtsverhältnisse als Geschichten. Die V e r t r a g s g e s c h i c h t e 8 7

rische und eine dingliche Seite aufspaltet. Bereits i n der noch wesentlich stärker an der husserlschen Lehre orientierten Schrift „Die neue Wissenschaft vom Recht" war W. Schapp zur Ablehnung des isolierten dinglichen Vertrags gekommen 2 9 3 , weil diesem abstrakten dinglichen Vertrag — also der Einigung — als solchem jedwede Vernünftigkeit fehlt. I m Rahmen der Geschichtenphilosophie w i r d nun weiter an dem Nachweis gearbeitet, daß es sich bei dem abstrakt-dinglichen Vertrag u m einen phänomenologisch unauffindbaren Bestand handelt. Die i m dritten Buch des BGB geregelte Einigung bedeutet eine radikale Trennung des Eigentumswechsels von der Vorgeschichte, was i n der Lebenswirklichkeit keine Entsprechung findet. Tatsächlich ist eine Eigentumsübertragung ohne den engen Zusammenhang zu einer causa für diese Rechtsverschaffung nicht denkbar. 2 9 4 Daß diese Abstrahierung der dinglichen Einigung von ihrer schuldrechtlichen Grundlage — dem Juristen unter der Bezeichnung „Abstraktionsprinzip" bekannt 2 9 5 — eine der ontologischen Geschichtenwirklichkeit nicht adäquate dogmatische Position ist, weist W. Schapp durch den Hinweis auf das Bereicherungsrecht nach. M i t dem Bereicherungsausgleich bei fehlgeschlagenem Leistungszweck kommt zum Vorschein, daß die analytische Sichtweise letztlich doch nicht durchgehalten werden kann und „die Vorgeschichte . . . durch eine Hintertür wieder hereingelassen (wird)", soweit der Bereicherungsanspruch „sich auf die Vorgeschichte stützen muß."29® Die Abstraktion der dinglichen Einigung steht „ i n einem unlösbaren Widerspruch zum Verlauf der Geschichte . . . , i n die der Vertrag sich irgendwie einfügen muß, wenn w i r ihn i n der Wirklichkeit unterbringen sollen." 2 9 7 Für eine Übereignung, die — wie es das juristische A b straktionsprinzip zu unterstellen scheint — ohne jede Verbindung m i t einem vernünftigen Grund stattfindet, ist i n der konkreten Geschichtenwirklichkeit kein Raum. Hier soll auf die Problematik des Abstraktionsprinzips nicht näher eingegangen werden. Indessen liegt es nach den bisherigen Darlegungen zur ontologischen Rechtslehre der Geschichtenphilosophie nicht allzu fern, daß die juristische Lehre vom Vertragsschluß als aus zwei korrespondierenden Willenserklärungen bestehender Konsensus überhaupt zweifelhaft werden muß. 2 9 8 J. Schapp hat der Frage, wieweit sich Willenserklärung und Konsensus i n einer konkreten Vertragsgeschichte vorfinden lassen, i n seiner i m

2«5 si* 297 2«8

W. Schapp, Wissenschaft, Bd. 1, S. 70 ff. w. Schapp, Philosophie, S. 51 f. v g l . dazu etwa Medicus, A T , § 20, Rdnr. 220 ff.; Baur, § 5 I V „ S. 41 ff. W. Schapp, Philosophie, S. 50. W. Schapp, Philosophie, S. 52. W. Schapp, Philosophie, S.48f.

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Β . I V Die Ontologische Rechtslehre

Anschluß an die Philosophie W. Schapps verfaßten Schrift „Sein und Ort der Rechtsgebilde" eine vertiefte Untersuchung gewidmet. Ebenso wie W. Schapp geht er davon aus, daß Vertrag, Konsensus und Willenserklärung als allgemeine Gattungsbegriffe phänomenologisch nicht auffindbare Bestände sind. Entgegen der rechtswissenschaftlichen, i n § 305 BGB positivierten Auffassung gibt es kein allgemeines Gebilde namens Vertrag, welches dann einen beliebigen Inhalt annehmen kann. 2 9 9 Aus diesem Grunde ist auch die dogmatische Figur des „Vertrages sui generis" — auch „atypischer" Vertrag genannt 3 0 0 —, welche das notwendige Pendant zur Annahme einer Beliebigkeit des Vertragsinhaltes bildet, entbehrlich. Ein Vertrag ist nicht „zunächst ein Konsens, der dann jeden beliebigen Inhalt haben kann, also ζ. B. ein Kauf sein kann oder eine Miete oder ein Vertrag sui generis oder eine Eheschließung, sondern jeder Vertrag ist schon immer ein Kauf, eine Miete, eine Pacht oder ein Einzelfall aus der Reihe der entsprechenden anderen ähnlichen Verträge." 8 0 1 Der von der Lebenswirklichkeit her gesehene Vertrag hat seinen Hauptsitz i m Vermögensrecht, nicht etwa bei der Begründung eines familienrechtlichen Status. Der Hauptfall des vermögensrechtlichen Vertrages ist dann wieder der entgeltliche Vertrag oder die Reihe der entgeltlichen Verträge, nur von i h m her w i r d der unentgeltliche Vertrag mit dem Haupttypus der Schenkung i n seinem Ausnahmecharakter verständlich. 3 0 2 Infolge der dargelegten fehlenden Allgemeinheit des Vertrages ist der rechtswissenschaftlicii-dogmatische „Ansatz (sc. der Vertragslehre) vom Willen her" verfehlt. Das Gebilde des Vertrages bekommt man nur „ i n den Griff", wenn man es statt i m Willen i n der konkreten Vertrags geschickte und hier wieder über den friedlichen Eigentümerwechsel an Wozudingen verankert. 3 0 3 Die Anbindung des Vertrages an den allgemeinen Willen führt zurück auf das juristische Prinzip der Vertragsfreiheit, welches über die Privatautonomie wieder auf die persönliche Freiheit überhaupt verweist. Auch ein näheres Eingehen auf diese Grundsätze kann aber — so J. Schapp — nichts zur Erfassung des Vertrages beitragen, weil das Entscheidende an dem „Vertragswillen" nicht ist, „daß er frei oder un2«« Vgl. J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 118 f. 300 Vgl. etwa MüKo / Söllner, §305, Rdnr. 3, Rdnr. 38 ff.; Staudinger ! Löwisch, § 305, Rdnr. 21 ff. Larenz, SchR I, § 4 I I . a., S. 45, spricht von Verträgen „ v ö l l i g untypischer A r t " . Fikentscher, SchR, § 11, 3., S. 40, f ü h r t aus, die Parteien könnten neue Vertragsarten „erfinden". Vgl. aber J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 123 f. 301 J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 118. ara j r . Schapp, Sein u n d Ort, S. 119, S. 125. 303 jr. Schapp, Sein u n d Ort, S. 118, S. 121.

2. Rechtsverhältnisse als Geschichten. Die Vertragsgeschichte

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frei ist, sondern daß er i n der zugehörigen Vertragsgeschichte als ein Moment dieser Geschichte einen Sinn h a t . " 3 0 4 J. Schapp befaßt sich dann i m folgenden noch eingehender mit der These der Ontologischen Rechtslehre, daß es sich bei Konsensus und Willenserklärung i m Sinne allgemeiner Gattungsbegriffe u m bloße Konstruktionen handelt, die i n der sozialen Wirklichkeit so nicht vorfindbar sind. Zu diesem Zwecke untersucht er eine konkrete Vertragsgeschichte daraufhin, ob i n ihr so etwas wie Konsensus oder Willenserklärungen tatsächlich nachweisbar sind. Das Beispiel einer Vertragsgeschichte lautet folgendermaßen: 305 „ A möchte sich einen Gebrauchtwagen kaufen. Sein Nachbar Β hat einen Gebrauchtwagen, den er gerne verkaufen möchte. A und Β kommen auf dem Wege zur Arbeit ins Gespräch. A, der weiß, daß Β seinen Wagen verkaufen w i l l , fragt, ob Β den Wagen eventuell an ihn verkaufen würde und w i r d von Β eingeladen, i h n am Abend doch einmal aufzusuchen. A m Abend unterhalten sich A und Β zunächst über die Qualität des Wagens. Β versichert, daß er ihn drei Jahre unfallfrei gefahren habe. Er habe keine Inspektion versäumt. Schließlich bemerkt A: ,Ich möchte aber höchstens 3000 D M anlegen.' Β erwidert: ,Der Preis ist m i r recht/ A sagt nun: ,Gut, also abgemacht.4 Β antwortet: ,In Ordnung.' A fragt den Β nun, ob es i h m recht sei, daß er i h m das Geld am nächsten Tag bringt und dann den Wagen gleich mitnimmt. Β ist damit einverstanden. Nachdem A und Β sich noch eine kurze Zeit unterhalten haben, verabschiedet sich A. A m nächsten Tag bringt A dem Β das Geld und holt den Wagen ab." Diesen anschaulichen Lebensvorgang untersucht J. Schapp nun auf das Vorkommen von Gebilden wie Willenserklärungen und Konsens hin. Nach der an die analytische Blickeinstellung der exakten Naturwissenschaften anknüpfenden rechtswissenschaftlichen „Vertragstheorie des hier und j e t z t " 3 0 6 liegt es nahe, den Vertragsschluß durch zwei korrespondierende Willenserklärungen i m Höhepunkt des Vertragsgeschehens zu suchen. Als solchen kann man i m vorliegenden Beispielsfall die beiden Wendungen „gut, also abgemacht" und „ i n Ordnung" ansehen. Gegen eine Deutung dieser beiden Wendungen als Willenserklärungen seitens A und Β führt J. Schapp jedoch an, daß gerade der Charakter dieser Wendungen als Höhepunkt nur aus dem Ganzen des Vertragsgeschehens sinnvoll und verständlich wird. Man kann sie da& 04 J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 121 f. (Hervorhebung von mir), «os j . Schapp, Sein u n d Ort, S. 132. 30« Vgl. w. Schapp, Philosophie, S. 60; J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 129, S. 137, S. 160, S. 162 f.

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her nicht aus diesem ganzheitlichen Bezug herausisolieren, wie dies m i t der Sprechweise von Willenserklärungen — Antrag und Annahme — geschieht. 307 Gleiches gilt auch für die i n bestimmter Form geschlossenen Verträge, so etwa für den schriftlichen oder notariell beurkundeten Vertrag. 3 0 8 Wollte man i n dem konkreten Vertragsgeschehen Willenserklärungen i m Sinne der juristischen Vertragsdogmatik erblicken, dann müßten A und Β i n dem vorangeschickten Beispiel völlig andere Formulierungen gewählt haben, etwa der A r t „Ich, B, w i l l , daß die Vertragsbedingungen für mich gelten sollen." 3 0 9 Gegenüber solchen bereits am Rande des Absurden liegenden Vorstellungen betont J. Schapp die Kontinuität des Vertragsgeschehens i n ontologischer Hinsicht. Gerade der oben skizzierte Beispielsfall läßt deutlich erkennen, daß die Einigung zwischen den am Vertrag beteiligten Personen nicht nach dem Modus eines „hiermit", i n der Plötzlichkeit eines Augenblickes, zustande kommt, sondern sich die Vertragsgeschichte nach und nach auf diesen Höhepunkt hinentwickelt, der ohne seine Vor- und Nachgeschichte nichts wäre. Ganz i n diesem Sinne prägt W. Schapp den markanten Satz: „Der Konsensus kann nichts." 3 1 0 Der rechtliche Erfolg des Vertrages, also die Verpflichtung, kann daher auch nicht durch einen aus dem Sinnzusammenhang der ganzen Vertragsgeschichte herausgetrennten Konsensus herbeigeführt werden, sondern nur durch seine Vernünftigkeit, die etwa i n der Entgeltlichkeit bzw. Gegenseitigkeit oder der sinnvoll begründeten Untentgeltlichkeit fundiert sein kann. J. Schapp kommt so zu dem Ergebnis, daß Konsensus und Willenserklärung i n der konkreten Vertragsgeschichte i n ontologisch-phänomenologischer Hinsicht nicht vorkommen, nicht nachweisbar sind „an den Stellen, an denen sie vorkommen müßten." 3 1 1 Sowohl der Wille als auch seine rechtswissenschaftlich existenten Spaltelemente — Handlungswille, Erklärungswille und Geschäftswille 312 — sind bloße j u r i stisch-dogmatische Kunstgebilde, die sich sub specie der sozialen W i r k lichkeit als Allgemeinheiten nicht i n einem fixierbaren hic et nunc objektivieren lassen. 313 307 j . Schapp, Sein u n d Ort, S. 135. so« J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 141 ff., S. 144 ff. 309 j . Schapp, Sein u n d Ort, S. 136. aio w. Schapp, Philosophie, S. 64. su J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 143. 312 Vgl. dazu Flume , Rechtsgeschäft, § 4, 2., S. 46 f.; Larenz, S. 320 ff.; Bartholomeyczik, S. 53 ff. 313 J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 178 f., S. 180.

A T , § 19 I I I . ,

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Die überkommene Lehre vom Vertragsschluß kann nach alledem eine anschauliche Deskription 3 1 4 des Vertrages, so wie er in der Wirklichkeit des sozialen Lebens vorkommt, nicht leisten. Da sie überdies auch i n zweifelhaften Rechtsfällen, i n welchen sie ihre Brauchbarkeit allenfalls unter Beweis stellen könnte, ein Zurückgehen auf typische Einzelfälle, i n denen die Rechtslage klar ist oder wenigstens als geklärt angesehen wird, nicht ersparen kann 3 1 5 , w i r d sie von J. Schapp abgelehnt. 3. D i e Bedeutung der Ontologischen Rechtslehre a) Zutreffende Beschreibung der sozialen Wirklichkeit

A u f der einen Seite jener grundlegenden Relation, die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, steht die Wirklichkeit des sozialen Lebens. Diese Seite scheint nun durch den geschichtenphilosophischen Ansatz der Ontologischen Rechtslehre richtig beschrieben zu sein, so daß w i r uns diese Lehre insoweit zu eigen machen. Es ist damit ein festes Fundament für dasjenige gewonnen, was hier unter der sozialen Wirklichkeit verstanden wird. Indem sich die Übernahme des geschichtenphilosophischen Denkansatzes auf die Beschreibung der Lebenswirklichkeit beschränkt, entsteht allerdings unmittelbar die Frage, wie sich die Ontologische Rechtslehre zur Ebene dogmatisch-rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit verhält, eine Problematik, die weiter unten noch Gegenstand eingehender Erörterungen sein w i r d . 3 1 6 Die Geschichtenphilosophie verfolgt i n Gemeinschaft m i t einem Grundgedanken phänomenologischer Forschung das Ziel, die i n der naturwissenschaftlichen Weltanschauung verlorengegangene Einheit von Subjekt und Welt wiederherzustellen. 317 Sie stellt dabei jedoch — insoweit abweichend von der husserlschen Position — nicht die A u f deckung apriorisch-ideeller Vorgegebenheiten, sondern eine anschauliche Deskription des Menschen und seiner Geschichte i n den Mittelpunkt der Überlegungen. 318 Diese m i t der Phänomenologie Husserls nicht übereinstimmende Intention w i r d bei W. Schapp schon vor seinem radikalen Bruch m i t dieser Phänomenologie i n Ansätzen erkennbar. Zwar forscht W. Schapp i n der „Neuen Wissenschaft vom Recht" 3 1 9 ebensogut nach Vorgegebenheiten der Rechtssphäre wie Reinach, dessen rechtsphäno3i4 Dazu, daß dies das Ziel phänomenologischer A r b e i t ist, vgl. Lübbe, Studie, S. 646 f. sis jr. Schapp, Sein u n d Ort, S. 140. Z u dieser „typologischen" Verfahrensweise vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 277 f., S. 402. 3i« Vgl. unten Β . I V . 4. 317 Vgl. dazu schon oben Β . I V . 1. a. 318 Lübbe, Studie, S. 646 f. 3i» Erschienen Β erlin-Grunewald, 1930/32.

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menologische Darlegungen eng an Husserl angelehnt sind, i n seiner Schrift „Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts" 820 ; wäh^· rend jedoch Reinach diese Vorgegebenheiten in einem apriorisch-ideellen Wesensreich verortet, bewegt sich W. Schapp bereits hier auf die konkret-reale Geschichtenwirklichkeit zu, wenn er etwa den Vertrag auf die Grundlage der sozialen Wertbeziehungen stellt. Den „Unterbau" der juristischen Vorgegebenheiten bildet also bei W. Schapp schon i n früheren Stellungnahmen die soziale Lebenswirklichkeit. Dabei betont er ausdrücklich deren Identität mit jenen den „Unterbau" des Vertrages bildenden Wertbeziehungen. 821 Bei dem Vergleich der Spätphilosophie W. Schapps mit seiner vor der Wendung gegen die husserlsche Phänomenologie bezogenen Position ist allerdings insoweit eine gewisse Vorsicht geboten, als die Darlegungen i n der „Neuen Wissenschaft vom Recht" bisweilen einen etwas schillernden Charakter annehmen, was ihr Verhältnis zur phänomenologischen Idee einer Philosophie als „strenge Wissenschaft" betrifft. Dies kommt etwa i n der These W. Schapps zum Vorschein, „der Aufbau des Rechts einschließlich der Wertungsgrundlage" sei „so durchsichtig wie ein mathematisches Gebäude", womit er sich noch ganz i m Sinne Reinachs äußert. 8 2 2 Anders als i n der „Realen Rechtslehre" Ernst Wolfs sind i n der Geschichtenphilosophie und der auf ihrer Grundlage erarbeiteten ontologischen Rechts- bzw. Vertragslehre die grundlegenden Züge der W i r k lichkeit des sozialen Lebens deutlich herausgestellt. Es sind dies Konkretheit, Einmaligkeit und Ganzheitlichkeit der Erscheinungen der sozialen Wirklichkeit. Sie sind ihrerseits der Grund dafür, daß sich die soziale Wirklichkeit bis zu einem gewissen Maße gegen ihre Erfassung durch die gerade entgegengesetzt — nämlich abstrahierend, generalisierend und analysierend — verfahrende mathematisch-naturwissenschaftliche Methode sperrt. Der Gedanke, daß wissenschaftliche Begrifflichkeit i n einen Gegensatz zur Lebenswirklichkeit gerät, hat nicht erst i n der Geschichtenphilosophie, sondern bereits i n der Lebensphilosophie des 19. Jahrhunderts sowie der Existenzphilosophie der Gegenwart einen Ausdruck gefunden. Wenn sich etwa Ludwig Klages gegen die Erschaffung einer gegenständlichen Welt durch die zergliedernde Wirkung begrifflicher Abstraktionen wendet und darauf hinweist, daß die Wirklichkeit nur 320 Erschienen München, 1953. 321 W. Schapp, Wissenschaft, Bd. 1, S. 13; vgl. hierzu J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 38 ff. 322 w. Schapp, Wissenschaft, Bd. 1, S. 179; dazu J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 40.

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bildhaftem Erleben zugänglich sei 3 2 3 , so w i r d die Parallele zur Geschichtenphilosophie recht deutlich. Gleiches gilt für Jaspers' insbesondere an eine einseitig wissenschaftlich-positivistische Weltanschauung gerichteten Vorwurf, abstrahierende Begrifflichkeit fälschlich für allgemeine, gegenstandsadäquate Erfassungen des Ganzen der Lebenswirklichkeit zu halten. 3 2 4 Es entbehrt nun allerdings nicht einer gewissen Berechtigung, Lebens· und Existenzphilosophie ihrer von vornherein und unverkennbar gegebenen kritischen Einstellung zu den exakten Naturwissenschaften wegen für verdächtige Zeugen zu halten. Unverdächtig müssen demgegenüber Stellungnahmen aus dem Räume der mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschung selbst sein, die etwa seit dem ersten D r i t tel des zwanzigsten Jahrhunderts dazu nötigen, an der neuzeitlichen Idealvorstellung objektiv-exakter Weltbeschreibung durch die Naturwissenschaften nicht unerhebliche Abstriche zu machen. Von dieser sogenannten „Grundlagenkrise" der Physik war bereits i m Zusammenhang mit der kritischen Würdigung des Normlogismus kurz die Rede; 325 sie soll i m vorliegenden Zusammenhang des wissenschaftskritischen Impetus der Geschichtenphilosophie noch etwas vertieft werden. Anlaß zu der mit den Namen Planck, Einstein, Bohr und Heisenberg i n etwa umrissenen kritischen Reflexion der herkömmlichen Anschauungen naturwissenschaftlicher und insbesondere mikrophysikalischer Weltbeschreibung war — i n vergröberter Sprechweise — die zu Beginn dieses Jahrhunderts gemachte Entdeckung, daß sich das Licht bei seiner mikrophysikalischen Analyse je nach dem Modus der Betrachtung als aus Wellen oder aus Korpuskeln bestehend zu erkennen gab. 3 2 6 Diese neuen Erkenntnisse der Physik führten aber nicht nur erhebliche Probleme i m Hinblick auf die bis dahin für gültig angesehene, i m wesentlichen an der klassischen Mechanik und Elektrodynamik orientierte physikalische Begrifflichkeit mit sich, sondern hatten über diese „bloße" Ablösung einer „Wirklichkeitsvorstellung" durch die andere — für sich genommen auf dem Hintergrund des gängigen Bildes von exakter Naturwissenschaft schon überraschend genug — die Einsicht zur Folge, daß man sich nach dem neuesten Stand physikalischer Forschung m i t dem Resultat einer „mehrdeutigen" Wirklichkeit konfrontiert sah, ohne 323 Vgl. Klages, S. 96 ff., S. 121 ff., S. 1253 ff. Vgl. auch W. Schapp, I n Geschichten, S. 178 ff. 324 Jaspers, Wahrheit, S. 10 ff. (S. 11 f.); ders., Philosophie, Bd. 1, S. 140 ff.; ders., Einführung, S. 59. Z u Jaspers Wissenschaftskritik vgl. auch Stegmüller, S. 198 ff., S. 234 ff. 325 v g l . oben B. I I I . 3. a. 32« Vgl. näher Heisenberg, S. 12 ff., besonders S. 15; P. Jordan, vgl. auch Primas / Gans, in: Kanitscheider, S. 15 ff.

S. 121 ff.;

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dieses Paradoxon mit dem Hinweis auf die Verfehltheit der älteren Theorie auflösen zu können. Da die klassische physikalische Begrifflichkeit zur adäquaten Formulierung dieser Erscheinung nicht geeignet war, unternahm Niels Bohr den Versuch, diese unterschiedliche Präsentation ein und derselben mikrophysikalischen Einheit mit Hilfe eines neuen Ausdrucks, nämlich demjenigen der Komplementarität zu deuten. Heisenberg spricht davon, daß Bohr mit diesem Ausdruck sowohl dem WellenbiZd als auch dem Teilchenbild ihre jeweils i n unterschiedlichen Forschungssituationen gegebene Berechtigung zuerkennt. Erst dann, „wenn man von einem B i l d zum anderen übergeht und wieder zurück, . . . erhält man schließlich den richtigen Eindruck von der merkwürdigen A r t von Realität, die hinter unseren Atomexperimenten steckt." 8 2 7 A n dieser Aussage Heisenbergs ist nicht nur der Verweis auf die Bildersprache interessant, welche — wie vorhin gezeigt — auch die Diktion der Geschichtenphilosophie maßgeblich beeinflußt 328 , sondern insbesondere der Gedanke, daß die einzelnen Teilaspekte eines Gegenstandes nicht das Ganze der Wirklichkeit beschreiben können. 8 2 9 Wenn Heisenberg schließlich zu dem Ergebnis gelangt, daß man die physikalische Weltbeschreibung eben „nicht vollständig objektiv nennen" könne, daß die objektive wissenschaftliche Beschreibung der Welt vielmehr nur einer nichtwirklichen Idealvorstellung entspreche, so hat dies — worauf Heisenberg i n einem zentralen Sinne abstellt — seinen Grund insbesondere darin, daß gerade die Quantenphysik stets nur sehr kleine Ausschnitte aus dem Weltganzen zum Gegenstand ihrer Betrachtungen macht. 8 8 0 Das Votum der Geschichtenphilosophie für eine ganzheitliche Betrachtung als einzige der Wirklichkeit angemessene Sichtweise findet so seine Bestätigung i n der durch umstürzende Forschungsergebnisse initiierten Selbstkritik jener exakten Wissenschaften, gegen die sie zu Felde zieht. Die Stichhaltigkeit der These einer ganzheitlichen Struktur der Wirklichkeit w i r d durch die vorgestellten, von jeweils völlig verschiedenen Ausgangspunkten her entwickelten Ergebnisse eindrucksvoll belegt. 8 8 1 327 Vgl. Heisenberg, S. 32. 32« Vgl. dazu oben Β . I V . 1. d. 32« So auch — aus der Sicht der Biologie — Kochanski, i n : Kanitscheider, S. 67 ff. (96 ff.). 330 v g l . Heisenberg, S. 36, S. 39. 331 Vgl. auch Lübbe, K a n t - S t u d i e n 1960/61, S.243, der auf die Parallele der Geschichtenphilosophie zur Spätphilosophie Wittgensteins hinweist: Das „Sprachspiel" ist bei Wittgenstein der Ort, an welchem fernab v o n exakter Begrifflichkeit so etwas w i e Lebenswirklichkeit auftaucht, vgl. Wittgenstein, Untersuchungen, 7., 23. (vgl. auch Register).

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Das Gebilde der Geschichte mit dem oder den In-Geschichten-Verstrickten als ihrem Mittelpunkt erscheint i n besonderem Maße dazu geeignet, jene ganzheitliche Struktur der Wirklichkeit, zumal die immer schon konkreten Sinnzusammenhänge der sozialen Wirklichkeit, anschaulich darzustellen. Die Geschichtenphilosophie überwindet so die Fernstellung wissenschaftlicher Begrifflichkeit zur Wirklichkeit des sozialen Lebens durch eine unbefangene Einstellung, die sich i n dogmatisch und theoretisch weitgehend ungebundenem Sprechen äußert. b) Aufdeckung des Mißverständnisses wissenschaftlicher Begriffe als Ontologie

M i t der Offenlegung der konkret-ganzheitlichen Struktur der sozialen Wirklichkeit deckt die Geschichtenphilosophie eine Fehlinterpretation wissenschaftlicher Begriffe auf, welche hier als ontologisches Mißverständnis bezeichnet werden soll. Lenkt man den Blick wieder zurück auf die Rechtswissenschaft, so hat es zunächst den Anschein, als seien es i m wesentlichen die „Reale Rechtslehre" Ernst Wolfs und die „Naturhistorische Methode" des frühen Jhering — vorhin zusammenfassend als die naturalistische Variante des Normlogismus diskutiert —, welche dem genannten Mißverständnis unterliegen. Es besteht darin, abstrakte Gattungsbegriffe für ontologische Gegebenheiten und damit für real-wirklich zu halten. Für die vorliegend insbesondere interessierenden rechtswissenschaftlichen Begriffe von Konsensus bzw. zwei korrespondierenden Willenserklärungen als unabdingbare Voraussetzungen eines jeden Vertragsschlusses bedeutet dies, daß sie i n dem betreffenden Vertragsgeschehen tatsächlich als solche, d. h. i n ihrer Abstraktheit und Allgemeinheit, für gegenwärtig gehalten werden. Demgegenüber hat J. Schapp i n seiner Untersuchung über den Vertrag als Geschichte zeigen können, daß von einem so gearteten Vorkommen von Willenserklärung und Konsens i n der sozialen Wirklichkeit keine Rede sein kann. 3 8 2 Jeder Vertrag ist nicht zunächst ein aus zwei sich deckenden Willenserklärungen zusammengesetzter Konsensus, sondern immer schon eine konkret-einmalige Vertragsgeschichte, deren sinnhafte Ganzheitlichkeit etwa i n der zeitlichen Kontinuität von Vertragsanbahnung, Vertragsschluß, Vertragsabwicklung und gegebenenfalls noch nach Abwicklung fortbestehenden Nachwirkungen — sämtlich nur Momente einer einheitlichen Vertragsgeschichte — zum Vorschein kommt. Dieses sinnhafte Kontinuum w i r d durch den Begriffsapparat der Rechtswissenschaft i n gewissem Sinne verfälscht, oder besser gesagt, es gelangt nur ganz von Ferne i n den Blick. Ein deutliches Auftauchen der sozialen Wirklichkeit des Vertrages ist auf diese Weise nicht möglich. 332 j . Schapp, Sein u n d Ort, S. 115 ff., dazu oben Β . I V . 2. b.

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Die angesprochene Fernstellung der rechtswissenschaftlichen Begrifflichkeit zur Wirklichkeit des sozialen Lebens ist die Grundlage wichtiger Kristallisationspunkte der aktuellen rechtsmethodologischen Diskussion. Von Bedeutung ist i n diesem Zusammenhang insbesondere die Einsicht der Methodenlehre i n die umgekehrte Proportionalität der Abstraktionshöhe eines rechtswissenschaftlichen Begriffs m i t seiner „inhaltlichen" Erfülltheit. 3 3 3 I n der an die Erkenntnis dieser Problemat i k anschließenden Erörterung lassen sich dann allerdings sogleich wieder die Einflüsse begrifflich-abstrakten Denkens nachweisen, indem man die Schuld für die „Inhaltsleere" hochabstrakter Begriffe ihrer mangelnden Präzision anlastet. 334 Der Grund für jenes Phänomen, welches mit dem Ausdruck „Inhaltsleere" gemeint ist, liegt indessen weniger an der eine sich vermindernde Exaktheit signalisierenden Abnahme von Begriffsmerkmalen, sondern vielmehr darin, daß man sich mit zunehmender Abstraktionshöhe immer mehr von der konkreten W i r k lichkeit des sozialen Lebens entfernt. M i t einer zunehmenden Zahl von Begriffsmerkmalen, die selbst als bloß vereinzelte Aspekte eines ganzheitlichen Sachverhalts wenigstens ebenso abstrakt sind, wie die durch sie definierten Gattungsbegriffe, kann man der sozialen Wirklichkeit keineswegs näherkommen. 3 3 5 Von dem hier eingenommenen Standpunkt aus ist mangelnde inhaltliche Erfülltheit gleichzusetzen m i t fehlender Anschaulichkeit eines rechtswissenschaftlichen Begriffes. Demnach gilt mit den erforderlichen Einschränkungen, daß Präzision und Anschaulichkeit eines Begriffes nicht Äquivalente, sondern eher die Pole einer prinzipiell gegensätzlichen Beziehung sind. Wenn also ein rechtswissenschaftlicher Begriff letztlich nicht „inhaltsleer" auftritt, so ist dies nicht seiner wissenschaftlichen Exaktheit, sondern einer geringen Zahl von i h m gemeinter, anschaulich faßbarer Fälle zu verdanken, als deren Merkposten er fungiert. Dementsprechend geht es bei der sogenannten Konkretisierung rechtswissenschaftlicher Begriffe — einer insbesondere vom Verfassungsrecht her geläufigen Verfahrensweise — weniger u m ein Hinzufügen spezieller Begriffsmerkmale zu dem betreffenden allgemeinen verfassungsrechtlichen Begriff, sondern u m eine Zuordnung des konkreten Lebensvorgangs zu eben diesem Begriff oder dieser Norm, woVgl. etwa Lorenz, Methodenlehre, S.432; Göldner, S. 91 f.; Engisch, Idee, S. 24; vgl. auch Wank, S. 73 f. s 3 4 Vgl. Lorenz, Methodenlehre, S. 432; vgl. auch Topitsch, in: ders., Logik, S. 24 ff. 335 Treffend Lipps, Verbindlichkeit, S. 30 ff., der darauf hinweist, daß die uns umgebende gegenständliche Welt nicht zunächst als Vielzahl von M e r k malskomplexen, sondern schlicht als Tisch, Stuhl oder sonstiger Gegenstand gegeben ist. Die „Bestimmung" eines Gegenstandes nach Merkmalen beinhaltet eine Abstraktion. Vgl. auch Heidegger, Sein, § 34, S. 163 f.

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bei man sich vorstellt, daß die jeweils zu ordnenden Lebenssachverhalte als sogenannter „Normbereich" selbst auf die Konkretisierung der Rechtsbegriffe und Normen einwirken. 5 3 6 Wendet man diesen Gedanken der Konkretisierung auf das Z i v i l recht an, so kommt man für den Vertrag zu einer immer konkreter werdenden Annäherung an seine soziale Wirklichkeit m i t der Ausdrucksfolge Konsensus — (schuldrechtlicher) Vertrag — vermögensrechtlicher Vertrag — entgeltlicher oder unentgeltlicher Vertrag — Kaufvertrag — konkrete Kaufvertragsgeschichte. Kehren w i r nun zu der durch die Ontologische Rechtslehre geleisteten Aufdeckung des Mißverständnisses rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit als wirkliche Gegebenheit zurück, so gilt es zu betonen, daß diese Leistung nicht etwa nur i m Zusammenhang vergleichsweise extremer Positionen wie derjenigen Ernst Wolfs oder des frühen Jhering Bedeutung erlangt. Eine der wichtigsten Konsequenzen, die sich aus der Beschreibung der sozialen Wirklichkeit als konkrete Geschichtenwirklichkeit für die Rechtswissenschaft ergeben, ist die darin belegene K r i t i k des juristischen Subsumtionsmodells. 937 Wenn ein Lebensvorgang etwa daraufhin untersucht werden soll, ob er einen w i r k samen Vertragsschluß beinhaltet, so prüft der Jurist, ob i n diesem Vorgang zwei korrespondierende Willenserklärungen vorfindbar sind, und zwar getrennt nach dem Antrag und der Annahme dieses Antrags durch den anderen Vertragspartner. Der Obersatz des als syllogistische Schlußfigur aufgefaßten Subsumtionsmodells würde i n diesem Falle lauten: Ein Vertragsschluß erfordert zwei korrespondierende Willenserklärungen. Der Untersatz hätte dann die Form: Der vorliegende Sachverhalt enthält zwei korrespondierende Willenserklärungen. Die Schlußfolgerung hieße demzufolge: Also beinhaltet der vorliegende Sachverhalt einen Vertragsschluß. Das ontologische MißVerständnis hat seinen Sitz i n dem Untersatz der syllogistischen Schlußfigur. Freilich ist dieser Untersatz auch i n der juristischen Methodologie längst als Kernpunkt der Rechtsanwendungsproblematik erkannt worden 5 3 8 , doch vermag dies die Bedeutung des geschichtenphilosophischen Ansatzes der Ontologischen Rechtslehre keineswegs zu mindern. Erst dieser Lehre kann es nämlich gelingen, m i t säe v g l . etwa Hesse, S. 25 ff.; Pestalozzi in: Dreier I Schwegmann, S. 213 ff. Z u m „Normbereich" vgl. Müller, Normstruktur, S. 117 f., S. 132 ff., S. 142 ff., S. 184 ff. 337 z u m Subsumtionsmodell vgl. Engisch, Studien, S. 7 ff.; Schneider, S. 24 ff.; Hruschka, Konstitution, S. 46 ff.; Kriele, S. 47 ff., S. 162 ff., S. 197 ff.; Haft, S. 61 ff., S. 75 ff.; Müller, Normstruktur, S. 47 ff., S. 168 f.; Lorenz, Methodenlehre, S. 255 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 60 ff. 338 v g l . n u r Engisch, Studien, S. 18 ff.; Lorenz, Methodenlehre, S.257. 7 Nierwetberg

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ihrer anschaulichen Deskription der sozialen Lebenswirklichkeit, innerhalb derer sich die zu „subsumierenden" Fälle ereignen, die Differenz zwischen sozialer Wirklichkeit und rechtswissenschaftlichem Begriff i n der erforderlichen Deutlichkeit herauszuarbeiten und auf diese Weise die Untiefen des Subsumtionsmodells erst einmal von einer festen Warte her auszuleuchten. Darüber hinaus haben die kritischen Anfragen an das Subsumtionsmodell i n das Denken der Rechtspraxis, insbesondere aber auch i n die juristische Ausbildung bislang nur i n sehr begrenztem Maße Eingang gefunden 389 , so daß es sicher verfrüht wäre, i m Hinblick auf die K r i t i k des Subsumtionsmodells von einem überlebten Allgemeinplatz zu sprechen. Schließlich aber fehlt es gerade i n der modernen Methodologie nicht an Versuchen, das rechtliche Begriffssystem und seine praktische Umsetzung i n der Rechtsanwendung einer vollständigen Logifizierung zuzuführen 3 4 0 , an deren Ende der Gedanke einer programmierten Entscheidung von Rechtsfällen steht. Schon aus diesen Gründen ist es bemerkenswert, daß die Ontologische Rechtslehre darauf aufmerksam macht, daß die abstrakten rechtswissenschaftlichen Begriffe keine ontologische Wirklichkeit haben, was dann erst recht für die noch wesentlich abstrakteren, von Rechtslogik und Rechtsinformatik angestrebten Logifizierungen gelten muß. Darüber hinaus fördert aber auch die dem Subsumtionsmodell gegenüber kritisch eingestellte juristische Methodologie wieder ein i m ganzen schiefes B i l d zutage, wenn sie die methodologische Problematik auf den Gesichtspunkt reduziert, daß der „Sachverhalt als Geschehnis" erst i n den „Sachverhalt als Aussage" umgeformt werden müsse, bevor er i m Untersatz erscheinen könne, daß mit anderen Worten die Hauptschwierigkeit i n der Konstitution des verbal explizierten Sachverhaltes, des rechtlichen „Falls", bestehe. 341 Geht man indessen nach dem beschriebenen Modus an die Verwandlung des „Sachverhaltes als Geschehnis" i n den „Sachverhalt als Aussage", u m den letzteren dann daraufhin zu beurteilen, ob die von den Tatbestandsbegriffen einer Rechtsnorm ge339 Vgl. zu der Ausbildungsproblematik Nierwetberg / Taukert, Jura 1982, S. 381 ff. (S. 389). «40 Vgl. zur „juristischen Logik" i m allgemeinen etwa Klug, Weinberger, Taramelo / Schreiner; Rödig, in: Jahrbuch, S. 163 ff.; Schlink, ibid., S. 332 ff. Eine spezifische Ausprägung des Strebens nach logifizierter Rechtsanwendung ist auch die neuerdings i n den Vordergrund wissenschaftlichen I n t e r esses tretende „juristische Argumentationstheorie". Dabei w i r d die ontologische Problematik durch die ausdrückliche (1) Beschränkung auf „ A r g u m e n tation" i n einem gewissermaßen nominalistischen Sinne ausgeklammert. Vgl. etwa Alexy, Theorie; Hassemer u.a., Argumentation; Perelman, Logik; Struck, Theorie. 341 Vgl. Hruschka, Konstitution, besonders S. 20 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 257 ff., S. 262 ff. Vgl. auch die Trennung v o n „ W o r t " u n d „ F a k t u m " bei Haft, S. 95 f.

3. Die Bedeutung der Ontologischen Rechtslehre

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forderten „Merkmale" i n diesem Lebensvorgang „vorliegen", so hat man m i t dem Ausdruck „Sachverhalt als Geschehnis" nicht etwa die Lebenswirklichkeit zum Auftauchen gebracht, sondern man reiht — wie W. Schapp w o h l zu Recht sagen würde — „eine Gewaltsamkeit an die andere." 3 4 2 Wie sehr eine solche Betrachtungsweise der naturwissenschaftlichen Sicht m i t all ihren bereits dargestellten Wirkungskomponenten verhaftet bleibt, w i r d schon i n der Auseinanderdividierung von „Sachverhalt als Geschehnis" und „Sachverhalt als Aussage", i n der A n a l y t i k , m i t welcher ein scheinbar sprachloser Vorgang zum Gegenstand sprachlicher Bearbeitung gemacht w i r d , erkennbar. Die Rechtsanwendung betrifft die Entscheidung sozialer Konfliktsfälle aus der Lebenswirklichkeit, aus einer geschichtlichen Wirklichkeit, welche die Sprache als konstitutiven Bestandteil i n sich b i r g t . 3 4 3 M i t dem „Sachverhalt als Geschehnis" konstruiert man einen Gegenstand, der i n der Geschichtenwirklichkeit des Ich- und Miteinanderseins keinen Platz findet. Sowenig jene Vorstellung einer sprachlosen sozialen Wirklichkeit ontologische Richtigkeit beanspruchen darf, so groß sind die Probleme, die sie ihrerseits aufwirft. Schwierig ist vor allem die Beantwortung der Frage, auf welche Weise man von dem angenommenen „Sachverhalt als Geschehnis" zum „Sachverhalt als Aussage" gelangen kann, eine Schwierigkeit, m i t welcher sich der die Sprache von vornherein integrierende Ansatz nicht konfrontiert sieht. Gänzlich unberücksichtigt bleibt darüber hinaus auch die Frage, wieso sich „Lebensvorgänge" überhaupt als „Sachverhalte" u n d nicht als konkret-ganzheitliche Geschichten darstellen. Die strikte Trennung zwischen dem Ausdruck als intendierendem, bedeutsamem Wort und dem als sprachtranszendent vermeinten intendierten Gegenstand 344 verweist hier auf Gedankengänge, welche i n der phänomenologischen Forschung Edmund Husserls schon wesentlich schärfere Fassungen erhalten haben. 3 4 5 Gerade diese Phänomenologie w a r aber durch i h r gleichsam universalwissenschaftliches Programm daran gehindert, Subjekt und Welt i n einer w i r k lichkeitsadäquaten Weise zu vermitteln; gerade deswegen mußte W. Schapp m i t der Geschichtenphilosophie einen radikalen Neuanfang 342 v g l . W. Schapp, Philosophie, S. 271. Die von W. Schapp kritisierte Trennung einer sprachlichen von einer außersprachlichen Ebene findet sich auch i n F. Müllers Lehre von der Normstruktur, vgl. Müller, Normstruktur, S. 147 ff.; ders., Methodik, S. 272 f.; vgl. dazu näher unten Β. V. 3. b. ee. 343 v g l . Gadamer, in: FS Wieacker, S. 364 f.: „ I m Sprechen über die Dinge sind die Dinge da, i m Sprechen und Miteinander-Sprechen baut sich die W e l t . . . auf." 344 HriLSchka, Verstehen, S. 29 ff.; kritisch zu Hruschka — von einem positivistischen Standpunkt — De Giorgi, S. 118 ff. Nicht ganz deutlich insofern auch neuestens Gröschner, JZ 1982, S. 622 f. 346 v g l . E. Husserl, Ideen, S. 265 ff.; dazu etwa Stegmüller, S. 61 ff. 7*

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machen, u m von dem Reich abstrakter Wesensanalyse i n die Ebene konkreter Geschichtenwirklichkeit zu gelangen. Freilich scheint es noch ein großes Unterfangen für sich, zu überprüfen, inwieweit die Kernprobleme der Rechts an wendung sich mit Hilfe der ontologischen Rechtslehre vollständig lösen lassen. Jedenfalls aber vermeidet sie es, die Deutung der Rechtsanwendung durch eine auf dem naturwissenschaftlichen Weltbild beruhende Zerlegung der sozialen Wirklichkeit noch schwieriger zu gestalten, als sie es ohnehin schon ist. Erst die unbefangene Blickeinstellung des geschichtenphilosophischen Ansatzes ermöglicht nach alledem eine K r i t i k des Subsumtionsmodells, die sich nicht dem Einwand ausgesetzt sieht, den diesem Modell doch wohl irgendwie immanenten Anspruch auf Verbürgung wissenschaftlicher Exaktheit und Objektivität wiederum mit den Hilfsmitteln eben dieser mathematisch-naturwissenschaftlichen Methodik i n seine Grenzen verweisen zu wollen. Insoweit kommt es auch nicht von ungefähr, daß Larenz und Hruschka am Endpunkt ihrer Reflexion schließlich gezwungen sind, m i t dem „Sachverhalt als Geschehnis" von etwas zu sprechen, „das grundsätzlich außersprachlichen Charakter h a t . " 3 4 6 Wenn das Subsumtionsmodell dem Rechtsanwendungsprozeß nicht gerecht wird, dann muß dies — neben methodologischer K r i t i k — auch Modifikationen der Lehre des materiellen Rechts selbst zur Folge haben, welche sich als Einschränkungen des Herrschaftsanspruchs objektivexakter rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit bemerkbar machen. Hinsichtlich der Vertragslehre steht also zu erwarten, daß über die Begriffe von Willenserklärung und Konsens hinaus „Rechtsfiguren" durch das positive Recht gegeben oder von Lehre und Praxis entwickelt werden, die zur Korrektur der abstrakten Gattungsbegriffe bestimmt sind, ja diese erst wirklich praktikabel machen. Gerade i n den rechtlich zweifelhaften Fällen ist ein solches „Füllwerk" der dogmatischen Begrifflichkeit besonders dringlich, da sich hier die Fernstellung der abstrakten Begriffe zur Lebenswirklichkeit mit unüberbietbarer Schärfe offenbart. 3 4 7 W. Schapp weist nun selbst darauf hin, daß die Vertragslehre i n der Tat erweiternde Elemente entwickelt hat, welche von der Sache her als Einbrüche der Geschichtenphilosophie i n das abstrakte Begriffssystem von Willenserklärung und Konsensus gedeutet werden können. 3 4 8 Er s 4 * Hruschka, Verstehen, S. 29 f.; die gleichen Einwände treffen auch Haft, w e n n er davon spricht, daß „der Jurist zwei Gegenstände (hat), über die er streiten kann, Fakten u n d Wörter", vgl. ders., S. 95; vgl. dazu auch Gröschner, JZ 1982, S. 622 ff. Mi Vgl. dazu J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 140. 348 vgl. W. Schapp, Philosophie, S. 59 ff.

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nennt als Beispiele die Lehren von der culpa i n contrahendo und von den faktischen Vertragsverhältnissen. Während dem Verhältnis der Ontologischen Rechtslehre zur Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen sogleich ein gesonderter Abschnitt gewidmet werden soll, sei zur Lehre von der culpa i n contrahendo nur das Folgende gesagt: Die juristische Vertragslehre des „hic et nunc", derzufolge der Vertrag i n einem genau fixierbaren Augenblick durch die Annahme des Antrags „entsteht", w i r d der Wirklichkeit der Vertragsgeschichte unter anderem auch deswegen nicht gerecht, weil sie das zu einer Sinnganzheit gehörige und m i t einer gewissen zeitlichen Kontinuität ausgestattete Vertragsgeschehen i n ein Vorher und Nachher zerreißt. Die i n der Geschichtenwirklichkeit sich ereignenden sozialen Konflikte nehmen auf diese Zweiteilung indessen keine Rücksicht und können — wie sich herausgestellt hat — nur adäquat gelöst werden, wenn man die Vorgeschichte des als „hic et nunc" mißverstandenen Höhepunktes der Vertragsgeschichte mit i n die juristische Betrachtung einbezieht. Nichts anderes als das Hereinholen der Vorgeschichte i n die Vertragslehre selbst bedeutet es, wenn man hinsichtlich der Lehre vom Verschulden bei Vertragsschluß davon spricht, daß bereits mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen ein gesetzliches Schuldverhältnis entstehe, kraft dessen die Verhandlungspartner einander zur Beachtung bestimmter Verhaltensnormen verpflichtet sind, deren Verletzung eine Schadensersatzhaftung nach den Grundsätzen des Vertragsrechtes auslöst. 349 Die Tatsache der Entwicklung einer eigenen Lehre vom Verschulden bei Vertragsschluß zeigt deutlich an, daß eine angemessene Lösung der i m Zusammenhang mit Verträgen auftauchenden Probleme bei striktem Beharren auf der „Vertragstheorie des hier und jetzt" nicht erzielt werden kann, sondern eigens „Rechtsfiguren" geschaffen werden müssen, mit deren Hilfe dann der Blick auf das Ganze, auf den Sinnzusammenhang der Vertragsgeschichte überhaupt erst eröffnet w i r d . 3 5 0 Noch deutlicher als in der Lehre vom Verschulden bei Vertragsschluß w i r d die partielle Abkehr der juristischen Vertragsdogmatik selbst von dem punktuellen Vertragsverständnis i n der von Canaris MQ Vgl. Lorenz, SchR I, § 9 I., S. 91 ff. I m Grunde w i r d allerdings m i t der Qualifikation der c.i.c. als gesetzlicher Haftungstatbestand an dem hier k r i t i sierten Verständnis des Vertragsschlusses festgehalten. Vgl. zum Problem auch die besonders nachdrückliche Betonung des Zusammenhangs von c.i.c. u n d allgemeinem Vertragsrecht bei Medicus, A T , § 30 I., Rdnr. 445. 350 Parallel zu der hier besprochenen Problematik ist es hinsichtlich des abstrakten dinglichen Geschäftes der Bereicherungsanspruch, m i t welchem die zunächst abgetrennte Vorgeschichte „durch eine Hintertüre wieder hereingelassen" w i r d , soweit sich nämlich der Bereicherungsanspruch erst aus der Vorgeschichte ergibt, W. Schapp, Philosophie, S. 50.

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entwickelten Lehre von einem einheitlichen „Schutzverhältnis", aufgrund dessen die Vertragspartner vom E i n t r i t t i n die Vertragsverhandlungen bis zur endgültigen Abwicklung des Vertragsverhältnisses dazu verpflichtet sind, für die i m Rahmen des Vertragsgeschehens gefährdeten Rechtsgüter des Gegenüber sowie der diesem i n bestimmter Hinsicht nahestehenden Personen Sorge zu tragen. 3 5 1 M i t dieser Lehre, die eine Zusammenfassung von Verschulden bei Vertragsschluß, positiver Forderungsverletzung und Vertrag m i t Schutzwirkung für Dritte beinhaltet, w i r d i n vielfacher Beziehung auf den gesamten Sinnzusammenhang der Vertragsgeschichte Bezug genommen, wie ihn etwa das oben ausgeführte Beispiel J. Schapps veranschaulicht. 352 So mag etwa der Verkäufer den Käufer des Autos über die Schadhaftigkeit der Bremsanlage bei der abendlichen Unterhaltung getäuscht oder den Wagen nach Abschluß des Kaufvertrages beschädigt haben, woraufhin später Frau und Kinder des Käufers bei einem Unfall schwere Schäden erleiden. Gegenüber der Lehre vom einheitlichen Schutzverhältnis würde wohl die herkömmliche Lehre die beiden genannten Fälle das eine Mal dem Verschulden bei Vertragsschluß, das andere Mal hingegen dem Tatbestand einer „positiven" Vertragsverletzung zuordnen. Wenn Canaris dieses einheitliche Schutzverhältnis vom Erfordernis einer wirksamen vertraglichen Einigung löst und die Haftung für die Verletzung der aus diesem Schutzverhältnis resultierenden Pflichten auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützt, so ist er m i t dieser Verankerung der Haftung — wenn auch nur hinsichtlich des sogenannten „überobligationsmäßigen Interesses" 353 — i n dem Vertrauen der Vertragspartner der Wirklichkeit der Vertragsgeschichte sehr viel näher, als es die These vom „Leerformelcharakter" der sogenannten Generalklauseln — hier des Grundsatzes von Treu und Glauben — ahnen lassen möchte. c) Ontologische Rechtslehre und Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen

Wie verhält sich nun die Auffassung des Vertrages als Geschichte zur Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen, insbesondere i m Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge? W. Schapp benennt zwar diese Lehre als Beispiel einer gewissen Ausnahme vom abstrakten Gattungsdenken der überkommenen Vertragsdogmatik, glaubt je351 Vgl. grundlegend Canaris, JZ 1965, S. 475 ff. «s Vgl. oben Β . I V . 2. b. Vgl. hierzu Fikentscher, SchR, § 47 I I I . , S. 232 ff. V o m Ansatz der Ontologischen Rechtslehre her findet auch die Leistungsverpflichtung selbst ihren H a l t n u r i n der Vertragsgeschichte, welche ohne ein gegenseitiges Vertrauen i n die Einhaltung gegebener Versprechen sinnlos wäre.

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doch, sich eine Stellungnahme zum Streit u m diese Lehre Haupts versagen zu müssen. 854 Dennoch scheint es zunächst so, als seien die Konvergenzen der Ontologischen Vertragslehre mit der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen unverkennbar. Eine deutliche Parallele zwischen den genannten beiden Ansätzen ergibt sich zunächst, wenn man die Ontologische Vertragslehre m i t den Begründungen vergleicht, welche Haupt für die seiner Ansicht nach erforderliche Anerkennung faktischer Vertragsverhältnisse gibt. Haupt macht der überkommenen Vertragslehre insbesondere den Vorwurf, sie werde mit ihrer Systematik von Willenserklärung und Konsens i n gewissen Bereichen des Vertragsverkehrs der sozialen Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Wenn Haupt ausführt, daß hier „ein eigentlicher Vertragsschluß durch korrespondierende Willenserklärungen i n der Praxis gar nicht" stattfinde und die Annahme eines Vertragsschlusses durch konkludentes Handeln nichts weiter als ein „konstruktiver Behelf" sei, wo man sie zur rechtlichen Beurteilung des ungebeten auf einem Flugplatz landenden Sportfliegers heranziehe 355 , so scheint diese Argumentation i n dem von Seiten der Ontologischen Vertragslehre erhobenen V o r w u r f des Konstruktivismus eine Entsprechung zu finden. So v e r w i r f t J. Schapp die von Paulus erörterte nuda traditio ebenso als „eindeutige Konstruktion", wie nach seiner Ansicht die Aufspaltung eines alltäglichen Bargeschäftes i n ein Verpflichtungs- und ein Verfügungsgeschäft offensichtlich ein „Kunstgriff" ist, welcher i n der Vertragsgeschichte keine Grundlage mehr finde. 356 Beide hier zu vergleichenden Lehren führen also gegen die juristische Konsensuslehre an, daß die dieser Lehre entsprechende Vertragskonstruktion eine Verfälschung der Wirklichkeit, eine „erstaunliche Vertauschung von rechtskonstruktivem Behelf und lebendiger Wirklichkeit" sei. 357 Sie entsprechen damit einander insoweit, als sie es darauf abgesehen haben, unter Einnahme einer kritischen Stellung zu den abstrakten Begriffen der überkommenen juristischen Vertragsdogmatik von dieser Ebene rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit i n die Ebene der sozialen Wirklichkeit zu gelangen, u m — so Haupt — „unter Ausschaltung vermeidbarer rechtskonstruktiver Umwege . . . einer anderen, dem konkreten Vorgang unmittelbar entsprechenden Begründung" den Vorzug zu geben. 358

354 W. Schapp, Philosophie, S. 60 f. 355 Haupt, S. 6 f. 35« J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 164 ff., besonders S. 166 f. u n d S. 168; vgl. auch W. Schapp, Philosophie, S. 53, S. 61: „Vertragsschluß (ist) ein k ü n s t liches Gebilde"; vgl. auch bereits ders., Wissenschaft, Bd. 1, S. 169. 357 so Haupt, S. 10. 358 Haupt, S. 11, S. 26, vgl. auch S. 36 f.

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Trotz dieser mitunter bis i n die Diktion gehenden Parallele zwischen Haupts Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen und der Ontologischen Vertragslehre 3 5 9 dürfen die dem gegenüberstehenden ganz erheblichen Divergenzen nicht vernachlässigt werden. Andernfalls übersähe man nicht nur die durch die Geschichtenphilosophie geleistete umfassende Fundierung der Ontologischen Vertragslehre, sondern würde auch dem i n ihr enthaltenen kritischen Potential, welches auf die sich als Wissenschaft i n einem bestimmten Sinne begreifende Jurisprudenz zielt, nicht gerecht. Die grundlegende K l u f t zwischen den beiden hier i n Rede stehenden Positionen liegt vor allem i n dem unterschiedlich akzentuierten Geltungsanspruch, den die von beiden Seiten vorgetragenen Angriffe auf die überkommene Vertragslehre je für sich erheben. Haupt betont insoweit mehrfach, daß es i h m nicht darum zu t u n sei, die juristische Vertragskonstruktion gänzlich zu verwerfen. Vielmehr ziele sein Vorhaben lediglich darauf ab, i n einigen Fallgruppen, i n welchen das Vorstellungsbild eines Vertragsschlusses durch zwei korrespondierende Willenserklärungen der Lebenswirklichkeit nicht mehr adäquat sei, das faktische Zustandekommen von Vertragsverhältnissen neben dem herkömmlich verstandenen Vertragsschluß anzuerkennen. Indessen solle nicht i n Abrede gestellt werden, „daß die überkommene Form der Entstehung von Vertragsverhältnissen durch beiderseitig erklärte Einigung immer ihre Bedeutung behalten wird." 3 * 0 Wenn es auch demgegenüber an anderer Stelle heißt, m i t den genannten Fallgruppen faktischer Vertragsverhältnisse sei der Anwendungsbereich dieser Lehre keineswegs vollständig umrissen 3 6 1 , so läßt sich doch aus Haupts Stellungnahme insgesamt die Ansicht entnehmen, daß der Vertrag zwar i m allgemeinen durch Angebot und Annahme zustandekomme, auf einigen Teilgebieten des Vertragsverkehrs jedoch eine Modifikation dieser Konstruktion vonnöten sei, weil die Lebenswirklichkeit i n diesen Regelungsbereichen durch die Konsensuslehre nicht mehr richtig beschrieben werde. Haupt schafft auf diese Weise gleichsam ein Sonderrecht 362 etwa für den Massenverkehr der Daseinsvorsorge und gliedert damit die rechtliche Behandlung dieses Gebiets aus der allgemeinen Vertragsdogmatik aus. Die Ableitung des Erfordernisses zu einer solchen Sonderrechtsentwicklung aus der Auffassung, die Konsensuslehre verfälsche in dem betreffenden Bereich die Vgl. etwa W. Schapp, Philosophie, S. 48 einerseits, Haupt, S. 28 andererseits. 360 v g l . Haupt, S. 7, S. 28 f. u n d passim. 3«i Haupt, S. 27. 3 «2 Z u r Problematik der E n t w i c k l u n g v o n Sonder(privat)recht vgl. Westermann, AcP 178, S. 150 ff. (Arbeits- u n d Wirtschaftsrecht); Mertens, A c P 178, S. 227 ff. (Deliktsrecht); M. Lieb, AcP 178, S. 196 ff. (AGB).

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Wirklichkeit des sozialen Lebens, zeigt i m Zusammenhang mit der generellen Fortführung der überkommenen Vertragsdogmatik, daß Haupt sich i m Gegensatz zur Ontologischen Vertragslehre von dem ontologischen Mißverständnis rechtswissenschaftlicher Begriffe nicht zu lösen vermag. Die etwas schwankende Haltung Haupts hinsichtlich des Geltungsbereichs der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen w i r f t ein bezeichnendes Licht auf die spezifische Schwachstelle einer solchen Sonderrechtslösung, welche i n jener Schwierigkeit belegen ist, dieses Sonderrecht i n das umfassendere System einzufügen bzw. zunächst erst einmal sein Verhältnis zu dem generell gültigen System näher zu bestimmen. Der vage Hinweis auf eine offenbar als erheblich angesehene Zahl weiterer Anwendungsfälle seiner Lehre beinhaltet zugleich das Eingeständnis, nicht erklären zu können, wieso Verträge i m allgemeinen durch zwei korrespondierende Willenserklärungen Zustandekommen, i n manchen Fällen jedoch rein „faktisch", etwa durch die bloße Inanspruchnahme von jedermann angebotenen Leistungen der Unternehmen der Daseinsvorsorge, entstehen. 363 Die Aufforderung, man solle — durch die Anerkennung faktischer Vertragsverhältnisse — „den Richter aus der unwürdigen Rolle befreien, daß er den Sachverhalt verfälschen muß, u m zutreffend entscheiden zu können" 3 6 4 , verkennt, daß die Fassung konkreter Lebensvorgänge unter allgemeine Begriffe bzw. Sätze und damit auch unter rechtswissenschaftliche Begriffe immer und notwendig insoweit eine „Verfälschung" der Lebenswirklichkeit ist, als man beim Gebrauch wissenschaftlich-abstrakter Begriffe von mancherlei Konkretem i m Sinne einer „negativen Abstraktion" 3 6 5 absieht. Anders als Haupt hat die Ontologische Rechtslehre diesen grundlegenden Verzerrungseffekt rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit aus einer wissenschaftskritischen Position heraus i n aller Klarheit erkannt, wenn es heißt, daß „Vertrag und Willenserklärung . . . zurechtgestutzte Gebilde" sind. 3 6 6 M i t seiner Untersuchung der Einzelheiten des Vertragsgeschehens hat J. Schapp dargetan, daß sich nicht erst i m rechtsgeschäftlichen Massenverkehr der Daseinsvorsorge, sondern bereits i n einem ganz „normalen", „individuell" ausgestalteten Kauf Vorgang nach s«3 Die besondere Schwierigkeit des Sonderrechtsproblems hat auch Simitis gesehen, w e n n er sich i n seinem Versuch einer philosopohischen Fundierung der Lehre Haupts (ausführlich dazu erst unten B.V.) u m den Nachweis bemüht, daß die faktischen Vertragsverhältnisse keine „ k r a n k e n Ausnahmen" seien, sondern einem umfassenden Wandel der privatrechtlichen Rechtsinstitute entsprächen, vgl. ders., S. 106 f., S. 545 ff. θ«4 Haupt, S. 8. «es Z u r negativen A b s t r a k t i o n vgl. Engisch, Idee, S. 24 f. 3ββ w. Schapp, Philosophie, S. 48; zu dem Verzerrungseffekt rechts wissenschaftlicher Begriffe vgl. auch Emge, ARSP 39 (1950/51), S. 5 f.

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einem naturwissenschaftlichen Modus des hic et nunc begriffene W i l lenserklärungen nicht vorfinden lassen. 867 Zu einem ontologischen Mißverständnis der abstrakten Begriffe dogmatischer Systeme — „Konsensus", „Willenserklärung", „Wille" — kann es nur kommen, wenn man daran vorübergeht, daß hierbei eine eigenartige Kehrtwendung vollzogen wird: Nachdem man den allgemeinen Gattungsbegriff der Willenserklärung zunächst gleichsam als Sublimat eines Destillierungsprozesses aller vorstellbaren Rechtsgeschäfte geschaffen hat, kehrt man die Denkrichtung u m und hält nunmehr die Willenserklärung selbst als allgemein-abstrakten Begriff für etwas ontologisch Reales, das i n der sozialen Wirklichkeit seine genaue „Entsprechung" finden müsse. 368 Indessen finden sich i n dieser Wirklichkeit keine als punktuelle Ereignisse verstehbaren Erklärungen eines inhaltlich unbesetzten Willens, sondern nur je schon konkret gestaltete Vertragsgeschichten, die sich immer schon als Kauf, Tausch, Miete, Pacht darstellen. Ist es also der methodologisch relevante kritische Gehalt, welcher die Ontologische Rechtslehre von der Lehre Haupts trennt, so gilt es doch auch zu berücksichtigen, daß man Haupt i n gewisser Weise unrecht tut, wenn man seine Darlegungen aus diesem Grunde angreift, da er wohl i n der betreffenden Schrift einen philosophisch-methodologischen Anspruch gar nicht erhebt. Gleichwohl muß es natürlich gestattet sein, Ergebnisse dogmatischer Lehre auf ihre methodologischen Probleme h i n zu befragen. 4. D i e Problematik der Ontologischen Rechtslehre a) Ortslosigkeit wissenschaftlich-systematischer Begriffe

Als Zwischenergebnis der bisherigen Ausführungen kann festgehalten werden, daß die Ontologische Rechtslehre eine zutreffende, anschauliche Beschreibung der sozialen Wirklichkeit des Vertragsgeschehens liefert. Sie füllt damit eine bedeutsame Leerstelle, die notwendig entsteht, wenn von der sozialen Wirklichkeit die Rede ist, ohne daß jedoch näher ersichtlich wird, was m i t diesem Ausdruck eigentlich gemeint ist. 3 6 9 Unverkennbar scheint andererseits aber auch die Probleme? vgl. oben B.IV.2.b. 3 Vgl. De Boor, S. 36; Huber, S. 87 f., S. 129, S. 282 f.; Simitis, S. 18, S. 31 ff., S. 44; Fechner, S. 142 f.; Renner, S. 171, S. 172 ff.; Marx, Elend, S. 127; ders., Krise, Vorwort, S. 12 ff.; Stammler, Theorie, S. 9, S. 24. wo Renner, S.47; Marx, Elend, S. 127. «oi Vgl. Henke, Staat 1980, S. 181 ff. (S. 190 f.). Kritisch zum institutionellen Ansatz überhaupt E. Wolf, JZ 1970, S. 443 ff. eo2 Vgl. insbesondere Häberle, Wesensgehaltsgarantie; ders., Verfassung. Häberle, Verfassung, S. 182 ff. β«* Vgl. oben Α . I. 2.

3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

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bürgerlichen Liberalismus, wie er i m Deutschland des 19. Jahrhunderts als geistig-politische Konzeption vorherrschte. 605 Die Grundgedanken des Liberalismus, der sich als politische Gegenbewegung sowohl zur ständisch gegliederten als auch zur absolutistisch verwalteten Gesellschaftsordnung verstand, vereinigen sich i n einem Modell freier und gleicher Individuen, die ihre privaten Rechtsverhältnisse autonom nach ihrem als vernünftig unterstellten Wilen gestalten. Die Vertragsfreiheit ist der juristische Ausdruck dieses Sachverhalts und das rechtliche Prinzip, als dessen unmittelbarer Ausfluß die Regelung des BGB i n ihrer Grundstruktur erscheint. 006 I n der philosophischen Denktradition sieht man hinter diesem Liberalismus und damit auch hinter der Privatrechtsordnung die Freiheitsphilosophie Kants, dessen nachhaltige Einwirkung auf die Vertragslehre des BGB schon „oft genug nachgewiesen" worden sei. 007 Diese Ansicht, daß es gerade jener freie und autonome Wille sei, welcher das subjektive Element der Willenserklärungslehre des BGB bilde, nimmt nun auch Simitis zur Grundlage des gewichtigsten Teils seiner Stellungnahme gegen die überkommene Vertragslehre. Weil durch die „Rückwirkungen der Sozialsphäre" die genannte Prämisse der „liberalistischen" Vertragslehre, also die freie Gleichheit der potentiellen Vertragskontrahenten, weitgehend durch ihr Gegenteil, nämlich wirtschaftliche Ungleichheit, abgelöst worden sei, könne man auch immer weniger davon sprechen, daß die privaten Rechtsverhältnisse individuellautonomer Gestaltung durch die Vertragspartner unterlägen. 0 0 8 Das Aufkommen der Rechtsfigur „faktischer Vertragsverhältnisse" — insbesondere i m Bereich des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge — w i r d nach dieser Aufassung als bloßes Symptom eines viel umfassenderen Vorganges begriffen, der mit dem Stichwort von der „Krise der liberalen Vertragslehre" oder der „Krise des bürgerlichen Rechts" überhaupt gekennzeichnet wird. 00 ® «os Vgl. n u r E. A . Kramer, S. 19 ff. m. w. Nachw.; Raiser, JZ 1958, S.2; Reinhardt, S. 122, S. 126; Simitis, S. 522; Zweigert, S. 502 f.; Ramm, Bd. 1, S. 13. «o« Z u m Liberalismus vgl. etwa Gall ; Zippelius, Staatslehre, § 22 II., S. 177 ff. Vgl. auch Löwenstein, Kap. I X , S. 335 ff. u n d Krüger, §§ 30 f., S. 526 ff. zum zugrundeliegenden Verhältnis v o n Staat u n d Gesellschaft. «07 E. A . Kramer, S. 24 m. w. Nachw. i n Fn. 53. M i t vollem Recht hingegen sehr v i e l vorsichtiger Rehbinder, S. 152 Fn. 45, w e n n er das staatsideologische Moment i n den Lehren Kants u n d Hegels betont. «oe Vgl. etwa Simitis, S. 85 ff.; vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 546; Schindler, S. 30; Renner, S. 79, S. 102, S. 175 f. «o» Graue, in: Jakobs, S. 105, S. I l l , S. 113; Reinhardt, S. 115; Bärmann, S. 84 ff.; Rehbinder, S. 159; E. A. Kramer, S. 2 (m. w . Nachw. Fn. 2). Z u K r a m e r vgl. die i m wesentlichen zustimmende Besprechung von M . Wolf, A c P 175, S. 519 f.; vgl. weiter Kronke, A c P 1981, S. 352. Eine Krise des bürgerlichen Rechts überhaupt sieht Flickinger, passim.

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

Um die Ursache dieser Krise, also die klaffende Differenz zwischen „liberalistischer" Vertragslehre und sozialer Wirklichkeit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs, zu beseitigen, muß nun der Vertrag aus seiner „konsensualistischen Enge" befreit werden. 6 1 0 Grundsätzlich gefaßt: Die „individualistisch-liberalistische" Privatrechtsordnung bedarf einer Umwandlung i n eine soziale Privatrechtsordnung 6 1 1 , i n welcher die konkrete soziale Vergesellschaftung des Menschen die ihr angemessene Berücksichtigung erfährt und insbesondere die soziale Tatsache i n Rechnung gestellt wird, daß das Individuum nicht — wovon nach der referierten Auffassung die Willenserklärungslehre ausgeht — frei und autonom, sondern weitgehend abhängig von immer gewaltiger sich zusammenballenden wirtschaftlichen Mächten ist. Für die Vertragslehre selbst hat dies zur Folge, daß sie von jener auf die liberale Gesellschaftsordnung bezogenen „individualrechtlichen" in eine „sozialrechtliche" Betrachtung überführt wird, deren maßgebliches Kennzeichen darin besteht, daß der Vertrag nicht durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustandekommt. Vielmehr beruhe — so Simitis — „das soziale Vertragsverhältnis der Daseinsvorsorge" i n seiner entindividualisierten Typizität und Massenhaftigkeit „einzig und allein auf der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen des i n Frage kommenden Unternehmens." 6 1 2 bb) Die doppelte relative Indifferenz überkommenen Vertragslehre

der

Die soeben dargelegte Ansicht, derzufolge die „bürgerlich-liberalistische" Vertragslehre der Umwandlung i n eine „soziale" Vertragslehre «io Bärmann, S. 86; i m Grundsatz zustimmend Simitis, S. 502. «n Dieser Denkansatz liegt auch den gegenwärtigen Bestrebungen zu einer Reform des Schuldrechts zugrunde, vgl. Gutachten u n d Vorschläge, Bd. 1, Vorwort, S. V ; sehr kritisch dazu E. Wolf, ZRP 1982, S. 1 ff. «12 Vgl. Simitis, S. 527, vgl. auch S. 526, S. 528. Z u r Umgestaltung des „ i n dividualrechtlichen" i n ein „sozialrechtliches" Vertragsverhältnis vgl. auch Bärmann, S. 91 ff.; Rehbinder, S. 161; Radbruch, Hanseatische Rechts- u n d Gerichts-Zeitschrift 13 (1930), S. 458 ff. (zit. nach Rehbinder, S. 161). Die beschriebene Diskussion hat eine Parallele i m Verfassungsrecht; M a r ginalpunkt der dortigen Debatte sind die unterschiedlichen Deutungen der Grundrechte als liberale Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe i n Freiheit u n d Gleichheit einerseits, als „materiale" Freiheitsverbürgung andererseits (vgl. zusammenfassend Böckenförde, N J W 1974, S. 1529 ff.). A u f dem positivrechtlichen Hintergrund des Verhältnisses v o n Rechtsstaat u n d Sozialstaat w i r d der enge Zusammenhang m i t der behaupteten „Krise der Rechtsgeschäftslehre" etwa dort recht deutlich, wo die „sozialstaatliche" der „liberalen" Grundrechtstheorie v o r w i r f t , deren Freiheitsverständnis sei unter der Bedingung realer materieller Ungleichheit der Menschen zur leeren Form erstarrt. Z u fordern sei daher das Aufgeben der „dogmatischen" Trennung v o n Staat u n d Gesellschaft u n d die positive Schaffung „materieller", realer Freiheit durch den Staat (Häberle, V V D S t R L 30, S. 69 ff., S. 135 ff.).

3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

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bedarf, ist auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen kritisch zu überprüfen. 6 1 3 Diese K r i t i k kann systematisch von zwei verschiedenen Ausgangspunkten her ansetzen: Zum einen kann man m i t unmittelbarem Bezug auf den Entwurf Simitis , die Frage stellen, ob die überkommene „liberalistische" Vertragslehre w i r k l i c h einmal dergestalt i n der sozialen Wirklichkeit fundiert war, daß sie nunmehr infolge einer von Grund auf gewandelten Lebenswirklichkeit ebenfalls abzudanken hat. Darüber hinaus ist aber zweitens zu untersuchen, ob und inwieweit es überhaupt zutrifft, daß die Vertragslehre des BGB „liberalistisch" ist. War also — wenn man sich einmal der ersten Fragestellung zuwendet — die soziale Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts tatsächlich „individualistisch", „liberalistisch" beschaffen, so daß sich die Vertragspartner einander ihren freien und autonomen Willen gegenseitig erklärten? I m Grunde bedarf es zur Beantwortung dieser Frage keiner umfassenderen Erörterungen mehr, da eine bejahende A n t w o r t die gegenüber dem Begriff der „Willenserklärung" noch wieder abstrakteren Begriffe „(Vertrags-)Freiheit", „Autonomie", „Individuum" oder „ W i l l e " i n dem bereits aufgezeigten Sinne ontologisch mißverstehen würde. 6 1 4 Diese Feststellung kann aber i m vorliegenden Zusammenhang noch etwas näher ausgeführt werden, insbesondere was den vermeintlichen Gegensatz von „individualrechtlichem" und „sozialrechtlichem" Vertragsverhältnis anbetrifft. Tatsächlich findet sich i n der sozialen Wirklichkeit der genannte Gegensatz nicht vor. Vielmehr erschien und erscheint der Vertragsschluß i n der Lebenswirklichkeit insofern ausnahmslos als ein sozialer A k t 8 1 5 , als er eine konkrete Vertragsgeschichte darstellt, die ihrerseits i n den ganzheitlichen Sinnzusammenhang der kulturellgeschichtlichen Entwicklung des Wirtschaftslebens hineingestellt ist. Zutreffend führt J. Schapp hierzu unter Rückgriff auf die Geschichtenphilosophie W. Schapps aus: „Wenn es ζ. B. i n der Kaufgeschichte überhaupt so etwas wie einen Willen i m Sinne der Rechtswissenschaft gibt . . . , so ist das Wichtigste bei diesem Willen nicht, daß er frei oder unfrei ist, sondern daß er i n der zugehörigen Vertragsgeschichte als ein Moment i n dieser Geschichte einen Sinn hat. Der Entschluß, einen Vertrag abzuschließen, steht immer schon i n einem Zusammenhang, aus dem heraus er erst verständlich ist. Oft w i r d es, besonders bei den

«ι« Vgl. dazu i m Hinblick auf die Figur des subjektiven Rechts J. Schapp, Recht, S. 118 ff. «m Vgl. dazu oben Β . V. 3. b. dd. (1). Dazu, daß das I n d i v i d u u m stets auch soziales Wesen ist vgl. neben Huber, S. 118 ff. insbesondere Smend, S. 125 ff., der seinerseits auf Litt, I n d i v i d u u m u n d Gemeinschaft, verweist.

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

Gegenständen des täglichen Bedarfs, ein Müssen sein, welches den Entschluß hervorruft." 6 1 6 Gerade der letzte Satz des Zitats führt treffend zu dem Sachverhalt, daß es Freiheit i n dem vorgestellten „liberalistischen" Sinne weder gibt noch gegeben hat, ja auch gar nicht geben kann, weil Begriffe wie Individuum" oder „Autonomie" Idealvorstellungen und als solche — ebenso wie „Willenserklärung" und „Konsensus", nur auf einer noch höheren Ebene — geistige Abstraktionen, nicht aber Momente der sozialen Wirklichkeit sind. Wenn also davon die Rede ist, daß „heute" ein Zustand erreicht sei, i n welchem sich die „liberale" Vertragslehre aufgrund einer explosiven Wandlung der sozialen Wirklichkeit, insbesondere der wirtschaftlichen Machtverhältnisse, i n unerreichbarer Fernstellung zur Lebenswirklichkeit befinde, so verkennt man gerade diese strukturelle ontologische Differenz zwischen der konkreten Geschichtenwirklichkeit auf der einen und der i m BGB niedergelegten Vertragslehre — zumal i n ihrer Deutung als Produkt liberaler Weltanschauung — auf der anderen Seite. 617 Hat man diesen Sachverhalt erst einmal ganz deutlich erfaßt, daß nämlich wirtschaftliche Freiheit und Gleichheit i n einem „liberalistischen" Verständnis weder vormals noch heute überhaupt nur möglich ist, weil sich die Vertragskontrahenten der Einbindung i n ihre konkrete Lebensgeschichte ebenso wenig zu entziehen vermögen wie jenem gesamten Kulturzusammenhang, demzufolge sich etwa eine Kaufvertragsgeschichte hier und heute i n ihrer Grundstruktur eben gerade so und nicht anders abspielt, so erscheinen auch die eingangs dargestellten und natürlich keineswegs zu leugnenden Veränderungen der sozialen Wirklichkeit des Vertragsverkehrs 6 1 8 i n einem entdramatisierten Lichte: Nimmt man einmal den Fall des selbständigen Kaufmanns, so ist es zwar richtig, daß die Möglichkeit tatsächlicher persönlicher Einflußnahme auf Auswahl des Geschäftspartners und Gestaltung des Vertragsinhalts vor dem massiven Einsetzen der industriellen Revolution i m Vergleich zur modernen Massengesellschaft der Gegenwart relativ höher war; auch dieser selbständige Kaufmann des 19. Jahrhunderts war jedoch keineswegs i m Sinne individueller Autonomie „frei" i n der tatsächlich gewählten Gestaltung seiner rechtsgeschäftlichen Beziehungen. Abgesehen von den verkehrsüblichen Umgangsformen unter Kaufleuten, ohne die auch damals nicht ein einziger Handelskauf sinnvoll «i« J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 121 f. «i? Dieses Mißverständnis findet sich nicht nur bei Simitis, S. 90 ff. u n d Haupt, S. 28 f., sondern etwa auch bei Raiser, JZ 1958, S. 3 f.; Ramm, Bd. 1, S. 66 ff.; Radbruch, Hanseatische Rechts- u n d Gerichtszeitschrift 13 (1930), Sp. 458 ff. (zit. nach Rehbinder, S. 161). «ι* Vgl. oben Β . I I . 1./2.

3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

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hätte abgewickelt werden können, mögen etwa Rücksichtnahmen persönlicher oder gesellschaftlicher A r t , Überlegungen hinsichtlich des erfahrungsgemäß äußerstenfalls zu erzielenden Absatzpreises, Transport-, Steuerprobleme und eine Vielzahl weiterer „objektiver" Vorgaben die konkrete Vertragsgeschichte schon i n eine ganz bestimmte Richtung gedrängt haben. Gegenüber diesem Sachverhalt, welcher den „liberalen" Kaufmann des 19. Jahrhunderts ebenso wie denjenigen des Massenverkehrs der Gegenwart — und übrigens auch den phönizischen Kaufmann, der mit den Eingeborenen Glasperlen gegen Gold tauscht — i n seiner Eingebundenheit i n die soziale Wirklichkeit der Vertragsgeschichte zeigt 6 1 9 , erscheint die Frage durchaus von zweitrangiger Bedeutung, ob die Vertragsbeziehung etwa — teilweise! — durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt ist oder nicht. 6 2 0 Vervollständigt man das B i l d jetzt noch durch die Masse der Verbraucher, die damals wie heute die „Selbständigen" jedenfalls sichtbar überwogen, sowie durch den meist übergangenen Gesichtspunkt, daß eben die umfassende Technisierung dem Verbraucher heutzutage neben einer wesentlich gesteigerten Kaufkraft auch einen nahezu optimalen Marktüberblick gewährt, so gerät die These von der infolge zunehmender wirtschaftlicher Ungleichheit zum Wandel aufgerufenen „liberalen" Privatrechtsordnung ins Wanken. Nach alledem entsprach also die liberalistisch-individualistisch gedeutete Vertragslehre des BGB niemals der sozialen Lebenswirklichkeit. I n dieser ontologischen Ebene ist daher auch nicht der „freie Wille" der Vertragsschließenden der Grund der Verpflichtung, wie es wohl der liberalistischen Deutung, die auch i n den Motiven zum BGB zum Durchbruch k o m m t 6 2 1 , entsprechen mag. Die regelmäßig gegenseitige Verpflichtung gründet ontologisch vielmehr i n dem Vertrauen auf die Einhaltung abgegebener Versprechen, das i n dem „sich-vertragen" noch angedeutet ist und i n der konkreten Vertragsgeschichte seinen Platz haben muß, wenn diese Vertragsgeschichte einen tragfähigen Grund abgeben soll. Eine solche Grundlage kann ein auf zwei sich deckenden Willenserklärungen beruhender Konsensus als solcher nicht schaffen, und insoweit t r i f f t auch die pointierte Feststellung W. Schapps ins Schwarze: „Der Konsensus kann nichts." 6 2 2 Vgl. dazu auch Wieacker, in: FS O L G Celle, S. 277, der darauf verweist, daß sich die G r u n d s t r u k t u r des Vertragsschließungsvorganges seit alters her k a u m verändert hat. «20 Vgl. auch J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 126, der davon spricht, daß sich „der »kümmerliche 1 Tausch von Feuerstein u n d Steinbeil i n einer grauen V o r zeit . . . durchaus m i t dem heutigen K a u f einer komplizierten Maschine v e r gleichen (läßt), für den viele Vorschriften des B G B u n d vielleicht zusätzlich eine große Anzahl Allgemeiner Geschäftsbedingungen gelten." «21 Vgl. Motive I, S. 126, v g l auch oben Fn. 13. «22 w. Schapp, Philosophie, S. 64. Bydlinski stellt S. 131 ff. (besonders

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. V . Der Dialektische Ansatz

Die überkommene juristische Vertragslehre verhält sich also — zumal i n ihrer liberalistischen Deutung — der ontologischen Lebenswirklichkeit und ihren Wandlungen gegenüber relativ indifferent I n der Sprechweise Simitis' heißt das: Die Form des Rechtsinstituts Vertrag war niemals adäquater Ausdruck seines Inhalts als der sozialen W i r k lichkeit dieses Rechtsinstituts. Daher kann ein soziologisch nachweisbarer Wandel auch nicht die Umgestaltung des „individualrechtlichen" i n einen „sozialrechtlichen" Vertrag erforderlich machen. Wendet man sich nunmehr der zweiten eingangs dieses Abschnitts genannten Fragestellung zu, so ergibt eine nähere Betrachtung des positiven Gesetzeswortlauts, daß dieser von den soeben entwickelten ontologischen Grundlagen der vertraglichen Verpflichtung noch wesentlich mehr weiß, als seine Interpreten m i t der Unterstellung einer „liberalistischen" Struktur zubilligen wollen. Die Erhebung des Prinzips von Treu und Glauben zur Leitlinie jeder Vertragsauslegung und -erfüllung i n den §§ 157, 242 berücksichtigt gerade jenes Vertrauen, welches die Basis der Vertragsgeschichte ist. Mit' dieser Feststellung ist bereits ein gewichtiger Einwand gegen die Behauptung, die Vertragslehre des BGB sei „liberalistisch", formuliert, soweit man die §§ 157, 242 bei der Lehre vom Vertragsschluß mitliest. Hiergegen ließe sich allerdings mit guten Gründen vorbringen, daß das BGB bei der Regelung des Vertragsschlusses das Prinzip von Treu und Glauben — hält man sich an den Gesetzeswortlaut — gerade nicht berücksichtigt. 623 Ist also die auf diese Weise einer isolierten Betrachtung unterzogene Lehre von Willenserklärung und Konsensus „liberalistisch"? Gegen diese Liberalismus-These kann man zunächst auf einige empirische Begebenheiten hinweisen. Beschränkt man sich insoweit zunächst einmal auf die Geltungszeit des BGB, so mag man vom ausgehenden Kaiserreich vielleicht noch einen liberalistischen Zeitgeist behaupten können. Schon die Weimarer Republik w i r d man unterdessen mit liberalistischem Denken nicht mehr i n eine Reihe stellen können. Geradezu vollendet erscheint die Dichotomie zwischen Liberalismus und natioS. 137 ff.) zwar treffend den Vertrauensschutz als maßgebliches Element der B i n d u n g s w i r k u n g heraus, gibt jedoch hierfür n u r eine unzureichende Begründung. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß er S. 66 ff. den W i l l e n als Verpflichtungsgrund i m wesentlichen wegen bloßer logischer Unzuträglichkeiten ablehnt u n d zudem die auf einer analytischen Blickrichtung beruhende Ansicht v e r t r i t t , für das Verfügungsgeschäft könne man den W i l l e n tatsächlich als G r u n d der Bindung ansehen (S. 69). «23 Anders i m italienischen Codice Civile, nach dem das Prinzip von Treu u n d Glauben sowohl für den Abschluß als auch für die Auslegung u n d A b w i c k l u n g des Vertrages gilt; vgl. dazu Gutachten des Max-Planck-Instituts Hamburg, in: Gutachten u n d Vorschläge, Bd. 1, S. 28 (vgl. Codice Civile A r t . 1337, 1366, 1375).

3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

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nalsozialistischer Weltanschauung. 624 Da auch die geistige Grundtendenz der Gegenwart von einer liberalistischen Doktrin sicherlich weit entfernt ist, vermag schon die Tatsache, daß die Vertragslehre des BGB sich i n den vergangenen 80 Jahren zumeist unter politisch-weltanschaulichen Verhältnissen, die mit dem Liberalismus wenig i m Sinn hatten und zudem untereinander auf recht divergenten geistigen Grundlagen ruhten, bewähren mußte und auch bewährt hat, darauf aufmerksam zu machen, daß die schlichte Identifizierung von überkommener Rechtsgeschäftslehre und Liberalismus den wahren Sachverhalt nicht zutreffend wiedergibt. Noch deutlicher t r i t t der dieser A n sicht zugrundeliegende Fehler zutage, wenn man sich vergegenwärtigt, daß mit der sozialistischen DDR bis Mitte der siebziger Jahre i n zivilrechtlicher Hinsicht weitgehende Rechtseinheit bestand. 625 Auch hier kam also ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande; daran hat auch das neue Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. 6.1975 insofern nichts geändert, als für den Vertragsschluß weiterh i n auf den Parteiwillen Bezug genommen w i r d und auch die sonstigen allgemeinen Regeln über Rechtsgeschäfte weitgehend mit der Regelung des BGB übereinstimmen: 6 2 6 Ausdrücklich heißt es etwa i n § 63 Abs. 1 Zivilgesetzbuch DDR, daß „ein Vertrag durch übereinstimmende W i l lenserklärungen der Partner zustande (kommt)." Die sich infolge dieses Befundes aufdrängende Vermutung, daß nämlich ein spezifischer innerer Zusammenhang zwischen Liberalismus und Vertragskonzeption des BGB nicht auszumachen ist, w i r d durch einige Überlegungen zur historischen Herkunft der Willenserklärungslehre bestätigt. Bestünde tatsächlich ein stringenter Zusammenhang mit liberalistischer Geisteshaltung, so dürfte man erwarten, daß die Lehre von der Willenserklärung bzw. dem vertraglichen Konsensus als Verpflichtungsgrund aus dem Zeitalter des deutschen Liberalismus, m i t h i n dem 19. Jahrhundert, datiert. Tatsächlich müssen die rechtswissenschaftlichen Begriffe von Willenserklärung und Konsens jedoch i n einem wesentlich weiter gesteckten historischen Bezugsrahmen gesehen werden, der bis i n das römische Recht hineinreicht. Während i m altrömischen Recht die aus den Rechtshandlungen entstehenden Verpflichtungen ganz auf der Beachtung bestimmter Formen beruhten, die damit «s* Überdeutlich etwa H. Frank auf dem Deutschen Juristentag 1933: „ I m deutschen Recht ist der Wahnwitz des Individualismus u n d Liberalismus k ü n f t i g nicht mehr zu Hause", zit. nach Ramm, Bd. 1, S. 96. Z u m Privatrecht der DDR vgl. Ramm, Bd. 1, S. 143 ff.; MüKo / Säcker, Einl. vor § 1, Rdnr. 149 ff.; Roggemann, N J W 1976, S. 393 ff. Auch auf weitere, v ö l l i g anders strukturierten Gesellschaftsordnungen zugehörige Rechtsordnungen hat das B G B nachhaltig eingewirkt: Japan, Brasilien, Peru, China (!), Griechenland, vgl. Ramm, Bd. 1, S. 15. «2« Roggemann, N J W 1976, S. 399 f.; vgl. auch Reinhardt, S. 129. 12 Nierwetberg

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

geradezu das Wirkprinzip des Rechtsverkehrs waren, w i r d der Konsensus als formfreie Willensübereinkunft i n der klassischen Periode immer deutlicher zum Strukturelement der Vertragslehre. Der Begriff des Konsensus hat seinen historisch-systematischen Ursprung bei jenen formfreien Konsensualverträgen, die i m klassischen römischen Recht die Bedeutung der formgebundenen Geschäftstypen — etwa der mancipatio — immer stärker zurückdrängten. Als Grundlage der vertraglichen Bindung wurde jetzt nicht mehr die Beobachtung einer bestimmten Form, sondern die Willenseinigung beider Parteien angesehen. 627 Entstammt also der rechtswissenschaftliche Begriff des Konsensus nicht dem Liberalismus, sondern dem klassischen römischen Recht, so war dem römischen Recht der rechtstechnische Begriff der Willenserklärung doch noch unbekannt. Erst die abstrahierende gedankliche Arbeit der neuzeitlichen Naturrechtslehre und der Pandektistik haben die Willenserklärung zum Zentralbegriff einer rechtswissenschaftlichen Rechtsgeschäfts- und Vertragslehre gemacht, wiewohl die einzelnen Geschäftstypen des römischen Rechts — insbesondere die Konsensualkontrakte — hierbei als analytische Ansatzpunkte fungierten. 6 2 8 Die Willenserklärung selbst — „declaratio voluntatis" — ist eine Begriffsschöpfung des aufklärerischen Naturrechts 6 2 9 und deshalb ebensowenig wie der Konsensus eine Entdeckung des Liberalismus. Diesen Erwägungen mögen allerdings jene, die i n der Vertragslehre des BGB einen Exponenten des Liberalismus erblicken, mit einer gewissen Berechtigung entgegenhalten können, auch das spätklassische Rom und die Zeit der Aufklärung seien durch ein stark individualistisch geprägtes Denken ausgezeichnet. 630 Dieser mögliche Einwand macht es erforderlich, die vorstehend begründeten Zweifel an einem spezifischen inhaltlichen Zusammenhang von Vertragslehre und bürgerlich-individualistischem Liberalismus noch ein wenig weiterzuführen. I m Grunde genommen sind die rechtlichen Begriffe von „Willenserklärung" und „Konsens" sowie die auf ihnen aufbauende Vertragslehre i m weiteren Sinne weder römisch-klassisch, noch aufklärerisch, noch liberalistisch; sie sind vielmehr zuallererst analytische Abstraktionen wissenschaftlicher Jurisprudenz, sind daher also zuallererst wissenschaftlich. Die auf dem modernen, d. h. mathematisch-naturwissenschaftlichen Wissenschaftsideal gründende Rechtswissenschaft erscheint als der tiefste «27 v g l . Käser, Bd. 1, §§ 56 ff., S. 227 ff. Z u r „Entdeckung der verpflichtenden K r a f t des Konsensus" auch J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 122 f. «28 Käser, Bd. 1, § 56, S. 227 m. w . Nachw. «2» Vgl. Zweigert, S. 495, der den Begriff der „declaratio voluntatis" auf Nettelbladt zurückführt. «3« Vgl. Kindermann, Rechtstheorie 1981, S. 209 ff. unter Verweis auf Böhmer, S. 61 u n d Wieacker, Industriegesellschaft, S. 16 ff.

3. Kritische Würdigung des Dialektischen Ansatzes

Grund, zu welchem man die Willenserklärungslehre setzen kann.

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i n Beziehung

Als Ergebnisse einer durch analytisch-abstrahierendes Vorgehen geprägten Rechtswissenschaft ist die Vertragslehre des BGB daher nicht i n das durch die Randpunkte Liberalismus-Sozialismus begrenzte Raster einzufügen, sondern sie findet ihren Charakter vorderhand i n einer vergleichsweise weitgehenden Technizität ,631 Als typisches Beispiel einer abstrakten rechtswissenschaftlichen Begrifflichkeit teilt die Vertragsdogmatik diesen technischen Charakter m i t prinzipiell jedem rechtswissenschaftlichen Begriff einer vergleichbaren Abstraktionsstufe. 6 3 2 I n dieser Sichtweise kommt dann auch deutlich die Funktion dogmatischrechtswissenschaftlicher Begriffe zum Vorschein, unter Aufrechterhaltung der maßgeblich an eine konsistente Begrifflichkeit geknüpften Rechtssicherheit 633 Hilfsmittel, „Werkzeug" einer gerechten Fallentscheidung zu sein. 6 3 4 Die Vertreter der Ansicht, die Begriffe „Willenserklärung" und „Konsens" seien „liberalistisch", verkennen diese Technizität rechtswissenschaftlicher Begrifflichkeit, die innerhalb der auf relativ hoher Abstraktionsstufe befindlichen Vertragsdogmatik sogar besonders prägnant w i r k t . I m Gegensatz zu einem solchen technisch orientierten Begriffssystem handelt es sich bei geistigen Konzeptionen weltanschaulicher Natur wie etwa Liberalismus oder Sozialismus u m Werfsysteme, die von der technisch-begrifflichen Rechtsdogmatik unterschieden werden müssen. Auch ihnen gegenüber verhält sich dieses begriffliche System relativ indifferent, 685 Die Ersetzung des einen Wertsystems durch ein anderes zwingt «3i Vgl. Renner, S. 186 („juristische »carte blanche"'); Schmidt-Rimpler, AcP 147, S. 156 f. („Mechanismus"); vgl. auch W. Schapp, Philosophie, S. 58. Ganz anders jedoch Kindermann, Rechtstheorie 1981, S. 209 ff. (S.211f.), der den Begriff des subjektiven Rechts der Pandektistik als Ausdruck der „ethischen und sozialen Wertvorstellungen der liberalen Wirtschaftsgesellschaft" ansieht. Wenn es allerdings i m Anschluß daran heißt, daß die liberalistische Tendenz der Pandektistik gerade i n der nicht erfolgten positiven Stellungnahme zur sozialen Frage hervortrete (S. 212), so w i r d unsere Ansicht i m Grunde nur bestätigt: Die wissenschaftlichen Begriffe der Pandektistik sind als solche nichts spezifisch Liberalistisches. Sollte die geistige Haltung der Zeit bzw. der tonangebenden sozialen Gruppen „liberalistisch" gewesen sein, so kann man an das BGB allenfalls den V o r w u r f richten, diese Ideologie nicht durch eine andere Ideologie bekämpft zu haben. «32 Zur Technizität rechtswissenschaftlicher Begriffe vgl. auch Emge, ARSP 39 (1950/51), S. 5 („Behandlungsapparatur"); Fehr, S.29, S. 66 („der Jurist ist heute i n erster Linie Rechtstechniker"); Wassermann, ZRP 1981, S. 258. Vgl. jedoch Zweigert, S. 498. «33 Vgl. auch Germann, S. 334 f.; vgl. auch bereits oben Β. V. 4. b. bb. «34 Zu diesem „Werkzeugcharakter" rechtswissenschaftlicher Begriffe vgl. Jorgensen, Rechtstheorie 1971, S. 9 f.; Rödig, AcP 174, S.472; Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 321; Henkel, S.301 ff. «3ß Vgl. zur gleichgelagerten Problematik hinsichtlich des subjektiven Rechts J. Schapp, Recht, S. 118 ff. 12*

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

daher nicht ohne weiteres zur Umwandlung des abstrakten rechtswissenschaftlichen Begriffssystems. Diesen Sachverhalt bestätigen die Vertreter der These von der „Krise des liberalen Vertragsdenkens" i m Grunde genommen selbst, soweit sie schließlich zu dem — überraschenden — Ergebnis gelangen, daß die Vertragslehre des BGB auch unter einem sozialistischen Wertsystem durchaus aufrecht erhalten werden könne.1®36 Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen kann demnach festgehalten werden, daß die positivrechtliche Regelung der Vertragslehre infolge einer durch wissenschaftliche Abstraktion hervorgebrachten Technizität sowohl gegenüber der konkreten sozialen Wirklichkeit als auch gegenüber dem jeweils vertretenen Wertsystem 6 3 7 , damit aber i n einem doppelten Sinne, eine relative Indifferenz aufweist. Die Indifferenz ist nur eine relative: Immer kommt i n einem funktionsfähigen, d. h. zur Entscheidung eines Konfliktsfalles tauglichen rechtlichen Begriff von Lebenswirklichkeit und Wertsystem soviel zur Ankunft, daß ein willkürlicher Gebrauch ausscheidet. Mag man auch gewisse Stellen der geltenden Privatrechtsordnung — so etwa den § 903 — als ein liberales Fanal deuten können und historisch zum entscheidenden Zeitpunkt auch so gedeutet haben, so ist die Affinität des geltenden Privatrechts i m allgemeinen und der Vertragslehre i m besonderen zum liberalen Wertsystem doch keinesfalls so stark, daß man von der Notwendigkeit reden kann, die „bürgerlich-liberale" in eine „soziale" Privatrechtsordnung zu verwandeln. Nicht zu leugnende Verschiebungen i n der sozialen Wirklichkeit oder dem jeweils vertretenen Wertsystem werden nicht auf der Ebene der Willenserklärungslehre oder der auf vergleichbarem Abstraktionsniveau befindlichen rechtswissenschaftlichen Begriffe, sondern i n den diese Systempfeiler ausfüllenden Regelungen etwa einzelner Vertragstypen erheblich, die dann auch wesentlich konkretere Bezüge zu den streitigen Fällen erkennen lassen. Wenn das BGB wirklich irgendwo „liberalistisch" ist, dann vielleicht beim Unterlassen zwingender Regelungen zur Gestaltung des Arbeitsvertrages oder der Miete, nicht aber bei der Konstruktion dieser Verträge als zwei sich deckende Willenserklärungen. Damit ist dann ein „soziales Mietrecht" oder ein Arbeitsschutzrecht, nicht aber der Eingriff i n den Vertrags „mechanismus" die richtig piazierte Reaktion auf bestimmte soziale Schutzbedürfnisse. 638 «3« Vgl. E. A . Kramer, S. 65 f. m i t Hinweis auf die „kritische" Theorie Habermas', Horkheimers u n d anderer A u t o r e n der sogenannten „ F r a n k f u r t e r Schule". β 3 7 Wie sich dieses Wertsystem seinerseits zur Lebenswirklichkeit verhält, ist eine weitere Frage, der hier nicht mehr nachgegangen werden soll. β 3 8 Richtig insoweit Renner, S. 99 ff. m i t seinem Verweis auf die die F u n k -

4. Zusammenfassung: Das Problem der faktischen V e r t r a g s e r h ä l t n i s s e 181

W i l l man die rechtswissenschaftliche Dogmatik als ein Mittel zur Bewältigung von sozialen Konfliktsfällen, welches zu einem hohen Präzisionsgrad juristischer Argumentation verhilft, erhalten 6 3 9 , so muß man wohl eine wirklichkeits- bzw. wertverdünnte Atmosphäre i n Kauf nehmen. Diese verdünnte Atmosphäre muß dann i n der konkreten Fallentscheidung durch das methodische Bewußtsein aufgefüllt werden, daß der betreffende rechtswissenschaftliche Begriff bzw. die betreffende Entscheidungsnorm selbst nur bestimmte — vorgestellte — Fälle der sozialen Wirklichkeit anzielt, u m sie wertend, d. h. aber letztlich gerecht, zu entscheiden. Der rechtswissenschaftliche Begriff w i r d so zum Instrument einer Vermittlung von Wert und Lebenswirklichkeit. 6 4 0 4. Zusammenfassende Betrachtung zur Problematik der faktischen Vertragsverhältnisse

Vom nunmehr erreichten Standpunkt aus können w i r uns abschließend der Frage zuwenden, inwieweit es einer Fortbildung der überkommenen Vertragsdogmatik bedarf, u m die Rechtsverhältnisse des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge juristisch zu bewältigen. Als anschauliche Fallbeispiele mögen dabei wiederum die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder der Bezug elektrischer Energie von einem Energieversorgungsunternehmen dienen. Simitis w i r f t der h. M., die hier nach wie vor mit dem herkömmlichen Vertragsbegriff arbeitet, i m Anschluß an Haupt vor, die Annahme von zwei korrespondierenden Willenserklärungen bedeute eine reine Fiktion. 6 4 1 Das für diesen Schluß maßgebliche Argument, für die an dem betreffenden Rechtsverhältnis beteiligten Personen bestünde infolge wirtschaftlicher Abhängigkeiten bzw. Kontrahierungszwanges keinerlei Vertragsfreiheit mehr, schließt die Prämisse ein, daß der für einen Vertragsschluß nach überkommener Lehre vorauszusetzende rechtsgeschäftliche Wille frei und individuell bestimmt sein müsse. A u f diese Weise verkennt man aber i n der vorstehend auseinandergesetzten Weise den technischen Charakter der i m BGB positi vierten Vertragslehre und unterlegt ihr ein Wertsystem, welches sich i n ihr so nicht wiederfindet. Darüber hinaus sieht man nicht mit genügender Deutlichkeit, daß rechtswissenschaftliche Begriffe m i t zunehmender Abstraktionshöhe t i o n des jeweiligen Instituts modifizierenden „komplementären" Normen (insbesondere des öffentlichen Rechts). «3» Dies w i l l offenbar auch Simitis, vgl. ders., AcP 172, S. 132: „ . . . die »soziale Mathematik 4 juristischer Dogmatik (ist) für jede Gesellschaft schlicht unentbehrlich." «40 Schindler, S. 33 ff. Vgl. Simitis, S. 485 ff., S. 527; Haupt, S. 7, S. 10 u n d passim. Vgl. auch v. Hippel, in: ders., Rechtstheorie, S. 27 f., S. 30 f.

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

notwendig mehr und mehr den Charakter einer „Fiktion" annehmen, soweit sie i n eine immer größere Fernstellung zur konkret-ganzheitlich verfaßten Lebenswirklichkeit geraten. Das Gesetz selbst bietet insoweit ein schönes Beispiel für die technische Fassung des Begriffs der Willenserklärung i n § 123 Abs. 1: Selbst die erpreßte Willenserklärung ist eine — anfechtbare — Willenserklärung. Der abwertende Gebrauch des Ausdrucks „Fiktion" bei Simitis ist dadurch bedingt, daß er rechtswissenschaftlichen Begriffen die Aufgabe zuweist, eine vollständige Deskription der Lebenswirklichkeit zu erbringen. Dies ist aber — wie gezeigt 642 — nicht Aufgabe rechtswissenschaftlicher Begriffe. Sie haben vielmehr zuallererst die normative Funktion, Hilfsmittel zur Entscheidung sozialer Konflikte zu sein. Das Ziel einer rechtsbegrifflichen Argumentation ist dabei nicht eine möglichst exakte und wertfreie Subsumtion des Falles unter die Norm, sondern die gerechte, d. h. Rechtssicherheit und Einsehbarkeit zugleich vermittelnde Fallentscheidung. Zu diesem Zweck benötigt man zwar keine vollständigen Beschreibungen der sozialen Wirklichkeit, wohl aber Rechtsbegriffe, die i m Hinblick auf den betreffenden Konfliktsfall angewendet werden können, ohne sich bei der Verwendung i m Zusammenhang eines konkreten Falles den V o r w u r f der W i l l k ü r gefallen lassen zu müssen. Betrachtet man nun die beiden Fälle der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder des Bezuges elektrischer Energie, so ergibt sich, daß man durchaus sinnvoll davon sprechen kann, hier komme ein Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Diese Feststellung darf Anspruch auf Richtigkeit erheben, obwohl die Anbieter der Versorgungsleistungen unter dem rechtlichen Gebot des Kontrahierungszwanges stehen, der Leistungsempfänger bis zu einem gewissen Grade von den Leistungen gerade dieses Versorgungsunternehmens abhängig ist und ein allgemein verbindlicher Tarif besteht: Entscheidend ist insoweit nicht, daß Abschluß und Ausgestaltung als Ausfluß der „liberalistischen" Vertragsfreiheit eines autonomen Individuums gedacht werden können, sondern es genügt, daß typischerweise sowohl Anbieter als auch Abnehmer der Versorgungsleistungen i n einem wirtschaftlich sinnvollen Zusammenhang wollen, daß eine entgeltliche Versorgungsleistung erbracht werde. Gerade dies ist aber regelmäßig tatsächlich gegeben, so daß die Deutung der betreffenden konkreten Vertragsgeschichte als ein auf zwei Willenserklärungen beruhender Konsens sinnvoll möglich ist.

ο « Vgl. oben B . I V . 4 . c . b b .

4. Zusammenfassung: Das Problem der faktischen V e r t rags Verhältnisse 183

Die Klassifikation dieses Rechtsanwendungsvorganges als Deutung der konkreten Lebenswirklichkeit 6 4 3 soll neben der Abwehr eines ontologischen Mißverständnisses rechtswissenschaftlicher Begriffe 6 4 4 zugleich darauf hinweisen, daß die konkrete Vertragsgeschichte auf dem Gebiet des Massenverkehrs der Daseinsvorsorge hiermit i n die Reihe der anderen Vertragsgeschichten hineingestellt wird, welche das Deutungsschema zweier korrespondierender Willenserklärungen meint. Kann demnach die juristische Vertragslehre durchaus auf eine gewisse Fundierung ontologischer A r t verweisen, nachdem man sie einmal von der Belastung durch einen „liberalistischen" Geist befreit hat, so erfüllt sich ihr normativer Anspruch dadurch, daß es i n den hier herangezogenen Fällen auch gerecht ist, diese Fälle m i t ihrer Deutung als zwei sich deckende Willenserklärungen i m Sinne einer Zuordnung gegenseitiger Leistungsansprüche zu entscheiden. Indem der zu beurteilende Fall nur dann als Vertrag gedeutet wird, wenn dies i m Hinblick auf die Rechtsfolgen gerecht erscheint, geht eine Werfentscheidung jedenfalls insoweit mit i n die Entscheidung ein, als auf die Gerechtigkeit als die Idee des Rechts überhaupt Bezug genommen wird. Ob dieses Wertsystem dann näherhin etwa eine liberalistische oder sozialistische Prägung besitzt, ist keine Frage der Vertragslehre, sondern allenfalls vorgängiger politischer Gesamtentscheidungen. 645 Eine Anknüpfung des rechtswissenschaftlichen Vertragsbegriffs an die soziale Wirklichkeit i n der soeben dargelegten Gestalt genügt der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen indessen nicht. Vielmehr hat sie es darauf abgesehen, „unter Ausschaltung vermeidbarer rechtskonstruktiver Umwege" „die Norm möglichst konkret auf den zu regelnden Lebenssachverhalt abzustimmen", die „Entscheidung aus dem Sachverhalt selbst zu begründen." 6 4 6 Diesem Anspruch w i r d sie aber keineswegs gerecht, wenn sie die von ihr gemeinten Fälle nunmehr als (nur) „faktische" Vertragsverhältnisse bezeichnet und sie i n Gegensatz zu den auf einem Konsensus beruhenden Vertragsverhältnissen bringt. I n der sozialen Wirklichkeit des vertraglichen Verkehrs gründet die vertragliche Bindung nicht das eine Mal auf dem „individuellen" W i l len der Kontrahenten, das andere Mal auf einem sozialen „Faktum", wie «43 v g l . Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 3, S. 6 ff.; J. Schapp, Sein u n d Ort, S. 137, S. 161. «44 Vgl. dazu bereits oben Β . I V . 3. b. «45 Vgl. etwa C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 20 ff. I m Anschluß an Schmitt benutzt auch J. Schapp diesen Gedanken, u m das Wertsystem v o n der rechtstechnischen Ebene abzuschichten, vgl. ders., Recht, S. 19. «4« Haupt, S. 26, S. 36 f.; vgl. auch Simitis, S. 17, der m i t der Interessenjurisprudenz (vgl. etwa Heck, S. 130) das „Leben" zum alleinigen Forschungsgegenstand erheben w i l l .

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Β . V. Der Dialektische Ansatz

es Simitis' Unterscheidung von „individual-" und Vertragsverhältnis 6 4 7 andeutet, sondern nur auf tragsgeschichte, innerhalb derer sowohl Vertrauen weder individuell und sozial zugleich 6 4 8 oder aber

„sozialrechtlichem" der konkreten Verals auch Wille entgar nichts sind.

I n diesem Zusammenhang ist dann auch Larenz' Lehre vom sozialtypischen Verhalten zu kritisieren, soweit sie es für unmöglich hält, das wortlose Einsteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel als Annahme eines an jedermann gerichteten Antrags des Beförderungsunternehmens zu deuten. Wenn Larenz hierzu als Begründung ausführt, daß zum einen häufig niemand anwesend sei, der die Willenserklärung des Benutzers i n Empfang nehmen könne, zum anderen aber der tatsächliche Annahmewille des Benutzers i m Rahmen einer nach § 151 S. 1 verfahrenden Konstruktion gefehlt haben könnte 6 4 9 , so erscheint dies als Folge eines allzusehr am Subsumtionsmodell festhaftenden Grundansatzes. I n jedem Fall ist jenes rechtlich zu würdigende „Phänomen", das nach Larenz „als solches nicht geleugnet werden (sollte)", mit dem Ausdruck „sozialtypisches Verhalten" ebenso gut oder so schlecht „erfaßt" wie mit dem Begriff des Vertragsschlusses i m herkömmlichen Verständnis. Das Postulat des Rückgriffs auf das Leben selbst kann man — vorsichtig gesagt: allenfalls — mit der Geschichtenphilosophie W. Schapps, nicht aber mit den Begriffen „faktische Vertragsverhältnisse" oder „sozialtypisches Verhalten" erfüllen. M i t diesen Begriffen ersetzt man nur die eine Abstraktion durch eine andere. 650 Während also die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen keine anschauliche Deskription der sozialen Wirklichkeit des Vertragsschlusses leistet, bringt sie auf der anderen Seite eine Reihe von Problemen für die rechtswissenschaftliche Dogmatik mit sich. W i l l man nämlich einen dogmatischen Begriff, der sich i m Rahmen einer langdauernden juristischen Praxis i m großen und ganzen als praktikabel erwiesen hat, durch einen neuen Begriff ersetzen, so trägt man die Argumentations- und Begründungslast für die beabsichtigte Neuschöpfung. 6 5 1 Das Hauptproblem, mit welchem die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen insoweit zu kämpfen hat, ist die Ausbildung «47 v g l . Simitis, S. 520, S. 526, S. 528; Rehbinder, S. 161. 648 Der Dualismus von W i l l e u n d E r k l ä r u n g lebt hingegen fort i n der These Larenz', die Willenserklärung habe eine „doppelte F u n k t i o n " : Sie sei einerseits A k t der „Selbstbestimmung", andererseits A k t „sozialer K o m m u n i k a t i o n " , ders., A T , § 19 I., S. 302. «4» Larenz, A T , § 28 II., S. 490 ff. «so Zutreffend die K r i t i k Ballerstedts i n A c P 157, S. 122 ff. an der fehlenden Konturierung v o n Simitis' Wirklichkeitsvorstellungen. « 5 1 Z u dieser Verteilung der Argumentationslast vgl. etwa Alexy, S. 242 ff. Speziell zur judiziellen Innovation Kriele, S. 243, S. 247, S. 253, S. 276; Schiffauer, S. 252.

4. Zusammenfassung: Das Problem der faktischen V e r t r a g s e r h ä l t n i s s e 185

eines Sonderrechtes für bestimmte Gruppen von Vertragsverhältnissen, die i m Gegensatz zur überkommenen Vertragslehre rein „faktisch" — etwa durch bloße Inanspruchnahme einer Versorgungsleistung — entstehen sollen. Dem Problem einer somit zweispurig verlaufenden Vertragsdogmatik entgeht auch Simitis entgegenstehenden Äußerungen zum Trotz nicht, da seine Lehre auf zwei verschieden geartete Begründungstatbestände für Vertragsverhältnisse hinausläuft, deren fehlende Gegensätzlichkeit lediglich behauptet, nicht aber dargelegt wird. Die dabei auftretenden Widersprüche zeigen sich etwa dort, wo es heißt, von einem herkömmlicher Denkart entsprechenden Vertragsschluß könne beim „sozialen Vertragsverhältnis der Daseins Vorsorge" „überhaupt nicht die Rede sein", i m unmittelbaren Anschluß daran jedoch die Feststellung folgt, daß beide A r t e n von Vertragsverhältnissen „eine Kontinuität" bilden. 6 5 2 Der von Simitis zur Begründung dieser Darstellung verwendete Begriff der Totalität 6 5 3 ist selbst zu wenig konturiert, u m eine klarstellende Wirkung entfalten zu können. Die Zuweisung der Argumentations- und Begründungslast an denjenigen, der eine rechtsdogmatische Neuerung einbringt, hat ihre Grundlage einmal i n dem Prinzip der Gleichbehandlung; diesem ist nur dann Genüge getan, wenn man angeben kann, weshalb i n den fraglichen Fallgruppen abweichend von der allgemein gültigen Dogmatik des Vertragsschlusses ein „faktisches" Verhalten den juristischen Begründungstatbestand des Vertragsverhältnises bilden soll. Darüber hinaus fußt diese Verteilung der Argumentationslast aber auch auf dem Grundsatz, die rechtswissenschaftlichen Mittel und Konstruktionen wie alle wissenschaftlichen Mittel sparsam zu verwalten 6 5 4 , da eine inflationäre Begriffsschöpfung der Stringenz rechtswissenschaftlicher Dogmatik erheblichen Schaden zufügen könnte. 6 5 5 Läßt sich also eine Modifikation der für die Privatrechtsordnung sicher ganz fundamentalen Lehre vom Vertragsschluß hinreichend begründen? Die Behauptung der Erforderlichkeit einer Wandlung der Privatrechtsordnung von einer „individualistischen" zu einer „sozialen" Einrichtung scheidet nach den bisherigen Überlegungen aus. Nur der Nachweis eines das System der Privatrechtsordnung betreffenden so«52 Simitis, S. 527, S. 528. «53 Simitis, S. 545 ff. Z u diesem Totalitätsbegriff, der i n der marxistischhegelianischen Tradition steht, vgl. Seiffert, Marxismus, S. 142 ff. «54 Vgl. Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 569; Hübner, S. 246 ff.; vgl. auch Medicus, in: Gutachten und Vorschläge, Bd. 1, S. 494 ff., S. 499 ff. zur Problem a t i k besonderer dogmatischer Konstruktionen für die c.i.c. «55 Vgl. die Klage von Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 532, S. 541 f., S. 607 über den gegenwärtig zunehmenden Mangel an dogmatischer S t r i n genz.

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. V . Der Dialektische Ansatz

zialen Wandels hätte einen Eingriff i n die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen rechtfertigen können. Ein solcher Nachweis konnte aber nicht erbracht werden. I m Hinblick auf einzelne dogmatische Problempunkte der Abwicklung „faktischer Vertragsverhältnisse" braucht man nicht an den Grundfesten des Vertragsrechts zu rütteln, sondern kann sich m i t geringfügigen Modifikationen der Folgeregelungen begnügen. So hat sich etwa die Frage der Anfechtbarkeit eines Vertragsschlusses i m Arbeitsoder Gesellschaftsrecht durch die Lehre von den beschränkten Nichtigkeitsfolgen 6 5 6 zufriedenstellend lösen lassen, bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Daseinsvorsorge unter ausdrücklicher Verwahrung gegen eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung h i l f t der Grundsatz der protestatio facto contraria weiter. 6 5 7 M i t dieser Begrenzung der nachweisbar erforderlichen dogmatischen Modifikationen auf die Rechtsfolgen oder m i t der Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben zur Lösung von Ausnahmefällen 658 verweist man das dogmatische Problem der „faktischen Vertragsverhältnisse" auf das, was es ist: Eine rechtstechnische Konstruktionsaufgabe. 650 Die tiefere Bedeutung des Problems liegt i n seinen methodologischen Implikationen. Sie waren Gegenstand dieser Untersuchung.

«56 Vgl. Hueck/Nipperdey, §32, S. 183 ff.; Flume , Personengesellschaft, §2 I I I . , S. 13 ff. «57 Vgl. dazu Teichmann, S. 295 ff. (S. 314), welcher sogar die Ansicht vert r i t t , zur Erzielung angemessener Ergebnisse auf eine eigenständige dogmatische Figur der protestatio facto contraria verzichten zu können. Auch Wieacfcer, in: FS O L G Celle, S. 279 ff. w e h r t sich gegen die Zweispurigkeit der Vertragsdogmatik als „zu schweres Geschütz" (S. 281). «58 So richtig Wieacker, in: FS O L G Celle, S. 272. «5® So Wieacker, JZ 1959, S. 383.

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