Rechtsstaat am Verhandlungstisch: Nach der Einführung von § 130 a SGB V - Zulässigkeit und Konsequenzen einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller [1 ed.] 9783428523559, 9783428123551

Vor dem Hintergrund wachsender Komplexität staatlicher Aufgaben und der hierbei zu bewältigenden Sachverhalte gewinnen z

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Rechtsstaat am Verhandlungstisch: Nach der Einführung von § 130 a SGB V - Zulässigkeit und Konsequenzen einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller [1 ed.]
 9783428523559, 9783428123551

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1050

Rechtsstaat am Verhandlungstisch Von

Christian Rybak

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN RYBAK

Rechtsstaat am Verhandlungstisch

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1050

Rechtsstaat am Verhandlungstisch Nach der Einführung von § 130a SGB V – Zulässigkeit und Konsequenzen einer Vereinbarung zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller

Von

Christian Rybak

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12355-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In einem Staat, das heißt in einer Gesellschaft, in der es Gesetze gibt, kann Freiheit nur darin bestehen, das tun zu können, was man wollen darf. Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben. Charles de Montesquieu

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 2005/2006 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation vorgelegen. Sie entstand dort im Wesentlichen während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Diese Zeit war für mich in vielfältiger Hinsicht prägend und wird mir stets in bester Erinnerung bleiben. Eine Dissertation ist kein Selbstläufer. Vielmehr bedarf es in jedem Stadium ihres Entstehens der Mitwirkung zahlreicher Helfer, Ratgeber und Kritiker, die hier nicht alle im Einzelnen aufgezählt werden können. Meinen herzlichen Dank möchte ich zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Lutz Michalski aussprechen, der mir an seinem Lehrstuhl neben dem Belassen weitreichender akademischer Freiheiten in Forschung und Lehre auch größtes Vertrauen und Verständnis entgegengebracht hat. Nicht nur seine ständige Bereitschaft, auf die aufgeworfenen Probleme einzugehen, sondern auch die hervorragende Atmosphäre am Lehrstuhl waren für mich eine wertvolle Hilfe. Für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Karl-Georg Loritz. Danken möchte ich auch dem Vorsitzenden der Prüfungskommission, Prof. Dr. Peter W. Heermann, LL.M. Besonderer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Dr. Alexander P. F. Ehlers für die Anregung des vorliegenden Themas sowie der Referentin der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Frau Regierungsdirektorin Maria Becker, für die wertvolle Erläuterung der thematischen Hintergründe. Für den in vielfältiger Form präsenten persönlichen und fachlichen Zuspruch und für die unvergessliche Zeit in Bayreuth möchte ich aber auch meinen Freunden und Kollegen Ilja Funke und Yves Döll sowie der treuen Seele des Lehrstuhls Zivilrecht I – Frau Berneth – danken. Meinen Eltern danke ich dafür, dass sie mir zu jeder Zeit die in vielerlei Hinsicht erforderliche Freiheit gaben, meine Ausbildung meinen Neigungen und Absichten entsprechend zu wählen und mich auch bei der Entscheidung zur Promotion bestätigten. Herausragender Dank gebührt hierbei meiner Mutter, die nicht zuletzt auch durch ihren unermüdlichen Einsatz beim Korrekturlesen zum Erfolg dieser Arbeit wesentlich beigetragen hat. Berlin und München, im Sommer 2006

Christian Rybak

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Kapitel: Einführung in den Sachstand und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2. Kapitel: Kurze Einführung in das Sozialrecht unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

3. Kapitel: Rechtliche Qualifikation des Übereinkommens zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

4. Kapitel: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Kapitel: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 6. Kapitel: Die Rechtmäßigkeit der informellen Absprache zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7. Kapitel: Preisabschlag trotz Absprache: Die Einführung von § 130a SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) zum 01.01.2003 414 8. Kapitel: Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

Zusammenfassung und Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Kapitel Einführung in den Sachstand und Problemaufriss

32

A. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtslage bis zum 31.12.2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtslage bis zum 31.12.2002 infolge der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderung der Sach- und Rechtslage infolge der Einführung von § 130a SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz zum 01.01. 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32

35

B. Grundlagen der Betrachtung – Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

33

2. Kapitel Kurze Einführung in das Sozialrecht unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzlichen Krankenversicherung

39

A. Begriff des Sozialrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

B. Aufgaben des Sozialrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

C. Sozialrecht in der Rechts- und Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sozialrecht in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sozialrecht in der Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 43

D. Die Säulen der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

E. Grundprinzipien der sozialen Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

F.

44 44 45 45 45 46

Die Gesetzliche Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisation und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Personelle Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

Inhaltsverzeichnis

IV. V.

1. Pflichtversicherte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versicherungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 46 46 47 47

3. Kapitel Rechtliche Qualifikation des Übereinkommens zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA)

49

A. Die Übereinkunft vom 08.11.2001 – Überblick über mögliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begrifflichkeiten und allgemeine Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formelles Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlichtes Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Informelles Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erscheinungsformen informellen Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . II. Öffentlich-rechtliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Privatrechtliche Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzen bei der Wahl zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehren von der fehlenden Disponibilität des Staates . . . . . . . . . . a) Die Lehre vom öffentlichen Recht als zwingendem Sonderrecht des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehre von der fehlenden Privatrechtsfähigkeit des Staates . . c) Aus der ultra-vires-Lehre abgeleiteter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lehren von der beschränkten Formenwahlfreiheit . . . . . . . . . . . . a) Die Aufgabentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompetenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Hoheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Normfiktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 67 67 68 68 69 69 70 70

B. Erscheinungsformen konsensualen „Verwaltungs“-handelns . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 73 74

50 50 50 52 53 53 54 61 63 64 64 65 66

Inhaltsverzeichnis

13

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

D. Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA – eine Rechtsnorm? . . .

85

E. Die Vereinbarung als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG? . . . . . . . . . . I. Materiell-rechtliche Funktionen und Bedeutung des VA . . . . . . . . . . . . . . II. Merkmale des Verwaltungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 87 88

F.

75 75 77

Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 SGB X? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

G. Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Formen öffentlich-rechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Merkmale öffentlich-rechtlicher Verträge im Einzelnen . . . . . . . . . .

91 91 92 93 94 95

H. Die Vereinbarung als Zusage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

K. Die Vereinbarung als informelle Absprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Die informelle Absprache als Form öffentlich-rechtlichen Handelns . . . 99 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Merkmale und Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag . . . . . . . 102 III. Zuordnung zum Gebiet des öffentlichen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 L. Zusammenfassung des 3. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. Kapitel Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

106

A. Entwicklung der informellen Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene . . . . . . I. Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen? . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz: Das Prinzip der Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Generelle Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliches Gebot des formgebundenen Handelns? . . b) Lehre vom Formenmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 114 114 115 115 116

14

Inhaltsverzeichnis 3. Verfassungsrechtliche und spezialgesetzliche Begrenzung . . . . . . . . . 117

C. Die informelle Absprache als Ersatz für formelles einseitig-hoheitliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorteile des Einsatzes informeller Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nachteile und Gefahren des Missbrauchs informeller Absprachen . . . . .

118 118 119 124

D. Einteilung von Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuordnung nach Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertikalabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Horizontalabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuordnung nach der Abstraktheit des der Absprache zugrundeliegenden Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Projektbezogene Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regulative Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normvollziehende, -vorbereitende und -ersetzende Absprachen . . . . 4. Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuordnung nach den Auswirkungen für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . 1. Begünstigende und belastende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drittbegünstigende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Drittbelastende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuordnung nach der Form des zu gestaltenden Rechtsverhältnisses . . . . 1. Austauschabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zuordnung nach dem Grad und der Richtung der Absprachebeteiligung 1. Offen einseitige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweiseitige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsersetzende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regelungsvorbereitende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Realaktsersetzende/-vorbereitende Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sonstige Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Duldungsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstbeschränkungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arrangement und gentlemens agreement als eigene Kategorie? . . . .

127 128 128 129

E. Rechtliche und rechtstatsächliche Relevanz von informellen Absprachen . . . . I. Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatsächliche Bedeutung: Beispiele aus der bisherigen Praxis . . . . . . . . . 1. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Kohle-Erdölkartell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbstbeschränkungsabkommen der pharmazeutischen Industrie, 1975, 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 141 142 142 142

130 130 130 130 133 133 133 134 134 135 135 135 136 136 137 137 137 138 138 138 139 140

143

Inhaltsverzeichnis c) Absprache zur Reduktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, 1976/77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spielautomatenabsprache, 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) CO2-Abkommen, 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Altautorücknahme, 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Absprachen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie, 1988/ 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informelle Absprachen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland . . F.

Rechtsfolgen von Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die (rechtmäßige) Absprache als Sonderform des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen? . . . . . . . . . . . . . . II. Die (rechtmäßige) Absprache als Handlungsform eigener Art mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte aus der Absprache im Sinne eines Erfüllungsanspruchs . . . . a) Rechtliche Bindungswirkung der informellen Absprache . . . . . . . b) Faktische Bindungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selbstbindung der handelnden Behörde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Primärpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfüllungsansprüche aus sonstigen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bindungswirkung und Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfüllungsanspruch als Ergebnis einer Ermessensreduktion? . . . . . . . 3. Erfüllungsanspruch unter Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 48, 49 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfüllungsanspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Amtshaftung, Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . IV. Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensersatz statt der Leistung, § 62 S. 2 VwVfG analog iVm. § 280 Abs. 1, 3 BGB, § 281 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshaftung, Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . a) Amtspflicht zur Einhaltung von Zusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Amtspflicht zu konsequentem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Amtspflicht zu fehlerfreier Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . . . .

15

143 145 146 147 147 149 151 152 153 154 154 154 159 160 161 161 162 162 166 167

167 169 169 170 170 172 172 173 175

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Inhaltsverzeichnis

V. VI.

3. culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Enteignungsgleicher/enteignender Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Enteignender Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgenbeseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen rechtswidriger Absprachen – Ein Überblick . . . . . . . . . . . . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsschutzmöglichkeiten des an der Absprache beteiligten Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutzmöglichkeiten für Drittbetroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 180 186 186 187 188 189 191 192 195

G. Zusammenfassung des 4. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5. Kapitel Die rechtlichen Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

197

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kompetenznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Staatszielbestimmung Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sonstige verfassungsrechtliche Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 201 201 202 206 207 208

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) . . . . . . . . . 1. Die informelle Absprache als Verwaltungstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 VwVfG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde . . . . . . . b) Normersetzende Absprachen als Verwaltungstätigkeit? . . . . . . . . . 2. Die informelle Absprache als Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Analoge Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die analoge Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichbarkeit der Absprache mit öffentlichen-rechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208 209 210 210 211 213 214 218 218 219

Inhaltsverzeichnis

IV. V.

VI.

b) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 54 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichsabsprache, § 55 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Austauschabsprache, § 56 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schriftformgebot, § 57 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zustimmung von Dritten und Behörden, § 58 VwVfG analog? . . . . . 7. Nichtigkeit der Absprache gemäß § 59 VwVfG analog? . . . . . . . . . . 8. Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen, § 60 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. § 62 VwVfG analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertikalabsprachen im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertikalabsprachen im Rahmen hoheitlicher Aktivitäten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Horizontalabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Horizontalabsprache als Vollzugshandlung einer Vertikalvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Staatlich inspirierte Horizontalabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 221 223 224 227 231 234 238 242 244 245 246 252 253 256 256 257 258 259 260 262

D. Zusammenfassung des 5. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

6. Kapitel Die Rechtmäßigkeit der informellen Absprache zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA)

271

A. Exkurs: Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Gesetzesgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Die Regelungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 B. Die Absprache zwischen VFA und Bundesregierung: Inhalt und Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt der Absprache und Auswirkungen in tatsächlicher Hinsicht . . . . . II. Rechtliche Auswirkungen der Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen für die Bundesregierung/den Bundesgesetzgeber . . . .

273 274 276 276

18

Inhaltsverzeichnis 2. Auswirkungen für die Landesgesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen für die beteiligten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechts- und Rechtsmittelverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen für die begünstigten Krankenkassen/die GKV . . . . . . a) Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zahlung zugunsten des Bundes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schenkung zu Gunsten der Krankenkassen? . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Berechtigung zur Annahme des gezahlten Betrags? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001 – Zulässigkeit der Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Exkurs: Rechtsstaatsprinzip und Vorrang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Vorrang des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unzulässigkeit der Absprache aufgrund Pflicht zum Erlass eines Verwaltungsakts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Handlungsformverbot gemäß § 155 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein: Die grundsätzliche Zulässigkeit abgabenrechtlicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regelung des § 155 Abs. 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Solidarbeitrag als Abgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtsteuerliche Abgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unzulässigkeit der Absprache aufgrund Pflicht zum Erlass eines förmlichen Gesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzverfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulässigkeit der Absprache als Handlungsinstrument? . . . . . . . 3. Erfordernis eines förmlichen Gesetzes aufgrund der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfordernis eines förmlichen Gesetzes aufgrund staatlicher Schutzpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unzulässigkeit der informellen Absprache als Handlungsform unter dem Gesichtspunkt des Formenmissbrauchs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277 279 279 280 282 285 285 285 287 290 291 292 292 292 295 297 298 298 301 302 302 304 306 307 307 311 311 313 315 318 319

Inhaltsverzeichnis

19

V. VI.

Ermessensüberschreitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Unzulässigkeit der informellen Absprache wegen Verstoßes gegen das verfahrensrechtliche Effizienzgebot, § 10 S. 2 VwVfG analog? . . . . . . . 321 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 D. Formelle Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11. 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zuständigkeit der Bundesregierung zum Abschluss der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbandskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Absprache vom 08.11.2001 im Zuständigkeitsbereich des Bundes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Organkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligung von betroffenen Dritten, § 58 Abs. 1 VwVfG analog? . . 2. Beteiligung anderer Verfassungsorgane? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG analog? . . . . . . . b) Grundsätzliche Beteiligung des Bundesrats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Zustimmung des Bundesrats zum Abschluss normersetzender Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Information des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beteiligung des Bundeskabinetts bei gesetzesersetzenden Absprachen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veröffentlichungspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erforderlichkeit einer Prüfung durch zuständige Regierungsressorts/Sonstige Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Materielle Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermächtigungsgrundlage auch für informelle Absprachen? . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich der Wahl des Handlungsinstruments? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich des Abspracheinhalts? 3. Mögliche Ermächtigungsnormen hinsichtlich der Absprache vom 08.11.2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 323 323 324 324 329 331 332 333 334 334 335 335 336 339 340 342 346 347 347 347 347 349 349 351 351 354 357

20

Inhaltsverzeichnis II. III. IV. V. VI. VII.

VIII. IX. X.

XI. XII.

XIII. XIV. F.

Unzulässige Vorwegbindung des Gesetzgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unzulässiger Eingriff in Verwaltungskompetenzen der Länder? . . . . . . . Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG wegen unzulässiger Finanzierung durch die Länder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsetzungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkungsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung von Grundrechten der VFA-Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betroffene Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Eingriffsbegriff im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriff und informelle Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eingriff vs. Einwilligung: Der Grundsatz „volenti non fit iniuria“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtsverzicht durch informelle Absprachen? . . . . . . . . bb) Eingriffsausschluss ohne Grundrechtsverzicht? – Weitere Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unfreiwilligkeit infolge widerrechtlicher Drohung . . . . . (2) Unfreiwilligkeit aufgrund arglistiger Täuschung . . . . . . . cc) Folgen des Verzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung von Grundrechten des VFA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung von Grundrechten Drittbetroffener? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der Instrumentenwahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Abspracheinhalts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 56 Abs. 1 VwVfG analog – Insbesondere: Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) . . . . . 1. Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

360 365 365 366 367 367 367 369 369 372 376 377 379 385 388 389 389 390 391 391 394 395 397 400 401 401 402 404 406 409

Ergebnis und Zusammenfassung des 6. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410

Inhaltsverzeichnis

21

7. Kapitel Preisabschlag trotz Absprache: Die Einführung von § 130a SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) zum 01.01.2003 A. Der Rabatt der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V: Allgemeine Grundlagen und Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anlass der Regelung und Normgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Regelungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

414

415 415 416 417

B. Die formelle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 I. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 II. Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 C. Die materielle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen die Vereinbarung vom 08.11.2001? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfolgung eines Sachzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Homogenität der belasteten gesellschaftlichen Gruppe . . . . . . . . . . . . 3. Finanzierungsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gruppennützige Verwendung des Aufkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfordernis periodisch wiederkehrender Legitimation der Abgabe . . III. Verletzung von Grundrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 70 ff., 105 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424 424 425 429 429 430 431 432 433 433 436 436 437

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

8. Kapitel Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche?

439

A. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 B. Anspruchsgrundlagen und materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erstattungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorliegen besonderer Ausschlussgründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

439 439 439 440 440 442

22

Inhaltsverzeichnis

II.

c) Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 d) Anspruchshöhe und Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

Zusammenfassung und Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480

Abkürzungsverzeichnis aA. AABG aaO. ABl. Abs. Abschn. AcP AG Alt. AöR AO Art. AtG AuA Bad.-Württ. BAG BAnz BayVBl BayVGH BB Bd. BDI BerASichG Begr. BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BHO BImSchG

andere Ansicht Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Aktiengesellschaft Alternative; alternativ Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Abgabenordnung Artikel Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Baden-Württemberg Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebsberater (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Berufsausbildungssicherungsgesetz Begründung; Begründer Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Amtliche Sammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Bundeshaushaltsordnung Bundes-Immissionsschutzgesetz

24 BImSchV BKartA BMWi BPI BR-Drucks. BSG BSGE BStBl BSSichG BT-Drucks. BVA BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw. ca. CDU c.i.c. CO2 CSU DB ders. d.h. diesbezgl. Diss. DM Dok. DÖV DStR DStRE DStZ DVBl E ebda. EG EGV endg. Entsch. EStG

Abkürzungsverzeichnis Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Bundes-Immissionsschutzverordnung) Bundeskartellamt Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Bundessteuerblatt Beitragssatzsicherungsgesetz Bundestags-Drucksache Bundesversicherungsamt Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union Deutschlands culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) Kohlendioxid Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt diesbezüglich Dissertation Deutsche Mark Dokument Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Entwurf ebenda Europäische Gemeinschaft(en); siehe auch EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (zit.: EG) endgültig Entscheidung Einkommensteuergesetz

Abkürzungsverzeichnis EStDV etc. EuG EuGH EuZW e. V. f. FCKW ff. FfG FG fortgef. Frhr. FS FuE GewArch GewStG GG GGO GK GKV GMG GmS-OGB GO BReg GO BT grds. GRUR GWB HessVGH Hrsg. HStR ieS. IStR iwS. JA JuS JZ IGA IG BCE i. H. v. InvHG iVm.

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung et cetera Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein und folgende Seite Fluorchlorkohlenwasserstoffe und folgende Seiten Forum für Gesundheitspolitik (Zeitschrift) Finanzgericht fortgeführt Freiherr Festschrift Forschung und Entwicklung Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Gemeinschaftskommentar Gesetzliche Krankenversicherung GKV-Modernisierungsgesetz Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hessischer Verwaltungsgerichtshof Herausgeber Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland im engeren Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Industriegemeinschaft Aerosole e. V. Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in Höhe von Investitionshilfegesetz in Verbindung mit

25

26 KritV KOM KStG KStZ LG lit. LKV Ls. LStVG

MedR Mrd. mwN. NJW NJW-RR Nr., Nrn. NStZ NuR NVwZ NVwZ-RR NZA NZS o. ä. Öff.-rechtl. OLG OVG PharmR PKV RegE RiBVerfG RVO Rs. Rz. S. Sch/Sch SGB I SGB IV SGB V SGB X

Abkürzungsverzeichnis Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift) Dokumente der EG-Kommission Körperschaftsteuer Kommunale Steuer-Zeitschrift Landgericht litera Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Leitsatz Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) Medizinrecht (Zeitschrift) Milliarde; Milliarden mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Nummer, Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift) Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) oder ähnlich (-e, -er, -es) Öffentlich-rechtlich Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Pharma Recht (Zeitschrift) Private Krankenversicherung Regierungsentwurf Richter am Bundesverfassungsgericht Reichsversicherungsordnung Rechtssache Randziffer Seite Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch (Kommentar) Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch

Abkürzungsverzeichnis SGB XII Slg. SMG sog. SPD SpielV StGB TB u. a. Unterabschn. Urt. UWG v. VA verb. VersR VerwArch VFA VG VGH Vgl. v. H. VO vs. VSSR VVDStRL VwVfG wg. WiR WM WuW WuW/E z. z. B. ZESAR ZIP zit. ZLR ZollG ZRP ZUR

27

Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch Sammlung Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) sogenannt (-e; -er; -es) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Spieleverordnung Strafgesetzbuch Tätigkeitsbericht und andere Unterabschnitt Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von; vom Verwaltungsakt verbunden; verbundene Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Verordnung versus Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz wegen Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) WuW-Entscheidungssammlung zum Kartellrecht zum, zur zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zollgesetz Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung Einhergehend mit dem sich noch immer beschleunigenden technologischen und strukturellen Wandel des modernen Staats ist dieser immer weniger in der Lage, effektiv seine Zielvorstellungen zu verwirklichen. Die wachsende quantitative und qualitative Vielfalt, aber auch die zunehmende Komplexität der staatlichen Aufgaben ließen die bisher bekannten Handlungsformen sowohl hinsichtlich ihrer Effizienz als auch Flexibilität sehr schnell an ihre Grenzen stoßen1. Dies führte nicht zuletzt auch in der politischen Praxis zu der Erkenntnis, dass sich die künftigen Aufgaben auf herkömmlichem Wege entweder gar nicht oder in nur unzureichendem Maße bewältigen lassen. Der dadurch ausgelöste Modernisierungsdruck führte zum einen dazu, dass Entscheidungs- und Abwägungsprozesse in immer größerem Umfang verlagert und dabei insbesondere auf die sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreuenden Kommissionen und Arbeitsgemeinschaften überantwortet werden. Ein durchschlagender Erfolg blieb hier jedoch nur den Wenigsten beschieden. Zum anderen aber führten die bestehenden Probleme zu einer verstärkten Suche nach alternativen Steuerungsmodellen, die sich mit den bisher bekannten Handlungsformen auf den ersten Blick nur schwerlich vereinbaren ließen. Verstärkt ging man nun dazu über, klassische einseitige Steuerungsinstrumente durch Elemente der Kooperation zu ergänzen 1 Hierzu: Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Risiken, 1990, S. 46; G. F. Schuppert in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1525; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 86; Allgemein: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981; Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990; S. 13 ff.; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995; Schulze-Fielitz in: Benz/Seibel (Hrsg.), Zwischen Kooperation und Korruption, 1992, S. 233 ff.; ders. in: Dose/Voigt (Hrsg.); Kooperatives Recht, 1995, S. 225 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994; Becker, DÖV 1985, 1003 ff.; Beyerlin, NJW 1987, 2713 ff.; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343 ff.; Brohm, DVBl 1994, 133 ff.; Bulling, DÖV 1989, 277 ff.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190 ff.; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193; Lecheler, BayVBl 1992, 545 ff.; Oebbecke, DVBl 1986, 793 ff.; Scherer, DÖV 1991, 1 ff.

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Einleitung

oder gar zu ersetzen. An die Stelle des hoheitlichen Rechtsvollzugs traten Überzeugungs- und Überredungsstrategien. Beschränkte sich diese Entwicklung vorerst vor allem auf die Bereiche des Wirtschaftsförderungs- und Umweltrechts, so wurden allmählich in nahezu jedem Rechtsgebiet ähnliche Tendenzen offensichtlich. Aus vielfältiger Motivation heraus begibt sich der Rechtsstaat somit in immer stärkerem Maße auf den Verhandlungsweg und verabschiedet sich schleichend, in oftmals nicht unbedenklicher Weise, von den klassischen Handlungsinstrumenten und nicht zuletzt auch vom Gesetz. Daher ist es kaum verwunderlich, dass nicht nur diese (vermeintlich neuen) Verhaltensweisen selbst, sondern auch die Akteure verstärkt in den Blickpunkt von Öffentlichkeit und Rechtswissenschaft geraten sind. So wurden bereits von Anbeginn der beschriebenen Entwicklung erhebliche Bedenken und mehr oder weniger beachtenswerte Einwände gegen die Abkehr von den klassischen Handlungsinstrumenten vorgetragen. Vor allem der enge Abstimmungsprozess der Beteiligten untereinander birgt die Gefahr, dass normative Standards unterlaufen werden und der Verlust der Zielgröße Gemeinwohl nahezu vorprogrammiert ist. Letztlich tragen gerade auf Kooperation angelegte Verhaltensweisen nicht immer auch zur Transparenz im Rechtsstaat bei. Ihrer zunehmenden Verbreitung aber tat dies keinen Abbruch, wie die erhebliche Anzahl von Beispielen aus der Praxis belegt. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung, als sich im Jahre 2001 die Vertreter führender Arzneimittelhersteller mit der deutschen Bundesregierung auf eine in dieser Form bisher nie dagewesene Vorgehensweise verständigten. Gegenstand der getroffenen Vereinbarung war die Zusage seitens der Bundesregierung, auf die geplanten gesetzlichen Preisregulierungsmaßnahmen für bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Jahre 2002 und 2003 zu verzichten. Im Gegenzug erklärten sich die Industrievertreter zur einmaligen Zahlung eines sogenannten Solidarbeitrags in Höhe von DM 400 Mio. (etwa A 204,5 Mio.) zugunsten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bereit. Während dies in der Öffentlichkeit nur mäßige Beachtung fand2, wurde vor allem aus den Reihen der Opposition heftige Kritik geübt. Diese sah in der getroffenen Vereinbarung einen politisch unanständigen und anrüchigen „Kanzlerdeal“3. So sprach etwa Horst Seehofer in der Sitzung des Deutschen Bundes2 Vgl. hierzu die gemeinsame Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09.11.2001; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.11.2001; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 03.12.2001; Frankfurter Rundschau vom 14.12.2001; Frankfurter Rundschau vom 17.01.2002; Stuttgarter Zeitung vom 10.11.2001; Stuttgarter Zeitung vom 07.12.2001; Stuttgarter Zeitung vom 09.01.2002; Stern vom 06.12.2001; Welt am Sonntag vom 25.11.2001; Neue Zürcher Zeitung vom 13.11.2001; Süddeutsche Zeitung vom 10.11.2001; Verschiedentlich wurde hier der Terminus des „Ablasshandels“ geprägt. Sogar von „Schmiergeldzahlungen“ und dem Verdacht der Korrumpierbarkeit (so etwa die Vereinigung Transparency International) war teilweise die Rede, vgl. Frankfurter Rundschau vom 21.11.2001. 3 Vgl. etwa die Äußerungen der Abgeordneten Widmann-Mauz (CDU/CSU), Plenarprotokoll 14/205, S. 20332.

Einleitung

31

tags am 29.11.2001 von einem „der unappetitlichsten Vorgänge in der deutschen Politik der jüngeren deutschen Geschichte“4. Auch die Spitzenverbände der Krankenkassen hielten die getroffene Vereinbarung letztlich für verfehlt und rechtlich äußerst fragwürdig5. Abgesehen davon, dass durch solche Vorgänge die politische Glaubwürdigkeit ohnehin nicht gerade eine positive Beeinflussung erfährt, erhielt sie vorliegend noch eine besondere Brisanz durch den Umstand, dass zum 01.01.2003 das Gesetz zur Sicherung der Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung und in der Gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG)6 in Kraft trat. Dadurch wurde ein neuer § 130a in das SGB V eingefügt, auf dessen Grundlage die pharmazeutischen Unternehmen entgegen der getroffenen Vereinbarung nunmehr verpflichtet waren, Zwangsabschläge auf bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel zugunsten der GKV zu gewähren. Den beschriebenen Sachverhalt und die dabei grundsätzlich bestehenden Bedenken zum Anlass nehmend, soll in der nachfolgenden Arbeit nicht nur das Abkommen zwischen Bundesregierung und pharmazeutischer Industrie auf seine Vereinbarkeit mit geltendem Recht hin überprüft werden (Kapitel 6). Vielmehr soll anhand dieses Beispiels auch der Versuch unternommen werden, ausgehend von den Eigenschaften und Wirkungen derartiger Vereinbarungen (Kapitel 4) allgemeingültige Rechtmäßigkeitskriterien und brauchbare Beurteilungsmaßstäbe zu entwickeln (Kapitel 5). Die damit zusammenhängenden Problemschwerpunkte werden im Rahmen einer allgemeinen Einführung zunächst Gegenstand der nachfolgenden Kapitel 1 und 2 sein. Im Rahmen des sich anschließenden 3. Kapitels soll dagegen der Frage nachgegangen werden, wie die getroffene Vereinbarung überhaupt rechtlich zu qualifizieren ist. Dafür wird es erforderlich sein, auch auf grundsätzliche, insbesondere terminologische Fragen einzugehen. Nachdem untersucht wurde, inwieweit die vorliegende Vereinbarung den aufgestellten allgemeinen und besonderen Anforderungen gerecht wurde, gilt es schließlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Frage der Rechtmäßigkeit des BSSichG nachzugehen (Kapitel 7), bevor geklärt werden soll, welche Konsequenzen sich aus den gefundenen Ergebnissen für die vorliegende Vereinbarung ziehen lassen (Kapitel 8).

4

Siehe Plenarprotokoll 14/205, S. 20325. So die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen in einer gemeinsamen Presserklärung am 09.11.2001. 6 Gesetz vom 23.12.2002, BGBl. I S. 4637. 5

1. Kapitel

Einführung in den Sachstand und Problemaufriss A. Ausgangssituation I. Die Rechtslage bis zum 31.12.2001 Der Ausgangspunkt des hier interessierenden Sachverhalts ist bereits im Jahre 2001 zu suchen. Motiviert durch explodierende Arzneimittelausgaben, die schlechte Finanzsituation innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung und den damit einhergehenden konstant steigenden Beitragssätzen, entschloss sich die Regierungskoalition nach einer Vielzahl von als gescheitert geltenden Reformversuchen1, den aktuellen Entwicklungen mittels des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) entgegenzutreten. Erklärtes Ziel des AABG war ein Einsparvolumen in der Größenordnung von bis zu drei Milliarden DM (ca. A 1,53 Mrd.). Akuter Handlungsbedarf war schon aus dem Grunde geboten, dass allein im 1. Halbjahr 2001 extreme Ausgabensteigerungen der Gesetzlichen Krankenkassen zu verzeichnen waren, die im Wesentlichen auf die Entwicklung im Arzneimittelbereich zurückzuführen waren2. Mittlerweile überstiegen die Kosten für Arzneimittel sogar jene für ärztliche Honorare. Eine weitere Verschlechterung dieser Situation war vor allem auch im Hinblick auf den zunehmenden Anteil der älteren Bevölkerung und damit des steigenden Arzneimittelverbrauchs, aber auch infolge der verstärkten Einführung innovativer, jedoch auch kostenintensiver Arzneimittel bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen zu befürchten.

1 Man denke in diesem Zusammenhang nur an das Gesundheitsreformgesetz (1988), das Gesundheitsstrukturgesetz (1993), das Krankenhausausgabenstabilisierungsgesetz (1996), das Beitragsentlastungsgesetz (1997), das Erste GKV-Neuordnungsgesetz (1997), das Zweite GKV-Neuordnungsgesetz (1997), das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung (1998), das GKV-Finanzstärkungsgesetz (1999), das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (1999) sowie das GKV-Reformgesetz (2000). 2 Allein im 1. Halbjahr 2001 sollen Schätzungen zufolge ein Defizit innerhalb der GKV in Höhe von annährend DM 6 Mrd. erreicht worden sein. Vgl. hierzu auch BTDrucks. 14/7144, S. 1, wobei hier von einem Defizit in Höhe von DM 4 Mrd. ausgegangen wurde.

A. Ausgangssituation

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Vor diesem Hintergrund sah man die Begrenzung der Arzneimittelausgaben und eine nachhaltige Beitragssatzsicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung als vordringlichste Aufgabe für die Zukunft an. Aus diesem Grunde hatte die Bundesregierung seinerzeit auf einen engen Zeitplan gedrängt und den Bundesrat um Fristverkürzung ersucht, um noch im Jahre 2001 das AABG verabschieden zu können. Wesentlicher Bestandteil des darin enthaltenen Maßnahmenkatalogs war neben der Einführung der aut-idem-Regelung unter anderem auch die Erhöhung des bereits bestehenden Apothekenrabatts zugunsten der GKV von 5 auf 6 v. H. für die Jahre 2002 und 2003. Zudem wurde dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anheimgegeben, teure Arzneien ohne spürbaren medizinischen Fortschritt mit Nachdruck aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen auszuklammern. In Bezug auf die Leistungsabrechnung der Krankenhäuser war im Zuge des AABG des Weiteren die Einführung von Pauschalpreisen je Patient vorgesehen, die sich nach dem jeweiligen Krankheitsfall richten. Die Installation von Qualitätskontrollen soll dabei sicherstellen, dass Patienten nicht verfrüht aus der Klinik entlassen werden.

II. Die Rechtslage bis zum 31.12.2002 infolge der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA In seiner ursprünglichen Fassung sah der Entwurf des AABG auch einen Preisabschlag für die Jahre 2002 und 2003 in Höhe von 4 v. H. vor, den die pharmazeutischen Unternehmen zugunsten der Krankenkassen auf patentgeschützte, ganz oder überwiegend zu Lasten der GKV abgegebene und nicht festbetragsbezogene Arzneimittel zu gewähren hatten3. Für diesen Zeitraum hätte sich somit eine unmittelbare finanzielle Belastung der betroffenen Hersteller in der Größenordnung von DM 780–960 Mio. (ca. A 399–491 Mio.) ergeben. Zunächst versuchte die Pharmaindustrie mit einer massiven Kampagne, das AABG und den damit befürchteten Abbau vieler Arbeitsplätze zu verhindern. Als sich dies jedoch als nicht zielführend erwies, bot der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA)4 eine „Solidarzahlung der pharmazeutischen Industrie“ an die Krankenkassen an. Im Gegenzug sollte die Bundesregierung auf die geplante Einführung der Herstellerabschläge verzichten. Im Rahmen eines Spitzengesprächs am 8. November 2001, an dem unter anderen der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) Hubertus Schmoldt, Gesundheitsministerin Schmidt, Staatssekretär Tacke (BMWi) sowie die Abgeordneten 3 Vgl. hierzu Art. 2 des Entwurfs eines Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) vom 16. Oktober 2001, BT-Drucks. 14/7144; Siehe auch: Hänlein in: LPKSGB V, 2003, § 220, Rz. 8. 4 Die im VFA repräsentierten Unternehmen halten einen Marktanteil von etwa 80 v. H.

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1. Kap.: Einführung in den Sachstand und Problemaufriss

Schmidt-Zadel und Göring-Eckardt beteiligt waren, wurde schließlich unter Vorsitz von Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Einigung zwischen VFA und Bundesregierung erzielt. Diese beinhaltete eine (Anfang des Jahres 2002 zu leistende) Einmalzahlung der forschenden pharmazeutischen Unternehmen an die gesetzlichen Krankenkassen in einem Volumen von DM 400 Mio. (ca. A 204,5 Mio.) für einen Zeitraum von 2 Jahren. Im Gegenzug wurde auf den geplanten Preisabschlag für patentgeschützte Arzneimittel für die Jahre 2002 und 2003 verzichtet. Das daraufhin unterbreitete Angebot der Industrievertreter, weitere DM 900 Mio. (ca. A 460,2 Mio.) für einen Verzicht der Bundesregierung auf die geplante aut-idem-Regelung bereitzustellen, wurde hingegen abgelehnt und blieb daher unberücksichtigt. Insbesondere aus den Reihen von Krankenkassen und Opposition wurde heftige Kritik an dem vielfach als „Ablasshandel“ bezeichneten politischen Sündenfall geübt. Abgesehen von inhaltlichen Schwächen der Vereinbarung5 wurde seitens der Opposition vor allem bemängelt, dass es keine schriftliche Vereinbarung gegeben habe und erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden6. Der vereinbarte Solidarbeitrag stelle letztlich nichts anderes als die Erhebung einer Sondersteuer dar und sei als versteckte Form des „Staatsinterventionismus“ bei der Preisbildung abzulehnen. Die Sozialdemokraten wiesen im Gegenzug darauf hin, dass der Solidarbeitrag mit dem Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) vereinbart worden sei. Die finanziellen Belastungen der Pharmaindustrie seien freiwillig durch diese zugesagt worden und kämen allein den Gesetzlichen Krankenkassen zugute, um hier zeitnah positive Haushaltseffekte zu erzielen. Die begünstigten Krankenkassen jedenfalls waren auf den zugesagten Solidarbeitrag zunächst nicht vorbereitet. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurden vielfach Überlegungen geführt, die Annahme jedweder Zahlung zu verweigern. Zudem herrschte anfangs erhebliche Unsicherheit über die konkreten Abwicklungsmodalitäten der Absprache, da hierüber offensichtlich nur unzureichende Abmachungen getroffen worden waren. An wen konkret der Betrag ausbezahlt werden sollte, war daher zunächst unklar. Einige Industrievertreter forderten daraufhin das Bundesversicherungsamt (BVA) in Bonn auf, eine entsprechende Kontonummer zu benennen. Das aber wurde vom BVA ebenso abgelehnt wie vom Bundesgesundheitsministerium, für das die klare Anweisung bestand, keinerlei Gelder anzunehmen. Daraufhin wurde der Vorschlag unterbreitet, die Zu5 Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang vor allem, dass in der Absprache weder Aussagen über den Verteilungsschlüssel unter den Pharmaunternehmen, noch über mögliche Sanktionen im Falle des Scheiterns der Absprache getroffen wurde, vgl. Handelsblatt vom 12.12.2001. 6 Vgl. diesbezüglich auch die Kleine Anfrage zur Umsetzung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes der CDU/CSU Fraktion an die Bundesregierung vom 26.02.2002, BT-Drucks. 14/8438.

A. Ausgangssituation

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weisungen vorübergehend beim VFA selbst zu parken. Dieser verwies jedoch auf die Vereinbarung mit der Bundesregierung. Danach sollte allein der Bundesverband der Betriebskrankenkassen Empfänger des Geldes sein, der es sodann unter den einzelnen Krankenkassen aufzuteilen hätte. Dieser Auffassung entsprach letztendlich auch die Regelung in Art. 2 AABG. Das Empfängerkonto wurde schließlich Ende Dezember 2001 eingerichtet, so dass der vereinbarte Solidarbeitrag Anfang des Jahres 2002 an den Bundesverband der Betriebskrankenkassen überwiesen werden konnte. Auch die Bundesregierung wich ungeachtet der vorgebrachten Bedenken (jedenfalls vorläufig) nicht mehr von ihrer Haltung und den getroffenen Zusagen ab. Der Deutsche Bundestag hat in letzter Konsequenz das von der Koalition eingebrachte Gesetz am 14. Dezember 2001 gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS in der geänderten Fassung verabschiedet. Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG)7 ist schließlich am 23. Februar 2002 ohne Preisabschlagsregelung für patentgeschützte Arzneimittel in Kraft getreten. An die Stelle des ursprünglichen Art. 2 AABG trat nun jene Regelung, auf deren Grundlage die gesetzgeberische Umsetzung der Vereinbarung erfolgte8.

III. Änderung der Sach- und Rechtslage infolge der Einführung von § 130a SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz zum 01.01.2003 Infolge der zunehmenden Verschärfung der Finanzkrise bei den Gesetzlichen Krankenkassen sah sich die Bundesregierung jedoch schon bald nach Erlass des AABG wiederum veranlasst, Maßnahmen einzuleiten, die über jene hinausgehen sollten, die zunächst im Rahmen der mittelfristigen Planung vorgesehen waren bzw. bekannt gegeben wurden. Um die Finanzgrundlage der GKV zu stabilisieren, sollte im Rahmen des nunmehr beabsichtigten Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG)9 neben zahlreichen weiteren Maßnahmen10 auch ein neuer § 130a in das SGB V eingefügt werden, der die Pharmaindustrie entgegen der im Jahr 2001 mit der Bundesregierung getroffenen Vereinbarung verpflichtet, bereits ab 2003 Solidarbeiträge zur Stabilisierung der Gesetzlichen 7 Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz – AABG) vom 15. Februar 2002; BGBl. I S. 884. 8 Dazu die Erläuterungen in Kapitel 6: A. II. „Die Regelungen im Einzelnen“. 9 Gesetz vom 23.12.2002, BGBl. I S. 4637. 10 Vorgesehen waren unter anderem die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, die Absenkung des Sterbegelds, Vergütungsabsenkungen und Nullrunden für Ärzte, Zahnärzte, Zahntechniker und Krankenhäuser, die Erhöhung der Rabatte zu Lasten der Apotheken sowie die Einführung eines Großhandelsrabatts.

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1. Kap.: Einführung in den Sachstand und Problemaufriss

Krankenversicherung in Form von Preisabschlägen zu erbringen. Insgesamt sollte durch den Erlass des BSSichG ein Einsparvolumen zu Gunsten der GKV von insgesamt A 2,75 bis 3,4 Mrd. erzielt werden11. Dazu sollten die Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V in einer Größenordnung von etwa A 420 Mio. beitragen12. Vor dem Hintergrund des akuten Handlungsbedarfs war der Terminplan für das Gesetzgebungsverfahren wiederum äußerst knapp bemessen, so dass vielfach Zweifel bereits an der formellen Rechtmäßigkeit des BSSichG laut wurden. Zwischenzeitlich hatte auch der Bundesrat als Ergebnis seiner Sitzung am 29. November 2002 den Vermittlungsausschuss angerufen, da er das Gesetz in wesentlichen Punkten als gesundheits- und sozialpolitisch verfehlt ansah. Zudem ging der Bundesrat im Gegensatz zum Bundestag von der Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes aus. Vorsorglich wurde jedoch Einspruch eingelegt, der vom Bundestag überstimmt wurde. Am 01.01.2003 trat schließlich das BSSichG in Kraft, so dass die pharmazeutischen Unternehmen nunmehr einen Abschlag in Höhe von 6 v. H. auf solche Arzneimittel zu gewähren hatten, die zu Lasten der GKV abgegeben wurden, nicht unter die Festbetragsregelung gemäß §§ 35, 35a SGB V fielen und nicht von § 129 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB V erfasst wurden. Seitens des VFA, der mit Empörung auf den Wortbruch der Bundesregierung reagierte13, wurden zum damaligen Zeitpunkt Rechtsmittel in Aussicht genommen, bis zum heutigen Tage aber nicht eingelegt. Die von mehreren pharmazeutischen Großhändlern umgehend eingereichten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das In-Kraft-Treten des BSSichG wurden vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt14. Mit Beschluss vom 13.09.2005 schließlich wurde in dem von der Baden-Württembergischen Landesregierung beantragten Normenkontrollverfahren die Verfassungsmäßigkeit des BSSichG durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt15, ohne jedoch näher auf die zuvor beschriebene Problematik einzugehen.

11 Inklusive der Einsparungen durch die „Nullrunde“ der Vergütungen im ärztlichen Bereich i. H. v. A 760 Mio. 12 So ausdrücklich in der Entwurfsbegründung zum BSSichG, BT-Drucks. 15/28, S. 16, 21. 13 Vgl. Pressemitteilung des VFA 29/2002 vom 02.11.2002. 14 BVerfG, Beschluss vom 14. 01.2003 – 1 BvQ 51/02; Beschluss vom 15.01.2003 – 1 BvQ 53/02 sowie Beschluss vom 15.01.2003 – 1 BvQ 54/02; Pressemitteilung Nr. 5/2003 vom 22.01.2003. 15 BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs 20050913_2bvf000203.html.

B. Grundlagen der Betrachtung – Problemaufriss

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B. Grundlagen der Betrachtung – Problemaufriss Vor dem Hintergrund der geschilderten Ereignisse wird grundsätzlich von Interesse sein, inwieweit die getroffene Vereinbarung rechtmäßig gewesen ist und damit unter Umständen ein hinreichender Rechtsgrund für das Behaltendürfen des gezahlten Betrags durch die Krankenkassen sein konnte. Dafür gilt es zunächst zu klären, in welcher Eigenschaft die Bundesregierung bei Abschluss der Vereinbarung mit der Pharmaindustrie gehandelt hat und welcher Handlungsform sie sich dabei bediente. Davon ausgehend bedarf es schließlich der Festlegung, welche rechtlichen Maßstäbe derartigen Handlungsinstrumenten im Allgemeinen zugrunde zu legen sind. Entscheidend wird es dabei auch darauf ankommen, welche Wirkungen von ihnen ausgehen können. Im Besonderen schließlich gilt es unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse insbesondere zu untersuchen, inwieweit Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung überhaupt als zulässig erachtet werden können, welcher Erklärungswert ihnen beizumessen ist und ob die (hier möglicherweise erfolgte) Erklärung eines Gesetzgebungsverzichts verbindliche Wirkung entfalten kann. Von Interesse ist dies letztlich auch für die Problematik, inwieweit sich die Vereinbarung und das später erlassene BSSichG unter Umständen wechselseitig beeinflussen können. Dabei bedarf es auch einer dahingehenden Aussage, wie der ausgehandelte Finanzbeitrag selbst rechtlich zu qualifizieren ist. In diesem Zusammenhang ergibt sich schließlich die Fragestellung, wie die vereinbarte Zahlung in die Rechts- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland einzuordnen ist. Fraglich ist zudem, ob die Krankenkassen berechtigt waren, den gezahlten Finanzierungsbeitrag entgegenzunehmen. Dies kann einerseits unter den zu erläuternden verfassungsrechtlichen Vorgaben problematisch sein, möglicherweise jedoch auch unter dem Blickpunkt des SGB V. Unter formellen Gesichtspunkten wird zu untersuchen sein, ob die Bundesregierung (auch unter Berücksichtigung des Gewaltenteilungsprinzips) sachlich für den Abschluss eines derartigen Abkommens zuständig war und welche verfahrensrechtlichen Anforderungen vorliegend zu stellen waren. Dies gilt vor allem auch im Hinblick auf die unter Umständen erforderliche Beteiligung Drittbetroffener sowie anderer Verfassungsorgane. Von entscheidender Bedeutung ist zudem auch die Frage, worauf die grundsätzliche Kompetenz der Bundesregierung gestützt werden kann, derartige (entgeltliche) Vereinbarungen zu treffen. In materieller Hinsicht schließlich wird unter anderem zu klären sein, inwieweit durch die beschriebenen Vorgänge Grundrechte der beteiligten Unternehmen oder Drittbetroffener verletzt wurden und ob es hier verfassungsrechtlich zulässig war, Zahlungsbereite gegenüber Zahlungsfähigen zu bevorzugen.

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1. Kap.: Einführung in den Sachstand und Problemaufriss

Schlussendlich gilt es jene Handlungsalternativen zu erörtern, auf deren Grundlage es den an der Vereinbarung beteiligten Pharmaunternehmen möglich sein könnte, den geleisteten Solidarbeitrag zurückzufordern. Dabei soll untersucht werden, welche Anspruchsgrundlagen hierfür bereits dem Grunde nach zur Verfügung stehen, gegen wen und in welcher Höhe derartige Ansprüche vorliegend zu richten wären und ob sie im konkreten Fall auch durchgesetzt werden könnten.

2. Kapitel

Kurze Einführung in das Sozialrecht unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzlichen Krankenversicherung Gegenstand der hier interessierenden Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller war die kurzfristige Gewährleistung der finanziellen Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die als Teil der staatlichen Sozialversicherungssysteme in besonderem Maße einer gesetzlichen Normierung unterworfen und somit erheblich durch staatliche Regulierung geprägt ist. Vor diesem Hintergrund aber erscheint es notwendig und hilfreich, zunächst kurz und überblicksartig auf den Begriff des Sozialrechts sowie die wesentlichen Elemente der GKV einzugehen, um unter Umständen sachlich bedingte Besonderheiten der Vereinbarung bei der nachfolgenden Untersuchung in hinreichendem Maße berücksichtigen zu können.

A. Begriff des Sozialrechts Schon der Begriff des Sozialrechts war lange Zeit Gegenstand einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion1. In besonderem Maße aber geriet diese Problematik in den Blickpunkt der Rechtswissenschaft, als in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Arbeiten für die Schaffung eines einheitlichen Sozialgesetzbuches begannen. Ebenso wenig wie sich bisher ein einheitliches terminologisches Verständnis durchsetzen konnte, enthält sich aber auch das Sozialgesetzbuch bis zum heutigen Tage einer näheren Bestimmung des Sozialrechtsbegriffs. Auch den Formulierungen des Grundgesetzes ist ein umfassender Sozialrechtsbegriff nicht bekannt. Im Grundsatz jedenfalls kann das Sozialrecht sowohl unter materiellen als auch formellen Gesichtspunkten näher spezifiziert werden. Die Schwierigkeiten, die mit einer materiellen Begriffsbestimmung einhergehen, sind allerdings in Anbetracht der Vielfalt und Weite des betroffenen Rechtsbereichs offensichtlich2. Als Ausgangspunkt ließe sich hierfür zwar in gewissem Umfang auf § 1 1 Vgl. hierzu: Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 1, Rz. 1 ff.; Zacher, Was ist Sozialrecht?, in: FS für Horst Schieckel, 1978, S. 371 ff.

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2. Kap.: Kurze Einführung in das Sozialrecht

SGB I zurückgreifen3, eine abschließende inhaltliche Begriffsbestimmung erscheint hierdurch jedoch keineswegs möglich. Zum Sozialrecht im formellen Sinne gehören dagegen ohne Rücksicht auf inhaltliche Aspekte alle Rechtssätze, die vom Gesetzgeber diesem Rechtsgebiet zugewiesen werden4. Unter Bezugnahme auf die §§ 3 bis 10 SGB I gelten daher jedenfalls Ausbildungs- und Arbeitsförderung, Gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, soziale Pflegeversicherung sowie die soziale Entschädigung bei Gesundheitsschäden als Kernbereiche des Sozialrechts.

B. Aufgaben des Sozialrechts Ebenso vielgestaltig wie das Sozialrechts selbst in Erscheinung tritt, stellen sich auch die mit ihm zu bewältigenden Aufgaben dar. Insbesondere auch für den Bereich der Sozialversicherung erfordern das Sozialstaatsprinzip sowie der Grundsatz der Menschenwürde die Gewährleistung eines gewissen Existenzminimums, daneben aber auch die Herstellung sozialer Gleichheit und Sicherheit (sowie die Teilhabe des Einzelnen daran)5. Davon geht auch die Festlegung in § 1 Abs. 1 S. 1 SGB I aus, nach der das Recht des Sozialgesetzbuchs Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten soll, um soziale Gerechtigkeit und Sicherheit zu verwirklichen. Soziale Gerechtigkeit bedeutet dabei, dass jeder Mensch die Chance erhalten muss, eine seinen Fähigkeiten und individuellen Kräften entsprechende soziale 2 Zum Sozialrecht im materiellen Sinne: D. Merten in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 963 f. 3 Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 SGB I soll das Recht des Sozialgesetzbuchs zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzungen soll es gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 SGB I dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen. 4 D. Merten in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 963; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 1, Rz. 5; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 2, Rz. 33. 5 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 6; Zur historischen Entwicklung des Sozialrechts: Frerich/Frey, Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, 1993; Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, 2. Aufl. 1973; Leopold, Die Geschichte der sozialen Versicherung, 1999; Eichenhofer, Bismarck, die Sozialversicherung und deren Zukunft, 2000; D. Merten in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 965; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 3, Rz. 40 ff.; Haft, ZRP 2002, 457 ff.; Vgl. auch: Schlenker in: Schulin, HS-KV, 1994, § 1, Rz. 1 ff.

C. Sozialrecht in der Rechts- und Wirtschaftsordnung

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Stellung zu erlangen (vgl. §§ 3, 5 ff. SGB I). Dagegen besteht das Anliegen des Grundsatzes der sozialen Sicherheit vorrangig darin, den einzelnen Bürger in die Lage zu versetzen, auf verlässlicher Basis sein Leben gestalten zu können6.

C. Sozialrecht in der Rechts- und Wirtschaftsordnung I. Sozialrecht in der Rechtsordnung Der Bereich des Sozialrechts erfasst eine Vielzahl unterschiedlichster Sachverhalte und ist nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund durch eine hohe Regelungsdichte gekennzeichnet. Seit nunmehr über 30 Jahren wird daher versucht, die Vielzahl gesetzlicher Normen in einem einheitlichen Sozialgesetzbuch zusammenzufassen. Zum heutigen Tage ist dieses anspruchsvolle Kodifikationsvorhaben zu einem wesentlichen Teil verwirklicht. Für den vorliegenden Sachverhalt könnten hierbei insbesondere das 1. Buch (Allgemeiner Teil – SGB I), das 5. Buch (Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V) sowie das 10. Buch (Sozialverwaltungsverfahren – SGB X) von Bedeutung sein. Als Teilgebiet des öffentlichen Rechts ist das Sozialrecht stark von verwaltungsrechtlichen Wertungen und Grundsätzen geprägt. In Anbetracht der bestehenden Besonderheiten aber wurde im Rahmen des SGB X ein spezielles Verwaltungsverfahrensrecht zur Verfügung gestellt (§§ 1–66 SGB X). Allerdings weist das Sozialrecht in nicht unerheblichem Maße auch zivilrechtliche Bezüge auf, namentlich in den Bereichen Familien-, Schadensersatz- und Arbeitsrecht. Wie das vorliegende Beispiel zeigt, bestehen ebenso erhebliche Bezugspunkte und Wechselwirkungen zum Verfassungsrecht7. Sozialrecht ist überwiegend Bundesrecht. Eine legislatorische Allkompetenz für das Sozialwesen steht dem Bund dabei allerdings nicht zu. Vielmehr besitzt er die Gesetzgebungskompetenz jeweils nur für einzelne Sachgebiete8. Von Bedeutung sind hierbei im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 5 GG), die Versorgung von Kriegsbeschädigten etc. (Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG), die Bereiche des Arbeitsrechts sowie der Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG), die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG) sowie gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und Regelung der Krankenhauspflegesätze. Landesgesetzlichen Regelungen kommt auf6

Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 2, Rz. 37. Zu den Rechtsprechungskompetenzen vgl. Art. 95 Abs. 1 GG. 8 D. Merten in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 972. 7

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2. Kap.: Kurze Einführung in das Sozialrecht

grund der Weite dieser Kompetenzen lediglich eine untergeordnete und in der Praxis letztlich zu vernachlässigende Bedeutung zu. Die Sozialgesetze des Bundes werden von den Ländern als eigene Angelegenheiten im Sinne von Art. 83, 84 GG ausgeführt9. Erstreckt sich jedoch die Zuständigkeit eines Sozialversicherungsträgers über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus, so wird er als bundesunmittelbare Körperschaft im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung geführt (vgl. Art. 87 Abs. 2 GG). Von besonderer Bedeutung ist zudem die grundgesetzliche Verankerung des Sozialstaatsprinzips, das sich in erster Linie an den Gesetzgeber wendet. Daraus lassen sich insbesondere die Gebote der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit ableiten10. Insofern wird der Staat verpflichtet, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um den Ausgleich widerstreitender Interessen zu bemühen und die Herstellung eines gewissen Mindeststandards für die Lebensbedingungen aller Bürger zu gewährleisten. Neben einer gleichmäßigen Förderung steht dabei aber auch die gleichmäßige Verteilung der Lasten im Vordergrund. Verfassungsrechtliche Bezüge weist das Sozialrecht schließlich auch durch verschiedene Grundrechte auf, die insofern als prägender und übergeordneter Leitmaßstab wirken. Dies gilt in erster Linie für die Art. 3, 6, 12 und 14 GG, die vom Bundesverfassungsgericht immer wieder als Maßstab bei der Überprüfung sozialrechtlicher Normen herangezogen werden. Schlussendlich gewinnen insbesondere vor dem Hintergrund des verstärkten Globalisierungsstrebens zunehmend solche sozialrechtlichen Sachverhalte an Bedeutung, deren Bezüge nicht allein im nationalen Bereich liegen. Zwar werden dem im Grunde vorherrschenden Territorialitätsprinzip folgend prinzipiell nur diejenigen von der deutschen Sozialversicherung erfasst, die im Inland einer Beschäftigung oder Tätigkeit nachgehen (§ 3 SGB IV, 30 Abs. 1 SGB I). Internationale Bezüge des nationalen Sozialrechts ergeben sich hierbei in erster Linie aus supranationalem Recht (vgl. Art. 39 ff., 152 EG) sowie aus einer Vielzahl von zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Allerdings enthält auch das Sozialgesetzbuch selbst solche Regelungen, die Sachverhalte mit Auslandsberührung zum Gegenstand haben (vgl. etwa §§ 17, 18 SGB V).

9 Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 16; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 1, Rz. 18; Sodan, NJW 2003, 1761, 1762; Wagner, PharmR 2003, 409, 411. 10 BVerfGE 5, 85, 198; 6, 55, 72; 36, 237, 250; 45, 376, 387. Vgl. hierzu auch: BSGE 15, 71, 76; 19, 88, 92; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VIII, Rz. 6; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 756; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 1, Rz. 13; Gitter/ Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 18 ff.; Badura, DÖV 1989, 491, 493; Siehe auch Kapitel 5: B. V. „Staatszielbestimmung Sozialstaat“.

E. Grundprinzipien der sozialen Sicherung

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II. Sozialrecht in der Wirtschaftsordnung Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kommt dem Sozialrecht eine erhebliche Bedeutung zu. Dies lässt sich bereits an den erheblichen Aufwendungen ablesen, die im Rahmen der sozialen Sicherung alljährlich getätigt werden. Betrugen die Ausgaben für diesbezügliche Leistungen im Jahre 1995 noch etwa A 550 Mrd., so stiegen diese auf über A 640 Mrd. bis zum Jahre 200011. Im Jahre 2002 lag diese Summe bei A 685 Mrd.12 und entsprach damit mehr als 30 v. H. des Bruttosozialprodukts. Dem stand eine Belastung der Bruttolöhne von deutlich über 30 v. H. gegenüber, wobei die indirekten Belastungen durch sozialleistungsfinanzierende Steuern noch nicht berücksichtigt sind. Die damit einhergehenden Probleme und wirtschaftlichen Auswirkungen sind offensichtlich und induzieren vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen zusätzlichen Handlungsbedarf bei der Umgestaltung der Sozialsysteme.

D. Die Säulen der Sozialversicherung Mag auch der Begriff des Sozialrechts aufgrund der Vielgestaltigkeit der davon erfassten Lebenssachverhalte denkbar weitem Sinne zu fassen sein, so lässt sich jedenfalls der Bereich der Sozialversicherung in eindeutiger Weise bestimmen. Die (gesetzliche) Sozialversicherung im eigentlichen Sinne ruht im Grundsatz auf vier Säulen: Gesetzliche Krankenversicherung, Gesetzliche Pflegeversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung und Gesetzliche Rentenversicherung. Ergänzend tritt daneben als 5. Säule das Recht der Arbeitsförderung und Arbeitslosenversicherung.

E. Grundprinzipien der sozialen Sicherung Der Bereich der Sozialversicherung wird grundlegend durch die Kombination von Versicherungs- und Sozialprinzip charakterisiert13: Die gewährleistete soziale Vorsorge beruht somit dem Grunde nach auf einem versicherungsmäßigen Gegenseitigkeitsverhältnis. Allerdings werden die Leistungen nicht nur durch Beiträge der Arbeitnehmer, sondern auch der Ar11 Sozialleistungen insgesamt nach Konsolidierung der Beiträge des Staates. Angaben nach: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2002, S. 454. 12 Davon entfielen auf die Gesetzliche Krankenversicherung A 141,2 Mrd. (Jahr 2000: 132, 8 Mrd.). Quelle: Statistisches Bundesamt, abrufbar unter: http://www. destatis.de/basis/d/solei/soleiq23.php. 13 BVerfGE 11, 105, 114; 14, 312, 317; 48, 346, 358; 59, 287, 297; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 1, Rz. 12; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 5, Rz. 63; Haft, ZRP 2002, 457, 458.

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2. Kap.: Kurze Einführung in das Sozialrecht

beitgeber finanziert. Kennzeichnend für diese Versicherungskomponente ist zudem das Bestehen einer weitreichenden Zwangsversicherung, der jedoch zugleich auch ein Recht auf Zugang zur Versicherung korrespondiert (§ 4 Abs. 1 SGB I). Durch das fehlende Wahlrecht der Betroffenen soll einerseits gewährleistet werden, dass die Allgemeinheit vor unterlassener Risikovorsorge Einzelner (und dadurch unter Umständen weitreichenden finanziellen Belastungen) geschützt wird. Zugleich bewirkt die Zwangsversicherung andererseits eine effektive Verbreitung der Risikogemeinschaft und damit auch eine Stärkung der finanziellen Basis des Systems. Jedoch bemisst sich die Höhe der zu entrichtenden Beiträge anders als bei Versicherungen im „klassischen Sinne“ nicht nach dem Risikoprofil des Versicherungsnehmers, sondern nach dessen Leistungsfähigkeit. Insofern beinhaltet die Sozialversicherung in weitreichendem Maße auch Elemente des sozialen Ausgleichs.

F. Die Gesetzliche Krankenversicherung I. Allgemeines Die Gesetzliche Krankenversicherung, in der mehr als 85% der Bevölkerung versichert14 sind, gilt als ältester Zweig der Sozialversicherung und geht bis in das Jahr 1883 zurück. Für die Entwicklung des Sozialstaats ist sie von erheblicher Bedeutung, da der wohl überwiegende Teil der Bevölkerung nicht in der Lage wäre, die mit dem Auftreten von Krankheit einhergehenden finanziellen Lasten allein zu tragen. Eine dahingehende Vorsorge erfolgt nach geltendem Recht zum einen durch die Gesetzliche Krankenversicherung, daneben aber auch durch die Private Krankenversicherung, der im Verhältnis zur GKV neben einer alternativen auch eine ergänzende Funktion zukommt. Der Bereich der GKV hat eine weitreichende Normierung durch das SGB V erfahren, das an die Stelle der früheren §§ 165 ff. RVO getreten ist. Die getroffenen Regelungen erwiesen sich jedoch angesichts der (durch eine Vielzahl von Gründen verursachten) enormen finanziellen Herausforderungen schon bald als unzulänglich. Infolge dessen wurde das SGB V bis zum heutigen Tage durch eine Vielzahl von Gesetzen immer wieder modifiziert und reformiert. Dabei beschränkte man sich jedoch zumeist nur auf die vorübergehende Bekämpfung von Symptomen ohne wirklich tiefgreifende strukturelle Reformen in Angriff zu nehmen. Rückblickend betrachtet ist es daher auch kaum verwunderlich, dass sich durchgreifende Erfolge bislang nie eingestellt haben.

14 Stand 1999. Angaben nach: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2002, S. 62.

F. Die Gesetzliche Krankenversicherung

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II. Organisation und Finanzierung 1. Organisation Prägendes Organisationsmerkmal der Gesetzlichen Krankenversicherung ist ihre Dezentralisierung15. Neben den Allgemeinen Ortskrankenkassen sind gemäß § 4 Abs. 2 SGB V auch die Betriebs- und Innungskrankenkassen, die Ersatzkassen, die See-Krankenkasse, die Landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie die Bundesknappschaft Träger der Krankenversicherung. Dabei richtet sich die Organisation innerhalb der GKV nach den §§ 143–206 SGB V. Die einzelnen Krankenkassen bilden gemäß §§ 207 ff. SGB V Landesverbände, die wiederum (auf der Grundlage von §§ 212 ff. SGB V) in Bundesverbänden zusammen geschlossen sind. Gemäß § 4 Abs. 1 SGB V werden die Krankenkassen grundsätzlich als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung errichtet. Dabei verfügt jeder Leistungsträger über ein eigenes Vermögen und stellt einen eigenen Haushalt auf16. 2. Finanzierung Die Gesetzliche Krankenversicherung bedient sich vielfältiger Finanzierungsformen17, die sich entsprechend § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V nach Beiträgen und sonstigen Einnahmen unterscheiden lassen. Beiträge sind nur solche an den Versicherungsträger gerichtete Zahlungen, die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhen und zur Finanzierung der Versicherung bestimmt sind18. Wer diese Beiträge zu leisten hat, wird durch die §§ 249 ff. SGB V festgelegt. Hierbei kann im Grundsatz zwischen den Beiträgen der Versicherten sowie der Arbeitgeber differenziert werden. Hinzu treten die von Dritten zu tragenden Beiträge (siehe § 251 SGB V). Bemessungsgrundlage für die Höhe der zu entrichtenden Beiträge sind die beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten (§§ 241 ff. SGB V). 15 Ausführlich zur Organisationsstruktur: Schnapp in: Schulin, HS-KV, 1994, § 49, Rz. 1 ff. 16 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 3. 17 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 4; Engelhard in: Schulin, HS-KV, 1994, § 54, Rz. 5 ff.; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 8, Rz. 145 ff. 18 Engelhard in: Schulin, HS-KV, 1994, § 54, Rz. 6; Die rechtliche Einordnung von Sozialversicherungsbeiträgen ist dabei noch immer nicht abschließend geklärt. Die diesbezüglich vertretenen Ansichten reichen von der Qualifizierung als Steuer, über die Zuordnung zu den Beiträgen bis hin zur Verbandslast oder gar Abgabe als sui generis. Vgl. BVerfGE 14, 312, 317; F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 16.

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2. Kap.: Kurze Einführung in das Sozialrecht

Sonstige Einnahmen sind ohne Rücksicht auf den Zahlungsgrund alle zur Finanzierung verwendeten Mittelzuflüsse, die keine Beiträge sind. Dazu zählen beispielsweise Umlagen, Ersatz- und Erstattungsansprüche gegen Private oder andere Sozialleistungsträger, Erträge eigenen Wirtschaftens (Miet- und Kapitalerträge) sowie Finanzausgleichsmittel und Zuschüsse.

III. Personelle Reichweite 1. Pflichtversicherte Auch die Gesetzliche Krankenversicherung wird vom Grundsatz der Zwangsversicherung geprägt, wenngleich auch zahlreiche gesetzliche Ausnahmen vorgesehen sind. Pflichtversicherte sind alljene Personen, die kraft Gesetzes oder aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen von der Sozialversicherung erfasst werden. Auch die Familienangehörigen (§ 10 SGB V) können dem Grunde nach hierzu gerechnet werden. Das Sozialversicherungsverhältnis entsteht dabei mit dem Eintritt des Tatbestandes, an den vom Gesetz oder der jeweiligen Satzung die Versicherungspflicht geknüpft wird. Zu den versicherungspflichtigen Personen zählen unter anderem Arbeiter, Angestellte und gegen Arbeitsentgelt beschäftigte19 Auszubildende, Bezieher von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II sowie sonstige von § 5 Abs. 1 SGB V erfasste Personengruppen. Besonderheiten gelten jedoch für Landwirte, Künstler und Publizisten. 2. Versicherungsfreiheit Die grundsätzlich bestehende Versicherungspflicht entfällt bei Vorliegen bestimmter persönlicher oder sachlicher Voraussetzungen. Hierbei gilt es zwischen der Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes (§ 6 Abs. 1 SGB V) und kraft Antrags (§ 8 Abs. 1 SGB V) zu unterscheiden. 3. Versicherungsberechtigte Schließlich können bestimmte Personen, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen, der Gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten (§ 9 Abs. 1 SGB V). Von Bedeutung ist dies vor allem für jene Personen, die aus der Versicherungspflicht ausscheiden oder ausgeschieden sind oder deren Familienversicherungsschutz endet.

19 Zum Begriff der Beschäftigung: BSGE 8, 278, 282; 11, 149 ff.; 13, 130, 196 ff.; 20, 6, 8; 47, 201, 204; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 8, Rz. 4 ff.

F. Die Gesetzliche Krankenversicherung

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IV. Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung Der Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung wird im Wesentlichen durch die Vorschriften des Dritten Kapitels des SGB V bestimmt20. Gemäß § 11 Abs. 1 SGB V hat der Versicherte gegen den jeweils zuständigen Versicherungsträger unter anderem Anspruch auf Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten, Leistungen zur Behandlung von Krankheiten sowie gemäß § 11 Abs. 2 SGB V auf Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation. In diesem Rahmen hat der Versicherte im Grundsatz auch einen Anspruch auf die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln sowie apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§§ 31 ff. SGB V). Die Leistungserbringung erfolgt dabei stets unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V). Demzufolge müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig sowie wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Auf nicht notwendige Leistungen hat der Versicherte dagegen keinen Anspruch. Ob die Notwendigkeit einer bestimmten Leistung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt vollständig der gerichtlichen Kontrolle21.

V. Leistungserbringung Die Leistungserbringung im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung wird vom sogenannten Sachleistungsprinzip beherrscht, das in § 2 Abs. 2 SGB V seine gesetzliche Verankerung gefunden hat. Danach erhalten die Versicherten die beanspruchten Leistungen im Regelfall als Sach- und Dienstleistungen. Zugleich korrespondiert diesem Prinzip das grundsätzliche Verbot der Kostenerstattung (§ 13 Abs. 1 SGB V). Werden daher beanspruchbare Leistungen durch den Versicherten selbst beschafft, so dürfen die hierbei entstanden Kosten von den Krankenkassen grundsätzlich nicht erstattet werden. Ausnahmen hiervon regeln beispielsweise die §§ 13, 14, 17 Abs. 2, 18 SGB V. In den verbleibenden Fällen dagegen sind die entstandenen Kosten nicht erstattungsfähig. Auch Ansprüche nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag sind dann ausgeschlossen22. Die gesetzgeberische Entscheidung für das Sachleistungsprinzips hat zugleich auch zur Folge, dass nicht die Versicherten selbst, sondern vielmehr die Krankenkassen in Rechtsbeziehungen zu den Leistungserbringern treten müssen23. 20 Zu den Einzelheiten vgl. Kruse in: LPK-SGB V, 2003, § 11, Rz. 1 ff.; Kummer in: Schulin, HS-KV, 1994, § 20, Rz. 1 ff.; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 9, Rz. 1 ff. 21 BSGE 17, 79, 84. 22 BSGE 34, 172, 173 f.; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 9, Rz. 14.

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2. Kap.: Kurze Einführung in das Sozialrecht

Die hierbei geschlossenen Verträge gewährleisten damit die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags der Krankenkassen, der sich aus ihrer gesetzlichen Leistungsverschaffungspflicht ergibt. Während um die Frage, welche rechtlichen Beziehungen zwischen Patient und dem einzelnen Leistungserbringer begründet werden, noch immer eine lebhafte und kontroverse Diskussion geführt wird24, sind die Rechtsbeziehungen zwischen Kassen und Leistungserbringern regelmäßig öffentlich-rechtlicher Natur. Dabei werden die Rechtsbeziehungen der Kassen zu den Apotheken vorrangig durch einen kassenartenübergreifenden Bundesrahmenvertrag geprägt (§ 129 Abs. 2 SGB V). Die einzelne Apotheke wird durch die darin getroffenen Vereinbarungen jedoch nur dann gebunden, wenn sie einer Spitzenorganisation oder einem Mitgliedsverband angehört. In gleicher Weise werden auch pharmazeutische Unternehmen aufgrund freiwilliger Rahmenverträge auf Bundesebene in die Arzneimittelversorgung einbezogen (§ 131 SGB V).

23 Allgemein zu den Rechtsbeziehungen der gesetzlichen Krankenkassen zu den Leistungserbringern im Gesundheitswesen: Knispel, NJW 1986, 1525 ff.; Wimmer, NJW 1995, 1577 ff.; Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2002, 286 ff.; Schneider, MedR 1995, 175 ff.; Haft, ZRP 2002, 457 ff. 24 Im Rahmen der ambulanten Behandlung wird teilweise der Abschluss eines (Behandlungs-)Vertrags zwischen Patienten und Arzt, nach anderer (wohl überwiegender) Auffassung zwischen Krankenkasse und Arzt (zugunsten des Patienten, § 328 BGB) angenommen. Andere Autoren wiederum lehnen vertragliche Beziehungen bereits dem Grunde nach ab. Vgl. BGHZ 89, 263, 266; 100, 363, 367; Schmitt in: Schulin, HSKV, 1994, § 29, Rz. 13 ff.; Uhlenbruck in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl. 1999, § 40, Rz. 31 f.; MünchKomm-Gottwald, BGB, Band 2a, 4. Aufl. 2003, § 328, Rz. 39; Dagegen soll im Rahmen der Arzneimittelversorgung ein zivilrechtlicher Vertrag der Apotheke mit dem Versicherten dann zustande kommen, wenn diesem ein ärztlich verordnetes Medikament überlassen wird. Siehe auch: Gitter/ Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 10, Rz. 21.

3. Kapitel

Rechtliche Qualifikation des Übereinkommens zwischen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) Staatliches Handeln findet in den verschiedensten Handlungs- und Organisationsformen statt1. Zu den Aktivitäten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene tritt das Handeln von autonomen Körperschaften, Anstalten und Beliehenen, aber auch von Privatrechtssubjekten unter staatlicher Beteiligung (AG, GmbH etc.). Staatliche Handlungsformen lassen sich zunächst grundsätzlich danach unterscheiden, ob sie einseitig kraft imperativen Befehls wirken oder auf dem Prinzip der (unterschiedlich intensiven) Kooperation mit dem Bürger beruhen. Daneben kann zwischen Rechts- und Tathandlungen differenziert werden. Bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Abkommens zwischen Bundesregierung und VFA ist grundsätzlich zwischen der Rechtmäßigkeit der gewählten Handlungsform selbst (dem „Was“) und der inhaltlichen Ausgestaltung des Abkommens (dem „Wie“) zu differenzieren. Um brauchbare Rechtmäßigkeitskriterien überhaupt erfassen und somit untersuchen zu können, muss jedoch vorab geklärt werden, welcher Handlungsform sich die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen im November 2001 überhaupt bedient hat. Der bisher verwendete Begriff des „Abkommens“ ist jedenfalls hier ausschließlich technisch zu verstehen. Aufgrund seiner begrifflichen Weite und der damit verbundenen unzureichenden Trennschärfe kann er allenfalls beschreibend gebraucht werden, für eine rechtliche Beurteilung ist er hingegen unbrauchbar. Es wird somit in erster Linie zu fragen sein, wie sich der Begriff des „Abkommens“ im bestehenden System der Handlungsformen erfassen lässt. Dazu aber wird es erforderlich sein, zunächst auf einige Grundbegriffe näher einzugehen, um die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der gewählten Handlungsform sinnvoll untersuchen zu können und dabei Umständen bestehende Besonderheiten verdeutlichen und einordnen zu können. Soweit dabei die Begriffe Verwaltung oder Handlungsformen der Verwaltung gebraucht werden, ist damit keineswegs eine bestimmte Vorfestlegung in Bezug auf die hier einschlägige Handlungsform verbunden. So bleibt in jedem Falle die Tatsache zu beachten, dass 1 Vgl. E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 734.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Verhandlungspartner des VFA die Bundesregierung war, Verhandlungsgegenstand ein Gesetzgebungsverfahren. Die Ähnlichkeit mit rein verwaltungsrechtlichen Handlungsinstrumenten legt es jedoch nahe, hierin auch den Ausgangspunkt der Betrachtung zu suchen.

A. Die Übereinkunft vom 08.11.2001 – Überblick über mögliche Handlungsformen I. Begrifflichkeiten und allgemeine Abgrenzungsfragen 1. Die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung Neben den bereits angeführten Differenzierungskriterien kann Verwaltungshandeln danach unterschieden werden, ob es sich um den Bereich der Leistungs- oder Eingriffsverwaltung, sowie um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Tätigkeiten handelt. Kann diese Einteilung eine grundsätzlich Orientierung gewähren, so vermag sie hingegen nicht, brauchbare detaillierte Abgrenzungskriterien zu entwickeln, um staatliches Handeln umfassend zu identifizieren. Dies jedoch ist dringend geboten, da gerade die Wahl der Handlungsform weitreichende Konsequenzen im Hinblick auf die für Rechtssicherheit und Rechtsschutz maßgeblichen Fragen der Fehlerfolgen hat2. Um eine brauchbare Differenzierung zu ermöglichen, wurden die unterschiedlichsten Ansätze entwickelt. Die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung kann in diesem Zusammenhang wohl zu den ältesten Systembestandteilen des Verwaltungsrechts gezählt werden3. Entwickelt hat sich diese Lehre am Beispiel des Verwaltungsakts. Ihr Kern ist die Ordnung des Verwaltungsrechts unter dem Gesichtspunkt von Handlungstypen4. Die grundsätzliche Einteilung des Verwaltungshandelns in Handlungstypen wie Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Rechtsverordnung und Satzung, Verwaltungsvorschrift, Weisung u.a.5 lässt zugleich die Zentralbegriffe der Lehre von den Handlungsformen deutlich werden, die hinsichtlich des Verfahrens- und Pro2 Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlerfolgenlehre in: BeckerSchwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 47; Ossenbühl, JuS 1979, 681, 682. 3 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 44, Rz. 1 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, S. 94 ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533; Schneider, VerwArch 87 (1996), 38. 4 Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301, 309; Vgl. auch Ossenbühl, JuS 1979, 681 ff.; Bull, AllgVerwR, 6. Aufl. 2000, S. 216 ff. 5 Vgl. Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 11, Rz. 1.

A. Die Übereinkunft vom 08.11.2001

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zessrechts sowie für Fehler- und Bestandskraftlehre bedeutsam sind6: Zum einen die Abstraktion (Handlungsformen werden durch Begriffe gekennzeichnet, die in hohem Maße generalisierungsfähig sind) und zum anderen die Folgenzentriertheit (Verknüpfung von Handlungsqualifikation und Rechtsfolgen)7. Lückenschließende Funktion für alle sonstigen, nicht unmittelbar erfassten Handlungsformen soll hierbei dem Realakt zukommen. Ohne Kritik bleibt dies freilich nicht, da dem Realakt aufgrund seiner begrifflichen Weite eine gewisse Farb- und Profillosigkeit anhaftet8. Vielfach wird der Handlungsformenlehre entgegengebracht, sie sei nicht mehr zeitgemäß und vermag mit der Rechtsrealität nicht mehr Schritt zu halten9. Die Rechtsrealität werde immer mehr durch Sachverhalte geprägt, bei denen komplexe Problemstellungen in ökologischer, ökonomischer, technologischer und sozialer Art zu bewältigen sind10. Dieser Umstand bedingt jedoch aus einer gewissen Notwendigkeit heraus, dass es keinen festen numerus clausus administrativer Handlungsformen gibt11 und neue Handlungsformen in zunehmendem Maße entwickelt werden. Auf diese Erscheinung vermag die Handlungsformenlehre, so jedenfalls ihre Gegner, nur in unzureichendem Maße eine Antwort zu geben. Die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung bietet jedoch letztlich eine verlässliche Grundlage zur Lösung von wiederkehrenden Rechtsproblemen durch Rückgriff auf einen bestimmten, für den Einzelfall genau konkretisierten Normenfundus12. Im Ergebnis besteht ihre Hauptleistung in der Ermöglichung von rationalem Handeln der Verwaltung sowie (bzw. dadurch bedingt) einer wirksamen Rechtskontrolle13. Diese beiden Funktionen konkretisieren somit das Verfassungsrecht auf der Ebene des Verwaltungsrechts und effektivieren den Rechtsschutz des Einzelnen.

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Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533. Vgl. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 189. 8 Vgl. Kunig, DVBl 1992, 1193; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 191; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 231 f. 9 Siehe dazu nur: Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 194; Schulte, DVBl 1988, 512 f. 10 Bulling, DÖV 1989, 277; Vgl. Ossenbühl, JuS 1979, 681, 686; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533 ff. 11 Vgl. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 258. 12 Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 14. 13 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 62 f. 7

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

2. Die Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis Ausgehend von den Kritikpunkten, die der Handlungsformenlehre entgegengebracht werden, begreift die Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis14 das Rechtsverhältnis als umfassende zentrale Ordnungskategorie. Sie räumt ihm eine zentrale Stellung innerhalb des Verwaltungsrechts ein15 und wird daher teilweise gar als neuer archimedischer Beziehungspunkt des Verwaltungsrechts im Grundgesetz betrachtet16. Die Rechtsverhältnislehre basiert auf der grundsätzlichen Annahme, dass die gesamte Rechtsordnung aus einer Vielzahl von unterschiedlich gestalteten und geregelten Rechtsverhältnissen besteht17. Unter einem Rechtsverhältnis ist dabei die sich aus einer rechtlichen Regelung ergebende, auf eine gewisse Dauer angelegte rechtliche Beziehung zwischen mindestens zwei Rechtssubjekten18 zu verstehen, die über das bloße Staat-Bürger-Verhältnis hinausgeht19. Daher wird ein Rechtsverhältnis oft erst dann angenommen, wenn Individualisierung und Konkretisierung eines allgemeinen Verhältnisses eingetreten sind20. Die Betrachtung der verschiedenartigen Beziehungen zwischen Staat und Bürger vom Rechtsverhältnis her veranlasst grundsätzlich zu einer Gesamtbetrachtung des konkreten Sachverhalts, arbeitet dabei zugleich die Relativität rechtlicher Zuordnungen heraus21 und gestattet dadurch eine differenzierte Analyse aller Rechtspositionen22. Im Gegensatz zur Handlungsformenlehre arbeitet die Rechtsverhältnislehre somit weniger statisch. Als Vorteil wird von ihren Befürwortern u. a. auch die Möglichkeit der Erfassung des sog. informellen Verwaltungshandelns23 und damit die Beantwortung der Frage der generellen Zulässigkeit sowie der Rechtswirkungen24 angeführt. 14 Dazu: Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 20; Rz. 1 ff.; Bauer, DVBl 1986, 208, 216 f.; Löwer, NVwZ 1986, 793 ff.; Pietzcker, Die Verwaltung 30 (1997), 281 ff.; Henneke, DÖV 1997, 768, 772 f. 15 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 259. 16 Vgl. Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248, 250; aA.: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 18; Pietzcker, Die Verwaltung 30 (1997), 281 ff. 17 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 15; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 178 ff.; Schulte, DVBl 1988, 512, 513 f. 18 Ehlers, DVBl 1986, 912. 19 Henneke in: Knack, VwVfG, 7 Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 15; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 11, Rz. 4. 20 Hill, NJW 1986, 2602, 2605. 21 Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533, 540; Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Einf., Rz. 68 f. 22 Pietzcker, Die Verwaltung 30 (1997), 281, 289. 23 Dazu vgl. unten A. I. 5. „Informelles Verwaltungshandeln“.

A. Die Übereinkunft vom 08.11.2001

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Gerade das letzte Argument hingegen wirft jedoch erhebliche Zweifel auf, da nicht einsichtig ist, warum und inwieweit hier der Rechtsverhältnislehre ein gesteigerter Erklärungswert zukommen soll. Ähnliches gilt auch für die Problematik der generellen Zulässigkeit informellen Verwaltungshandelns, die letztendlich auch aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen heraus beantwortet werden kann. Letztlich, und das wird auch von der überwiegenden Zahl ihrer Befürworter anerkannt, kommt der Rechtsverhältnislehre wohl keine Ersatz-, sondern Ergänzungsfunktion25 zu, so dass ihre wesentliche Bedeutung wohl eher in der Deskription zu suchen sein dürfte26. Damit aber ist und bleibt die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung zentraler Bestandteil der Verwaltungsrechtsdogmatik27. 3. Formelles Verwaltungshandeln Unter formellem Handeln sind alle rechtlich geregelten Handlungsformen und Entscheidungen zu verstehen, die auf die Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet sind (sog. Rechtshandlungen)28. Diese Einordnung gilt unabhängig davon, welchem Rechtsregime die betreffende Handlung unterworfen ist und ob sie kooperativ oder imperativ ausgestaltet ist. 4. Schlichtes Verwaltungshandeln Von den rechtsförmigen Handlungen sind die tatsächlichen Handlungen des Staates zu unterscheiden, die oft als schlichtes Handeln oder auch als Realakte bezeichnet werden29. Ursprünglich wurde unter dem Begriff des Realakts die nicht obrigkeitliche, ohne Befehl und Zwang agierende Verwaltung verstanden. Nach heutigem Verständnis hingegen ist grundlegendes Merkmal derartiger Handlungen, dass sie nicht final auf einen bestimmten Rechtserfolg, sondern vielmehr auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind30. Oft dienen sie dabei der Vorbereitung oder der Ausführung von rechtsförmigen Handlungen. 24

Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 259. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 188; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 44, Rz. 2; Schnapp, DÖV 1986, 811, 812. 26 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 17. 27 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 187. Vgl. dazu auch: Pauly in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 25 ff. 28 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 42; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 33. 29 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 1; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 54 ff.; Zur Terminologie: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 17 f. 25

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Im Rahmen der Handlungsformenlehre wird der Begriff des schlichten Verwaltungshandelns überwiegend als Auffangbegriff für all jene Handlungsformen verwendet, die sich nicht in die gängige Einteilung der Handlungsformen einordnen lassen31. Schlichtes Verwaltungshandeln ist in der Praxis äußerst häufig anzutreffen32 und kann sowohl in öffentlich-rechtliche, als auch privatrechtliche Form gekleidet sein33. Seine Erscheinungsformen sind denkbar vielfältig, so dass es kaum möglich erscheint, abschließend alle Arten von Realakten aufzuzählen34. Zu den bekanntesten und in der Praxis wohl gebräuchlichsten Formen zählen beispielsweise Auskünfte, Warnungen, Empfehlungen, Gutachten, Berichte sowie ganz allgemein die Öffentlichkeitsarbeit. 5. Informelles Verwaltungshandeln Der moderne Staat ist durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Daneben ist er aber auch einem beschleunigten und vor allem auch tiefgreifenden Wandel unterworfen, der alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens betrifft35. Auffallend an dieser, durch einen umfangreichen Ursachenkatalog bedingten Entwicklung ist, dass das geltende Recht einem zunehmenden Verlust der Steuerbarkeit ausgesetzt ist. Damit einhergehend erkannte man bereits frühzeitig die Tatsache, dass den wachsenden und immer komplexer werdenden staatlichen Aufgaben nicht mehr ausschließlich auf dem Wege des einseitig-hoheitlichen Handelns zu begegnen ist. Zunehmend spielten daher Handlungsformen eine Rolle, die auf der Kooperation zwischen Staat und Bürger beruhen (sog. kooperatives Verwaltungshandeln, teilweise auch als integratives Verwaltungshandeln36 bezeichnet). Dabei kommt es häufig zu Verhandlungen mit dem Ziel der Konfliktlösung. Kooperative Handlungsformen entsprechen ganz allgemein dem gesteigerten Selbstbewusstsein des Bürgers37, der hierdurch grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet bekommt, die Problemlösung 30 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 9, Rz. 7; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 408; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 1; Christ, Die Verwaltung zwischen öffentlichem und privatem Recht, 1984, S. 53; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 30, Rz. 1; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21; Rz. 292. 31 Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 41. 32 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 30, Rz. 1. 33 Vgl. Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 31, Rz. 1 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21; Rz. 298. 34 Vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21; Rz. 293. 35 Vgl. Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 1. 36 Hill, DVBl 1993, 973. 37 Lecheler, BayVBl 1992, 545.

A. Die Übereinkunft vom 08.11.2001

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beeinflussen zu können, an ihr Anteil zu haben und gemeinsam mit der Verwaltung eine Entscheidung zu erarbeiten38. In den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern ist in erster Linie der öffentlich-rechtliche Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG) als gesetzlich ausgestaltetes Mittel des kooperativen Verwaltungshandelns vorgesehen39. Allerdings wurde schon frühzeitig darauf verwiesen, dass das herkömmliche formelle Handlungsinstrumentarium bei äußerst komplexen Sachverhalten schnell an seine Grenzen stößt40 und daher teilweise nur in unzureichendem und damit unbefriedigendem Maße den Erfordernissen eines modernen, schnell und flexibel agierenden, dabei zugleich bürgernahen Staates entspricht. So erklärt es sich, dass die Steuerung der staatlichen Verwaltung zunehmend nicht mehr nur mittels der klassischen Handlungsformen, sondern auch auf informellem Wege erfolgt41. Mittels des informellen (auch informalen) Verwaltungshandelns können formelle Verfahren vorbereitet, begleitet, ermöglicht, vollzogen oder sogar ersetzt werden. Informelles Verwaltungshandeln wird heute nach allgemeiner Anschauung als Oberbegriff für eine Vielzahl von Verhaltensweisen verwendet, die sich nicht in das bisherige Muster der formellen Handlungsinstrumente einordnen lassen. Beispielhaft seien an dieser Stelle insbesondere Absprachen42, Vorverhandlungen43, Arrangements44 sowie die sog. gentlemens agreements45 erwähnt46. Die Zuordnung dieser Handlungsformen zum Bereich des informellen Staats38 Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 70. 39 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 2. 40 Vgl. Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Risiken, 1990, S. 46; G. F. Schuppert in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1525; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 86. 41 Becker, DÖV 1985, 1003. 42 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 41; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 119; Brohm, DVBl 1994, 133; Lecheler, BayVBl 1992, 545; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 354 ff. (für den Bereich der Sanierungsabsprachen); Vgl. Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 231. 43 Bulling, DÖV 1989, 277, 279 f.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 50 ff.; ders., VerwArch 75 (1984), 343, 347 ff.; ders., Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug in: Blankenburg/Lenk (Hrsg.), Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 7 (1980), S. 29; Beyerlin, NJW 1987, 2713; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 40 ff.; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 19 f. 44 Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsfor-

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handelns hängt jedoch in erster Linie davon ab, wie informelles Handeln qualifiziert wird und welchem Bereich staatlichen Handelns es selbst zugeordnet werden kann. Trotz langjähriger Diskussion47 ist bisher keine Einigkeit darüber erzielt worden, ob es sich dabei um eine rechtlich eigenständige Kategorie48 oder um einen bloßen Unterfall des schlichten Verwaltungshandelns49 handelt. Praktische Auswirkungen sind indes damit kaum verbunden. Nicht überzeugen kann jedenfalls die Auffassung, informelles Handeln würde sich vom schlichten Handeln durch eine gesteigerte Formlosigkeit auszeichnen50. Dies ist bereits unter dem Gesichtspunkt unhaltbar, dass das VwVfG jedenfalls in direkter Anwendung eine Regelung weder für schlichtes Verwaltungshandeln51, noch für informelle Aktivitäten bereit hält. Was dann in diesem Zusammenhang unter gesteigerter Formlosigkeit zu verstehen ist, bleibt mehr als fraglich. Die Bezeichnung „informell“ resultiert dabei zunächst aus dem Umstand, dass die damit gemeinten Handlungsinstrumente nicht in die traditionellen Rechtsformen gekleidet sind52. In der Literatur bleibt der Begriff allerdings nach wie vor nicht ohne Kritik53. Unerschütterlich wird von nicht wenigen Autoren unterstellt, dass dem Begriff des Informellen etwas Abwertendes innewohnen würde. So assoziiere diese Bezeichnung den Verdacht einer gewissen Heimlichkeit des Handelnden („Halbwelt der Kollaboration“54), die Vermutung der Rechtswidrigkeit sei daher geradezu impliziert55. men im Öffentlichen Recht, 1991, S. 79; Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439 ff. 45 Scherer, DÖV 1991, 1; Becker, DÖV 1985, 1003, 1006. 46 Vgl. dazu unten: A. I. 6. „Erscheinungsformen informellen Verwaltungshandelns“. 47 Hierzu auch: Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 204. 48 Vgl. Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 47; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 41; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 4; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 235. 49 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 41; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 27; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1194; Robbers, DÖV 1987, 272, 278 f.; Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 4. 50 Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 204. 51 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Einf., Rz. 91. 52 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 416; Bulling, DÖV 1989, 277. Zweifelnd etwa: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 41. 53 Hierzu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 32; Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlerfolgenlehre in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 50; Schulze-Fielitz in: Benz/Seibel (Hrsg.), Zwischen Kooperation und Korruption, 1992, S. 233 ff.; Hennecke, NuR 1991, 267 ff.; Bulling, DÖV 1989, 277, 278; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343 ff. 54 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 118.

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Mögen informelle Handlungsformen teilweise sicherlich nicht zu Unrecht mit gewissen Vorbehalten betrachtet werden56, so ist ihnen jedenfalls hinsichtlich der Begrifflichkeit „informell“ mit der gebotenen Neutralität gegenüberzutreten. Neben des Verwendung des Wortes „informell“ für informierend oder mitteilend, bedeutet es grundsätzlich nicht mehr als „nicht förmlich“ oder „auf Formen verzichtend“57, und bezieht sich somit lediglich auf Handlungsmodalitäten und nicht auf Inhalte58. Folglich steht informell für das Gegenteil des Begriffes „formal“ (bzw. formell), dem ebenso wenig etwas Positives entnommen werden kann, wie dem Informellen angeblich etwas Negatives innewohnen würde. Daher wird unter informellem Handeln nach überwiegender Ansicht die Gesamtheit aller rechtlich nicht geregelten Handlungen verstanden, die der Staat anstelle oder neben rechtlich geregelten Verfahrenshandlungen oder Rechtsfolgeentscheidungen wählt59, die jedoch zur Herbeiführung des beabsichtigten Erfolges auch in den von der Rechtsordnung bereitgestellten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen hätten erfolgen können60. Im Gegensatz dazu sollen formelle Handlungsformen alldiejenigen sein, die rechtlich geregelt sind, damit also solche Entscheidungen, die auf die Bewirkung einer Rechtsfolge gerichtet sind61. Folgerichtig dürften dann informelle Handlungsinstrumente keine über rein tatsächliche Wirkungen hinausgehende rechtliche Folgen besitzen. Dass aus diesem Umstand gewisse Rückschlüsse auf die Folgen informellen Handelns62 gezogen werden können, mag sicherlich zutreffend sein. Für die begriffliche Eingrenzung des informellen Verwaltungshandelns und die erforderliche Erzeugung einer brauchbaren Definition hingegen ist das Erfordernis des Bewirkens von Rechtsfolgen dennoch zweifelhaft63. Dieses Merkmal ist bereits im Zusammenhang mit formellen Verfahrensarten mehr als fragwürdig und 55 Vgl. Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 231. 56 Dazu auch Kapitel 4: B. I. „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“. 57 Duden, Die deutsche Rechtsschreibung, Band 1, 24. Aufl. 2006, S. 530. 58 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 45. 59 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 42; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 64; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 46; ders., VerwArch 75 (1984) 343, 344; Vgl. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 ff.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193 ff. 60 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 47; ders., VerwArch 75 (1984) 343, 344; Becker, DÖV 1985, 1003, 1005. 61 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 46. 62 Vgl. dazu unten K. I. „Die informelle Absprache als Form öffentlich-rechtlichen Handelns“ sowie die Ausführungen in Kapitel 4: F. „Rechtsfolgen von Absprachen“. 63 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 34.

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hängt einzig davon ab, ob Bewirken im Sinne einer Finalität zu verstehen ist. Rechtliche Nichtregelung kann in diesem Zusammenhang zudem nur bedeuten, dass explizite Regelungen bezüglich des Verfahrens, der Voraussetzungen und rechtlichen Folgen derartigen staatlichen Handelns in einem positivrechtlichen Katalog nicht existieren. Dass informelle Verhaltensweisen sich im Übrigen nicht im rechtsfreien Raum bewegen dürfen, ist unter Berücksichtigung des Art. 20 Abs. 3 GG eine Selbstverständlichkeit. Letztlich bestehen aufgrund der Unbestimmtheit des Merkmals des Bewirkens von Rechtsfolgen in der Praxis erhebliche Unsicherheiten bei der Qualifizierung staatlicher Handlungsformen. Aus diesem Grunde sollte auf dieses Merkmal bei der begrifflichen Bestimmung des informellen Staatshandelns gänzlich verzichtet werden. Auch hinsichtlich der Alternativität zu formellen Handlungsformen werden verschiedentlich erhebliche Bedenken vorgebracht. So fehlt es nach der Auffassung Gentzckes gänzlich an einer Alternativität, da der Sinn informellen Handelns gerade darin bestünde, rechtsförmliche Verfahren zu vermeiden64. Überzeugen kann diese Auffassung insoweit nicht, als dass informelle Verhaltensweisen nicht grundsätzlich nur dann zur Anwendung kommen, wenn es darum geht, förmliche Verfahren zu vermeiden. Wie bereits dargelegt, kann informelles Handeln die formellen Handlungen durchaus auch begleiten oder ergänzen, ohne dass gezielt die formelle Handlung ersetzt werden soll. Zuzugeben ist jedoch, dass es eine vollkommene Alternativität nicht geben kann. Richtig ist zwar, dass informellen Verhaltensweisen bezüglich formeller Handlungsinstrumente durchaus eine Alternativ- bzw. Substitutionsfunktion zukommt. Bestünde allerdings eine Abhängigkeit der Handlungsinstrumente dahingehend, dass Raum für die Anwendung informeller Handlungen ausschließlich dann besteht, wenn eine gleichgerichtete formelle Handlung alternativ möglich und zulässig wäre, so liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dass informelle Verhaltensweisen dem in jeder Hinsicht gleichen rechtlichen Beurteilungsmaßstab zugeführt würden, dem auch das formelle Handeln unterliegt65. Dann aber kann von Informalität kaum mehr die Rede sein. Die Grenze zwischen formell und informell wäre im Ergebnis aufgehoben, so dass es einer Unterscheidung zwischen formell und informell dann an sich nicht mehr bedürfte. Ähnlichen Bedenken folgend wird daher vorgeschlagen, unter Verzicht auf das Merkmal der Alternativität dem Begriff des informellen Handelns alldiejenigen Verhaltensweisen zuzuordnen, die in der formellen Ordnung des Entscheidungsprozesses nicht vorgesehen sind66. Diese Definition ist in der Literatur 64

Gentzcke, Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht, 1990, S. 2 f. Hierzu auch Kapitel 6: E. XIII. „Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm?“. 66 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 34; Ähnlich: Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 9, Rz. 9; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 60; Beyer, Der öffentlich65

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teilweise dem Einwand ausgesetzt, dass das Kriterium der Form kein taugliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Formalität und Informalität sein kann, da das Verwaltungsrecht vom Grundsatz der Formfreiheit ausgeht67 und informelles Handeln letztlich die Wahrung bestimmter, wohl stillschweigend akzeptierter Formen nicht ausschließt. Überzeugen kann diese Argumentation hingegen nicht. Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass diese Ansicht die originäre Bedeutung des Wortpaares formell/informell vollkommen vernachlässigt. Doch auch unabhängig von diesem Argument ist ein Zusammenhang zwischen der Formfreiheit des Verwaltungsverfahrens auf der einen Seite und der Untauglichkeit des Formkriteriums für die Qualifikation des informellen Handelns auf der anderen Seite kaum nachvollziehbar. Mit dem Grundsatz, dass das Verwaltungsverfahren nicht an eine bestimmte Form gebunden sei (vgl. insofern § 10 VwVfG), ist lediglich eine Aussage hinsichtlich bestimmter Rechtmäßigkeitskriterien in formeller Hinsicht getroffen. Schon die dahingehende Feststellung, dass ein Verfahren keiner bestimmten Form bedarf, impliziert aus sich heraus bereits die Tatsache, dass das Kriterium der Form durchaus ein Merkmal der Differenzierung zwischen verschiedenen Handlungsformen ist. Andernfalls bedürfte es dieser Feststellung nicht. Im Ergebnis ist daher zunächst grundsätzlich von der tatsächlichen Bedeutung des Wortes informell auszugehen. Ist informell, wie bereits ausgeführt, gleichzusetzen mit „nicht förmlich“ bzw. „auf Form verzichtend“, so ist dieser Begriff letztlich die Umkehrung des Begriffs des Formalen. Eine Abhängigkeit des Einsatzes informeller Handlungsinstrumente von der Zulässigkeit formeller Mittel besteht, wie bereits oben dargelegt, ganz grundsätzlich nicht, so dass auf dieses Merkmal bei der Begriffsbildung verzichtet werden kann. Misst man dem Begriff des Formalen hinsichtlich etwaiger Rechtsfolgen zudem keine über die reine Bedeutung des Wortlauts hinausgehende Bedeutung bei, so ergibt sich für den Begriff des informellen Handelns eine handhabbare, auf den ursprünglichen Wortsinn zurückgreifende Definition. Im Ergebnis kann unter informellem Handeln die Gesamtheit aller Handlungen des Staates verstanden werden, die außerhalb des positiv-rechtlich geregelten Handlungsformkatalogs erfolgen, unabhängig von im Einzelfall alternativ bestehenden formellen Handlungsalternativen. Während die Verwaltung schon längst auf informale Mittel zur Bewältigung ihrer Aufgaben zurückgriff und sie mittlerweile wohl als unverzichtbar ansieht68, blieben derartige Verhaltensweisen in der Verwaltungsrechtswissenschaft lange Zeit nahezu unbemerkt.

rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 198; Schrader, DÖV 1990, 326, 327; Schulte, DVBl 1988, 512. 67 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 5. 68 Vgl. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 242; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1202.

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Erst Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde diesem Problemfeld verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet und ist nunmehr ein stark beachtetes, wenn nicht sogar eines der zentralen Themen der Verwaltungsrechtswissenschaft69 und hat auch in der Staatsrechtswissenschaft seinen Platz erobert. Anfänglich konzentrierte sich die Verwendung informeller Handlungsmittel auf bestimmte Bereiche des Umwelt- und Wirtschaftsrechts. Vor allem im Bereich des Immissionschutzrechts70, des Wasserrechts71, im Wirtschaftsförderungsrecht, im Recht der Abfallwirtschaft72 sowie im Kartellrecht73 erkannte man in der Praxis den großen Nutzwert und die Möglichkeiten informeller Handlungsformen. Auch die verwaltungsrechtliche Literatur sah zunächst nur in diesen Rechtsbereichen reelle Anwendungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt durch die tatsächliche Entwicklung bedingt stellte man jedoch sehr bald fest, dass sich die Beschränkung auf die vorgenannten Rechtsbereiche als viel zu eng erwies74. Heute sind informelle Handlungsformen in nahezu allen Rechtsbereichen anzutreffen, so beispielsweise auch im Sozialrecht75, im Steuerrecht76 sowie im Sicherheitsrecht77. Steht mittlerweile eine Vielzahl von Autoren dem informellen Verhaltungshandeln aufgeschlossen gegenüber78, so betrachtet dennoch ein nicht unbeachtlicher Teil der Literatur derartige Handlungsformen nach wie vor mit erheblichen Vorbehalten. Neben Fragen der Terminologie79 herrscht nach wie vor keine Einigkeit über Voraussetzungen und Folgen informeller Handlungswei69 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 25; Quaritsch, Über formelle und informelle Wege der Entscheidung, in: Öffentlicher Dienst, FS für Carl Hermann Ule, 1977, S. 135 ff.; Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301, 305 ff.; Henneke, NuR 1991, 267 ff. 70 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 49 ff., 144 ff.; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 244; Beyerlin, NJW 1987, 2713 ff.; Vgl. v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 936. 71 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 345 mwN; Hill, DÖV 1987, 885, 890. 72 Siehe dazu insbesondere: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 58 ff., 75 ff.; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 345; Hill, DVBl 1993, 973. 73 Vgl. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 243 mwN. 74 Bulling, DÖV 1989, 277, 278; Hill, DVBl 1993, 973, 974; Oebbecke, DVBl 1986, 793. 75 Allgemein: Bossong, Die Verwaltung 34 (2001), 145 ff.; Neumann, VSSR 1993, 119, 121. 76 Vgl. dazu auch: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 7. 77 Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301, 305. 78 Vgl. nur: Becker, DÖV 1985, 1003 ff.; Siehe auch Ritter, AöR 104 (1979), 389, 409 ff., 412. 79 Vgl. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984, S. 16; Neumann, VSSR 1993, 119.

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sen80. Gelegentlich wird noch immer deren grundsätzliche Zulässigkeit bezweifelt81. 6. Erscheinungsformen informellen Verwaltungshandelns Es konnte bereits festgehalten werden, dass informelle Handlungsweisen nicht nur eine Erscheinung im Bereich des Verwaltungshandelns sind82. Vielmehr sind sie im Zusammenhang mit jeglicher Entfaltung staatlicher Aktivitäten denkbar. Immer neue Beispiele belegen deutlich, welche Bedeutung ihnen in der Rechtswirklichkeit zukommt. Neu sind diese Handlungsformen deshalb jedoch keineswegs83. Die Verwaltung bedient sich derartiger Instrumente schon lange und es darf behauptet werden, dass informelle Handlungsweisen existieren, solange formelle staatliche Aktivitäten entfaltet werden. Neu hingegen ist somit lediglich deren Entdeckung und wissenschaftliche Erörterung84. Neben den bereits erwähnten Absprachen85, Arrangements86, Vorverhandlungen87 und gentlemens agreements88 werden dem informellen Handeln auch einfache Verständigungen und Abstimmungen zwischen Staat und Bürger zuge80

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 4. Dazu: Kapitel 4. B. I.: „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“. 82 Vgl. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984. 83 Vgl. dazu auch Bulling, DÖV 1989, 277, 278 f. mwN. 84 Wolf, Normvertretende Absprachen und normvorbereitende Diskurse in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 138. 85 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 41; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 119; Brohm, DVBl 1994, 133; Lecheler, BayVBl 1992, 545; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 354 ff. (für den Bereich der Sanierungsabsprachen); Vgl. Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 231; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 3 ff.; Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301, 305 ff.; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83 ff.; Kloepfer, JZ 1991, 737, 739. 86 Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 79; Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439 ff.; Berg, Die Verwaltung 9 (1976), 161, 186 f. 87 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 40 ff.; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990; S. 19 f.; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 200; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 50 ff.; ders., Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug in: Blankenburg/Lenk (Hrsg.), Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 7 (1980), S. 29; ders., VerwArch 75 (1984), 343, 347 ff.; Beyerlin, NJW 1987, 2713; Bulling, DÖV 1989, 277, 279 f. 88 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 60; Scherer, DÖV 1991, 1; Becker, DÖV 1985, 1003, 1006. 81

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rechnet. Zum informellen Handeln zählen weiterhin die bloße Information89 sowie die derzeit häufig diskutierten Erscheinungsformen der Mediation90. Erhebliche Bedeutung haben schließlich die hoheitlichen Warnungen91 und Empfehlungen92. Diese haben allgemein den Zweck, die Öffentlichkeit hinsichtlich eines bestimmten Umstandes zu informieren und damit letztlich auch zu einem bestimmten Verhalten anzuregen, das sowohl in einem aktiven Tun, als auch einem Unterlassen bestehen kann93. Im Ergebnis wird somit die Furcht des Konsumenten vor unmittelbaren Schädigungen mobilisiert, um bei ihm ein gewünschtes Verhalten zu mobilisieren94. Soweit Warnungen und Empfehlungen gesetzlich geregelt sind (vgl. LMBG; Weingesetz; § 8 ProdSG, § 69 IV AMG; § 10 Abs. 1 BSeuchG) handelt es sich nicht mehr um informelle Verhaltensweisen, sondern vielmehr um formelle Handlungen. Auch die informelle Duldung kann zu den Erscheinungsformen informellen Handelns gezählt werden95. Eine solche liegt dann vor, wenn eine Behörde von den ihr eingeräumten Befugnissen keinen Gebrauch macht, obwohl sie Kenntnis von einem rechtswidrigen Zustand oder Verhalten hat96. Ebenso wie bei War89

Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 50 ff.; Di Fabio, JuS 1997,

1 ff. 90 Vgl. Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 75 ff.; Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000; Henssler/Koch (Hrsg.), Mediation in der Anwaltspraxis, 2000; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 45 ff.; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 21 ff. 91 Zur behördlichen Warnung vgl. Ossenbühl, Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz in: Schröder/Löwer/Di Fabio/v. Danwitz (Hrsg.): Freiheit, Verantwortung, Kompetenz, 1994, S. 1087 ff.; Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 331 ff.; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 819; Berg, ZLR 1990, 565 ff.; Kloepfer, JZ 1991, 737, 738; Schulte, DVBl 1988, 512 ff.; Stober, GewArch 1989, 353, 361 f.; Püttner, KritV 1991, 63, 64; Für die Einordnung in eine eigene Kategorie plädiert dagegen: Heintzen, Die öffentliche Warnung als Handlungsform der Verwaltung? in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 173 f. mwN.; Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 411 ff.; Di Fabio, JZ 1993, 689 ff.; Heintzen, NJW 1990, 1448 ff.; ders., VerwArch 81 (1990), 532 ff.; Schoch, DVBl 1991, 667 ff.; Scholz, NVwZ 1994, 127 ff. 92 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 41; Brohm, DVBl 1994, 133 f. 93 Dazu: Gusy, NJW 2000, 977; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986; Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1990, 2690 (Nudelprodukte); BVerfG, NJW 1989, 3269 ff. (Sekten). 94 Berg, ZLR 1990, 565, 567. 95 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 37, 48; Gentzcke, Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht, 1990, S. 21 ff.; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 820; Hill, DÖV 1987, 885, 890.

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nungen und Empfehlungen handelt es sich bei Duldungen nicht um informelle Verhaltensweisen, sofern und soweit sie einer gesetzlichen Regelung zugeführt wurden (vgl. § 55 Abs. 2 AuslG). Oft verpflichten sich einzelne Unternehmen oder ganze Wirtschaftsverbände zu einem bestimmten Verhalten mit dem Ziel, staatliche Normsetzung zu vermeiden oder in einem gewissen Sinne zu beeinflussen97. Häufig werden derartige Selbstverpflichtungen98 bzw. Branchenvereinbarungen der Wirtschaft den informellen Handlungsformen zugeordnet. Richtig ist dies allerdings nur dann, wenn der zeitliche Betrachtungshorizont erweitert wird. Die eigentliche Selbstverpflichtung kommt nämlich zunächst ohne Beteiligung des Staats zustande. Staatliches informelles Handeln würde demnach nicht vorliegen. Dieses bewegt sich in derart gelagerten Fällen vielmehr im Vorfeld des Selbstbeschränkungsabkommens oder ist deren Ergebnis. Insofern ist es aber gerechtfertigt, derartige Verhaltensweisen zumindest dem informellen Handeln im weiteren Sinne zuzuordnen.

II. Öffentlich-rechtliche Handlungsformen Ungeachtet der Möglichkeit, sich privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen, stehen die öffentlich-rechtlichen Handlungsinstrumente im Mittelpunkt des allgemeinen Verwaltungsrechts99. Sie sind teilweise im Grundgesetz, teilweise im VwVfG (bzw. den Verfahrensgesetzen der Länder) geregelt, andere wiederum finden sich in Spezialgesetzen wieder und manche Handlungsformen schließlich sind, wie bereits dargelegt, überhaupt nicht positiv-rechtlich geregelt. Der Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Handlungsformen liegt auf den herkömmlichen, klassischen Instrumenten wie dem Verwaltungsakt, dem öffentlich-rechtlichen Vertrag sowie der Rechtsnorm (Satzung, Rechtsverordnung etc.). Hinzu kommen die Zusage mit der Sonderform der Zusicherung (§ 38 VwVfG), wobei teilweise noch immer umstritten ist, ob es sich bei Letzterer nicht um einen VA handelt100, sowie der Plan (str.).

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Vgl. dazu: Rogall, NJW 1995, 922 ff. Schrader, DÖV 1990, 326, 327 f.; Kaiser, NJW 1971, 585; Siehe hierzu auch die Erläuterungen in Kapitel 4: D. „Einteilung von Absprachen“. 98 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 42 ff.; Di Fabio, JZ 1997, 969 ff.; Baudenbacher, JZ 1988, 689 ff.; Oebbecke, DVBl 1986, 793; Becker, JA 1986, 359, 363. 99 Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlerfolgenlehre in: BeckerSchwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 47. 100 Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 38, Rz. 2; Ossenbühl, JuS 1979, 681, 684. 97

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Den veränderten Bedingungen, denen Bürger und moderner Staat ausgesetzt sind, kann wie gesehen oftmals nur durch eine Anpassung der rechtlichen Instrumente an die Wirklichkeit begegnet werden, um den geänderten Bedürfnissen an eine flexible und effiziente Verwaltung Rechnung zu tragen. Dies kann einerseits durch eine Modifizierung der bisherigen Handlungsinstrumente, andererseits aber auch durch die Schaffung neuer Handlungsformen geschehen101. Als Auffangkategorie dient hierfür oft der Realakt102, der dadurch jedoch eine gewisse Konturenlosigkeit erhält. Einen numerus clausus der öffentlich-rechtlichen Handlungsformen gibt es jedenfalls grundsätzlich nicht.

III. Privatrechtliche Handlungsformen Zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedienen sich die Träger öffentlicher Verwaltung häufig der Handlungsformen des Privatrechts103. Ungeachtet vieler Diskussionen um Inhalt, Zulässigkeit im Einzelfall und Grenzen privatrechtlichen Handelns durch den Staat ist diese Möglichkeit dem Grundsatz nach jedenfalls anerkannt. Schwerpunktmäßig spielen hierbei der privatrechtliche Vertrag sowie die privatrechtliche Absprache eine entscheidende Rolle. Das Handeln in privatrechtlicher Form bietet für die Behörde oftmals die Möglichkeit, flexibler auf neue Situationen zu reagieren, als dies unter Zuhilfenahme öffentlich-rechtlicher Handlungsformen der Fall wäre. So gewährt die Verwendung des privatrechtlichen Vertrages aufgrund dessen Vielgestaltigkeit die Möglichkeit des Rückgriffs auf eine inhaltlich klar strukturierte Handlungsform für eine Vielzahl von vorstellbarer Fallkonstellationen104, während das Verwaltungsrecht zunächst nur einen Vertragstyp für alle denkbaren Situationen vorsieht.

IV. Grenzen bei der Wahl zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen? Auch wenn der Staat sowohl in öffentlich-rechtlicher, als auch privatrechtlicher Form handeln kann, so ist damit noch keine Aussage getroffen, inwieweit und unter welchen Bedingungen die Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen zulässig ist und an welche Voraussetzungen dies zu knüpfen ist. Einigkeit herrscht in diesem Zusammenhang insoweit, dass es für einen Hoheitsträger 101 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 35 f.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 59; v. Mutius, Jura 1979, 223 f. 102 Zur Subventionsvergabe: Ossenbühl, JuS 1979, 681, 686. 103 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 11, Rz. 2; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 12; Rz. 9. 104 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 64.

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keine absolute Freiheit hinsichtlich der Wahl der Handlungsform geben kann. Keineswegs ist jedoch geklärt, wodurch eine Begrenzung zu erfolgen hat und welche Reichweite die vorgenommene Einschränkung aufweist. Insgesamt ist das Bild in der Literatur hier von weitgehender Uneinigkeit geprägt105. Daher soll an dieser Stelle kurz auf die zur Begrenzung der Wahlmöglichkeit zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten eingegangen werden. 1. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung Nach herrschender Auffassung, allerdings mit den verschiedensten Begründungsansätzen106, ist die Verwaltung in der Wahl ihrer Handlungs- und Organisationsformen grundsätzlich frei. Diese Wahlfreiheit bezieht sich dabei nicht nur auf die Handlungsform selbst, sondern auch auf das zu wählende Rechtssystem107. Grundsätzlich kann daher der Staat frei wählen, ob er die privatrechtliche oder die öffentlich-rechtliche Gestaltung eines Sachverhalts bevorzugt108. Korrigiert wird dieser, für die Verwaltung äußerst weitgehende Freiraum, durch die Lehre vom Formenmissbrauch109. Die Möglichkeit des Übertritts in das Privatrecht soll danach dann nicht gegeben sein, wenn der Staat beabsichtigt, sich durch die Wahl des Rechtskreises seinen öffentlichen-rechtlichen Bindungen zu entziehen110. Fraglich bleibt dabei jedoch, wie dies im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG überhaupt möglich sein soll. So ist denn im Zusammenhang mit der Lehre vom Formenmissbrauch auch nach wie vor vieles umstritten, so dass bisher keine einheitliche Begriffsbildung stattgefunden hat. Die Grenze der Wahlfreiheit ist jedenfalls dann erreicht, wenn von der Rechtsordnung ausdrücklich die Verwendung einer bestimmten Handlungsform zwingend vorgeschrieben ist111.

105

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 23, Rz. 4. Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 23, Rz. 4 ff. mwN. 107 Siehe auch Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533, 535; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 64; Christ, Die Verwaltung zwischen öffentlichem und privatem Recht, 1984, S. 47. 108 BVerwGE 13, 47, 54; 92, 56, 61; 94, 229; BGH, DÖV 1974, 355; BGH, NJW 1985, 197, 200; BayVerfGH, NVwZ 1998, 727 f.; VGH Bad.-Württ., DÖV 1978, 569; Vgl. Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 167; Bull, Maurer-FS, 2001, S. 550; Ossenbühl, DÖV 1971, 513, 518; Kruschke, DÖV 1971, 694, 695; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 86; BVerwGE 94, 229, 231. 109 Vgl. dazu Kapitel 4: B. II. 2. lit. b) „Lehre vom Formenmissbrauch“. 110 Kritisch dazu: Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 167 ff. 111 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 65; Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 33. 106

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Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung ist vielfältigen Einwänden ausgesetzt. Oft wird ihr, teilweise manchmal sicher nicht ganz zu Unrecht vorgeworfen, sie sei nicht konsequent und im Einzelfall nur schwer handhabbar112. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Ansicht, dass die Grenzen zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Handeln derart stark verwischt seien, dass die Entscheidung für oder gegen eine Wahlfreiheit der Verwaltung zur Gretchenfrage gerate113. Mögen im Einzelfall beide Rechtsregime ineinander greifen, so kann daraus jedoch nicht die tragfähige Behauptung abgeleitet werden, dass keinerlei Unterschiede mehr bestünden. Auch unter dem Aspekt des Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich letztlich keine andere Sichtweise. Privatrechtliches und öffentlich-rechtliches Handeln unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen, als auch der herbeizuführenden Rechtsfolgen nach wie vor in nicht unerheblicher Weise114. 2. Die Lehren von der fehlenden Disponibilität des Staates a) Die Lehre vom öffentlichen Recht als zwingendem Sonderrecht des Staates Einen konträren Standpunkt zur Lehre von der Wahlfreiheit nimmt (basierend auf der Sonderrechtstheorie115) die Lehre vom öffentlichen Recht als zwingendem Sonderrecht des Staates ein. Sie begreift – und darin liegt ihr Ausgangspunkt – das öffentliche Recht als zwingendes Sonderrecht des Staates. Darüber ist dem Staat jedoch jegliche Dispositionsbefugnis grundsätzlich entzogen116. Der Begriff des Sonderrechts umfasst somit zweierlei: einerseits die Zuordnung des Rechts zum Staat, zum anderen die zwingende Geltung dieses Rechts. Daher ist es dem Staat grundsätzlich nur dann möglich in privatrechtlicher Form zu handeln, wenn entsprechende öffentlich-rechtliche Normen fehlen und privatrechtliche Normen in diesem konkreten Einzelfall auch anwendbar sind117. Mit dem Bild des doppelten Subsumtionsversuchs des Staates wird im Ergebnis eine echte Wahlfreiheit des Staates verneint118.

112

Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 33 ff. Vgl. Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 275. 114 Zur Notwendigkeit der Unterscheidung vgl. oben: C. I. „Allgemeines“. 115 Vgl. Wolff, AöR 76 (1950), 205, 216; Allgemein zur Wahlfreiheit und ihren Grenzen: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 23, Rz. 4 ff. 116 Bull, Maurer-FS, 2001, S. 551; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, S. 113; Bull, AllgVerwR, 6. Aufl. 2000, S. 152. 117 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 89 ff.; Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 175; Ähnlich wohl: Bull, Maurer-FS, 2001, S. 552. 118 Pestalozza, DÖV 1974, 188, 189. 113

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Während einerseits die Möglichkeit des Staates, in privatrechtlicher Form zu handeln, durch diese Theorie ohne Not übermäßig stark eingeschränkt wird, so bietet sie auf der anderen Seite den Vorteil, ohne zusätzliches Korrektiv auszukommen119. b) Die Lehre von der fehlenden Privatrechtsfähigkeit des Staates Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung nicht grundrechtsfähig sind. Daraus wird gefolgert, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung nicht voll privatrechtsfähig seien120. Aus diesem Grunde könne nicht von einer Wahlfreiheit der Verwaltung ausgegangen werden. Diese Auffassung begegnet starken Bedenken. Zum einen lässt sich nur schwerlich erklären, wie die Verwaltung überhaupt noch privatrechtlich handeln kann (etwa im fiskalischen Bereich). Zum anderen stellt sich die Frage, woraus sich ein Bedürfnis ergeben könnte, aus der mangelnden Grundrechtsfähigkeit ein Verbot des Handelns in Privatrechtsform herzuleiten121. Hinzu kommt der Umstand, dass Privatrechtsfähigkeit und Grundrechtsfähigkeit zwei unterschiedliche Erscheinungsformen der Rechtsfähigkeit sind. Weshalb sie gegenseitig Einfluss ausüben sollen, bleibt letztlich ungeklärt122. c) Aus der ultra-vires-Lehre abgeleiteter Ansatz Andere Auffassungen wiederum fußen auf der ultra-vires-Lehre, die ebenso Grundlage für die zuvor dargestellte Lehre von der beschränkten Privatrechtssubjektivität ist. Davon ausgehend beruhen diese Ansätze auf der Annahme, dass der Rechtskreis von juristischen Personen durch den Rahmen der ihr zugedachten Verbandszwecke festgelegt ist123. Daher sind juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur in dem ihnen zugewiesenen Aufgabenund Wirkungsbereich zu rechtswirksamem Handeln befugt124. Die Behörde hat somit aber bei der Auswahl des Rechtskreises grundsätzlich keine Wahlfreiheit. Entgegenzuhalten ist diesen Ansätzen jedoch, dass sie im Ergebnis den Problemkern nicht treffen. Selbst wenn sich eine Behörde privatrechtlicher Hand119

Pestalozza, DÖV 1974, 188, 189, 192. Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, S. 122. 121 Schnapp, DÖV 1990, 826, 829. 122 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 92. 123 Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 220; Vgl. zur ultra-vires-Doktrin auch: K. Schmidt, AcP 184 (1984), S. 529 ff.; Eggert, Die deutsche ultra-vires-Lehre, 1977, S. 56 ff. 124 Vgl. diesbezüglich auch: BGHZ 20, 119, 124. 120

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lungsformen bedient, so kann sie dennoch innerhalb ihres Aufgabenbereichs handeln. Konsequent weiter gedacht liefe ein derartiger Ansatz auf die Gleichsetzung des Rechtskreises mit Aufgaben und Wirkungsbereich im Sinne der ultra-vires-Lehre hinaus125. Die Festlegung des Wirkungsbereiches jedoch sagt grundsätzlich nichts über die innerhalb dieses Bereiches zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumente aus126. Dies wird bereits an der Tatsache sichtbar, dass der Gesetzgeber selbst innerhalb öffentlich-rechtlicher Aufgabenbereiche Privatrechtssubjekte anerkennt. Belegt werden kann dies beispielsweise durch die Existenz kommunaler Wirtschaftsunternehmen. 3. Die Lehren von der beschränkten Formenwahlfreiheit a) Die Aufgabentheorie Die Vertreter der Aufgabentheorie differenzieren ihre Betrachtungsweise nach der Art der konkreten Aufgabenerfüllung, da ihrer Auffassung nach eine sinnvolle Einordnung des Verwaltungshandelns nur unter materiellen Gesichtspunkten erfolgen könne127. Nur bei der Erfüllung unmittelbarer Verwaltungsaufgaben sei es erforderlich, sich des öffentlich-rechtlichen Instrumentariums zu bedienen128. Im Einzelfall bedeutet dies, dass die Verwaltung jedenfalls dann ungehindert auf das Privatrecht zurückgreifen kann, soweit sie zu Zwecken der Bedarfsdeckung, der Vermögensverwertung oder der Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr handelt und gesetzliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Im Übrigen jedoch habe Verwaltungshandeln im Zweifel öffentlich-rechtlich zu erfolgen129. Einzuräumen ist, dass eine Anknüpfung an die Aufgabenerfüllung in der Praxis überwiegend zu sachgerechten Ergebnissen führen dürfte. Allerdings ist nicht einsichtig, inwieweit durch die gesetzgeberische Festlegung des Aufgabenbereichs eines Hoheitsträgers zugleich auch eine Vorfestlegung hinsichtlich der Wahl des Rechtsregimes getroffen sein soll. Darüber hinaus ist die Tatsache nicht zu verkennen, dass auch dieser Ansatz im konkreten Einzelfall einer weiteren Konkretisierung bedarf. Auch kommt er nicht umhin, anhand weiterer Kriterien Einschränkungen vorzunehmen. Worin dann jedoch noch Vorzüge gegenüber der Lehre von der Wahlfreiheit liegen sollen, kann nicht beantwortet werden. 125

Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 222. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 93 f. 127 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 199. 128 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 97. 129 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 210. 126

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b) Kompetenztheorie Einem ähnlichen Ansatz wie die Aufgabentheorie folgt die sog. Kompetenztheorie. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass jeder Hoheitsträger letztlich aus der Verfassung seinen Handlungsauftrag ableitet. Aus diesem Umstand wird sodann gefolgert, dass das Handeln eines Hoheitsträgers dann öffentlich-rechtlich sein müsse, wenn funktionell Aufgaben im Rahmen seiner Kompetenz wahrgenommen werden, sofern keine gesonderten gesetzlichen Regelungen vorliegen. Auch diese Auffassung stößt auf ähnliche Bedenken, die bereits im Zusammenhang mit der Aufgabentheorie geäußert wurden. Grundsätzlich kann nämlich nicht von der Aufgabenkompetenz auf eine dahingehende inhaltliche Festlegung, wie diese Kompetenz durch den Hoheitsträger auszuüben ist, geschlossen werden130. c) Die Hoheitstheorie Die von Zuleeg begründete Hoheitstheorie schließlich basiert auf der Lehre vom zwingendem Sonderrecht131. Aus einer Gesamtschau von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot ergebe sich ein sog. ermessensgebundenes Verrechtlichungsgebot132. Dieses Gebot konstituiert eine Vermutung für die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts, sobald und soweit der Staat von seiner einseitigen Bestimmungsmacht Gebrauch macht133. Demzufolge wird das Handeln des Staates in Privatrechtsform als Ausnahmefall angesehen, der im Einzelfall einer Rechtfertigung durch eine Interessenabwägung mit dem Verrechtlichungsgebot anhand aller relevanten Umstände in dieser Situation bedarf. Auch wenn diesem Ansatz eine gewisse Plausibilität zuzusprechen ist, so lässt er doch die für den Einzelfall erforderliche Trennschärfe vermissen. Bedingt wird dies bereits durch das Erfordernis einer Interessenabwägung, das die Aufstellung allgemeingültiger Kriterien verhindert. Insofern wirft die Hoheitstheorie jedoch mehr Fragen als Antworten auf134.

130 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 94. 131 Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384, 393; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, S. 117. 132 Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384, 395; Zum Verrechtlichungsgebot vgl. auch: Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 19 f. 133 Zuleeg, VerwArch 73 (1982), 384, 396 f. 134 Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 41.

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d) Die Normfiktionstheorie Schlussendlich hat Verwaltungshandeln auf Grundlage der Normfiktionstheorie dann in öffentlich-rechtlicher Form zu erfolgen, wenn es „bei normativer Regelung durch eine Norm des öffentlichen Rechts bestimmt würde“135. Letztlich kann auch diese Auffassung bereits insofern nicht überzeugen, als dass es ihr an begrifflicher Trennschärfe fehlt. 4. Stellungnahme Richtig ist zunächst, dass die Verwaltung durch öffentlich-rechtliche Normen stärker gebunden wird, als durch privatrechtliche136. Die Frage, inwieweit sich der Staat privatrechtlicher Handlungsformen bedienen darf, hat nicht zuletzt aus diesem Grunde nach wie vor Aktualität. In keinem Falle darf sich der Staat durch Flucht ins Privatrecht seinen rechtlichen Bindungen und Pflichten entziehen, die sich aus seiner besonderen Stellung ergeben. Dies bedeutet für jegliche staatliche Aktivität, dass öffentliches Recht wertungsmäßig auch in die Privatrechtsebene mit einfließen muss (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG; Art. 20 Abs. 3 GG). Denkbar wäre im Zusammenhang mit privatrechtlichen Handlungsformen beispielsweise auch eine analoge Anwendung der §§ 24, 28 VwVfG137, um rechtsstaatliche Verfahrenssicherungen zu gewährleisten. Ungeachtet vielfältiger Einwände ist jedoch grundsätzlich nach wie vor von der Freiheit des Staates hinsichtlich der Wahl der Normebene auszugehen138. Die gegenteiligen Auffassungen vermögen letztlich nicht zu überzeugen. Dieser Grundsatz erfährt jedoch Einschränkungen, die sich regelmäßig bereits aus dem Grundsatz des Gesetzesvorrangs ergeben: Dies gilt zum einen dann, wenn Gesetze ausdrücklich die Wahl öffentlich-rechtlicher Handlungsformen vorschreiben (positive Dimension). Auf der anderen Seite besteht für die Verwaltung dann keine Wahlfreiheit, wenn die Wahl privatrechtlicher Handlungsformen gesetzlich nicht gestattet ist (negative Dimension). Daraus folgt jedoch regelmäßig auch die Tatsache, dass im Zweifel dann von einer Pflicht zur öffentlich-rechtlichen Gestaltung auszugehen ist, wenn Aufgaben wahrgenommen werden, die sich nicht auf die bloße Bedarfsdeckung, Vermögensverwertung oder die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr beschränken (vgl. auch Art. 111 Abs. 2 GG, Art. 12a Abs. 3 GG).

135

Vgl. dazu: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 197. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 102. 137 Dagegen: Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 74. 138 AA.: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 106. 136

B. Erscheinungsformen konsensualen „Verwaltungs‘‘-handelns

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Eine weitere Begrenzung kann im Einzelfall über die Ermessensfehlerlehre erfolgen, nämlich dann, wenn sich die Wahl der konkreten Handlungsebene als ermessensfehlerhaft erweist.

B. Erscheinungsformen konsensualen „Verwaltungs“-handelns Richtete sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg das Hauptaugenmerk sowohl von Wissenschaft als auch Praxis auf den Verwaltungsakt als Kerninstrument der Verwaltungstätigkeit, so erkannte man andererseits relativ frühzeitig, dass sich bisherige einseitige Handlungsformen, die auf imperativem Befehl und Zwang beruhten, in zunehmendem Maße als unbefriedigend erwiesen139. Ursache dafür ist neben der Starrheit der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen (vgl. nur §§ 48, 49 VwVfG) auch die geringe Akzeptanz des Bürgers gegenüber einseitigen staatlichen Entscheidungen und die daraus resultierende verminderte Folgebereitschaft. Diese Faktoren führen letztlich nicht selten zu einer unerwünschten Verringerung der Effektivität staatlichen Handelns. Diesen Problemen versuchte man daher durch verstärkte und vor allem aktive Einbeziehung des Bürgers in staatliche Entscheidungsvorgänge zu begegnen. Man erkannte, dass Kooperation im modernen Staat unverzichtbar ist140. Das heutige moderne Verwaltungsverfahren zeichnet sich daher vor allem durch eine verstärkte Interaktion zwischen Verwaltung und Bürger aus141. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff des konsensualen Verwaltungshandelns geprägt, der allerdings noch immer nicht auf einem einheitlichen Verständnis beruht und daher auch nicht einheitlich gebraucht wird142. Nicht überzeugen vermag jedenfalls die Ansicht, dass die Begriffe konsensual (oder auch kooperativ) und informell gleichzusetzen seien143. Einerseits nämlich können auch informelle Handlungsformen zwangsähnlich wirken, ohne dass sie auch nur das geringste Element der Kooperation beinhalten würden. Als Beispiel sei hier nochmals die behördliche informelle Warnung erwähnt144. Auf der anderen Seite 139 G. F. Schuppert in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1524; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 66; Ritter, AöR 104 (1979), 389, 394; Vgl. Corell, DÖV 1998, 363. 140 Schrader, DÖV 1990, 326. 141 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 22. 142 Vgl. Schulze-Fielitz in: Dose/Voigt (Hrsg.); Kooperatives Recht, 1995, S. 225. 143 Vgl. dazu: Bulling, DÖV 1989, 277, 278; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 84 f. 144 Siehe dazu oben: A. I. 6. „Erscheinungsformen informellen Verwaltungshandelns“.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

gibt es jedoch auch formelle Handlungsweisen, die von vornherein auf Kooperation angelegt sind, wie dies die Existenz des öffentlich-rechtlichen Vertrages belegt. Daher bilden nicht „kooperativ“ und „informell“ ein Begriffspaar, sondern vielmehr die Begriffe kooperativ und imperativ, sowie formell und informell. Ausgehend vom Wortlaut beruhen konsensuale Handlungsformen auf einem Konsens zwischen den Beteiligten. Einseitige Regelungen schließt dies jedoch keineswegs aus, da letztlich auch Verwaltungsakte zwischen Bürger und Verwaltung ausgehandelt werden können. Daher bedarf es einer Eingrenzung des Begriffs, um ihn nicht ins Leere laufen zu lassen. Entscheidend muss letztlich sein, ob der unmittelbare Wirkungsgrund für die ausgelösten Folgen rechtlicher oder tatsächlicher Art in einer einseitigen oder einer mehrseitigen abgestimmten Handlung liegt. Nur wenn Letzteres gegeben ist, kann tatsächlich von einer echten konsensualen Entscheidung gesprochen werden, anderenfalls liegt bestenfalls ein konsensgetragenes Verhalten vor. Gehen einem Verwaltungsakt umfangreiche Verhandlungen voraus, so ist unmittelbarer Wirkungsgrund der Verwaltungsakt selbst. Eine konsensuale Handlungsform im hier gemeinten Sinne liegt nicht vor, da das konsensuale Element (die Verhandlung) lediglich mittelbare Wirkungen entfaltet. Infolgedessen kann daher unter konsensualem Verwaltungshandeln zunächst ganz allgemein die Gesamtheit der Verträge und Absprachen (dazu sogleich) zwischen der Verwaltung auf der einen Seite und dem Bürger auf der anderen verstanden werden145. Konsensuales Verwaltungshandeln ermöglicht dem Bürger eine aktive Mitgestaltung von ihn betreffenden Angelegenheiten und Vorgängen und gewährleistet somit zugleich auch ein Optimum an demokratischer Bürgerbeteiligung, auch wenn das Demokratieprinzip dies nicht unbedingt erfordert. Neben der Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens liegen erhebliche Vorzüge zudem auch in einer erhöhten Flexibilität der Verwaltung bei gleichzeitig größerer Akzeptanz seitens des Bürgers hinsichtlich staatlichen Handelns146.

I. Der Vertrag Häufig handelt die Verwaltung in Form des Verwaltungsakts. Will sie jedoch den Weg des konsensualen Handelns beschreiten, so bietet sich für sie zunächst der Abschluss eines Vertrags an. 145 Bulling, DÖV 1989, 277, 28 geht dabei jedoch insofern zu weit, indem er einen rechtlichen Unterschied zwischen agreement und unbewehrtem öffentlich-rechtlichen Vertrag bestreitet. 146 Vgl. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 49; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 450 ff.; Bulling, DÖV 1989, 277, 288; Vgl. dazu auch Kapitel 4: C.II. „Vorteile des Einsatzes informeller Absprachen“.

B. Erscheinungsformen konsensualen „Verwaltungs‘‘-handelns

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Nach langen anfänglichen Diskussionen147 kommt dem Vertrag heute eine gesicherte Stellung unter den verwaltungsrechtlichen Handlungsinstrumenten zu148 und ist im Verwaltungsalltag wohl nicht mehr wegzudenken. Für die Behörde besteht dabei in gewissen Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, sich privatrechtlicher Vertragsformen zu bedienen149 oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. §§ 54 ff. VwVfG) abzuschließen, wobei allerdings betont werden muss, dass nicht zuletzt unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 3 GG der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag unbedeutender ist, als weithin angenommen wird150. Zwar ist der Vertrag unmittelbar auf Kooperation zwischen Bürger und Staat angelegt151. Die §§ 54 ff. VwVfG zeigen jedoch zumindest für den öffentlich-rechtlichen Vertrag, dass sich dieser auf dem Schnittpunkt zwischen kooperativen Handlungsformen und einseitigen, förmlichen Regelungen bewegt152.

II. Die Absprache Der Versuch, mittels Verhandlungen ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen153, kann, wie gesehen, vordergründig entweder als Vertrag oder in Form einer informellen Absprache erfolgen154. Zwar ist es denkbar, sich im Rahmen konsensualer Entscheidungssteuerung auch anderer informeller Handlungsformen zu bedienen, die Absprache steht hierbei jedoch ganz klar im Vordergrund. Ganz allgemein ist die Absprache eine nicht-förmliche Kooperationsform, die trotz Fehlens einer expliziten positiv-rechtlichen Regelung als konsensuale Handlungsform neben dem Vertrag und dem konsensgetragenen, aber einseitigen Verwaltungsakt155 steht.

147 Vgl. dazu unten: G. „Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG?“. 148 Lecheler, BayVBl 1992, 545. 149 Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 4; Achterberg, JA 1979, 356, 358. 150 Vgl. Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 275; v. Zezschwitz, NJW 1983, 1873, 1881. 151 Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 46; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 2; Becker, JA 1986, 359, 361. 152 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 45; Vgl. Corell, DÖV 1998, 363. 153 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 71. 154 Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 333. 155 Hierzu auch die Ausführungen bei: Kunig, DVBl 1992, 1193 ff.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Vieles ist im Zusammenhang mit informellen Absprachen nach wie vor ungeklärt und so verwundert es kaum, dass derartigen Handlungsinstrumenten noch heute erhebliches Misstrauen entgegengebracht wird156. Allgemein lässt sich sagen, dass durch die informelle Absprache an die Stelle einer hoheitlichen Regelung (dem öffentlichen-rechtlichen Vertrag vergleichbar) ein Aushandlungsprozess tritt. Etwas abwertend wird dabei nicht selten betont, dass zugleich an die Stelle des Normvollzugs Kompromisse treten157. Neben der Absprache im engeren Sinne werden dieser Form des informellen Handelns oft auch die sog. Vorverhandlungen sowie Arrangements und Agreements zugerechnet158. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Absprache dem Vertrag erheblich näher steht, als dem Verwaltungsakt.

III. Der mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakt? Auch Verwaltungsakte können durchaus konsensuale Elemente enthalten. Belegt wird dies durch die Existenz des ausgehandelten Verwaltungsakts, dem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt sowie dem Verwaltungsakt auf Zustimmung als Form des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts. Dies zeigt, dass Gleichordnung und Willensübereinstimmung im Einzelfall auch durchaus Merkmale von Verwaltungsakten sein können und diese den rein konsensualen Verhandlungsformen wie beispielsweise dem Vertrag in mancher Hinsicht an Flexibilität schon recht nahe kommen. Aus diesem Grunde werden nicht selten die genannten Formen von Verwaltungsakten ebenfalls dem konsensualen Handeln zugerechnet. Unter Berücksichtigung der obengenannten Definition hingegen muss eine solche Zuordnung ausscheiden, da konsensuales Handeln im hier gemeinten Sinne nur dann vorliegt, wenn der unmittelbare Wirkungsgrund für die ausgelösten Folgen rechtlicher oder tatsächlicher Art in einer mehrseitigen abgestimmten Handlung liegt. Ein solcher Grund liegt hier hingegen allein im Verwaltungsakt selbst. Dieser ist jedoch, mögen im Vorfeld auch Verhandlungen o. ä. geführt worden sein, immer ein einseitiges hoheitliches Handlungsinstrument. Eine erforderliche Zustimmung oder Verhandlungen über Inhalt und Gegenstand des Verwaltungsakts entfalten dabei lediglich eine mittelbare, nicht aber die hier erforderliche unmittelbare Wirkung.

156 Vgl. Lecheler, BayVBl 1992, 545, 549; Siehe hierzu auch Kapitel 4: B.I. „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“. 157 Kutscha in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 19. 158 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 69; Bulling, DÖV 1989, 277, 279 ff.

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln

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C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln I. Allgemeines Im Zusammenhang mit der genauen Qualifizierung der konkreten Handlungsform im Einzelfall und der Zuordnung dieser zum formellen oder informellen Handeln, muss der Frage nachgegangen werden, welchem Rechtskreis die staatliche Handlung zuzuordnen ist. Dieses Erfordernis159 ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass das geltende Recht zunächst grundsätzlich von einer Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht ausgeht (vgl. insbesondere auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG; Art. 33 Abs. 4 GG). Die starke rechtliche, sogar grundgesetzliche Verankerung dieses Grundsatzes zeigt dessen tiefgreifende Bedeutung und verdeutlicht zugleich in nachdrücklicher Weise die rechtliche Verbindlichkeit des Dualismus der Rechtsordnung160. Für die ausführende Behörde stellt sich daher die prinzipielle Frage, welchem Rechtsregime sie ihr Handeln unterstellt. Soweit ihr Ermessen eingeräumt ist, hat sie dieses jedenfalls pflichtgemäß auszuüben. Auf die Frage, welche Grenzen der Behörde bei der Wahl des Rechtsregimes und damit der konkreten Handlungsform gesetzt sind, soll an späterer Stelle noch eingegangen werden. Aus dem Dualismus der Rechtsordnung ergeben sich schließlich eine Reihe von Folgen, die es in gleicher Weise erforderlich machen, genau zu differenzieren, ob eine Behörde öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gehandelt hat161. Eine genaue Zuordnung des staatlichen Handelns ist beispielsweise für die Frage der (unmittelbaren) Anwendbarkeit des VwVfG von Belang, des Weiteren für Fragen der Bestimmung der Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), der Rechtswegeröffnung (vgl. § 40 VwGO), der Unterwerfung unter bestimmte Vollstreckungsnormen (vgl. § 1 VwVG) sowie für Schadensersatzansprüche bei etwaigen Pflichtverletzungen162. Hinzu kommt die Tatsache, dass Privatpersonen grundsätzlich Privatautonomie genießen, während staatliches Handeln der Rechtfertigung bedarf163. Ungeachtet der Tatsache, dass sich der Staat seinen durch Art. 20 Abs. 3 GG auferlegten rechtlichen Bindungen grund-

159 Verschiedentlich wird allerdings ein Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht und damit die Notwendigkeit der Unterscheidung verneint. Vgl. dazu: Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 10 mwN. 160 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 61. 161 Vgl. dazu: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 73; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 44 ff. 162 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 55. 163 Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 11.

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sätzlich nicht entziehen kann, macht auch dieser Umstand eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht erforderlich. Wie eine solche Abgrenzung im Einzelfall zu erfolgen hat, wird nicht immer einheitlich beantwortet und zeigt, mit welchen Schwierigkeiten dies in der Rechtsanwendung verbunden sein kann. Letztlich ist diese Problematik aber auch Ausdruck der Vielfalt staatlicher Handlungsmöglichkeiten. Ausgangspunkt aller Lösungsversuche ist dabei vordergründig zunächst die Qualifzierung von Rechtssätzen und erst nachfolgend die von einzelnen Handlungsweisen. Rechtsprechung und Literatur haben hier immer wieder Versuche unternommen, einheitliche Kriterien zur Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Recht und damit schließlich im Ergebnis auch für die Qualifizierung staatlichen Handelns zu entwickeln. Wurden bereits im Jahre 1904 nahezu 17 Abgrenzungstheorien erwähnt, so dürften es heute noch weitaus mehr sein164. Von Relevanz sind heute im wesentlichen drei (je nach Sichtweise auch vier) Theorien: die Interessentheorie, Subjekts- und modifizierte Subjektstheorie (auch Zuordnungstheorie genannt) sowie die Subordinationstheorie. Jede diese Theorien kann für sich bestimmte Vorzüge in Anspruch nehmen, ist aber zugleich auch mit gewissen Nachteilen behaftet, auf die an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden soll. In Grenzfällen (vertragliches Handeln, Realakte, Hausrechtsmaßnahmen etc.) jedenfalls vermag oftmals keine dieser Theorien eine genaue Zuordnung von Verwaltungshandlungen zu einem bestimmten Rechtsbereich zu vollbringen, so dass teilweise auf andere Kriterien zurückgegriffen werden muss. Für die Interessentheorie ist entscheidendes Merkmal das Kriterium der Interessenrichtung. Öffentlich-rechtlich sollen demzufolge alle dem öffentlichen Interesse dienenden Rechtsätze sein165. Die Subordinationstheorie sieht demgegenüber das öffentliche Recht entscheidend durch das Verhältnis der ÜberUnterordnung in der Staat-Bürger-Beziehung geprägt. Dieser Prämisse folgend sollen Rechtssätze dann öffentlich-rechtlich sein, wenn sie eben ein solches Über-Unterordnungsverhältnis betreffen166. Die Subjektstheorie und ihre verschiedenen Ausprägungen finden ihre Grundlage in der Verschiedenheit der Zuordnungssubjekte der die Rechtsordnung bildenden Rechtssätze. Daher gehören Normen, die jedermann berechtigen, dem Privatrecht an, während solche Normen dem öffentlichen Recht zuzurechnen sein sollen, die sich an den Staat 164 Vgl. zu diesem Themenkreis insbesondere auch Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 14 ff. mwN; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 48 ff. mwN.; Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 128 ff. 165 Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 130; Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 14; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 49. 166 GmS-OGB, BGHZ 97, 312, 314; 102, 280, 283; BVerwGE 14, 1, 4; 37, 243, 245.

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln

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wenden. Nach der Zuordnungstheorie (modifizierte Subjektstheorie) schließlich gehören dem öffentlichen Recht all diejenigen Rechtssätze an, die nur den Staat oder einen sonstigen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.

II. Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen Grundsätzlich kann die Verwaltung ihre Aufgaben sowohl mit Hilfe des öffentlich-rechtlichen Vertrags, als auch mittels des privatrechtlichen Vertrags erfüllen167. Nach anfänglichem Zögern168 ist dies nunmehr (nahezu) einhellige Meinung, auch wenn im Detail oft noch erhebliche Unsicherheit herrscht169. Dem privatrechtlichen Vertrag kommt dabei entgegen teilweiser Bedenken nicht nur bei fiskalischen Hilfsgeschäften Bedeutung zu. Die Bestimmung der Rechtsnatur eines zwischen Verwaltung und Bürger geschlossenen Vertrages ist jedoch nach wie vor problematisch und wird nicht einheitlich gehandhabt170. Sie ist jedoch neben den bereits dargestellten Gründen auch aufgrund der Tatsache von Bedeutung, dass für den öffentlich-rechtlichen Vertrag engere Bindungen gelten (vgl. §§ 54 ff. VwVfG), als für den privatrechtlichen Vertrag. Die zuvor dargestellten Theorien gelangen hierbei schnell an ihre Grenzen, da die Rückführung der Abgrenzung auf Rechtssätze im Rahmen des vertraglichen Handelns zwar nicht gänzlich untauglich ist, aber doch relativ wenig Anhaltspunkte gibt. Hinzu kommt der Umstand, dass bei Verträgen das Merkmal der Über-Unterordnung nicht in dem Maße gegeben ist, wie dies bei einseitigen staatlichen Handlungen der Fall ist. Im Gegenzug kann aber aus einer unter Umständen bestehenden vollkommenen Gleichordnung der Vertragsparteien nicht automatisch der Schluss gezogen werden, dass der konkrete Vertrag privatrechtlich wäre171. Daher bedarf es einer gewissen Modifizierung, mit der sich bisher eine erhebliche Zahl von Theorien versucht hat, auseinander zu setzen. Die dabei entstehenden Probleme liegen nicht zuletzt darin begründet, dass der Versuch der Abgrenzung vorwiegend nicht auf der Basis einer qualitativen Beurteilung, sondern unter quantitativen (und damit schwer handhabbaren) Aspekten gemacht wird. Die Frage der Abgrenzung mündet daraus resultierend 167

Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 257. Vgl. Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 180. 169 Siehe dazu auch unten: C. IV. „Grenzen bei der Wahl zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen?“. 170 Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 276; Vgl. Neumann, DÖV 1992, 154, 156 ff.; Gern, VerwArch 70 (1979), 219 ff.; Lange, NVwZ 1983, 313 ff.; ders., JuS 1982, 500 ff. 171 BGH, NJW 1992, 1561, 1562; BGH, DVBl 1992, 615, 616. 168

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letztlich in die Bestimmung des quantitativen Ausmaßes öffentlich-rechtlicher Tätigkeit. Hinsichtlich der Qualifikation der genannten Verträge werden heute im Wesentlichen noch drei Ansichten vertreten172: die Gegenstandslehre, die Vorbehaltslehre sowie die sog. Aufgabentheorie. Der sog. Vorbehaltslehre (unter Zugrundelegung der Sonderrechtstheorie) zufolge soll ein Vertrag dann öffentlich-rechtlich sein, wenn er notwendigerweise Rechtsbeziehungen gerade zu einem Träger öffentlicher Gewalt begründet, aufhebt oder ändert173. Dies wiederum ist dann der Fall, wenn mindestens ein Zuordnungsobjekt des Vertrages ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt sein kann. Erkennt man jedoch die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge auch unter Privaten an, so führt diese Lehre im Ergebnis nicht weiter. Die Aufgabentheorie dagegen qualifiziert zunächst alle Verträge unter Beteiligung eines Hoheitsträgers als öffentlich-rechtlich, mit Ausnahme derer, die in Ausführung nur mittelbarer Verwaltungsaufgaben geschlossen werden174. Vorherrschend hingegen ist jedoch die auch von der Rechtsprechung175 favorisierte Gegenstandstheorie, die weitgehend dem Gesetzeswortlaut entspricht. Dieser Theorie folgend bestimmt sich ausgehend von § 54 S. 1 VwVfG die Rechtsnatur eines Vertrages nach dessen Gegenstand176. Dabei ist nicht das subjektive Vorstellungsbild der Parteien, sondern einzig und allein die objektive Erscheinung maßgeblich177. Der Gegenstand wiederum ist der Umfang der durch den Vertrag begründeten Rechte und Pflichten und ist daher aus dem Vertragsinhalt unter Berücksichtigung aller Umstände und Indizien im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln178. Entscheidendes Kriterium ist damit letztlich, ob sich der Inhalt des Vertrages auf einen öffentlich-rechtlich zu beurteilenden Sachverhalt bezieht, ob also die vertraglich übernommene Verpflichtung öffentlich-rechtlichen Charakter hat. Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei vorrangig die angestrebten Rechtsfolgen179. Wie jedoch dieser Charakter im Einzelfall tatsächlich zu bestimmen ist, wird noch immer nicht einheitlich beantwortet. Uneinigkeit herrscht dabei sowohl in 172

Vgl. zum Ganzen: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 2. Lange, NVwZ 1983, 313, 316. 174 Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 55. 175 BVerwGE 42, 331, 334; 84, 236, 238; BGHZ 97, 312, 314. 176 Menger, VerwArch 64 (1973), 203; Scherzberg, JuS 1992, 205, 206. 177 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 365 f. 178 GmS-OGB, NJW 1986, 2359; BGH, NJW 1992, 1561, 1562; Hinsichtlich der Zweckrichtung: BGHZ 97, 312, 314; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 113; Bull, AllgVerwR, 6. Aufl. 2000, S. 293; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 366 f.; Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626; Achterberg, JA 1979, 356, 358. 179 BayVGH, BayVBl 1985, 372; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 28; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 24, Rz. 2. 173

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln

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qualitativer als auch quantitativer Hinsicht. Einigkeit dagegen herrscht insoweit, als dass der Vertragsgegenstand ausgehend von der zuzuordnenden Norm zu bestimmen ist180. Das Problem hierbei ist jedoch offensichtlich: Vertragliche Regelungen beruhen auf den Prinzipien von Verhandlung und Konsens und nicht auf einer einseitigen normativen Regelung. Zuzuordnende Norm ist daher (bei öffentlich-rechtlichen Verträgen) meistens nur § 54 VwVfG selbst, da die vertraglichen Rechtsbeziehungen nicht normativ sind181. Daher müssen die Beurteilungskriterien weiter gefasst werden. Aus diesem Grunde soll nach weit verbreiteter Ansicht der Vertragsgegenstand dann als öffentlich-rechtlich zu beurteilen sein, wenn er Sachverhalte betrifft, die von der geltenden Rechtsordnung öffentlich-rechtlich geregelt sind182. Letzteres wiederum soll sich nach den gängigen Abgrenzungstheorien richten. Bei konsequenter Anwendung dieser Auffassung müsste im Einzelfall an sich jegliches nicht spezialgesetzlich geregeltes vertragliches Handeln privatrechtlicher Natur sein183. Dies jedoch wirft erhebliche Zweifel auf und kann bereits im Hinblick auf die damit erzeugten Ergebnisse kaum überzeugen. Richtiger Ansatz muss daher der Weg einer hypothetische Normierung sein184. Entscheidend dabei ist, ob die vertragliche Regelung im Falle ihrer Normierung öffentlich-rechtlich sein würde. Hierbei kann dann wiederum auf die gängigen Abgrenzungstheorien zurückgegriffen werden. Fraglich ist jedoch, wie Verträge zu behandeln sind, die nicht eindeutig einem bestimmten Rechtskreis zugeordnet werden können, weil sie einen bivalenten Charakter aufweisen. Die Rechtsprechung vertritt in diesem Zusammenhang die sog. Schwerpunkttheorie185. Entscheidend ist danach der Gesamtcharakter des Vertrags186, d.h. ob der Schwerpunkt der vertraglichen Regelungen auf dem Gebiet des öffentlichen oder des privaten Rechts liegt187.

180

Vgl. Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626. Lange, NVwZ 1983, 313, 314. 182 BVerwGE 42, 331, 332; BGHZ 32, 217; 35, 71; 56, 365, 368; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 2; Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 53; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 2; Lange, NVwZ 1983, 313, 315. 183 Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 53. 184 Vgl. Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 2; Neumann, DÖV 1992, 154, 158; Menger, VerwArch 64 (1973), 201, 205; Scherzberg, JuS 1992, 205, 207. 185 Vgl. BVerwGE 92, 56, 59; BGHZ 67, 81, 88. 186 BGH, NJW 1992, 1561, 1562; OVG Münster, NJW 1989, 1879; Siehe auch: BVerwGE 23, 213, 215. 187 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 78; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, 54, Rz. 31; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 366 f. 181

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Demgegenüber wird vor allem in der Literatur vielfach die Auffassung vertreten, dass ein Vertrag bereits dann als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sei, wenn auch nur ein einziger Regelungsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist188. Mögen beide Ansichten, auf deren Richtigkeit hier nicht weiter eingegangen werden soll, im Einzelfall durchaus auch einmal zu verschiedenen Ergebnissen gelangen, so herrscht Einigkeit dahingehend, dass Verträge unter Beteiligung eines Hoheitsträgers jedenfalls dann einheitlich dem öffentlichen Recht zu unterstellen sind, wenn im Einzelfall eine genaue Zuordnung nicht möglich erscheint189. Einerseits spricht dafür eine gewisse Vermutungswirkung190 hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Handelns von Behörden. Damit zusammenhängend erscheint dies zum anderen auch aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes als dringend erforderlich. Unklarheiten gehen somit zu Lasten des Hoheitsträgers.

III. Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Absprachen Auch informelle Absprachen sind sowohl in öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Form denkbar. Dabei gilt auch hier das bereits oben Gesagte: Eine genaue Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln ist unerlässlich, da nicht zuletzt jeweils unterschiedliche Beurteilungskriterien für die Rechtmäßigkeit der konkreten Absprache gelten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch die Frage der Anwendbarkeit des VwVfG von Bedeutung, was aber zunächst einen öffentlich-rechtlichen Charakter der Absprache voraussetzt. Ist bereits die Abgrenzung des öffentlichen vom privaten Recht im allgemeinen umstritten und herrscht bei der Qualifizierung von Verträgen eine noch größere Unsicherheit, so gilt dies bei Absprachen erst recht. Verschiedentlich wird dabei aufgrund der bestehenden Unsicherheiten behauptet, dass sich eindeutige allgemeingültige Zuordnungskriterien überhaupt nicht aufstellen ließen und die Zuordnung daher nur anhand aller Umstände des Einzelfalls erfolgen könne191. Als problematisch erweist sich dabei zunächst die Tatsache, dass es sich bei einer Absprache um einen Realakt handelt und somit die Qualifikation von Verhalten und nicht von Rechtssätzen erforderlich ist192. Insofern kann wiederum 188

Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, 54, Rz. 31. BVerwGE 42, 331, 332; Achterberg, JA 1979, 356, 358; Ähnlich: Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 24, Rz. 7 f. 190 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 2 f. 191 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 60. 192 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 57. 189

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln

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nicht uneingeschränkt auf die allgemeinen Abgrenzungstheorien193 zurückgegriffen werden. Die kartellrechtliche Literatur194 ordnet (informelle) Absprachen unter Beteiligung des Staates vielfach dem Privatrecht zu. Damit ist indes jedoch nicht viel gewonnen, weil hier die Besonderheiten des Kartellrechts und der in diesem Zusammenhang vornehmlich behandelten kartellähnlichen Absprachen beachtet werden müssen. Die kartellrechtsrelevanten Absprachen sind zumeist Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die auf Initiative des Staates betrieben werden, ohne dass dieser selbst Absprachepartner wäre. Klassisches Beispiel sind die sog. Selbstbeschränkungsabkommen. Die Umsetzung von Absprachen durch horizontale Verhaltensweisen hat allerdings nichts mit den hier gemeinten Absprachen gemein. Sie sind rein privatrechtlicher Natur, da nur Hoheitsträger dem öffentlichen Recht unterliegen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass öffentlich-rechtliche Verträge auch unter Privaten denkbar sind195. Mögen in diesen Fällen auch erhebliche Probleme auf kartellrechtlicher Ebene liegen, im Bereich des öffentlichen Rechts sind sie jedenfalls nicht zu suchen196. Die Frage, wie Absprachen unter direkter Beteiligung des Staates (als Absprachepartner) einzuordnen sind, wird dadurch indes nicht gelöst. Aus diesem Grunde wird teilweise die Ansicht vertreten, dass grundsätzlich zwischen horizontalen und vertikalen Absprachen unterschieden werden muss197. Vertikale Absprachen dienen als Ersatz für einseitig hoheitliches Handeln und seien daher an den Maßstäben des öffentlichen Rechts zu messen. Dagegen seien die in Vollzug der Absprache getroffenen (horizontalen) Verhaltensweisen von Unternehmen und Verbänden als gewöhnliche Privatrechtsverhältnisse zu qualifizieren. In Widerspruch dazu setzt sich eine andere Meinung, nach der sowohl die Absprache selbst, als auch ein eventuell notwendig werdender Vollzug immer öffentlich-rechtlich sein sollen198. Dies folge aus dem Umstand, dass das öffentliche Recht sowohl die Absprache selbst als auch eventuell notwendig werdende Vollzugshandlungen grundlegend prägt199 und 193 Vgl. diesbezüglich oben: C. I. „Allgemeines“; Zur Subordinationstheorie: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 58. 194 Vgl. dazu: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 314 ff.; Immenga in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 8, Rz. 42; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1028 f.; Becker, DÖV 1985, 1003, 1009. 195 Vgl. BVerwG, NJW 1992, 2908; BVerwGE 42, 331, 332; 74, 368, 370; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 35; Lange, NVwZ 1983, 313, 321; Obermayer, BayVBl 1977, 546, 548; Lange, JuS 1982, 500, 504. 196 v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 502. 197 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 120; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027 f.; Becker, DÖV 1985, 1003, 1009; v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 502. 198 Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

eine Trennung in einen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Teil somit nicht möglich erscheine200. In jedem Falle gehe es um die Anwendung öffentlicher Gewalt201, da selbst die staatliche Beeinflussung von unternehmerischen Entscheidungen sich immer als hoheitliches Handeln darstelle202. Zudem sei in jedem Falle ein Über-Unterordnungsverhältnis erkennbar203. Nur in den (angeblich kaum denkbaren) Fällen, in denen ganz klar und eindeutig zwischen Absprache und Absprachevollzug differenziert werden könne, soll entgegen der ursprünglich aufgestellten Prämisse eine Unterscheidung zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Teil mit der Folge unterschiedlicher Rechtswegzuweisungen möglich sein. Ungeachtet inhaltlicher Unklarheiten sind beide Ansichten schon aus dem Grunde abzulehnen, weil sie die (anerkannte) Möglichkeit privatrechtlichen Handelns durch die Verwaltung im Ergebnis versperren, indem sie vom Grundsatz des Handelns in öffentlich-rechtlicher Form zumindest bei der Absprache selbst ausgehen und die Handlungsform der privatrechtlichen Absprache somit verneinen. Teilweise wird daher angenommen, dass es bei der Abgrenzung der öffentlich-rechtlichen von der privatrechtlichen Absprache ebenso wie bei Realakten204 und sonstigen Formen zuordnungsneutralen Verhaltens vornehmlich darauf ankomme, in welchem Zusammenhang, aus welchen Motiven heraus und mit welcher Zielsetzung der Hoheitsträger tätig wird205. Nimmt dieser dabei öffentliche Interessen wahr206, soll öffentlich-rechtliches Handeln vorliegen, andernfalls sei die Tätigkeit als privatrechtlich zu qualifizieren. Überzeugen kann diese Auffassung indes kaum. Zunächst gilt es zu bedenken, dass der Staat an sich immer im öffentlichen Interesse handelt. Für eine Anwendung privatrechtlicher Handlungsformen bliebe dann kein Raum mehr. Problematisch ist zudem auch die Tatsache, dass diese Auffassung vorrangig an subjektiven Elementen anknüpft. Dem betroffenen Bürger bleiben im konkreten Fall die Motive und Zielsetzungen staatlichen Handelns oft verborgen, so dass für ihn die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln im Einzelfall unkalkulierbar werden kann. Unter dem Gesichtspunkt eines effekti199

Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694. Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362. 201 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 52 ff. mwN.; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694. 202 v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 502; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027; Becker, DÖV 1985, 1003, 1009. 203 Vgl. dazu: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501. 204 Vgl. BGHZ 29, 38; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 52 ff. 205 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 53. 206 Insofern dazu: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 200

C. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Handeln

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ven Rechtsschutzes ist dies allerdings in höchstem Maße bedenklich und daher abzulehnen. Eine Differenzierung der einzelnen Handlungsformen ist aus diesem Grunde letztlich allein anhand objektiver Kriterien zu treffen207. Verschiedentlich wird des weiteren auch die Möglichkeit diskutiert, eine Abgrenzung mit Hilfe der Rechtsverhältnislehre208 vorzunehmen209. Unabhängig von der Frage, zwischen wem die Absprache letztlich tatsächlich geschlossen wird (zwischen Staat und Bürger oder zwischen Privatrechtssubjekten untereinander aufgrund staatlicher Initiative), soll sich grundsätzlich schon aufgrund der staatlichen Einflussnahme ein Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger entwickeln210. Auch etwaige (der Absprache nachfolgende) Vollzugshandlungen sollen einer separaten Betrachtung nicht zugänglich sein211, da eine Vergleichbarkeit mit den Fällen der Subventionsvergabe entsprechend der Zweistufentheorie ausscheide212. Auf dieser Grundlage wird sodann versucht, dass beschriebene Rechtsverhältnis rechtlich zu qualifizieren. Art. 20 Abs. 3 GG erlegt dem Staat in jedem Falle rechtliche Bindungen auf, so dass hieraus jedenfalls keine näheren Schlüsse gezogen werden können. Letztlich bleibt dieser Auffassung nur der Rückgriff auf die herkömmlichen Abgrenzungstheorien. Was dann aber wirklich gewonnen ist, bleibt mehr als fraglich. Schließlich muss ernsthaft die Frage gestellt werden, ob es im Rahmen der Absprache bereits zu einem Rechtsverhältnis kommt. Gerade die Gruppe der sog. normvertretenden Absprachen, d.h. solche, die eine Rechtsnorm ersetzen oder vermeiden, sollen nach dem Willen der an der Absprache Beteiligten gerade nicht durch Rechtsnormen gestaltet werden213. Folgt man dem engeren Verständnis des Rechtsverhältnisses, läge mangels rechtlicher Regelung kein Rechtsverhältnis vor. Erachtet man für die Begründung eines Rechtsverhältnisses die objektive Rechtsordnung als ausreichend, so muss dennoch das Zustandekommen eines Rechtsverhältnisses mangels hinreichender Konkretisierung bezweifelt werden214. Entscheidend ist letztlich nämlich, wie der Staat dem Bürger gegenübersteht, so dass für das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses grundsätzlich eine Sonderbeziehung erforderlich ist215. Hingegen liegt aber ge207

Ehlers in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 2, Rz. 57. Vgl. dazu oben: A. I. 2. „Die Lehre vom Verwaltungsrechtsverhältnis“. 209 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 62 ff.; Ablehnend: Wolff, AöR 76 (1950), 205 f. 210 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 71. 211 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 75 f. 212 Vgl. insoweit für Folgekostenverträge: BVerwGE 42, 331. 213 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 67. 214 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 452. 215 So auch Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 69. 208

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

rade in den Fällen, in denen Absprachen nur auf Initiative, aber ohne unmittelbare Beteiligung des Staates zustande kommen, zwischen Bürger und Staat an sich nicht mehr als ein bloßes Näheverhältnis vor. Daraus kann jedoch, ungeachtet der Bindungen des Art. 20 Abs. 3 GG, kein Rechtsverhältnis hergeleitet werden, da diesbezügliche Näheverhältnisse allgemeine Rechte und Pflichten begründen, niemals aber besondere und hinreichend individualisierte Pflichten. Anderenfalls wäre allein die bloße Staatsbürgereigenschaft als ein Rechtsverhältnis in dem hier erforderlichen Sinne zu begreifen. Dies würde dann jedoch wiederum gesteigerte, über die allgemeinen Rechte und Pflichten hinausgehende Pflichtenpositionen begründen. Diese hingegen lassen sich aber nicht aus dem Rechtsverhältnis als solchem, sondern nur aus Normen ableiten216. Nach alledem ist die pauschale Behauptung des Vorliegens eines Rechtsverhältnisses wohl kaum haltbar. Im Ergebnis kann die Rechtsverhältnislehre somit mangels Vorliegens allgemeingültiger Aussagen keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich der Abgrenzung öffentlich-rechtlicher von privatrechtlichen Absprachen liefern. Entscheidend könnte hingegen sein, was für die durch die Absprache ersetzte Handlungsart gegolten hätte. Allerdings wird dadurch die Frage der Abgrenzung lediglich auf eine andere Ebene verlagert, ohne dass wirklich etwas gewonnen würde. Wichtige Anhaltspunkte könnten sich hingegen dennoch daraus ergeben. Grundsätzlich bietet sich nämlich bei der Absprache ein Vergleich mit der bereits besprochenen Problematik der Zuordnung von Verträgen zwischen Staat und Bürger an. Absprache und Vertrag sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich, so dass es kaum gerechtfertigt erscheint, unterschiedliche Kriterien für die rechtliche Zuordnung aufzustellen217. Die Unterschiede, die sich hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit beider Handlungsformen ergeben, rechtfertigen eine Ungleichbehandlung grundsätzlich nicht. Daher ist auch bei Absprachen letztlich nach ihrem Bezug auf Normen des öffentlichen Rechts zu entscheiden218. Auf der Grundlage der Gegenstandstheorie219 ist hierfür ähnlich wie bei Verträgen der Gegenstand der Absprache maßgeblich220. Dieser wiederum ist aus dem Inhalt der Absprache unter Berücksichtigung aller Umstände und Indizien zu ermitteln221. An diesem Punkt gewinnt die Frage, was für die ersetzte Handlung gegolten hätte, dann doch eine gewisse Bedeutung. Dient nämlich bei216 Vgl. Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 11, Rz. 38; Schnapp, DÖV 1986, 811, 819. 217 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 121; Hinsichtlich des Rechtsbindungswillens: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 56. 218 Scherer, DÖV 1991, 1, 3. 219 Zur Gegenstandstheorie hinsichtlich von Verträgen: GmS-OGB, BVerwGE 74, 368, 370 = BGHZ 97, 312, 314; BVerwGE 22, 138, 140 f.; 25, 299, 301; 42, 331, 332; BGHZ 32, 214, 216; 35, 69, 71; 54, 287, 291; 56, 365, 368; Bonk in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 76. 220 Vgl. BVerwGE 22, 138, 140; 30, 65, 67; 43, 359, 261.

D. Die Vereinbarung – eine Rechtsnorm?

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spielsweise eine Absprache etwa dazu, eine öffentlich-rechtliche Norm zu ersetzen, so ist ihr Bezugspunkt ein Gegenstand des öffentlichen Rechts und somit sie selbst öffentlich-rechtlich. In Zweifelsfällen wird wiederum eine Zuordnung nach dem Schwerpunkt der Abspracheelemente222 (Gesamtcharakter) vorgeschlagen. Gangbarer Weg wäre jedoch auch, wiederum entsprechend den Ausführungen zum Vertrag, eine Absprache schon dann öffentlich-rechtlich einzuordnen, wenn mindestens ein inhaltlicher Bestandteil dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist223.

D. Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA – eine Rechtsnorm? Wie eingangs bereits ausgeführt, ist der Frage nachzugehen, welche Handlungsform der Vereinbarung vom 08. November 2001 zugrunde lag. Dabei ist die Tatsache von Interesse, dass die Vereinbarung Teile eines Gesetzes, nämlich des Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetzes als Änderungsgesetz zum SGB V, überflüssig machen sollte. Daher könnte zunächst angenommen werden, dass dieser Umstand die Rechtsqualität der Vereinbarung dahingehend beeinflusst, dass sich diese im Ergebnis selbst als Rechtsnorm darstellt. Rechtsnormen sind allgemein gesprochen abstrakt-generelle Regelungen, die Rechte und Pflichten für den Bürger oder sonstige selbständige Rechtspersonen begründen, aufheben oder ändern. In vorliegendem Zusammenhang wäre insbesondere die Qualifikation als formelles Gesetz, als Satzung oder aber als Rechtsverordnung zu diskutieren. Unter formellem Gesetz ist grundsätzlich jeder im verfassungsmäßig vorgesehenen Verfahren zustande gekommene Willensakt der Gesetzgebungsorgane ohne Rücksicht auf den Inhalt zu verstehen224. Unabhängig von der Tatsache, dass durch die Vereinbarung gerade eine gesetzliche Regelung vermieden werden sollte, kann es sich bereits aus dem Grunde nicht um ein formelles Gesetz handeln, da allein die Bundesregierung auf Seiten des Staates gehandelt hat. Diese ist jedoch für sich genommen nicht der Gesetzgeber. Zudem wurde die

221 Siehe auch: GmS-OGB, NJW 1986, 2359; BGH, NJW 1992, 1561, 1562; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 113; Bull, AllgVerwR, 6. Aufl. 2000, S. 293; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 364 ff.; Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626; Achterberg, JA 1979, 356, 358. 222 Vgl. BVerwGE 22, 138, 140; Scherer, DÖV 1991, 1, 3. 223 Vgl. oben: C. II. „Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Verträgen“. 224 BVerfGE 18, 389, 391; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 16; Rz. 25.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Vereinbarung nicht im Verfahren gemäß Art. 70 ff. GG durchgeführt. Ein Gesetz im formellen Sinne liegt daher nicht vor. Rechtsverordnungen sind abgeleitete Rechtsquellen. Sie sind von Regierungs-225 und Verwaltungsorganen aufgrund formalgesetzlicher Ermächtigung erlassene abstrakt-generelle Regelungen, aus denen allgemeinverbindliches Recht fließt226. Auch die Bundesregierung kann grundsätzlich zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt werden, wie die erschöpfende Aufzählung227 der Ermächtigungsadressaten in Art. 80 Abs. 1 GG zeigt. Problematisch ist im konkreten Fall zunächst die Tatsache, dass von der Vereinbarung nicht sämtliche Pharmaunternehmen, sondern nur die im VFA zusammengeschlossenen Hersteller betroffen waren. Allerdings ist es für eine Qualifizierung als Rechtsverordnung auch nicht erforderlich, dass diese die Gesamtheit der Bürger betrifft. Es genügt vielmehr, dass sie eine nach abstrakten Merkmalen bestimmbare Gruppe umfasst228. Unabhängig vom Vorliegen dieses Merkmals muss die zu untersuchende Handlungsform jedoch auch Regelungscharakter besitzen229. Unter Regelung ist allgemein eine rechtsverbindliche Anordnung zu verstehen, die auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist230. Daran fehlt es vorliegend. VFA und Bundesregierung haben die Verpflichtung der Pharmaindustrie zur Zahlung von 400 Mio. DM auf dem Verhandlungswege erzielt, ohne dass es einer einseitigen Anordnung bedurfte. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass durch Art. 2 AABG Regelungen hinsichtlich des Solidarbeitrags getroffen wurden. Diese Vorschriften nämlich beziehen sich allein auf die Abwicklung des Abkommens, nicht aber auf dessen materiellen Inhalt. Dieser ist ausschließlich als Ergebnis eines Verhandlungsvorgangs anzusehen. Rechtsnormen in vertragsähnlicher Form aber sind von der Rechtsordnung mit Ausnahme von Staatsverträgen nicht vorgesehen231. Unter dem Begriff der Satzung schließlich sind alldiejenigen Rechtsvorschriften zu verstehen, die von den in den Staat integrierten juristischen Verbänden des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihnen verliehenen Rechtsetzungsbefugnis (Satzungsautonomie) erlassen werden232. Grundsätzlich müssen Satzungen und die sie voraussetzende Satzungsautonomie von den Geschäftsordnungen 225

Vgl. Art. 80 Abs. 1 GG. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 346; v. Mutius, Jura 1979, 111. 227 BVerfGE 8, 163; 11, 77; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 80, VII, Rz. 38. 228 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 80, VII, Rz. 15. 229 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 200. 230 BVerwGE 76, 268; OVG Lüneburg, NVwZ 82, 385; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 35, Rz. 22; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 190. 231 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 226

E. Die Vereinbarung als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG?

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bzw. der Geschäftsordnungsautonomie staatlicher Organe unterschieden werden. Die Satzung unterscheidet sich vom formellen Gesetz in der Weise, dass sie nicht vom Staat (Gesetzgeber, Exekutivorgan etc.), sondern von rechtlich selbständigen, wenn auch dem Staat eingegliederten Organisationen stammt233. Abgesehen von prinzipiellen Zweifeln, inwiefern der Bundesregierung als Teil des Staatsapparats hier überhaupt die erforderliche Satzungsautonomie zukam, muss auch die Annahme einer Satzung bereits aufgrund des konsensualen Charakters der getroffenen inhaltlichen Entscheidung (im Hinblick auf die Art und Weise ihres Zustandekommens) zwangsläufig ausscheiden. Im Ergebnis handelt es sich bei der Vereinbarung vom 08. November 2001 nicht um eine Rechtsnorm im vorgenannten Sinne.

E. Die Vereinbarung als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG? Möglicherweise könnte sich die Vereinbarung vom 08.11.2001 entgegen ihres äußeren Erscheinungsbildes im Ergebnis aber als Verwaltungsakt darstellen. Grundsätzlich nimmt dieser im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichem Handeln als klassische Grundfigur nach wie vor eine zentrale Stellung ein234. Er ist für die öffentliche Verwaltung gleichermaßen typisch, wie häufig235. Zunächst soll daher (unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Vorgängen vom 08.11.2001 überhaupt um Verwaltungshandeln im eigentlichen Sinne gehandelt haben kann) kurz auf die Handlungsform des Verwaltungsakts im allgemeinen eingegangen werden, ohne dabei jedoch ins Detail zu gehen.

I. Materiell-rechtliche Funktionen und Bedeutung des VA Der Begriff des Verwaltungsakts hat neben materiell-rechtlichen Aspekten erhebliche Bedeutung in den Bereichen des Verwaltungsverfahrensrechts, des Verwaltungsvollstreckungsrechts sowie des Verwaltungsprozessrechts236. Materiellrechtlich gesehen stellt der Verwaltungsakt in Konkretisierung und Vollzug generell-abstrakter Rechtsnormen die Rechtslage im Einzelfall verbindlich fest237 232 BVerfGE 10, 20, 49; 33, 125, 156; Ossenbühl in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 6, Rz. 60. 233 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 16; Rz. 63; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 71. 234 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 12, Rz. 2. 235 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 45, Rz. 1. 236 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 25 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 212 ff.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

(Individualisierungs-, Stabilisierungs- und Klarstellungsfunktion). Weist der Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt auf, so ist er gemäß den Vorschriften des jeweils einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ohne Hinzutreten einer gerichtlichen Entscheidung vollstreckbar (sog. Titelfunktion)238. Bedingt durch den Umstand, dass durch den Verwaltungsakt Rechte und Pflichten eindeutig bestimmt, abgegrenzt und somit klargestellt werden, trägt er in erheblicher Weise dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Rechtssicherheit im Verhältnis des Bürgers zum Staat Rechnung239. Nach materiellem Recht ist dabei die Frage zu beurteilen, ob die Rechtslage im Einzelfall durch den Verwaltungsakt konstitutiv gestaltet oder lediglich klarstellend wiedergegeben wird. In jedem Falle jedoch gehen vom Verwaltungsakt gewisse Bindungswirkungen240 aus, die im Einzelfall sowohl gegenüber der erlassenden Behörde, als auch gegenüber anderen Behörden und Gerichten bestehen können.

II. Merkmale des Verwaltungsakts Gemäß der Legaldefinition in § 35 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.“ Etwas knapper formuliert kann im Ergebnis unter Verwaltungsakt jede hoheitliche Regelung eines Einzelfalls durch eine Verwaltungsbehörde mit unmittelbarer Außenwirkung verstanden werden241. Als Behörde gilt gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Frage nach der Behördeneigenschaft der Akteure muss vorliegend jedoch dann nicht beantwortet werden, wenn bereits aus anderen Gründen eine Qualifizierung als Verwaltungsakt ausscheidet. Seitens der Bundesregierung müsste es sich nämlich bei den Vorgängen am 08.11.2001 um eine Maßnahme242 im Sinne der Definition gehandelt haben. 237 BVerwG, NVwZ 1988, 941; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35, Rz. 6; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 26; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 214. 238 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35, Rz. 7; Ossenbühl, JuS 1979, 681, 683 f. 239 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 26. 240 Vgl. zur Tatbestands- und Feststellungswirkung: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 30 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 45, Rz. 9. 241 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 189. 242 Vgl. zum Problem der Regierungsakte: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 1, Rz. 19; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 45, Rz. 32 ff.

E. Die Vereinbarung als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG?

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Unter Maßnahme ist in diesem Zusammenhang jedes zweckgerichtete Verhalten zu verstehen, dass (zunächst ganz allgemein) natürlichen oder juristischen Personen bzw. deren Untergliederungen zurechenbar ist243. Fraglich dabei ist, ob der Begriff der Maßnahme zugleich impliziert, dass diese im Über-Unterordnungsverhältnis (des Staates zum Bürger) stattfindet244. Jedenfalls muss die Maßnahme getroffen werden, um einen Einzelfall zu regeln245. Dieses Merkmal hingegen erfordert unzweifelhaft das Vorliegen eines Über-Unterordnungsverhältnisses, wird doch unter Regelung die einseitig angeordnete, verbindliche, rechtsfolgenbegründende, hoheitliche Ordnung eines Lebenssachverhaltes verstanden246. Daran fehlt es jedoch wiederum247. Das erzielte Ergebnis, die Zahlung von 400 Mio. DM wurde durch Verhandlungen, nicht aber durch einseitige staatliche Anordnung erzielt. Seitens des VFA wurde nicht nur die Höhe der Solidarzahlung festgelegt. Vielmehr verfügte er über einen von jeglicher staatlicher Beeinflussung vollkommen unabhängigen Handlungs- und Verhandlungsspielraum hinsichtlich des Ob und teilweise auch des Wie der Zahlung248. Zwar können grundsätzlich auch Verwaltungsakte ausgehandelt werden (wobei dann zumeist der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vorausgeht). Doch auch in derartigen Fällen handelt es sich immer noch um eine einseitige Maßnahme seitens der Behörde gegenüber dem Bürger. Vorliegend jedoch beruht die Zahlung seitens der VFA-Unternehmen allein und ausschließlich auf dem Konsens zwischen Bundesregierung und VFA, nicht aber auf einseitiger Anordnung. Beide Parteien hatten gleichermaßen Einfluss auf die Wirksamkeit des beabsichtigten Ergebnisses, das somit auf deren übereinstimmenden Willen beruhte. Seitens der Bundesregierung wurde daher keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls iSd. § 35 S. 1 VwVfG getroffen. Im Ergebnis hat die Bundesregierung am 08.11.2001 nicht durch Verwaltungsakt gehandelt.

243

Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 12, Rz. 11. Vgl. Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 35, Rz. 9. 245 Hierdurch unterscheidet sich der Verwaltungs- vom Realakt; Vgl. v. Mutius, Jura 1979, 55, 56. 246 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 45, Rz. 43; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 12, Rz. 36; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 190. 247 Vgl. dazu oben: D. „Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA in der Form einer Rechtsnorm?“. 248 Zur Problematik des Art. 2 AABG vgl. wiederum oben: D. „Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA in der Form einer Rechtsnorm?“. 244

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

F. Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 SGB X? Die Tatsache, dass die Zahlung von 400 Mio. DM seitens der VFA-Unternehmen nicht auf einseitiger staatlicher Anordnung, sondern vielmehr auf einem Konsens der Beteiligten beruhte und sich somit in jeder Beziehung als Ergebnis eines Aushandlungsprozesses darstellt, legt zunächst die Vermutung nahe, dass zwischen Bundesregierung und VFA ein Vertrag geschlossen wurde. Damit ist kein Vertrag im Sinne des § 131 Abs. 1 SGB V gemeint. Nach dieser Vorschrift können die Spitzenverbände der Krankenkassen und die jeweiligen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmen auf Bundesebene einen Vertrag über die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung schließen. Derartige Rahmenverträge können sich gemäß § 131 Abs. 2 SGB V ausschließlich auf die Bestimmung bestimmter Packungsgrößen und -ausstattungen (Nr. 1) beziehen sowie auf Maßnahmen zur Erleichterung der Erfassung und Auswertung verschiedener Daten im Zusammenhang mit der Verschreibung und dem Konsum von Arzneimitteln. Die Vereinbarung einer Solidarzahlung hingegen ist von § 131 SGB V nicht vorgesehen. In Betracht zu ziehen ist vielmehr der Abschluss eines (einfachen) öffentlichrechtlichen Vertrags. Fraglich ist dabei zunächst, ob dafür § 53 SGB X oder § 54 VwVfG einschlägig ist, wobei sich § 53 SGB X als die speziellere Vorschrift darstellt. Auch das Sozialverfahrensrecht erkennt nämlich den Vertrag als mögliche Handlungsform an, schränkt seine Zulässigkeit jedoch zumindest hinsichtlich Sozialleistungen stark ein (vgl. § 53 Abs. 2 SGB X)249. Die Notwendigkeit der Zuordnung zu den vorgenannten Vorschriften ergibt sich aus dem Umstand, dass die Zahlung seitens der VFA-Unternehmen die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung berührt und eine Änderung des SGB V durch das AABG vorweggenommen werden sollte. Ein sozialrechtlicher Bezug ist somit jedenfalls nicht zu leugnen. Die Vorschriften der §§ 53 ff. SGB X gelten jedoch nur im Rahmen des § 1 Abs. 1 SGB X. Dies bedeutet, dass es sich um öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB handeln muss250. Diese Eingrenzung schließt sowohl eine gesetzgebende, als auch rechtsprechende Tätigkeit aus251. Daher müsste bei den Vorgängen vom 08.11.2001 ein Bezug zum Sozialleistungsrecht im engeren Sinne bestehen, mithin müssten diese sich in irgendeiner Form als Sozialverwaltungsverfahren darstellen (vgl. § 8 SGB X). Die Bundesregierung hat jedoch (unabhängig von ei249 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 8; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 58; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 306 ff. 250 Von Wulfen/Engelmann, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 53, Rz. 6. 251 Von Wulfen/Roos, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 1, Rz. 5.

G. Öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG?

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ner möglichen Behördeneigenschaft derselben im Sinne des SGB) gerade keine Verwaltungstätigkeit nach dem SGB ausgeübt, sondern versucht, spätere gesetzliche Vorschriften zu vermeiden. Dies ist zwar noch nicht als gesetzgeberische Tätigkeit zu bewerten – als Verwaltungstätigkeit iSd. § 1 Abs. 1 SGB X jedoch ebenso nicht. Dass die VFA-Unternehmen der GKV einen Solidarbeitrag zur Verfügung stellen, stellt sich nämlich weder als originäre Finanzierung der GKV seitens der Unternehmen, noch als Leistungsbeziehung iSd. des SGB dar. Die erforderliche Sachnähe zum Sozialleistungsrecht im Sinne von § 53 SGB X iVm. § 1 Abs. 1 SGB X ist somit nicht gegeben. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gem. § 53 SGB X scheidet im Ergebnis daher aus. Es verbleibt daher zunächst der Rückgriff auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 54 VwVfG.

G. Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG? I. Begriff Gemäß § 54 S 1. VwVfG kann „ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts [.] durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag)“. Die Vorschrift trifft damit eine Aussage darüber, in welchen Fällen sich der Staat zunächst grundsätzlich der besonderen Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrags mit der Folge der Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG252 bedienen kann. Zur Frage, wann überhaupt ein Vertrag vorliegt und wie dieser als solcher zu qualifizieren ist, bleibt dagegen nur der Rückgriff auf allgemeine Regeln. Danach ist ein Vertrag die von mindestens zwei Personen erklärte Willensübereinstimmung über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolges253. Die Willenserklärungen müssen dabei von einem Erklärungsbewusstsein getragen sein und einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen254. Von anderen Verträgen unterscheidet sich der öffentlich-rechtliche Vertrag durch seinen Gegenstand, der ausschließ252 Zur Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge allgemein vgl.: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 18 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 25 ff.; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 26, Rz. 1 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 272 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 380 ff.; ders., Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 33; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 256; Corell, DÖV 1998, 363 (Kompetenzen). 253 Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Einf v § 145, Rz. 1; Bonk in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 28 ff.; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 16; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 362; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1112.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

lich dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist255, wobei sich aus den §§ 1 und 9 VwVfG das Erfordernis der Beteiligung mindestens einer Behörde ergibt. Verträge, die ein verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben und somit diesbezügliche Rechte oder Pflichten begründen, ändern oder aufheben256, werden als verwaltungsrechtliche Verträge bezeichnet und bilden einen Unterfall des öffentlich-rechtlichen Vertrages257.

II. Entwicklung Während die Frage der Existenz und Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge heute kaum mehr Zweifel hervorruft, so herrschte doch zunächst strikte Ablehnung258. Diese beruhte vornehmlich auf den Lehren Otto Mayers, dem Vater des modernen Verwaltungsrechts. Seiner These zufolge waren Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts deshalb nicht möglich, weil der Vertrag die Gleichordnung der Rechtssubjekte voraussetzt, Wesensmerkmal des öffentlichen Rechts dagegen die Überordnung sei259. Bereits um 1900 jedoch war der Vertrag fast einhellig anerkannt260, wenngleich auch nach wie vor eine kontroverse Diskussion stattfand261. Schließlich wurden verstärkte Anstrengungen unternommen, den öffentlich-rechtlichen Vertrag einer abschließenden Kodifikation zuzuführen. Frühes Beispiel dafür ist der Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg aus dem Jahre 1931, dessen Art. 47 dem heutigen § 54 VwVfG entspricht. Nach 1949 gewann die Entwicklung zunehmend an Dynamik. Dies wurde nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass nunmehr auch die Rechtsprechung die Notwendigkeit der Anerkennung des Vertrags erkannte und ihn schließlich als zulässig erachtete262. Diese Entwicklung endete mit der positiv-rechtlichen Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrags durch den Gesetzgeber im Jahre 1976. Nicht zuletzt durch die damit verbundene ausdrück254 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 18; Bonk in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 29; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Einf v § 145, Rz. 2. 255 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21; Rz. 227; Vgl. oben: C. II. „Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen“. 256 Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 15. 257 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 21; Rz. 232; Maurer, DVBl 1989, 798. 258 Vgl. hierzu insbesondere auch: Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 17; Mayer, AöR 3 (1888), 3 ff. 259 Mayer, AöR 3 (1888), 3, 42. 260 Vgl. Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 20; Stern, VerwArch 49 (1958), 106, 114 mwN. 261 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 14. 262 Vgl. BVerwGE 23, 213.

G. Öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG?

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liche Anerkennung des Vertrags in den §§ 54 ff. VwVfG und die Beantwortung einer Reihe von Streitfragen hat der öffentlich-rechtliche Vertrag seitdem eine erhebliche Aufwertung erfahren263.

III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag in der Praxis Nach anfänglichen Vorbehalten rückt der öffentlich-rechtliche Vertrag zunehmend in den vielfältigsten Rechtsgebieten ins Bewusstsein264, da man erkannte, dass er sich zur Lösung auch komplexer Problemlagen bewährt265. Dies resultiert nicht zuletzt auch aus dem Umstand, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag grundsätzlich eine erheblich flexiblere Verwaltungstätigkeit gestattet, mit der auch atypischen Problemkonstellationen im erforderlichen Maße begegnet werden kann266. Seine Verwendung gibt dabei der Verwaltung zunächst die grundsätzliche Möglichkeit, ihre „Agenden auszuweiten und in den Bereich privaten Handelns und Wirtschaftens vorzustoßen“267. Zugleich entspricht er den Vorstellungen einer modernen, rechtsstaatlichen und demokratischen Verwaltung268, da mit seiner Hilfe ein hohes Maß der Partizipation des Bürgers an staatlichen Entscheidungen ermöglicht wird. Allerdings wird nach wie vor der Verwendung des öffentlich-rechtlichen Vertrags erhebliche Skepsis entgegengebracht. Auch hinsichtlich seiner tatsächlichen Verbreitung als Instrument der Verwaltung herrscht demzufolge weitgehende Uneinigkeit. Während einerseits eine weite Verbreitung des Vertrags erkannt wird269, besteht nach anderer Auffassung noch immer eine erhebliche Zurückhaltung270 hinsichtlich seiner Verwendung. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte zu suchen sein. Tatsache ist jedenfalls, dass sich der öffentlich-rechtliche Vertrag trotz aller vorgebrachten Bedenken mittlerweile etabliert hat und als verwaltungsrechtliches Handlungsinstrument kaum mehr wegzudenken ist. Erhebliche Bedeutung kommt ihm dabei in den Bereichen des Baurechts, des Umweltverwaltungsrechts sowie des Wirtschaftsverwaltungsrechts zu. Im Bereich des Sozialrechts dagegen sind Verträge äußerst selten (vgl. § 53 Abs. 2 SGB X). 263

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 357. Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 14 ff.; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 251. 265 Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 252; Maurer, DVBl 1989, 798, 805. 266 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 12; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 378 ff. 267 Lecheler, BayVBl 1992, 545, 546. 268 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 378. 269 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 15; Lecheler, BayVBl 1992, 545. 270 Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 28 ff. 264

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

IV. Formen öffentlich-rechtlicher Verträge Ein Einheitstypus öffentlich-rechtlicher Verträge liegt dem Verwaltungsrecht nicht zugrunde271. Das VwVfG sowie die Verfahrensgesetze der Länder gehen zunächst von einer Unterscheidung zwischen koordinationsrechtlichen und subordinationsrechtlichen Verträgen aus. Stehen sich die Vertragsparteien auch außerhalb des konkreten Vertragsverhältnisses im Verhältnis der Gleichordnung gegenüber, so liegt ein koordinationsrechtlicher Vertrag vor272. Er betrifft daher solche Rechtsbeziehungen, denen eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich ist273. Für das Vorliegen eines koordinationsrechtlichen Vertrags ist hingegen keine Voraussetzung, dass sich als Vertragspartner zwei Hoheitsträger gegenüberstehen274. Subordinationsrechtliche Verträge dagegen werden durch das Merkmal der Subordination bestimmt275. Sie kommen demzufolge zwischen Parteien zustande, die sich außerhalb des konkreten Vertragsverhältnisses im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen. Jedenfalls im Bereich der öffentlichen Abgaben ist daher der Schluss zwingend, dass nur subordinationsrechtliche Verträge in Betracht kommen können276, wobei die Verwendung der Vertragsform hier ohnehin nur in einem äußerst engen Bereich zulässig ist. Eine weitere Differenzierung ergibt sich aus dem Inhalt und damit dem Charakter des jeweiligen Vertrags. So kann zwischen Vergleichs- und Austauschverträgen unterschieden werden (vgl. §§ 55 f. VwVfG)277. Abschließend ist diese Unterteilung allerdings nicht278. Subordinationsrechtliche Verträge sind zumeist verpflichtender Natur (Verpflichtungsverträge)279. Denkbar und – nach zwar bestrittener, aber überzeugender Ansicht – auch zulässig ist jedoch auch die Form eines Verfügungsvertrags, durch den die handelnde Behörde eine bereits eingegangene Verpflichtung erfüllt280. Auch Mischformen sind grundsätzlich möglich.

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Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 18. Vgl. Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 6. 273 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 368. 274 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 47; AA. wohl: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 387; Scherzberg, JuS 1992, 205, 208. 275 Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 15. 276 Allesch, DÖV 1988, 103, 105. 277 Vgl. dazu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 51; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 368 ff.; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 12. 278 Zu weiteren Systematisierungen: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 6 ff. 279 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 25, Rz. 2. 272

G. Öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 VwVfG?

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V. Die Merkmale öffentlich-rechtlicher Verträge im Einzelnen Im Rahmen der rechtlichen Qualifikation der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA ist fraglich, inwiefern überhaupt von einer vertraglichen Bindung gesprochen werden darf. Einer abschließenden Festlegung, ob von der prinzipiell bestehenden Möglichkeit des Abschlusses eines privatrechtlichen Vertrags Gebrauch gemacht wurde281, bedarf es daher an dieser Stelle nicht. Somit ist aber auch die Frage, in welcher Eigenschaft die Bundesregierung am 08.11.2001 gehandelt hat282, vorerst nicht von Bedeutung. Wie bereits erläutert, setzt die Qualifikation als Vertrag die Einigung von mindestens zwei Rechtssubjekten voraus, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist. Ein Vertrag kommt jedoch nur dann zustande, wenn beide Parteien mit Vertragswillen handeln, also dem Willen, einen Vertrag abschließen zu wollen283. Vergleichbar mit der zivilrechtlichen Problematik der Abgrenzung vertraglich bindender Verpflichtungen von reinen Gefälligkeitshandlungen284 ist somit das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens entscheidend285. Ob ein derartiger Wille bei den Handelnden vorhanden ist, richtet sich grundsätzlich nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren Willen des Erklärenden. Vielmehr ist dies anhand eines Indizienbündels aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu beurteilen286. Dabei ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage zu ermitteln, ob bei vernünftiger Würdigung im Wege der Auslegung ein rechtlicher Bindungswille anzunehmen ist287. Bestimmende Faktoren können insbesondere sein: Art, Grund und Zweck einer 280 BVerwG, NVwZ 1986, 554; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 27 mwN.; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 25, Rz. 2; Gegen die Anerkennung von Verfügungsverträgen: Obermayer, BayVBl 1977, 546, 547; Vgl. dazu auch: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 15. 281 Dazu oben: A. III. „Privatrechtliche Handlungsformen“ sowie C. IV. „Grenzen bei der Wahl zwischen privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen?“. 282 Von der Beantwortung dieser Frage hängt letztlich die Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG ab. Vgl. diesbezüglich § 1 VwVfG: „Verwaltungstätigkeit“. 283 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 30; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 14. 284 Vgl. dazu: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 22, Rz. 36 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 78 f. 285 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 18; Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626. 286 BGHZ 21, 102, 106; 56, 204, 210; Scherer, DÖV 1991, 1, 3; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 936; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1112. 287 BGHZ 21, 102, 106; 88, 373, 382; BGH, NJW 1995, 3389; BGH, NJW 1996, 1889; MünchKomm-Kramer, BGB, Band 2, 4. Aufl. 2001, Einl., Rz. 31; Palandt-

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Vereinbarung, die Umstände ihres Zustandekommens, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung sowie die dabei bestehende Interessenlage der Parteien288. Dagegen kann der Umstand, dass die jeweilige Behörde unter Umständen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise oder gar unter Überschreitung ihres Handlungsrahmens tätig geworden ist, nicht von vornherein gegen einen Rechtsbindungswillen sprechen289. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Behörde zunächst positive Kenntnis von der Überschreitung der ihr eingeräumten Kompetenzen haben müsste. Aus der daraus resultierenden Rechtswidrigkeit der gewählten Handlungsform dann auf eine andere, in den meisten Fällen wohl ebenfalls rechtswidrige Form zu schließen, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG und dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes allerdings kaum mehr haltbar. Zuzusprechen ist diesem Umstand im besten Falle eine schwache Indizwirkung. Nur bei Vorliegen einer echten Alternativität von zur Verfügung stehenden Handlungsformen kann sich diese Wirkung verstärken. Hat die Behörde jedoch gar keine Kenntnis von der Überschreitung ihres Handlungsrahmens, so spricht von vornherein nichts gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens. Die Behörde will in diesem Fall ohne Einschränkung durch Vertrag handeln. Dieser innere Wille stimmt dann vollumfänglich mit dem Erklärten überein. Dass der Vertrag unter Umständen rechtswidrig ist, ändert daran nichts. Andernfalls bedürfte es beispielsweise auch der Regelung des § 59 VwVfG nicht. Fraglich ist nun aber, ob die Parteien am 08.11.2001 mit einem entsprechenden Bindungswillen gehandelt haben. Anhaltspunkte und Maßstäbe hierfür lassen sich anhand vergangener Beispiele kaum finden, da es bis zum „Energiekonsens“ (hinsichtlich des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie) vom 14.06.2000 an vergleichbaren Präzedenzfällen jedenfalls in dieser Dimension gefehlt hat290. Auch den öffentlichen Verlautbarungen und Presseerklärungen lassen sich keine weiteren Anhaltspunkte entnehmen291. Für die Seite des VFA kann allerdings schon aufgrund der Brisanz der Einführung von Rabattregelungen grundsätzlich auf das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens geschlossen werden292. Hinsichtlich der Bundesregierung ergeben sich hingegen einige Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Einl v § 241, Rz. 7; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 22, Rz. 39. 288 MünchKomm-Kramer, BGB, Band 2, 4. Aufl. 2001, Einl., Rz. 31. 289 So aber: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 79; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 936. 290 Vgl. Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Vgl. aber auch Kapitel 4. E. II.: „Tatsächliche Bedeutung: Beispiele aus der bisherigen Praxis“. 291 Vgl. dazu insbesondere auch: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (BT-Drucks. 14/8438) der Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU; BTDrucks. 14/8685. 292 Insofern zweideutig die Auffassung des VFA in der Presseerklärung 29/2002 vom 02.11.2002, in der hinsichtlich der Vorgänge vom November 2001 zwar einer-

H. Die Vereinbarung als Zusage?

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Zweifel. Für die Annahme eines Bindungswillens spricht der Umstand, dass für die Bundesregierung die Bedeutung der geplanten gesetzlichen Regelung im Rahmen des AABG für die Beteiligten evident erkennbar war. Für den Verzicht auf eine dadurch ausgelöste Kostensenkung für bestimmte Arzneimittel in den Jahren 2002 und 2003 ließ sie sich im Gegenzug 400 Mio. DM zugunsten der GKV versprechen. Dass dies seitens des VFA mehr als eine bloße Gefälligkeit darstellte, musste an sich auch den auf Seiten der Bundesregierung Handelnden bewusst sein. Die Bedeutung der Absprache im Rahmen des Konsolidierungskonzepts zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Regelungsverzichts, aber auch die Höhe der zu leistenden Solidarzahlung sprechen daher zunächst für die Annahme eines Bindungswillens seitens der Bundesregierung. Dagegen spricht jedoch in erheblichem Maße folgender Umstand: Würde sich die Bundesregierung verbindlich hinsichtlich der Preisgestaltung von Arzneimitteln erklären, so wäre es ihr wohl nur schwer möglich, zusätzliche Maßnahmen für den Fall zu ergreifen, in dem die GKV in ernsthafte Finanzierungsengpässe geraten würde. Angesichts der sich zu diesem Zeitpunkt schon längst verschärfenden Schieflage der GKV-Finanzen, muss eine derartige Vorfestlegung schon unter objektiven Gesichtspunkten als unwahrscheinlich gelten, da sich die Bundesregierung andernfalls eines gewissen Teils ihrer Handlungsfähigkeit berauben würde. Hinzu kommt der Umstand, dass eine Bindung der Bundesregierung hinsichtlich eines Gesetzgebungsverzichts auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erhebliche Zweifel birgt293. Die sich daraus ergebende Indizwirkung gegen einen Rechtsbindungswillen der Bundesregierung ist zwar aufgrund der bereits vorgebrachten Bedenken äußerst schwach ausgeprägt, dennoch kann im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Bundesregierung verbindlich auf einen Verzicht jeglicher Maßnahmen der Preisgestaltung festlegen wollte. Im Zusammenhang gesehen überwiegen die letztgenannten Umstände die Indizien, die für einen Bindungswillen sprechen würden. Mangels Vorliegens eines Rechtsbindungswillens seitens der Bundesregierung liegt im Ergebnis auch kein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß § 54 VwVfG vor.

H. Die Vereinbarung als Zusage? Bei dem Treffen am 08.11.2001 hat die Bundesregierung (im wörtlichen Sinne) zugesagt, Rabattregelungen zu Lasten der pharmazeutischen Industrie seits von einer verbindlichen Zusage seitens der Bundesregierung ausgegangen wird, andererseits aber vor dem Hintergrund des drohenden Erlasses des BSSichG lediglich von Wortbruch gesprochen wird. 293 Vgl. dazu Kapitel 6: E. II. „Unzulässige Vorwegbindung des Gesetzgebers?“.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

nicht mit in den Entwurf des AABG aufzunehmen. Fraglich ist daher, ob sich dieses Versprechen nicht als Zusage im verwaltungsrechtlichen Sinne interpretieren ließe. Unter Zusage wird allgemein eine im ungeschriebenen Verwaltungsrecht wurzelnde Selbstverpflichtung der Verwaltung zu einem späteren öffentlich-rechtlichen Tun oder Unterlassen verstanden294. Zu unterscheiden ist die Zusage von der Zusicherung. Letztere ist ein gesetzlich geregelter Fall der Zusage und bezieht sich auf den Erlass oder Nichterlass eines Verwaltungsakts (vgl. § 38 Abs. 1 VwVfG). Die Zusage ist dem Vertrag sehr ähnlich. Ein Leistungsversprechen mittels Zusage kann einem vertraglichen Versprechen im Einzelfall weitgehend gleichen295. Die Zusage bleibt jedoch in jedem Falle einseitig. Ausschlaggebend ist daher, ob bei objektiver Betrachtungsweise die Behörde einseitig ein bestimmtes Verhalten zusagen wollte296. Dies bedeutet, dass sie mit entsprechendem Bindungswillen gehandelt haben muss297. Ein solcher Rechtsbindungswille liegt jedoch, unabhängig von der konkret gewählten Handlungsart nicht vor, wie sich schon im Rahmen der Erörterung des öffentlich-rechtlichen Vertrags gezeigt hat. Im Ergebnis liegt daher bereits mangels Rechtsbindungswillens seitens der Bundesregierung keine Zusage im vorgenannten Sinne vor.

K. Die Vereinbarung als informelle Absprache? Fehlt nach Auswertung der vorliegenden Indizien der vertragstypische Rechtsbindungswille, so kommt aber möglicherweise298 das Vorliegen einer informellen Absprache in Betracht299. Während zuvor auf die Absprache als Form des konsensualen sowie informellen Verwaltungshandelns bereits kurz eingegangen wurde300, sollen an dieser Stelle zunächst Begriff, Merkmale und Eigenschaften der Absprache einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 294 Vgl. BVerwGE 26, 31, 36; 97, 323, 327; BSG, NVwZ 1994, 830; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 225; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 53, Rz. 8. 295 Vgl. BVerwGE 49, 359, 362. 296 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 47; v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 176. 297 Vgl. für Planfeststellungsbeschluss: Brandt, Umsetzung von Ergebnissen informeller Aushandlungen in formelle Entscheidungen in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.): Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 247. 298 Zu den rechtlichen Voraussetzungen und Folgen informeller Absprachen sogleich. Vgl. hierzu insbesondere auch die Ausführungen im Rahmen des 4. Kapitels. 299 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 362; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195.

K. Die Vereinbarung als informelle Absprache?

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I. Die informelle Absprache als Form öffentlich-rechtlichen Handelns 1. Begriff Informelle Absprachen existieren, wie bereits dargelegt, in allen Rechtsgebieten301. Sie sind dem Bereich des informellen302 (auch informalen303) Staatshandelns zuzuordnen. Ob informelle Absprachen dabei einen Typus des Realakts304 darstellen oder vielmehr eine eigene Kategorie bilden, wird in der Literatur wie gesehen noch immer nicht einheitlich beantwortet305. Teilweise sind Absprachen auch gesetzlich normiert (vgl. dazu § 2 Abs. 2 9. BImSchV; § 71e VwVfG306). Unter den hier interessierenden Typus der informellen Absprache fallen diese dann jedoch nicht mehr. Oft erklären sich auch einzelne Unternehmen oder Wirtschaftsverbände öffentlich oder gegenüber dem zuständigen Fachminister in Form eines (staatlich inspirierten) Selbstbeschränkungsabkommens307 zu einem im Allgemeininteresse liegenden Verhalten bereit, in der gleichzeitigen Erwartung, dass der Staat daraufhin bestimmte gesetzgeberische Vorhaben unterlässt oder im Sinne der beteiligten Unternehmen durchführt. Bei Absprachen im (hier interessierenden) eigentlichen Sinne handelt es sich dagegen um vertikale Absprachen. Darunter sind diejenigen Absprachen zu verstehen, die nicht zwischen gleichgeordneten Rechtssubjekten geschlossen werden, sondern solchen, die sich außerhalb der Absprache im Verhältnis der Über-Unterordnung befinden308. 300 Vgl. dazu oben: A. I. 5. „Informelles Verwaltungshandeln“ und 6. „Erscheinungsformen informellen Verwaltungshandelns“ sowie B. II. „Die Absprache“. 301 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 49 ff.; Engelsberger, Der Vollzug europarechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes, 1998, S. 226 ff.; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 42; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1983, S. 309 f.; Bulling, DÖV 1989, 277, 278; Busse, VerwArch 87 (1996), 445, 447; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439 (440 f.); Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547. 302 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241; Becker, DÖV 1985, 1003; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229. 303 Henneke, NuR 1991, 267; Scherer, DÖV 1991, 1. 304 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 27; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1194; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 345. 305 Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 99. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 119 f.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 128; Robbers, DÖV 1987, 272 ff.; Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547 f.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 235 sowie oben: A. I. 5. „Informelles Verwaltungshandeln“. 306 Vgl. dazu auch: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, Würfel, Informelle Absprachen in der Abfallwirtschaft, 1994; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002. 307 Scherer, DÖV 1991, 1; Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Informelle Absprachen beruhen oft auf unterschiedlichster Motivation. Von Seiten des Staates gesehen möchte dieser zumeist die bestehende Rechtslage nicht verändern, dessen ungeachtet vorgegebene Ziele jedoch möglichst effektiv erreichen309. Statt mittels imperativen Rechtsbefehls trägt der Staat seine Zielvorstellungen an den Bürger heran und versucht (ähnlich dem öffentlich-rechtlichen Vertrag) auf kooperativem Wege, den Bürger zu dem erwünschten Verhalten zu bewegen310 und somit den Weg der einseitigen Maßnahme zu vermeiden. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass Absprachen im Einzelfall nicht auch durchaus oktroyierend wirken könnten311. Dem Begriff der Absprache liegt keine einheitliche Definition zugrunde. Teilweise wird die informelle Absprache als rechtsunverbindliche Verabredung eines Leistungsaustausches bezeichnet312, etwas allgemeiner auch als Konsens über ein zukünftiges Verhalten313. Nach anderer Auffassung handelt es sich bei einer Absprache um eine Einigung auf ein bestimmtes, abgestimmtes Verhalten infolge von Verhandlungen314, wobei das Erfordernis von Verhandlungen dabei ernsthaft in Zweifel gezogen werden muss. Zunächst lässt sich festhalten, dass die Absprache das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses ist und in einen förmlichen Rechtsakt münden kann315, wobei Letzteres keineswegs zwingend sein muss. Da begriffsnotwendig etwas abgesprochen wird, sind mindestens zwei Beteiligte erforderlich, so dass einseitige Selbstverpflichtungen Privater ebenso ausscheiden316, wie die einseitige Rechtsetzung durch den Staat. Wird etwas abgesprochen, folgt aus dieser Begrifflichkeit zugleich aber auch, dass in gewissem Rahmen ein Konsens erzielt wird317, wobei sich dieser auf ein künftiges Verhalten der an der Absprache beteiligten Personen bezieht. Dem Konsens zumeist immanent ist ein gegenseitiges Nach-

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Vgl. dazu Kapitel 4: D. „Einteilung von Absprachen“. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 21; Vgl. auch Kapitel 4: C. II. „Vorteile des Einsatzes informeller Absprachen“. 310 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 15a; Ebenso: Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 5. 311 Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 45. 312 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 45. 313 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 69; Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 155; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 43; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195. 314 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 13; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 262. 315 Kloepfer, JZ 1991, 737, 740. 316 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 12. 317 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 42; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 69. 309

K. Die Vereinbarung als informelle Absprache?

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geben der Beteiligten, so dass die Absprache in gewisser Form ein Gegenseitigkeitsverhältnis begründet, das mit der Tauschbeziehung des öffentlich-rechtlichen Vertrages verwandt ist. Insofern bewirken Absprachen einen „Interessenausgleich auf Grundlage des Tauschprinzips“318. In Abgrenzung zu vertraglichen Handlungsformen kann letztlich unter einer Absprache allgemein die nichtvertragliche Abstimmung oder tatsächliche Verständigung über ein zukünftiges Verhalten verstanden werden. 2. Eigenschaften Wie bereits angedeutet, kommt das Vorliegen einer (informellen) Absprache möglicherweise dann in Betracht, wenn der vertragstypische Bindungswille zumindest auf Seiten eines Beteiligten fehlt. Liegt jedoch kein Rechtsbindungswille vor, so ist auch die Absprache selbst rechtlich unverbindlich. Daher würde das Vorliegen einer Absprache lediglich das (berechtigte) Hoffen auf freiwilliges Handeln begründen319. Die Regierung könnte somit jederzeit ein absprachewidriges Gesetz erlassen, da nur eine politische, nicht aber rechtliche Bindung besteht320. Tatsächlich jedoch ist gerade die rechtliche (Un-)Verbindlichkeit noch immer umstritten321. Die diesbezüglichen Ansichten reichen von der Aberkennung sämtlicher Rechtsfolgen322, über die Auslösung von Schadensersatzansprüchen im Falle des Fehlschlagens der Absprache bis hin zu echten Erfüllungsansprüchen. Teilsweise wird dabei dann zwischen bindenden Absprachen und unverbindlichen informellen Absprachen unterschieden323. Problematisch in diesem Zusammenhang ist insbesondere, dass oft die faktische – im Sinne einer moralischen – Bindung mit rechtlicher Bindung, der hier einzig relevanten, verwechselt wird. Im Einzelnen sei hierzu auf die Ausführungen im 4. Kapitel verwiesen324. Grundlegend gilt es zudem zu berücksichtigen, dass die 318 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 38; Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 72; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 15; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 96; Siehe auch: Dreier, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), 647, 648. 319 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 26; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419 f.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 21; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 43; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Hill, DÖV 1987, 885, 890; Di Fabio, JZ 1997, 969, 971; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794; Lecheler, BayVBl 1992, 545, 549; Brohm, DVBl 1994, 133, 134; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195. 320 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 161; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229 („moralische Bindungswirkung“). 321 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 66 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794. 322 Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 323 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 220.

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Absprache ähnlich dem Vertrag von der nachfolgenden Erfüllungshandlung zu unterscheiden ist (Abstraktheit der Absprache)325.

II. Merkmale und Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag Die informelle Absprache weist in einiger Hinsicht vertragsähnliche Elemente auf, ohne dass dies bedeuten würde, dass sie als Vertrag einzustufen wäre. Je nachdem, welche Bindungswirkung man annimmt und welche Bedeutung man dieser beimisst, wird in der Absprache entweder eine gegenüber dem Vertrag schwächere Handlungsform gesehen326 oder als aliud zum öffentlichrechtlichen Vertrag betrachtet327. Absprache und öffentlich-rechtlicher Vertrag haben zunächst gemeinsam, dass das gewünschte und erzielte Handlungsergebnis in Form eines Konsenses nicht folgenlos bleiben soll328. Während beim Vertrag jedoch rechtliche Wirkungen erzielt werden, gehen von der Absprache (sofern man dieser nicht ohnehin rechtliche Wirkungen zuschreibt) rein tatsächliche Wirkungen durch die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens aus329. Bohne zufolge sollen allgemeine Merkmale der Absprache ihre rechtliche Nichtregelung sowie Unverbindlichkeit sein330. Abgesehen von der Problematik der rechtlichen Bindungswirkung kann jedenfalls die Informalität kein wesenseigenes Merkmal der Absprache sein, da auch gesetzlich normierte Absprachen bekannt sind (vgl. oben). Das Merkmal der Informalität dient daher allein der Kategorisierung bestimmter Absprachentypen. Absprachen setzen ebenso wie Verträge das Vorliegen von Verhandlungsspielraum voraus331 (sog. Verhandlungsmasse). Jede an der Absprache beteiligte Partei sagt eine bestimmte Gegenleistung in der Erwartung zu, von der jeweils anderen Seite ebenfalls eine Leistung zu erhalten. Ob das vorliegende Tauschpotential auch in rechtlicher Hinsicht nutzbar ist, spielt für die Qualifikation 324

Ebda.: F. „Rechtsfolgen von Absprachen“. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 99. 326 Bulling, DÖV 1989, 277, 287. 327 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 128; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 328 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937. 329 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 45. 330 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 46; ders. VerwArch 75 (1984), 343, 344. 331 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 231; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, S. 99; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 691 (für Selbstbeschränkungsabkommen). 325

K. Die Vereinbarung als informelle Absprache?

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einer Verhaltensweise als Absprache keine Rolle. Dies ist allein bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Absprache von Interesse. Auf Seiten des privaten Absprachepartners ist das potentielle Tauschpotential äußerst vielfältig. Auf staatlicher Seite ergibt sich das erforderliche Potential vor allem aus der Tatsache, dass der Verwaltung immer die Möglichkeit offen steht, statt einer unverbindlichen Regelung zuzustimmen, auch einseitige Maßnahmen vorzunehmen332 („Drohpotential“). Geht man zunächst von der Prämisse der rechtlichen Unverbindlichkeit aus, so unterscheiden sich Absprache und Vertrag dadurch, dass die handelnde Behörde beim Vertrag den tatsächlichen Erfolg zum Gegenstand einer Rechtsfolge machen will, während sie ihn bei der Absprache durch rein tatsächliches Handeln anstrebt. Zunächst ist jedoch mit dieser Erkenntnis kaum etwas gewonnen, denn die Frage bleibt, wie in der Praxis nun tatsächlich zwischen beiden Handlungsformen unterschieden werden kann, zumal sich Absprachen ohnehin in einer Grauzone zwischen Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit bewegen333. Erschwerend kommt hinzu, dass sowohl Absprache als auch Vertrag zumindest rein äußerlich durch ein gewisses Maß an Willensübereinstimmung zwischen Behörde und Privatem gekennzeichnet sind334. Eine Bestimmung anhand rein äußerer Merkmale erscheint dabei jedenfalls nicht gangbar335. Zwar gilt das Schriftformerfordernis des § 57 VwVfG zunächst nur für öffentlich-rechtliche Verträge. Es bleibt jedoch fraglich, ob § 57 VwVfG nicht analoge Anwendung auf Absprachen finden kann. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Existenz schriftlicher Absprachen unbestritten ist (sog. agreements). Zudem gibt es auch Verträge, die unter Missachtung des § 57 VwVfG abgeschlossen wurden. Zwar sind derartige Verträge gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG iVm. § 125 BGB nichtig336, Absprachen stellen sie deshalb hingegen nicht dar. Mangels anderweitiger Unterscheidungskriterien verbleibt damit jedoch als einzig taugliches Merkmal der Zuordnung das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens337. Liegt dieser nicht vor, so muss, bei Übereinstimmung der sonstigen Merkmale, statt vertragsförmigen Handelns eine Absprache vorliegen. Dies gilt zunächst unabhängig von der noch zu erörternden Frage, welche rechtlichen Konsequenzen Absprachen mit sich bringen. 332

Brohm, DVBl 1994, 133, 137. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 253; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 464; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 234. 334 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 79. 335 So aber etwa: Scherzberg, JuS 1992, 205. 336 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 57, Rz. 11; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 10, Rz. 14. 337 Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626. 333

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3. Kap.: Übereinkommen zwischen Bundesregierung und VFA

Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA weist grundsätzlich alle Merkmale vertraglichen Handelns auf, mit Ausnahme eines rechtlichen Bindungswillens auf Seiten der Bundesregierung338. Daher kann vorliegend die Vereinbarung vom 08.11.2001 als Absprache im vorgenannten Sinne qualifiziert werden.

III. Zuordnung zum Gebiet des öffentlichen Rechts? Neben der grundsätzlichen Qualifikation der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA bedarf schließlich auch die Frage der Klärung, welchem Rechtskreis diese Absprache zuzuordnen ist, da Absprachen wie gezeigt sowohl in öffentlich-rechtlicher, als auch privat-rechtlicher Form denkbar sind. Entscheidend für die Zuordnung ist der Gegenstand der Absprache339, der wiederum aus ihrem Inhalt unter Berücksichtigung aller Umstände und Indizien zu ermitteln ist340. Vorliegend wurde versucht, durch die Absprache eine drohende gesetzliche Regelung im SGB V durch das AABG abzuwenden (sog. normvermeidende, normabwendende oder normersetzende Absprache341). Bei derartigen Absprachen soll sich bereits die Drohung mit dem möglichen Normerlass als mittelbare Ausübung von Hoheitsrechten darstellen342, so dass solche Vereinbarungen von vornherein als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren seien. Indes kann es darauf kaum ankommen. Ausschlaggebend muss der Gegenstand der Absprache sein und nicht ausschließlich ein Umstand, der sich außerhalb der eigentlichen Absprache vollzieht. Daher ist zunächst entscheidend, welches Verhalten die Bundesregierung zusagt, das hier in einem legislativen Unterlassen besteht. Dieses beruht letztlich allein auf der dem Staat durch das Grundgesetz zugewiesenen Befugnis, Gesetze zu erlassen und findet damit seine Grundlage in öffentlich-rechtlichen Vorschriften343. Da die Absprache somit das staatliche Rechtsetzungsermessen betrifft, ist ihr Bezugspunkt ein Gegenstand des öffent338

Vgl. oben: G. V.: „Die Merkmale öffentlich-rechtlicher Verträge im Einzelnen“. Vgl. dazu oben: C. III. „Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Absprachen“. 340 GmS-OGB, NJW 1986, 2359; BGH, NJW 1992, 1561, 1562; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 113; Bull, AllgVerwR, 6. Aufl. 2000, S. 293; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 366 f.; Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626; Achterberg, JA 1979, 356, 358. 341 Siehe hierzu auch der Systematisierungsansatz in Kapitel 4: D. „Einteilung von Absprachen“. 342 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 122. 343 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 124. 339

L. Zusammenfassung des 3. Kapitels

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lichen Rechts344. Somit ist auch sie selbst öffentlich-rechtlicher Natur, wofür im Übrigen auch ihr öffentlicher Zweck spricht345. Bei der Vereinbarung vom 08.11.2001 zwischen Bundesregierung und VFA handelt es sich im Ergebnis um eine Absprache öffentlich-rechtlicher Natur. Mangels expliziter gesetzlicher Regelung handelt es sich bei dieser um den Typus der informellen Absprache.

L. Zusammenfassung des 3. Kapitels Grundsätzlich, wenn auch in gewissen Grenzen, hat ein Hoheitsträger bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben die Möglichkeit, sich verschiedenster Handlungsinstrumente zu bedienen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Handlungstypen, als auch der Auswahl des konkreten Rechtsregimes. Aus diesem Grunde sind bei der Qualifikation der Vereinbarung vom 08.11.2001 zunächst mehrere Alternativen in Betracht zu ziehen. Das Vorliegen einer Rechtsnorm scheidet dabei jedoch mangels Vorliegen einer rechtsverbindlichen Anordnung seitens der Bundesregierung aus. Ähnliches gilt für die Qualifizierung als Verwaltungsakt, da keine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls iSd. § 35 S. 1 VwVfG getroffen wurde. Eine Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag scheidet mangels diesbezüglichen Rechtsbindungswillens seitens der Bundesregierung ebenso aus, wie das Vorliegen einer Zusage. Daraus resultierend schließlich stellt sich die Vereinbarung als Absprache dar. Da diese als normvertretende Absprache einen öffentlich-rechtlichen Gegenstand zum Inhalt hat, ist sie dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Mangels positivrechtlicher Regelung ist sie zudem informeller Natur.

344 Becker, DÖV 1985, 1003, 1009; Vgl. dazu auch oben zur Abgrenzung öffentlich-rechtlicher von privatrechtlichen Absprachen: C.III. „Die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Absprachen“. 345 Vgl. Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795.

4. Kapitel

Die informelle Absprache als Handlungsinstrument Gegenstand des 3. Kapitels war die Untersuchung der Frage, welcher Handlungsform sich die Bundesregierung bei den Vorgängen vom 08.11.2001 bedient hat. Mit der Festlegung auf die (öffentlich-rechtliche) informelle Absprache ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen worden, ob die gewählte Handlungsform auch einer Rechtmäßigkeitsprüfung standhält. Hierfür ist es jedoch zunächst erforderlich, brauchbare Maßstäbe für die Kontrolle informeller Absprachen zu setzen, da nach wie vor nicht abschließend geklärt ist, welche Grenzen hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit zu ziehen sind und welche Rechtsfolgen mit ihrer Verwendung verbunden sind. Die sich hieraus ergebenden Problemkreise werden daher Gegenstand der Kapitel 4 und 5 sein.

A. Entwicklung der informellen Absprache Wie bereits in den vorangegangen Ausführungen umrissen wurde, entwickelten sich in der Verwaltungspraxis zunehmend Formen staatlichen Handelns, die sich nach dem bis dahin herrschenden Verständnis kaum in das System der Handlungsformenlehre des Verwaltungsrechts integrieren ließen1. Mitentscheidend für diese Entwicklung war in erster Linie der Umstand, dass aufgrund der zunehmenden quantitativen und qualitativen Vielfalt und Komplexität der staatlichen Aufgaben die bisher bekannten Handlungsformen sowohl hinsichtlich ihrer Effizienz, als auch Flexibilität sehr schnell an ihre Grenzen stießen2. Die bipolare Auslegung des Verwaltungsakts beispielsweise führt bei komplexen Sachverhalten zu einer schlichten Überforderung desselben. Dagegen ist der öffentlich-rechtliche Vertrag zwar grundsätzlich geeignet, auch komplexe Sachverhalte zu erfassen. Hinsichtlich seiner rechtlichen Folgen jedoch ist er nach wie 1 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241; Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 35; Zur Entwicklung des schlichten Verwaltungshandelns vgl. insbesondere auch: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 59 ff.; Für informelles Verwaltungshandeln: Engelbert, Konfliktmittlung und Demokratieprinzip, Diss. Berlin (FU) 1995, 26 ff. 2 Vgl. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 71; Vgl. auch Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 31, der hierin einen Hauptgrund für das Entstehen und die Notwendigkeit von Absprachen (namentlich normersetzenden Absprachen) sieht; Vgl. auch Ritter, AöR 104 (1979), 389, 391; Damkowski, Die Verwaltung 14 (1981), 219, 223 ff.

A. Entwicklung der informellen Absprache

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vor verhältnismäßig starr (vgl. § 54 ff. VwVfG) und daher für Situationen, die ein äußerstes Maß an Flexibilität erfordern, schlichtweg ungeeignet. Neben anderen Faktoren führten diese Mängel der formellen Handlungsinstrumente zwangsnotwendig zu einem Nachlassen von rechtzeitiger und sachlich richtiger Reaktion des Staates auf sich abzeichnende Veränderungen des Umfeldes3. Einhergehend mit der durch den technologischen und strukturellen Wandel des modernen Staats4 zunehmend verbundenen Überforderung der normierten Handlungsinstrumente5 und Entscheidungsverfahren, ließ auch die fortwährende Überforderung der Verwaltung durch die zunehmende Komplexität des Rechts das Bedürfnis nach neuen Handlungsformen steigen6. Hinzu kam und kommt die Tatsache, dass die geltende Rechtsordnung, bedingt durch einen vielfältigen Ursachenkatalog, einem zunehmenden Verlust ihrer Steuerungsfähigkeit ausgesetzt ist. Zusätzlich führt die fortschreitende Verdichtung der gesetzlichen Vorschriften auch zu einem erhöhten Grad der Regulierung7. Dadurch aber wächst zugleich auch das Bedürfnis nach Flexibilisierung der Handlungsinstrumente, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen des modernen Staats besser begegnen zu können. Schon früh erkannte daher zunächst die Praxis vor allem auch in informellen Absprachen ein wirksames Instrument zur Bewältigung der Herausforderungen, denen man sich verstärkt gegenübersah. Wurde bisher weithin in Eingriffs- und Leistungsverwaltung unterschieden, so traten nunmehr in zunehmenden Maße Instrumente hervor, die gegenüber dem vom Verwaltungshandeln betroffenen Bürger nicht nur motivierend, sondern auch integrierend wirken (sog. kooperatives Verwaltungshandeln). An die Stelle des subordinationsrechtlichen, strikten Gesetzesbefehls trat im Ergebnis ein kooperationsorientiertes, auf Verhandlungen basierendes Verhalten8. Damit einhergehend erfuhren informelle Handlungsweisen in der Verwaltungsrechtspraxis (im Gegensatz zur Wissenschaft) einen erheblichen Popularitätsschub, um ein größtmögliches Maß an Flexibilität und Effizienz zu gewährleisten. Derartige Tendenzen zeigten sich anfangs vornehmlich im Wirtschaftsverwaltungs-, sowie Umwelt- und Städtebaurecht9. Mit der 3

Lange, VerwArch 81 (1991), 1, 3; Bossong, Die Verwaltung 34 (2001), 145. Dazu: Scholz/Meyer-Teschendorf, ZRP 1996, 404 ff.; Streinz, BayVBl 1989, 550 ff.; Degenhart, NJW 1989, 2435 ff.; Berg, JZ 1985, 401 ff.; Tegethoff, BayVBl 2001, 644 ff. 5 Vgl. Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 177, 190 ff. („Krise der Steuerungsfähigkeit“); Schmidt-Aßmann, Gefährdungen der Rechts- und Gesetzesbindung der Exekutive, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 748; Rossen-Stadtfeld, NVwZ 2001, 361, 363 f. (Vollzugsprobleme); Zur Rationalität des Normenbestands vgl. Sendler, DÖV 1989, 482, 485 ff. 6 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 69; Degenhart, NJW 1989, 2435, 2436; Vgl. auch; Sendler, NJW 1989, 1761; Simon, BayVBl 1994, 332, 333. 7 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 70. 8 Schrader, DÖV 1990, 326, 328; Becker, DÖV 1985, 1003. 4

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

zunehmenden Verbreitung informeller Absprachen wurden bald jedoch auch kritische Stimmen laut. Die Vorstellungen über den „Pakt des Staates mit einzelnen Mächtigen“ haben daher alsbald sogar den Ruf nach verstärkter Verförmlichung staatlicher Aktivitäten laut werden lassen10. Die anfängliche Euphorie, die teilweise informellen Handlungsformen entgegengebracht wurde, wich allmählich der Erkenntnis, dass ein komplexer und moderner Industriestaat zwar einerseits nicht ausschließlich durch gesetzliche Regelungen gesteuert werden kann, im Gegensatz aber auch nicht durch absolute und individuelle Freiheit11.

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene I. Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen? Trotzdem sich die informelle Absprache mittlerweile als flexibles Handlungsinstrument erwiesen hat, werden hinsichtlich ihrer Zulässigkeit nach wie vor vielfach Bedenken vorgebracht. So verwundert es kaum, dass derartige Handlungsinstrumente in beschwörerischer Weise in der „Dunkelkammer des Rechts“ verortet oder zumindest in das „Zwielicht brauchbarer Illegalität“ gerückt werden12. Neben allgemeinen Erwägungen existieren vor allem gegenüber den sog. gesetzesersetzenden (normvermeidenden) Absprachen13 erhebliche Vorbehalte. Die Diskussion um das Problem von parlamentsgesetzvermeidenden Absprachen resultiert dabei vor allem aus der Tatsache, dass unter Umständen die notwendige gegenseitige Kontrolle von Parlament und Regierung fehlen könnte. Vielfach wird daraus der Schluss gezogen, dass informelle Absprachen generell wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung rechtswidrig seien14. Die Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung würde jedoch voraussetzen, dass ein anderes Organ ausschließlich für den Abschluss der betreffenden Vereinbarung zuständig wäre oder zumindest dessen Mitwirkungsbefugnisse betroffen sind. 9 Vgl. Püttner, KritV 1991, 63; Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 35; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 219. 10 Vgl. Kunig, DVBl 1992, 1193, 1194 f. 11 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 30. 12 Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 463; Ähnlich: Püttner, DÖV 1989, 137, 140; Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201, 206. 13 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 48; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Scherer, DÖV 1991, 1, 3; Allgemein dazu: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001. Siehe hierzu auch unten: D. II. 3. „Normvollziehende, -vorbereitende und -ersetzende Absprachen“. 14 Dazu auch die Erläuterungen bei: Oldiges, WiR 1973, 1, 21 f.

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene

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Gerade in Sachverhaltskonstellationen wie der vorliegenden lässt sich eine dahingehende Aussage allerdings schon deshalb nur schwerlich treffen, da sich die zu beurteilende Vereinbarung auf der Grenzlinie zwischen legislativem und exekutivem Handeln bewegt. Richtig ist sicherlich, dass sich in diesem Zusammenhang das Problem der Gewaltenteilung in besonderem Maße stellt15. Dieses ist allerdings kein grundsätzliches Hindernis für die generelle Zulässigkeit solcher Absprachen, sondern betrifft eher die Frage, wie informelle Absprachen sowohl unter formellen als auch materiellen Gesichtspunkten tatsächlich auszugestalten sind. Vergleichbar mit der Problematik bei öffentlich-rechtlichen Verträgen könnte sich hier aber der Schluss ziehen lassen, dass eine Absprache jedenfalls dann unzulässig wäre, wenn sie die Merkmale eines echten Normsetzungsvertrags aufweisen würde16. Grundlegende Aussagen lassen sich hieraus indes nicht ableiten, da es sich bei normersetzenden Absprachen lediglich um einen besonderen Typus der Absprache handelt, dessen mögliche rechtliche Bedenklichkeit nicht von vornherein gegen die Zulässigkeit der Absprache als solcher sprechen kann. Auch die Ansätze der Handlungsformen- und Rechtsverhältnislehre17 erweisen sich im Ergebnis als nicht zielführend. Die Kritiker der Handlungsformenlehre halten diese bereits von vornherein für ungeeignet, die Vielzahl der informellen Handlungsweisen angemessen zu erfassen. Schon in sprachlicher Hinsicht begegnet sie erheblichen Bedenken, da sie bereits begrifflich informelle Verhaltensweisen von vornherein ausschließe18. Zuzugeben ist, dass die einseitige Fixierung auf formelle Gesichtspunkte die materiell-rechtliche Durchdringung informeller Beziehungsverhältnisse in sachwidriger Weise weitgehend außer acht lässt. Zur Handlungsformenlehre bietet sich aber – wie bereits im 3. Kapitel ausgeführt – keine verlässliche Alternative19. Allerdings vermag auch sie die Frage der Zulässigkeit informeller Absprachen kaum zu beantworten. Für die Gegner informeller Handlungsformen bewegen sich diese außerhalb der Legalität20, da die Verwaltung die „richtige Entscheidung“ allein aus dem 15

Anders wohl: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 128. Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. Dies hingegen ist einerseits eine Frage der Abgrenzbarkeit zwischen Absprache und Vertrag und birgt andererseits auch das Problem, ob überhaupt und wann von einer Absprache in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gesprochen werden kann. 17 Vgl. dazu Kapitel 3: A. I. „Begrifflichkeiten und allgemeine Abgrenzungsfragen“; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 203 ff.; Siehe auch: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 169 ff. (im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verträgen); Ladeur, VerwArch 86 (1995), 511 ff. 18 Vgl. Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 258. 19 Dazu oben Kapitel 3: A. I. 1. „Die Lehre von den Handlungsformen der Verwaltung“; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999; § 23, Rz. 8; Pietzcker, VerwArch 30 (1997), S. 281 ff.; Bauer, DVBl 1986, 208, 216 f.; Löwer, NVwZ 1986, 793. 16

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Gesetz abzuleiten habe21. Im Gegensatz zum anerkannten Prinzip der Freiheit der Verwaltung22, das auch die Formenwahlfreiheit umfasst, liefe dies im Ergebnis auf ein Prinzip der Formgebundenheit hinaus, wie es von Burmeister23 gefordert wird. Danach besteht aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus ein sogenannter Rechtsformvorbehalt, der es gebietet, dass Verwaltungshandeln nur in den durch Gesetz vorgesehenen Rechtsformen stattfinden darf. Grundsätzlich erfülle das Postulat der Formgebundenheit den Zweck, Berechenbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns zu garantieren – die Formenbindung sei somit zwingend24. Das Ausweichen in die Informalität soll sich daher als Rechtsformmanipulation darstellen, womit letztlich die durch den Rechtsformvorbehalt gewährleistete Maßstabsfunktion des Verwaltungsrechts unterlaufen werde25. Dagegen lässt sich einzuwenden, dass informelles Handeln schon im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG nicht zwangsläufig mit der Eröffnung rechtsfreier Räume verbunden ist. Ob gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen wird, ist letztlich aber eine Frage der rechtlichen Fassbarkeit und Beurteilbarkeit informellen Handelns, nicht aber die eines grundsätzlichen Verbots. Es ist kein Grund ersichtlich, ohne Not das Korsett eines Formenzwangs zu kreieren26. Nach anderer Auffassung wiederum seien informelle Absprachen im Regelfall wegen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes verfassungswidrig27. Mag dies im Einzelfall sicherlich zutreffen, so kann daraus jedoch keinesfalls eine generalisierende Aussage abgeleitet werden. Fraglich ist vielmehr, ob der Gesetzesvorbehalt überhaupt greift. Dies aber ist weitgehend anhand des konkreten Sachverhalts zu beurteilen28, so dass ein allgemeines Verbot informeller Absprachen hieraus jedenfalls nicht folgt. Auch die Begründung, dass informelle Absprachen als Alternativhandlung zur rechtlich gebotenen Vornahme von Regelungen unzulässig seien29, kann nicht wirklich überzeugen, da diese Aussage nur in den Fällen Geltung bean20

Sendler, DÖV 1989, 482, 486. Vgl. Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 87. 22 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 126; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 122; Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419. 23 Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 230 ff.; Dazu insoweit auch die Ausführungen bei: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 124 f. 24 Insoweit sehr kritisch: Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1114; Vgl. auch Schrader, DÖV 1990, 326, 330: „Keine Effektivität vor Legalität“. 25 Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 230 ff.; Vgl. auch Lecheler, BayVBl 1992, 545, 548. 26 Im Ergebnis: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 125. 27 Vgl. Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip, 1990, S. 86, 88 ff. 28 Siehe hierzu auch Kapitel 6: E. I. „Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage?“. 29 Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 237. 21

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene

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spruchen kann, in denen explizit eine Regelung getroffen wurde (vgl. Art. 115 Abs. 1 S. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayKAG). Dann jedoch greift der allgemeine Vorrang des Gesetzes, so dass kein Raum für informelle Verhaltensweisen verbleibt. Eine weitergehende Aussage ergibt sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. Schließlich wird als Argument zum Nachweis der generellen Rechtswidrigkeit informeller Absprachen die Behauptung herangezogen, dass diese gegen das rechtsstaatlich gebotene Prinzip der Rechtssicherheit verstießen. Zur Rechtssicherheit gehöre auch das Postulat eines rechtsverbindlichen Verfahrensabschlusses30, woran es beim Abschluss einer informellen Absprache eben fehle. Dabei wird jedoch verkannt, dass das Gebot der Rechtssicherheit zwar nicht ausschließlich, aber doch in wesentlichen Teilen auch dem Individualschutz dient und insofern eine gewisse Dispositionsfreiheit des Einzelnen besteht31. Außerdem bedarf es zur Sicherung eines gewissen Minimums an Rechtssicherheit nicht des generellen Verbots informeller Absprachen, sondern vielmehr einer konkretisierenden Festlegung der rechtlichen Voraussetzungen und Folgen informellen Handelns. Dann jedoch ist das behauptete Defizit an Rechtssicherheit kaum mehr nachzuweisen. Die Befürworter informeller Absprachen hingegen halten diese für zulässig, da ein numerus clausus der Handlungsformen der geltenden Rechtsordnung nicht bekannt sei32. Zudem soll die Zulässigkeit der informellen Absprache letztlich eine gewisse Grundlage in der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht des Staates finden, den Bürger anzuhören33. Nicht überzeugen kann dagegen jener Begründungsansatz, der unter Zuhilfenahme des verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Basis für die zulässige Verwendung informeller Absprachen zu legen versucht34. Mag dies im Hinblick auf einseitighoheitliche Maßnahmen durchaus zutreffen, so besteht im Falle des öffentlich-rechtlichen Vertrags Klärungsbedarf. Der Einsatz der Absprache als milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes würde nämlich voraussetzen, dass sich diese als minus im Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellen ließe35. Auch wenn es der Absprache 30

Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip, 1990, S. 86 ff. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 125. 32 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 209; Für normersetzende Absprachen vgl. Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 343; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 125. 33 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419 f. 34 Vgl. Becker, DÖV 1985, 1003, 1007 f.; Kaiser, NJW 1971, 585, 588. 35 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 628. 31

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

im Vergleich zum Vertrag am rechtlichen Bindungswillen mangelt36, so darf doch die faktische Bindungswirkung im Sinne einer moralischen Bindung, die von Absprachen ausgeht, nicht verkannt werden. Trotz Fehlens einer rechtlichen Bindung ist doch in höchstem Maße zweifelhaft, dass die Absprache ein minus zum Vertrag darstellt. Vielmehr sollte sie eher als aliud bezeichnet werden37. Selbst dann, wenn man in der Absprache grundsätzlich ein dem Vertrag gegenüber milderes Mittel sähe, ließen sich keine Rückschlüsse auf deren Zulässigkeit schließen. Die informelle Handlungsform kann nämlich erst dann als milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Betracht kommen, wenn es auch von der Rechtsordnung anerkannt ist und keine Zulässigkeitsschranken entgegenstehen. Ebenso wenig kann die Ansicht Bauers überzeugen, nach der sich die Zulässigkeit der Absprache allein aus dem Umstand ergeben soll, dass die Verwaltung schließlich von administrativem Einschreiten im Rahmen ihres Ermessens absehen und im Einvernehmen mit dem Bürger handeln könne38. Letztlich beruht diese Argumentation auf einem Zirkelschluss, da sie die Zulässigkeit des einvernehmlichen Handelns (dessen Rechtmäßigkeit ja erst untersucht werden soll) voraussetzt. Dem grundsätzlich eingeräumten Ermessen der Verwaltung können allerdings in Verbindung mit den Regelungen des VwVfG durchaus wichtige Hinweise hinsichtlich der Zulässigkeit informeller Absprachen entnommen werden, wie noch zu erläutern sein wird. Auch aus dem Rechtsstaatsprinzip kann zunächst grundsätzlich keine Pflicht hergeleitet werden, Verwaltungstätigkeit nur in den gesetzlich normierten Formen zu vollziehen, solange dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes hinreichend Rechnung getragen wird. Dies wird jedoch durch die Wahl der informellen Absprache als Handlungsinstrument nicht beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass auch rein tatsächliche Handlungen keinen direkten gesetzlichen Niederschlag erfahren haben, ihre Zulässigkeit aber dennoch außer Frage steht. Eine auf dem Kooperationsprinzip als Verfassungsprinzip39 fußende Argumentation führt hinsichtlich der Begründung der Rechtmäßigkeit informeller Absprachen ebenso zu kaum brauchbaren Ergebnissen. Auf der einen Seite muss bereits die tatsächliche Existenz dieses Prinzips hinterfragt werden (selbst 36 Vgl. dazu unten F. II. 1. lit. a) „Rechtliche Bindungswirkung der informellen Absprache“ sowie Kapitel 3: K. II. „Merkmale und Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag“. 37 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799. 38 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 261; Vgl. auch Jarass, DVBl 1985, 193, 197 f. 39 Vgl. Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 6; Gentzcke, Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht, 1990, S. 119; Vgl. auch: Di Fabio, DVBl 1990, 338, 346 (Vertragsformgebot aus dem Kooperationsprinzip?).

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene

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wenn aber ein solches Prinzip anerkannt wird, stellt sich die Frage seiner sachlichen Reichweite). Auf der anderen Seite lässt sich zudem kaum erklären, wie daraus die generelle Zulässigkeit informeller Absprachen hergeleitet werden kann, da den Erfordernissen eines Kooperationsprinzips, sollte es denn bestehen, bereits in positivrechtlicher Hinsicht durch die Existenz der §§ 54 ff. VwVfG in weitreichendem Maße Rechnung getragen sein würde. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass ein generelles Verbot informeller Absprachen der geltenden Rechtsordnung – weder dem Grundgesetz40, noch den einschlägigen Verfahrensgesetzen (SGB X, VwVfG, BayVwVfG)41 – bekannt ist. Zudem gibt das VwVfG selbst wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich der Beurteilung informeller Absprachen zumindest für den Bereich des Verwaltungsrechts. Gemäß § 10 S. 1 VwVfG (vgl. § 9 SGB X) ist das Verwaltungsverfahren nicht an eine bestimmte Form gebunden. Dies bedeutet, dass es der handelnden Behörde innerhalb des ihr zustehenden Ermessens grundsätzlich selbst überlassen ist, dass Verfahren so zu führen und zu gestalten, wie sie es für zweckmäßig hält. § 10 S. 1 VwVfG betont damit die fehlende Bindung an bestimmte Handlungsformen42 und begründet insofern eine Vermutungswirkung zugunsten einer gewissen Formfreiheit. Dies gilt ungeachtet der entgegengebrachten Kritik43 jedenfalls für den Fall, dass eine Absprache zur Vorbereitung einer formellen Handlung geschlossen wird (informelles Verfahren). Der Grundsatz der Nichtförmlichkeit steht dabei jedoch zwingend unter dem Vorbehalt entgegenstehender Rechtsvorschriften44. Zudem ist Auswahlermessen der Behörde nicht in beliebiger Weise dehnbar45. Es findet seine Grenze spätestens dann, wenn die Schwelle zur Willkür überschritten wird. Eine weitere 40 Grundsätzlich: BVerfG, NVwZ 1999, 977; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 187; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 127; Ebenso auch die Ausführungen bei: Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 234; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 453 ff. 41 Vgl. Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547. 42 Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990; S. 33; Vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 10, Rz. 7; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 6; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 127 f.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 132. 43 Entgegengehalten wird, dass § 10 VwVfG nur zu einem nichtförmlichen Verfahren, nicht aber zu einer nichtförmlichen Entscheidung ermächtige. Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 129 ff.; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 220. Die Indizwirkung, die von § 10 VwVfG (in Verbindung mit der Nichtnormierung eines Verbots informeller Absprachen) ausgeht, darf dennoch nicht verkannt werden, zumal das Verfahren die abschließende Entscheidung mit einschließt und insofern in gewissem Rahmen durchaus auch Wechselwirkungen bestehen. 44 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 10, Rz. 3. 45 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 56.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Einschränkung der Zulässigkeit informeller Absprachen ist zudem auch unter dem Gesichtspunkt des Formenmissbrauchs denkbar46. Was im Einzelnen jedoch an diesen Begriff zu knüpfen ist, wird noch zu sehen sein.

II. Grundsatz: Das Prinzip der Wahlfreiheit 1. Allgemein Wie bereits im 3. Kapitel erörtert, besteht in der Literatur nach wie vor keine Einigkeit dahingehend, inwieweit dem handelnden Hoheitsträger bei der Erfüllung seiner Aufgaben ein Entscheidungsspielraum im Sinne einer echten Wahlfreiheit hinsichtlich der Auswahl der Handlungsinstrumente zukommt47. Vornehmlich dreht sich die Diskussion dabei zunächst um die Frage der Wahl zwischen der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Handlungsebene48. Vorliegend ist dies jedoch aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters der Absprache unproblematisch. Geht man vom Grundsatz der Wahlfreiheit aus, so ist die Verwaltung sowohl in der Wahl der Handlungsebene als auch der konkreten Handlungsform grundsätzlich frei49. Sie kann (in bestimmtem Umfang) nach freiem Ermessen bestimmen, welche Handlungsformen sie zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben wählt50. Diese Freiheit ist jedoch keineswegs mit der unbegrenzten Möglichkeit der Verwaltung gleichzusetzen, sich der verschiedenen Handlungsformen und -ebenen nach Belieben zu bedienen. Welche Grenzen hierbei zu ziehen sind, wird daher noch zu diskutieren sein.

46 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 123. 47 Vgl. dazu Kapitel 3: C. IV. „Grenzen bei der Wahl zwischen privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen?“; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999; § 23, Rz. 4 ff. 48 Dazu ausführlich: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 84 ff.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984; Schnapp, DÖV 1990, 826 ff.; Vgl. auch: Ehlers, JZ 1990, 594. 49 BVerwGE 13, 47, 54; 24, 23 ff.; 92, 56, 61 ff.; 94, 229 ff.; BGHZ 37, 1, 27; 115, 311, 313; BayVerfGH, NVwZ 1998, 727 f.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 158; Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547; Corell, DÖV 1998, 363, 366. 50 Insofern zweifelnd: Ossenbühl, JuS 1979, 681, 686 f.

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene

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2. Generelle Schranken a) Verfassungsrechtliches Gebot des formgebundenen Handelns? Aus dem Rechtsstaatsprinzip resultiert zunächst das zwingende Erfordernis der Kontrollierbarkeit allen staatlichen Handelns. Kontrollierbarkeit bedeutet jedoch nicht automatisch einen Zwang zum Handeln in den vom Gesetz zur Verfügung gestellten Formen. Auch informelles Handeln kann (und muss) grundsätzlich einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht werden. Durch Art. 20 Abs. 3 GG wird eine „Flucht in die Informalität“ ebenso wenig möglich gemacht, wie eine Alternative der „Flucht ins Vertragsrecht“ bei öffentlich-rechtlichen Verträgen besteht51. Wie zuvor bereits gezeigt, gibt es damit zunächst kein grundsätzliches Erfordernis eines Gebots zum formgebundenen Handeln. Die Grenze der Wahlfreiheit ist allenfalls dort erreicht, wo die Absprache mit den fixierten Formen staatlichen Handelns nicht mehr vereinbar ist52, wenn also die Möglichkeit der Ersetzung oder Umgehung besteht. Dies hingegen ist aber eine Frage des Formenmissbrauchs und seiner Konsequenzen und kann daher nicht zu einer grundsätzlichen Aufhebung des Prinzips der Wahlfreiheit führen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz des Verwaltungsverfahrens53 kann sich keine gerichtlich nachprüfbare Verpflichtung der handelnden Behörde ergeben, bestimmten formellen Handlungsformen generell den Vorrang zu gewähren. Abgesehen davon, dass dem Effizienzprinzip im deutschen Recht54 hinsichtlich seiner Folgen und inhaltlichen Reichweite kaum konkrete Aussagen entnommen werden können, würde eine dahingehende gerichtliche Überprüfung im Regelfall zu einer unzulässigen Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes führen. Insbesondere wird schließlich aber auch noch zu sehen sein, inwieweit informelles Handeln (nicht zuletzt auch im Hinblick auf § 10 S. 2 VwVfG) überhaupt ein Minus an Effektivität aufweist.

51 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 300; Vgl. auch: P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 162. 52 Lecheler, BayVBl 1992, 545, 548. 53 Dazu ausführlich insbesondere: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 136 ff.; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971; Häberle, AöR 98 (1973), 625 ff.; Degenhart, DVBl 1982, 872 ff.; Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 188; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 221 ff.; Pieper, DVBl 1993, 705, 709. 54 Vgl. zum Effizienzprinzip des EuGH: EuGH, Rs. C-217/88 – Kommission/ Deutschland, „Tafelwein“ –, Rspr 1990 I, 2879/2905; EuGH, Rs. 48/75 – Royer –, Rspr 1976, 497/517.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

b) Lehre vom Formenmissbrauch Wie zuvor bereits angedeutet, wird vielfach eine Korrektur der als zu weit empfundenen Wahlfreiheit mit Hilfe der Lehre vom Formenmissbrauch55 vorgeschlagen. Fraglich ist dabei jedoch, inwieweit mit Hilfe dieses Ansatzes in der Praxis tatsächlich brauchbare Erkenntnisse gewonnen werden können. Die in diesem Zusammenhang bestehende Problematik liegt vor allem darin begründet, dass es hinsichtlich des Formenmissbrauchs kein allgemein anerkanntes Begriffsverständnis gibt56. Während unter diesem Stichwort teilweise ausschließlich Kompetenzprobleme behandelt werden, wird unter dem Begriff des Formenmissbrauchs zumeist eine staatliche Vorgehensweise verstanden, bei der die betreffende Handlungs- oder Organisationsform von der zugrunde gelegten Rechtsgrundlage nicht getragen wird57. Letztlich handelt es sich bei dieser Ansicht nur um eine Konkretisierung des Art. 20 Abs. 3 GG, ohne hingegen weitergehende Aussagen zu treffen. Dass sich eine staatliche Aktivität (unabhängig von deren rechtlicher Qualifikation) ohne tragfähige Rechtsgrundlage als rechtswidrig erweisen kann, versteht sich letztlich von selbst. Einem Rückgriff auf den unbestimmten Begriff des Formenmissbrauchs bedürfte es aus diesem Grunde nicht, zumal auf jegliche subjektive Komponenten verzichtet wird. Doch bereits die Begrifflichkeit des Missbrauchs legt es nahe, auch dem subjektiven Moment in gewisser Hinsicht Bedeutung beizumessen. Gleiches gilt auch für jene Auffassung, die das Vorliegen eines Formenmissbrauchs im Falle der Gesetzes- oder Verfassungsumgehung annimmt58. Daher wird nach wiederum anderer Ansicht unter Formenmissbrauch jede Vorgehensweise verstanden, bei der die konkrete Formen- oder Verfahrenswahl seitens des handelnden Hoheitsträgers mit dem Ziel der Rechtsvereitelung, zumindest aber der Aushebelung des Rechtsschutzes erfolgt59. Die Unsicherheiten, die im Zusammenhang mit der Erklärbarkeit des Formenmissbrauchs entstehen, beruhen nicht zuletzt auf dem Umstand, dass aus der Fülle staatlicher Aktionsmöglichkeiten ein gewaltiger Umfang dieses Begriffs resultiert, so dass er schließlich fast zur Leerformel gerät60. Ausgangs55 Dazu: Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 9 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 123, 127. 56 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 129. 57 Vgl. Isensee, DÖV 1970, 397, 401; Dazu auch: Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573, 583. 58 Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 346; Forsthoff, BB 1965, 381, 386. 59 Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, 1987, S. 21. 60 Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 25.

B. Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene

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punkt der Betrachtung jedenfalls ist, dass es der konkrete und bewusste Einsatz der Rechtsform ist, der den Rechtsverstoß ausmachen kann. Während dies zunächst die Vermutung nahe legt, dass bei der Beurteilung des Formenmissbrauchs allein eine rein formelle Betrachtungsweise zu wählen ist, kann tatsächlich in der Wahl der falschen Rechtsform auch dann ein Formenmissbrauch gesehen werden, wenn sie materielles Recht antastet (Strukturprinzipien, Befugnisse, subjektive Rechte etc.)61. Damit aber gerät die Frage des Formenmissbrauchs zur „reinen Rechtmäßigkeitsprüfung“, so dass mehr als fraglich ist, inwiefern es einer Lehre vom Formenmissbrauch für die praktische Rechtsanwendung überhaupt bedarf. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass der Staat zur Erreichung eines bestimmten Ziels nicht auf ein bestimmtes Vorgehen beschränkt ist. Wegen der Vielzahl möglicher sachlicher Motive für ein informelles Verfahren wird daher ein Formenmissbrauch, gleich welche Definition man ihm zugrunde legt, in der Praxis ohnehin kaum nachweisbar sein62. Im Ergebnis kommt daher der Lehre vom Formenmissbrauch bei der Bestimmung der Reichweite der Zulässigkeit informeller Absprachen nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine rein beschreibende Leitsatzfunktion zu, ohne darüber hinaus konkretere Maßstäbe aufstellen zu können. 3. Verfassungsrechtliche und spezialgesetzliche Begrenzung Mögen sowohl das Grundgesetz als auch unterverfassungsrechtliche Normen die Verwendung der informellen Absprache nicht grundsätzlich ausschließen, so bedeutet dies nicht, dass informelles Handeln sich im rechtsfreien Raum bewegen könnte. Dem würde bereits Art. 20 Abs. 3 GG entgegenstehen. Neben verfassungsrechtlichen Erfordernissen an die Rechtmäßigkeit jeglichen staatlichen Handelns ergeben sich (damit korrespondierende) Begrenzungsfaktoren auch aus den für das jeweilige Sachgebiet bestehenden formell- und materiellrechtlichen Regelungen63. Punktuelle Argumentationshilfe kann hier insoweit im Ansatz auch die Flachglas-Entscheidung64 des Bundesverwaltungsgerichts geben, nach der Entscheidungsverlagerungen aus formellen Verfahren grundsätzlich inhaltlich rechtmäßig sowie sachlich begründet sein müssen und zudem die Zuständigkeit von rechtlich abschließend entscheidenden Gremien gewahrt bleiben muss65. Im Einzelnen soll an dieser Stelle jedoch noch nicht weiter auf diese 61 Goerlich, DÖV 1985, 945, 949; Vgl. auch: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999; § 23, Rz. 13 f. 62 Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 346. 63 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 262. 64 BVerwGE 45, 309 = NJW 1975, 70; Vgl. dazu: Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201, 206.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Problematik eingegangen werden. Welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer informellen Absprache tatsächlich zu stellen sind, soll Gegenstand der Kapitel 5 (im Allgemeinen) und 6 (im Besonderen hinsichtlich der Absprache zwischen Bundesregierung und VFA) sein.

C. Die informelle Absprache als Ersatz für formelles einseitig-hoheitliches Handeln I. Allgemeines Absprachen und abspracheähnliche Verhaltensweisen sind grundsätzlich in allen Rechtsbereichen denkbar, auch wenn sie dabei verschiedensten rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen. Häufig erleichtern sie die Vermeidung und Beilegung von Konflikten66 vor allem in komplexen und vielschichtigen Problemkonstellationen und versetzen daneben den beteiligten Privaten in die Lage, beschränkende Rechtsetzungsakte zu vermeiden bzw. eigene Umsetzungsspielräume zu gewinnen oder zu erhalten67. Durch den Einsatz informeller Handlungsinstrumente bietet sich somit die Möglichkeit, staatliches Handeln zu öffnen und Dialogforen in Alltagsnähe zu schaffen, um letztlich durch die Einbeziehung des Bürgers eine „kommunikative Resonanz“ herzustellen68. Damit einhergehend ist in gewisser Weise auch der Übergang von hoheitlichem Rechtsvollzug zu Überzeugungs- und Überredungsstrategien69. Für die Verwaltung erweist sich der Einsatz informeller Absprachen nicht zuletzt im Hinblick auf deren Flexibilität, Praktikabilität und Effizienz70 als vorteilhaft. Dieser Umstand gewinnt, da selbst der Vertrag oftmals als nicht hinreichend flexibel empfunden wird71, zunehmend auch in der Praxis an Beachtung, so dass die Bereiche, in denen nach einem Ausweichen auf kooperative und informelle Handlungsformen gesucht wird, sich stetig vergrößern72. Ist informelles (und damit auch kooperatives) Handeln in der modernen Verwaltungsrechtspraxis häufig

65 BVerwGE 45, 309, 321; Siehe auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 160 ff. 66 Bohne, Informalität, Gleichheit und Bürokratie in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 9 (1983), S. 205; Vgl. auch: P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 163; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 915. 67 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 227. 68 Vgl. Hill, DVBl 1993, 973, 976. 69 In diesem Sinne: G. F. Schuppert in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1524. 70 Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547; Hill, DVBl 1993, 976; Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 626. 71 Ritter, AöR 104 (1979), 389, 394; Vgl. Corell, DÖV 1998, 363.

C. Die informelle Absprache als Ersatz

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kaum mehr wegzudenken73, so darf in keinem Falle übersehen werden, dass der Bereich des öffentlichen Rechts vor allem durch gemeinwohlbezogene Sachverhalte geprägt ist. Aus diesem Umstand folgt die Tatsache, dass dieses Rechtsgebiet stark von Einseitigkeit der Entscheidungsprozesse geprägt ist74. Deutlich wird dies nicht zuletzt auch an der Dominanz der Vorschriften im Besonderen Verwaltungsrecht, die zum einseitig-hoheitlichen Handeln ermächtigen75. Konflikte werden somit regelmäßig nicht in einem Verhandlungsprozess gelöst, sondern einseitig entschieden. Ungeachtet der Möglichkeit kooperativen und informellen Handelns ist daher einseitig-hoheitliches Handeln nach wie in weiten Bereichen staatlicher Aktivität unverzichtbar76.

II. Vorteile des Einsatzes informeller Absprachen Die Verwendung informeller Absprachen setzt sich ungeachtet der nach wie vor bestehenden Bedenken in der Praxis verstärkt durch. Die Gründe dafür sind von äußerster Vielfalt. Im Ergebnis jedenfalls kann sich der Einsatz der informellen Absprache als vorteilhaft sowohl für den an der Absprache beteiligten Hoheitsträger, als auch für den Privaten erweisen. Als wesentlicher Vorteil informeller Absprachen wird vielfach die Tatsache gesehen, dass sie in erheblichem Maße die Gefahr gerichtlicher Auseinandersetzungen begrenzen und somit zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten in besonderem Maße geeignet sind77. Dies soll aus dem Umstand resultieren, dass die Absprachepartner durch die mit der Absprache verbundene verstärkte Möglichkeit der Einflussnahme auf die Realisierung und Wahrung eigener Interessen78 in gewisser Weise auch vor unliebsamen Überraschungen geschützt sind. Zudem dürfte, so wird argumentiert, der Bruch einer Absprache aus Gründen des faktischen Zwangs wohl kaum vorkommen79 (die Einführung des Beitragssatzsiche72 Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 15. 73 Vgl. Bulling, DÖV 1989, 277, 288. 74 Brohm, DVBl 1994, 133, 138. 75 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1194. 76 Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301, 306. 77 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 163; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 915; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 71; Schrader, DÖV 1990, 326, 328; Vgl. dazu auch Brohm, DVBl 1994, 133, 138, der diesbezüglich auf das Tauschpotential des Privaten verweist; Murswiek, JZ 1988, 985, 988; aA. wohl Kunig, DVBl 1992, 1193, 1202, der zum Abbau von Rechtsunsicherheit die Wahl förmlicher Handlungsinstrumente vorschlägt. 78 Vgl. Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 450 ff.; Maurer, DVBl 1989, 798, 805; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 49.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

rungsgesetzes lehrt vorliegend wohl eines Besseren). Doch selbst dann gelte der ungeschriebene Grundsatz, dass man „unter ehrbaren Kooperationspartnern“ nicht klagt80. Insgesamt werden die vorgenannten Argumente teilweise wohl etwas zu euphorisch gewertet81. Es bleibt zu fragen, wie es um die Rechtssicherheit tatsächlich bestellt ist, wenn der Absprache rechtliche Unverbindlichkeit beigemessen wird. Entscheidend ist dann nämlich, ob zur Begründung der Rechtssicherheit ein lediglich faktischer Zwang zur Einhaltung der Absprache ausreichend ist, oder ob dieser nicht vielmehr zu einer Verstärkung von Rechtsunsicherheit führt. Allerdings kann mit Hilfe der informellen Absprache, ähnlich dem öffentlichrechtlichen Vertrag, Rechtssicherheit durch Abbau von Rechtsunsicherheit erzeugt werden82, die in der Praxis nicht zuletzt durch Unsicherheiten im Umgang mit der geltenden Rechtslage entsteht. So ist einerseits die sich in den letzten Jahren durch viele Faktoren bedingte und sich verstärkt abzeichnende Gesetzesflut oftmals nur noch von Spezialisten überschaubar. Auf der anderen Seite fehlen oft hinreichend genaue und zuverlässige gesetzliche Regelungen. Hinzu kommt eine Unmenge auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe. Diese Faktoren führen zu erheblichen Unsicherheiten bei der Prognostizierung von staatlichen Entscheidungen. Im Falle der informellen Absprache jedoch erhält der Private einen genaueren Einblick in die Entscheidungsgrundlage der Behörde83, deren Handeln somit für ihn berechenbarer und nachvollziehbarer wird. Bedingt durch ihre Informalität begünstigt die Absprache nicht zuletzt auch einen schnellen und umfassenden Informationsaustausch84 und ermöglicht damit eine Beschleunigung staatlicher Aktivitäten. Zugleich kann (unter der Prämisse der rechtlichen Unverbindlichkeit) vom Abspracheinhalt ohne weiteres abgewichen werden. Dies macht sie zwar (in diesem Punkt) weniger effektiv, doch ungemein flexibel, worin (nach nicht unumstrittener Meinung) wohl einer der Hauptvorzüge der informellen Absprache liegt85. Eine Abänderung des Abspra79

Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 230 ff. Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 204; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 252. 81 Vgl. auch: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 33. 82 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 250; Vgl. Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 340; Bonk, DVBl 1086, 485, 495; Braun, BayVBl 1983, 225, 227. 83 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 251. 84 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1026; Vgl. für Absprachen in Zusammenhang mit Gesetzgebungsverfahren: Busse, VerwArch 87 (1996), 445 ff. 85 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 22; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 40; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 464; 80

C. Die informelle Absprache als Ersatz

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cheinhalts erfordert unter Umständen zwar Nachverhandlungen, doch sind diese immer noch schneller abzuwickeln als der Erlass eines ansonsten möglicherweise erforderlich werdenden Änderungsgesetzes. Die gegenüber förmlichen Handlungsinstrumenten erhöhte Flexibilität der informellen Absprache vermag letztlich auch eine Antwort auf den zunehmend erkennbaren Verlust der Steuerbarkeit des Rechts zu geben86. Die rechtzeitige und zielgenaue Intervention durch gesetzliche Regelungen wird angesichts der hohen Geschwindigkeit der Veränderung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen zunehmend erschwert87 oder ist in Einzelbereichen kaum noch realisierbar. Die Absprache jedoch erweist sich dabei oft als zielgenaues Instrument zur Einzelfallsteuerung und kann schließlich, indem sie dem immer schneller werdenden und tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in erhöhtem Maße Rechnung zu tragen in der Lage ist88, die in bestimmten Situationen fehlende staatliche Durchsetzungsmacht überwinden89. Insofern kann sie durchaus auch als Instrument der zunehmend wünschenswerten Deregulierung und Entflechtung dienen90. Ob mit ihrer Hilfe jedoch eine Eindämmung der Gesetzesflut91 gelingt, muss mehr als bezweifelt werden. Eng verbunden mit dem Argument der Flexibilität ist das der Effektivität92. Nicht zuletzt durch ihre Flexibilität und Informalität bedingt, eignet sich die inBecker, DÖV 1985, 1003, 1010; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 692; Bulling, DÖV 1989, 277, 288; Schrader, DÖV 1990, 326, 328; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1026; Schröder, NVwZ 1998, 1001; Hill, DVBl 1993, 973, 976; Corell, DÖV 1998, 363; Frenz, NVwZ 2002, 561, 563; Grewlich, DÖV 1998, 54, 55; Henneke, DÖV 1997, 768, 773; Murswiek, JZ 1988, 985, 988; Zur Flexibilität allgemein: BVerwGE 45, 309, 317; BVerwGE 75, 214, 231. 86 Vgl. G. F. Schuppert in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1509; ders., Der Staat 28 (1989), 91, 94 ff.; Lange, Staatliche Steuerung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive, in: König/Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 173 ff.; Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/ Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.),Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 68; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 42 ff.; Püttner, DÖV 1989, 137, 139; Schröder, NVwZ 1998, 1011. 87 Vgl. Lange, VerwArch 81 (1991), 1, 3. 88 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 71; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 270 ff.; Müggenborg, NVwZ 1990, 906, 915; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Hill, DVBl 1993, 973 ff.; Schneider, VerwArch 87 (1996), 38, 46; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 692. 89 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 27 ff.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 348 f. (öffentlich-rechtlicher Vertrag); Zum Mangel an Gesetzesakzeptanz vgl. Sendler, DÖV 1989, 482, 487. 90 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260. 91 Becker, DÖV 1985, 1003, 1004; Vgl. dazu auch: Püttner, DÖV 1989, 137, 139; Schulze-Fielitz in: Dose/Voigt (Hrsg.); Kooperatives Recht, 1995, S. 227; Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 239 f.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

formelle Absprache in besonderer Weise zur Findung individuell zugeschnittener, sachangemessener, verhältnismäßiger und effektiver Lösungen für komplexe Sachverhalte93, was wiederum auch zu einer Ersparnis von Aufwand und Kosten führt. Zudem weisen informelle Absprachen gegenüber formellen Handlungsinstrumenten wegen ihrer oftmals bedeutend schnelleren Umsetzbarkeit einen nicht zu unterschätzenden Zeitvorteil auf94. Kritiker bezeichnen dies als Scheinargument, da vielmehr das Gegenteil der Fall sei95. Dies ergebe sich u. a. aus dem Umstand, dass insbesondere normersetzende Absprachen nicht selten dazu führen, dass verabschiedungsreife Gesetzesentwürfe zurückgestellt werden96, um diese dann letztlich als Drohpotential im Rahmen einer nachfolgenden Absprache zu nutzen. Damit aber gehe die angestrebte Zeitersparnis verloren. Mag dies im Einzelfall durchaus zutreffend sein, so wird dennoch übersehen, dass mit Hilfe der Absprache äußerst flexibel und damit auch schneller auf sich zwischenzeitlich verändernde rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen reagiert werden kann. Zusätzlich ist einzuwenden, dass sich viele Gesetzgebungsverfahren oft über Jahre hinwegziehen und dennoch bereits im Entwurfsstadium scheitern. Es ist daher letztlich verfehlt, wenn aus dem Umstand, dass aus verschiedenster Motivation heraus Gesetzesentwürfe zurückgestellt werden, die Behauptung hergeleitet wird, informelle Absprachen würden zu einer zeitlichen Verzögerung führen. Den wenigen Ausnahmen kann daher auch der vorliegende Sachverhalt zumindest in seiner zeitlichen Dimension als Paradebeispiel entgegengehalten werden. Auch der Hinweis auf die mögliche Gefahr, dass durch die Berücksichtigung zu vieler Interessengruppen eine erhebliche Zeitverzögerung durch umfangreiche Verhandlungen eintritt, vermag im Ergebnis kaum zu überzeugen. Angesichts des staatlichen Drohpotentials (Normerlass) dürfte diese Befürchtung wohl eher theoretischer Natur sein. Zudem gilt es den Umstand zu berücksichtigen, dass die erhebliche Lobbyarbeit auch im Zusammenhang mit Gesetzesentwürfen zu nicht unerheblichen Verzögerungen führen kann. 92 Vgl. Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 80 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 516; Schneider, VerwArch 87 (1996), 38, 47; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 228; Henneke, DÖV 1997, 768, 773; Vgl. dazu auch: Bonk, NVwZ 1997, 320, 321; Hill, DVBl 1989, 321, 326. 93 Vgl. Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 6; Dazu auch: Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Gefahren, 1990, S. 43 ff. 94 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 252; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 692; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1026; Vgl. Kaiser, NJW 1971, 585, 586. 95 Dazu: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 103; Vgl. dazu auch Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 28 ff.; Murswiek, JZ 1988, 985, 988. 96 Vgl. dazu etwa das CO -Abkommen aus dem Jahre 1995, dem bereits der Ent2 wurf einer Wärmeschutzverordnung aus dem Jahre 1991 vorausging.

C. Die informelle Absprache als Ersatz

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In jedem Falle aber eignet sich die informelle Absprache in besonderer Weise zur Verwirklichung gemeinwohlorientierter Interessen durch staatlich induzierte private Aktivität97. Durch die für Private verstärkte Möglichkeit der Einflussnahme auf staatliche Entscheidungen98 und die gesteigerte Verknüpfung der Individualinteressen mit denen des Staates kann schließlich die Bereitschaft zur Befolgung staatlicher Vorgaben erhöht werden99. Dadurch wird zugleich der Gefahr begegnet, dass effektive und gemeininteressenorientierte staatliche Aufgabenwahrnehmung durch die Inanspruchnahme oft langjähriger gerichtlicher Verfahren (vgl. dazu auch oben) gefährdet und oft auch unmöglich gemacht wird. Die informelle Absprache wird daher im Ergebnis teilweise als „höchste Form einer gewaltlosen Wirtschaftspolitik“100 bezeichnet – sicherlich nicht zu Unrecht. Schlussendlich erweist sich der Einsatz informeller Absprachen für den Staat auch deshalb als vorteilhaft, weil er sein eigenes Handeln durch die Nutzung von privatem Sachverstand effektivieren kann. Dies gilt gerade im Bereich der normersetzenden Absprachen101, besitzen doch Private oft eine genauere Sachkenntnis als der Gesetzgeber selbst (trotz dessen sich immer mehr verstärkende Unterstützung durch sogenannte Sachverständige). Die Einbringung dieses Sachverstandes in die staatliche Willensbildung ermöglicht daher eine nicht unerhebliche Entlastung des Staates102 bei gleichzeitig zielgenauer und sachangemessener Problemsteuerung. Zweifelhaft hingegen ist, ob der Einsatz informeller Absprachen zu einer Reduzierung des Überwachungsbedarfs gegenüber dem Privaten führt. Zwar hat dieser ein natürliches Interesse an der Einhaltung der Absprache103, doch besteht dieses Interesse im Hinblick auf etwaige Rechtsfolgen auch bei formellen Verhaltensweisen.

97 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 238; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 79. 98 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 33; Hill, DVBl 1993, 973, 976: „Rückgabe von Souveränität“. 99 Schrader, DÖV 1990, 326, 328; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 79 ff.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 80; Bulling, DÖV 1989, 277, 288; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 6; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439 ff.; Hill, DVBl 1993, 973; Schneider, VerwArch 87 (1996), 38, 47; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 692; Grewlich, DÖV 1998, 54, 55. 100 Schlarmann, Die Wirtschaft als Partner des Staates, Diss. Hamburg, 1972, S. 160. 101 Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 915; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 110; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 29; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1026. 102 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 228; Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 239; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 202. 103 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 41.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

III. Nachteile und Gefahren des Missbrauchs informeller Absprachen Allen Vorzügen und positiven Aspekten informeller Absprachen zum Trotz, dürfen die Risiken und Gefahren, die der Einsatz derartiger Instrumente mit sich bringt, nicht außer Acht gelassen werden. Kritische Stimmen in der Literatur sehen insbesondere normersetzende (-vermeidende) Absprachen mit dem Makel der Kapitulation des Gesetzgebers vor schwierigen Gesetzgebungsprozessen behaftet, die dazu führe, dass der Staat unter Umständen Abstriche von einem bestimmten, ursprünglich zu erreichen gewesenen Regelungsniveau macht104. Zudem besäßen sie unweigerlich den Anschein der Korrumption, da an die Stelle der staatlichen Ordnungsmacht eine Händlermentalität trete105. Sind derartige Bedenken sicher nicht gänzlich von der Hand zu weisen, so ist dennoch eine gewisse Zurückhaltung geboten, bedenkt man nur den erheblichen Parlamentslobbyismus, der im Zusammenhang mit der Einbringung von Gesetzesentwürfen stattfindet106. Grundsätzlich besteht aber bei informellen Absprachen mehr noch als beim öffentlich-rechtlichen Vertrag die Gefahr, dass die zunächst gegenläufigen Interessen der an der Absprache beteiligten Parteien zu einer bloßen bipolaren Tauschbeziehung verkürzt werden107, was letztlich bis zum Verlust der Zielgröße Gemeinwohl führen kann108. Erschwerend kommt dabei die nicht selten mangelnde Öffentlichkeitsbeteiligung hinzu. Auch die zunächst als Vorteil herausgestellte Nutzung von privatem Sachverstand kann sich in diesem Zusammenhang als problematisch erweisen, weil dieser Sachverstand nicht zur Durchsetzung von öffentlichen, sondern allein der Wahrnehmung von Individualinteressen der an der Absprache beteiligten Subjekte dient. Neben dem Verlust an Transparenz109 besteht bei informellen Absprachen grundsätzlich die Gefahr, dass durch das uU. vorhandene erhebliche Drohpotential ein nichtkalkulierbares Machtinstrumentarium entstehen kann110. Die Möglichkeit des einseitigen Ausnutzens eines dadurch entstehenden Machtgefälles111 ist somit in gewissen Fall104 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 83; Vgl. auch Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 221. 105 Vgl. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 155; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 6. 106 Vgl. dazu die Vorgänge im Jahr 1999 um den Entwurf der EG-Altautorichtlinie; Dazu auch: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 89. 107 Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 152; Brohm, DVBl 1994, 133, 138. 108 Brohm, DVBl 1994, 133, 138. 109 Vgl. Scherer, DÖV 1991, 1, 3; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 230; Kirchhof, NJW 2001, 1332, 1333. Nicht zuletzt hierin bestand auch einer der wesentlichen Kritikpunkte, die der Absprache vom 08.11.2001 entgegengebracht wurde.

C. Die informelle Absprache als Ersatz

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konstellationen allgegenwärtig. Lecheler spricht in diesem Zusammenhang gar von einer bedrohlichen Nähe des Bürgers zur Verwaltung112. Auch im Hinblick auf Art. 3 GG ergeben sich erhebliche Bedenken, da die Gefahr besteht, dass unter Gefährdung von Drittpositionen und Verkürzung des Rechtsschutzes Dritter derjenige seine Interessen am besten durchsetzen kann, der über das größte Droh- und Tauschpotential verfügt („Kollaboration statt Kooperation“)113. Dass diese Befürchtung nicht gänzlich unbegründet ist, belegt deutlich das vorliegende Beispiel, in dem zwar die Interessen der VFA-Unternehmen berücksichtigt wurden, nicht aber die der Apotheker und Pharmagroßhändler. Im Gegensatz zum formellen Gesetz, bei dem eine erhebliche Vermutungswirkung zugunsten seiner Verfassungsmäßigkeit sprechen soll114, wird informellen Absprachen zudem vielfach vorgeworfen, dass sie die Gefahr des Entstehens von rechtsfreien Räumen begründeten („Flucht in die Informalität“)115. So würden sie häufig nicht nur gewählt, um institutionelle Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu unterwandern116, sondern um sich vielmehr auf einem heimlichen Umweg auch der Kontrolle durch die Gerichte zu entziehen117. Sendler spricht insoweit von der Schattenseite des Rechtsstaates118. Dadurch würden, so die Kritiker, gesetzliche Regelungen und Vorgaben relativiert und unterlaufen. Die Kraft des Faktischen führe damit letztendlich zu einer Schwächung der Kraft des Normativen119 – die Geltungskraft des Rechts werde marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen120. Im Ergebnis führe dies neben 110 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 51; Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 226. 111 BVerwGE 42, 331, 342; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 51; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 229. 112 Lecheler, BayVBl 1992, 545, 549. 113 Vgl. Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Risiken, 1990, S. 48; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 33; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 70; Bossong, Die Verwaltung 34 (2001), 145, 150 ff.; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229; Ladeur, VerwArch 86 (1995), 511, 520; Brohm, DVBl 1994, 133, 138; Schrader, DÖV 1990, 326, 329 f.; Vgl. auch: P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 163; Henneke, DÖV 1997, 768, 773 f. 114 Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 53. 115 Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Gefahren, 1990, S. 47; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 133; Lecheler, BayVBl 1992, 545, 549. 116 Kirchhof, NJW 2001, 1332, 1333. 117 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 346; Vgl. dazu: Bulling, DÖV 1989, 277; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 212 ff.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 232 f.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 69. 118 Sendler, DÖV 1989, 482, 486.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

einer Erschwerung der verfassungsrechtlich gebotenen Kontrolle der Gewalten zu einer Verkürzung des effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen, da die Absprache faktisch reale Veränderungen auf einem nur schwer kontrollierbaren, weil nicht-rechtsförmlichen Wege herbeiführt. Hinzu komme der Umstand, dass sich die Absprache im Ergebnis als rechtlich unverbindlich und daher gerichtlich nicht durchsetzbar erweise121. Schlussendlich aber ist zu hinterfragen, inwieweit die vorgebrachten Bedenken tatsächlich durchgreifen können. Sicherlich mag die Tatsache, dass die Absprache einen nicht-rechtsförmlichen Weg beschreitet, zu Unsicherheiten und erheblichen Schwierigkeiten bei der rechtlichen Fassbarkeit und Beurteilung führen. Nicht-rechtsförmlich bedeutet aber keineswegs nicht-rechtsförmig im Sinne eines Zuwiderlaufens gegen gesetzliche Bestimmungen und Vorgaben. Vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 GG muss auch die informelle Absprache grundsätzlich im Einklang mit geltendem Recht stehen. Damit aber kann es eine Flucht in die Informalität jedenfalls dann nicht geben, wenn diese der Umgehung zwingender gesetzlicher Wertungen dienen soll. Eine mögliche Motivation zur Flucht in die Absprache (wenn in diesem Zusammenhang überhaupt noch von Flucht gesprochen werden kann) ist allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Rechtsschutzverfahren zu erblicken122. Solange dem Einzelnen dadurch nicht die Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes abgeschnitten wird, ist diese Motivation jedoch durchaus legitim und kann der Effektivität staatlichen Handelns zuträglich sein. Diese Effektivität soll allerdings nach den Befürchtungen einiger Autoren aber in erheblichem Maße dadurch verloren gehen, dass die Absprachebeteiligten in der Praxis immer versuchen werden, auf Zeit zu spielen, um somit unter Umständen vollendete Tatsachen zu schaffen123. Insofern würden informelle Absprachen einen ambivalenten Charakter aufweisen124. Zudem sei die Effektivität von Absprachen schon hinsichtlich des angeblichen Zeitgewinns höchst 119 Vgl. dazu: Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 254; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 204 f.; Henneke, DÖV 1997, 768, 774; Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 82. 120 Kutscha in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 19. 121 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 233. 122 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 239. 123 Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 915; v. Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, 1983, S. 23 f., VerwArch 78 (1987), 241, 254; Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 3. 124 Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 256.

D. Einteilung von Absprachen

127

zweifelhaft125. Für die Gruppe der normersetzenden Absprachen folge dies aus der Notwendigkeit, dass im Falle des Bruchs der Absprache oder der ergebnislosen Einstellung von Verhandlungen dennoch ein Normsetzungsverfahren eingeleitet werden muss. Mögen derartige Bedenken teilweise durchaus ihre Berechtigung haben, so ist hiergegen dennoch einzuwenden, dass die befürchtete Hinhaltetaktik der Absprachebeteiligten in der Praxis wohl kaum vorkommen dürfte. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass dem privaten Absprachebeteiligten für den Fall des bewussten Hinauszögerns eines Verhandlungsergebnisses der (unerwünschte) Gesetzeserlass droht. Weiterhin tritt der befürchtete Zeitverlust auch im Falle des Scheiterns einer informellen Absprache nicht zwingend ein, da im Falle der Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens umfangreichere Ermittlungsarbeiten nicht mehr notwendig sind. Nicht unproblematisch ist die Tatsache, dass der entscheidende Vorteil der informellen Absprache – deren Flexibilität – sich in Teilen sogar als Nachteil darstellen kann, da hierdurch in gewisser Weise die Verlässlichkeit staatlicher Verhaltenserwartungen gemindert wird126. Insofern bedarf es eines sachgerechten Ausgleichs zwischen der Verwaltungseffizienz auf der einen und der Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen auf der anderen Seite127, was in erster Linie durch brauchbare Kriterien der rechtlichen Erfassbarkeit informeller Absprachen zu erfolgen hat. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Einsatz informeller Absprachen im Einzelfall nicht unproblematisch sein kann. Den begründeten Gefahren kann jedoch in hinreichendem Maße durch die Aufstellung konkreter Rechtmäßigkeitskriterien Rechnung getragen werden, so dass im Ergebnis die positiven Aspekte beim Einsatz informeller Absprachen überwiegen.

D. Einteilung von Absprachen Abgesehen von den unzähligen Absprachen, die bereits einer gesetzlichen Regelung zugeführt wurden, sind die hier interessierenden informellen Absprachen in den vielfältigsten Erscheinungsformen denkbar. Diese Vielfalt ist aber neben dem Aspekt der Flexibilität zugleich auch der Grund für ihre wachsende Beliebtheit auf allen Ebenen öffentlich-rechtlicher Tätigkeit, ermöglichen sie doch in einer großen Zahl denkbarer Fallkonstellationen situationsadäquates Vorgehen. 125

Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794. P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, § 59, Rz. 158. 127 Bonk, NVwZ 1997, 320, 322. 126

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Der Vielgestaltigkeit informeller Absprachen entsprechend, existiert mittlerweile auch eine Vielzahl diesbezüglicher Systematisierungsversuche128. Unter Berücksichtigung dieser Ansätze soll an dieser Stelle der Versuch einer systematischen Zuordnung einzelner Absprachetypen unternommen werden, da sich hieraus unter Umständen Hinweise für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001 ergeben können. Den Erläuterungen des 3. Kapitels folgend, sind hierbei in erster Linie nur solche Absprachen von Relevanz, die unter Beteiligung des Staates zustande kommen und hinsichtlich des Rechtsbindungswillens der Parteien ein gewisses Niveau nicht überschreiten. Im Ergebnis scheiden bei der nachfolgenden Betrachtung reine Verträge ebenso aus129 wie Verhaltensweisen Privater, die gänzlich ohne Mitwirkung des Staates oder ohne jedweden Bezug zum öffentlichen Recht zustande kommen. Ganz allgemein lassen sich informelle Absprachen zunächst anhand von fünf Kriterien einteilen: Nach den an der Absprache beteiligten Parteien, nach der Abstraktheit des der Absprache zugrunde liegenden Sachverhalts, nach den Auswirkungen für die Beteiligten, nach der Form des zu gestaltenden Rechtsverhältnisses sowie schließlich nach dem Grad und der Richtung der Absprachebeteiligung.

I. Zuordnung nach Beteiligten Ähnlich der Situation beim öffentlich-rechtlichen Vertrag können auch informelle Absprachen danach unterschieden werden, im welchen Verhältnis die an der Absprache beteiligten Rechtssubjekte zueinander stehen. Dementsprechend lässt sich zwischen Horizontal- und Vertikalabsprachen differenzieren130. 1. Vertikalabsprachen Gegenstand vertikaler Absprachen sind Sachverhalte, die im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Staat und Privatrechtssubjekt liegen131. Der Staat tritt hier als Träger hoheitlicher Befugnisse dem Bürger gegenüber, der hoheitliche Gewalt ausübt. Insoweit darf hier die Tatsache nicht darüber 128

Vgl. diesbezüglich insbesondere den Ansatz bei: v. Zezschwitz, JA 1978, 498. So aber Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 18. 130 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 51; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 145 f., Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027 f., Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 67; Vgl. Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 224. 131 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag vgl.: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 9. 129

D. Einteilung von Absprachen

129

hinwegtäuschen, dass es sich bei der Absprache um konsensuales Verwaltungshandeln handelt. Entscheidend ist allein, dass sich die Parteien außerhalb des konkreten Abspracheverhältnisses zueinander im Verhältnis der Über-Unterordnung befinden. Daher kann an der grundsätzlichen Einordnung einer Vereinbarung als vertikale Absprache auch die Freiwilligkeit des Bürgers nichts ändern. Nach den bisher aufgestellten Grundsätzen ist die Einordnung einer Absprache als vertikal hingegen abzulehnen, wenn sie zwischen Privaten untereinander nach bloßer Interessenabstimmung mit dem Staat erfolgt132. In vorliegendem Sachverhalt standen sich VFA und Bundesregierung außerhalb des konkreten Abspracheverhältnisses im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber, so dass die Vereinbarung vom 08.11.2001 als Vertikalabsprache zu qualifizieren ist. 2. Horizontalabsprachen Von Horizontalabsprachen spricht man dagegen immer dann, wenn die an der Absprache beteiligten Parteien außerhalb des konkreten Abspracheverhältnisses gleichgeordnet sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn auf beiden Seiten der Absprache Verwaltungsträger beteiligt sind. Im Zusammenhang mit informellen Absprachen zwar kaum denkbar, erscheint es jedoch auch im Hinblick auf die Problematik beim öffentlich-rechtlichen Vertrag durchaus denkbar, dass öffentlich-rechtliche informelle Absprachen auch zwischen Privaten geschlossen werden können133. Um Absprachen im vorgenannten Sinne handelt es sich in diesen Fällen jedoch dann nicht mehr, wenn diese gänzlich ohne Beteiligung des Staates zustande kommen. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Horizontal- oder Vertikalabsprache handelt, kann schließlich noch danach unterschieden werden, ob vor allem auf Seiten des Privaten die jeweilige Absprache unter Beteiligung von Einzelsubjekten oder, wie in vorliegendem Fall, über Verbände (z. B. Unternehmensverbände) erfolgt, das heißt, ob zur Umsetzung der Absprache noch weitere horizontale Interessenabstimmungen Privater erforderlich sind134. Diese nachgelagerten Interessenabstimmungen freilich sind dann regelmäßig nicht mehr als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.

132

Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001,

S. 67. 133 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag vgl.: BGHZ 32, 214; 35, 177; 56, 368; OVG Lüneburg, OVGE 27, 343. 134 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 19; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 69; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1026.

130

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

II. Zuordnung nach der Abstraktheit des der Absprache zugrundeliegenden Sachverhalts Neben der Unterscheidung hinsichtlich der beteiligten Personen können Absprachen auch hinsichtlich der Abstraktheit des der Absprache zugrundeliegenden Sachverhalts unterschieden werden. Ähnlich der Differenzierung zwischen Rechtsnorm und Verwaltungsakt kann sich eine Absprache im Einzelfall als abstrakt-generell oder aber als individuell-konkret darstellen. Auch Mischformen sind grundsätzlich denkbar. 1. Projektbezogene Absprachen Haben Absprachen einen individuell-konkreten Sachverhalt zum Gegenstand (z. B. Subventionsbewilligung, Sanierungsabsprache), so werden sie zumeist als sog. projektbezogene Absprachen135 bezeichnet, da sie sich auf ein konkretes Projekt beziehen. Überwiegend werden sie im Zusammenhang mit dem Vollzug einer bereits bestehenden Rechtsnorm getroffen (sog. normvollziehende Absprachen). 2. Regulative Absprachen Im Gegensatz zu den projektbezogenen Absprachen sind regulative Absprachen136 generell-abstrakt. Sie sind daher grundsätzlich auf der Ebene des Normerlasses (dazu sogleich) anzutreffen, indem sie den Erlass einer Rechtsnorm entweder vorbereiten oder diese sogar ganz ersetzen. 3. Normvollziehende, -vorbereitende und -ersetzende Absprachen Wird zur Differenzierung von Absprachen das Kriterium des Normbezugs gewählt, so lässt sich zwischen normvollziehenden, normvorbereitenden und normersetzenden Absprachen unterscheiden137. Dabei wiederum kann danach unterschieden werden, ob sich die jeweilige Absprache auf ein förmliches Gesetz, eine Rechtsverordnung oder eine Satzung bezieht. Als taugliches Abgrenzungskriterium kann im Übrigen auch der Gesichtspunkt dienen, ob sich die jeweilige informelle Absprache auf Bundes- oder Landesrecht bezieht oder ob sie sich vielmehr auf kommunal-rechtlicher Ebene bewegt. Die Zahl möglicher Zuord135 Vgl. dazu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 53; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 225; Kloepfer, JZ 1991, 738, 740. 136 Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 510 ff. 137 Vgl. Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 122; Oebbecke, DVBl 1986, 793; Scherer, DÖV 1991, 1.

D. Einteilung von Absprachen

131

nungskriterien ließe sich hier angesichts der Vielfalt informeller Absprachen beliebig fortführen. Entscheidend ist jedoch zunächst die Einteilung dahingehend, ob es sich um normvollziehende, normvorbereitende oder normersetzende (normvermeidende) Absprachen handelt. Normvollziehende Absprachen werden im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Rechtsnorm getroffen (meist Absprachen, die einen individuell-konkreten Sachverhalt zum Gegenstand haben138). Mittels derartiger Vereinbarungen werden oft in besonders effektiver und flexibler Weise Entscheidungen über Ziele und Inhalte, aber auch ganz grundsätzlich über das Ob, Wann und Wie der Durchführung staatlicher Maßnahmen getroffen139. Normvorbereitende Absprachen dagegen bewegen sich im Vorfeld des anstehenden Normerlasses. So haben sie sich beispielsweise im Rahmen vorbereitender Maßnahmen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen mittlerweile als beliebtes Instrument der Verwaltung etabliert. Bekanntes Beispiel einer normvorbereitenden Absprache auf Bundesebene sind die zwischen der Bundesregierung und den Betreibern der deutschen Atomkraftwerke stattgefundenen Gespräche zum Atomkonsens, der schließlich im Sommer 2001 unterzeichnet wurde140. Nicht selten werden Absprachen zwischen Privaten und dem Staat vor dem Hintergrund eines drohenden Normerlasses getroffen. In diesem Zusammenhang werden unter dem Begriff der normersetzenden Absprache141 (gleichbedeutend häufig auch als normvermeidend142, normvertretend143 oder normabwendend144 bezeichnet) grundsätzlich jene Absprachen verstanden, deren Ergebnis an die Stelle des ursprünglich geplanten Erlasses einer Rechtsnorm tritt. Während sich der private Absprachepartner zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, verzichtet im Gegenzug der Staat auf die zunächst angestrebte Rechtsetzung145, die ihm ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Verschiedentlich wird dabei dem 138

Vgl. Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 345. Scherer, DÖV 1991, 1, 2. 140 Vgl. dazu: Beilage 4, NVwZ 2000 sowie Langenfeld, DÖV 2000, 929 ff.; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111 ff. 141 Zum Begriff: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 15; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 98; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 98. 142 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 64; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, § 59, Rz. 158 ff. 143 Dazu: Wolf, Normvertretende Absprachen und normvorbereitende Diskurse in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 138 ff.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 14; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1112; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Oebbecke, DVBl 1986, 793; Becker, DÖV 1985, 1003, 1007; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343. 144 Vgl. Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 250 f. 139

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Begriff der normersetzenden Absprache Kritik dahingehend entgegengebracht, dass seine Verwendung die völlige Gleichwertigkeit der Absprache neben der ersetzten Norm implizieren, ihr sogar normative Kraft zukommen lassen würde. Insofern sei dieser Ausdruck verfehlt146. Mögen diese Einwände sicher nicht gänzlich von der Hand zu weisen sein, so sollte doch dem Begriff bei objektiver Betrachtung zunächst eine gewisse Wertungsfreiheit beigemessen werden. Andernfalls bestünde nur allzu leicht die Gefahr eines unerwünschten Rückschlusses von der reinen Begrifflichkeit auf davon zu trennende materielle Aspekte. Soweit im Folgenden der Begriff der normersetzenden Absprache verwendet wird, ist damit weder eine über den reinen Wortlaut hinausgehende Bedeutung noch eine inhaltliche Wertung verbunden. Ohne somit eine Aussage über etwaige Wirkungen zu treffen, bedeutet normersetzend im hier verwendeten Sinne allein die Vermeidung eines Normerlasses durch Treffen einer inhaltsgleichen oder -ähnlichen Vereinbarung. Auch im konkreten Fall ist die zu untersuchende Vereinbarung zwischen VFA und Bundesregierung als normersetzende informelle Absprache zu qualifizieren, da hierdurch eine (durch das BSSichG nunmehr erfolgte) Änderung des SGB V vermieden werden sollte. Bisher wurden normersetzende Absprachen fast ausschließlich unter Beteiligung der Exekutive getroffen (parlamentsgesetzersetzende Absprachen üblicherweise von der Bundesregierung oder einer Landesregierung147) – Absprachen unter Beteiligung der Legislative fristen daher (noch?) ein Schattendasein. In der Praxis sind vor allem rechtsverordnungsersetzende Absprachen zu verzeichnen148. Häufig werden jedoch auch horizontale Absprachen aufgrund politischen Drucks getroffen149, so dass es kaum verwundert, dass gesetzesabwendende Absprachen noch immer fast ausschließlich unter dem Stichwort Selbstbeschränkungsabkommen diskutiert werden150.

145 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 63; Brohm, DVBl 1994, 133. 146 Vgl. insbesondere: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 64; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 205 f. 147 Vgl. Becker, DÖV 1985, 1003, 1007. 148 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 77. 149 Vgl. dazu auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 198; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794. 150 Vgl. v. Zezschwitz, JA 1978, 497 ff.; Oebbecke, DVBl 1986, 793 ff.; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343 ff.; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 242 mwN.

D. Einteilung von Absprachen

133

4. Mischformen Auch Mischformen sind im Zusammenhang mit der Einteilung nach der Abstraktheit des zugrundeliegenden Sachverhalts grundsätzlich denkbar. Wie das Beispiel der Projektplanung im Bauplanungsrecht zeigt, existieren teilweise auch auf Normsetzungsebene Absprachen mit projektbezogenem Charakter151, also solche, die sowohl norm(er-)setzend als auch normvollziehend sind. Vor allem im Bereich der verordnungsersetzenden Absprachen sind derartige Formen besonders häufig anzutreffen. Auch der Absprache vom 08.11. 2001 kann zumindest in Ansätzen ein gewisser ambivalenter Charakter nicht abgesprochen werden, sofern man in ihr die teilweise Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V zu erkennen vermag.

III. Zuordnung nach den Auswirkungen für die Beteiligten In Anlehnung an den Verwaltungsakt bietet sich auch bei informellen Absprachen eine Unterscheidung hinsichtlich der Auswirkungen für die Beteiligten an. Eine diesbezügliche Differenzierung ist nicht zuletzt auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Absprachen (vor allem hinsichtlich ihrer Grundrechtsrelevanz) von einiger Bedeutung. 1. Begünstigende und belastende Absprachen Begünstigend sind solche Absprachen, die für das an der Absprache beteiligte Privatrechtssubjekt (auch) zu einem Vorteil führen. Unerheblich ist es dabei, ob dieser Vorteil von rechtlicher, wirtschaftlicher oder rein ideeller Natur ist. Durch belastende Absprachen dagegen werden dem Privaten Gebote, Verbote oder Pflichten auferlegt. Als Belastung erweist sich zudem auch die Aufhebung einer Vergünstigung. Rein begünstigende Absprachen existieren in der Praxis jedoch ebenso selten, wie rein belastende. Dies folgt aus dem Umstand, dass Absprachen nicht einseitig wirken, sondern nahezu ausschließlich auf einen gewissen Leistungsaustausch angelegt sind. Damit aber erhält der an der Absprache Beteiligte die gewünschte Begünstigung zumeist nur dann, wenn er zugleich die damit verbundenen, ihn belastenden Nachteile in Kauf nimmt. So konnte zwar in vorliegendem Fall die Pharmaindustrie durch die Absprache eine Belastung in der Größenordnung von mehr als DM 900 Mio. vermeiden152. Im Gegenzug aber 151

Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 54.

134

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

wurden die VFA-Unternehmen durch die Absprache, und darin liegt nunmehr ihre Belastung, zur Zahlung von DM 400 Mio. verpflichtet. Insofern besitzen Absprachen für den daran beteiligten Privaten fast ausnahmslos eine Doppelwirkung. 2. Drittbegünstigende Absprachen Ähnlich der Existenz eines (öffentlich-rechtlichen) Vertrags zugunsten Dritter gibt es auch informelle Absprachen, die drittbegünstigend wirken können, wie der vorliegende Fall zeigt. Die Absprache wurde zwar zwischen dem VFA auf der einen Seite und der Bundesregierung auf der anderen getroffen. Als Zahlungsempfänger waren jedoch in erster Linie die gesetzlichen Krankenkassen (auch) Nutznießer des ausgehandelten Ergebnisses. Mag die drittbegünstigende Absprache in mancher Hinsicht starke Ähnlichkeit mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter aufweisen, so muss dennoch die analoge Anwendbarkeit von § 328 Abs. 1 BGB (iVm. § 62 VwVfG) ausscheiden153: Gemäß § 328 BGB erwirbt der begünstigte Dritte gegen den Versprechenden ein unmittelbares Leistungsforderungsrecht154. Geht man aber von der rechtlichen Unverbindlichkeit informeller Absprachen aus155, so gelangt ein derartiges Forderungsrecht gar nicht erst zur Entstehung, unabhängig davon, gegen wen dieses gerichtet wäre. Allein im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von fehlgeschlagenen drittbegünstigenden Absprachen bietet sich ein näherer Vergleich mit der Problematik des (echten oder unechten) Vertrags zugunsten Dritter an156. 3. Drittbelastende Absprachen Bei drittbelastenden Absprachen ergibt sich die Problematik, dass das zwischen den Primärbeteiligten ausgehandelte Ergebnis nachteilige Folgen für die Rechte Dritter hat. Vor allem im Bereich von Sanierungsabsprachen ist dies häufig der Fall157. 152 Zu den hiermit verbundenen Folgeproblemen siehe auch Kapitel 6: B. II. 4. lit. a) „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“. 153 Generell zur Problematik der Zulässigkeit von Verträgen zugunsten Dritter im öffentlichen Recht: Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, Vor § 328, Rz. 3; Zur analogen Anwendbarkeit von § 62 VwVfG vgl. Kapitel 5: C. III. 9. „§ 62 VwVfG analog?“. 154 Vgl. dazu: Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, Vor § 328, Rz. 1; PalandtHeinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 328, Rz. 5. 155 Dazu Kapitel 3: K. I. 2., II. sowie unten F. II. 1. lit.a) „Rechtliche Bindungswirkung der informellen Absprache“. 156 Siehe hierzu auch Kapitel 8: „Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche?“.

D. Einteilung von Absprachen

135

Vorliegend ist eine mögliche (wenn auch vage) Drittbelastung der Beitragszahler innerhalb der GKV denkbar. Diese wurden, bedingt durch die Minderzahlung seitens der Pharmaindustrie, möglicherweise durch höhere Beitragssätze belastet oder konnten nicht an Beitragssenkungen partizipieren. Einzuräumen ist dabei allerdings, dass eine Kausalität zwischen Absprache, unterbliebener gesetzlicher Regelung und Belastung des Beitragszahlers in keiner Weise nachweisbar ist, so dass die Annahme eines hinreichend bestimmten Nachteils nicht mehr als ein Denkmodell bleibt.

IV. Zuordnung nach der Form des zu gestaltenden Rechtsverhältnisses Schließlich können informelle Absprachen noch nach der Form des zu gestaltenden Rechtsverhältnisses unterschieden werden. Wichtig kann diese Einteilung vor allem im Zusammenhang mit einer möglichen analogen Anwendung der §§ 55, 56 VwVfG auf informelle Absprachen sein. 1. Austauschabsprachen Im Rahmen von Austauschabsprachen wird von den Beteiligten ein Leistungsaustausch vereinbart. Damit ist die Austauschabsprache mit dem Austauschvertrag (vgl. § 56 VwVfG) in mancher Hinsicht vergleichbar158. Der Begriff der Leistung ist dabei in denkbar weitem Sinne zu verstehen, so dass grundsätzlich auch ein Unterlassen (vorliegend in Form des Gesetzgebungsverzichts seitens der Bundesregierung) als absprachetaugliches Leistungsversprechen in Betracht kommt159. Leistung und Gegenleistung stehen im Rahmen von Austauschabsprachen im Gegenseitigkeitsverhältnis, da die eigene Leistung nur um der anderen Willen erbracht wird. 2. Vergleichsabsprachen Absprachen können ebenso getroffen werden, um Unsicherheiten oder Zweifel über die bestehende Sach- oder Rechtslage auszuräumen160. Auch hier bestehen daher wiederum deutliche Parallelen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag, 157

Vgl. OVG Berlin, NVwZ 1985, 756 ff. Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 156. 159 Vgl. dazu insbesondere: Baudenbacher, JZ 1988, 689 f.; Vgl. Bohne, Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug in: Blankenburg/Lenk (Hrsg.), Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 7 (1980), S. 44; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 122 ff. 158

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

so dass vielfach die analoge Anwendbarkeit der diesbezüglichen Bestimmungen (vgl. § 55 VwVfG) vorgeschlagen wird161. Nach der Auffassung Bohnes soll neben die Formen der Austausch- und Vergleichsabsprache zudem noch der Typus der einfachen Absprache treten, mittels derer Bestimmungen hinsichtlich Ziel und Durchführungsmodalitäten einer außerhalb der Absprache liegenden Maßnahme getroffen werden162. Ein weitergehender Erklärungswert ist mit dieser Differenzierung jedoch nicht verbunden.

V. Zuordnung nach dem Grad und der Richtung der Absprachebeteiligung Eine weitere Möglichkeit der Differenzierung von Absprachen bietet sich weiterhin nach dem Grad der Absprachebeteiligung. Je nachdem, ob der Staat direkter Absprachepartner ist oder ob er sich vielmehr darauf beschränkt, auf die an der Absprache beteiligten Privatrechtssubjekte fördernd und inspirierend einzuwirken, kann zwischen offen einseitigen und offen zweiseitigen Vereinbarungen unterschieden werden. Zum anderen kann zwischen regelungsersetzenden und regelungsvorbereitenden Absprachen differenziert werden (Richtung der Absprachebeteiligung), je nachdem ob mittels der Absprache Rechtsfolgeentscheidungen ersetzt oder lediglich vorbereitet werden sollen. 1. Offen einseitige Vereinbarungen Häufig geben einzelne Unternehmen oder für diese stellvertretend ganze Unternehmensverbände öffentlich sog. Selbstverpflichtungserklärungen163 ab. Durch diese Selbstverpflichtungen erklären sich die Beteiligten öffentlich zu einem bestimmten Verhalten bereit, zu dem sie sich meist vorher im Rahmen 160 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 75; ders., Informales Verwaltungshandeln im Gesetzesvollzug in: Blankenburg/Lenk (Hrsg.), Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 7 (1980), S. 44; AA.: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 146, 212. 161 Vgl. dazu: Kapitel 5: C.III.3.: „Vergleichsabsprache, § 55 VwVfG analog?“; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 232 f. 162 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 75. 163 Dazu: Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 513 ff. mwN.; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 177 ff.; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220 ff.; Di Fabio, JZ 1997, 969 ff.; Vgl. dazu auch unten: VI. 2. „Selbstbeschränkungsabkommen“.

D. Einteilung von Absprachen

137

einer Absprache gegenüber dem Staat verpflichtet haben. Aus diesem Grunde stellen sich derartige Erklärungen häufig lediglich als Vollzugshandlung der eigentlichen Absprache dar164. Durch diesen Verschleierungseffekt leisten sie daher nicht selten wertvolle PR-Arbeit für die beteiligten Unternehmen, die sich in der Öffentlichkeit als Selbstverpflichter präsentieren können. 2. Zweiseitige Vereinbarungen Im Gegensatz zu den besprochenen offen einseitigen Vereinbarungen sind im Rahmen von offen zweiseitigen Vereinbarungen Staat und Privater unmittelbar an der Absprache Beteiligte. Beispielhaft sei hier die Vereinbarung der Bundesregierung mit den Betreibern der deutschen Atomkraftwerke zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie erwähnt. 3. Regelungsersetzende Absprachen Grundsätzlich können an die Stelle geltender rechtlicher Regelungen ganz oder teilweise informelle Absprachen treten. Neben den bereits besprochenen normersetzenden Absprachen existieren aber auch solche, die eine Einzelfallregelung (beispielsweise in Form eines Verwaltungsakts) ersetzen. Die behördliche Leistung besteht in diesem Falle dann nicht im Nicht-Erlass einer Norm, sondern in der Unterlassung der angestrebten und möglichen Einzelfallregelung. Oft werden auch Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt durch eine informelle Absprache ersetzt. 4. Regelungsvorbereitende Absprachen Ebenso wie eine rechtliche Regelung ersetzt oder modifiziert werden kann, so können Absprachen auch dazu dienen, Regelungen vorzubereiten. Sinnvoll ist ihr Einsatz vor allem dann, wenn ein erhöhtes Maß an Flexibilität aufgrund der Komplexität des Sachverhalts gefragt ist, weil beispielsweise entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen (vgl. diesbezüglich die Situation bis zum Inkrafttreten des § 71e VwVfG). Regelungsvorbereitende Absprachen können reine Verfahrensfragen zum Gegenstand haben, anhand dieser dann ein nachfolgendes förmliches Verfahren durchgeführt wird. Andererseits aber bietet sich mit der Absprache für die Beteiligten die Möglichkeit, sich hinsichtlich eines nachfolgenden Verfahrens schon vorab auf einen bestimmten Inhalt festzulegen, der dann in den förmlichen Rechtsakt bzw. die zu erlassende Regelung Eingang findet165. 164

S. 73.

Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001,

138

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

5. Realaktsersetzende/-vorbereitende Absprachen166 Schließlich können der vorstehenden Einteilung entsprechend auch solche Absprachen unterschieden werden, die keine Rechtsfolgenentscheidungen zum Gegenstand haben, sondern sich vielmehr auf nachfolgende oder zu unterlassende Realakte beziehen.

VI. Sonstige Formen Neben den vorgenannten Abspracheformen existiert in der Praxis noch eine Vielzahl anderer Typen und Sonderformen, die sich allerdings ebenso in die dargestellte Systematik einordnen lassen. In der Literatur werden dabei vor allem Duldungs- und Sanierungsabsprachen, Selbstbeschränkungsabkommen167, Vorverhandlungen168, die Vorabzuleitung von Entscheidungsentwürfen169 sowie Arrangements und Agreements diskutiert, um hier nur einige Formen beispielhaft aufzählen zu wollen. Nachstehend sind dabei vor allem Duldungsabsprache, Selbstbeschränkungsabkommen und gentlemens agreement von erhöhtem Interesse, so dass diese in einem kurzen Überblick näher betrachtet werden sollen. 1. Duldungsabsprachen Die Gegenleistung der Behörde kann neben einem aktiven Tun grundsätzlich auch in einem Unterlassen bestehen, wobei dieses Unterlassen regelmäßig in der Duldung eines bestimmten Zustandes oder Verhaltens des Absprachepartners liegen wird170. Im Rahmen einer Duldungsabsprache verpflichtet sich die Behörde, gegen einen derartigen rechtswidrigen Zustand oder das rechtswidrige Verhalten nicht mit den ihr grundsätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln einzuschreiten171, obwohl sie aktuell die Möglichkeit besäße. Im Gegenzug sichert 165

Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 52 f. Vgl. dazu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 58 f. 167 Dazu insbesondere: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 49 ff.; Baudenbacher, JZ 1988, 689 ff.; v. Zezschwitz, JA 1978, 497 ff.; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, § 59, Rz. 158. 168 Dazu: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 51 ff.; Bulling; DÖV 1989, 277, 280. 169 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 62; Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 128; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 155. 170 Dazu: Henneke, NuR 1991, 267, 270; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 820; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 188 ff. 171 Zum strafrechtlichen Aspekt: vgl. LG Bonn, NStZ 1988, 224 f.; Gentzcke, Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht, 1990. 166

D. Einteilung von Absprachen

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der beteiligte (private) Absprachepartner seinerseits ein bestimmtes Verhalten zu. Dieses kann einerseits in einem bestimmten aktiven Tun bestehen (z. B. im Rahmen einer Sanierungsabsprache), andererseits auch ein Unterlassen (z. B. Nicht-Einlegen von Rechtsmitteln gegen eine bestimmte Entscheidung der Behörde) sein. Duldungsabsprachen sind in der Rechtspraxis häufig im Bau-172, Versammlungs-, Straßenverkehrs- und Umweltrecht173 anzutreffen. Die Duldung kann dabei von Dauer sein oder nur auf Zeit angestrebt werden174. 2. Selbstbeschränkungsabkommen Im Rahmen von Selbstbeschränkungsabkommen175 verpflichten sich Private untereinander (meist Unternehmen oder Unternehmensverbände) zur Auferlegung von bestimmten Beschränkungen des eigenen Handlungsspielraumes. Meist verzichtet die Industrie dabei auf die Verwendung bestimmter Stoffe bei der Produktion, auf die Überschreitung festgelegter Emissionsobergrenzen oder auf die Nutzung bestimmter Werbemedien. Damit sind Selbstbeschränkungsabkommen aber nicht nur aus öffentlich-rechtlicher Perspektive von Relevanz, sondern vielmehr in erheblichem Maße auch aus wettbewerbs- und kartellrechtlicher Sicht (vgl. § 1 GWB, Art. 81 EG) bedeutsam176. Der Staat ist an derartigen Abkommen zumeist nur mittelbar beteiligt, indem er die Industrie zum Abschluss inspiriert oder sonst in fördernder Weise einwirkt. Dies kann beispielsweise in der Form geschehen, dass die jeweils zuständige Behörde als „Gegenleistung“ für den Abschluss eines Selbstbeschränkungsabkommens auf eine gesetzliche Zementierung des Beschränkungsinhalts verzichtet. Damit aber zeigt sich, dass neben dem rein horizontalen Aspekt von Selbstbeschränkungsabkommen auch der vertikale nicht zu vernachlässigen ist. Bedingt durch die Möglichkeit des jederzeitigen Normerlasses besitzt der Staat ein erhebliches Drohpotential, das die Freiwilligkeit derartiger Abkommen oft mehr als fraglich erscheinen lässt. Insofern ist der vielfach geprägte Begriff vom staatlich inspirierten Selbstbeschränkungsabkommen häufig wenig passend. Überdies ist deren Zuordnung zur Gruppe der informellen Absprachen irreführend und damit mehr als fraglich. Erweist sich das Abkommen lediglich als Vollzugshandlung einer vorangegangenen Absprache, so kommt ihm keine selb-

172 173 174 175 176

Bulling, DÖV 1989, 277, 282. Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 189. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S.65. Dazu auch oben V. 1. („offen einseitige Vereinbarungen“). Vgl. dazu insbesondere auch: Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl. 1999, S. 35 ff.

140

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

ständige Bedeutung zu. Von einer informellen Absprache im hier gemeinten Sinne kann daher keine Rede sein. Ging dem Abkommen hingegen keine Absprache voraus, so sind die unmittelbaren Akteure ausschließlich Privatrechtssubjekte. Die Beziehung zum Staat geschieht in diesem Falle lediglich auf intellektueller Ebene im Sinne eines mittelbaren Einflusses. Der im 3. Kapitel herausgebildeten Definition folgend handelt es sich daher auch in diesem Falle nicht um eine Absprache im vorgenannten Sinne177. 3. Arrangement und gentlemens agreement als eigene Kategorie? Der Begriff des Arrangements wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Vielfach werden darunter mündliche Absprachen zwischen Behörde und Bürger verstanden, die verbindlich gemeint sind, im Falle ihrer Nichteinhaltung hingegen sanktionslos bleiben sollen178. Damit aber kommt dem Begriff des Arrangements gegenüber dem der informellen Absprache keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Nach anderer Auffassung besteht zwischen beiden Begriffen ein Rangigkeit dergestalt, dass sie unterschiedliche Grade der Verbindlichkeit bezeichnen. Wenn jedoch sowohl Absprache als auch Arrangement rechtsunverbindlich bleiben sollen, so kann es diesbezüglich auch keine verschiedenen Stufen geben179. Verbleibt allein die Möglichkeit, Absprachen und Arrangements hinsichtlich ihrer faktischen Bindungswirkung zu unterscheiden. Einerseits ist dann aber fraglich, wie eine derartige Differenzierung in die Praxis umzusetzen ist. Zum anderen bleibt im Dunkeln, was dann mit dieser Terminologie überhaupt gewonnen sein soll. Insofern ist eine neuerliche Unterteilung nicht nur überflüssig180, sondern sogar irreführend. Auch der Begriff des gentlemens agreements wird im Gebrauch nicht einheitlich verwendet. Einer Auffassung zufolge besteht kein rechtlicher Unterschied zwischen dem agreement und dem unbewehrten öffentlich-rechtlichen Vertrag181. Nach anderer Auffassung steht agreement als Synonym für Selbstbeschränkungsabkommen. Überwiegend wird unter agreement jedoch eine Erklä-

177 Vgl. auch: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 65. 178 Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 333; ähnlich ders., Kloepfer, JZ 1991, 737, 739. 179 Generelle Stufung der rechtlichen Bindung ablehnend: Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 180 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 68. 181 Bulling, DÖV 1989, 277, 287.

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

141

rung unter Ehrenmännern182 verstanden, bei der eine Einigung auf ein bestimmtes Verhalten unter gleichzeitigem Verzicht auf die Anwendung einer konkreten Rechtsordnung erzielt wird. Damit aber sind bereits die Merkmale der informellen Absprache umschrieben. Oft wird agreement daher auch als Alternativbegriff für Arrangement gebraucht183. Ein eigenständiger Erklärungsgehalt kommt ihm indes nicht zu. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn unter agreement ein Arrangement (bzw. eine Absprache) in schriftlicher Form verstanden wird184. Auch wenn die Schriftform im Einzelfall eine durchaus höhere faktische Bindungswirkung hervorzurufen vermag185 als dies bei mündlichen Absprachen der Fall ist, so ist wiederum nicht einsichtig, was mit dieser Unterscheidung wirklich gewonnen ist, zumal der Begriff der informellen Absprache ohne Weiteres auch diese Erscheinungsform umfasst. Insofern kann auch hier auf die Ausführungen zum Arrangement verwiesen werden.

E. Rechtliche und rechtstatsächliche Relevanz von informellen Absprachen Ungeachtet der Tatsache, dass informellen Absprachen hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit noch immer teilweise grundlegende Bedenken entgegengebracht werden, darf dennoch nicht der Umstand übersehen werden, dass immer wieder Beispiele informellen Handelns bekannt wurden, in denen nicht nur die Verwaltung, sondern vielmehr höchste Regierungskreise beteiligt waren. Informellen Absprachen kommt im Ergebnis eine viel höhere rechtliche und tatsächliche Relevanz zu, als dies auf den ersten Blick möglich erscheint.

I. Rechtliche Bedeutung Die Vorzüge und Nachteile informeller Absprachen sind bereits ausführlich erläutert worden, so dass auf ihre rechtliche Relevanz an dieser Stelle nunmehr nur noch kurz eingegangen werden soll.

182

Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 25; Vgl. Scherer, DÖV 1991,

1, 3. 183

Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439; Berg, Die Verwaltung 9 (1976), 161,

186. 184 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 18; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 69; Bulling, DÖV 1989, 277, 280. 185 So wohl auch Bulling, DÖV 1989, 277, 281, der in der Schriftlichkeit einen stärkeren Öffentlichkeitsbezug sieht. Der vorprogrammierte öffentliche Eklat im Falle des Bruchs eines agreements soll auf Seiten der Absprachepartner zu einer stärkeren faktischen Bindung führen.

142

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Wie bereits gesehen, existieren informelle Absprachen mittlerweile in nahezu allen Rechtsgebieten186. Verstärkt wird diese Entwicklung zumeist durch den Umstand, dass die bisherigen Handlungsformen aufgrund ihrer mangelnden Flexibilität oft nicht geeignet sind, den rechtlichen Herausforderungen, die eine moderne und komplexe Gesellschaft mit sich bringt, wirksam begegnen zu können187. Dagegen kann ein Gebot zur Wahl der Absprache anstelle einer einseitigen hoheitlichen Maßnahme aus den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips188 kaum hergeleitet werden. Das grundrechtlich geprägte Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat ergibt zwar das grundsätzliche Erfordernis, den Bürger in gewissem Rahmen in den staatlichen Entscheidungsprozess einzubeziehen189. Hinsichtlich der Entscheidung, auf welche Weise dies zu realisieren ist, steht dem Staat jedoch ein großer Handlungs- und Ermessensspielraum zu. Da die informelle Absprache zudem gegenüber den formellen Handlungsinstrumenten kein minus, sondern aliud ist, besteht daher im Ergebnis keine Pflicht zur Wahl der Absprache.

II. Tatsächliche Bedeutung: Beispiele aus der bisherigen Praxis Die zunehmende Beliebtheit informeller Absprachen auf nahezu allen Ebenen staatlichen Handelns hat dazu geführt, dass mittlerweile eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Absprachen und diesbezüglicher Erklärungen existiert190. Die nachstehenden Ausführungen erheben aus diesem Grunde auch nicht Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen vielmehr nur beispielhaft die tatsächliche Bedeutung informeller Absprachen belegen. 1. Bundesrepublik Deutschland a) „Kohle-Erdölkartell“191 Als sich die deutsche Kohleindustrie Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts einer schweren Absatzkrise gegenübersah, versuchte man zunächst durch staatliche Intervention, die Situation nach bewährter Art – u. a. mittels einer Kontingentierung der Einfuhr von Importkohle sowie der Erhebung eines 186

Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547. AA. trotz Anerkennung der Unverzichtbarkeit wohl Lecheler, BayVBl 1992, 545, 549; Vgl. zu den Vorteilen informeller Absprache: oben: A. III. 188 Im Ansatz: Bulling, DÖV 1989, 277, 289; Becker, DÖV 1985, 1003, 1007. 189 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 418 f. 190 Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 914; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 21 mwN.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 3 ff.; Brohm, DVBl 1994, 133. 187

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

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Kohlezolls – zu bewältigen. Die Absatz- und Anpassungsschwierigkeiten der Branche konnten jedoch nicht behoben werden, vielmehr verschärfte sich die Krise Anfang des Jahres 1958 noch zusätzlich. Auf massiven Druck des Bundeswirtschaftsministeriums (unter Androhung einer Mineralölsteuererhöhung) hin, bildeten am 20.12.1958 mehrere Unternehmen aus der Mineralölwirtschaft und dem Steinkohlebergbau ein Konjunkturkrisenkartell mit dem Zweck, einer weiteren Expansion schweren Heizöls auf dem Energiemarkt entgegenzuwirken. Dies sollte vorrangig durch die Festlegung von Einheitspreisen für Heizöl erreicht werden. Die Kartellmitglieder verpflichteten sich in diesem Zusammenhang zu einer Veröffentlichung von Preislisten und zur Unterlassung jeglicher Form der Konkurrenzpreisunterbietung. Am 17.02.1959 wurde das Kartell durch Ministererlaubnis gemäß § 8 GWB genehmigt. Bereits ein halbes Jahr später, am 12.08.1959 wurde das Abkommen jedoch von den beteiligten Unternehmen mit der Begründung gekündigt, der volkswirtschaftliche Zweck habe sich nicht erfüllt192. Tatsächlich jedoch zerbrach das Kartell an Außenseitern, die eine wirksame Unterbindung des Preiswettbewerbs verhinderten. b) Selbstbeschränkungsabkommen der pharmazeutischen Industrie, 1975, 1977 Der Bereich des Gesundheitswesens war bisher traditionell von einer starken Lobbyarbeit geprägt. Informelle Absprachen dagegen wurden bisher nur in beschränktem Umfang bekannt. Beispielhaft seien hier die Abkommen des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie in den Jahren 1975 bis 1977 zu erwähnen, die hauptsächlich vor dem Hintergrund einer effektiven Kostendämpfung im Gesundheitswesen sowie zur Begrenzung der Heilmittelwerbung in den Printmedien getroffen wurden193. c) Absprache zur Reduktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, 1976/77 Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden Verhandlungen zwischen dem Bundesumweltministerium und der Industriegemeinschaft Aerosole e. V. (IGA) mit dem Ziel aufgenommen, die Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) deutlich zu verringern. Bis zu diesem Zeitpunkt kamen die FCKW hauptsächlich als Kältemittel in Klimaanlagen, Kühl191 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 3; Biedenkopf, BB 1966, 1113 ff.; v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 498; Scherer, DÖV 1991, 1, 2; Kaiser, NJW 1971, 585; Baudenbacher, JZ 1988, 689. 192 Vgl. v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 498. 193 Dazu auch: Becker, DÖV 1985, 1003, 1006.

144

4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

schränken und Gefriergeräten, als Lösungs- und Reinigungsmittel sowie als Treibgas in Sprayflaschen zum Einsatz. Bald erkannte man jedoch, dass FCKW für den fortschreitenden Abbau der Ozonschicht und der damit verbundenen Zunahme des Treibhauseffekts in erheblicher Weise mitverursachend sind, so dass die Verwendung dieser Stoffe zunehmend in die Kritik von Öffentlichkeit und Politik geriet. Im Ergebnis der Verhandlungen sagte seitens der Industrie die IGA als Verhandlungsführerin eine Verringerung des FCKW-Verbrauchs bis 1979 um 30% zu194. Im Gegenzug verzichtete die Bundesregierung auf die zunächst avisierte gesetzliche Normierung der Verringerung des Einsatzes von FCKW. Nachdem sich aber schließlich aufgrund zunehmender wissenschaftlicher Erkenntnisse der Verdacht erhärtete, dass die Verwendung von FCKW in weitaus größerem Maße umweltschädlich ist, als bislang angenommen wurde, sah sich die Bundesregierung in den achtziger Jahren schließlich veranlasst, die weitere Reduzierung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen zu forcieren. So kam es im Jahre 1987 im Ergebnis erneuter Verhandlungen zwischen der IGA und der Bundesregierung wiederum zu einem Abkommen, das eine nochmalige Verringerung der Verwendung von FCKW bis 1988 um 35% vorsah. Gegenüber dem Vergleichsjahr 1976 entsprach dies letztlich einer Reduzierung von insgesamt 75%. Ein Jahr später sollte bereits eine Verringerungsquote von 90% gegenüber 1976 erreicht werden195. Die Absprache wurde seitens der Industrie vollumfänglich eingehalten: Wurden 1980 etwa noch 36.000 Tonnen verbraucht, so waren es bereits im Jahre 1989 „nur“ noch 2.600 Tonnen196. Ungeachtet dieser Tatsache forderte der Deutsche Bundestag schon bald eine weitere Reduzierung der FCKW-Verwendung auf 1.000 Tonnen ab dem Jahre 1990. Diese Forderung wurde vom IGA entschieden zurückgewiesen. In der Folge wurde im Rahmen der 2. BImSchV die Verwendung von FCKW zunächst eingeschränkt, schließlich aber die Verwendung von FCKW als Treibgas in Sprayflaschen durch den Erlass der FCKW-Halon-Verbotsverordnung197 im Jahre 1991 gänzlich verboten. Zeitgleich erklärte sich die Industrie jedoch bereit, über die in der Verordnung vor-

194 Nach Lautenbach/Steger/Weihrauch, Evaluierung freiwilliger Branchenvereinbarungen im Umweltschutz, 1992, S. 61 ff. 195 Dazu: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 23; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 80. 196 Nach Lautenbach/Steger/Weihrauch, Evaluierung freiwilliger Branchenvereinbarungen im Umweltschutz, 1992, S. 69; Vgl. hierzu auch die Analyse bei: Clemens, Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen der Wirtschaft im Umweltschutz, 1998, S. 7 f. 197 Verordnung zum Verbot von bestimmten die Ozonschicht abbauenden Halogenkohlenwasserstoffen (FCKW-Halon-Verbotsverordnung) vom 06. Mai 1991, BGBl. I S. 1090.

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

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gesehenen Regelung hinaus bis zum Jahre 1995 die Produktion von FCKW gänzlich einzustellen198. d) Spielautomatenabsprache, 1989 Zu Beginn der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erlebten Betreiber und Hersteller von Spielautomaten einen enormen Aufschwung. Spielhallen mit immer raffinierteren Automaten entstanden in großer Zahl vor allem in Innenstadtbereichen, so dass schließlich sogar städteplanerische Befürchtungen im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Stadt- und Straßenbildes laut wurden. Neben der Gefahr der Vertreibung traditioneller Einzelhandelsbetriebe aus den Innenstädten sah man sich zudem einer erheblichen Jugendgefährdung sowie einer nicht zu vernachlässigenden Bedrohung durch die wachsende Umfeldkriminalität gegenüber199. Die diesbezüglichen Bedenken veranlassten schließlich den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung zu Verhandlungen mit der Automatenwirtschaft aufzufordern, um Letztere zu einem Selbstbeschränkungsabkommen mit dem Ziel der Verringerung der von Spielautomaten ausgehenden Sucht- und Jugendschutzgefahren zu bewegen. In der Folge kam es zu intensiven Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft, dem Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sowie der Automatenwirtschaft. Im Ergebnis dieser Verhandlungen kam es am 15.11.1989 zum Abschluss von zwei Vereinbarungen200. Inhalt dieser Abkommen war einerseits die Selbstbeschränkung auf schärfere Anforderungen hinsichtlich der Bauart von Geldspielautomaten, die über die Bauartzulassung gemäß der SpielV hinausgehen. Dabei wurden insbesondere Regelungen zur Risikobegrenzung, hinsichtlich der Einschränkung des Münzspeichers sowie zur Zwangsabschaltung bei Dauerbetrieb getroffen. Die zweite Absprache betraf die Aufstellung von Unterhaltungsautomaten mit Geldgewinnen. Sie beinhaltete insbesondere auch Regelungen zur Werbung, zur Verhinderung des gleichzeitigen Bespielens mehrerer Automaten sowie hinsichtlich der Fassadengestaltung von Spielhallen.

198 199 200

Kloepfer, JZ 1991, 737, 740. Dazu: BT-Drucks. 11/3999, S. 2. Vgl. Bericht der Bundesregierung: BT-Drucks. 11/6224, S. 2 ff.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

e) CO2-Abkommen, 1995 Neben den bereits angesprochenen Abkommen zur Reduktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen sind im Bereich des Klimaschutzes vor allem noch die Absprachen zur Verringerung von CO2-Emmissionen zu erwähnen. Vor dem Hintergrund einer beschleunigten globalen Erwärmung geriet rasch der zunehmende Ausstoß von CO2-haltigen Industrieabgasen in den Mittelpunkt des Interesses der Klimaschützer. Auch die deutsche Bundesregierung sah sich bald veranlasst, eine aktivere Rolle zu übernehmen. Ihre Zielvorgabe aus dem Jahre 1990 sah daher eine Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxyd in Deutschland bis zum Jahre 2005 um 25–30% gegenüber dem Stand von 1987 vor. Dies jedoch stieß auf erbitterten Widerstand seitens der Industrie, die ihre ohnehin schon geschwächte Wettbewerbsfähigkeit nunmehr durch höhere Kosten zusätzlich in Gefahr sah. Daher wurden in der Folge unter Führung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) intensive Verhandlungen mit der Bundesregierung geführt. Diese mündeten schließlich im Jahre 1995 in der Erklärung der deutschen Wirtschaft, besondere Anstrengungen unternehmen zu wollen, den Ausstoß von CO2-haltigen Abgasen gegenüber 1987 um bis zu 20% verringern zu wollen. Im Gegenzug erklärte sich die Bundesregierung bereit, einseitige Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele zu unterlassen und der angelaufenen Privatinitiative den Vorrang vor ordnungsrechtlichen und fiskalischen Maßnahmen zu gewähren. Aufgrund der Probleme, die mit der Überwachung der Selbstverpflichtung einhergingen, bemängelte schließlich das Umweltbundesamt die gewählte Verfahrensweise. Dies führte zu einer aktualisierten Erklärung der deutschen Wirtschaft im Jahre 1996. Neben der Verlegung des Basisjahrs von 1987 auf 1990 und der Einbeziehung weiterer Wirtschaftsverbände sah diese Erklärung u. a. auch präzisere Formulierungen hinsichtlich der zu erreichenden Reduktionsmenge vor. Im Gegenzug sah die Bundesregierung von der Einführung einer CO2-Steuer sowie der geplanten Wärmenutzungsverordnung zunächst ab. Nach dem Regierungswechsel im Jahre 1998 verfolgte die neue Bundesregierung den Weg der Selbstbeschränkungsabkommen auf diesem Sektor nicht weiter, sondern setzte vielmehr auf die Einführung einer (wohl vornehmlich fiskalischen Zwecken dienenden) Ökosteuer201. Infolge heftigen Widerstands seitens der Industrie wurden jedoch in der endgültigen Gesetzesfassung weitreichende Ausnahmen für energieintensive Betriebe vorgesehen.

201 Dazu insbesondere auch: Drozda/Storm, NJW 1999, 2333 ff.; Hey, NJW 2000, 640 ff.

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

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f) Altautorücknahme, 1995 202 Im Zusammenhang mit einem gesteigerten Umweltbewusstsein Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts richtete sich das politische Augenmerk schließlich auch auf die Verwertung von Altautos. Insbesondere wurden die dabei anfallenden Kunststoffrückstände zunehmend als Problem erkannt, da sie zumeist nur auf Deponien entsorgt werden konnten. Aus diesem Grunde plante man bereits im Jahre 1990 die Einführung einer Pflicht zur kostenlosen Rücknahme der Kfz durch die Hersteller. Ein erster Entwurf einer darauf zielenden Rechtsverordnung wurde sodann im Jahre 1992 vorgelegt. Zusätzlich sah dieser Entwurf Mindestrecyclingquoten im Sinne unverbindlicher Richtgrößen vor. Nach zahlreichen Gesprächsrunden mit den Kfz-Herstellern kam es schließlich im Jahre 1994 zu einem überarbeiteten Entwurf der Richtlinie durch das Bundesumweltministerium. In dessen Folge sicherte die Automobilindustrie im Jahre 1995 freiwillig den Einstieg in die Kreislaufwirtschaft beim PKW zu. Seitens der Bundesregierung wurde diese Zusage hingegen für unzureichend erachtet, so dass es infolge dessen zu erneuten Verhandlungen kam. Deren Ergebnis war eine erneute freiwillige Zusage durch die Industrie im Jahre 1996203. Der von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Entwurf einer Altautoverordnung wurde daraufhin nicht weiter verfolgt und verworfen. Die Selbstverpflichtung wurde schließlich vom Gesetzgeber in einer Rechtsverordnung aufgegriffen, ohne der Automobilindustrie zusätzliche Pflichten aufzuerlegen. Erneute Aktualität erlangte diese Problematik schließlich durch den Erlass der EG-Altautorichtlinie. g) Absprachen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie, 1988/2000 In Folge des Hanauer Atommüllskandals im Jahre 1988, in dessen Zusammenhang die illegale Entsorgung von atomaren Abfällen durch das Entsorgungsunternehmen Transnuklear aufgedeckt wurde, versuchte die Bundesregierung, die Entsorgung von atomarem Abfall auf bestimmte Unternehmen zu konzentrieren. Da jedoch das Atomgesetz ein derartiges Vorgehen nicht vorsah, verständigten sich der Bundesumweltminister und die deutsche Atomenergiewirtschaft auf eine Selbstverpflichtung der Industrie, die die Gründung der Gesellschaft für Nuklear-Service vorsah. Dieses Gemeinschaftsunternehmen der damals 13 Kernkraftwerksbetreiber sollte fortan allein die Entsorgung der atomaren Abfälle übernehmen. Schließlich aber scheiterte dieses Vorhaben an

202

Siehe auch Kopp, NJW 1997, 3292 ff. Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 32 f. 203

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

der Untersagung durch das Bundeskartellamt, das in dem Unternehmen ein unzulässiges Kartell und somit einen Verstoß gegen das GWB sah. Nachdem sich im Herbst 1998 die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag änderten, wurde in der deutschen Atompolitik ein Richtungswechsel vollzogen. Der Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahre 1998 legte diesbezüglich den umfassenden und uneingeschränkten Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie als zentrales Vorhaben fest204. Perspektivisch sollte damit der Zweck des Atomgesetzes nicht mehr in der Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie bestehen, sondern vielmehr in deren geordneter Beendigung liegen. Die Koalitionsvereinbarung sah dazu ein dreistufiges Konzept vor: Nach einer ersten Änderung des Atomgesetzes sollten sogenannte Energiekonsensgespräche mit den Betreibern der Kernkraftwerke über die Modalitäten des Ausstiegs und die künftige Energiepolitik geführt werden. Für den Fall der Nichteinigung schließlich sollte der Ausstieg aus der Kernenergie im Wege einer einseitig-hoheitlichen Regelung durchgesetzt werden. Der alsbald vorgelegte Gesetzesentwurf jedoch legte die Rahmenbedingungen für den vorgesehenen Ausstieg in einem Umfang fest, der für die beteiligten Energieversorgungsunternehmen kaum mehr akzeptabel erschien. In der Folgezeit wurden daher langwierige und schwierige Verhandlungen205 geführt, die in diversen Drohszenarien (Blockade der Entsorgungswege etc.) gipfelten. Schließlich drohten die Gespräche im Januar 1999 endgültig zu scheitern, worauf die Bundesregierung den vorgelegten Gesetzesentwurf zunächst zurückzog206. Ein daraufhin unter Federführung des damaligen Bundeswirtschaftsministers Müller ausgearbeitetes Konzept, das sich an einer Restlaufzeit der Kraftwerke von 35 Jahren orientierte und in dessen Ergebnis der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages stehen sollte, scheiterte vor allem am Widerstand des Koalitionspartners Bündnis 90/Die Grünen. Schlussendlich konnte aber in den nachfolgenden Verhandlungen doch noch eine Einigung erzielt werden, so dass am 14.06.2000 der Ausstieg aus der Kernenergie vereinbart wurde. Während durch die Vereinbarung, die schließlich am 11.06.2001 unterzeichnet wurde, die Modalitäten des Ausstiegs geregelt wurden, erfolgte die rechtliche Umsetzung im Rahmen einer Novellierung des Atomgesetzes207. Neben 204

Vgl. dazu: Koch/Roßnagel, NVwZ 2000, 1 ff. An den Verhandlungen waren beteiligt: RWE AG, VIAG AG (heute E.ON AG) sowie VEBA AG (heute E.ON AG). 206 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 45 ff. mwN. 207 Dazu: Art. 1 G zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22.04.2002 (BGBl. 2002 I S. 1351); Vgl. diesbezüglich insbesondere auch die Ausführungen von: Schmidt-Preuß, Rechtsfragen des Ausstiegs aus der Kernenergie, 2000, mwN. 205

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

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einem Verbot der Neuerrichtung von Kernkraftwerken (vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 AtG) wurden die bestehenden Betriebsgenehmigungen durch die Festlegung von Reststrommengen (vgl. § 7 Abs. 1a AtG iVm. Anlage 3 z. AtG) befristet. Grundlage für die Berechnung dieser Strommengen ist (beginnend mit dem 1.1.2000) eine Regellaufzeit von 32 Jahren ab Beginn der kommerziellen Inbetriebnahme, die deutlich unter der technischen Laufzeit von 40–45 Jahren (teilweise sogar bis zu 60 Jahren) liegt208. Allerdings ist eine Verrechnung von Strommengen von einer unrentablen Anlage auf wirtschaftlichere Kraftwerke möglich (vgl. § 7 Abs. 1b AtG). Ab dem 01.07.2005 gilt zudem ein Verbot der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Kernbrennstäben. Die Entsorgung hat dann ausschließlich mittels direkter Endlagerung209 zu erfolgen. Im Gegenzug hat sich die Bundesregierung verpflichtet, den ungestörten Betrieb der Anlagen zu gewährleisten und keine Initiative zur Verschärfung der geltenden Sicherheitsanforderungen zu ergreifen. h) Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, 2004 Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Lehrstellenmangels und der nicht zuletzt auch daraus resultierenden steigenden Jugendarbeitslosigkeit verschärfte sich in den letzten Jahren der öffentliche Druck auf die Politik. Trotz wiederholter Reformversuche und politischer Appelle waren jedoch wirkliche Erfolge bei der Bekämpfung der Problematik nicht erkennbar. So sank die Zahl der (ohnehin seit Jahren kontinuierlich abnehmenden) betrieblichen Ausbildungsplätze von 564.379 im Jahr 2000 auf nunmehr nur noch 499.717 im Jahre 2003210. Im Gegenzug aber drohe nach Schätzungen der Bundesregierung bis 2015 in der Altersgruppe der 30- bis 45-Jährigen ein Mangel von 3,5 Millionen Fachkräften. In der öffentlichen und politischen Diskussion wurde daher zunehmend die dringende Notwendigkeit erkannt, den Fachkräftenachwuchs und die Berufsausbildungschancen der jungen Generation zu sichern. In die Diskussion darüber, wie neue Lehrstellen geschaffen und finanziert werden können, kam im Frühjahr 2004 neue Bewegung, als der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Förderung des Fachkräftenachwuchses und der Berufsbildungschancen der jungen Generation (Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG) in den Bundestag eingebracht wurde211. Das bis zum 31.12.2013 befristete Gesetz 208

Vgl. Langenfeld, DÖV 2000, 929. Vorläufig in standortnahen Zwischenlagern. 210 Dazu: Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Förderung des Fachkräftenachwuchses und der Berufsbildungschancen der jungen Generation (Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG) vom 30.03.2004, BT-Drucks. 15/ 2820, S. 1, 9 f.; Im April 2004 betrug die rechnerische Lücke zwischen angebotenen und nachgefragten Ausbildungsplätzen (fehlende Plätze) 182.100 Stellen. 209

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

sollte dann eingreifen, „wenn die Arbeitgeber ihrer besonderen Verantwortung, im eigenen Interesse junge Menschen auszubilden, nicht ausreichend nachkommen“ (§ 1 S. 3 BerASichG-E). Kern der gesetzlichen Regelung war die Einführung einer sogenannten Ausbildungsplatzabgabe (§ 9 BerASichG-E) und zugleich die Schaffung eines „Berufsausbildungssicherungsfonds“ (§ 16 BerASichG-E). Nachdem das aus dem Jahre 1976 stammende Ausbildungsplatzförderungsgesetz212 scheiterte213, war dies somit der zweite Anlauf zur Einführung einer entsprechenden Abgabe. Die nunmehr geplante Umlage sollte dann greifen, wenn Ende September 2004 das Lehrstellenangebot die Zahl der Bewerber nicht um mindestens 15% übertrifft214. Diese Umlage (zur Höhe vgl. § 11 BerASichG-E ) hätten Betriebe mit mindestens zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Lehrstellen weniger als sieben Prozent ihrer Mitarbeiterzahl ausmachen, in den zu bildenden Fonds einzahlen müssen. Im Gegenzug hätten diejenigen Unternehmen, deren individuelle Ausbildungsquote die notwendige Quote überschreitet, Fördermittel erhalten (maximal 7.500 Euro je Ausbildungsplatz und Jahr). Da das Gesetz eine Reihe von Ausnahmen von der Umlagepflicht vorsah und zudem tarifvertraglichen Lösungen der Vorrang gewährt werden sollte, gingen Modellrechnungen schließlich davon aus, dass 86% aller Ausbildungsunternehmen nicht von der Umlage betroffen gewesen wären. Die Einführung dieser Abgabe war von Anfang erheblichen Bedenken ausgesetzt. Kritiker argumentierten, dass die Regelung bereits im Ansatz verfehlt sei, da sie den Unternehmen die Möglichkeit eröffne, sich von ihrer Verpflichtung zur Ausbildung letztlich freizukaufen. Zudem führe die Umsetzung, die mit einem Finanzvolumen von etwa A 3 Mrd. verbunden gewesen wäre, zu einer nicht hinnehmbaren Verstaatlichung des dualen Ausbildungssystems. Nachdem das Gesetz im Bundestag beschlossen wurde, verweigerte der Bundesrat schließlich nach Scheitern des Vermittlungsverfahrens am 09.07.2004 seine Zustimmung, legte zugleich jedoch vorsorglich Einspruch ein215. Bereits zuvor sah sich jedoch die Bundesregierung, nicht zuletzt aufgrund der heftigen Kritik am geplanten Gesetz, veranlasst, in Verhandlungen mit der Wirtschaft mit dem Ziel einzutreten, den Motiven der gesetzlichen Regelungen auf anderem Wege gerecht zu werden.

211

BT-Drucks. 15/2820; Dazu auch: Diringer, AuA 2004, Nr. 6, 20 ff. BGBl. I S. 2658. 213 Zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes: BVerfG, NJW 1981, 329. 214 In diesem Falle hätte das Bundeskabinett die Auslösung des Gesetzes beschließen müssen, da ein Automatismus nicht vorgesehen war (vgl. § 3 Abs. 1 BerASichG-E). 215 BR-Drucks. 534/04. 212

E. Rechtliche Relevanz von informellen Absprachen

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Am 16. Juni 2004 unterzeichneten schließlich Bundesregierung und Spitzenverbände der Wirtschaft den „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“, der nichts anderes als eine informelle Absprache im beschriebenen Sinne darstellt. Aus dem Anliegen heraus, den Fachkräftenachwuchs und die Berufsausbildungschancen der jungen Generation zu sichern, einigte man sich im Rahmen dieses Pakts auf einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Innerhalb der Laufzeit der Absprache von drei Jahren sollen danach seitens der Wirtschaft im Jahresschnitt 30.000 neue Ausbildungsplätze zusätzlich geschaffen werden. Zudem ist vorgesehen, dass 25.000 Plätze für betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifikationen zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug wird auch die Zahl der Auszubildenden in der Bundesverwaltung um 20% erhöht sowie das Bund-Länder-Ausbildungsprogramm Ost mit 14.000 Ausbildungsplätzen im Jahr 2004 fortgeführt. Weiterhin setzt die Bundesagentur für Arbeit ihre ausbildungsfördernden Maßnahmen wenigstens in Höhe des Jahres 2003 fort. Zugleich wurde vereinbart, dass die Bundesregierung die Fördermittel im Rahmen des STARegio-Programms zur Förderung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze im Rahmen von Ausbildungsverbünden um 50% aufstockt. Aufgrund des Pakts, der für den Fall seiner Nichteinhaltung keine (unmittelbaren) Sanktionen vorsieht, soll das weitere Gesetzgebungsverfahren zum BerASichG vorerst ruhen. Eine erneute Prüfung hinsichtlich des Erfordernisses eines gesetzgeberischen Tätigwerdens war erst für den Herbst 2005 vorgesehen. Ob sich die vorgesehenen Ziele in der Praxis tatsächlich erreichen lassen, bleibt abzuwarten. Der Kritik und den verstärkt aufkommenden Zweifeln an der Wirksamkeit und Effektivität des Pakts treten die Beteiligten jedenfalls nach wie vor entschieden entgegen216. 2. Informelle Absprachen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Der Einsatz informeller Absprachen als Alternative für formelles Handeln ist nicht etwa eine deutsche Besonderheit, sondern kann vielmehr als länder- und rechtssystemübergreifende Erscheinung bezeichnet werden217. Die zunehmende Forderung nach Flexibilisierung staatlichen Handelns und die Erkenntnis, dass die herkömmlichen Handlungsinstrumente bei der Bewältigung künftiger Aufgaben tendenziell überfordert würden, führte weltweit zu einem verstärkten Einsatz informeller Handlungsinstrumente. Innerhalb Europas seien hierfür Frank216 Vgl. dazu: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 27. Juli 2004. 217 Einen Überblick hierzu gewährt insbesondere Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 51 ff.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

reich sowie die Niederlande beispielhaft erwähnt. Auch auf der Ebene der Europäischen Union wurde die Bedeutung informeller Absprachen für eine effektive Wirtschafts- und Umweltpolitik erkannt218. Der Einsatz informeller Absprachen ist hier in vielen Bereichen nach anfänglichem Zögern mittlerweile sogar ausdrücklich erwünscht219. Auch auf außereuropäischer Ebene erfreuen sich informelle Handlungsinstrumente schon seit langem großer Beliebtheit und haben eine vielgestaltige Ausprägung erfahren. Beispielhaft kann hier Japan erwähnt werden, wo informelles Handeln eine lange Tradition aufweist und in nahezu allen Bereichen staatlichen Handelns zu finden ist. Auch in den USA wird schon seit langem die Informalität als erfolgreiche Lösungsalternative bei komplexen Problemstrukturen betrachtet, wobei sich namentlich die auch hierzulande vermehrt in die Diskussion kommende Mediation220 bewährt hat.

F. Rechtsfolgen von Absprachen Auch hinsichtlich der rechtlichen Folgen informeller Absprachen herrscht in der Literatur nach wie vor eine erhebliche Unsicherheit. Relevant wird die Diskussion in erster Linie bei der Frage, inwieweit die mit der Absprache zugesagten Verhaltensweisen durchsetzbar sind. Wird diese verneint, so ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob die einseitige Nichterfüllung der Absprache dennoch rechtliche Konsequenzen (Schadensersatzansprüche etc.) mit sich bringen kann oder ob Absprachen in jedem Falle folgenlos bleiben sollen. Im Zusammenhang mit den Vorgängen vom 08.11.2001 ist daher fraglich, inwieweit der einseitige Bruch der Absprache (ungeachtet deren Rechtmäßigkeit) durch die Bundesregierung Ansprüche seitens der beteiligten Unternehmen begründet hat. Erfolgten die Ausführungen im Rahmen des 3. Kapitels noch unter der Prämisse der rechtlichen Unverbindlichkeit informeller Absprachen, so soll an dieser Stelle noch einmal näher auf diese Problematik eingegangen werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Ansprüche durch eine informelle Absprache begründet werden, ist grundsätzlich dahingehend zu differenzieren, ob infolge der Vereinbarung bereits Leistungen erbracht worden sind. Davon ausgehend muss zwischen Erfüllungs-, Rückgewähr- und Schadensersatzansprü218 Vgl. dazu: Grewlich, DÖV 1998, 54, 59 ff.; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 242; Wägenbauer, EuZW 1997, 645 ff.; Krieger, EuZW 1997, 648 ff. 219 Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über Umweltvereinbarungen, Dok. KOM (96)561 endg. vom 27.11.1996: „können fortschrittsorientierte Haltung der Industrie fördern, erlauben kostenwirksame maßgeschneiderte Lösungen und sie führen zu einer raschen Verwirklichung der Ziele.“; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 242 f.; Krieger, EuZW 1997, 648 ff. 220 Vgl. Hager, Konflikt und Konsens, 2001, S. 75 ff.; Haft, Verhandlung und Mediation, 2. Aufl. 2000, Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 45 ff.; Gaßner/Holznagel/Lahl, Mediation, 1992.

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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chen unterschieden werden. Weiterhin können Absprachen mit Ansprüchen auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung kollidieren. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Ansprüche, die aus der Absprache selbst resultieren, sondern um solche, die auf außerhalb der Absprache liegenden Grundlagen beruhen221. Da dieser Problematik zudem im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 08.11.2001 keine Bedeutung zukommt, sollen sich die hier anzustellenden Überlegungen auf die vorgenannten Ansprüche konzentrieren.

I. Die (rechtmäßige) Absprache als Sonderform des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen?222 Eine (rechtmäßige) informelle Absprache würde jedenfalls dann einklagbare Erfüllungsansprüche begründen, wenn sie sich im Ergebnis als Unterfall des öffentlich-rechtlichen Vertrages darstellen ließe. Zunächst erscheint diese Sichtweise in der Tat nicht abwegig, da die Absprache zumindest vertragsähnliche Elemente aufweist223. Bereits an anderer Stelle wurde angedeutet, dass für die Abgrenzung von Vertrag und Absprache mangels anderweitiger Unterscheidungskriterien allein das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens entscheidend ist. Um einen Vertrag handelt es sich demzufolge bei zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, die auf die unmittelbare Setzung von Rechtsfolgen gerichtet sind. Dies wiederum ist aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen224. Dieser Wille aber ist bei Absprachen genau entgegengesetzt gerichtet, da sich die Beteiligten gerade nicht rechtlich binden wollen. Daher kann es sich bereits aus diesem Grunde bei einer Absprache nicht um einen Vertrag handeln225. Kann der öffentlich-rechtliche Vertrag der Sache nach auch als Absprache im weiteren (technischen) Sinne verstanden werden226, so lässt sich umgekehrt die 221

Dazu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 328 ff. Allgemein zu den Funktionsfähigkeitsvoraussetzungen von Absprachen: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 34 ff. 223 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 47; Vgl. Scherer, DÖV 1991, 1, 3; v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501; Andeutend: Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 2. 224 Scherer, DÖV 1991, 1, 3; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 133; Für die Abgrenzung von Gefälligkeitsverhältnissen und Verträgen im Zivilrecht vgl.: BGHZ 21, 102, 106 f.; OLG Nürnberg, OLGZ 1967, 139, 140; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Einl v § 241, Rz. 7; MünchKommKramer, BGB, Band 2a, 4. Aufl. 2003, Einl. Rz. 30 ff. 225 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 48; v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 176. 226 Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343. 222

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

(öffentlich-rechtliche) Absprache auch aus einem weiteren Grund nicht als Vertrag darstellen. Die Absprache müsste sich nämlich andernfalls vollumfänglich an den §§ 54 ff. VwVfG messen lassen. Dann aber bliebe kein Raum mehr für unverbindliche Verabredungen eines Leistungstausches im Rahmen informeller Verhaltensweisen. Wie erläutert besteht dafür aber unter rechtlichen Gesichtspunkten keine Veranlassung. Wird im Ergebnis die Existenz und Zulässigkeit der informellen Absprache anerkannt, so kann nicht auf Umwegen eine „formale Informalität“ herbeigeführt werden. Im Ergebnis muss sich die Absprache als eigenes Handlungsinstrument darstellen und nicht nur als bloße Unterform des Vertrags. Ob dies zugleich gänzlich eine analoge Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG ausschließt, ist damit hingegen noch nicht entschieden227.

II. Die (rechtmäßige) Absprache als Handlungsform eigener Art mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen? 1. Rechte aus der Absprache im Sinne eines Erfüllungsanspruchs a) Rechtliche Bindungswirkung der informellen Absprache Handelt es sich bei Absprachen nicht um einen Vertrag, weil die Beteiligten ohne Rechtsbindungswillen handeln, so müsste daraus der zwingende Schluss gezogen werden, dass Absprachen grundsätzlich rechtlich nicht verbindlich sein können. Wie bereits im 3. Kapitel sowie im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen erläutert, wird daher auch überwiegend die Auffassung vertreten, dass informelle (zumindest vertikale228) Absprachen keine Erfüllungsansprüche zu begründen vermögen229. Die Einhaltung der Absprache kann daher nicht mittels Klage oder Zwang durchgesetzt werden230. 227 Vgl. dazu Kapitel 5: C.II.: „Analoge Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Grundsatz“ sowie C.III.: „Die analoge Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG“. Befürwortend insbesondere auch: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 155. 228 Vgl. für Selbstverpflichtungserklärungen: Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 821, bei denen sich der Private mit Bindungswillen zu einem konkreten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten soll, seitens des Staates aber lediglich eine rein tatsächliche Bindung vorliegen soll. Eine derartige Differenzierung allein anhand politischer Motivationen dürfte wohl die tatsächlichen Gegebenheiten ignorieren, ist rechtlich schwerlich begründbar und im Ergebnis daher abzulehnen. 229 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 9, Rz. 9; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Einf, Rz. 94; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419 f.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 130; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 43 ff.; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Bohne, Der informale Rechtsstaat,

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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Dieser Sichtweise widersprechend hält ein Teil der Literatur Bindungswirkungen von informellen Absprachen für möglich. Eine rechtliche Verbindlichkeit ohne diesbezüglichen Bindungswillen erscheint jedoch auf den ersten Blick widersprüchlich. Zumeist existieren diese Widersprüche bei genauerem Hinsehen jedoch nur scheinbar, da sie nicht selten durch den Gebrauch unterschiedlicher Terminologien bedingt sind231. Auch die Mehrzahl derjenigen Autoren, die eine Bindungswirkung informeller Absprachen annehmen, versagt nämlich daraus resultierenden Erfüllungsansprüchen die Anerkennung. Unter Bindungswirkung verstehen sie keine Bindung der Beteiligten an den Abspracheinhalt im Sinne einer Erfüllungswirkung, sondern vielmehr die auf der Absprache beruhende Basis für mögliche Schadensersatzansprüche232. Spannowsky spricht insoweit von einer eingeschränkten Rechtswirkung233, da andernfalls Raum für verantwortungsfreies Handeln geschaffen würde. Daher muss zwischen echter (auf Erfüllung gerichteter) und unechter Bindungswirkung unterschieden werden, da teilweise auch die Ansicht vertreten wird, dass aus Absprachen tatsächlich unmittelbare Erfüllungsansprüche erwachsen können. Nach Ansicht von Frenz234 soll eine dahingehende Bindungswirkung dann bestehen, wenn die Absprache sehr detailliert gestaltet ist und präzise Aussagen über die Verpflichtungen der Vertragsparteien getroffen werden. Die Berechtigung einer derartigen Differenzierung ist hingegen mehr als fraglich. Es ist kaum einsehbar, warum eine Absprache unverbindlich sein soll, während eine andere, deren Inhalt vielleicht nur etwas konkreter ausgestaltet wurde, rechtlich verbindlich wäre. Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG wirft dies erhebliche Bedenken auf. Zum anderen dürfte eine solche Unterscheidung in der Praxis kaum realisierbar sein, da für die Frage, wann eine Absprache hinreichend konkret gefasst ist, keine allgemeinverbindlichen Maßstäbe gesetzt werden können. Eine dahingehende Entscheidung würde letztlich auf willkürlichen Erwägungen beruhen. Gorny dagegen ist der Auffassung, dass ungeachtet der Tatsache, dass sich die Absprache nicht als Vertrag darstellen lässt, rechtliche Unverbindlichkeit 1981, S. 141; ders., Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 360; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 217; Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 645; Zur Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Steuerrecht vgl. BFH, BB 1985, 1519; Sangmeister, BB 1988, 609 ff. 230 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 80; Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937. 231 Vgl. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 148. 232 Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 449; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 153. 233 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 153. 234 Frenz, NVwZ 2002, 561, 562; Vgl. auch: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 225 f.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

durch die Beteiligten nicht gewollt sei235. Häufig treffe der Private aufgrund der Absprache Dispositionen. Für die Behörde aber sei das nicht zuletzt daraus resultierende erhöhte Interesse des Privaten erkennbar, auf die Verbindlichkeit der Absprache vertrauen zu können, um somit das rechtliche und wirtschaftliche Risiko auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem sei zu berücksichtigen, dass formelles und informelles Handeln bei der Verfolgung ein und desselben rechtlich erlaubten Zwecks („Konkretisierung des abstrakten Gesetzes im Einzelfall“236) zueinander in einem Alternativverhältnis stehen. Die Identität des Zwecks aber gebiete es, formellen und informellen Verhaltensweisen identische Rechtswirkungen zuzuerkennen. Dass Absprachen regelmäßig aufgrund der Nichteinhaltung des § 57 VwVfG keine verbindlichen öffentlich-rechtlichen Verträge darstellen, soll im Ergebnis nicht dazu führen, dass der Absprache die rechtliche Verbindlichkeit verwehrt bleibe. Im Ergebnis muss gefragt werden, wie eine Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlichem Vertrag und (öffentlich-rechtlicher) informeller Absprache zu erfolgen hat, wenn der Absprache eine rechtliche Verbindlichkeit ebenso zuerkannt wird. Nahezu jede Form der öffentlich-rechtlichen Absprache zwischen Staat und Privatem würde sich dann als öffentlich-rechtlicher Vertrag darstellen, der den Anforderungen der §§ 54 ff. VwVfG vollumfänglich genügen müsste, so dass die informelle Absprache de facto ihre Existenz verlöre. Zugleich bedeutete dies aber auch, dass den Absprachepartnern ohne Not jede Möglichkeit genommen würde, unverbindliche Verabredungen über ein künftiges Verhalten zu treffen, auch wenn dies ihr tatsächlicher Wille wäre. Konsequent ist daher allein eine Auslegung der Vereinbarung im Einzelfall, ob die Parteien mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben oder nicht. Fraglich ist zudem, ob tatsächlich der Schluss von einer Zweckidentität zwischen Absprache und Vertrag auf eine diesbezügliche Rechtsfolgenidentität zulässig ist. Dabei gilt es zunächst zu klären, ob zwischen informeller Absprache und öffentlich-rechtlichem Vertrag überhaupt Zweckidentität besteht. Teilweise wird dies mit der Begründung verneint237, dass die Anwendung eines bestimmten formellen Handlungsinstruments den Zweck habe, bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen, die Absprache dagegen gerade die Vermeidung der Rechtsbindung bezwecke. Begrenzt man den Zweck eines Handlungsinstruments auf seine Rechtswirkungen, so ist dem sicherlich zuzustimmen. Tatsächlich aber lässt er sich nicht auf eine derart enge Sichtweise fokussieren, sondern ist weiter zu fassen. Für die Beurteilung, welcher Zweck mit einer Handlung oder Handlungsform verfolgt werden soll, kommt es nicht unmittelbar darauf an, wie ein bestimmtes 235 236 237

Gorny, ZLR 1993, 283, 291. Gorny, ZLR 1993, 283, 292. So wohl: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 82 f.

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Ergebnis erreicht werden soll, sondern in erster Linie darauf, welches Ergebnis überhaupt angestrebt ist. Anderenfalls käme die alleinige Argumentation, mittels einer nicht gewollten rechtlichen Bindung der Parteien die mangelnde Zweckidentität der Absprache und damit deren mangelnde Bindungswirkung zu beweisen, einem Zirkelschluss gefährlich nah. Damit ist grundsätzlich zwischen dem Zweck der Formenwahl auf der einen, sowie dem Zwecks des Handlungsinhalts auf der anderen Seite zu unterscheiden. Auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen, liegt der tatsächliche (inhaltliche) Zweck der getroffenen Absprache in der Entlastung der GKV-Finanzen sowie der Vermeidung einer Rabattregelung. Dieser Zweck hätte jedoch auch mittels öffentlich-rechtlichen Vertrages verfolgt werden können (ungeachtet dessen rechtlicher Zulässigkeit). Bei einem konkret zu erreichenden, tatsächlichen Handlungsziel kann damit grundsätzlich von Zweckidentität ausgegangen werden, ohne das es darauf ankäme, ob durch Gesetz, Verwaltungsakt, öffentlichrechtlichen Vertrag oder informeller Absprache gehandelt wird. Unter dem Gesichtspunkt der Formenwahl aber besteht der tatsächliche Zweck einer Absprache unter anderem auch darin, die Flexibilität staatlichen Handelns zu erhöhen. Daraus kann jedenfalls ein Indiz für die rechtliche Unverbindlichkeit geschlossen werden, da ein Handlungsinstrument nur dann wirklich flexibel ist, wenn von dem vereinbarten Inhalt jederzeit und ohne größere Hemmnisse abgewichen werden kann. Zweckidentität zum Vertrag liegt dann jedenfalls nicht mehr vor. Doch selbst für den Fall, dass die tatsächlich verfolgten Zwecke von Absprache und Vertrag identisch sind, kann daraus längst nicht der Schluss gezogen werden, dass dies automatisch eine Rechtsfolgenidentität hinsichtlich der angewandten Handlungsinstrumente bedingen würde. Auch Vertrag und Verwaltungsakt können durchaus Zweckidentität aufweisen, ohne dass ihnen identische Rechtsfolgen zukommen würden. Warum dies aber bei der Absprache erforderlich sein soll, ist nicht erklärbar. Zudem begegnet der Schluss von der Zweckidentität auf eine Wirkungsidentität erheblichen rechtlichen Bedenken, da hierdurch die Gefahr einer bewussten Umgehung des § 57 VwVfG bestünde238. Dann nämlich könnte ein wegen Schriftformmangels gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG iVm. § 125 BGB unwirksamer Vertrag ohne Weiteres in eine formlose (bindende!) Absprache umgedeutet werden. Daher kann nicht von einer möglicherweise bestehenden Zweckidentität auf das Erfordernis identischer Rechtsfolgen geschlossen werden.

238 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 83; Voraussetzen würde dies allerdings, dass § 57 VwVfG nur bei öffentlich-rechtlichen Verträgen und nicht auch bei Absprachen im Wege einer Analogie anzuwenden wäre. Vgl. dazu Kapitel 5: C. III. 5. „Schriftformgebot, § 57 VwVfG“.

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Voraussetzung für die Begründung von Erfüllungsansprüchen wäre letztlich ein dahingehendes verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis239. Dann aber müsste die informelle Absprache geeignet sein, überhaupt eine Forderungsbeziehung begründen zu können, die zu einer begrenzten Leistung berechtigt und bzw. oder verpflichtet. Dabei kann diese Forderungsbeziehung sowohl auf Rechtsgeschäft als auch auf Gesetz beruhen240. Wann dies aber der Fall ist und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, konnte bisher noch immer nicht abschließend geklärt werden. Unabhängig von den hierzu vertretenen Meinungen, die sich im Kern vor allem um die Problematik der öffentlich-rechtlichen culpa in contrahendo drehen241, gilt es zunächst jedoch festzuhalten, dass grundsätzlich bereits durch die bloße Aufnahme des informellen Kontakts vielfältige Rechte und Pflichten begründet werden können. Die Entstehung von Verwaltungsrechtsverhältnissen ist damit auch bei schlichtem Verwaltungshandeln, zu dem auch die informelle Absprache zählt, möglich242. Das bloße Entstehen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses gibt jedoch keine Auskunft darüber, inwieweit die dadurch begründeten Rechte und Pflichten derart bindend wirken, dass gegenseitige Erfüllungsansprüche entstehen. Die inhaltliche Konkretisierung ergibt sich vielmehr aus den geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen, wobei auch dem Parteiwillen eine wesentliche Rolle zukommt. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Vertrag wollen sich die Parteien bei der informellen Absprache gerade nicht rechtlich binden, sondern hegen lediglich die Erwartung der gegenseitigen Erfüllung. Diese Erwartungshaltung aber ist kaum geeignet, ein konkretes Rechtsverhältnis zu begründen, das geeignet wäre, ein auf Erfüllung gerichtetes Schuldverhältnis zu begründen243. Folglich kann auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf Erfüllung hergeleitet werden. Zusammenfassend vermag die informelle Absprache letztlich keinen Anspruch auf Erfüllung zu begründen. Anderenfalls würde der private Absprachepartner so gestellt werden, als ob er einen Vertrag geschlossen hätte, auch wenn im Einzelfall dessen rechtliche Voraussetzungen (vgl. insbesondere §§ 54 ff. VwVfG) nicht gegeben sind. Da hierdurch die Gefahr einer Unterwanderung zwingender gesetzlicher Vorschriften besteht, fehlt es darüber hinaus auf Seiten 239

Vgl. Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 168 ff. Zur Definition des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses vgl.: Ehlers, DVBl 1986, 912, 914. 241 Dazu sogleich, siehe IV. 3. „culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB)“. 242 Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 258; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 264; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 170. 243 So im Ergebnis auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 452. Zugleich ist es damit an dieser Stelle auch nicht entscheidend, inwieweit bei den Beteiligten schutzwürdiges Vertrauen bestanden hat. 240

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der handelnden Behörde im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen244. Hätte sie rechtsverbindlich handeln wollen, so wäre anstelle der (öffentlich-rechtlichen) Absprache der (öffentlich-rechtliche) Vertrag gewählt worden. Damit aber kann die informelle Absprache grundsätzlich nicht rechtsverbindlich sein, so dass auch die Möglichkeit einer gestuften Verbindlichkeit ausscheidet245. Schlussendlich bleibt somit der Parteiwille entscheidendes Merkmal246. Es bedarf daher der umfassenden Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls (objektiver Empfängerhorizont), ob die Beteiligten mit Rechtsbindungswillen handeln oder nicht247. Aus diesem Grunde reicht der pauschale Hinweis auf eine rein politische Motivation beim Abschluss der Absprache allein nicht aus, um die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Absprache zu belegen248. Kann ein Rechtsbindungswille auf beiden Seiten festgestellt werden, so handelt es sich um einen Vertrag, anderenfalls um eine rechtlich nicht bindende Absprache. b) Faktische Bindungswirkung? Bestehen auch keine unmittelbaren Erfüllungsansprüche, so darf dennoch nicht übersehen werden, dass informelle Absprachen ausschließlich in Erwartung der gegenseitigen Erfüllung getroffen werden. Die Parteien haben ein elementares Interesse daran, das Vertrauensverhältnis, das der Absprache prinzipiell zugrunde liegt, nicht zu zerstören, um auch künftig als verlässlicher Partner zu gelten249. Insofern kann hier durchaus von einer moralischen Bindungswirkung gesprochen werden250, deren Stärke nicht zu unterschätzen ist. Teilweise wird die Existenz einer derartigen Bindung allerdings unter Hinweis auf empirische Erhebungen entschieden verneint251. Dem ist entgegenzuhalten, dass die untersuchten Erhebungen die Existenz faktischer Bindungen je244 Vgl. Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 442; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989, S. 821. 245 Insofern etwas missverständlich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 132. 246 Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343. 247 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 132. 248 So aber Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 361. 249 Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 442; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 80. 250 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 222; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 169; Brohm, DVBl 1994, 133, 134; Vgl. auch die Sondervoten von Mellinghoff und Di Fabio zu BVerfG, Urt. v. 19.2.2002 – 2 BvG 2/00, NVwZ 2002, 585, 589. 251 Vgl. v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 67 ff.

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denfalls nicht ausschließen. Zudem muss der Aussagewert derartiger Statistiken entschieden hinterfragt werden, da ihnen grundsätzlich eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der gemachten Aussagen durch die Befragten anhaftet. Zudem ist nicht geklärt, was die Befragten tatsächlich unter einer faktischen Bindung verstanden haben und welche Intensität und Qualität sie dieser beimaßen. Schließlich war in vielen Fällen eine Abweichung von den getroffenen Vereinbarungen überhaupt nicht mehr notwendig, so dass sich für die Beteiligten die Frage nach einer diesbezüglichen Bindungswirkung ohnehin als rein theoretisch darstellen musste. Die Verneinung einer durch außerhalb des Abspracheinhalts liegenden faktischen Bindungswirkung läuft im Ergebnis an der Realität vorbei. Dies gilt umso mehr, wenn Absprachen öffentlich bekannt gemacht wurden. Hinzu kommt, dass die umfangreichen Verhandlungen, die einer Absprache oft vorausgehen, mit einem erheblichen zeitlichen und auch finanziellen Aufwand verbunden sind, der durch die einseitige Aufkündigung der Absprache zunächst entwertet würde. Aus den vorgenannten Gründen wird daher in den meisten Fällen informeller Absprachen eine faktische Bindungswirkung erzielt252, die in ihrer Intensität über die einer rechtlichen Wirkung (beispielsweise von Verwaltungsverträgen) regelmäßig hinausgeht253. Dabei handelt es sich aber eben nur um tatsächliche, rein psychologische Wirkungen, nicht aber um rechtliche. Die dadurch erzeugten Bindungen bilden daher grundsätzlich keine ausreichende Basis für eine vertragliche Haftung254. c) Selbstbindung der handelnden Behörde? Schließlich ist auch an einen aus der Absprache resultierenden Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der handelnden Behörde zu denken. Dies wäre namentlich vor allem dann der Fall, wenn sich die Behörde vorab oder im Rahmen der Absprache durch eine entsprechende Willenserklärung gebunden hätte255. Da Absprachen jedoch mangels Rechtsbindungswillens Realakte sind und nicht auf Willenserklärungen beruhen, kann sich die Behörde auf diesem Wege auch nicht binden. Eine der Absprache zeitlich vorausgehende

252 Dazu: Spannowsky, GewArch 1998, 362, 368; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 505; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 222. 253 Vgl. auch: Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 53. 254 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171; aA. offenbar Frenz, NVwZ 2002, 561, 562. 255 Vgl. § 38 VwVfG.

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Bindung der Behörde muss dann aber ebenso ausscheiden, da der Absprache sonst mittelbar doch eine rechtliche Bindungswirkung zukommen würde. Zudem kann sich aus einer ständig geübten Verwaltungspraxis eine Selbstbindung der Behörde ergeben256, da diese vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandeln darf. Voraussetzung ist aber, dass sich zunächst eine derartige Verwaltungspraxis herausgebildet hat. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die entsprechende Behörde in gleichgelagerten Fällen eine Absprache getroffen hat257. Entscheidend ist vielmehr, dass die Behörde die jeweils zugesagte Leistung auch (rechtmäßigerweise) erbracht hat. Dann aber ergibt sich die Bindungswirkung im Einzelfall nicht aus der Absprache selbst, sondern aus einer Rüge der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Tatsächlich aber dürfte dies in der Praxis schon aufgrund der Verschiedenheit der Sachverhalte nie zutreffen, so dass diese Möglichkeit der Bindung wohl ausschließlich rein theoretischer Natur ist. 2. Primärpflichten Da aus der informellen Absprache grundsätzlich keine Ansprüche auf Erfüllung erwachsen können, bestehen somit zwangsnotwendig auch keine Erfüllungspflichten, weder für den Staat, noch für den privaten Absprachepartner258. 3. Nebenpflichten Aus der rein tatsächlichen Bindungswirkung informeller Absprachen könnte vorschnell der Schluss gezogen werden, dass aus ihnen überhaupt keine rechtlichen Wirkungen resultieren, weil sie sich allein „im politisch-gesellschaftlichen Bereich bewegen“259. Mögen auch keine Erfüllungsansprüche bestehen, so ist durch die Aufnahme der Verhandlungen und dem Abschluss der Absprache ein Verhältnis zwischen Staat und privatem Absprachepartner entstanden, das über die normale „Staat-Bürger-Beziehung“ hinausgeht. Die mit diesem „vorvertraglichen“ bzw. vertragsähnlichen Charakter der Absprache verbundene erhöhte Schutzbedürftigkeit der Beteiligten führt daher letztlich auch zum Entstehen von Sorgfalts-, Schutz und sonstigen Nebenpflichten260. Diese sind nicht auf Erfüllung der Absprache gerichtet, sondern dienen vielmehr dem Schutz der 256

Für Verwaltungsvorschriften vgl.: BVerwGE 44, 72, 74; 61, 15, 18; 100, 335,

339. 257

So aber Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 325. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 83. 259 Spannowsky, GewArch 1998, 362, 368; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 116. 258

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Rechte und sonstigen Rechtsgüter des Anderen261 und somit der Aufrechterhaltung des personen- und vermögensrechtlichen status quo. Daher treffen die Beteiligten bereits im Laufe der Verhandlungen umfassende Informations- und Aufklärungspflichten262, beispielsweise über sich verändernde Umstände im tatsächlichen Umfeld der Absprache. Zudem sind die Absprachepartner zu schonenden Übergangsregelungen im Falle der einseitigen Aufkündigung der Absprache verpflichtet263. Weiterhin bestehen umfangreiche, in erster Linie an den Staat gerichtete, Beratungs- und Betreuungspflichten264. Die Mehrzahl dieser Pflichten ist in der Regel nicht klagbar. Vielmehr sind sie im Falle ihrer Verletzung Grundlage für Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der Amtshaftung bzw. der öffentlich-rechtlichen culpa in contrahendo. Welche Voraussetzungen hieran jedoch zu knüpfen sind, wird noch zu sehen sein265.

III. Erfüllungsansprüche aus sonstigen Gründen 1. Bindungswirkung und Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes? Nach dem Vorgesagten sind informelle Absprachen rechtlich unverbindlich, weisen aber erhebliche faktische Bindungen auf, die im Einzelfall zwar nicht in ihrer Qualität, dennoch aber hinsichtlich ihrer Intensität mit einer rechtlichen Wirkung gleichgesetzt werden können. Faktische Wirkungen sind zunächst psychologischer Natur, indem sie die Absprachebeteiligten aus moralischen, gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Überlegungen hindern, die Absprache einseitig zu brechen. Die faktische Bindungswirkung erzeugt jedoch bei den Beteiligten zugleich auch ein gewisses Vertrauen auf die Einhaltung der Absprache. Fraglich ist daher, inwieweit hieraus Erfüllungsansprüche unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes erwachsen können. Vertrauensschutz hat im Zivilrecht seinen Ursprung im Grundsatz von Treu und Glauben (Verbot widersprüchlichen Verhaltens). Im öffentlichen Recht wird er dagegen überwiegend aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet, teilweise ebenso aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, zunehmend aber auch aus dem Sozialstaatsprinzip sowie den Grundrechten (Art. 2 GG, 3 GG, 14 GG)266. 260 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 9, Rz. 9; Vgl. auch Henneke, NuR 1991, 267, 275; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 266. 261 Für zivilrechtliche Verträge: Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 241, Rz. 6; Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 241, Rz. 10 ff. 262 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 84. 263 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 89. 264 Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 449. 265 Dazu unten: IV. „Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen“.

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Grundsätzlich unterliegt der Grundsatz des Vertrauensschutzes einem Abwägungsvorbehalt, nach dem das Vertrauen des Einzelnen auf ein bestimmtes staatliches Verhalten hinter überwiegende öffentliche Interessen zurückgestellt werden kann267. Gegen die Herleitung von Erfüllungsansprüchen unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ließe sich zunächst einwenden, dass informelle Absprachen unverbindlich sind. Hätten die Beteiligten eine verbindliche Abmachung gewollt, so wäre statt dessen der öffentlich-rechtliche Vertrag gewählt worden. Der Grundsatz der Unverbindlichkeit informeller Absprachen dürfte daher prinzipiell nicht unter dem Hinweis des Vertrauensschutzes umgangen werden, so dass ein Anspruch auf Erfüllung auch vor diesem Hintergrund ausgeschlossen zu sein scheint268. Andererseits würde jegliches Handeln, gleich ob privat oder öffentlich-rechtlich, nahezu unmöglich gemacht, wenn die auf das Verhalten anderer bezogenen Erwartungen nicht wenigstens ein Mindestmaß an Verlässlichkeit besäßen269. Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit hoheitlichen Handelns gehören damit zu den wesentlichen Konstitutionsprinzipien des modernen Staats und sind elementare Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips270. Das bedeutet, dass grundsätzlich bei jeder Form staatlichen Handelns, unabhängig ob dies formell oder informell erfolgt, ein Mindestmaß an Vertrauensschutz des Einzelnen zumindest dem Grunde nach gewährleistet sein muss. Vor diesem Hintergrund kann die rechtliche Unverbindlichkeit der Absprache nicht so weit reichen, dass jeglicher Vertrauensschutz gänzlich entfiele271. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass über den Umweg des Vertrauensschutzes der Absprache im Ergebnis rechtliche Verbindlichkeit zukommen würde. Etwaige Ansprüche ergeben sich hier nämlich nicht aus der Absprache selbst, sondern vielmehr aus der Erfüllung eines Vertrauensschutztatbestandes. Zudem schließt ein fehlender (Rechts-)Bindungswille nicht grundsätzlich die Anwendung von Vertrauensschutzgrundsätzen aus, wie ein Vergleich mit der 266 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 290 f.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 23, Rz. 59; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 263 mwN. 267 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 152. 268 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 269 Lange, Jura 1980, 456; Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 225 f. 270 E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 741; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VII, Rz. 64; Vgl. auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 133. 271 Di Fabio, JZ 1997, 969, 971.

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Problematik der sog. influenzierenden Pläne zeigt272. Im Ergebnis sind Erfüllungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Um aber im Einzelfall tatsächlich Ansprüche hieraus herleiten zu können, muss zunächst überhaupt Vertrauen bestehen. Fraglich ist, worauf sich dieses bei informellen Absprachen beziehen kann. Ein Vergleich mit dem Zivilrecht zeigt, dass sich derjenige grundsätzlich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, der um das Fehlen einer rechtlichen Bindung der getroffenen Vereinbarung weiß273. Allerdings kann sich ein gesteigertes Vertrauen darauf beziehen, dass der Absprachepartner trotz fehlender Verpflichtung das zugesagte Verhalten praktiziert. Da es sich diesbezüglich im Zeitpunkt des Treffens der Absprache jedoch lediglich um ein zukünftiges ungewisses Ereignis handelt, bedarf es zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes besonderer Umstände274. Dagegen wird eingewandt, dass ein Vertrauenstatbestand weder durch die rechtmäßige und schon gar nicht durch eine rechtswidrige Absprache begründet werden könne, da nur solche Maßnahmen ein gesteigertes Vertrauen auslösen können, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind275. Diese Auffassung berücksichtigt indes nicht die Existenz schlicht hoheitlichen Handelns und die davon ausgehenden Wirkungen. Bei informellen Absprachen lassen sich die Partner nur deshalb auf eine Vereinbarung ein, weil sie auf die Einhaltung der Zusage der jeweils anderen Seite vertrauen. Andernfalls würde für sie keine Veranlassung bestehen, selbst ein bestimmtes Verhalten zuzusagen. Das Vertrauen der Beteiligten beruht somit auf der faktischen Bindungswirkung der Absprache276. Dem steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass die Absprache den Bereich der Gesetzgebung berührt. Während das Reichsgericht noch die Existenz von Vertrauensschutz gegenüber dem Gesetzgeber kategorisch ausschloss277, stehen sowohl das Bundesverfassungsgericht278 als auch der Bundesgerichtshof279 einer solchen Möglichkeit durchaus aufgeschlossen gegenüber. Schließlich ist auch kein überzeugender Grund ersichtlich, weshalb im Rahmen der Gesetzgebung andere rechtliche Maßstäbe als bei exekutivem staat272

Dazu vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 429 f. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1981, S. 352. 274 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1981, S. 353. 275 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 452 f. 276 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 325; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 224; Siehe allerdings auch: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419 f. 277 RGZ 139, 177 (Gefrierfleischentscheidung). 278 Vgl. BVerfGE 45, 142, 167; 63, 343, 352; 72, 200, 242; 97, 67, 80; Aber: BVerfG, NJW 1998, 1547, 1549. 279 Dazu: BGH, NJW 1968, 293, 294. 273

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lichen Handeln erforderlich sein sollen. Allein die politische Motivation der Absprache vermag dem Einzelnen eine Berufung auf Vertrauensschutz (jedenfalls im Grundsatz) nicht zu versagen. Das gilt auch dann, wenn der staatliche Absprachepartner eine bestimmte Handlung überhaupt nicht zusagen darf, etwa, weil dadurch die grundgesetzliche Kompetenzordnung überschritten würde280. Vor dem Hintergrund der dann rechtswidrigen Absprache würde das Vertrauen des Einzelnen in die Erfüllung sicherlich erschüttert sein – zwangsnotwendig ausgeschlossen wäre es hingegen nicht. Ob die handelnde Behörde überhaupt eine Absprache treffen durfte, ist daher zunächst eine Frage der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung. Mittelbar jedoch gewinnt dieser Umstand insofern Bedeutung, da das alleinige Vertrauen auf die Zusagen der Gegenseite für die Begründung von Erfüllungsansprüchen nicht ausreichend ist. Vielmehr muss dieses Vertrauen auch schutzwürdig sein. Die Schutzwürdigkeit der Beteiligten kann allerdings nicht von vornherein angenommen werden. Andernfalls käme der Absprache generell eine rechtliche Verbindlichkeit zu, die jedoch nach den Vorstellungen der Parteien gerade nicht eintreten soll. Da den Beteiligten die Unverbindlichkeit der Vereinbarung bekannt ist, kann regelmäßig auch kein schutzwürdiges Vertrauen in die Einhaltung der Absprache existieren281. Im Ergebnis können somit im Rahmen informeller Absprachen auch keine Erfüllungsansprüche unter Vertrauensschutzgesichtspunkten bestehen282. Die Regierung kann daher jederzeit ein absprachewidriges Gesetz erlassen, da nur eine politische, nicht aber eine rechtliche Bindung besteht283. In zwei Fällen sind jedoch von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen. Dies gilt zum einen dann, wenn der Staat durch ein außerhalb der Absprache liegendes Verhalten ein zusätzliches Vertrauensmoment schafft, aufgrund dessen für den oder die anderen Beteiligten in glaubhafter Weise der Eindruck erweckt wurde, dass die Absprache erfüllt werde284. In diesem Falle gilt jedoch es zu beachten, dass es sich dann nicht um Ansprüche handelt, die unmittelbar aus der Absprache selbst erwachsen, sondern um solche, die auf außerhalb der Vereinbarung liegenden Vertrauensschutztatbeständen beruhen. Eine weitere Ausnahme ist zudem für den Fall denkbar, dass sich die informelle Absprache als rechtswidrig darstellt. Natürlich ist dafür nicht jeder beliebige Rechtswidrigkeitsgrund ausreichend. Ist die Absprache etwa aufgrund der Verletzung von Drittrechten rechtswidrig, so darf sie keinesfalls vollzogen wer280

Anders wohl: BVerfG, NJW 1998, 1547, 1549. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 326; Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142. 282 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 419. 283 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 161. 284 Dafür ist nicht allein ein besonders intensiver oder sich über einen langen Zeitraum erstreckender Kontakt zwischen Staat und Privatem ausreichend. 281

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den, da auch die Vollzugshandlung rechtswidrig wäre, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass aufgrund der rein tatsächlichen Wirkung der Absprache erst deren Vollzug tatsächlich in die Rechte des Dritten einzugreifen vermag. Das Vertrauen des an der Absprache Beteiligten ist in diesem Falle nicht schutzwürdig, weil es hinter die Interessen des Dritten zurückzutreten hat. Anders dagegen stellt sich die Situation dar, wenn die Absprache zwar (nicht aufgrund der Verletzung von Drittpositionen) rechtswidrig ist, der Private aber dennoch in besonderer Weise auf die Erfüllung der Absprache durch den Staat in schutzwürdiger Weise vertraut hat. Denkbar ist dies in Fällen, in denen der Private regelrecht zum Abschluss einer Absprache „gezwungen“ wird und er daraufhin Dispositionen tätigt, die nunmehr entwertet wären, würde die staatliche Zusage nicht eingehalten. In diesem Falle ist sein Vertrauen schutzwürdig. Problematisch ist aber, dass durch die Einräumung eines Erfüllungsanspruchs die bestehende rechtswidrige Lage zementiert würde und auf ein „Dulden und Liquidieren“ hinausliefe285, was kaum hinnehmbar erscheint. Daher ist in derartigen Fällen ein Erfüllungsanspruch überhaupt nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn den Rechten und legitimen Interessen des Privaten nicht auf andere Art und Weise Rechnung getragen werden kann, namentlich durch die Gewährung von Schadensersatz. Ein Erfüllungsanspruch kommt hingegen auch in diesem Falle nicht in Betracht, wenn durch den Vollzug der Absprache die Rechte Dritter betroffen werden286. Im Grundsatz jedenfalls verbleibt es bei der Aussage, dass die informelle Absprache auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes keine Erfüllungsansprüche zu begründen vermag. 2. Erfüllungsanspruch als Ergebnis einer Ermessensreduktion? Gegenüber dem Staat könnten Erfüllungsansprüche auch dann entstehen, wenn sich der Ermessensspielraum der handelnden Behörde infolge der Absprache auf Null reduziert hätte. Diskutiert wird dies vor allem in den bereits zuvor erläuterten Fällen, in denen sich der Private nicht freiwillig auf die Absprache eingelassen hat und er seinen Teil der Vereinbarung bereits erfüllt hat287. Andernfalls würde die bereits durch die rechtswidrige Absprache eingetretene Grundrechtsverletzung noch vertieft, wenn der Private nunmehr auch noch um die versprochene Gegenleistung gebracht würde. Zwingend ist dieser Schluss jedoch nicht. Dagegen lässt sich nämlich anführen, dass die Gewährung eines 285 Der Verfahrensweise des „Duldens und Liquidierens“ wird grundsätzlich der Nachrang gegenüber dem Primärrechtsschutz eingeräumt; Vgl. BVerfGE 58, 300, 323 f. 286 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 327. 287 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 333.

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Erfüllungsanspruches die erlittene Rechtsgutverletzung nicht zu beheben vermag. Zudem würde dieser Anspruch voraussetzen, dass ein, wie auch immer geartetes, Ermessen überhaupt besteht. Darf sich die handelnde Behörde nämlich aus rechtlichen Gründen gar nicht binden, so kann sie auch nicht auf Umwegen dazu verpflichtet werden. Schließlich ist nicht einsichtig, weshalb eine Absprache zwar rechtlich unverbindlich sein soll, zugleich jedoch in bestimmten Fällen das Ermessen der Behörde hinsichtlich der Erfüllung der Absprache derart zu reduzieren vermag, dass im Ergebnis doch eine Bindungswirkung erzielt wird. Grundsätzlich ist in derartigen Fällen, wie bereits ausgeführt, dem Primärrechtsschutz der Vorrang zu geben. Kann dann den Rechten und legitimen Interessen des Privaten nicht auf andere Art und Weise Rechnung getragen werden, so kommt allenfalls eine Haftung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten in Betracht. Erfüllungsansprüche als Ergebnis einer Ermessensreduktion sind daher abzulehnen. 3. Erfüllungsanspruch unter Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 48, 49 VwVfG Eine weitere Möglichkeit der Herleitung von Erfüllungsansprüchen bestünde in der Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 48, 49 VwVfG. Di Fabio führt insoweit zutreffend aus, dass die gesetzlichen Regelungen für die Rücknahme von Verwaltungsakten letztlich eine Konkretisierung eines allgemeineren Rechtsgrundsatzes darstellen, der auch auf andere Maßnahmen der öffentlichen Gewalt Anwendung findet288. Letztlich fragt sich aber, was mit einem derartigen Ansatz gewonnen werden kann. Da die §§ 48, 49 VwVfG den aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes konkretisieren, ergibt sich durch die Heranziehung dieser Vorschriften kein über die bisherigen Ausführungen hinausgehender Aussagegehalt. Zudem würde auch hier die Begründung von Erfüllungsansprüchen am Fehlen eines dahingehenden schutzwürdigen Vertrauens scheitern. 4. Erfüllungsanspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB)? Kündigt ein Partner die Vereinbarung einseitig auf, so kann zudem eine Haftung unter einem weiteren Gesichtspunkt angedacht werden: Grundsätzlich soll nämlich (nach nicht unbestrittener Ansicht) auch bei informellen Absprachen eine Haftung aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsverhandlungen, c.i.c.) in Betracht kommen, wenngleich vielfach ange288

Di Fabio, JZ 1997, 969, 971.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

führt wird, dass dabei behutsam zu verfahren sei, was auch immer dies im Einzelfall bedeuten mag289. Die Lehre vom Verschulden bei Vertragsverhandlungen wurde, nachdem sie bereits im Preußischen ALR eine gesetzliche Regelung erfahren hatte, im Jahre 1861 von Rudolf von Ihering nachhaltig entwickelt. War die c.i.c. schließlich in Rechtsprechung und Lehre auf Basis der §§ 122, 179 und 307 BGB aF. gewohnheitsrechtlich anerkannt290, so erhielt sie mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG)291 im Jahre 2002 eine normative Grundlage in § 311 Abs. 2 und 3 BGB, ohne dass damit im Kern eine sachliche Änderung der bisherigen Rechtslage verbunden gewesen wäre292. Die Haftung aus c.i.c., deren Grundsätze nach allgemeiner Meinung auch im öffentlichen Recht Anwendung finden293, liegt letztlich in der Inanspruchnahme und Gewährung besonderen Vertrauens begründet294. Unabhängig aber von der Frage, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze der c.i.c. überhaupt auf informelle Absprachen übertragbar sind, kommt jedenfalls die Begründung eines Erfüllungsanspruchs von vornherein nicht in Betracht. Rechtsfolge der c.i.c. ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB, dass der Anspruchsteller so gestellt wird, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte. Ein solches schädigendes Verhalten besteht grundsätzlich nicht im Treffen der Absprache, sondern kann vielmehr in der einseitigen Aufkündigung derselben und einer Verletzung von damit in Zusammenhang stehenden Aufklärungspflichten liegen. Ohne eine Kündigung (deren Qualifizierung als Pflichtverletzung aufgrund der Unverbindlichkeit der Absprache im Einzelfall äußerst klärungsbedürftig ist295) bestünde die Absprache zwar fort, Erfüllungsansprüche würden jedoch wie gesehen aus dieser nicht erwachsen. Daher ist in derartigen Fällen allenfalls ein Schadensersatzanspruch auf das 289

Vgl.: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 311, Rz. 11. 291 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138). 292 MünchKomm-Emmerich, BGB, Band 2a, 4. Aufl. 2003, § 311, Rz. 54; PalandtHeinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 311, Rz. 12; Zu den Auswirkungen für den Bereich des öffentlichen Rechts: Geis, NVwZ 2002, 385 ff. 293 BVerwG, DÖV 1974, 133, 134; BGHZ 71, 386, 395; 76, 343, 348; OVG Münster, DÖV 1971, 276; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 62, Rz. 5; Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 62, Rz. 8; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 356 ff.; Rüfner in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 49, Rz. 9 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 243; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 343; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schulderhältnisse, 1967, S. 172 ff.; Vgl. generell: Jäckle, NJW 1990, S. 2520 ff.; Geis, NVwZ 2002, 385, 387. 294 BGHZ 6, 330, 334; 71, 386, 393; 60, 221, 223 f.; Str., dazu ausführlich: MünchKomm-Emmerich, BGB, Band 2a, 4. Aufl. 2003, § 311, Rz. 61 mwN. 295 Dazu sogleich: IV. „Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen“. 290

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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negative Interesse denkbar, sofern der andere Teil Dispositionen im Vertrauen auf die Erfüllung der Absprache getätigt hat. Der Ersatz des positiven Interesses muss aber ausgeschlossen bleiben, da dies auf eine von den Beteiligten nicht gewollte rechtliche Verbindlichkeit der Absprache hinauslaufen würde. Ein Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. ist somit grundsätzlich ausgeschlossen296. 5. Amtshaftung, Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB Ein Erfüllungsanspruch gemäß Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB bleibt schließlich ebenso ausgeschlossen, da sich der Amtshaftungsanspruch in der Regel nur auf Geldersatz richtet297. Dies folgt aus dem Umstand, dass gemäß § 839 BGB grundsätzlich der jeweilige Beamte für sein Handeln haftet. Diese Haftung wird zwar auf den Staat übergeleitet, zur Staatshaftung wird sie dadurch jedoch nicht. Damit aber kann vom Staat nur das verlangt werden, was der Beamte als Privatperson selbst leisten könnte. Hoheitliche Handlungen zählen dazu jedoch nicht.

IV. Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen Vermögen die rechtmäßige informelle Absprache auch keine Erfüllungsansprüche zu begründen, so ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, inwieweit für den Fall ihrer Nichteinhaltung oder einseitigen Aufkündigung Folgeansprüche auf Ausgleich von erlittenen Schäden oder auf Rückerstattung von erbrachten Leistungen bestehen. Derartige Ansprüche wären jedoch von vornherein ausgeschlossen, wenn in der Absprache zugleich ein umfassender Anspruchsverzicht der Beteiligten gesehen werden könnte. Absprachen wirken jedoch im rein tatsächlichen Bereich, ohne dass hierdurch Rechtsfolgen gesetzt würden. Aus diesem Grunde aber kann in der Absprache nicht zugleich ein Rechtsverzicht liegen, da dieser als Disposition über ein Recht eine unmittelbare Rechtsfolge setzt. Davon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit, in Erfüllung der Absprache einen Rechtsverzicht zu erklären298. Dies hingegen bedarf der Beurteilung im Einzelfall. 296

Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 93. BGHZ 34, 99, 104; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 839, Rz. 78; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 110; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 679. 298 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 324; Zum Grundrechts- und Rechtsmittelverzicht im Zusammenhang mit informellen Absprache vgl. auch Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938 ff. 297

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

1. Schadensersatz statt der Leistung, § 62 S. 2 VwVfG analog iVm. § 280 Abs. 1, 3 BGB, § 281 BGB Wird eine informelle Absprache nicht eingehalten oder einseitig gekündigt, so steht der Gegenseite dennoch kein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu. Dies ist die logische Folge des Umstands, dass ein solcher Anspruch an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruches tritt, dieser aber durch die Absprache wie gesehen gerade nicht begründet wird. Da kein auf Erfüllung gerichtetes Schuldverhältnis besteht, kann im Falle der Nichterfüllung der Absprache auch keine Pflichtverletzung begangen werden299. 2. Amtshaftung, Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB Es stellt sich dagegen die Frage, inwieweit der Private die ihm infolge der Nichteinhaltung der Absprache entstandenen Schäden auf der Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs ersetzt verlangen kann. Der Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben, wenn jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Amtspflicht schuldhaft verletzt, die ihm einem Dritten gegenüber obliegt und dadurch einen Schaden verursacht, sofern kein Haftungsausschluss vorliegt oder sonstige Haftungsbeschränkungen300 greifen. Das geltende Recht der Amtshaftung knüpft damit an das Verhalten einer Person in Ausübung eines öffentlichen Amtes an301, wobei dieses Merkmal funktionell aufzufassen ist. Auf die Rechtsstellung des Amtswalters kommt es somit nicht an. Unter öffentlichem Amt sind dabei alle öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse zu verstehen, durch die einer natürlichen oder juristischen Person die Wahrnehmung einer dem Staat zugewiesenen Aufgabe unabhängig von deren Umfang oder Dauer übertragen wird302. Unter diesen Begriff fallen daher auch die Mitglieder der Bundesregierung303. Amtspflichten sind öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten, die sich auf die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes beziehen304 und dem Amtswalter ge299 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 172; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 268. 300 Da die Amtshaftung als mittelbare Staatshaftung ausgestaltet ist, haftet die jeweilige Körperschaft nur dann, soweit auch der handelnde Amtswalter haften würde. Sämtliche persönlichen Haftungsbeschränkungen kommen daher auch ihr zugute. Vgl. BGH, NJW 2002, 3096, 3097; BGHZ 146, 385, 388 f.; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 839, Rz. 3; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 12. 301 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 660; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 12. 302 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 67, Rz. 16. 303 BGH, DB 1967, 985; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 13.

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genüber dem Staat als seinem Dienstherrn obliegen. Sie können sich aus allen nur denkbaren Rechtsquellen ergeben, sind aber in erheblicher Weise durch die Rechtsprechung und Lehre geformt worden. Sie können sowohl auf eine gebotene Handlung, als auch auf eine Unterlassung (bzw. Duldung) gerichtet sein. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine Amtspflichtverletzung nur dann eine Schadensersatzpflicht auslöst, wenn die verletzte Pflicht auch drittgerichtet ist, d.h. nicht ausschließlich gegenüber dem Dienstherrn besteht. Das Vorliegen der Drittrichtung ist aus den die Amtspflicht begründenden Vorschriften und der Natur des Amtsgeschäfts heraus zu ermitteln305 und regelmäßig dann gegeben, wenn ein subjektives Recht des Geschädigten betroffen ist. Daher ist es erforderlich, dass die Amtspflicht zumindest auch dem Geschädigten gegenüber bestand und dessen Schutz bezweckte306. Aus diesem Grunde ist die Haftung für legislatives Unrecht häufig nicht unproblematisch307. Diese ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen308, aufgrund des generell-abstrakten Charakters von Gesetzen wird aber die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht überwiegend zu verneinen sein309. Anders dagegen stellt sich die Situation bei der normersetzenden Absprache dar. Zwar weist diese regelmäßig einen ähnlichen Inhalt wie das Gesetz auf, an dessen Stelle sie treten soll. Im Gegensatz zu diesem ist die Absprache jedoch individuell-konkret. Problematisch ist, inwieweit im Falle der Nichteinhaltung der Absprache überhaupt eine Pflichtverletzung angenommen werden kann: Auf den vorliegenden Fall bezogen hat nicht die Bundesregierung, sondern vielmehr der Deutsche Bundestag durch Annahme des Entwurfs zum Beitragssatzsicherungsgesetz die Absprache mit dem VFA gebrochen. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern hier eine Verletzungshandlung seitens der Bundesregierung gegeben ist. Andererseits kann ihr dieses Verhalten jedenfalls dann zugerechnet werden, wenn sie den entsprechenden Gesetzesentwurf selbst eingebracht hat. Ungeachtet dieser Problematik aber ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung nicht zuletzt deshalb fraglich, weil die Absprache rechtlich nicht bindend ist. Kann sie aber ohne

304 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 67, Rz. 48; Vgl. zu den mit dieser Begrifflichkeit verbundenen Problemen: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 42. 305 BGHZ 69, 128, 136; 84, 292, 299; 106, 323, 331; 129, 23, 25; Vgl. auch Ladeur, DÖV 1994, 665 ff.; Hörstel, VersR 1996, 546 ff. 306 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 664; Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 407. 307 Vgl. dazu: BGHZ 56, 40, 46; 102, 350, 367; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 684 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 67, Rz. 82 ff.; Scheuing, Haftung für Gesetze, in: Festschrift für Otto Bachof, 1984, S. 343 ff. 308 OLG Hamburg, DÖV 1971, 238, 239. 309 Sehr streitig: vgl. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 685; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 103 ff.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Weiteres gebrochen werden, so müsste eine Pflichtverletzung an sich ausscheiden. Grundsätzlich aber erscheint die Existenz von schadensersatzbewehrten Amtspflichten auch in informellen Verhältnissen jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen310, so dass die pauschale Verneinung von Amtshaftungsansprüchen unter Hinweis auf fehlendes schutzwürdiges Vertrauen des Privaten311 als verfehlt abzulehnen ist. Es fragt sich daher, welche Pflichten bestehen können, deren Verletzung zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs führen würde. In Betracht zu ziehen sind dafür zunächst die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten, die Pflicht zur Erteilung vollständiger, richtiger und unmissverständlicher Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen sowie die Pflicht zur Einhaltung von Zusagen. a) Amtspflicht zur Einhaltung von Zusagen Grundsätzlich besteht für die jeweils handelnde Behörde die Pflicht, gegenüber einem Bürger abgegebene Zusagen auch einzuhalten312. Unter Zusage ist jedoch eine rechtlich bindende Selbstverpflichtung einer Behörde zu einem späteren öffentlich-rechtlichen Tun oder Unterlassen zu verstehen. Absprachen dagegen zeichnen sich durch ihre rechtliche Unverbindlichkeit aus. Daher ist bereits aus diesem Grunde zweifelhaft, inwieweit diese Amtspflicht überhaupt bei informellen Absprachen bestehen kann. Schließlich aber muss auch eine Ausweitung Begriffs der Zusage auf informelle Absprachen ausscheiden, da dies im Ergebnis einer rechtlichen Verbindlichkeit der Absprache gleichkäme. b) Amtspflicht zu konsequentem Verhalten Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten ist eine Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). Danach ist der Amtswalter verpflichtet, eine in bestimmter Weise geplante und begonnene Maßnahme entsprechend durchzuführen313 und sich dabei nicht in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten zu setzen (sofern der Betroffene im Vertrauen auf deren Weiterführung bestimmte wirtschaftliche Dispositionen getroffen hat)314. 310 Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 449; Ebenso: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 208. 311 So aber wohl: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 160. 312 Vgl. dazu: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 178. 313 BGH, VersR 1990, 422; BGH, NVwZ-RR 1989, 600, 601; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1201. 314 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1201.

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Dieser Grundsatz könnte daher pflichtwidrig verletzt sein, wenn eine (rechtmäßige) Absprache durch die Behörde nicht eingehalten oder einseitig aufgekündigt wird315, wobei verschiedene Stimmen in der Literatur zudem danach differenzieren, ob die Behörde mit oder ohne hinreichenden Grund von der Absprache abweicht316. Auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes kommt es hingegen dann nicht an, wenn bei informellen Absprachen die Amtspflicht gegenüber dem Bürger von vornherein nicht besteht. Ihre Grundlage findet die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten im verfassungsrechtlichen Prinzip des Vertrauensschutzes317. Voraussetzung ist daher, dass die Behörde in einer bestimmten Form schutzwürdiges Vertrauen gesetzt hat. Daraus folgt zugleich aber auch, dass die Amtspflicht dort an ihre Grenzen gelangt, wo das Vertrauen des Einzelnen nicht mehr schutzwürdig ist. Wie zuvor bereits gesehen, kann ein Vertrauen des Einzelnen in die Erfüllung der Absprache grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden318. Erbringt er vereinbarungsgemäß seine Leistung, wird dieses Vertrauen in der Regel noch verstärkt. Da jedoch die Absprache nach dem Willen der Beteiligten lediglich faktische Bindungen aufweist, nicht aber rechtliche, ist ein in die Erfüllung der Absprache gesetztes Vertrauen in der Regel nicht schutzwürdig. Insofern gelten die hinsichtlich des Vertrauensschutzes bereits aufgestellten Maßstäbe. Eine Amtspflicht zu konsequentem Verhalten kann daher aufgrund der Natur der informellen Absprache nicht bestehen, unabhängig davon, ob die Behörde für die Nichteinhaltung der Absprache sachliche Gründe vorzubringen vermag319. c) Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen Auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen ist die Behörde (ebenso wie der Private) grundsätzlich berechtigt, die Vereinbarung einseitig zu brechen. Dennoch hat sie dabei auf die berechtigten Interessen des Privaten Rücksicht zu nehmen. Davon ausgehend könnte sich schließlich eine haftungsbegründende Amtspflichtverletzung daraus ergeben, dass die Behörde im Vorfeld der Absprache oder zusammenhängend mit deren einseitiger Aufkündigung 315 Vgl. Kunig, DVBl 1992, 1193, 1201; v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 220. 316 Dazu: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 174 mwN.; Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Allgemein zu diesem (pflichtbegrenzenden) Merkmal: vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 50. 317 BVerwGE 35, 159, 163; BGH, NJW 1963, 644, 645; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 49. 318 Vgl. hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter F. III. 1. „Bindungswirkung und Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes?“. 319 Bestenfalls kann dies im Rahmen einer Willkürkontrolle von Bedeutung sein.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

oder Nichteinhaltung Beratungs-, Betreuungs- und Auskunftspflichten verletzt hat320. In diesem Zusammenhang ist vorliegend auch die Amtspflicht zu rücksichtsvollem Verhalten zu sehen. Durch den Abschluss der Absprache wird auf beiden Seiten in gewissem Umfang gegenseitiges Vertrauen in Anspruch genommen. Dieses Vertrauen liegt letztlich vor allem in der bereits erwähnten faktischen Bindungswirkung der Absprache begründet und löst bei den Partnern die berechtigte Erwartung aus, dass der jeweils andere Teil in gesteigertem Maße auf die Interessen und Rechtsgüter des anderen Teils Rücksicht nimmt. Daraus resultiert für die Behörde die Pflicht, den Privaten bereits vor Abschluss der Absprache hinreichend über Motive der Vereinbarung und die Umstände einer möglichen Nichteinhaltung derselben aufzuklären. Zudem hat sie sich im Falle einer Änderung der eigenen Auffassung dergestalt rücksichtsvoll zu verhalten, dass sie den anderen Teil frühzeitig, vollständig und inhaltlich richtig über die Absicht der Nichteinhaltung der Absprache unterrichtet, um diesen vor weiteren, unter Umständen vermögensschädigenden, Dispositionen zu bewahren. Hat die Behörde demnach den Privaten durch die Absprache zur Tätigung finanzieller Aufwendungen veranlasst und löst sie sich nunmehr von der getroffenen Vereinbarung, ohne den ihr obliegenden Aufklärungspflichten nachzukommen, so kann der dem Privaten infolgedessen entstandene Schaden im Wege eines Amtshaftungsanspruchs geltend gemacht werden. Dieser Anspruch kann nicht von vornherein unter dem Aspekt des Mitverschuldens unter dem Hinweis gekürzt werden, dass der Private sich freiwillig an der Absprache beteiligt habe, da im bloßen Abschluss der Vereinbarung noch keine Obliegenheitsverletzung liegen kann. Fehlt es hingegen an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, etwa weil Dispositionen, die infolge des Bruchs der Absprache entwertet werden, bereits vor dem Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung getätigt wurden, so bleibt ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Private im Hinblick auf die verletzte Amtspflicht kein schutzwürdiges Vertrauen genießt. Dies kann beispielweise dann der Fall sein, wenn er positive Kenntnis von dem zu erwartenden Verhalten der Behörde hat und dennoch solche Aufwendungen tätigt, die sich im Ergebnis als wertlos und damit vermögensschädigend erweisen.

320 Vgl. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 453; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 175 ff.; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 446; Allgemein: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 47 f.

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d) Amtspflicht zu fehlerfreier Ermessensausübung Ein Beamter handelt grundsätzlich auch dann amtspflichtwidrig, wenn er das ihm eingeräumte Ermessen in fehlerhafter Weise ausübt. Relevant wird dies in besonderer Weise dann, wenn Ermessensschranken oder -bindungen außer acht gelassen werden. Fraglich ist jedoch, ob diese Grundsätze auch auf informelle Absprachen übertragbar sind. Verwaltungsermessen im hier erforderlichen Sinne besteht nur bei Anwendung einer entsprechenden Verwaltungsrechtsnorm und kann daher allgemein als „normativ begründete, eingegrenzte und dirigierte Rechtsfolgenbestimmung durch die Verwaltung“ bezeichnet werden321. Die Absprache dagegen beruht nicht auf der Anwendung einer ausdrücklichen Rechtsnorm, sondern bewegt sich vielmehr im informellen Raum. Zudem stellt ihre Nichteinhaltung ebenso wenig eine Rechtsfolgenbestimmung dar, wie der Abschluss der Vereinbarung selbst. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern die Nichteinhaltung der Absprache überhaupt von einem Ermessensspielraum im hier interessierenden Sinne berührt sein kann322. Ungeachtet der damit aufgeworfenen Fragen kann jedoch ein solcher Anspruch aus einem anderen Grunde hier nicht in Betracht kommen: Ist die informelle Absprache rechtlich unverbindlich, so können aus dem alleinigen Umstand ihrer Nichteinhaltung grundsätzlich auch keine Schadensersatzansprüche resultieren. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung muss daher schon kraft Natur der Sache ausscheiden. Zudem würde es jedenfalls an einem schutzwürdigen Vertrauen seitens des Privaten fehlen, da dieser wie gesehen jederzeit mit der einseitigen Aufkündigung der Absprache rechnen muss. 3. culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB) Im Falle des Scheiterns der Absprache ist schließlich auch ein Anspruch auf Ersatz von eingetretenen Schäden aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo in Erwägung zu ziehen323, wobei seit dem 01.01.2002 die Anwendung des § 311 Abs. 2 BGB über einen analogen Rückgriff auf § 62 S. 2 VwVfG sinnvoll erscheint324. Wie bereits § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zeigt, ist eine derar321 Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19, IV, Rz. 189; Ossenbühl in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 10, Rz. 10 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999; § 31, Rz. 31 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 134 ff.; Ossenbühl, DÖV 1976, 463, 465. 322 Zum Ermessen im „gesetzesfreien“ Raum: Henneke in: Knack, VwVfG, 6. Aufl. 1998, § 40, Rz. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40, Rz. 3; Rennert in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 114, Rz. 7. 323 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420. 324 Dazu Kapitel 5: C. III. 9. „§ 62 VwVfG analog?“.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

tige Haftung nicht etwa auf das Verschulden bei Vertragsverhandlungen beschränkt, wie die wörtliche Übersetzung von culpa in contrahendo nahe legen würde, sondern findet auch auf solche geschäftlichen Kontakte Anwendung, die nicht auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet sind325. Grundsätzlich steht daher einer Haftung aus c.i.c. auch bei informellen Absprachen nichts im Wege. Zu beachten ist jedoch, dass (gleichlaufend mit den zur Amtshaftung dargestellten Grundsätzen) der Anknüpfungspunkt eines solchen Schadensersatzanspruchs keinesfalls die bloße Nichteinhaltung der Absprache sein kann, da die Partner unter keinem Gesichtspunkt zur Erfüllung verpflichtet sind. Die Verneinung von Erfüllungsansprüchen schließt jedoch die Haftung für anderweitige Pflichtverletzungen nicht aus. Da diese jedoch nicht im Bruch der Absprache liegen können, muss der Zeitpunkt der Betrachtung etwaiger pflichtwidriger Verletzungshandlungen zeitlich vorverlagert werden. Denkbar ist dies bereits im Vorfeld des endgültigen Scheiterns der Absprache oder zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Vereinbarung noch im Verhandlungsstadium befindet. Da die Pflichten im Rahmen einer Haftung aus c.i.c. nicht über jene im Rahmen der Amtshaftung bestehenden hinausgehen können, kommt in diesem Zusammenhang insbesondere die Verletzung von Aufklärungs-, Anzeige- und Schutzpflichten in Betracht. Schließlich sei noch anzumerken, dass der private Absprachepartner von vornherein nur solchen Pflichten unterworfen sein kann, die auch gegenüber anderen Privaten bestehen würden, da er nicht an das Rechtsstaatsprinzip gebunden ist326. Tiefgreifende praktische Auswirkungen hat diese Einschränkung jedoch regelmäßig nicht. Ob derartige Pflichten jedoch tatsächlich bestehen und damit die Möglichkeit einer Ergänzung der Amtshaftung durch eine vertragsähnliche Haftung im Einzelfall eröffnet ist, bleibt fraglich. Entsteht durch die Absprache auch kein auf Erfüllung gerichtetes Schuldverhältnis, so bedarf es zur Begründung von Schadensersatzansprüchen aus c.i.c. aber wenigstens eines solchen Verhältnisses, kraft dessen die Beteiligten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet sind327 (vgl. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB). Voraussetzung ist somit das Bestehen einer Sonderverbindung zwischen Staat und Privatem im Sinne eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses. Die Voraussetzungen für dessen Entstehen sind jedoch bis zum heutigen Tage nicht abschließend geklärt.

325

Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 311, Rz. 18. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 90. 327 Diese Pflichten müssen nach der Formulierung des § 241 Abs. 2 BGB entweder vereinbart werden oder sich im Wege der Auslegung dem Schuldverhältnis entnehmen lassen; Vgl. Geis, NVwZ 2002, 385, 388. 326

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Während im Schrifttum teilweise auf die Vermögenswertigkeit der geschuldeten Leistungen abgestellt wird328, soll nach anderer Auffassung zwischen obrigkeitlicher und schlichthoheitlicher Tätigkeit unterschieden werden329, wobei bürgerlich-rechtliche Vorschriften nur bei Letzterer zur Anwendung kommen sollen. Unklar bleibt jedoch, inwieweit diesen Formeln handhabbare Maßstäbe für die Beurteilung im Einzelfall entnommen werden können. Ist etwa für die Frage der Vermögenswertigkeit der geschuldeten Leistung auf einen objektiven Betrachter oder aber vielmehr auf die individuelle Interessenlage der Beteiligten abzustellen? Nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten sind Rechtsprechung und ein Teil der Lehre einen anderen Weg gegangen und verlangen ein besonders enges Verhältnis zwischen Staat und betroffenem Privaten, das mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis nach einer haftungsrechtlichen Besserstellung330 in Ergänzung zur Amtshaftung liefert331. Damit dreht sich die Beurteilung im Kern um die Frage, ob eine besondere Interessenlage besteht, aufgrund derer die Notwendigkeit erwächst, die an der Absprache Beteiligten einer über die allgemeinen deliktischen Beziehungen hinausgehenden Rechts- und Pflichtenstellung zu unterwerfen. Indiz für diese Notwendigkeit ist somit die Schutzwürdigkeit der Absprachepartner332. Bei zunächst nur oberflächlicher Betrachtung ließe sich aus grundsätzlichen Erwägungen heraus anführen, dass ein Partner dann, wenn er sich rechtlich nicht binden wollte, auch nicht wegen Verschuldens bei „Vertragsverhandlungen“ haftbar gemacht werden könne333. Zudem erscheint das Bestehen einer erhöhten Schutzwürdigkeit der Beteiligten informeller Absprachen kaum einsichtig, da die Beteiligten bewusst die informelle Absprache unter Vermeidung von rechtlich verbindlichen Handlungsformen (Zusage, öffentlich-rechtlicher Vertrag) gewählt haben. Aus diesem Wissen um die rechtliche Unverbindlichkeit der Absprache hätten die Partner aber jederzeit mit der Nichteinhaltung bzw. Aufkündigung der Vereinbarung rechnen müssen, so dass für getätigte Disposi328

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 55, Rz. 3. Zu dieser Differenzierung: Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1970, S. 62 ff. 330 Beispielsweise hinsichtlich der Haftung für Hilfspersonen, § 278 BGB. Zudem entfiele bei einer vertragsähnlichen Haftung die amtshaftungsrechtliche Subsidiaritätsklausel (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB). 331 BGHZ 10, 303, 306; 21, 214, 218 f.; 59, 303, 305; 61, 7, 11; 71, 386, 392; BGH, NJW 1974, 1816; BGH, DVBl 1988, 788, 789; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 59. 332 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 169. 333 Medicus, Schuldrecht I, 15. Aufl. 2004, S. 65 (für die zivilrechtliche Problematik der Gefälligkeitsverhältnisse); Allgemein: Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, Einl § 241, Rz. 16; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, Einl v § 241, Rz. 7 ff.; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 109. 329

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tionen an sich keine tragfähige Vertrauensgrundlage bestand. Damit aber müsste ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. im Ergebnis ausscheiden334. In ihrer Absolutheit kann dieser Sichtweise nicht gefolgt werden, da sie die von der Absprache ausgehenden faktischen Wirkungen vollkommen außer Betracht lässt. Richtig ist, dass kein schutzwürdiges Vertrauen der Beteiligten in die Erfüllung der Absprache bestehen kann. Davon zu unterscheiden ist jedoch das über die allgemeine Redlichkeitserwartung hinausgehende gegenseitige Vertrauen in die Sorgfalt und Umsicht des jeweils Anderen. Da ein gewisses Maß an Verlässlichkeit überhaupt erst die Basis für das Treffen einer Absprache bildet, gehen die Parteien grundsätzlich davon aus, dass sich der andere Teil nicht ohne hinreichenden Grund von der Absprache einseitig lösen wird. Doch selbst für diesen Fall hegen die Beteiligten die berechtigte Erwartung, dass der andere Teil alles ihm Zumutbare unternehmen wird, den Eintritt von in diesem Zusammenhang stehenden Schäden, die sich insbesondere durch die Tätigung weiterer Dispositionen ergeben würden, zu vermeiden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Parteien rechtlich binden wollten oder nicht. Entscheidend für eine ergänzende Haftung aus c.i.c. bleibt allein das Bestehen einer Gefährdungslage, die sich aus der Inanspruchnahme gegenseitigen Vertrauens ergibt und auch bei der informellen Absprache durchaus erkennbar ist. Begründen lässt sich dies vor allem mit der Tatsache, dass aufgrund fehlender Erfüllungsansprüche das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten im Einzelfall sogar noch höher sein kann als bei Verträgen. Schließlich treffen sie unter Umständen weitreichende Vermögensdispositionen, ohne durch entsprechende Gegenleistungsansprüche gesichert zu sein. Der durch die Aufnahme der Verhandlungen gesteigerte Rechtsgüterkontakt zwischen den Beteiligten und der daraus resultierenden hohen Schutzbedürftigkeit begründet daher die grundsätzliche Eignung der informellen Absprache, eine Sonderbeziehung mit Schutz- und Sorgfaltspflichten zwischen Staat und Privatem zu begründen, so dass Ansprüche aus c.i.c. auch bei informellen Absprachen entstehen können. Entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen, die im Zusammenhang mit einer Haftung aus c.i.c. entwickelt wurden, ist insbesondere die Verletzung von Aufklärungs- und Anzeigepflichten hinsichtlich solcher Umstände relevant, die für die Beteiligten von Bedeutung sind335. Die Partner haben sich daher bereits beim Treffen der Vereinbarung etwa über solche für sie erkennbare Umstände aufzuklären, die im Falle ihres Eintretens zur Nichteinhaltung der Absprache führen können. Ähnliche Pflichten bestehen jedoch auch im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Bruch der Absprache. So haben sich die Beteiligten 334 So offenbar: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 143; Vgl. auch: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171. 335 Vgl. BGHZ 71, 386, 396; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 357.

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bereits frühzeitig über diesbezügliche Absichten zu informieren, um den anderen vor weiteren, unter Umständen vermögensschädigenden, Dispositionen zu bewahren. Eng in Zusammenhang mit der Verletzung von Aufklärungspflichten stehend kann zudem auch die Fallgruppe des Herbeiführens inhaltlich nachteiliger Vereinbarungen durch pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensbildung des Geschädigten von Bedeutung sein. Diesbezügliche Pflichtverletzungen führen dabei zunächst auch dann zum Entstehen von Schadensersatzansprüchen, wenn die Absprache nicht gebrochen wird. Sie sind schließlich aber auch von Relevanz, wenn der Geschädigte aufgrund der inhaltlich nachteiligen Absprache zu Dispositionen veranlasst wurde und diese nunmehr zusätzlich durch den Bruch der Absprache entwertet werden. Für eine Haftung aufgrund Herbeiführens inhaltlich nachteiliger Vereinbarungen kommt es grundsätzlich nicht auf die Rechtswidrigkeit der Absprache an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Geschädigte aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Informationen des anderen Teils die Vereinbarung überhaupt oder in einer bestimmten, für ihn nachteiligen Form getroffen hat und dadurch zu Vermögensdispositionen veranlasst wurde. Während das Verschweigen von Tatsachen nur dann eine Haftung begründet, wenn im Einzelfall eine aus den Eigenarten des Schuldverhältnisses zu ermittelnde Offenbarungspflicht bestand, kommt eine Haftung aus c.i.c. für die Übermittlung unrichtiger Informationen regelmäßig auch dann in Betracht, wenn der Schädiger diesbezüglich nicht zur Auskunft verpflichtet war336. Haftungsfolge der c.i.c. ist ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Naturalrestitution. Der Geschädigte ist damit so zu stellen, wie er ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis stünde. Da Gegenstand der Betrachtung an dieser Stelle ausschließlich die rechtmäßige Absprache ist, kann das schädigende Verhalten wie erläutert nicht im Abschluss der Absprache gesucht werden. Wurden dagegen bestehende Aufklärungspflichten verletzt und hat der Geschädigte infolge dessen Leistungen trotz des späteren Bruchs der Absprache erbracht, so können diese zunächst zurückgefordert werden. Dagegen richtet sich der Anspruch auf Entschädigung, wenn die Leistungen in Natur nicht herausgegeben werden können oder wenn unumkehrbare Dispositionen getätigt wurden, die nunmehr entwertet sind. Für den Fall des Abschlusses einer inhaltlich nachteiligen Vereinbarung liegt das schädigende Verhalten, ähnlich der Aufklärungspflichtverletzung nach Abschluss der Absprache, in der Übermittlung unrichtiger oder unvollständiger Informationen. Ohne dieses Ereignis hätte sich der Geschädigte auf die Absprache entweder überhaupt nicht oder aber nicht mit diesem Inhalt eingelassen. Während der Anspruch aus c.i.c. beim Vertrag auf Auflösung desselben gerichtet ist, 336

BGH, NJW-RR 1997, 144, 145; BGHZ 74, 103, 110; BGH, WM 1988, 95, 96.

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bedarf es dieser Rechtsfolge bei Absprachen hingegen nicht, da diese ohnehin rechtlich unverbindlich sind und somit jederzeit von den Parteien gebrochen bzw. aufgekündigt werden können. Damit kommt wiederum allein ein Anspruch auf Rückgewähr von erbrachten Leistungen bzw. Geldersatz für infolge der Absprache getätigte entwertete Dispositionen in Betracht. Je nachdem, wer durch die in Frage stehende Pflichtverletzung geschädigt wurde, kann der Anspruch aus c.i.c. sowohl von dem an der Absprache beteiligten Privaten als auch der jeweiligen Behörde geltend gemacht werden. 4. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Hat eine der Parteien die durch die Absprache zugesagte Leistung erbracht, so stellt sich die Frage, inwieweit diese wieder zurückgefordert werden kann, wenn die Vereinbarung endgültig scheitert. Relevant wird dies vor allem in den Fällen, in denen Schadensersatzansprüche mangels Pflichtverletzung ausscheiden. Da es jedoch widersinnig wäre, derjenigen Partei, die freiwillig in Vorleistung getreten ist und nunmehr keine Gegenleistung erhält, auch noch die Rückerstattung der selbst erbrachten Leistungen zu verweigern, muss nach anderweitigen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. In Betracht kommt dafür der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der sich nicht auf den Ersatz von erlittenen Vermögensschäden richtet, sondern vielmehr auf die Rückgängigmachung unberechtigter Vermögensverschiebungen. Anerkanntermaßen bildet dieser Anspruch die öffentlich-rechtliche Parallele zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch337 – seine rechtliche Grundlage ist jedoch bis zum heutigen Tage umstritten. Während er einer Auffassung zufolge auf einer analogen Anwendung der §§ 812 ff. BGB beruhen soll338, wird der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch überwiegend als eigengeartetes, originäres Institut des allgemeinen Verwaltungsrechts betrachtet339. Ungeachtet dieses Streits ist er mittlerweile aber jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannt. Er konkretisiert letztlich den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, nach dem rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen durch Umkehrung der Vermögensbewegung wieder auszugleichen sind. Damit aber folgt er jedenfalls hinsichtlich seiner tatbestandlichen Grundstrukturen im Wesentlichen den Regelungen der §§ 812 ff. BGB340, wird jedoch durch die Wertungen des öffentlichen Rechts modifiziert.

337 Dazu: BVerwGE 25, 72, 81; 71, 85, 87; 100, 56, 59 f.; 112, 351, 354; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 415. 338 OVG Lüneburg, NJW 1953, 839, 840; Vgl. dazu: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 792 f; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 422. 339 BVerwGE 4, 215, 218 f.; 6, 323, 324; 20, 295, 297; 71, 85, 88.

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In seiner grundsätzlich anerkannten Ausprägung findet der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sein zivilrechtliches Pendant in § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB (condictio indebiti). Voraussetzung ist damit eine rechtsgrundlose, durch Leistung erfolgte, unmittelbare Vermögensverschiebung zwischen zwei Rechtssubjekten. Ausgehend von der zivilrechtlichen Definition kann unter Leistung ganz allgemein die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens verstanden werden341, wobei dieser Begriff (ähnlich der Situation im Zivilrecht) nicht nur geldwerte Vorteile, sondern vielmehr auch nicht geldwerte Positionen erfasst. Zudem ist der Begriff der Leistung aufgrund der Grundrechtsgebundenheit des Staates in denkbar weitem Sinne auszulegen. Dieser Definition folgend, ist die Erfüllung einer informellen Absprache regelmäßig jedenfalls dann als Leistung zu qualifizieren, wenn es zu einer tatsächlichen Vermögensverschiebung zwischen den Beteiligten kommt. Problematisch ist hingegen das Merkmal der Zweckgerichtetheit der Leistung, da Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (in Form der Leistungskondiktion) ist, dass mit der Leistung ein Tilgungserfolg einer bestehenden Verbindlichkeit bezweckt wird. Bei Erfüllung der Absprache leisten die Beteiligten jedoch gerade nicht auf eine bestehende Schuld (solvendi causa), da dem Parteiwillen nach keine primären Leistungspflichten begründet werden sollten. Die Leistungserbringung beruht somit auf tatsächlichen, nicht aber rechtlichen Verpflichtungen. Wird aber nicht auf Schuld geleistet, so muss im Ergebnis die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Form der condictio indebiti bei informellen Absprachen ausscheiden. Liegt der Leistungszweck nicht in der Erfüllung einer Verbindlichkeit, so ist aber ein Erstattungsanspruch nach den Grundsätzen der Zweckverfehlungskondiktion (condictio ob rem) in Erwägung zu ziehen. Während die zivilrechtliche condictio ob rem in § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB geregelt ist, wird die Frage ihrer Existenz im öffentlich Recht dagegen nicht einheitlich beantwortet342. Gegen diese Möglichkeit wird in der Literatur teilweise eingewandt, dass die Fälle der Zweckverfehlung durch § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwVfG iVm. § 49a VwVfG 340 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 240 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 792. 341 BGHZ 40, 272, 277; 56, 228, 241; 58, 184, 188; BGH, NJW 1999, 1393; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 812, Rz. 3; Erman/Westermann; BGB, 11. Aufl. 2004, § 812, Rz. 11; Staudinger/Lorenz (1999), § 812, Rz. 4 ff.; Anders dagegen im Bereich des öffentlich Rechts: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 334 f., der im Hinblick auf die Grundrechtsgebundenheit des Staates auf die Vermögensgerichtetheit des Leistungsbegriffs gänzlich verzichten möchte. Dies würde jedoch den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, für den ein Vermögenszustand kennzeichnend ist, der durch Erstattung wieder ausgeglichen werden soll, zu einem reinen verschuldensunabhängigen Haftungstatbestand wandeln und kann daher nicht überzeugen. 342 So noch: Erichsen in: Erichsen, AllgVerwR, 10. Aufl. 1995, § 32, Rz. 24 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 429 ff.

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abschließend geregelt seien, so dass es einer besonderen Anspruchsgrundlage nicht bedürfe343. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die diesbezügliche Argumentation im Kern um die Problematik der Rückabwicklung fehlgeschlagener Subventionsverhältnisse dreht und nicht zwangsnotwendig verallgemeinerungsfähig ist. Zudem handelt es sich bei den zitierten Vorschriften um solche, die sich streng auf den Verwaltungsakt beziehen und daher auf andere Handlungsformen grundsätzlich nicht übertragbar sind344. Bei informellen Absprachen dagegen ist dem eigentlichen Leistungsaustausch kein Verwaltungsakt vorgeschaltet, so dass die genannten Vorschriften nicht einschlägig sind. Damit aber sieht die Rechtsordnung keine abschließende Regelung für die Rückerstattung von Leistungen bei Zweckverfehlung vor. Aus rechtsstaatlichen Erfordernissen heraus muss jedoch eine Zweckverfehlungskondiktion auch in den Fällen möglich sein, in denen das geltende Recht keine unmittelbare Anspruchsgrundlage beinhaltet, so dass hier auf allgemeine Grundsätze in Anlehnung an § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB zurückgegriffen werden kann345. Voraussetzung für das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in der Form der Zweckverfehlungskondiktion ist, dass ein von den Beteiligten vorausgesetzter Erfolg mit der Leistungserbringung nicht eingetreten ist. Dabei gilt es zu klären, welche Zwecke mit der Erbringung der im Rahmen der Absprache zugesagten Leistung verfolgt werden und ob deren Verfehlung eine hinreichende Grundlage für die Begründung eines Erstattungsanspruchs bildet. Bedingt wird dies durch den Umstand, dass für die Begründung von Rückerstattungsansprüchen im Falle des Nichteintritts des angestrebten Erfolgs nicht jeder mit der Leistung verfolgte Zweck ausreichend ist. Vielmehr muss über den mit jeder Leistung notwendig verfolgten Zweck hinaus ein bestimmter, zukünftig eintretender rechtlicher oder tatsächlicher Erfolg von den Beteiligten vorausgesetzt sein. Dieser liegt bei Erfüllung der informellen Absprache vordergründig im Erhalt der zugesagten Gegenleistung. Über diesen Zweck der Leistung muss zwischen den Beteiligten eine tatsächliche Verständigung erfolgt sein, ohne dass diese zugleich den Charakter einer vertraglichen Vereinbarung aufweisen würde346. Damit ist die Zweckvereinbarung im Sinne der condictio ob rem zunächst von jenen Fällen abzugrenzen, in

343

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 430. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 49a, Rz. 4; Vgl. zudem: Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 49a, Rz. 9; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361, 383. 345 Ähnlich: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 335 f.; Grundsätzlich zustimmend: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142 (analoge Anwendung des § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB); Offen: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171. 346 BGH, NJW 2004, 512, 513; BGH, NJW 1992, 2690; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 812, Rz. 86. 344

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denen der Leistungszweck zum Inhalt der Absprache im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung geworden ist. Wiederum gilt es hier zu berücksichtigen, dass die Absprache rechtlich unverbindlich ist und somit auch keine Erfüllungsansprüche zu begründen vermag. Insofern aber können Zweckvereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Absprache getroffen werden, grundsätzlich nicht den Charakter einer vertraglichen Vereinbarung aufweisen. Anders als beim Vertrag stellt sich somit die Frage der Abgrenzung des Leistungszwecks als Inhalt der Vereinbarung von der sonstigen Zweckvereinbarung bei informellen Absprachen grundsätzlich nicht. Dagegen darf sich aber auf der anderen Seite der Nichteintritt des mit der Leistung angestrebten Erfolgs nicht als Störung bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen. Klärungsbedürftig ist daher, ob die gegenseitige Erwartung der Gegenleistung Geschäftsgrundlage der getroffenen Absprache sein kann. Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluss der Absprache zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Umständen aufbaut. Bei der konkreten Beurteilung ist wiederum von der faktischen Bindungswirkung der Absprache auszugehen. Die Parteien sagen ein bestimmtes Verhalten in der Erwartung zu, dass auch der andere Teil seinerseits die versprochene Leistung erbringt. Die Erbringung der zugesagten Gegenleistung ist aber für die Beteiligten nicht lediglich ein Umstand, dessen künftiger Eintritt beidseitig erwartet wird. Vielmehr bilden die gegenseitigen Leistungserwartungen den eigentlichen Leistungszweck, ohne dass dieser jedoch von den Beteiligten rechtsverbindlich vereinbart worden wäre. Damit ist die gegenseitige Erwartung der Erfüllung nicht Geschäftsgrundlage, sondern tatsächlich verfolgter Zweck der Absprache und somit für die Zweckverfehlungskondiktion im Ergebnis auch taugliche Zweckvereinbarung. Im Ergebnis wird der Zweck der Leistung eines Beteiligten dann verfehlt, wenn zugleich die andere Partei das durch die Absprache zugesagte Verhalten nicht erbringt. Rechtsfolge dieser Zweckverfehlung ist, dass die vorleistende Seite grundsätzlich Anspruch auf Rückerstattung des von der anderen Seite Erlangten hat. Ebenso, wie die (gültige) informelle Absprache zunächst grundsätzlich einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen empfangener Leistungen darstellt, entsteht ein solcher Erstattungsanspruch allerdings nicht, solange die andere Seite leistungswillig und -fähig ist. Damit kann die Rückerstattung eigener Leistungen erst dann verlangt werden, wenn der Andere die Absprache ausdrücklich aufkündigt, innerhalb einer angemessen Frist nicht leistet oder durch ein sonstiges Verhalten die Möglichkeit zur Leistung vereitelt. Bei normersetzenden Absprachen ist Letzteres namentlich im Falle der absprachewidrigen Gesetzgebung gegeben.

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Da § 814 BGB bereits in direkter Anwendung auf die condictio ob rem keine Anwendung findet347 und ein darüber hinausgehender allgemeiner Rechtsgrundsatz nicht existiert, ist ein Erstattungsanspruch auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Absprache rechtsunverbindlich ist und der Leistende demzufolge gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war348. Insoweit ist jedoch in Anlehnung an § 815 BGB die Rückforderung des Geleisteten dann ausgeschlossen, wenn der Eintritt des Erfolgs von Anfang an unmöglich war und der Leistende dies gewusst hat oder treuwidrig verhindert hat. Allerdings kann dies nur für den Anspruch des Staates gegen den Bürger gelten. Im umgekehrten Falle dagegen genießt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorrang. Kann das Erlangte nicht herausgegeben werden, so ist grundsätzlich Wertersatz zu leisten349. Zudem umfasst der Erstattungsanspruch in Anlehnung an § 818 Abs. 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen und Surrogate, die an die Stelle der erlangten Zuwendung getreten sind. Zinsen auf die Erstattungsforderung sind nur insoweit zu leisten, als der Empfänger der Leistung tatsächlich Zinsen gezogen hat, was insbesondere dann vermutet werden kann, wenn öffentliche Gelder in einem Unternehmen mit anderen Betriebsmitteln vermischt werden. In diesen Fällen ist der erwirtschaftete Zinsgewinn herauszugeben. Mangels Anerkennung eines allgemeinen Grundsatzes, dass Geldschulden oder Erstattungsbeträge zu verzinsen sind, besteht im übrigen eine Verzinsungspflicht nur dann, wenn dies explizit von entsprechenden gesetzlichen Regelungen vorgesehen ist350. Hinsichtlich einer Berufung auf einen (unter Umständen eingetretenen) Wegfall der Bereicherung ist zunächst danach zu differenzieren, ob der Bürger oder der Staat als Erstattungsberechtigter in Erscheinung tritt. Bei einem Anspruch des Staates gegen den Bürger wird teilweise von einer analogen Anwendbarkeit der §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 1 BGB (bzw. § 820 BGB) ausgegangen351, mit der Folge, dass dem Bürger jedenfalls grundsätzlich die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung möglich ist. Nach anderer Auffassung soll dem Bürger diese Möglichkeit hingegen verwehrt bleiben, da dem öffentlichen Recht ein derartiger Rechtsgedanke nicht bekannt sei352. Indes kann dieser Einwand schon vor dem Hintergrund kaum richtig sein, dass zahlreiche gesetzliche Vorschriften 347

OLG Köln, NJW-RR 1994, 1026, 1027. Dazu im allgemeinen: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 179. 349 BVerwG, DVBl 1980, 686, 689; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 432. 350 BVerwGE 15, 78, 81; 48, 133, 136; 71, 48, 58. 351 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 55, Rz. 21c. 352 Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. II, 1967, S. 360 f. 348

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(vgl. nur § 49a Abs. 2 VwVfG oder auch § 87 Abs. 2 BBG) den Gedanken des Bereicherungswegfalls als anspruchsvernichtenden Umstand ausdrücklich aufgreifen. Allerdings kann die in den §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 1, 820 BGB zum Ausdruck kommende Interessenwertung grundsätzlich nicht auf das öffentliche Recht übertragen werden, da hier nach der Person des Erstattungsberechtigten differenziert werden muss. Im öffentlichen Recht geht somit der Gedanke des Bereicherungswegfalls in den Grundsätzen des Vertrauensschutzes auf353 (vgl. § 50 Abs. 2 SGB X für den Bereich des Sozialrechts). Bezogen auf die informelle Absprache bedeutet dies, dass sich der zur Erstattung verpflichtete Private bei Empfang der staatlichen Leistung in einem Vertrauenszustand hinsichtlich der Beständigkeit der Vermögensverschiebung befunden haben muss und die empfangene Leistung inzwischen verbraucht hat. Fraglich ist aber, worauf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage überhaupt beruhen soll, da die informelle Absprache wie gesehen rechtsunverbindlich ist und somit schutzwürdiges Vertrauen eigentlich nicht existieren kann354. Das grundsätzlich nicht schutzwürdige Vertrauen in den Erhalt der zugesagten Leistung ist jedoch vom Vertrauen auf das Behaltendürfen einer einmal empfangenen Leistung zu unterscheiden. Aufgrund der erläuterten faktischen Wirkungen einer Absprache besteht ein gewisser Vertrauensschutztatbestand bereits aus der eingetretenen Vermögenslage heraus355. Mag die Absprache auch unverbindlich sein, so braucht der Empfänger einer staatlichen Leistung dennoch grundsätzlich nicht mit deren Rückforderung zu rechnen. Schließlich hat der Leistende angezeigt, dass er trotz Unverbindlichkeit seines Versprechens an der Erfüllung Interesse hat. Werden daher die zugesagten Leistungen erbracht, so darf der Leistungsempfänger (zunächst) prinzipiell auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögensverschiebung vertrauen. Das Vertrauen des Privaten in die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage wird zudem noch zusätzlich verstärkt, wenn er seinerseits die versprochene Leistung erbracht hat. Dieses Vertrauen ist jedoch nicht unerschütterlich, sondern kann vielmehr zerstört werden, indem die Beteiligten ausdrücklich oder durch konkludente Handlung erklären, dass sie sich an die getroffenen Vereinbarungen nicht mehr 353 Vgl. BVerwGE 25, 72, 81; VGH Kassel, NJW 1991, 510, 512; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 433; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 179. Kritisch insoweit: BVerwGE 89, 345, 353, wonach dabei zusätzlich eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rückerstattung und dem Interesse des Privaten an der Freistellung zu erfolgen habe. 354 Allgemein: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 796. 355 AA.: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 796. Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171 plädiert in diesem Zusammenhang für die analoge Anwendung von § 49a Abs. 2 S. 2 VwVfG.

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gebunden fühlen. Hinsichtlich entreichernder Vorgänge, die ab diesem Zeitpunkt erfolgen, kann sich damit der zur Rückerstattung Verpflichtete nicht mehr auf Vertrauensschutz berufen, so dass ihm der Einwand des Bereicherungswegfalls verwehrt bleibt. Dagegen kann sich der erstattungspflichtige Hoheitsträger, abgesehen davon, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen in der Praxis kaum vorliegen dürften, weder auf Vertrauensschutz, noch auf den Gedanken des Bereicherungswegfalls analog § 818 Abs. 3 berufen356. Anderenfalls wäre dies mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kaum mehr zu vereinbaren und widerspräche zudem der Stellung und finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand357. 5. Enteignungsgleicher/enteignender Eingriff Schlussendlich ist im Falle des Bruchs der informellen Absprache noch an Entschädigungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen bzw. enteignenden Eingriffs zu denken. Beide Ansprüche setzen voraus, dass durch staatliche Aktivität in solche Rechtspositionen eingegriffen wird, die unter dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stehen. Dabei wird jedoch das Vermögen als solches nicht als geschütztes Eigentumsrecht betrachtet358. Allerdings können durch den Bruch der Absprache getätigte Dispositionen de facto entwertet werden, so dass insofern auch ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ausgeschlossen scheint. a) Enteignungsgleicher Eingriff Der Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs knüpft an die unmittelbare rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums und sonstiger durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten vermögenswerten Rechte an359 und kann im Regelfall neben dem Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden. Erfasst werden alle materiell enteignenden Zugriffe, die nicht durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen360. Da jedoch der Bruch einer rechtmäßigen Absprache grundsätzlich nicht rechtswidrig sein kann, müssen folglich auch Entschädigungsansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen sein. 356 BVerwGE 36, 108, 113 f.; 71, 85, 89; Vgl. auch OVG Hamburg, MDR 1968, 1038, 1039. 357 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 794. 358 BVerfGE 65, 169; 209; 91, 207, 220; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 245. 359 Vgl. BGHZ 117, 240, 252. 360 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 72, Rz. 61 f.

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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Wiederum ist aber auch hier an die Verletzung von Aufklärungspflichten im Vorfeld der endgültigen Aufsagung der Absprache zu denken. Umstritten ist jedoch, inwieweit ein bloßes Unterlassen als Eingriff qualifiziert werden kann. Während vor allem der BGH eine Unterscheidung zwischen einfachem und qualifiziertem Unterlassen vornimmt und lediglich Letzteres als Eingriff im Einzelfall wertet361, stehen viele Autoren in der Literatur dieser Auffassung mit erheblichen Vorbehalten gegenüber362. Allerdings kommt es vorliegend auf diese Diskussion nicht an, da es unabhängig von der Einordnung einer unter Umständen gebotenen Aufklärung jedenfalls an dem Merkmal der Unmittelbarkeit der Verletzung fehlt. Unmittelbarkeit bedeutet, dass der tatsächlich eintretende Nachteil für die konkrete Betätigung der Hoheitsgewalt typisch ist und sich aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme ergeben muss363, wobei dies nicht im Sinne einer bloßen Kausalität verstanden werden darf. Zwar hat der Private unter Umständen Dispositionen getätigt, die durch die Nichteinhaltung der Absprache möglicherweise entwertet werden können. Diese Entwertung tritt aber erst mit der endgültigen Aufsage der Absprache ein und nicht schon mit der Verletzung von Aufklärungspflichten. Damit jedoch führt die Missachtung dieser Pflichten nicht unmittelbar zur Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Im Unterschied zur Haftung aus c.i.c. scheidet ein Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs somit im Ergebnis aus. b) Enteignender Eingriff Auch nach dem Nassauskiesungsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts364 hält der Bundesgerichtshof an der Existenz eines Entschädigungsanspruchs aufgrund enteignenden Eingriffs fest365, der seine Grundlage nunmehr in §§ 74, 75 Einl. ALR (allgemeiner Aufopferungsgedanke in seiner richterrechtlichen Ausprägung) findet. Grundsätzlich kommt ein Anspruch wegen enteignenden Eingriffs dann in Betracht, wenn eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme unmittelbar auf durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen des Eigentümers einwirkt und dadurch nachteilige Nebenwirkungen ausgelöst werden, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zulässigen überschreiten366. Wiederum könnte hier das anspruchsbegründende Ereignis im Bruch der Absprache selbst gesucht werden, da deren Abschluss für sich genommen noch 361 BGHZ 32, 208, 211; 56, 40, 42; 102, 350, 364; 118, 253, 260; 120, 124, 132; Rüfner in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 48, Rz. 60. 362 Vgl. nur: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 255 ff.; Schröder, JuS 1973, 355 ff.; Ladeur, DÖV 1986, 445 ff.; Murswiek, NVwZ 1986, 611 ff. 363 BGHZ 28, 310, 313; 92, 34, 41. 364 BVerfGE 58, 300. 365 BGHZ 91, 20, 26 ff.; 117, 240, 252 366 Vgl. BGHZ 59, 378, 379; 64, 220, 222; 79, 45 ff.; 97, 114, 116; 97, 361, 362.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

keinen Eingriff in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen des Privaten darstellen kann. Bezogen auf den vorliegenden Fall müsste sich somit die absprachewidrige Gesetzgebung als entschädigungspflichtiger Eingriff darstellen lassen. Dabei ist jedoch wiederum einzuwenden, dass der Private zu keinem Zeitpunkt schutzwürdiges Vertrauen dahingehend genießt, dass von Seiten des Staates die Absprache auch tatsächlich eingehalten wird und eine absprachewidrige Gesetzgebung unterlässt. Letztlich muss daher ein solcher Anspruch bereits aufgrund fehlenden schutzwürdigen Vertrauens scheitern367. Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn durch besondere Umstände des Einzelfalls in erheblicher Weise ein Vertrauenstatbestand begründet wurde368. Dies jedoch kann vorliegend kaum Geltung beanspruchen, da beide Seiten bewusst auf eine rechtsverbindliche Vereinbarung verzichtet haben. Die Sanktionierung des Bruchs der Absprache würde somit dem Parteiwillen zuwiderlaufen, da sie im Ergebnis einer rechtlichen Bindungswirkung gleichkäme. Da aber keine Erfüllungspflicht des Staates besteht, kann die Nichterfüllung auch kein Eingriff in geschützte Eigentumspositionen des Privaten sein. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs ist daher abzulehnen. 6. Folgenbeseitigungsanspruch In seiner allgemeinen Ausprägung gewährt der Folgenbeseitigungsanspruch dem Privaten die Rückgängigmachung solchen staatlichen Handelns, das unmittelbar einen rechtswidrigen, noch andauernden Zustand verursacht hat. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen richtet er sich deshalb ausschließlich auf die Wiederherstellung des früheren Zustands, nicht dagegen auf Entschädigung369. Damit aber ist dieser Anspruch im Falle des Bruchs der Absprache untaugliches Instrument, da es dem Privaten um die Rückgewähr der selbst erbrachten Leistungen gehen wird und nicht um die Rückgängigmachung staatlichen Handelns. Im Ergebnis kann daher die Geltendmachung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs bereits aus diesem Grunde nicht in Betracht kommen370.

367 Vgl. zur Problematik des schutzwürdigen Vertrauens auf die bestehende Rechtslage: BGH, NJW 1964, 769, 770 (Märchenfilm); BGH, NJW 1968, 293, 294 (Blinkleuchten); BGH, DVBl 1997, 123, 124. 368 Vgl. BGH, NJW 1968, 293, 294. 369 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 301; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 814; Rüfner in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 49, Rz. 25. Vgl. zum Problem Geldanspruch statt Wiederherstellung: BVerwGE 82, 24, 28; OVG NW NWVBl 1994, 109, 111 f. 370 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 345.

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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V. Rechtsfolgen rechtswidriger Absprachen – Ein Überblick Für den Fall der rechtswidrigen informellen Absprache gilt es zunächst zu beachten, dass auch im öffentlichen Recht der zivilrechtliche Abstraktionsgrundsatz371 mit dem ihm innewohnenden Trennungsprinzip Geltung beansprucht372. Damit ist die Rechtmäßigkeit von etwaigen Erfüllungshandlungen grundsätzlich losgelöst von der Rechtmäßigkeit der Absprache selbst zu beurteilen. Die Rechtswidrigkeit der Absprache kann jedoch hinsichtlich eines unter Umständen nachfolgenden förmlichen Verfahrens einen beachtlichen Verfahrensfehler darstellen. Insofern gehen von ihr jedenfalls mittelbare Wirkungen aus. Erleidet der private Absprachepartner infolge einer rechtswidrigen Absprache Schäden, so sind wiederum Amtshaftungsansprüche in Betracht zu ziehen373. Dies gilt nicht nur, aber in besonderem Maße dann, wenn der Private durch eine Behörde mittels rechtswidriger Drohung (ein gewisses Drohpotential liegt der Absprache allerdings ohnehin zu Grunde) oder Zwang zum Abschluss der Absprache gezwungen wurde und daraufhin Dispositionen getätigt hat. Die haftungsbegründenden Umstände ergeben sich hierbei aus einer Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln374 sowie der damit einhergehenden Pflicht zur Unterlassung von unerlaubten Handlungen375. Weiterhin sind in diesem Zusammenhang die Amtspflicht zu zuständigkeitsgemäßem Handeln376, wiederum die Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen sowie die Amtspflicht zu verhältnismäßigem Handeln von Relevanz377. Namentlich die Fälle, in denen der Private sich nicht freiwillig an der Absprache beteiligt hat, führen für ihn jedoch zu einer faktischen Rechtsschutzverkürzung378, da die Zwangslage, die den Privaten zum Abschluss der Absprache veranlasst hat, ihn regelmäßig auch vom Beschreiten des Rechts371 Dazu: Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 23, Rz. 74 ff. 372 Vgl. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 237 ff. 373 Vgl. dazu: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 186 ff.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142. 374 Dazu: BGHZ 16, 111, 113; BGH, NVwZ 1986, 961; BGH, NVwZ 1989, 287; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 43. 375 Vgl. BGH, DVBl 1993, 718, 719. 376 Vgl. BGHZ, 117, 240, 244. 377 In Einzelfällen ist auch ein Anspruch wegen Verletzung der Amtspflicht zu fehlerfreier Ermessensausübung in Betracht zu ziehen, wenn die Behörde hinsichtlich der Wahl der Handlungsform mit der Entscheidung für die informelle Absprache das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat; Vgl. dazu: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 46. 378 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 156, 343.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

wegs abhalten wird. Hingegen ist der Amtshaftungsanspruch grundsätzlich nicht durch § 839 Abs. 3 BGB (Vorrang des Primärrechtsschutzes) ausgeschlossen, da der Abschluss einer Absprache und die Nichteinlegung von Rechtsmitteln unter dem Eindruck der rechtswidrigen Drohung grundsätzlich nicht schuldhaft sein können. Auch Dritte können Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung im Einzelfall geltend machen, wenn sie durch den Vollzug der Absprache in ihren Rechten verletzt werden. Eine Rechtsverletzung des Dritten ist dagegen durch die Absprache selbst grundsätzlich nicht möglich, da durch sie keine unmittelbaren Rechtsfolgen ausgelöst werden. Anders dagegen stellt sich die Situation dar, wenn seitens der Behörde ein Einschreiten gegen den Kooperationspartner zwingend war379 und ein diesbezügliches pflichtwidriges Unterlassen bei dem Dritten zu Schädigungen geführt hat. Weiterhin ist an Schadensersatzansprüche aus öffentlich-rechtlicher c.i.c. (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB) zu denken, wenn eine Partei durch Täuschung oder rechtswidrige Drohung inhaltlich nachteilige Vereinbarungen herbeigeführt hat, infolgedessen der andere Teil zu Schaden gekommen ist. Weiterhin kann wiederum die Verletzung von Aufklärungspflichten Schadensersatzansprüche auslösen. Aufgrund der Grundrechtsbindung des Staates verstößt dieser zudem immer dann in haftungsbegründender Weise gegen seine Fürsorgepflichten, wenn mit der Absprache Rechte des Privaten ohne gesetzliche Grundlage verletzt werden. Hinsichtlich der Geltendmachung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs gilt auch hier das bereits Gesagte: Für die Rückgewähr von Leistungen, die der Private aufgrund der rechtswidrigen Absprache erbracht hat, ist dieser Anspruch schon dem Grunde nach untauglich. Auch einer Rückgängigmachung der rechtswidrigen Absprache selbst bedarf es grundsätzlich nicht, da diese ungeachtet ihrer rechtlichen Zulässigkeit ohnehin nicht bindend ist. Der unter Umständen noch andauernde rechtswidrige Zustand liegt nicht in der Existenz der Absprache, sondern vielmehr in den durch ihre Erfüllung geschaffenen tatsächlichen Verhältnissen. Die Rückgewähr von erbrachten Leistungen ist daher wiederum im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches geltend zu machen. Insofern sei hier auf die Erläuterungen im Zusammenhang mit der rechtmäßigen informellen Absprache verwiesen. Anders verhält es sich dagegen, wenn sich das Begehren des Privaten auf die Rückgängigmachung des staatlichen Handelns richtet, das unmittelbar einen rechtswidrigen noch andauernden Zustand verursacht hat. In diesem Falle kann die Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs durchaus in Betracht kommen.

379 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 453.

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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Entschädigungsansprüche wegen enteignenden Eingriffs kommen aufgrund der Rechtswidrigkeit der Absprache grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Entschädigung des an der Absprache beteiligten Privaten wegen enteignungsgleichen Eingriffs scheitert dagegen wiederum an der fehlenden Unmittelbarkeit der Rechtsgutsverletzung und regelmäßig wohl auch am Vorrang des Primärrechtsschutzes. Erleiden dagegen Dritte infolge des Vollzugs der rechtswidrigen Absprache Schäden, können Sie diese unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs durchaus ersetzt verlangen, sofern die diesbezüglichen besonderen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen.

VI. Rechtsschutz Schlussendlich bedarf es der Klärung, welche Rechtsschutzmöglichkeiten dem an der Absprache beteiligten Privaten bzw. Drittbetroffenen offen stehen. Allein die Tatsache, dass sich der Private an der Absprache freiwillig beteiligt hat, bedeutet für diesen jedenfalls nicht, dass er nunmehr vollkommen rechtlos gestellt wäre. Aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgt, dass Hoheitsakte (jedenfalls grundsätzlich) sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einer vollständigen richterlichen Kontrolle zu unterwerfen sind380. Im Grunde gilt dies somit auch für informelle Absprachen, die zudem weder einen Rechtsverzicht381, noch einen verbindlichen Rechtsschutzverzicht beinhalten382 (davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, inwieweit bei normvorbereitenden Absprachen zugleich auch die Nichteinlegung von Rechtsmitteln gegen die zu erlassende Norm in Aussicht gestellt wird383). Wie zuvor bereits erläutert wurde, kann allerdings auch die Tatsache nicht geleugnet werden, dass der Private aufgrund der faktischen Wirkungen der Absprache in der Praxis oft im Sinne eines psychologischen Zwangs gehindert sein wird, seine Rechte auf gerichtlichem Wege durchzusetzen. Insofern kann es zu einer faktischen Rechtsschutzverkürzung kommen, ohne dass hierin zugleich ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG liegen würde.

380 BVerfGE 15, 275, 282; 18, 203, 212; 21, 191, 194; 51, 304, 312; Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19, IV, Rz. 183. 381 Im Einzelnen wird auf diese Problematik nochmals im Rahmen des 6. Kapitels zurückzukommen sein. Siehe hierzu ebda.: E. VII. 2. lit. c) „Eingriff vs. Einwilligung: Der Grundsatz „volenti non fit iniuria“. 382 AA. wohl: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 258 f. 383 Vgl. Langenfeld, DÖV 2000, 929, 939 f. sowie hinsichtlich der Absprache vom 08.11.2001 in Kapitel 6: B. II. 3. lit. b) „Grundrechts- und Rechtsmittelverzicht“.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

1. Rechtsschutzmöglichkeiten des an der Absprache beteiligten Privaten Welche Rechtsschutzmöglichkeiten dem Privaten jedoch letztendlich tatsächlich offen stehen, ergibt sich aus der Eigenart der Absprache und dem daraus resultierenden Anspruchssystem. Damit ist zunächst die Möglichkeit einer allgemeinen Leistungsklage auf Erfüllung der Absprache mangels dahingehenden Anspruchs ausgeschlossen. Gleiches gilt damit auch für die allgemeine Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage, sofern sich der Anspruch auf Unterlassung aus der Absprache selbst ergibt. Auf den vorliegenden Fall bezogen, hätten die VFA-Unternehmen somit (jedenfalls aus diesem Grunde) nicht auf Unterlassung des BSSichG klagen können. Davon unberührt bleiben jedoch Rechtsbehelfe gegen absprachewidriges staatliches Verhalten, das sich aufgrund außerhalb der Absprache liegender Gründe als rechtswidrig erweist und den Privaten somit in seinen Rechten verletzt. Gleiches gilt für staatliche Aktivitäten in Erfüllung einer rechtswidrigen Absprache. Insofern gelten hier jedoch keine Besonderheiten, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen. Grundsätzlich nicht möglich ist zudem eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Absprache, da es an einem hierfür erforderlichen feststellungsfähigen Rechtsverhältnis fehlt. Unter Rechtsverhältnis wird nach ganz überwiegender Auffassung eine rechtliche Beziehung verstanden, die sich aus einem „konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache“ ergibt384. Die Rechtswidrigkeit als solche stellt hingegen grundsätzlich kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, sondern ist vielmehr erst die Voraussetzung für nachfolgende Rechte bzw. Pflichten385. Ungeachtet dessen würde es zudem an einem berechtigten Feststellungsinteresse fehlen, da die Absprache ohnehin nicht bindend ist und somit jederzeit aufgekündigt werden kann. Hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dagegen kann die Rechtswidrigkeit der Absprache in einem gesonderten Verfahren geprüft werden. Ähnliches gilt auch für die Feststellung der Rechtswidrigkeit von staatlichen Drohungen im Vorfeld der Absprache. Demgegenüber wird insbesondere im Zusammenhang mit normersetzenden Absprachen teilweise die Ansicht vertreten, dass derartige Drohungen (beispielsweise hinsichtlich des Regelungserlasses) 384 BVerwGE 14, 235, 236; 62, 342, 351; 89, 327, 329; Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rz. 12; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rz. 328. 385 Vgl. dazu auch: Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rz. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43, Rz. 13.

F. Rechtsfolgen von Absprachen

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durchaus Gegenstand einer Feststellungsklage sein können, da bereits die Drohung einen Eingriff in Grundrechte des Privaten darstelle und dieser Eingriff ein selbständiges Rechtsverhältnis darstelle386. Allein die bloße Drohung seitens des Staates mit einer Alternativhandlung greift jedenfalls im Zusammenhang mit informellen Absprachen noch nicht unmittelbar in Rechte des Privaten ein und vermag bereits aus diesem Grunde wiederum kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zu begründen. Der Eingriff kann, wenn überhaupt, erst im Abschluss der Absprache gesehen werden387. Von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Drohung ist jedoch die Frage zu trennen, ob das in Aussicht gestellte Verhalten ein Rechtsverhältnis begründen könnte. Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Drohung ließe sich somit dahingehend umdeuten, dass die Behörde zu dem in Aussicht gestellten Verhalten nicht befugt ist bzw. sich für den Privaten daraus keine Verpflichtungen ergeben können. Damit könnten auch angedrohte, noch zu erlassene Rechtsnormen einer Inzidentkontrolle unterzogen werden388. Die Zulässigkeit einer solchen vorbeugenden Feststellungsklage wird jedoch nach verschiedener Auffassung unter Hinweis auf deren Subsidiarität gegenüber der Gestaltungs- bzw. Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO) bestritten389. Vorrangig wäre somit die allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage zu erheben. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass Unterlassungsklage in Reichweite und Effektivität gegenüber der Feststellungsklage gleichwertig ist390. Regelmäßig wird es aber, selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgte und den Grundsatz der Subsidiarität nicht auf allgemeine Leistungsklagen erstrecken würde, an einem für die Feststellungsklage erforderlichen hinreichendem Feststellungsinteresse mangeln. Jedenfalls kann hinsichtlich etwaiger Drohungen im Einzelfall eine allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage in Betracht kommen. Bei Absprachen im hier interessierenden Sinne zwischen Staat und Privatem ist hierfür der Verwaltungsrechtsweg (vgl. § 40 Abs. 1 VwGO) zu beschreiten, da es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, für die keine Sonderzuweisungen an ein anderes Gericht bestehen. Auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Bundesregierung an der Absprache beteiligt ist, handelt es sich nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, 386 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 257. 387 Dazu Kapitel 6: E.VII.2. „Eingriff?“. 388 Vgl. BVerfG, NVwZ 1998, 169, 170; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43, Rz. 8. 389 Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43, Rz. 28; Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 43, Rz. 40; aA.: BVerwGE 36, 179, 181; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1998, 533; OVG Münster, NJW 1976, 2036, 2038. 390 BVerwGE 32, 333, 335; 90, 112, 115.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

da es aufgrund der Beteiligung des Privaten insoweit an der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit fehlt. Diese ist nur bei Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen über Inhalt und Umfang der ihnen aufgrund des Grundgesetzes zugewiesenen Rechte und Pflichten gegeben391. Eine Unterlassungsklage kommt jedoch nur Betracht, solange keine Absprache geschlossen wurde. Wird hingegen eine Vereinbarung getroffen, fehlt es fortan an der erforderlichen Wiederholungsgefahr, da die staatliche Seite nunmehr keine Veranlassung mehr zur weiteren Ausübung von jedwedem Zwang hat. Schließlich können mögliche Grundrechtsverletzungen des Privaten im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG iVm. § 13 Nr. 8a BVerfGG). Allerdings konzentrieren sich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Privaten weitgehend auf die Geltendmachung der zuvor dargestellten Schadensersatz- und Erstattungsansprüche. Dabei ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im Wege der allgemeinen Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen392. Für die Geltendmachung eines unter Umständen bestehenden Folgenbeseitigungsanspruchs kommt es hingegen entscheidend auf die rechtliche Qualität des zur Folgenbeseitigung erforderlichen staatlichen Handelns an. Je nach Sachlage kann daher die allgemeine Leistungsklage, im Einzelfall aber auch durchaus eine Verpflichtungsklage statthaft sein. Dagegen sind die Ansprüche aus Amtshaftung (Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB) vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen. Für Amtshaftungsansprüche folgt dies nicht erst aus § 40 Abs. 2 VwGO, sondern bereits aus Art. 34 S. 3 GG. Hinsichtlich der Haftung aus c.i.c. ist namentlich im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verträgen die Rechtswegfrage noch immer nicht abschließend geklärt, wobei namentlich die Rechtsprechung den Zivilrechtsweg aufgrund des engen Sachzusammenhangs mit dem Amtshaftungsanspruch als eröffnet sieht393. Im Rahmen informeller Absprachen hingegen kommt diesem Meinungsstreit keine Bedeutung zu, da sich § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO hinsichtlich einer Zuweisung zum Verwaltungsrechtsweg ausdrücklich auf Ansprüche mit vertraglicher Grundlage beschränkt394. 391 BVerfGE 1, 299, 306; 42, 103, 112 ff.; BVerwGE 36, 218, 228; 51, 69, 71; Schmitt Glaeser/Horn; Verwaltungsprozeßrecht, 15. Aufl. 2000, Rz. 56. 392 BVerwGE 71, 85, 87; 87, 169, 172; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 796; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 435. 393 Vgl. BVerwGE 37, 231, 236; BVerwG, DÖV 1974, 133; BGH, NJW 1986, 1109, 1110; VG Gera, NJW 1999, 3574, 3575. 394 Vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 40, Rz. 72.

G. Zusammenfassung des 4. Kapitels

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2. Rechtsschutzmöglichkeiten für Drittbetroffene Nicht unmittelbar an der Absprache beteiligte (jedoch von deren Auswirkungen betroffene) Dritte können gegen drohende Rechtseingriffe zunächst im Wege der Unterlassungsklage vorgehen. Grundsätzlich muss jedoch danach differenziert werden, gegen welchen Absprachebeteiligten (Staat oder Privater) der Dritte vorgehen möchte und wie die zu unterlassende Handlung rechtlich zu qualifizieren ist, da dies für die Eröffnung des jeweiligen Rechtswegs von Bedeutung ist. Regelmäßig wird jedoch der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Hinsichtlich der Abwehr staatlicher Aktivität ergeben sich im Übrigen auch hier keine Besonderheiten, so dass dem Dritten, der durch den Vollzug der Absprache in rechtswidriger Weise in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg vollumfänglich offen steht. Je nachdem, in welcher Form staatliches Handeln ausgeübt wird und eingetretene Störungen zu beseitigen sind, stehen dafür Anfechtungs-, Verpflichtungs- sowie allgemeine Leistungsklage zur Verfügung. Regelmäßig ist für den Dritten auch die Erhebung einer Feststellungsklage in Erwägung zu ziehen. Im Einzelfall kann auch die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO in Betracht kommen. Nach Erschöpfung des Rechtswegs kann zudem wiederum Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG iVm. § 13 Nr. 8a BVerfGG) erhoben werden. Schließlich kann im Wege der Amtshaftungsklage Ersatz für in Folge des Absprachevollzugs nicht zu duldende Schäden verlangt werden. In Abhängigkeit der Rechtmäßigkeit von Absprache bzw. nachfolgender Vollzugshandlung können daneben im Einzelfalls auch Ansprüche aus enteignendem bzw. enteignungsgleichen Eingriff vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden395. Schlussendlich kann im Wege des Organstreitverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG iVm. § 13 Nr. 5 BVerfGG) vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden, inwieweit durch die informelle Absprache in Kompetenzen und Rechte von Bundestag und Bundesrat eingegriffen wurde. Gleiches gilt für die Rechte und Pflichten von Bund und Ländern, die im Rahmen eines Bund-Länder-Streits (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG iVm. § 13 Nr. 7 BVerfGG) zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht werden können.

G. Zusammenfassung des 4. Kapitels Informelle liebtheit, wie licher Weise begegnet die 395

Absprachen erfreuen sich in der Rechtspraxis zunehmender Bedie steigende Anzahl von Beispielen aus der Praxis in nachdrückbelegt. Dessen ungeachtet (oder vielleicht auch gerade deshalb) Absprache allerdings nach wie vor erheblichen grundsätzlichen

Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 40, Rz. 59.

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4. Kap.: Die informelle Absprache als Handlungsinstrument

Bedenken hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit. Zudem dürfen neben den erheblichen Vorteilen, die ihre Verwendung mit sich bringt, auch die möglichen Nachteile nicht verkannt werden, die sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung von Drittpositionen sowie der Gefahr der Umgehung verfahrensrechtlicher Sicherungsmechanismen ergeben können. Dennoch ist die Verwendung informeller Absprachen grundsätzlich zulässig, da der geltenden Rechtsordnung weder ein numerus clausus der Handlungsformen noch ein Verbot derartiger Vereinbarungen bekannt ist. Die diesbezüglich bestehende Wahlfreiheit der handelnden Behörde findet ihre Grenzen jedoch dann, wenn die Verwendung formeller Handlungsinstrumente ausdrücklich angeordnet ist bzw. wenn informelle Handlungen ausdrücklich verboten sind. Dementsprechend erfährt die informelle Absprache vielfältige Begrenzungen durch verfassungsrechtliche und spezialgesetzliche Vorgaben, da sich bereits im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG auch informelles Handeln nicht im rechtsfreien Raum bewegen darf. Informelle Absprachen sind grundsätzlich rechtlich unverbindlich, so dass einklagbare Erfüllungsansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt existieren können. Die von ihr in erheblicher Weise ausgehenden faktischen Bindungswirkungen vermögen allein psychische, nicht aber rechtliche Zwänge zu begründen. Da die Nichteinhaltung der Absprache sich nicht als Verletzung einer Rechtspflicht darstellt, sondern lediglich einer faktischen Erwartungshaltung zuwiderläuft396, kann dies folgerichtig auch keine Schadensersatzansprüche begründen. Dagegen ist eine Haftung aus Amtshaftung bzw. öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo wegen Verletzung von Aufklärungs-, Beratungs- und Fürsorgepflichten nicht ausgeschlossen. Für den Fall des Bruchs der Absprache können zudem bereits erbrachte Leistungen im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückverlangt werden. Die rechtswidrige Absprache kann Ansprüche aus Amtshaftung sowie c.i.c. begründen. In ihren Rechten verletzte Dritte können Ansprüche neben dem Gesichtspunkt der Amtshaftung im Einzelfall auch unter dem des enteignungsgleichen Eingriffs geltend machen.

396

1197.

Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 45; Kunig, DVBl 1992, 1193,

5. Kapitel

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen A. Vorbemerkung Auch wenn informellen Absprachen teilweise noch immer erhebliche Vorbehalte entgegengebracht werden, so darf doch ihre generelle Zulässigkeit kaum mehr in Zweifel gezogen werden. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, welchen rechtlichen Rahmenbedingungen informelle Absprachen unterliegen. Mag die rechtliche Nichtregelung auch allgemeines Merkmal informeller Absprachen sein1, so dürfen sich diese bereits im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG dennoch nicht im rechtsfreien Raum bewegen2, da informelles Verwaltungshandeln nicht zu einer Aufweichung der Gesetzesbindung führen darf. Art. 20 Abs. 3 GG bildet eine der zentralsten Bestimmungen des Grundgesetzes, bindet er doch sowohl die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, als auch vollziehende Gewalt (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) und Rechtsprechung an Gesetz und Recht. Die Vorschrift gilt handlungsformunabhängig und somit auch für rein tatsächliches Handeln3. Aus diesem Grunde kann sich die Verwaltung durch eine Flucht in die Informalität keine erweiterten Verhaltensweisen erschließen4, sondern muss vielmehr einen gewissen Mindeststandard eines rechtsstaatlichen Verfahrens wahren5. Ohne ausdrücklich geregelt zu sein, unterliegen daher auch informelle Absprachen zwangsnotwendig einem vielfältigen Katalog rechtlicher Rahmenbedingungen und sind einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen. De1 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 46; ders., VerwArch 75 (1984), 343, 344. 2 Frenz, NVwZ 2002, 561, 563; Brohm, DVBl 1994, 133, 134; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 3 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7. 4 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 154; Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, 1987, S. 94. Vgl. zur Vertragsfreiheit beim öffentlich-rechtlichen Vertrag: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 293; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 33. 5 Vgl. dazu: Bonk, NVwZ 1997, 320, 322 f.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

ren praktische Notwendigkeit ergibt sich zudem auch daraus, dass die Behörde eine durch rechtswidrige Absprache zugesagte Leistung grundsätzlich nicht erbringen darf6. Zugleich kann auch nur die rechtmäßige Absprache eine Grundlage für das Behaltendürfen von empfangenen Leistungen darstellen, während rechtswidrige Absprachen unter bestimmten Umständen Schadensersatzansprüche zur Folge haben können7. Ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit enthalten Absprachen materielle Entscheidungen, die ebenso auch Inhalt eines Vertrags oder Verwaltungsakts sein können. Die Absprache ist damit nicht lediglich ein unselbständiger Teil der ihr nachfolgenden Vollzugshandlungen, sondern muss von diesen strikt unterschieden werden. Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist somit grundsätzlich auch sie selbst Gegenstand einer rechtlichen Kontrolle und nicht erst diejenigen Handlungen, die infolge ihres Vollzugs vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund der Forderung, die Möglichkeit einer Flucht in die Informalität von vornherein auszuschließen und bedingt durch die Tatsache, dass formelles und informelles Handeln jedenfalls bis zu einem gewissen Grade in einem Alternativverhältnis stehen, dürfen folgerichtig an die informelle Absprache keine milderen Maßstäbe angelegt werden, als dies beispielsweise bei einem Handeln durch Gesetz, Verwaltungsakt oder Vertrag der Fall wäre. Abweichungen können sich dabei allenfalls hinsichtlich solcher Gebote und Verbote ergeben, die Bestandteil von handlungsformspezifischen Vorschriften sind. Da nicht zuletzt im Hinblick auf die Forderungen des Rechtsstaatsprinzips Gewissheit bestehen muss, nach welchen rechtlichen Regeln ein Sachverhalt zu beurteilen ist8, gilt es zu untersuchen, welche rechtlichen Maßstäbe der informellen Absprache nun tatsächlich beizulegen sind. Im Allgemeinen soll dies überblicksartig Gegenstand dieses Kapitels sein, während sich die darüber hinausgehenden Ausführungen im Rahmen des 6. Kapitels auf die Absprache vom 08.11.2001 im Besonderen beziehen werden.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Allgemeinen I. Rechtsstaatsprinzip Informelle Absprachen werden sowohl hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit als auch ihrer inhaltlichen Ausgestaltung zunächst ganz allgemein durch die vielfältigen Forderungen des Rechtsstaatsprinzips begrenzt. Rechts6 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450. 7 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 4: F. V. „Rechtsfolgen rechtswidriger Absprachen – Ein Überblick“. 8 E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 726.

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staatlichkeit bedeutet, dass die Ausübung staatlicher Macht nur auf Grundlage der Verfassung und der formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetze mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist. Bereits diese Umschreibung zeigt, wie schwer fassbar das Prinzip tatsächlich ist, da es ganz unterschiedliche verfassungsrechtliche Aspekte beinhaltet9. Die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten sollen jedoch an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Im Einzelnen sind für die vorliegende Problematik primär vor allem folgende Aspekte des Rechtsstaatsprinzips von Relevanz: Zu den wesentlichsten Merkmalen des Rechtsstaatsprinzips zählen die Grundsätze der Gewaltenteilung10 und -kontrolle. Diese sind auch im Zusammenhang mit informellen Absprachen zwingend zu beachten. Im Einzelfall kann dies daher durchaus komplexe kompetenzrechtliche Fragestellungen aufwerfen (dazu sogleich). Der Aspekt der Gewaltenteilung birgt zudem vor allem im Zusammenhang mit parlamentsgesetzvermeidenden Absprachen erhebliches Problempotential in sich, so dass im Einzelfall sorgfältig zu hinterfragen ist, ob die notwendige gegenseitige Kontrolle der Gewalten noch gewährleistet ist oder ob sich eine Absprache nicht vielmehr wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung als rechtswidrig darstellt11. Weiterhin werden durch informelle Absprachen grundsätzlich auch die rechtsstaatlichen Prinzipien des Gesetzesvorrangs auf der einen, sowie des Gesetzesvorbehalts12 auf der anderen Seite berührt. Auch wenn informelle Absprachen keiner expliziten gesetzlichen Regelung unterliegen, so dürfen sie dennoch nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Gleiches gilt auch für das Prinzip des Gesetzesvorbehalts, nach dem die Verwaltung in bestimmten Bereichen überhaupt nur tätig werden darf, wenn sie dazu durch ein förmliches Gesetz ermächtigt wird13. Die vorliegende Absprache bewegt sich auf der Normsetzungsebene und weist aufgrund ihres verpflichtenden Charakters grundrechtsrelevante Bezüge auf. Insofern gilt es daher zu klären, inwieweit hier der Gesetzesvorbehalt ausgelöst wurde14.

9 Dazu: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VII, Rz. 3 ff.; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 725 ff. 10 E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 737. 11 Oldiges, WiR 1973, 1, 21 f.; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Vgl. auch: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 85; Grundsätzlich: BVerfGE 68, 1, 86; Ossenbühl, DÖV 1980, 545, 546. 12 Vgl. Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 41; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 20 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7; Gusy, ZUR 2001, 1, 6. 13 Dazu: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VI, Rz. 55 ff.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Auch der Aspekt des Vertrauensschutzes gehört zu den Kernbestandteilen des Rechtsstaatsprinzips15, indem er garantieren soll, dass jede staatliche Aktivität für den Bürger voraussehbar und vorausberechenbar ist. Diesbezüglich sei hier auf die Ausführungen im Rahmen des 4. Kapitels verwiesen16. Grenzen findet der Einsatz informeller Absprachen zudem dort, wo dieser mit den grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen17 und dem Gedanken der Rechtsgleichheit (allgemeines Willkürverbot) nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Inwieweit vorliegend eine Verletzung von Grundrechten von unmittelbar oder mittelbar Beteiligten gegeben ist, soll im Rahmen des 6. Kapitels geklärt werden. Weiterhin ist auch im Zusammenhang mit informellen Absprachen die Gewährleistung eines umfassenden Rechtsschutzes durch unabhängige Gerichte unabdingbar18 – eine Rechtlosstellung des privaten Absprachepartners somit ausgeschlossen. Da Absprachen in nicht zu unterschätzender Weise in die Rechte des Privaten oder von Dritten eingreifen, sind aus rechtsstaatlichen Erfordernissen heraus auch zwingende Verfahrensgrundsätze (vor allem der Drittbetroffenen) zu beachten19. Welche hier vorrangig maßgebend sind, soll an späterer Stelle ausgeführt werden. In jedem Falle aber bedarf es auch im informellen Verfahren einer hinreichenden Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensfairness sowie einer hinreichenden Bestimmtheit und Transparenz des Verfahrens. Wie dies im Einzelfall gewährleistet werden kann, wird noch zu sehen sein. In Entsprechung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung können informelle Handlungen die handelnde Behörde grundsätzlich auch nicht ihrer Pflicht zum ermessensfehlerfreien Handeln entheben. Zudem unterliegen auch informelle Absprachen dem Übermaßverbot als übergeordnetem Leitmaßstab sämtlichen staatlichen Handelns20, das dabei insbesondere Grenzen bei der Festlegung der Gegenleistung des Privaten setzen kann. Schließlich ist aus rechtsstaatlichen Erfordernissen heraus auch bei informellen Absprachen das sog. allgemeine Koppelungsverbot zu beachten (vgl. § 56 VwVfG)21. 14 Näheres hierzu in Kapitel 6: E. I. „Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage?“. 15 BVerfGE 30, 392, 403; 45, 142, 167; 67, 1, 15; Lange, Jura 1980, 456. 16 Vgl. dazu Kapitel 4: F. III. 1. „Bindungswirkung und Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes?“; Siehe auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 133. 17 Dazu insbesondere auch: E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 739: „materiale Rechtsstaatlichkeit entsteht erst durch die Verbürgung von Grundrechten“. 18 Allgemein: BVerfGE 2, 380, 403 ff.; Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 38. 19 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 9, Rz. 9. 20 Zum Übermaßverbot: BVerfGE 23, 127, 133; 35, 382, 400; 38, 348, 368. 21 Vgl. unten: C. III. 4.: „Austauschabsprache, § 56 VwVfG analog?“; RGZ 132, 178; BGH, NJW 1979, 642.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Allgemeinen

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II. Grundrechte Auch der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes setzt, wie soeben im Rahmen der Ausführungen zum Rechtsstaatsprinzip erwähnt, dem informellen Handeln rechtliche Grenzen22. Zwar erweisen sich Absprachen für den Privaten einerseits nicht zuletzt aus dem Grunde als rechtlich vorteilhaft, weil informelles Handeln das selbstverantwortliche Erkennen, Wahrnehmen und Gestalten von Freiheitsräumen fördert23. Andererseits aber weisen sie aufgrund ihres Austauschcharakters grundsätzlich einen ambivalenten Charakter dergestalt auf, dass diesen Vorteilen im Hinblick auf die Rechte der Betroffenen zugleich auch Nachteile gegenüberstehen24. Wie sich die dadurch eintretende Grundrechtsbeeinträchtigung auf Seiten des Privaten auf die Rechtmäßigkeit der Absprache auswirkt, wird daher noch darzulegen sein. Hinzu kommt, dass eine Absprache (bzw. deren nachfolgender Vollzug) sich nicht nur für den daran unmittelbar Beteiligen rechtsverkürzend auswirken kann, sondern vielmehr auch Auswirkungen auf die Rechte Dritter haben kann. Daher hat eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Absprache auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Rechten Dritter bzw. einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu erfolgen. Wirken Grundrechte auf informelle Absprachen einerseits beschränkend, so kann, wie bereits dargelegt25, aus ihnen im Gegenzug aber keine Pflicht des Staates zum informellen Handeln hergeleitet werden26, da sich die informelle Absprache im Verhältnis zu formellen Handlungsinstrumenten nicht als minus, sondern vielmehr als aliud darstellt.

III. Kompetenznormen Auch kompetenzrechtliche Vorschriften setzen dem Einsatz informeller Absprachen Grenzen, wie zuvor bereits festgehalten werden konnte. Neben der Gewährleistung einer effektiven Gewaltenteilung dient die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung nicht zuletzt auch der Sicherstellung der inhaltlichen Richtigkeit einer getroffenen Entscheidung und ist Voraussetzung für die Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns27. Des Weiteren beinhaltet 22 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 42; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010 f.; Gusy, ZUR 2001, 1, 6. 23 Vgl. Hill, DVBl 1993, 973, 976. 24 Schrader, DÖV 1990, 326, 330; Vgl. Kapitel 4: C. III. „Nachteile und Gefahren des Missbrauchs informeller Absprachen“. 25 Vgl. dazu u. a. auch Kapitel 4: E. I. „Rechtliche Bedeutung“. 26 Hinsichtlich der Pflicht zur Kooperation andeutend wohl: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 86; Vgl. hingegen ders., aaO., S. 106 f. 27 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 824; Vgl. diesbezüglich auch: Bethge, NJW 1982, 1 ff.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

sie gegenüber dem Bürger eine gewisse Schutzfunktion, da sie die Gefahr beschränkt, dass der Betroffene aufgrund desselben Sachverhalts mehreren Behörden gegenübersteht. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips28 ist die Einhaltung der staatlichen Zuständigkeitsordnung damit auch bei informellen Absprachen zwingend zu beachten29. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Absprache bedeutet dies daher, dass der (staatliche) Absprachepartner grundsätzlich in der Lage sein muss, statt der Absprache eine einseitige Regelung (hinsichtlich der sich die Absprache als aliud darstellt) von kompetenzrechtlicher Seite her erlassen zu können30.

IV. Demokratieprinzip Normersetzende Absprachen wie jene vom 08.11.2001 weisen die Besonderheit auf, dass der Bürger letztlich direkten Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt. Wird jedoch die staatliche Entscheidungsgewalt, wenn auch nur teilweise, auf den Bürger verlagert, wirft dies unweigerlich die Frage nach deren verfassungsrechtlicher Legitimation31 im Sinne einer Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes auf. Sowohl das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit als auch das der Demokratie32 bilden einen tragenden Eckpfeiler eines verfassungsstaatlichen Verwaltungsrechts33. Gemäß Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Sie wird in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Art. 20 Abs. 2 GG geht folglich von einem „Stufenmodell der Legitimation und Ausübung staatlicher Herrschaft“ aus34. Das demokratische Prinzip erstreckt sich dabei nicht nur auf bestimmte, sondern auf alle Arten der Ausübung von Staats28 BVerfGE 9, 268, 279; 34, 52, 59; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 738. 29 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 177; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Für Verwaltungskompetenzen: BVerfG, NVwZ 2002, 585, 587. Für staatlich inspirierte Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 254 f. 30 Zu kompetenzrechtlichen Problemen im weiteren auch: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029. 31 Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 54. 32 Vgl. dazu u. a. auch: Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 221 ff. 33 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 159. Die Bezugnahme auf den Begriff des Verwaltungsrechts erfolgt dabei, unabhängig von der Tatsache, in welcher Eigenschaft die Bundesregierung vorliegend gehandelt hat, an dieser Stelle bewusst, weisen doch normersetzende Absprachen wie bereits angesprochen einen Doppelcharakter auf, der sie sowohl dem Bereich der Exekutive als auch dem der Legislative zuführt. 34 Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533, 539; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. II, Rz. 17; Dazu auch: H.-P. Schneider in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.),

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gewalt35, jedenfalls auf amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter36. Dies muss jedoch in denkbar weitem Sinne verstanden werden, so dass jegliches staatliches Handeln, sei es formell oder eben auch „nur“ informell, auf der Grundlage einer demokratischen Legitimation dergestalt erfolgen muss, dass die handelnden Organe ihre Befugnisse in einer ununterbrochenen Legitimationskette vom Willen des Staatsvolks herleiten37. Grundsätzlich muss daher gewährleistet werden, dass durch die Absprache nicht eine Entscheidungsverlagerung vom Staat auf den Bürger stattfindet38. Dies ist aber in Fällen wie dem vorliegenden nicht ohne Brisanz, weil der an der Absprache beteiligte Private gerade nicht demokratisch legitimiert ist39, eine autonome Legitimation einer einzelnen Gruppe die volkslegitimierte Staatlichkeit aber keineswegs ersetzen kann. Das Demokratieprinzip verwirklicht sich gem. Art. 38 GG durch Wahlen, nicht aber durch Zahlungen, wie im Zusammenhang mit den Vorgängen vom 08.11.2001 geschehen. Dadurch aber droht die Erwartung an die Demokratie, dass in öffentlicher Debatte und in unmittelbarer Legitimation durch den Wähler Entscheidungen des Gesetzgebers herbeigeführt werden, in elementarer Weise zu scheitern40. Vor diesem Hintergrund wird daher vielfach angeführt, dass sich bei der Verwendung informeller Absprachen ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip kaum vermeiden ließe41. Mögen die vorgebrachten Bedenken sicher nicht substanzlos sein, so können die kritischen Stimmen schlussendlich dennoch nicht überzeugen. Folgte man ihnen uneingeschränkt, so hätte dies unweigerlich die generelle Unzulässigkeit jeglicher staatlicher Handlungen zur Folge, die unter Einflussnahme von Privaten zustande gekommen sind, da jede Einflussnahme zugleich auch mit einem Mangel an demokratischer Legitimation der behördlichen Handlung einhergeht. Dieses Ergebnis kann aber schon im Hinblick auf die Existenz der §§ 54 ff. VwVfG kaum richtig sein. Zudem ist eine Einflussnahme des Bürgers auf staatliche Entscheidungen aus verfassungsrechtlicher Sicht letztlich in gewissem Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 551: Das Handeln der Organe erfolgt in „Vertretung“ oder im „Namen des Volkes“. 35 BVerfGE 47, 253, 273; 77, 1, 40. 36 BVerfGE 47, 253, 273; 83, 60, 73; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 162. 37 BVerfGE 9, 268, 281; 83, 60, 72; Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 89; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8. 38 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 235 f.; Vgl. dazu für den öffentlichrechtlichen Vertrag: Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547. 39 Engelbert, Konfliktmittlung und Demokratieprinzip, Diss. Berlin (FU) 1995, 119. 40 Kirchhof, NJW 2001, 1332, 1333. 41 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 96; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 57 f.; Schrader, DÖV 1990, 326, 330; Gusy, ZUR 2001, 1, 5.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Rahmen sogar erforderlich. Das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip gebietet eine frühzeitige Beteiligung des Bürgers an staatlichen Entscheidungen, sobald dessen Rechte mit staatlichem Handeln kollidieren42. Im Verwaltungsverfahren wird dies beispielsweise durch die Pflicht zur Anhörung Beteiligter (vgl. § 28 VwVfG) realisiert. Das Vorbringen des Bürgers schließlich kann dabei in die spätere Entscheidung mit einfließen, ohne dass diese zugleich dem Vorwurf mangelnder demokratischer Legitimation ausgesetzt wäre. Schließlich fragt sich, wo die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme durch Private zu ziehen wären, bedenkt man nur den umfangreichen Lobbyismus im Zusammenhang mit der Einbringung von Gesetzesentwürfen in den parlamentarischen Prozess. Es zeigt sich daher, dass selbst eine verstärkte Einflussnahme Privater auf staatliche Entscheidungen nicht automatisch zu deren Unzulässigkeit führt. Ganz ausräumen lässt sich der Verdacht einer unzulässigen Entscheidungsverlagerung hingegen nicht. Dies resultiert aus dem Umstand, dass in dem informellen Umfeld, in dem sich Absprachen wie die vorliegende bewegen, die demokratische Legitimation der handelnden Behörde und damit die Legitimität des Aushandlungsergebnisses zunächst nur schwer erkennbar ist. Aus den vorgenannten Gründen werden verschiedene Lösungsansätze diskutiert, inwiefern das vermeintliche Defizit einer hinreichenden demokratischen Legitimation bei informellen Absprachen überwunden werden kann. Einer Auffassung zufolge43 soll dies durch die Konstruktion einer sog. gestuften Legitimation möglich sein. Danach leitet die handelnde Behörde die für ihre Tätigkeit erforderliche Legitimation zwar zunächst grundsätzlich vom Parlament her. Neben die institutionelle Legitimation trete aber im Sinne eines Gesamtlegitimationszusammenhangs noch eine solche, die sich direkt aus der Verhandlungsaufnahme des Einzelnen mit der Behörde ergibt (Individual-Legitimation). Ähnlichen Prinzipien bedient sich ein anderer Ansatz: Mit der abnehmenden gesetzlichen Steuerung staatlicher Aktivitäten reduziere sich zugleich die sachlich-inhaltliche Legitimation des Handelns der einzelnen Behörde aufgrund deren Bindung an Recht und Gesetz. Das dabei entstehende Defizit an sachlichinhaltlicher Legitimation könne hingegen aber durchaus durch einen Individualkonsens ersetzt werden44.

42 BVerfGE 9, 95; 27, 103; 49, 348; OVG Lüneburg, DVBl 1973, 505; Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 28, Rz. 3; Vgl. auch: Krasney, NVwZ 1986, 337 ff.; Rüping, NVwZ 1985, 304, 308. 43 Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, 1989, 67 ff. 44 So im Ergebnis: Engelbert, Konfliktmittlung und Demokratieprinzip, Diss. Berlin (FU) 1995, 154 f. 162.

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Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass derartige Konstruktionen mit den demokratieprinziporientierten Vorgaben des Grundgesetzes nicht mehr zu vereinen sind, da die verfassungsrechtliche Legitimationskette durch Rückführung auf den Einzelnen in einer ihr systemfremden Weise abgekürzt wird45. Neben dem Aspekt des Art. 20 Abs. 2 GG ist dies zudem auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 äußerst problematisch, da das Demokratieprinzip nun nicht mehr auf das gesamte Volk, sondern auf das einzelne Individuum bezogen wird. Gleiches muss daher auch für den Ansatz gelten, nach dem sich, vergleichbar der Individual-Legitimation, eine gewisse „Legitimation durch Betroffenheit“ als demokratische Ergänzung der Verwaltungslegitimation darstellen kann46. Letztlich ist die Lösung im Demokratieprinzip selbst zu suchen. Wie gesehen wird Art. 20 Abs. 2 GG dann beeinträchtigt, wenn demokratisch legitimierte Entscheidungen von der Mitentscheidung nicht demokratisch legitimierter Organe abhängig gemacht werden47. Die Letztverantwortung des Staates, die Möglichkeit einer einseitigen Durchsetzung sowie effektiven Kontrolle müssen daher erhalten bleiben48 und informelle Absprachen als Rechtsfolgenentscheidungen somit dem Staat zugerechnet werden können. Der informellen Absprache liegt, wie im 3. Kapitel ausgeführt, ein Konsens der beteiligten Parteien zugrunde. Diesem Grundprinzip aber ist die Tatsache zueigen, dass die handelnde Behörde zu keiner Zeit die Entscheidungshoheit tatsächlich aus der Hand gibt. Stimmt sie nämlich einem Konsensvorschlag des Privaten nicht zu, wird kein Ergebnis erzielt. Dann aber bleibt es der Behörde im Gegensatz zum privaten Absprachepartner unbenommen, das gewünschte Ergebnis mittels einseitigem, hoheitlichen Handeln durchzusetzen49. Damit aber kann auch für den Fall nichts anderes gelten, in dem sich die Absprache im Ergebnis als einseitige Interessendurchsetzung des Privaten darstellt, etwa weil dieser aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls mit einer übermächtigen Verhandlungsposition ausgestattet ist. Schlussendlich kann aus dem Gesagten zwar nicht der Schluss gezogen werden, dass konsensual erzeugte Entscheidungen automatisch als staatliche Entscheidungen anzusehen sind50. Der Inhalt des Konsenses kann dem Staat aber jedenfalls zugerechnet werden, so dass dieser zugleich auch die Verantwortung

45 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 172; Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179, 215 f. 46 Vgl. Hill, DVBl 1993, 973, 977. 47 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 168. 48 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 134. 49 So auch Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 167 f.; v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 201 f.

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für Zustandekommen und Inhalt der Absprache trägt. Daraus resultiert zugleich auch die Tatsache, dass das Demokratieprinzip letztlich kein erweitertes Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Absprachen ist, sondern vielmehr als Zurechnungsinstrument dient51. Durch diese Zurechnung wird im Ergebnis (in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) gewährleistet, dass für informelle Absprachen keine anderen rechtlichen Maßstäbe gelten, als für formelles Handeln52.

V. Staatszielbestimmung Sozialstaat Auch das Sozialstaatsprinzip, das primär in den Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verankert ist53, kann (ebenso wie die Staatszielbestimmungen des Art. 20a GG) durchaus Einfluss auf informelles Handeln haben. Ist auch die Beziehung zwischen Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip noch immer nicht abschließend geklärt54, so bleibt jedenfalls festzuhalten, dass die Art. 20 Abs. 1 GG und 28 Abs. 1 GG den Rechtsstaat mit einer sozialen Komponente verknüpfen55, indem der Staat zunächst überhaupt sozialordnungsgestaltend tätig wird56. Grundsätzlich beruht der soziale Rechtsstaat auf dem Prinzip des Ausgleichs gegensätzlicher Interessen unter Zurücknahme eines Individualismus57. Dabei kann er in zwei Dimensionen wirken: Zum einen beinhaltet er die Gewährleistung sozialer Sicherheit des Einzelnen im Sinne einer individuellen Fürsorge. In seiner zweiten Dimension richtet sich das Sozialstaatsprinzip auf die Erhaltung und Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Bürger58 und damit eben auch auf die Erhaltung und Fortentwicklung des Gesundheitswesens. Schließlich ist ihm 50 So aber wohl: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 97; Gusy, ZUR 2001, 1, 5; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 250 ff.; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 57. 51 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 97. 52 Bezogen auf informelle Absprachen weist das Demokratieprinzip somit neben einem erneuernden auch einen entwicklungsoffenes Element auf. Vgl. dazu: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 157. 53 Zudem in Art. 3 Abs. 2, 3; 6 Abs. 3; 12; 14; 15; Dazu: Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 18 ff.; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 13; Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 41. 54 Dazu: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VIII, Rz. 29 ff.; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 29 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 4, Rz. 424 ff.; Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 19 (Rechtsstaat und Sozialstaat als Gegensatz). 55 E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 755. 56 Vgl. dazu: Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 39. 57 Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 80; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 19. 58 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 215.

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auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit immanent59. Zu beachten ist aber, dass sich die Inhalte des Sozialstaatsprinzips in erster Linie an den Gesetzgeber richten. Dabei kommt ihm jedoch nicht nur die Funktion eines Programmsatzes zu. Vielmehr handelt es sich um eine alle Gewalten unmittelbar bindende Staatsleitlinie60. Für den Einzelnen aber kann der Sozialstaatssatz für sich allein genommen weder Ge- noch Verbote, weder Rechte noch Pflichten hervorbringen. Er bedarf daher in hohem Maße der Ausfüllung und Konkretisierung61, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Eine Grundlage für einklagbare Ansprüche des Einzelnen ist er daher prinzipiell nicht62. Informelle Absprachen können zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips einen fördernden Einfluss nehmen63, erfahren durch dieses jedoch zugleich auch inhaltliche Begrenzungen. Andererseits aber kann der Sozialstaatssatz auch mögliche absprachebedingte Eingriffe in Rechte des Privaten oder Dritter in gewissem Umfang legitimieren.

VI. Bundesstaatsprinzip Schließlich können informelle Absprachen auch Berührungspunkte zum grundgesetzlich verankerten Bundesstaatsprinzip aufweisen. Neben der Frage, inwieweit der Bundesrat beim Abschluss informeller Absprachen mitzuwirken hat64, kann in diesem Zusammenhang vor allem die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern betroffen sein, indem der Bund mittels Absprache auf Rechtsgebieten tätig wird, in denen den Ländern die Gesetzgebungszuständigkeit zukommt. Auch die umgekehrte Variante ist denkbar65. Andererseits können durch (Bundes-)Absprachen Verfahrensregelungen getroffen werden, die die Verwaltungszuständigkeiten der Länder berühren66. Fraglich ist deshalb insbesondere, unter welchem Gesichtspunkt sich die Zuständigkeit zum Abschluss informeller Absprachen ergeben kann67. Fest steht dabei von vornherein, dass mittels einfacher Absprache die grundgesetzlichen 59

Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 20. Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VIII, Rz. 6; Vgl. auch BSGE 15, 71, 76; 19, 88, 92; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 756; Badura, DÖV 1989, 491, 493. 61 BVerfGE 1, 97, 100; 5, 85, 198. 62 BVerfGE 27, 253, 283; 39, 302, 315; BSGE 6, 213, 219; 10, 97, 100; 19, 88, 92; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 13. 63 Vgl. Hill, DVBl 1993, 973, 976. 64 Dazu Kapitel 6: D. II. 2. lit. b) „Grundsätzliche Beteiligung des Bundesrats?“. 65 Zur Sperrwirkung von normersetzenden Absprachen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 130; Vgl. diesbezüglich auch die Erläuterungen in Kapitel 6: B. II. 2. „Auswirkungen für die Landesgesetzgeber“. 66 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 129. 60

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Kompetenzen von Bund und Ländern weder neu definiert, noch umgangen werden können. Vor allem bei normersetzenden Absprachen bietet sich daher eine Berücksichtigung der Art. 70 ff. GG an. Grundsätzlich muss dabei aber in jedem Falle auch die (sowohl den Bund als auch die Länder treffende68) Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten berücksichtigt werden, nach der die Gebrauchmachung von formal bestehenden Kompetenzen immer unter gegenseitiger Rücksichtnahme von Bundes- und Länderinteressen zu erfolgen hat69.

VII. Sonstige verfassungsrechtliche Begrenzungen Neben den vorgenannten Strukturprinzipien, Staatszielbestimmungen und sonstigen Faktoren kann informelles Handeln in vielfältiger Hinsicht Begrenzungen kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben erfahren. Besondere Beachtung gilt es dabei auch den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes zu schenken, die überwiegend dem bundesstaatlichen Themenkreis angehören70. So kann durch die informelle Absprache grundsätzlich nicht die grundgesetzlich festgelegte Aufteilung der Ausgaben und Einnahmen (vgl. Art. 104a, 106 GG) umgangen werden. Gleiches gilt für die Lastenverteilung zur Sozialversicherung gemäß Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen Mögen informelle Absprachen auch keiner unmittelbaren rechtlichen Regelung unterliegen, so werden sie doch in vielfältiger Weise durch Rechtsnormen beeinflusst. Dies ist logische Folge daraus, dass auch informelles Handeln an den Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG zu messen ist, so dass es ganz allgemein durch die Prinzipien des Gesetzesvorrangs begrenzt wird. Da infolgedessen eine Flucht in die Informalität ausgeschlossen ist, berechtigen Absprachen weder dazu, materielle Zielvorgaben auszuhöhlen71, noch verfahrensrechtliche Anforderungen zu unterwandern72. 67 Dazu Kapitel 6: D. I „Die Zuständigkeit der Bundesregierung zum Abschluss der Vereinbarung“ sowie oben: B. III.: „Kompetenznormen“. 68 BVerfGE 1, 299, 315. 69 Vgl. BVerfGE 4, 115, 141 f.; BVerfG, NVwZ 2002, 585, 587; Dazu auch: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, IV, Rz. 61 ff.; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 15. 70 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 104a, I., Rz. 1. 71 Dazu: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 68 f.; 148 ff., 196 ff., v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 207; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 351; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 204 ff.; Vgl. auch: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 134.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Aus diesem Grunde ist der Einsatz informeller Absprachen zunächst überhaupt nur dort möglich, wo das Gesetz entsprechende Spielräume lässt73. Absprachen sind dementsprechend dann unzulässig, wenn die Wahl einer bestimmten Handlungsform ausdrücklich vorgeschrieben ist74 (vgl. § 31 SGB I, § 9g AtG, Art. 18 LStVG (Bayern) etc.). Daneben wirken sich einfachgesetzliche Regelungen auch auf den Inhalt einer getroffenen Vereinbarung aus, indem sie Verbote aussprechen oder Gebote auferlegen (vgl. § 1 UWG, § 33 S. 1 SGB I, § 12 SGB V etc.). Zusammenfassend werden informelle Absprachen somit in weitaus größerem Maße von rechtlichen Regelungen beeinflusst, als es die Bezeichnung des Informellen zunächst nahe legen würde. Besondere (auch praktische) Relevanz kommt dabei vor allem einer möglichen Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie der kartellrechtlichen Beurteilung informeller Absprachen zu. Nachfolgend sollen daher insbesondere die damit verbundenen Problemkreise Gegenstand einer näheren Betrachtung sein.

I. Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) Soweit ein Rückgriff auf spezialgesetzliche Normen sedes materiae ausscheidet (vgl. § 1 Abs. 1, 2. HS, Abs. 2 S. 1, 2. HS VwVfG; § 2 VwVfG)75, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit die Vorschriften des VwVfG (bzw. der jeweiligen Landesgesetze) auf informelle Absprachen Anwendung finden können. Ungeachtet einer etwaigen unmittelbaren Anwendbarkeit, unterliegen Absprachen im hier interessierenden Sinne jedenfalls der indirekten Beeinflussung durch das Normenregime des VwVfG76. So sind etwa Vereinbarungen über die Nichteinleitung eines Verwaltungsverfahrens dann unzulässig, wenn die jeweilige Behörde von Amts wegen verpflichtet ist, ein Verfahren durchzuführen (vgl. §§ 22 S. 2 Nr. 1 VwVfG). Darüber hinaus wird in der Literatur teilweise die direkte Anwendung des VwVfG angeregt, da das zum Abschluss der Absprache führende Verfahren selbst Verwaltungstätigkeit sei77. Mit der Fassung des § 9 VwVfG ist das aller72 Allgemein: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 42; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 18. 73 Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 5; Kunig/ Rublack, Jura 1990, 1, 4 f. 74 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 368; Jarass, DVBl 1985, 193, 198. 75 Dazu: Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 27 ff.; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 186 ff. 76 Allgemein: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 132 ff. 77 Vgl. auch Scherer, DÖV 1991, 1, 4 hinsichtlich normersetzender Verträge als Absprachen im weiteren Sinne. Zudem: P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 174, die offenbar für eine direkte Anwendung von

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

dings nur schwerlich vereinbar. Der überwiegende Teil der Autoren steht dieser Auffassung denn auch kritisch gegenüber. Vielfach wird zwar eingeräumt, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen die entsprechende Übertragung einzelner Bestimmungen geboten sein kann78 – die unmittelbare Anwendung des VwVfG aber wird, zumeist ohne nähere Begründung, weitgehend abgelehnt79. 1. Die informelle Absprache als Verwaltungstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 VwVfG? a) Öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde Für die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG Voraussetzung, dass sich der Abschluss einer informellen Absprache als öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer der dort genannten Behörden darstellt. Der Anwendungsbereich des VwVfG erstreckt sich somit zunächst auf die gesamte Verwaltungstätigkeit von Bundesbehörden80. Gleiches gilt jedenfalls im Grundsatz für Landesbehörden, soweit sie Bundesrecht vollziehen. Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Ohne Rücksicht auf die jeweilige konkrete Bezeichnung erfasst diese Definition alle Einrichtungen, die mit hinreichender organisatorischer Selbständigkeit ausgestattet, vom Wechsel der in ihnen tätigen Personen unabhängig sind und denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung, d.h. zum Handeln mit Außenwirkung in eigener Zuständigkeit und eigenem Namen übertragen sind81. Insofern liegt § 1 Abs. 4 VwVfG ein funktionaler Behördenbegriff zugrunde82. Damit aber können grundsätzlich selbst Organe des Verfassungsrechts (Bundesministerien,

Vorschriften des VwVfG hinsichtlich von Verfahrensrechten anderer Beteiligter sowie Verfahrenspflichten der Behörde (z. B. Amtsermittlungsgrundsatz) plädieren. 78 Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 67; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420 f. 79 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; Einführung, Rz. 96; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 6; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 15 f.; vgl. auch: Hill, DÖV 1987, 885, 892; Für Selbstbeschränkungsabkommen siehe auch: Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht mit Wirtschaftsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1997, § 7, Rz. 34. 80 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 105. 81 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 1, Rz. 51. 82 Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 1; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 1, Rz. 51; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 198, 534 f.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Bundesregierung etc.) Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes sein, sofern sie aufgrund des allgemeinen Verwaltungsrechts tätig werden83. Der Begriff der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit dagegen wird vom VwVfG vorausgesetzt, ohne von ihm näher definiert zu werden. Da ein numerus clausus der Handlungsformen durch das VwVfG nicht begründet werden sollte84, umfasst er jedes der Exekutive zurechenbare Verhalten, durch das über Sachverhalte entschieden wird, die von der gesetzlichen Ordnung öffentlichrechtlich geregelt sind85. Dabei ist es unerheblich, ob dieses Verhalten in einem aktiven Tun oder aber in einem Unterlassen besteht86. Auch schlichthoheitliches und damit informelles Handeln ist somit grundsätzlich Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG87. b) Normersetzende Absprachen als Verwaltungstätigkeit? Von der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit zu unterscheiden (und damit vom Anwendungsbereich des VwVfG ausgeschlossen) sind die Bereiche der Gesetzgebung88 sowie der Regierungstätigkeit89. Damit aber ist die Zuordnung informeller Absprachen zum Bereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit dann problematisch, wenn diese, wie bei der Absprache bezüglich des AABG geschehen, die Vermeidung des Erlasses eines formellen Gesetzes bezwecken bzw. die zu erlassende Norm ersetzen sollen (normersetzende Absprache). Infolge des Umstands, dass sich die Absprache als aliud zur vorgesehenen gesetzlichen Regelung darstellt, wirft sich daher die grundsätzliche Frage auf, ob und inwieweit das Treffen der Vereinbarung überhaupt Verwaltungstätigkeit 83 BVerwG, DÖV 1981, 300; OVG Münster, NJW 1980, 137 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 1, Rz. 56a; Vgl. für Landesregierung: BVerwG, DÖV 1992, 970 ff. 84 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 121; Vgl. dazu auch Kapitel 4: B. I.: „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“. 85 Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 56. 86 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 121. 87 Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 62, 66; P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 120 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 1, Rz. 17. 88 Vgl. Scherzberg, JuS 1992, 205; Allgemein zu Abgrenzungsproblemen zwischen Gesetzgebung und Verwaltung: Ossenbühl, DÖV 1980, 545, 549 ff. 89 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 166; Differenzierend: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 1, Rz. 19. Das Problem des Regierungsaktes wird dabei vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Justitiabilität desselben diskutiert, vgl. dazu (auch hinsichtlich des Widerrufs politischer Meinungsäußerungen): BVerwG, NJW 1984, 2591; OVG Münster, NJW 1983, 2402, 2403.

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sein kann, oder ob es sich hierbei nicht vielmehr um solche Akte handelt, die im weitesten Sinne dem Bereich der Gesetzgebung zuzuordnen sind. Für die Abgrenzung zwischen Verwaltungshandeln und Regierungstätigkeit kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die in Frage stehende Handlung von einem Verwaltungs- oder Regierungsorgan wahrgenommen wird. Wie bereits gesehen, kann auch ein Regierungsorgan als Behörde der vollziehenden Gewalt im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG tätig werden. Grundsätzlich ist dies bei allen Tätigkeiten der Fall, die keine Regierungsakte sind und sich außerhalb der Mitwirkung bei Gesetzgebung und Normsetzung vollziehen. Allgemein gesprochen handelt es sich bei Regierungsakten um politische Führungsentscheidungen, denen ein gewisser staatspolitischer Moment zugrunde liegt90. Scheuner91 führt diesbezüglich zutreffend aus: „Während zur Verwaltung die laufende Tätigkeit, die Ausführung der rechtlich festgelegten Aufträge und Maßstäbe des staatlichen Handelns gehört [.], zählt zur Regierung die politische Entscheidung, die Festlegung der Richtlinien, darüber hinaus aber die Oberleitung des Staates, die Beziehungen der obersten Organe untereinander, die Bestellung der leitenden Personen, kurz um Handlungen der politischen Staatsführung“. Werden informelle Absprachen durch Regierungsorgane anstelle einer gesetzlichen Regelung getroffen, so wird hierdurch der Bereich der Gesetzgebung zumindest dem Grunde nach berührt, da die Absprache ein legislatives Unterlassen bzw. die Nichtausübung eines bestehenden Gesetzesinitiativrechts zum Gegenstand hat. Dieser Umstand spricht in gewissem Maße gegen die Einordnung der Absprache bzw. des dazu führenden Verhaltens als exekutive Tätigkeit. Andererseits aber muss berücksichtigt werden, dass derartige Vereinbarungen die Zielsetzung beinhalten, den Erlass eines Gesetzes gerade überflüssig zu machen. Zudem stellt sich die informelle Absprache als aliud zu dem zunächst avisierten formellen Gesetz und nicht etwa als wesensgleiches Minus dar. Bereits begrifflich kann daher die Absprache nicht Gesetzgebung sein. Im Ergebnis wäre es somit verfehlt, das Treffen der normersetzenden Vereinbarung als gesetzgeberische Tätigkeit einzuordnen92, so dass es demzufolge bei der Qualifikation als Verwaltungstätigkeit verbleibt.

90 BVerfGE 9, 268, 280 f.; BVerwGE 2, 36, 38; P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 168. 91 Scheuner, Der Bereich der Regierung, in: Festschrift für Rudolf Smend, 1952, 277. 92 So aber Birk, NJW 1977, 1797, 1798 (für unechte Normerlassverträge). Vgl.: BVerwGE 42, 331, 333; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 63; Scherer, DÖV 1991, 1, 4; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49, 54.

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2. Die informelle Absprache als Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG? Die §§ 10 ff. VwVfG finden nur auf jene Verwaltungstätigkeiten Anwendung, die Verwaltungsverfahren im Sinne des VwVfG sind. Gemäß der Legaldefinition in § 9 VwVfG ist darunter (in Beschränkung des Art. 84 Abs. 1 GG) die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden zu verstehen, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Daraus wird überwiegend und zumeist ohne nähere Erläuterung geschlossen, dass die Anwendbarkeit des VwVfG auf informelle Absprachen zwar nicht durch § 1 VwVfG ausgeschlossen sei, wohl aber durch die Begrenzung des § 9 VwVfG93. Vor dem Hintergrund, dass Absprachen nicht nur dazu dienen, förmliche Entscheidungen zu ersetzen, sondern vielmehr auch vorbereiten oder ergänzen können, bedarf dies jedoch kurz einer näheren Betrachtung. Umso mehr gilt dies aufgrund der Festlegung des Gesetzgebers auf den Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verfahrens (vgl. § 10 S. 1 VwVfG). Demzufolge ist grundsätzlich zu differenzieren, ob eine informelle Absprache neben, in Vorbereitung oder anstelle eines Verwaltungsverfahrens getroffen wird: Soll durch die Absprache ein Verwaltungsverfahren oder eine zu erlassene Rechtsnorm ersetzt werden, so handelt es sich nicht um eine Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 9 VwVfG, da die Vereinbarung nicht die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung oder den Erlass eines Verwaltungsaktes bzw. auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mithin ausgeschlossen. Gleiches gilt für Absprachen im Vorfeld oder während des Erlasses einer Rechtsnorm. Absprachen vor oder neben94 einem Verwaltungsverfahren dagegen sind grundsätzlich nicht Teil des Verfahrens selbst95, sondern dienen lediglich der Vorbereitung bzw. Durchführung desselben. Daher sind auch diese Absprachety93 Vgl. nur: Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 1, Rz. 66; Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 9, Rz. 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 9, Rz. 9. 94 Bei Absprachen neben einem Verwaltungsverfahren erscheint es zwar durchaus auch gerechtfertigt, die Vereinbarung als unselbständigen Teil des eigentlichen Verfahrens anzusehen. Dann aber ergeben sich insofern keine Besonderheiten, da auf das Verfahren an sich die Vorschriften der § 10 ff. VwVfG ohnehin anwendbar sind. Für eine gesonderte Beurteilung der Absprache bestünde damit kein Raum mehr. Dies gilt umso mehr, als durch derartige Absprachen nicht in gesondertem Maße und über das eigentliche Verwaltungsverfahren hinaus in die Rechte des Einzelnen eingegriffen wird, so dass jedenfalls in diesem Zusammenhang auch nicht die Notwendigkeit eines Gesetzesvorbehalts besteht. 95 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 165; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 9, Rz. 5.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

pen vom Anwendungsbereich des VwVfG ausgeschlossen. In den seltenen Fällen, in denen die informelle Absprache Teil des Verwaltungsverfahrens selbst ist, gelten die Vorschriften des VwVfG dagegen unmittelbar96.

II. Analoge Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Grundsatz Mag die unmittelbare Anwendbarkeit des VwVfG auf informelle Absprachen in der überwiegenden Zahl der Fälle aufgrund von § 9 VwVfG auch ausgeschlossen sein, so stellt sich dennoch die Frage, ob und inwieweit unter Umständen eine analoge Anwendung in Betracht zu ziehen ist97. Nach wie vor herrscht diesbezüglich in weiten Teilen der Literatur einige Unsicherheit. Ungeachtet der Möglichkeit einer analogen Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes wird verschiedentlich die Möglichkeit in Erwägung gezogen, die Figur des sog. schlichten Verwaltungsrechtsverhältnisses zur rechtlichen Erfassung und Begrenzung informellen Handelns zu verwenden98. Infolge des durch den informellen Kontakt hervorgerufenen Näheverhältnisses sollen sich danach gesteigerte Rechtsbeziehungen ergeben, die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien einerseits sowie im Verhältnis zu Dritten andererseits begründen können. Im Einzelnen aber sind die Voraussetzungen und Folgen eines solchen schlichten Verwaltungsrechtsverhältnisses weitgehend ungeklärt. Insbesondere vermag dieser Ansatz keine handhabbaren Kriterien für die rechtliche Erfassung informeller Absprachen zu liefern, da er letztlich zu unbestimmt ist. Nach weit verbreiteter Ansicht, wenn auch von unterschiedlichen Begründungsansätzen ausgehend, soll die analoge Anwendung verschiedener Vorschriften des VwVfG nicht von vornherein ausgeschlossen sein99. Ihre Befürworter 96

Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 22. Vgl. P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 4; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 22; Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 157 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 449 ff.; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 197; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 131 ff., 137 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 107; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 96; Kunig, DVBl 1994, 1193, 1199; Leidinger, DÖV 1993, 925, 934; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 15 ff.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 224. 98 Dazu: Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2719 ff.; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 264 ff. 99 P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 4; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 136 ff.; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 231; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 224; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 226 (für Selbstbeschränkungsabkommen); Henneke, NuR 1991, 267, 275. 97

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messen der dadurch eintretenden Verrechtlichung („Reformalisierung“) der informellen Absprache in verschiedener Hinsicht durchaus positive Wirkung bei100. Nach gegenteiliger Auffassung hingegen sei eine Analogie abzulehnen, da die dafür erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte aufgrund der Andersartigkeit und Vielfältigkeit informeller Handlungsformen und dem fehlenden Rechtsbindungswillen der Beteiligten nicht gegeben sei101. Eine Anwendung des VwVfG sei im Übrigen auch schon deshalb abzulehnen, weil es ein formalisiertes informelles Verwaltungsverfahren schon begrifflich nicht geben könne102 und im Ergebnis lediglich zu einer Entscheidungsverlagerung in ein noch informelleres Vorfeld führe. Zudem würde die Übertragung der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Vertrages auf informelle Absprachen schließlich deren Spontanität und Effektivität in erheblichem Maße beeinträchtigen bzw. gänzlich beseitigen103. Schlette spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „gewaltsamen Verrechtlichung“104. Den Gegnern einer Analogie ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine Unterwerfung insbesondere unter das Verwaltungsvertragsrecht informelle Handlungen nicht etwa zu formellen macht. Bei der Frage der analogen Anwendbarkeit des VwVfG geht es nicht darum, informelles Handeln einer Regelung zu unterwerfen, um dieses zu formalisieren, sondern vielmehr darum, staatliche Aktivitäten rechtlich zu begrenzen und damit letztlich der Gefahr einer realen Aushöhlung normativ verbürgter Rechte bereits im Vorfeld entgegenzutreten105. Da sich auch informelle Absprachen nicht im rechtsfreien Raum bewegen dürfen (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), bedarf es hinsichtlich der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit handhabbarer Prüfungskriterien. Mag der Hinweis auf einen etwaigen Verlust von Spontanität und Effektivität unter dem Aspekt der Zweckmäßigkeit sicherlich berechtigt sein, so kann er im Ergebnis jedoch kein Argument gegen die analoge Anwendbarkeit des VwVfG begründen, wenn diese unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geboten, ja geradezu zwingend ist. Auch die fragwürdige Kontrollierbarkeit informeller Absprachen vermag grundsätzlich kein 100 Vgl. insofern auch: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 241 ff.; Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2720; Kunig/ Rublack, Jura 1990, 1, 6. 101 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 22; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 96; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 226; Stober, DÖV 1995, 125, 132; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 15; Hill, DÖV 1987, 885, 893; Widersprüchlich: Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 226 f.; aA.: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 132 ff.; Kunig/ Rublack, Jura 1990, 1, 6 f. 102 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420. 103 Hill, DÖV 1987, 885, 892. 104 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 225 f. 105 Ähnlich: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6.

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Argument gegen eine Analogie begründen106, da dies die Ebene der effektiven Überwachung, nicht aber die der rechtlichen Erfassung und Begrenzung staatlichen Handelns betrifft. Im Gegenzug kann aber auch der Argumentationsansatz nicht überzeugen, nach dem die Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG unter Hinweis auf eine angeblich bestehende Wirkungsgleichheit zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und öffentlich-rechtlicher informeller Absprache zwingend erforderlich sein soll107. Bezogen auf einen zu erreichenden Erfolg kann Wirkungsgleichheit unter zwei Aspekten bestehen: Eng an den Wortlaut angelehnt kann unter Wirkungsgleichheit zunächst die Identität der Wirkungsweise von zwei oder mehreren Handlungsformen verstanden werden. Dann aber besteht zwischen Vertrag und Absprache keine Wirkungsgleichheit, da der Vertrag auf rechtlichen Bindungen beruht, während die Absprache mangels Rechtsbindungswillens der Beteiligten lediglich faktische Zwänge erzeugt. Zum anderen aber kann Wirkungsgleichheit dann gegeben sein, wenn zwei oder mehrere Handlungsformen auf einen identischen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind, wobei in diesem Zusammenhang besser von Bewirkungsgleichheit gesprochen werden sollte. Zwar sind sowohl Absprache, als auch Vertrag auf den gleichen tatsächlichen Erfolg gerichtet. Daraus kann jedoch nicht der zwingende Schluss auf die Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG auch auf die Absprache gezogen werden, dienen doch beispielsweise auch öffentlich-rechtlicher Vertrag und Verwaltungsakt der Verwirklichung identischer Ziele, ohne dem gleichen Normenkomplex innerhalb des VwVfG unterworfen zu sein. Mittelbar lassen sich aus diesem Umstand dennoch wichtige Rückschlüsse ziehen. Sowohl Absprache als auch Vertrag versuchen, ein bestimmtes vorgegebenes Ziel auf dem Wege der Kooperation im Rahmen von Verhandlungen zu erreichen. Ungeachtet der rechtlichen Unverbindlichkeit der Absprache ist jedoch aufgrund der von ihr ausgehenden, bereits mehrfach angesprochenen, faktischen Bindungswirkung die Interessen- und Gefährdungslage des Privaten durchaus mit jener beim öffentlich-rechtlichen Vertrag vergleichbar. Dies wird vor allem dann sehr deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass der Staat regelmäßig über ein erhebliches Drohpotential verfügt. Bei normersetzenden Absprachen ist es ihm jederzeit möglich, die Verhandlungen oder gar die Absprache einseitig abzubrechen bzw. aufzukündigen und stattdessen ein formelles Gesetz zu erlassen. Dies weiß auch der Private, der sich nicht selten auch auf solche Absprachen 106 So aber wohl: Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 15 f.; Vgl. Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6. 107 Dazu: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 136 ff.

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einlassen würde, die, wären sie als öffentlich-rechtlicher Vertrag ausgestaltet, den Anforderungen der §§ 54 ff. VwVfG wohl regelmäßig nicht genügen würden. Jedenfalls aber können Absprachen und das ihnen zu Grunde liegende Drohpotential das Verhalten des Einzelnen ebenso effektiv und wirksam beeinflussen, wie eine rechtsverbindliche Entscheidung. Aufgrund dieser bestehenden Gefährdungslage ist das Schutzbedürfnis des an der Absprache beteiligten Privaten nicht geringer als beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Wie bereits gesehen, muss sich der Staat auch im Rahmen informeller Absprachen in dem ihm verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen bewegen und kann sich daher den Forderungen des Rechtsstaatsprinzips unter keinen Umständen entziehen. Zwar sei dahingestellt, ob den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 3 GG allein durch die Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG entsprochen werden kann108. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass der Gesetzgeber mit genannten Vorschriften einfachgesetzliche Ausprägungen und Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips und des ihm enthaltenen Willkürverbots geschaffen hat109, die somit für die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge klare Maßstäbe setzen und in elementarer Weise Schutzcharakter aufweisen. Soll die Möglichkeit einer Flucht in die Informalität und damit einer Absenkung des Schutzniveaus versperrt bleiben, so müssen diese Maßstäbe auch für informelle Absprachen gelten, wenn auch unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten. Dagegen spricht auch nicht die Informalität der Absprache, da diese sich zwar aufgrund ihrer rechtlichen Nichtregelung im gesetzesfreien, nicht aber im rechtsfreien Raum bewegt110. Aus diesem Erfordernis heraus bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Analogie, sofern die diesbezüglichen Voraussetzungen auch tatsächlich gegeben sind. Im Grundsatz jedenfalls würde es sich dabei nicht um eine unter Umständen unzulässige Analogie zu Lasten des Privaten handeln111, sondern um eine im Interesse des Bürgers stattfindende Begrenzung staatlicher Autorität. Möglich erschiene zwar auch die rechtliche Begrenzung informeller Absprachen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus unter Heranziehung allgemeiner, aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter Rechtsgrundsätze. Aufgrund der speziellen Ausformung, Ausgestaltung und 108 So jedenfalls: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243; Offen: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937. 109 Häberle, Boorberg-FS, 1977, S. 49 hat insofern zutreffend auch vom VwVfG als Grundgesetz für die zweite Gewalt gesprochen. Vgl. weiterhin: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 451; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 9; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 406 ff. 110 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 16; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260. 111 Vgl. dazu: BVerfG, NJW 1996, 3146; Konzak, NVwZ 1997, 872 f.; Gern, NVwZ 1995, 1145 ff.

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Modifizierung dieser Grundsätze durch die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, insbesondere der §§ 54 ff. VwVfG, ist jedoch jedenfalls hier vorrangig deren analoge Anwendbarkeit zu überprüfen112. Andernfalls bestünde die Gefahr der Schaffung eines gespaltenen kooperativen Rechtsrahmens113 mit nicht klar definierbaren Strukturen und Grenzlinien. Nicht zuletzt aufgrund der Nähe der Absprache zum öffentlich-rechtlichen Vertrag sollen nachfolgend zunächst die Voraussetzungen einer Analogie zu den §§ 54 ff. VwVfG einer näheren Betrachtung unterzogen werden, bevor auf andere Vorschriften des VwVfG Bezug genommen wird.

III. Die analoge Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG 1. Im Allgemeinen Wenngleich letzte Zweifel noch immer nicht abschließend ausgeräumt sind, so ist jedenfalls im Grundsatz die Möglichkeit einer analogen Anwendung von Rechtsvorschriften auch im Verwaltungsrecht weitgehend anerkannt114. Unter Analogie wird die „Übertragung der für einen Tatbestand (A) oder für mehrere, untereinander ähnliche Tatbestände im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm ,ähnlichen‘ Tatbestand (B)“ verstanden115. Voraussetzung ist somit zum einen das Bestehen einer planwidrigen, d.h. vom Gesetzgeber ungewollten Gesetzeslücke. Zum anderen müssen beide Sachverhalte vergleichbar sein, da dann aufgrund der gleichen bzw. ähnlichen Interessenlage der Normzweck des analog anzuwendenden Gesetzes auch die Erfassung des nicht geregelten Falles rechtfertigt. Die Beurteilung der Frage, ob zwei Sachverhalte einander ähnlich sind, hat sich dabei grundsätzlich danach zu richten, ob beide Fälle in den für die rechtliche Wertung maßgeblichen Hinsichten überein112 Für verwaltungsrechtliche Verträge: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 409; AA.: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937, nach der die Frage der Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG dahingestellt bleiben kann, da jedenfalls auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, deren Ausprägung die §§ 54 ff. VwVfG bilden. Widersprüchlich: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 136. 113 Allgemein für öffentlich-rechtliche Verträge: vgl. VGH Kassel, NVwZ 1997, 618, 620 (§ 57 VwVfG); Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 408. 114 Vgl. BVerfGE 10, 302, 329 f.; 22, 299, 311; 34, 269, 285 f., 288; BVerwGE 11, 263, 264; BFHE 111, 329; BFH, NVwZ 1984, 822; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 17; Rz. 49; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 167; Konzak, NVwZ 1997, 872; Bachof, JZ 1951, 737 ff.; Gern, DÖV 1985, 558 ff. mwN. 115 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 202; Allgemein zur Analogie im Verwaltungsrecht: BVerfGE 10, 302, 329 f.; 22, 299, 311; 82, 6, 11 ff.; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44, Rz. 53; Gern, DÖV 1985, 558 ff. mwN.

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stimmen116. Zudem kann bei der Beurteilung der Analogiefähigkeit einer Norm auch eine Folgenbetrachtung geboten sein117. Nach den zuvor unter II. dargelegten allgemeinen Erwägungen zur Möglichkeit einer analogen Anwendung (insbesondere) der §§ 54 ff. VwVfG auf informelle Absprachen soll nunmehr der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die dafür erforderlichen Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen. a) Vergleichbarkeit der Absprache mit öffentlichen-rechtlichen Verträgen Für die Frage der Analogiefähigkeit der §§ 54 ff. VwVfG müsste zunächst zwischen Absprache und Vertrag Vergleichbarkeit im Sinne der vorstehenden Ausführungen gegeben sein. Nicht wenige Autoren stehen jedoch einer dahingehenden Annahme ablehnend gegenüber. Begründet wird diese Ansicht hauptsächlich mit dem Hinweis auf die rechtliche Unverbindlichkeit der informellen Absprache. Der grundlegende Unterschied zwischen rechtlicher und faktischer Wirkung unterscheide Vertrag und Absprache derart weitgehend, dass sich im Ergebnis die Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG schon mangels Vergleichbarkeit beider Handlungsinstrumente verbiete118. Das Verfahren würde damit insbesondere bei gesetzesersetzenden Absprachen durch das Grundgesetz bestimmt werden, nicht aber durch das VwVfG. Dies sei zudem auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenbetrachtung geboten, da die Formalisierung des Verwaltungshandelns letztlich zu einer sich immer wieder intensivierenden Suche nach neuen Verhaltensweisen führen würde. Einzuwenden bleibt jedoch, dass die pauschale Verneinung der Vergleichbarkeit von Absprache und Vertrag die Besonderheiten informellen Handelns gänzlich unberücksichtigt lässt und somit unweigerlich mehr Fragen als Antworten aufwirft. Nicht überzeugen kann zudem die Argumentation, nach der eine analoge Anwendung des VwVfG bereits unter dem Gesichtspunkt der Folgenbetrachtung ausscheiden müsse, da sonst die zunehmende Verlagerung staatlicher Aktivitäten in ein „noch informelleres Vorfeld“ drohe, was immer auch darunter zu verstehen ist. Die Setzung rechtlicher Rahmenbedingungen erfolgt aus rechtsstaatlichen Bedürfnissen heraus, nicht aber aus reinen Zweckmäßigkeitser116 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 4, Rz. 69. 117 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 136. 118 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 9, 26; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 137; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 15 f.; Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 647; Vgl. auch: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 107, 420; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 96; Hill, DÖV 1987, 885, 892.

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wägungen. Zudem ist fraglich, wie eine Verlagerung in ein noch informelleres Vorfeld in der Praxis überhaupt aussehen kann. Einerseits ist die Möglichkeit des Kreierens neuer Handlungsinstrumente nicht unerschöpflich. Zum anderen aber wäre der handelnden Behörde in keiner Weise gedient: Werden informelle Handlungsweisen nämlich durch rechtliche Rahmenbedingungen erfasst, so betrifft dies ausnahmslos sämtliche Erscheinungsformen. Auch die Verlagerung in andere, „noch informellere“ Handlungen könnte somit nicht dazu führen, dass sich die Behörde diesem Rahmen entzieht – unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG ein nahezu selbstverständliches Ergebnis. Absprachen kommen dem äußeren Erscheinungsbild nach dem Vertrag sehr nahe119. Werden sie zudem auch noch schriftlich festgehalten, kann oft nur anhand der Auswertung aller Umstände des Einzelfalls geklärt werden, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder „nur“ eine Absprache vorliegt. Sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag, als auch die informelle Absprache beruhen auf einem zwischen Hoheitsträger und Privaten gefundenen Konsens und stellen sich nicht als Ergebnis einseitiger hoheitlicher Befugnisausübung dar120. Die Gewährleistung, dass die getroffene Entscheidung auch tatsächlich eingehalten bzw. umgesetzt wird, erfolgt allerdings mittels unterschiedlicher Mechanismen: Beim Vertrag durch die rechtlich verbindliche Vereinbarung, bei der Absprache mittels faktischer Bindungswirkung. Fraglich ist damit, ob dieser Umstand einer Vergleichbarkeit beider Handlungsinstrumente entgegensteht. Dagegen ist zunächst die starke Annäherung zwischen Vertrag und Absprache anzuführen: Allein die Veränderung eines Parameters (rechtliche Bindungswirkung) entscheidet letztlich über die Qualifizierung einer Vereinbarung als Absprache oder Vertrag. Käme der Absprache auch noch Verbindlichkeit zu, so wäre sie dem Vertrag nicht mehr nur ähnlich, sondern es würde sich vielmehr um einen solchen handeln. Auch darf grundsätzlich nicht verkannt werden, dass gerade die faktischen Wirkungen, die von der Absprache ausgehen, eine Intensität erreichen können, die über eine rein rechtliche Bindungswirkung hinausgehen kann121. Wie zuvor bereits ausgeführt, ist damit aber die Interessen- und Gefährdungslage des Privaten keine grundlegend andere, als sie beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages bestehen würde122. Allein der Umstand der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit vermag somit die Annahme der Vergleichbarkeit nicht zu verhindern.

119

Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 136. Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 158. 121 Vgl. Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 53. 122 Vgl. dazu in diesem Kapitel: C. II.: „Analoge Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Grundsatz“. 120

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b) Planwidrige Regelungslücke Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm kommt prinzipiell nur dann in Betracht, wenn die entsprechende Regelung planwidrig lückenhaft erscheint123. Diese Lücke muss dabei nicht von vornherein bestanden haben, sondern kann sich vielmehr auch durch die spätere Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen ergeben. Hinsichtlich der informellen Absprache ist das VwVfG (bereits begriffsnotwendig) lückenhaft, da es keine, etwa den §§ 54 ff. entsprechende Regelung bereit hält. Entscheidend ist daher, ob diese Lückenhaftigkeit im Ergebnis auch planwidrig ist oder ob sie sich vielmehr als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers darstellt. Bei der Beurteilung der Planwidrigkeit eines Gesetzes ist grundsätzlich der diesem zu Grunde liegende Regelungsplan mittels systematischer, historischer und teleologischer Auslegung zu erschließen, um zu ergründen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, vollständig ist124. Letztlich ist damit auch die Frage entscheidend, ob der Gesetzgeber bei einer fiktiven Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Vorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre125. Das Vorliegen einer planwidrigen und ausfüllungsbedürftigen Regelunglücke kann schließlich insbesondere auch dann angenommen werden, wenn der allgemeine Gleichheitssatz eine Ausfüllung gebietet126. Gegen die Planwidrigkeit spricht zunächst der eindeutige Wortlaut des Gesetzes127. So lässt sich vor allem einwenden, dass der Gesetzgeber, ohne einen numerus clausus der Handlungsformen schaffen zu wollen, mit den §§ 54 ff. VwVfG ausdrücklich nur Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag treffen wollte. Darauf deutet nicht zuletzt auch die Vorschrift des § 9 VwVfG hin. Andererseits sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahrensgesetz den Bereich öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit normieren, in dem die Behörde nach außen handelnd in Erscheinung tritt128. 123

BGH, NJW 2003, 1932, 1933; BGHZ 149, 165, 174; BAG, NJW 2003, 2473,

2475. 124 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 194; Gern, DÖV 1985, 558, 561. 125 BGH, NJW 2003, 1932, 1933; BGHZ 105, 140, 143; BGHZ 110, 183, 193; BGHZ 120, 239, 252. 126 Vgl. BAG, NJW 2003, 2473, 2475. 127 Im Ergebnis gegen eine Analogie: Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 22; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 6, 15 ff.; Hill, DÖV 1987, 885, 892; Offengelassen: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 197; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937.

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Dazu gehören jedoch, mit gewissen Einschränkungen, auch solche Handlungsweisen, die sich außerhalb der ausdrücklich geregelten Formen Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlicher Vertrag bewegen. Diesbezüglich aber lässt sich weder dem Gesetz, noch den einschlägigen Gesetzesmaterialien entnehmen, ob der Gesetzgeber trotz Kenntnis dieser Problematik das VwVfG dennoch als abschließend ansah. Für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke spricht grundsätzlich der Regelungszweck der §§ 54 ff. VwVfG. Bereits während der Diskussionsphase im Vorfeld des Erlasses des Verwaltungsverfahrensgesetzes sah sich der Gesetzgeber den umfangreichen Problemen gegenüber, die die Anerkennung des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit sich brachte. Man erkannte, dass die Regelungen des VwVfG eines Teils der ihnen zugedachten Wirkungen beraubt würden, „wenn der Verwaltung die Möglichkeit bliebe, sich diesen Regelungen durch ein Ausweichen in den [.] öffentlich-rechtlichen Vertrag zu entziehen“129. Die Aufnahme des Vertrags in das VwVfG folgte letztlich aus nahezu zwingenden rechtsstaatlichen Erfordernissen heraus. Nichts anderes aber gilt für die informelle Absprache, deren Existenz bereits im Zeitpunkt des Erlasses des VwVfG bekannt war, die jedoch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt in das Blickfeld der wissenschaftlichen Diskussion rückte. Die Besonderheit des öffentlich-rechtlichen Vertrags liegt ebenso wie jene der informellen öffentlichrechtlichen Absprache in der Tatsache begründet, dass die handelnde Behörde den Weg des einseitigen rechtsverbindlichen Handelns verlässt und stattdessen mittels Kooperation versucht, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Den spezifischen Gefahren, die aus der Anerkennung kooperativen Handelns erwachsen, wurde durch die gesetzliche Regelung und Ausgestaltung im Rahmen der §§ 54 ff. VwVfG in erheblichem Maße Rechnung getragen. Diese Gefahren sind jedoch im Rahmen der informellen Absprache keine grundsätzlich anderen, vielmehr dürften sie in ihrer Intensität sogar noch weitaus stärker sein als beim Vertrag. Es kann nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die Möglichkeit der Unterwanderung des VwVfG durch den Vertrag ausschließen zu wollen, gleichzeitig aber sehenden Auges die Verwirklichung dieser Gefahren durch Absprachen zuzulassen. Da der Gesetzgeber durch die Vertragsvorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes der grundgesetzlichen Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und Rechtssicherheit nachgekommen ist und diese Grundsätze einer genauen Ausgestaltung zugeführt hat, darf auch die Absprache nicht unter den Standard des VwVfG fallen130. Mag die Absprache auch nur faktische Wirkungen erzeugen, so darf sich die Verwaltung dennoch nicht zu etwas verpflichten, 128 Vgl. schon Regierungsentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1970, BTDrucks. 6/1173, S. 35. 129 So ausdrücklich: RegE 1970, BT-Drucks. 6/1173, S. 61.

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wozu sie im Rahmen eines Vertrags nicht befugt wäre131. Abgesehen von Art. 20 Abs. 3 GG wäre dies auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes mehr als bedenklich, so dass allein aus diesem Grunde das Vorliegen einer planwidrigen und ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke angenommen werden kann. Die Voraussetzungen eines Analogieschlusses zu den §§ 54 ff. VwVfG sind damit jedenfalls im Grundsatz erfüllt. c) Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips sowie (damit zusammenhängend) dem allgemeinen Gleichheitssatz eine analoge Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG möglich und geboten ist132. Das bedeutet jedoch keineswegs die vorbehaltlose Übertragung des Vertragsrechts auf die informelle Absprache, da deren generelle Verrechtlichung den Besonderheiten der Informalität nicht in ausreichendem Maße Rechnung tragen würde. Dabei gilt es insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Partner gerade nicht dem Regime des Vertragsrechts ieS. unterwerfen wollten133, um sich somit ein hohes Maß an Flexibilität und Handlungsspielraum zu erhalten. Die pauschale Gleichstellung von Absprache und Vertrag würde diesen im Ergebnis aber nahezu überflüssig machen. Daher müssen insbesondere solche Vorschriften von einer analogen Anwendung ausgeschlossen bleiben, die nicht mit dem Grundsatz der rechtlichen Unverbindlichkeit der informellen Absprache vereinbar sind. Besonderer Berücksichtigung bedarf es zudem auch des Umstands, dass (normersetzende) Absprachen hinsichtlich ihrer Form zwar dem Vertrag, hinsichtlich ihres Inhalts aber durchaus eben auch einer Rechtsnorm sehr nahe kommen (können)134. Eine generelle und umfassende Analogie ist somit abzulehnen135. Vielmehr ist im Folgenden für jede Vorschrift gesondert zu prüfen, inwieweit die darin niedergelegten Grundsätze auf informelle Absprachen übertragbar sind oder nicht136. 130 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243. 131 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1199. 132 So im Ergebnis auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 120, 450 ff.; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 244; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 131; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 224; Jarass, DVBl 1985, 193, 198; Scherer, DÖV 1991, 1, 5. 133 Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 159. 134 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029. 135 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 245; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1199.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

2. § 54 VwVfG analog? Zunächst gilt es zu klären, inwieweit die Vorschrift des § 54 VwVfG im Wege der Analogie auch auf informelle Absprachen Anwendung finden kann. Durch § 54 S. 1 VwVfG wird die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge im allgemeinen geregelt137. Danach darf die Verwaltung durch (öffentlich-rechtlichen) Vertrag handeln, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Der Gesetzgeber hat somit die frühere Streitfrage hinsichtlich des Erfordernisses einer rechtsnormativen Ermächtigung dahingehend entschieden, dass es keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedarf138, sofern kein Vertragsformverbot besteht (Ermächtigungs- und Zulassungstheorie)139. Letztlich trägt § 54 VwVfG damit aber auch der Forderung der sog. normativen Ermächtigungslehre Rechnung, nach der für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags eine ausdrückliche normative Ermächtigung bestehen muss140. Eine weitergehende Ermächtigung schließlich soll im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verträgen entbehrlich sein, da diese aufgrund des Einvernehmens zwischen Behörde und Privatem keinen über den Inhalt der Vereinbarung hinausgehenden Eingriffsgehalt aufweisen würden141. Soweit gemäß § 54 S. 1 VwVfG Rechtsvorschriften den öffentlich-rechtlichen Vertrag als Handlungsform ausschließen, trifft dies zwar auch auf informelle Absprachen zu. Dies folgt aber bereits uneingeschränkt aus dem allgemeinen Vorrang des Gesetzes142. Einer analogen Anwendung bedarf es daher we136 Mangels hinreichender Bestimmtheit und fehlender allgemeingültiger Aussagekraft abzulehnen ist dabei die Ansicht von Körner, Informelles Handeln im Umweltrecht, 2000, S. 159, der nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls prüfen will, ob eine analoge Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG in Betracht zu ziehen sei. Dabei sollen Umstände wie Öffentlichkeits- oder Drittbetroffenenbezug, sowie Droh- oder Tauschpotential der an der Absprache beteiligten Parteien in die Beurteilung im Rahmen einer Gesamtwürdigung Eingang finden. 137 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 1. 138 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 54, Rz. 1, 14; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 380; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 23. 139 BVerwGE 84, 236, 240; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 92; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 380; ders., DVBl 1989, 798, 802; Götz, JuS 1970, 1, 2; Vgl. auch: Begr. RegE 1973, BT-Drucks. 7/910, S. 78. 140 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 23; Stern, VerwArch 49 (1958), 106, 131 ff.; AA. dagegen wohl: Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 66; Vgl. ebenso: BVerfGE 61, 82, 111; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19, VI, Rz. 185 ff.; v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 201, 207. 141 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 24 ff.; Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 66; Maurer, DVBl 1989, 798, 804; Scherzberg, JuS 1992, 205, 208.

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nigstens diesbezüglich nicht, da ein weitergehender oder konkretisierender Erklärungsgehalt hierdurch nicht gewonnen würde. Hinsichtlich der Ermächtigungsfunktion dieser Vorschrift aber stößt ihre Übertragung auf informelle Absprachen im Wege der Analogie vor allem unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auf erhebliche Bedenken. Durch den Vorbehalt des Gesetzes darf die Exekutive nicht von sich aus tätig werden, sondern bedarf einer besonderen Ermächtigung des Gesetzgebers143. Die Grundsätze des Rechtsstaates erfordern es dabei zugleich, dass diese Ermächtigung der Exekutive zur Vornahme belastender, d.h. in die Rechtsposition des Bürgers eingreifender Handlungen durch das ermächtigende Gesetz nach Gegenstand, Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein müssen144. Damit korrespondiert das zur Handlungsfreiheit des Einzelnen gehörende Recht, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind145. Diese Verfassungsgrundsätze gelten allgemein146 und finden somit jedenfalls im Grundsatz auch auf informelle Absprachen Anwendung. Die analoge Anwendung einer Ermächtigungsnorm würde jenen Grundsätzen jedoch zuwiderlaufen. Das unvollständige, da lückenhafte Gesetz ist in derartigen Fällen nicht in der Lage, eine Ermächtigung der Exekutive in gegenständlicher und inhaltlicher Hinsicht sowie hinsichtlich Zweck und Ausmaß zu begrenzen. Unvollständige Gesetze können somit nicht dem Vorbehalt des Gesetzes genügen, sondern widersprechen diesem vielmehr147. Ein hoheitlicher Eingriff kann daher nicht im Wege der analogen Anwendung einer Vorschrift gerechtfertigt werden148. Eine abweichende Beurteilung ließe sich allenfalls für den Fall rechtfertigen, dass die durch die Absprache betroffene Materie bzw. das ihrer Erfüllung dienende Verhalten in einem engen Sach- und Regelungszusammenhang mit der analog anzuwendenden Norm steht. Wenn auch nicht hinsichtlich der Folgen, durchaus aber in ihrer Ausgangsituation ist diese Problematik mit jener der ungeschriebenen Gesetzgebungszuständigkeiten vergleichbar149. Derartigen Erfordernissen aber wird die weite Generalermächtigung des 142

Vgl. Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6. Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, II, Rz. 85. 144 BVerfGE 8, 274, 325 = NJW 1959, 475; BVerfGE 13, 153, 160; 52, 1, 41 = NJW 1980, 985. 145 BVerfGE 42, 20, 27. 146 BVerfG, NJW 1996, 3146. 147 Konzak, NVwZ 1997, 872, 873; Anders dagegen: Gern, NVwZ 1995, 1145, 1147 ff.; ders., DÖV 1985, 558 ff.; Differenzierend: Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 167. 148 Hierzu: BVerfG, NJW 1996, 3146 = NVwZ 1997, 53 L; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873; Gusy, DÖV 1992, 461, 464; Im Steuerrecht: BFHE 127, 243, 247; BFHE 121, 572, 575 (unzulässige Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen); Offerhaus, BB 1984, 993 ff. 149 Vgl. dazu: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 70, VII, Rz. 45 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 676 ff.; Bullin143

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

§ 54 VwVfG jedenfalls nicht gerecht. Da hierdurch das Erfordernis einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage verneint wird, würde sich eine analoge Anwendung gegenüber dem Bürger im Ergebnis freiheitsbeschränkend, nicht aber freiheitserweiternd darstellen. Eine derartige Analogie ist daher aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts abzulehnen150. Dagegen ließe sich jedoch einwenden, dass der Gesetzesvorbehalt aufgrund der Freiwilligkeit des Privaten ohnehin nicht ausgelöst wird, so dass es einer spezielleren Ermächtigungsgrundlage aus diesem Grunde nicht bedarf. Fraglich ist aber, ob derartige Einwände tatsächlich durchgreifen können. Augenscheinlich wird die Problematik zunächst darin, dass die Verneinung jeglichen Eingriffscharakters die von der Absprache unter Umständen ausgehenden mittelbaren Wirkungen und somit die Möglichkeit eines faktischen Eingriffs gänzlich unberücksichtigt lässt. Zusätzliche Fragen und damit erhöhter Erklärungsbedarf werden zudem dann aufgeworfen, wenn sich der Private nicht freiwillig auf die Absprache einlässt. Problematisch wäre die analoge Anwendung des § 54 VwVfG schließlich aber auch hinsichtlich der demokratischen Komponente des Gesetzesvorbehalts151. Nach der von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägten Wesentlichkeitstheorie ist der Gesetzgeber verpflichtet, „losgelöst vom Merkmal des Eingriffs in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“152. Eine Analogie ist daher jedenfalls dann nicht zulässig, wenn zur Regelung eines Lebenssachverhaltes ein förmliches Gesetz erforderlich ist153. Die Beurteilung der Frage der Wesentlichkeit bedarf insbesondere im Bereich der normersetzenden Absprachen der ausführlichen Betrachtung im Einzelfall154. Zusammenhängend mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt daraus zugleich aber auch, dass die Schaffung von Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegt, nicht aber der Exekutive oder der Judikative. Durch eine analoge Anwendung bestehender Ermächtigungsgrundlagen auf bisher ungeregelte Sachverhalte wird jedenfalls der erforderliche demokratische Legitimationswert nicht er-

ger, AöR 96 (1971), 237 ff.; Achterberg, DÖV 1966, 695 ff.; Kölble, DÖV 1963, 669 (hinsichtlich Verwaltungszuständigkeiten). 150 Ist die Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags im Einzelfall gemäß § 54 VwVfG zulässig, so kann hieraus auch nicht zwangsläufig der Schluss die Zulässigkeit der Absprache gezogen werden, da diese hinsichtlich des Vertrags kein minus darstellt, sondern vielmehr aliud ist. 151 Konzak, NVwZ 1997, 872, 873; Vgl. Grewlich, DÖV 1998, 54, 59. 152 BVerfGE 49, 89, 126; Allgemein: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 81. 153 Gern, DÖV 1985, 558, 562. 154 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 237.

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reicht155. Dies gilt umso mehr, wenn die anzuwendende Norm sehr weit gefasst ist, wie dies auch bei § 54 VwVfG der Fall ist. Einschränkend hält Gern eine Analogie in diesem Bereich zwar nicht per se, wohl aber dann für unzulässig, wenn völlig neue, in ihrem Kernbereich ungeregelte Sachverhalte, unter bestehende Tatbestände gefasst werden156. Eine zulässige Analogie setze zudem voraus, dass „die auszufüllende Norm die Tatbestände für Eingriffsmöglichkeiten selbst ausdrücklich und grundsätzlich festlegt“157. Handhabbare Kriterien, wo die Grenzen einer zulässigen Analogie zu ziehen sind, vermag dieser Ansatz jedoch nur partiell zu vermitteln. Zudem dürfte danach das Erfordernis einer Analogie wohl in der Mehrzahl der Fälle entfallen, da bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen das entsprechende Gesetz bereits im Wege der Auslegung auf den (vermeintlich) nicht geregelten Sachverhalt Anwendung findet. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Übertragung der weit gefassten Generalermächtigung in § 54 VwVfG auf informelle Absprachen die Grenzen einer zulässigen Analogie überschreiten würde158. Mit dieser Feststellung ist grundsätzlich keine Aussage dahingehend verbunden, ob und inwieweit für das Handeln durch Absprache überhaupt eine Ermächtigung erforderlich ist und woraus sich erforderlichenfalls eine solche ergeben könnte. Diese Frage soll vielmehr im Rahmen des 6. Kapitels thematisiert werden159. Die Heranziehung von § 54 VwVfG im Wege der analogen Anwendung ist jedenfalls ausgeschlossen. 3. Vergleichsabsprache, § 55 VwVfG analog? Bei der Beurteilung eines Sachverhalts bestehen häufig Unsicherheiten sowohl über entscheidungserhebliche Tatsachen als auch über die konkrete Norminterpretation. Um diese Unsicherheiten zu überwinden, zugleich aber zu einer Entscheidung in der Sache gelangen zu können, steht den Beteiligten die Möglichkeit zur Verfügung, einen Vergleich im Wege des öffentlich-rechtlichen Vertrags zu schließen. Als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze ist dafür gemäß § 55 VwVfG Voraussetzung, dass bei verständiger Würdigung eine Ungewissheit über den Sachverhalt oder die Rechtslage besteht und die Behörde den Abschluss eines Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen 155

BVerfG, NVwZ 1997, 3146; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. Gern, DÖV 1985, 558, 562. 157 Gern, DÖV 1985, 558, 563. 158 Anders dagegen, wenngleich ohne nähere Begründung: Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362. 159 Vgl. dazu: Kapitel 6: E. I. „Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage?“. 156

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für zweckmäßig hält. Eine Ungewissheit im Sinne der Vorschrift ist dann anzunehmen, wenn eine Aufklärung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände unmöglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Damit aber ist es möglich, durch den Vergleichsvertrag zwischen den Beteiligten solche Pflichten zu begründen, die mit der Gesetzeslage nicht vollständig übereinstimmen. Durch die dem Vergleich dadurch innewohnende (potentielle) Gesetzesinkongruenz160 ist dieser grundsätzlich in gesteigertem Maße anfällig für Gesetzesdurchbrechungen oder Umgehungen161, so dass insbesondere an die Annahme einer Ungewissheit über die Rechtslage strenge Anforderungen zu stellen sind. Letztlich aber ist die Vorschrift des §§ 55 VwVfG verfassungsrechtlich unbedenklich162. Ebenso wie durch Vertrag muss im Ergebnis aber auch die Möglichkeit bestehen, mittels informeller Absprache einen „Vergleich“ zu schließen. Letztlich resultiert dies aus folgender Erwägung: Ist ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag im Einzelfall zulässig, so liegt dessen Abschluss grundsätzlich im Rahmen des Ermessens der handelnden Behörde. Dieses Ermessen reicht dabei aber regelmäßig von völliger Untätigkeit bis zum Erlass eines VA oder öffentlichrechtlichen Vertrags163. Die informelle Absprache liegt aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit auf der Schnittstelle zwischen diesen Handlungsalternativen, wenngleich sie sich zum Vertrag oder Verwaltungsakt nicht als minus, sondern vielmehr als aliud darstellt. Da aber wie gesehen die geltende Rechtsordnung kein allgemeines Verbot informeller Absprachen beinhaltet, ist auch gegen die Existenz einer informellen Vergleichsabsprache nichts einzuwenden. Damit erhalten sowohl die handelnde Behörde als auch der beteiligte Private die Möglichkeit, sich rechtsunverbindlich auf eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtslage zu einigen, ohne sich zugleich den Handlungsspielraum für künftiges Verhalten einzuschränken164. Zugleich müssen aber die Regelungen des § 55 VwVfG auch auf informelle Absprachen übertragen werden, da andernfalls durch bloßes Ausweichen in die Informalität die Gefahr einer Unterwanderung der darin niedergelegten Sicherungsmechanismen bestünde. Hinsichtlich 160 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 33 f.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 486; Ähnlich: BVerwGE 49, 364; 84, 157; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 55, Rz. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 55, Rz. 1; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 55, Rz. 6; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 214. 161 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 486 f.; Erfmeyer, DVBl 1998, 753, 754 ff.; Götz, JuS 1970, 1, 6; Degenhart, NVwZ 1982, 71, 73. 162 BVerwGE 49, 364; 84, 157, 162; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 55, Rz. 3. 163 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 233. 164 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 139.

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des Vorliegens der für die Analogie erforderlichen Voraussetzungen kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden, so dass im Ergebnis § 55 VwVfG auch auf informelle Absprachen Anwendung findet165. Nicht unproblematisch ist dabei allerdings der Umstand, dass dieser Vorschrift neben einer begrenzenden auch eine ermächtigende Funktion hinsichtlich des Handlungsspielraums der Behörde innewohnt166. Aus diesem Grunde würde es zunächst nahe liegen, die analoge Anwendung des § 55 VwVfG aus den gleichen Gründen abzulehnen, die auch schon zum Ausschluss von § 54 VwVfG geführt haben. Indes ist dieser Schluss nur scheinbar, da beide Vorschriften aufgrund ihres Regelungscharakters und -inhalts nicht vergleichbar sind. Während für den öffentlich-rechtlichen Vertrag § 54 VwVfG die Frage beantwortet, wann ein solcher zulässig ist, enthält § 55 VwVfG Regelungen hinsichtlich der materiellen Gestaltung des Vertrags167. Von § 55 VwVfG bleibt daher grundsätzlich die Frage unberührt, ob ein Vertrag (bzw. eine Absprache) als solche zulässig ist und ob der handelnden Behörde im konkreten Fall überhaupt Dispositionsbefugnis über den konkreten Sachverhalt zukommt168. Die Ermächtigungsproblematik in Zusammenhang mit der analogen Anwendung des § 54 VwVfG ist daher nicht mit jener im Rahmen des § 55 VwVfG zu verwechseln, so dass auch dieser Gesichtspunkt einer Analogie nicht entgegen steht. Das mögliche Erfordernis einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage wird hiervon hingegen nicht berührt. Allerdings entsteht durch eine Vergleichabsprache unweigerlich ebenfalls ein Konflikt zwischen den gesetzlichen Sachzielen einerseits und dem Bedürfnis nach Flexibilität und ökonomischem Handeln andererseits. Dieser Konflikt fußt auf dem Umstand, dass der Vergleich letztlich zu einem Verzicht der handelnden Behörde führt, die Sach- und Rechtslage restlos aufzuklären. Die dadurch eintretende Kollision insbesondere mit dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 24 Abs. 1 VwVfG) kann somit jedenfalls nicht grundsätzlich geleugnet werden. Aus diesem Umstand wird teilweise die Unzulässigkeit der informellen Vergleichsabsprache gefolgert, da diese nicht zuletzt auch mit dem Grundsatz der Amtsermittlung in unlösbarem Widerspruch stehe und schließlich die Geset165 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 138 f.; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 166; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 120; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 232 f.; Jarass, DVBl 1985, 193, 198; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 453; Offen: Kunig/ Rublack, Jura 1990, 1, 6; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798. 166 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 485. 167 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 55, Rz. 3; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 385. 168 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 55, Rz. 13 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 33; Vgl.: BayVGH, BayVBl 1979, 750 ff.; BayVGH, BayVBl 1978, 735.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

zesbindung der handelnden Behörde lockere169. Zwar treffe dies auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag zu. Die Wirksamkeit des Vertrages aber folge trotz seiner ihm innewohnenden Gesetzesinkongruenz letztlich aus seiner rechtlichen Verbindlichkeit. Da Absprachen diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllen, könne durch sie folglich auch kein Vergleich geschlossen werden170 . Letztlich können die aufgezeigten Einwände nicht durchgreifen. Zu beachten gilt es nämlich, dass ungeachtet der Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag auch der Gesetzgeber nicht von einer absoluten Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes ausgegangen ist. Vielmehr ist dieser Grundsatz von der handelnden Behörde nur zu beachten, solange ihr diesbezüglicher Verwaltungsaufwand noch sinnvoll eingesetzt werden kann171. Der Behörde obliegt es daher grundsätzlich nicht, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Nachforschungen vorzunehmen. Die dadurch im Hinblick auf den Grundsatz der Verfahrensökonomie unter Umständen eintretende Konfliktlage172 wird für den öffentlich-rechtlichen Vertrag durch § 55 VwVfG dahingehend aufgelöst, dass die Behörde erst dann einen Vergleich schließen darf, wenn sie diesen zur Beseitigung der bestehenden Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält. Die Vergleichsbefugnis beginnt daher letztlich erst dort, wo die Sachverhaltsermittlungspflicht der Behörde im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens endet. Besteht dagegen keine Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage, so ist ein Vergleich von vornherein unzulässig173. Letztlich bewirkt die Regelung des § 55 VwVfG, dass das zuvor aufgezeigte Konfliktpotential unter der Wahrung und Gewährleistung rechtsstaatlicher Sicherungsstandards auf ein Minimum reduziert wird. Die konkrete Ausgestaltung der Vorschrift soll dabei sicherstellen, dass die Behörde nicht jede Ungewissheit zum Anlass nimmt, einen Vergleich zu schließen174. Warum ein Vergleich aber nur dann möglich sein soll, wenn dieser rechtlich verbindlich ist, bleibt fraglich. Wie bereits erläutert, liegt der Vergleichsvertrag in einem Ermessensrahmen, 169 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 212 f.; Widersprüchlich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 240. 170 So im Ergebnis: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 146, 212. 171 P. Stelkens/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 24, Rz. 36; Ähnlich auch: Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 24, Rz. 9 sowie Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 55, Rz. 20 („setzt [.] grundsätzlich nicht voraus, dass alle Möglichkeiten der Aufklärung ausgeschöpft sind“); Erfmeyer, DVBl 1998, 753, 754; Degenhart, NVwZ 1982, 71, 73. 172 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 139. 173 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 55, Rz. 37; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 371; Vgl. auch Erfmeyer, DVBl 1998, 753, 754 f. 174 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 214.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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der von völliger Untätigkeit bis zum Abschluss eines Verwaltungsaktes reicht und somit letztlich auch die informelle Absprache erfasst. Zudem entfalten auch Verwaltungsakt und Vertrag keine für die Beteiligten uneingeschränkte Bindungswirkung, wie die §§ 48, 49 für den Verwaltungsakt bzw. § 62 S. 2 VwVfG iVm. §§ 116 ff. BGB für den Vergleichsvertrag175 zeigen. Zudem wird die Behörde durch den Abschluss einer informellen Vergleichsabsprache auch nicht ihrer Kompetenzen beraubt, da es ihr frei steht, die Vereinbarung jederzeit einseitig aufzukündigen. Die aufgezeigten Konfliktpotentiale, die durch den Abschluss eines Vergleichs entstehen, sind letztlich bei der Absprache keine grundlegend anderen als jene, die durch den Abschluss eines Vertrages auftreten können. Dieses Konfliktpotential wird im Rahmen eines Vertrages jedoch nicht durch dessen Verbindlichkeit, sondern allein durch § 55 VwVfG aufgelöst. Im Ergebnis bestehen gegen die grundsätzliche Zulässigkeit der Vergleichsabsprache keine Bedenken. Dem dadurch ausgelösten Konfliktpotential muss aber durch die analoge Anwendung des § 55 VwVfG begegnet werden, um dessen rechtsstaatliche Sicherungsmechanismen nicht durch das Ausweichen in die Informalität leerlaufen zu lassen. Allgemein gesprochen ist die informelle (öffentlich-rechtliche) Vergleichsabsprache daher dann rechtmäßig, wenn die vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage unmöglich ist oder einen außer Verhältnis zur Bedeutung des Streitgegenstandes stehenden Ermittlungsaufwand für die Behörde erfordert und sonstige Ermessensfehler nicht vorliegen176. 4. Austauschabsprache, § 56 VwVfG analog? Neben der zuvor erörterten grundsätzlichen Möglichkeit des Vergleichsschlusses auf informellem Wege, dienen Absprachen regelmäßig der Verständigung zwischen Behörde und Bürger auf ein bestimmtes künftiges Verhalten, das ebenso in einem positiven Tun, wie auch einem Unterlassen bestehen kann. Durch die Verknüpfung der privaten Leistung mit jener der Behörde besteht zugleich aber auch die reale Gefahr, dass Leistung und Gegenleistung in sachwidriger Weise miteinander verknüpft werden. In diesem Falle könnte die Behörde in besonderem Maße die eigene Leistung als Druckmittel verwenden, so dass sie in die Lage versetzt würde, den Bürger unter Umgehung gesetzlicher Vorschriften zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen. 175 Vgl. Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 62, Rz. 7; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 55, Rz. 65; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 62, Rz. 7; Hartmann, DÖV 1990, 8 ff.; Kluth, NVwZ 1990, 608, 612 ff. 176 So im Ergebnis auch: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 232 f.; 453; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 139 f.; Jarass, DVBl 1985, 193, 198; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 453.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Um einerseits diesen Gefahren zu begegnen, andererseits dem Ausverkauf von Hoheitsrechten vorzubeugen, sieht § 56 VwVfG für öffentlich-rechtliche (Austausch-)Verträge besondere Beschränkungen vor177. Danach darf ein Vertrag (nur) dann geschlossen werden, wenn die Leistung des Privaten für einen bestimmten Zweck vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben dient. Zugleich darf sich die Behörde nicht solche Leistungen zusagen lassen, die den gesamten Umständen nach unangemessen sind oder/und nicht in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Kern der maßgeblich von verfassungsrechtlichen Wertungen geprägten Vorschrift178 ist damit das sogenannte Koppelungsverbot, das seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip179 (in seinen Dimensionen Verhältnismäßigkeitsprinzip180, Rechtsmissbrauch- und Willkürverbot) findet. Das Verbot sachwidriger Koppelung ist dabei ein das gesamte öffentliche Recht durchziehender allgemeiner Rechtsgedanke, der grundsätzlich auch auf informelle Absprachen Anwendung finden muss181. Andernfalls könnte sich die handelnde Behörde im Rahmen einer Absprache unter bewusster Umgehung der gesetzgeberischen Wertungen in § 56 VwVfG Leistungen versprechen lassen, zu deren Empfang sie im Rahmen eines Vertrags nicht berechtigt wäre, etwa, weil sie dem verfolgten Regelungsziel nicht dienlich sind182. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, soll nach Auffassung einiger Autoren die Frage der Anwendbarkeit von § 56 VwVfG hingegen dahingestellt bleiben können, da das Koppelungsverbot ohnehin schon dem Rechtsstaatsprinzip immanent sei183. Dieser Auffassung muss aber aus bekannten Gründen ent177 BVerwGE 42, 331, 336; BVerwG, NVwZ 2000, 1285; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 1; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 28; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 372; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 471; Allesch, DÖV 1988, 103, 107. 178 BVerwG, NVwZ 2000, 1285, 1287; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 2. 179 BVerwG, NJW 1980, 1294; BVerwG, NVwZ 1994, 485, 486; Bonk in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 4; v. Maltzahn, GRUR 1993, 235, 240; Menger, VerwArch 64 (1973), 201, 205 f.; v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 201, 212; Götz, JuS 1970, 1, 5. 180 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 54 ff.; Bleckmann, NVwZ 1990, 601, 606; Dazu auch: BayVGH, NVwZ 1999, 1008, 1010 f. 181 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 237; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 248 f.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 138; ders., VerwArch 75 (1984), 343, 351; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 241 f.; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1199. 182 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 238.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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gegengetreten werden. Es ist nicht einsichtig, informelle Absprachen dem unsicheren Regime von (teilweise) ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen zu unterwerfen, wenn § 56 VwVfG zugleich Regelungen parat hält, die diese Grundsätze in erheblicher Weise formen und konkretisieren. Indem es die allgemeinen Rechtsgrundsätze überformt und modifiziert, wirkt das VwVfG daher letztlich über seinen originären Anwendungsbereich hinaus184. Im Gegensatz zu einem Rückgriff auf allgemeine Grundsätze vermag somit die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetz als „Grundgesetz für die zweite Gewalt“185 in klarer und berechenbarer Weise einen rechtlichen Rahmen auch für informelle Absprachen zu schaffen. Einer Analogie steht schlussendlich auch nicht die der Absprache immanente rechtliche Unverbindlichkeit entgegen, da § 56 VwVfG diesem Grundsatz nicht zuwiderläuft. Mögen informelle Absprachen auch rechtlich unverbindlich sein, so stehen Leistung und Gegenleistung dennoch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zueinander186, da die Beteiligten ein bestimmtes Verhalten ausschließlich in der Erwartung zusagen, dass auch der andere Teil seinerseits die versprochene Leistung erbringt. Die damit verbundenen faktischen Bindungswirkungen führen letztlich aber dazu, dass es für den beteiligten Privaten im Ergebnis wohl von untergeordneter Bedeutung sein dürfte, ob der Leistungsaustausch im Rahmen einer vertraglichen Beziehung oder „lediglich“ auf der Grundlage einer informellen Absprache erfolgt. Wie bereits besprochen, wird die Intensität der durch die Begründung der Leistungsbeziehung hervorgerufenen Gefährdungslage regelmäßig identisch sein. Dieser Gefährdungslage aber wird § 56 VwVfG in hinreichendem Maße gerecht, unabhängig davon, worin diese letztlich ihre Ursache findet. Die Differenzierung danach, ob dem Leistungsaustausch rein faktische oder zugleich auch rechtlichen Wirkungen zugrunde liegen, kann daher kein taugliches Ausschlusskriterium sein. Mangels anderweitiger Regelung muss daher § 56 VwVfG im Wege der Analogie auch auf informelle Absprachen Anwendung finden, soweit nicht der ermächtigende Aspekt der Vorschrift betroffen ist. Materiell-rechtlich gesehen schafft § 56 VwVfG ohnehin keine Ermächtigungsgrundlage für die durch Vertrag bzw. Absprache zugesagte behördliche Leistung. Unabhängig von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift darf die Behörde daher nur solche Leistungen in Aussicht stellen, zu deren Erbringung sie nach dem anzuwendenden materiellen Recht auch zuständig und befugt ist187. 183 So wohl: Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 365; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 238. 184 Heun, DÖV 1989, 1053, 1064; Ähnlich auch: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 409. 185 Häberle, Boorberg-FS, 1977, S. 49. 186 Vgl. dazu auch Kapitel 4: F.IV.4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Von der Anwendbarkeit des § 56 VwVfG unberührt bleibt schließlich auch die Möglichkeit des Privaten, auf eigene Rechtspositionen zu verzichten188. Es ist dann aber eine Frage des Einzelfalls, ob ein solcher Verzicht auch wirksam erklärt werden konnte. Das grundsätzliche Erfordernis der Übertragung der Vorschrift auf informelle Absprachen wird hierdurch jedenfalls nicht erschüttert. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten: Grundsätzlich darf die Behörde im Rahmen der Absprache nur diejenigen Leistungen zusagen, zu deren Erbringung sie nach materiellem Recht auch zuständig und befugt ist189. Im Gegenzug darf sie sich gemäß § 56 Abs. 1 VwVfG analog von dem an der Absprache beteiligten Privaten nur solche Leistungen in Aussicht stellen lassen, für die ein bestimmter Zweck vereinbart wurde und die der Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen. Zudem muss die Leistung gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog den gesamten Umständen nach angemessen sein190 und in sachlichem Zusammenhang mit der Leistung der Behörde stehen. Besteht dagegen auf die behördliche Leistung ein Anspruch des Bürgers, so dürfen nur solche Gegenleistungen vereinbart werden, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 36 VwVfG sein könnten (§ 56 Abs. 2 VwVfG analog). 5. Schriftformgebot, § 57 VwVfG analog? Während öffentlich-rechtliche Verträge gemäß § 57 VwVfG zwingend schriftlich abzuschließen sind, wird im Rahmen informeller Absprachen auf eine Schriftform zumeist verzichtet191. Mögen die hierfür ursächlichen Beweggründe sicherlich vielfältiger Natur sein, so wirft sich jedoch unweigerlich Klärungsbedarf hinsichtlich der Zulässigkeit eines derartigen Vorgehens auf. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob und inwieweit das Schriftformgebot in § 57 VwVfG auch auf informelle Absprachen zu übertragen ist.

187 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 6; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 6; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 26, Rz. 16; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 471. 188 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450. 189 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 25; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 138. 190 Dazu: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 12 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 29; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 359; Vgl. auch: BVerwGE 42, 331, 345; BayVGH, NVwZ 1999, 1008, 1010. 191 Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 444; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 44.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Gegen die analoge Anwendbarkeit spricht zunächst der begriffliche Anschein192, der es wohl paradox anmuten lässt, einer informellen Handlung das Korsett der Form aufzuzwängen. Für die informelle Absprache bliebe jedenfalls aus dieser Sichtweise heraus kein Raum mehr. Bei näherer Betrachtung wird allerdings schnell offenbar, dass es sich dabei eben nur um einen ersten begrifflichen Anschein handelt, mehr jedoch nicht. Unter informellem Handeln wird, wie gesehen, die Gesamtheit aller rechtlich nicht geregelten Handlungen verstanden, die der Staat anstelle oder neben rechtlich geregelten Verfahrenshandlungen oder Rechtsfolgeentscheidungen wählt193 und die zur Herbeiführung des beabsichtigten Erfolges auch in den von der Rechtsordnung bereitgestellten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen hätten erfolgen können194. Mit der Aussage, dass informelle Handlungsweisen sich außerhalb der gesetzlichen normierten Handlungsformen bewegen, ist jedoch keineswegs der zwangsläufige Verzicht auf bestimmte Formerfordernisse verbunden. Umgekehrt müssen auch formelle (weil gesetzlich geregelte) Handlungen nicht zwangsläufig in eine bestimmte Form gekleidet sein, wie § 10 S. 1 VwVfG zeigt. Auch der Verwaltungsakt ist grundsätzlich nicht an eine bestimmte Form gebunden, ohne dass er dadurch sogleich zur informellen Handlung würde. Der Ausgangspunkt der Überlegungen muss daher zunächst in den Funktionen des Schriftformerfordernisses gesucht werden. Nach überwiegender Auffassung wird der Anordnung der Schriftform durch § 57 VwVfG vornehmlich eine doppelte Funktion195 beigemessen: Sie dient danach zum einen der Rechtssicherheit, indem der Abschluss und Inhalt des geschlossenen Vertrags dokumentiert wird (Beweisfunktion). Damit eng zusammenhängend ist die Schriftform zudem der Abschluss- bzw. Inhaltsklarheit zuträglich, um den Vertrag von Vorverhandlungen abzugrenzen bzw. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Einzelnen festzuhalten196. In seiner zweiten Hauptfunktion soll das Schriftformgebot zum anderen den Beteiligten die mit dem Vertrag einzugehenden Bindungen vor Augen führen (Warn- und Übereilungsschutzfunktion)197. 192 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 229; Im Ergebnis: Fluck/ Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232. 193 Dazu Kapitel 3: A. I. 5.: „Informelles Verwaltungshandeln“; Vgl. Bohne, VerwArch 75 (1984) 343, 344; ders., Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 46; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 42; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241 ff.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193 ff. 194 Becker, DÖV 1985, 1003, 1005; Bohne, VerwArch 75 (1984) 343, 344; ders., Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 47. 195 BVerwGE 96, 326, 333; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 57, Rz. 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 382; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 452; Weihrauch, VerwArch 82 (1991), 543, 557 ff.; Herms, BayVBl 1997, 74, 76. 196 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 57, Rz. 4. 197 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 57, Rz. 1; Weihrauch, VerwArch 1991, 543, 558.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Schließlich wird § 57 VwVfG auch eine (vor allem im öffentlichen Interesse bestehende) Offenlegungsfunktion beigemessen198. Aus dieser Offenlegungsfunktion folgert Kunig199, dass § 57 VwVfG auch auf informelle Absprachen anwendbar sein müsse, da es der Gewaltenteilungsgrundsatz gebiete, dass die Legislative die Umsetzung von gesetzgeberischen Entscheidungen nachvollziehen können muss (sog. Transparenzgebot). Nach anderer Auffassung, wenngleich in eine ähnliche Richtung zielend, ist die Einhaltung einer Schriftform geboten, um ausreichenden Schutz für Drittinteressen zu bieten. Ein von der Absprache Drittbetroffener brauche hinsichtlich des Inhalts der getroffenen Vereinbarung hinreichend klare und genaue Informationen, um sich erfolgreich gegen die Umsetzung der Absprache verteidigen zu können200. Um dies zu gewährleisten, müsse letztlich auch die informelle Absprache einem zwingenden Schriftformgebot unterworfen werden. Einzuwenden ist jedoch, dass die angesprochenen Legislativ- und Drittbetroffenenrechte nicht allein durch das Erfordernis einer schriftlichen Fixierung der Vereinbarung effektiv geschützt werden können. Mag eine Vereinbarung auch in Schriftform festgehalten sein, so nützt dies einem Drittbetroffenen wenig, wenn er von der Absprache keine Kenntnis hat. Damit aber bedarf es aus genannten Gründen grundsätzlich nicht der Schriftform, sondern vielmehr der Offenlegung der Absprache. Dies aber ist nicht von § 57 VwVfG umfasst, sondern allein eine Frage, ob und inwieweit generell oder aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls Veröffentlichungs- bzw. Auskunftspflichten der Absprachebeteiligten bestehen201. Hinsichtlich seiner Beweisfunktion dagegen kann die Übertragung des Schriftformgebots auch auf informelle Absprachen durchaus hilfreich sein, da insofern die Interessenlage der Beteiligten durchaus mit jener beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vergleichbar ist. Gleiches scheint zunächst auch hinsichtlich der angesprochenen Warnfunktion zu gelten: Zwar sind Absprachen rechtlich nicht verbindlich, doch können sie hinsichtlich der Intensität 198 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 57, Rz. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 57, Rz. 1; Diese Funktion ließe sich jedoch durchaus auch unter den Aspekt der Beweisfunktion fassen, so im Ergebnis wohl: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 452; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 37. 199 Insofern andeutend: Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 59 f.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8. 200 Für Vorverhandlungen: v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 224; Ähnlich: Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2720; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 229. 201 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 6 unter : D. II. 2. lit. b) „Grundsätzliche Beteiligung des Bundesrats?“ sowie D. II. 3. „Veröffentlichungspflicht?“.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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ihrer Auswirkungen durchaus ein erhebliches Ausmaß für den Einzelnen annehmen. Aus diesem Grunde würde es sachgerecht erscheinen, § 57 VwVfG in analoger Anwendung auf informelle Absprachen zu übertragen202. Mag die Absprache zwar hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit für die Beteiligten dem Vertrag sicher sehr nahe stehen, so muss dennoch differenziert werden, woraus sich diese besondere Gefährdung ergibt. Die dem Vertrag innewohnende Gefährdungslage ergibt sich für die Beteiligten, einmal abgesehen vom Bestehen vorvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten, nicht erst durch den tatsächlichen Austausch der vereinbarten Leistungen, sondern bereits bei Vertragsschluss, da hierdurch einklagbare Ansprüche begründet werden. Ab diesem Zeitpunkt ist es den Beteiligten regelmäßig nicht mehr möglich, den einmal geschlossenen Vertrag einseitig wieder aufzulösen („pacta sunt servanda“). Neben anderen Gesichtspunkten ist es vor allem dieser Umstand, der den Beteiligten durch die Begründung eines Schriftformgebots deutlich vor Augen geführt werden soll. Durch die schriftliche Niederlegung des Vertrags sollen die Beteiligten vor einem übereilten Abschluss gewarnt werden und hinreichend Gelegenheit haben, etwaige Folgen und Risiken abzuschätzen. In verschiedenen gesetzlichen Regelungen wird dieser Gedanke aufgegriffen, indem hinsichtlich des Schriftformmangels ausdrücklich dessen Heilung für den Fall des Vertragsvollzugs vorgesehen ist (vgl. § 311b Abs. 1 BGB), wenngleich diese Möglichkeit im öffentlichen Recht aufgrund der hier gegebenen besonderen Interessenlage nicht besteht. Unter Missachtung des in § 57 VwVfG angeordneten Schriftformgebots geschlossene öffentlich-rechtliche Verträge sind daher gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 VwVfG iVm. § 125 BGB nichtig203. Wie gesehen kann zwar auch bei der öffentlich-rechtlichen Absprache eine erhöhte Gefährdungslage nicht geleugnet werden. Dennoch bedarf es hierbei eines Schriftformerfordernisses im Sinne des § 57 VwVfG (mit der Folge der Unwirksamkeit der Vereinbarung) nicht, da sich die Absprache in einem wesentlichen Punkt vom Vertrag unterscheidet: Sie vermag weder Leistungspflichten auf der einen, noch damit korrespondierende Erfüllungsansprüche auf der anderen Seite zu begründen. Die ihr zugrunde liegende rechtliche Unverbindlichkeit ermöglicht es den Beteiligten zudem, sich anders als beim Vertrag ohne Weiteres zu jeder Zeit von den getroffenen Vereinbarungen lossagen zu können. Damit aber wird zugleich auch die Notwendigkeit obsolet, die Absprachepartner

202

So im Ergebnis auch: Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 57, Rz. 1; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 451; Vgl. Ehlers, JZ 1990, 594, 595; Nach anderer Auffassung soll sich hierbei die Nichtigkeit aus § 125 BGB iVm. § 62 S. 2 VwVfG ergeben: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 57, Rz. 12 (in der gleichen Kommentierung wird unter Rz. 25 allerdings zusätzlich § 59 Abs. 1 VwVfG herangezogen). 203

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

in besonderem Maße zu schützen und vor übereilten Abschlüssen zu bewahren204. Dieses Ergebnis wird schlussendlich auch durch eine Folgenbetrachtung gestützt. Absprachen beruhen auf gegenseitigen Erwartungshaltungen und psychischen Faktoren, nicht aber auf rechtlichen Bindungen. Der ihnen nachfolgende Leistungsaustausch ist somit letztlich abhängig vom Willen des jeweils Leistenden, da ein Zwang im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung nicht besteht. Somit aber passt das Kriterium der Wirksamkeit bei Absprachen (im Gegensatz zu rechtsverbindlichen, d.h. rechtsgestaltenden Rechtsakten) nicht. Würde man nun aber die Geltung des Schriftformgebots annehmen, so änderte dies nichts an den Mechanismen und der Struktur der informellen Absprache: Eine unter Missachtung des Gebots zustande gekommene Absprache wäre dann im Ergebnis zwar „unwirksam“. Den Parteien bliebe es aber unbenommen, den ursprünglich verabredeten Leistungsaustausch dennoch (wiederum auf freiwilliger Basis) zu vollziehen. Insofern besteht nunmehr aber kein Unterschied zur Ausgangssituation, da eine Verpflichtung zur Leistung ohnehin zu keinem Zeitpunkt bestand. Auch hierin verdeutlicht sich somit die Überflüssigkeit der Anwendung eines Schriftformgebots im Rahmen informeller Absprachen. Mag die schriftliche Niederlegung der Vereinbarung schon aus Gründen der Beweisbarkeit mehr als hilfreich zu sein205, einer zwingenden analogen Anwendung des § 57 VwVfG bedarf es jedenfalls nicht. 6. Zustimmung von Dritten und Behörden, § 58 VwVfG analog? Das Misstrauen, das der Verwendung informeller Absprachen noch immer entgegen gebracht wird, beruht zu einem erheblichen Teil auch auf der Gefahr, dass die Rechte und berechtigten Interessen Dritter nicht oder nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt werden206. Hinzu kommt der Umstand, dass die Mitwirkung anderer Behörden in der Praxis oft vernachlässigt wird207. Mögen 204 Hinsichtlich des Entstehens von Schadensersatzansprüchen greift die Warnfunktion des Schriftformgebots aufgrund der Existenz von vorvertraglichen Ansprüchen ohnehin nur in sehr eingeschränktem Maße. 205 Da auch Absprachen in schriftlicher Form geschlossen werden können, ist die verbreitete Ansicht missverständlich, nach der das Schriftformerfordernis Abgrenzungsfunktion von Verträgen zu informellen, rechtlich unverbindlichen Verhaltensweisen zukommen soll, da auch Absprachen in schriftlicher Form geschlossen werden können. Das Erfordernis der Schriftformeinhaltung kann nur bei Vorliegen eines Vertrags bestehen, nicht aber die Erklärungen der Beteiligten als Vertrag qualifizieren. Die Abgrenzung erfolgt allein anhand des Kriteriums des Vorliegens eines Rechtsbindungswillens. Vgl. diesbzgl.: v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 176 f.; Allgemeiner: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 57, Rz. 20; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 37.

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die damit einhergehenden Befürchtungen auch nicht vollkommen unberechtigt sein, so kann dies im Ergebnis jedenfalls nicht zur grundsätzlichen Unzulässigkeit informeller Absprachen führen208. Vielmehr muss nach Lösungen gesucht werden, um dem bestehenden Konflikt zwischen den Rechten und Kompetenzen Dritter einerseits sowie dem Streben der an der Absprache Beteiligten nach Flexibilität und Effektivität andererseits wirksam zu begegnen. Da die aufgezeigten Gefahren grundsätzlich in gleichem Maße auch beim Abschluss öffentlichrechtlicher Verträge bestehen, bietet sich hierfür insbesondere die Übertragung von § 58 VwVfG an, der sowohl die Rechte von privaten Drittbetroffenen (Abs. 1) als auch die Kompetenzen und Befugnisse von Drittbehörden (Abs. 2) zum Gegenstand seiner Regelung hat. Danach wird ein in die Rechte eines Dritten eingreifender Vertrag209 erst dann wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Wird ein Vertrag anstelle eines Verwaltungsakts geschlossen, bei dessen Erlass aufgrund von Rechtsvorschriften die Mitwirkung einer anderen Behörde erforderlich ist, so bedarf es gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG auch im Rahmen des Vertrags der Mitwirkung dieser Behörde in der vorgeschriebenen Form. § 58 VwVfG ist damit Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes, dass keine Verträge zu Lasten Dritter geschlossen werden dürfen210. Dieser Grundsatz gilt allgemein und begrenzt daher nicht nur formelles Handeln des Staates, sondern ist vielmehr auch auf sonstiges (schlichtes) öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln und somit auch auf informelle Handlungen 206 Vgl. P. Stelkens/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 9, Rz. 163; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 70; Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln – Chancen und Risiken, 1990, S. 48; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 33; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 194; Bossong, Die Verwaltung 34 (2001), 145, 150 ff.; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229; Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2721; Henneke, DÖV 1997, 768, 773 f.; Ladeur, VerwArch 86 (1995), 511, 520; Schrader, DÖV 1990, 326, 329 f.; Brohm, DVBl 1994, 133, 138. 207 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 229; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 231; Zur Beeinträchtigung von Verwaltungsverfahrensgrundsätzen vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 156 ff. (hinsichtlich der Vorabzuleitung von Entscheidungsentwürfen). 208 Dazu Kapitel 4: B. „Die Wahl zwischen der formellen und der informellen Handlungsebene“. 209 Zur umstrittenen Frage, ob das Zustimmungserfordernis gemäß § 58 VwVfG auch für Verpflichtungsverträge gilt: BVerwG, BayVBl 1988, 121, 122; OVG Münster, NVwZ 1988, 370, 371; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 58, Rz. 6 mwN.; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 58, Rz. 15; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 26, Rz. 8 mwN.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 383 f.; Redeker, DÖV 1966, 543, 545; Bullinger, DÖV 1977, 812 ff.; Knuth, JuS 1986, 524, 523. 210 BVerwG, DVBl 1993, 434; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 58, Rz. 1; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 58, Rz. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 40; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 383.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

anwendbar211. Im Ergebnis kann es nämlich keine Rolle spielen, ob die Drittbelastung auf der Erzeugung rechtlicher Bindungen beruht oder sich als Folge faktischer Wirkungen darstellt. Andernfalls bestünde nur zu leicht die Möglichkeit, sich durch bloße Flucht in die Informalität bestehenden Mitwirkungserfordernissen zu entziehen oder aber unter Umgehung des § 58 VwVfG drittbelastende Abreden zu treffen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass (wiederum dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vergleichbar) der Dritte im Gegensatz zum Verwaltungsakt keine Möglichkeit hat, unmittelbar gegen die Absprache selbst vorzugehen und die Nachholung einer eventuell unterbliebenen Mitwirkung anderer Behörden nach Abschluss der Vereinbarung häufig kaum mehr sinnvoll wäre212. Namentlich für den Bereich der normersetzenden Absprachen wird jedoch eingewandt, dass es einer analogen Anwendung von § 58 VwVfG nicht bedürfe, da die jeweilige Ermächtigungsgrundlage insbesondere auch Eingriffe in die Rechte Dritter decke213. Abgesehen von der Tatsache, dass damit keine genaue Aussage über eventuell bestehende Mitwirkungsbefugnisse zuständiger weiterer Behörden verbunden ist, vermag diese Auffassung insbesondere deshalb nicht zu überzeugen, da sie das grundsätzliche Verbot von Vereinbarungen zu Lasten Dritter missachtet, ohne dass hierfür zwingende rechtfertigende Gründe ersichtlich wären. Durch die Verneinung eines Beteiligungserfordernisses wird in nicht hinzunehmender Weise in die Rechtssphäre des betroffenen Dritten eingegriffen, da ihm nunmehr keine Möglichkeit offen stünde, auf die Vereinbarung bereits im Vorfeld Einfluss nehmen zu können. Zwar steht ihm gegen rechtlich unzulässige Maßnahmen, die in Erfüllung der Absprache vorgenommen werden, der Rechtsweg offen. Eine dahingehende generelle Verweisung überschreitet jedoch für den Dritten die Grenze der Zumutbarkeit, da für ihn die begründete Gefahr erwachsen würde, durch den Vollzug der Absprache vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Dagegen mag zwar eingewandt werden, dass auch im Falle des Normerlasses derartige Mitwirkungsbefugnisse seitens des Dritten nicht bestehen, so dass demzufolge grundsätzlich von der Situation ausgegangen werden müsste, die bestünde, wenn keine Absprache getroffen, sondern statt dessen das beabsichtigte Gesetz erlassen worden wäre. Bei der Absprache handelt es sich jedoch gerade nicht um eine abstrakt-generelle Regelung, sondern um eine Individualvereinbarung, die aufgrund ihrer Eigenart grundsätzlich in erhöhtem Maße anfällig dafür ist, dass Drittinteressen unbe211 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 58, Rz. 8; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 247; Vgl. diesbezüglich auch: BVerwG, NJW 1988, 662, 663 (§ 58 Abs. 2 VwVfG). 212 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 58, Rz. 1. 213 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034.

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rücksichtigt gelassen werden. Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag, der diesbezüglich ein identisches Gefahrenpotential birgt, wurde den Interessen Dritter durch die Regelung des § 58 VwVfG in hinreichendem Maße Rechnung getragen. Letztlich ist es nicht einsichtig, Vertrag und Absprache hier differenziert zu behandeln, ohne dass dies durch deren jeweilige Eigenart zu begründen wäre. Ohne Not und in rechtsstaatlich bedenklicher Weise würde damit die Möglichkeit eröffnet, durch einfache Flucht in die Informalität und die Schaffung vollendeter Tatsachen Drittinteressen zu unterwandern, die im Falle des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu berücksichtigen gewesen wären. In der Folge würden die §§ 54 ff. VwVfG bedeutungslos. Mangels anderweitiger Regelung ist daher im Ergebnis auch § 58 VwVfG gleichermaßen auf die informelle Absprache anzuwenden214, auch wenn diese dadurch im Einzelfall an Effektivität verlieren mag215. Aufgrund der Eigenart der Absprache bedarf die Vorschrift jedoch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen einer Modifizierung. Während die Nichtbeachtung des Mitwirkungserfordernisses beim Vertrag dazu führt, dass diesem die Wirksamkeit versagt bleibt, kann dies für die Absprache aufgrund ihres unverbindlichen Charakters und der ihr zugrundeliegenden Freiwilligkeit des Leistungsaustausches nicht gelten, da nur rechtsgestaltende, weil rechtsverbindliche Akte wirksam sein können. Im Rahmen informeller Absprachen ist die Vorschrift des § 58 VwVfG daher zwar kein Wirksamkeits-, wohl aber Rechtmäßigkeitskriterium. Die Vorschrift muss daher dergestalt gelesen werden, dass die unterbliebene Mitwirkung von betroffenen Dritten216 bzw. zuständigen Behörden zur Rechtswidrigkeit der Absprache selbst sowie des auf ihrer Grundlage erfolgenden Leistungsaustauschs (jedenfalls hinsichtlich der behördlichen Leistung) führt. Die analoge Anwendung des § 58 VwVfG schließt grundsätzlich nicht die (unter Umständen kumulative) Geltung von gesonderten Mitwirkungsbefugnissen bzw. -erfordernissen aus, die sich im Einzelfall aus spezialgesetzlichen Normen ergeben können. Inwieweit an die Rechtmäßigkeit von normersetzenden Absprachen auch jene formellen Anforderungen zu stellen sind, die für den Fall des Normerlasses gegolten hätten, ist letztlich auch eine Frage der Reichweite 214 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 246 f.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 696 f.; Ähnlich: Henneke, NuR 1991, 267, 275; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1199. 215 Vereinzelt wird daraus in rechtsstaatlich bedenklicher Weise die Entbehrlichkeit der Drittbeteiligung gefolgert. Vgl. dazu: v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 219 f. (für Vorverhandlungen); Hager, Konflikt und Konsens, 2001, 129 f. (andeutungsweise unter Hinweis auf die verringerte Möglichkeit der Abschichtung von Entscheidungsprozessen). 216 Zum Begriff des Betroffenen im Rahmen informeller Absprachen vgl. insbesondere: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 222 ff.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

von § 58 Abs. 2 VwVfG. Von einer weiteren Erörterung wird an dieser Stelle abgesehen und auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des 6. Kapitels verwiesen217. 7. Nichtigkeit der Absprache gemäß § 59 VwVfG analog? Durch die Regelung des § 59 VwVfG wird die Rechtsbeständigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge durchbrochen. Gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag dann nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben. Daneben sieht die abschließende Aufzählung § 59 Abs. 2 VwVfG eine Reihe weiterer Gründe vor, die zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Hinsichtlich der Frage aber, ob und inwieweit § 59 VwVfG im Wege der Analogie auch auf informelle Absprachen anzuwenden ist, wird im Schrifttum noch immer kontrovers diskutiert. Die diesbezüglich vertretenen Ansichten reichen dabei einerseits von einer vollständigen Analogie218 bis zur grundsätzlichen Verneinung der Übertragbarkeit der Vorschrift219 andererseits. Nach einer vermittelnden Auffassung soll § 59 VwVfG zwar auf Tatbestandsseite, nicht aber bezüglich seiner Rechtsfolgen Anwendung finden220. Letztlich muss die Lösung des aufgeworfenen Problems sowohl im Zweck der Vorschrift als auch in den von ihr ausgehenden Wirkungen gesucht werden. Für den rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Vertrag ist die Regelung des § 59 VwVfG das Resultat eines Abwägungsvorgangs zwischen zwei widerstreitenden Interessen. Zunächst ist der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung zu beachten, der es gebietet, jedem rechtswidrigen Vertrag die Wirksamkeit zu versagen. Dieser Grundsatz kollidiert hingegen mit dem Aspekt des Vertrauensschutzes und dem damit zusammenhängenden Grundsatz unbedingter Vertragsverbindlichkeit221. Stünde den Vertragsparteien die Möglichkeit zu, bei jedem Rechtsverstoß die Erbringung der Leistung zu verweigern, so würden die gestalterischen Möglichkeiten des Vertrags gegen null tendieren222. Auf der anderen Seite aber darf die vertragliche Bindung 217

Dazu Kapitel 6: D. II. 2. „Beteiligung anderer Verfassungsorgane?“. So offenbar, jedoch ohne nähere Begründung: Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232 f. 219 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1200. 220 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 358; Ähnlich: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6. 221 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 59, Rz. 1; Beyer, Der öffentlichrechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 52; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 41; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 541; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 269. 218

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nicht zur Aufhebung sämtlicher rechtsstaatlicher Sicherungsmechanismen führen. In Abwägung der kollidierenden Grundsätze und Interessen hat der Gesetzgeber einen Mittelweg eingeschlagen, indem gemäß § 59 VwVfG nur solche Verträge nichtig sind, die an erheblichen Mängeln leiden. Nichtigkeit bedeutet dabei, dass der Vertrag die mit ihm bezweckten Wirkungen nicht erzeugt. Er vermag grundsätzlich keine Leistungspflichten zu begründen, da die Beteiligten nicht an die Vereinbarung gebunden sind223. Es wurde jedoch bereits ausgeführt, dass nur solche Rechtsakte nichtig, d.h. unwirksam sein können, mit denen unmittelbare Rechtsfolgen verbunden sind224. Dies jedoch ist bei informellen Absprachen aufgrund der ihnen zugrundeliegenden rechtlichen Unverbindlichkeit gerade nicht der Fall, so dass § 59 VwVfG auf sie bereits aus diesem Grunde keine Anwendung finden kann225. Die Unfähigkeit der Absprache zur Gestaltung der bestehenden Rechtslage führt damit letztlich dazu, dass sich die rechtliche Beurteilung der Vereinbarung im Kern nicht um die Frage ihrer Wirksamkeit dreht, sondern vielmehr ihrer Wirkungen226. Davon ausgehend ist schließlich die Anwendung des § 59 VwVfG zudem auch entbehrlich. Da die informelle Absprache aufgrund des Parteiwillens nämlich ohnehin nicht bindend sein soll, kann bei ihnen jener ausgleichsbedürftige Konflikt zwischen vertraglicher Bindung („pacta sunt servanda“) und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung schon Kraft Natur der Sache nicht auftreten. Anders als beim öffentlich-rechtlichen Vertrag bedarf es damit aber auch keiner Differenzierung zwischen Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit, so dass die getroffene Absprache grundsätzlich nicht vollzogen werden darf, wenn sie sich im Ergebnis als rechtswidrig erweist. Damit kann festgehalten werden, dass die nicht formbezogenen Nichtigkeitsgründe beim Vertrag im Rahmen informeller Absprachen als Rechtswidrigkeitsgründe zu qualifizieren sind227. Einer Anwendung des § 59 Abs. 2 VwVfG bedarf es hierfür auch hinsichtlich seines Tatbestands nicht228, da sich die Rechts222 So auch Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 52. 223 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 59, Rz. 6; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 42; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 394; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 566. 224 Dazu in diesem Kapitel: C.III.5. „Schriftformgebot, § 57 VwVfG analog?“. 225 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1200; Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 647. 226 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1200. 227 Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6. 228 So aber: Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 358; Ohne nähere Begründung: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

widrigkeit der Absprache entsprechend den zuvor entwickelten Grundsätzen ohnehin bereits aus der analogen Anwendung der jeweiligen Norm bzw. aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus ergibt. Ein darüber hinausgehender Erklärungswert kann jedoch auch durch eine Analogie zu § 59 Abs. 2 VwVfG nicht erzielt werden. Aus den gleichen Erwägungen heraus bedarf es schlussendlich auch einer analogen Anwendung von § 59 Abs. 1 VwVfG nicht. Die Rechtswidrigkeit der Absprache aufgrund von Vorschriften des BGB229 (vgl. etwa § 138 BGB) ergibt sich grundsätzlich unmittelbar aus diesen selbst (gegebenenfalls über die analoge Anwendung von § 62 VwVfG). 8. Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen, § 60 VwVfG analog? Ändern sich die einer Vereinbarung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse, so ist es den Parteien häufig kaum zumutbar, am Erklärten festzuhalten. Für den öffentlichen-rechtlichen Vertrag wird dieser Fall durch die Vorschrift des § 60 VwVfG erfasst, die bereits vor dem In-Kraft-Treten des § 313 Abs. 1 BGB eine positiv-rechtliche Regelung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage enthielt. Als Ausdruck eines Grundsatzes von Verfassungsrang230 kann ein Vertragspartner gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse dann verlangen, wenn ihm ein Festhalten an der Vereinbarung infolge der Änderung der Geschäftsgrundlage nicht zuzumuten ist. Ist schließlich auch die inhaltliche Anpassung unzumutbar oder unmöglich, so kann statt dessen auch die Kündigung des Vertrags erklärt werden. Auf informelle Absprachen hingegen kann § 60 VwVfG keine Anwendung finden, da diese Vorschrift in enger Beziehung zu dem auch für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Grundsatz der strikten Vertragsbindung zu sehen ist. Ändern sich nämlich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse, die für die 229 Zur Problematik der Anwendung des § 134 BGB bei öffentlich-rechtlichen Verträgen: BVerwGE 92, 56, 63; 98, 58, 63; BVerwG, DVBl 1990, 438, 439; BayVGH, BayVBl 1990, 1995, 659; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 59, Rz. 7 ff. mwN.; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 59, Rz. 49 ff. mwN.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 390 ff.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 549 ff.; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 268. 230 BVerfGE 34, 216, 230; BVerwG, NVwZ 1991, 1096; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 60, Rz. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 48; Allgemein zu diesem Problemkreis: Littbarski, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage im öffentlichen Recht, 1982; Köbler, Die „clausula rebus sic stantibus“ als allgemeiner Rechtsgrundsatz, 1991; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 606 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 284 ff.; Groebe, DÖV 1974, 196; Bullinger, DÖV 1977, S. 812, 817 f.; Für die zivilrechtlichen Grundsätze: Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 313, Rz. 29; Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl. 2004, § 313, Rz. 11 ff.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Festsetzung des Abspracheinhalts maßgebend gewesen sind, so besteht für ein gesondertes Kündigungsrecht kein Bedürfnis, da es den Parteien aufgrund der rechtlichen Unverbindlichkeit der Absprache ohnehin unbenommen bleibt, die Erfüllung jederzeit zu verweigern231, ohne dass es hierfür besonderer Voraussetzungen bedürfte. Ähnliches gilt für die Anpassung des Abspracheinhalts. Die Gewährung eines dahingehenden Anspruchs macht selbst unter Berücksichtigung der faktischen Bindungswirkung der Absprache wenig Sinn, da der anderen Seite dennoch die Nichterfüllung der Vereinbarung offen stünde. Ebenso wie der Abschluss der Absprache erfolgt somit eine Anpassung ihres Inhalts an die geänderten Umstände immer freiwillig in beiderseitigem Einvernehmen. 9. § 62 VwVfG analog? Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 VwVfG nichts Abweichendes ergibt, gelten gemäß § 62 S. 1 VwVfG232 für den öffentlich-rechtlichen Vertrag auch die übrigen Vorschriften des VwVfG. Auf informelle Absprachen finden die §§ 54 ff. VwVfG ebenso wie die übrigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes jedoch ohnehin nur partielle Anwendung, so dass diesbezüglich für jede einzelne Norm deren Analogiefähigkeit geprüft werden muss. Einer Anwendung von § 62 S. 1 VwVfG bedarf es damit grundsätzlich nicht, zumal dies auch nicht mit einem zusätzlichen Erkenntniswert verbunden wäre. Anders verhält es sich dagegen hinsichtlich § 62 S. 2 VwVfG, nach dem für öffentlich-rechtliche Verträge ergänzend die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechende Anwendung finden. Zwar ließe sich auch hier die Anwendung von Vorschriften des BGB auf eine unmittelbare Analogie derselbigen zurückführen, so dass die Anwendung von § 62 S. 2 VwVfG gleichermaßen überflüssig wäre. In Fortführung der bisherigen Systematik liegt es jedoch nahe, diese Vorschrift dennoch anzuwenden, um insbesondere auch das Erfordernis von Doppelanalogien zu den Vorschriften des BGB zu vermeiden. Damit gelten analog § 62 S. 2 VwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter Berücksichtigung der Besonderheiten der informellen Absprache entsprechend. Von einer Anwendung sind somit solche Vorschriften des BGB ausgeschlossen, deren Regelungscharakter der Unverbindlichkeit der Absprache zuwider läuft. Aufgrund dieser Tatsache aber ist die Relevanz von § 62 S. 2 VwVfG im Rahmen der rechtlichen Beurteilung informeller Absprachen anders als beim öffentlich-rechtlichen Vertrag wohl eher zu vernachlässigen. Nicht anwendbar (und zudem auch nicht notwendig) sind daher beispielsweise die Regelungen bezüglich von Willenserklärungen (vgl. §§ 116 ff. BGB) sowie hinsichtlich Kündi231

So auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 336 f. § 61 VwVfG ist auf informelle Absprachen mangels Vollstreckbarkeit nicht anwendbar. 232

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

gung und Rücktritt (vgl. §§ 314, 346 BGB). Auch eine Umdeutung gemäß § 140 BGB233 kann grundsätzlich nicht in Betracht kommen und würde im Übrigen auch dem ausdrücklichen Willen der Parteien widersprechen. Wie bereits gesehen, können schließlich auch Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit oder Verzug (vgl. §§ 280 Abs.1, 3, 281 Abs. 1, 283 BGB) nicht bestehen, da eine Verpflichtung zur Erbringung der letztendlich ausgebliebenen Leistung zu keinem Zeitpunkt bestand234. Entsprechend den Ausführungen zu § 59 VwVfG muss zudem auch die Anwendung von § 134 BGB ausscheiden, da Absprachen grundsätzlich nicht nichtig sein können. Auch in inhaltlicher Hinsicht bedarf es der Übertragung des § 134 BGB nicht, da sich die etwaige Rechtswidrigkeit der Absprache aus den entsprechenden Verbotsvorschriften selbst ergibt. Hinsichtlich der Unterwerfung der Absprache unter bestimmte Formerfordernisse sei auf die entsprechenden Ausführungen zu § 57 VwVfG verwiesen. Praktische Bedeutung hat dagegen die entsprechende Anwendung der die culpa in contrahendo regelnden Vorschriften. Gemäß § 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB kann daher im Einzelfall die Haftung eines an der Vereinbarung Beteiligten wegen möglicher Aufklärungspflichtverletzungen begründet werden235. Dabei kann ein unter Umständen bestehendes Mitverschulden der Gegenseite durch die entsprechende Anwendung von § 254 BGB berücksichtigt werden. Auch § 138 BGB ist auf informelle Absprachen anzuwenden, wenngleich dessen Grundsätze regelmäßig durch die Angemessenheitsklausel in § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG Berücksichtigung finden werden bzw. weitgehend darin aufgehen. Die Folge einer gemäß § 62 S. 2 VwVfG iVm. § 138 BGB sittenwidrigen Absprache ist aber aus bekannten Gründen nicht deren Nichtigkeit, sondern die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung, so dass diese nicht vollzogen werden darf.

IV. Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG Neben der partiellen Anwendung des Verwaltungsvertragsrechts ist ergänzend auch die Übertragung des „allgemeinen Teils“ des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 1–34) auf informelle Absprachen zu befürworten. Zwingend ist dies für 233 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: BVerwG, DVBl 1980, 686, 688; OVG Münster, MDR 1957, 442. 234 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 172; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 268; Andeutend auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 452. 235 Dazu Kapitel 4: F. IV.3. „culpa in contrahendo“.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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solche Absprachen, die unselbständiger Teil eines Verwaltungsverfahrens im Sinne des § 9 VwVfG sind. Doch auch für jene Absprachen, die sich außerhalb eines Verwaltungsverfahrens bewegen, kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Mehrfach wurde bereits darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber den Erlass des VwVfG als Erfüllung einer „Forderung des grundgesetzlichen Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit“236 betrachtet hat. Das Verwaltungsverfahrensgesetz konkretisiert somit die in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Bindung der Exekutive an das Recht, gewährleistet unter Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit die Freiheitsrechte des Einzelnen und bietet zugleich Lösungen für den Konflikt mit den Freiheitsrechten Dritter an237. Letztlich würde es in erheblicher Weise dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, aber auch verfassungsrechtlichen Anforderungen zuwiderlaufen, könnte sich die Behörde den ihr auferlegten verfahrensmäßigen Bindungen entledigen238, indem sie in die Informalität ausweicht. Dies wäre nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes mehr als bedenklich. Die im Ergebnis gebotene Gleichbehandlung zwischen Verfahrenshandlungen nach dem VwVfG und informellen Handlungen erfordert somit nicht nur die (partielle) Anwendung der §§ 54 ff. VwVfG, sondern vielmehr auch die Beachtung insbesondere der Teile I und II des VwVfG. Dabei sind jedoch wiederum Eigenart und besonderer Charakter der informellen Absprache zu berücksichtigen, so dass es grundsätzlich auch einer Beurteilung im konkreten Einzelfall bedarf, ob und inwieweit die betreffenden Vorschriften im Wege der Analogie zu übertragen sind. Die Übertragung der Vorschriften des VwVfG soll letztlich informelles Handeln rechtlich erfassen und begrenzen, nicht aber ohne Not allzu sehr dem Zwang einer Formalisierung unterwerfen. a) Analoge Anwendung findet jedenfalls die Vorschrift des § 10 VwVfG, die allgemeine Beurteilungsgrundlage hinsichtlich der Zulässigkeit der Wahl informeller Handlungen ist239. Ebenso begrenzt § 40 VwVfG die Ausübung informellen Handelns240. Zwar gilt die Vorschrift unmittelbar nur für die Ausübung von Ermessen im Rahmen von Verwaltungsakten. Als Ausdruck eines allgemei236 So im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 18.7.1973, BT-Drucks. 7/910, S. 29; Vgl. auch: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Einführung, Rz. 17 ff., 25 ff. 237 P. Stelkens/Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, Einleitung, Rz. 2. 238 Ebenso auch die Ausführungen bei: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243. 239 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 132; Allgemein dazu: Hill, NVwZ 1985, 449 ff. 240 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 136; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 136; Vgl. dazu auch: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 40, Rz. 5 ff., 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40, Rz. 3; Rothkegel, DÖV 1982, 511, 513; Lange, NJW 1992, 1193, 1194.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

nen Rechtsgedankens, nach dem das einer Behörde eingeräumte Ermessen grundsätzlich nicht frei, sondern pflichtgemäß auszuüben ist, muss sie jedoch im Wege der Analogie auch auf solche Verwaltungstätigkeit Anwendung finden, die nicht Verfahren im Sinne des § 9 VwVfG ist. b) Im Rahmen nicht gesetzesersetzender Absprachen kann hinsichtlich der Bestimmung der örtlichen (nicht aber der sachlichen) Zuständigkeit unmittelbar auf § 3 VwVfG zurückgegriffen werden, der aufgrund seiner systematischen Stellung nicht nur für Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG Geltung beansprucht, sondern vielmehr jegliche Form öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit erfasst. c) Gleichgültig, ob Entscheidungen im Rahmen von Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG getroffen werden oder aber der Weg eines informellen Verfahrens beschritten wird, darf in keinem Falle eine persönliche oder sachliche Interessenkollision des Amtswalters bestehen. Die Ausschluss- und Befangenheitsgründe der §§ 20 und 21 VwVfG sind daher als Ausdruck dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch auf informelle Absprachen (analog) anzuwenden241. Dies ist nicht zuletzt auch im Interesse eines effektiven Schutzes von Drittinteressen geboten. d) Zudem erfährt die Zulässigkeit informeller Absprachen durch die Vorschrift des § 22 VwVfG eine Begrenzung242, wonach die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Die Absprache über die Nichteinleitung eines Verfahrens ist somit dann unzulässig, wenn die Behörde gemäß § 22 S. 2 Nr. 1, 1. Alt. VwVfG von Amts wegen tätig werden muss. Gleiches gilt dann, wenn der Bürger einen Antrag gestellt hat (§ 22 S. 2 Nr. 1, 2. Alt. VwVfG), wobei in der Beteiligung an der Absprache regelmäßig eine Rücknahme des Antrags gesehen werden kann (vgl. § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG). Weiterhin gilt es § 24 VwVfG zu berücksichtigen. Daher kann sich die Verwaltung ebenso wenig wie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verträge den ihr durch § 24 Abs. 1 und 2 VwVfG auferlegten Untersuchungspflichten entziehen243. Auch das durch § 29 VwVfG gewährte Recht auf Akteneinsicht ist als 241 Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 20, Rz. 21, § 21, Rz. 1; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 136; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 248; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 151 (hinsichtlich Vorverhandlungen); ders., VerwArch 75 (1984), 343, 351; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1199; Scheuing, NVwZ 1982, 487, 488; aA.: Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 20, Rz. 5 mwN.; Vgl. auch: OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142, 1146 f. 242 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 133. 243 Vgl. auch: Holoubek in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 2002, S. 207 f.; Zum damit zusammenhängenden Problem der informellen Vergleichsabsprache vgl. Kautz, Absprachen

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auf informelle Absprachen sinngemäß analog anzuwenden244. Gleiches gilt für den Anspruch der Beteiligten auf Geheimhaltung gemäß § 30 VwVfG245. e) Durch § 13 VwVfG schließlich werden Festlegungen hinsichtlich der Frage getroffen, wer Beteiligter an einem Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG ist. Für die informelle Absprache hingegen wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung dieser Vorschrift teilweise unter dem Hinweis verneint, dass es hier an einer für die Analogie erforderlichen Regelungslücke fehle246. So habe der Gesetzgeber die Geltendmachung bestimmter Verfahrensrechte bewusst von der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens und der damit einhergehenden Festlegung des Verfahrensgegenstandes und der Beteiligten abhängig gemacht. Ohne Einleitung eines Verfahrens aber seien die Beteiligten kaum bestimmbar247. Indes kann diese Argumentation kaum zutreffend sein. Richtig ist zwar, dass im Rahmen eines Verwaltungsverfahren die Geltendmachung von Rechten und die Auferlegung von Pflichten von der formalen Stellung als Beteiligter abhängig ist. Wie gezeigt werden konnte, müssen aber bestimmte Verfahrensrechte und -grundsätze, nicht zuletzt bedingt durch rechtsstaatliche Erfordernisse, auch auf informelle Absprachen übertragen werden. Es wäre nun aber widersinnig, könnte das Anwendungsgebot dieser Grundsätze durch die Versagung der (formalen) Beteiligteneigenschaft im Sinne des § 13 VwVfG unterlaufen werden. Überdies ist es kaum einsichtig, weshalb die Bestimmung eines Beteiligten informeller Verfahren anders erfolgen sollte, als desjenigen im Rahmen eines Verfahrens im Sinne von § 9 VwVfG. Als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze248 und nicht zuletzt auch von Praktikabilitätserwägungen getragen, wird daher die analoge Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG sowie § 13 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 VwVfG ausdrücklich befürwortet249. im Verwaltungsrecht, 2002, S. 212 sowie in diesem Kapitel: C. III.3. „Vergleichsabsprache, § 55 VwVfG analog?“ . 244 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 224; Vgl. VG Potsdam, LKV 1999, 155; aA.: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 136 f. 245 Im Ergebnis auch: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 30, Rz. 5; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243; Zweifelnd: Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 30, Rz. 6 (unter Hinweis auf BVerwG, MDR 1983, 344). 246 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 137. 247 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 137; Robbers, DÖV 1987, 272, 279. 248 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 13, Rz. 6. 249 So im Ergebnis auch: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243, 246. Vgl. für § 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 133 (hinsichtlich Vorverhandlungen); Ebenso: Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2720; Andeutend: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Keiner Anwendung hingegen bedarf es der in § 11 VwVfG niedergelegten Regelung zur Beteiligungsfähigkeit. Dies mag zwar aufgrund der befürworteten Anwendbarkeit des § 13 VwVfG zunächst widersprüchlich erscheinen. Bei näherem Hinsehen aber erweist sich dieses Ergebnis, auch unter Berücksichtigung der Eigenart informeller Absprachen, als folgerichtig. Zunächst gilt es festzuhalten, dass Beteiligtenstellung im Sinne von § 13 VwVfG und Beteiligungsfähigkeit gemäß § 11 VwVfG weder identisch, noch voneinander abhängig sind250. § 13 VwVfG regelt grundsätzlich nur die formelle Beteiligtenstellung, ohne Aussagen darüber zu treffen, unter welchen Voraussetzungen diese überhaupt eingenommen werden kann. Dagegen wird unter Beteiligungsfähigkeit im Sinne von § 11 VwVfG als subjektive Sachentscheidungsvoraussetzung die Fähigkeit verstanden, als Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten Subjekt eines Verwaltungsverfahrens sein zu können251. Im Rahmen informeller Absprachen aber kommt es nicht darauf an, ob die Beteiligten Träger von Rechten und Pflichten sein können, da der Vereinbarung ohnehin kein verpflichtender Charakter zugrunde liegt, somit weder Rechte noch (primäre) Pflichten begründet werden können. Partner einer Absprache kann daher ohne Rücksicht auf § 11 VwVfG jedermann sein. Dies schließt neben natürlichen und juristischen Personen sowie Behörden auch solche Vereinigungen ein, denen ein Recht nicht zustehen kann. Auch § 12 VwVfG findet auf informelle Absprachen grundsätzlich keine Anwendung. Als handlungsfähig im Sinne der Vorschrift gilt, wer in der Lage ist, Verfahrenshandlungen rechtswirksam vornehmen zu können252. Die damit (bei natürlichen Personen) verbundene Anlehnung an die Geschäftsfähigkeit des Handelnden aber ist entbehrlich, wenn lediglich eine Absprache zwischen der Behörde und dem Privaten getroffen wird, da diese kein Rechtsgeschäft, sondern Realakt ist. Mangels rechtlicher Verbindlichkeit desselben bedarf es insofern auch keiner Übertragung der in § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVfG niedergelegten Grundsätze des Minderjährigenschutzes. Dieser muss hingegen (allerdings auf Rechtsfolgenseite) dann Berücksichtigung finden, wenn Haftungsfragen berührt werden, beispielsweise aufgrund unterbliebener oder unzureichender Aufklärung. Diesbezüglich ist eine gewisse natürliche Erkenntnis- und Einsichtsfähigkeit des an der Absprache beteiligten Privaten zu fordern (etwa in analoger Anwendung des § 828 BGB), um diesen im Einzelfall vor der Gefahr gegen ihn gerichteter Schadensersatzforderungen zu bewahren.

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Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 13, Rz. 1. Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 11, Rz. 3; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 11, Rz. 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 11, Rz. 3. 252 Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 12, Rz. 2. 251

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Auch hinsichtlich der Handlungsfähigkeit juristischer Personen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG) sowie von Behörden (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG) ist eine analoge Anwendung der Vorschrift entbehrlich. Die der Absprache zugrunde liegende rechtliche Unverbindlichkeit bedingt es auch hier, dass der Frage ihrer Wirksamkeit keine Relevanz zukommen kann, da von den jeweiligen Erklärungen allein faktische, nicht aber rechtliche Wirkungen ausgehen. Wer aber überhaupt für eine juristische Person oder Behörde handeln darf, bestimmt sich dagegen allein nach materiellem Recht. Dagegen ist § 14 VwVfG als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze auch auf informelle Absprachen sinngemäß analog anzuwenden253, soweit dies nicht deren fehlender Bindungswirkung zuwider läuft. Da die Absprache grundsätzlich keine Willenserklärung beinhaltet, ist in diesem Zusammenhang der Regelungsgegenstand des § 14 nicht die rechtsgeschäftliche Vertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB. Vielmehr muss die Vorschrift allein dahingehend verstanden werden, dass ein an der Absprache Beteiligter die jeweiligen Erklärungen nicht zwingend in eigener Person abzugeben braucht, sondern sich hierfür auch eines beauftragten Dritten bedienen kann. Die §§ 15 ff. VwVfG sind indes aufgrund der Charakteristik der informellen Absprache einer Analogie grundsätzlich nicht zugänglich254. f) Schlussendlich wird eine Übertragung des Anhörungserfordernisses gemäß § 28 VwVfG vorgeschlagen. Ihrem Wortlaut nach gilt die Vorschrift zwar unmittelbar nur für Verwaltungsakte. Als Forderung und notwendige Folge des Rechtsstaatsprinzips ist hingegen die analoge Anwendung von § 28 VwVfG auf alle Rechtseingriffe zu fordern255, sofern diesbezüglich keine spezialgesetzlichen Anhörungsvorschriften existieren. In Zusammenhang mit dem Abschluss informeller Absprachen hingegen bedarf es der analogen Anwendung von § 28 VwVfG dennoch nicht. Unabhängig von der Frage, ob Absprachen überhaupt Eingriffscharakter aufweisen können256, ist die Anhörung des beteiligten Privaten schon aus dem Grunde entbehrlich, weil er an der getroffenen Entscheidung im Wege der Verhandlung 253 Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1, Rz. 280; § 14, Rz. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 14, Rz. 6. 254 Im Einzelnen ist die Übertragbarkeit dieser Vorschriften auf Tätigkeiten, die nicht § 9 VwVfG unterfallen umstritten. Jedenfalls sind sie auch kein Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze. 255 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 28, Rz. 4; Bonk/Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 28, Rz. 25; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 214 f.; Ebenso: Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 243; Vgl. dazu auch: BVerfGE 49, 220, 235; 53, 30, 71 f.; 77, 381, 406; BVerwGE 88, 286, 288; VG Darmstadt, NVwZRR 1990, 104; Leidinger, DÖV 1993, 925, 934. 256 Dazu Kapitel 6: E.VII.2. „Eingriff?“.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

mitgewirkt hat. Durch diese qualifizierte Form der Beteiligung wird den Rechten und rechtlichen Interessen des Einzelnen in weitaus stärkerem Maße Rechnung getragen, als dies durch eine bloße Anhörung gemäß § 28 VwVfG der Fall wäre. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift wäre daher nicht nur überflüssig, sondern aufgrund des konsensualen Charakters der Absprache auch sinnwidrig257. Einer Übertragung von § 28 VwVfG bedarf es auch hinsichtlich der Gewährleistung von Rechten Drittbetroffener nicht, da diesen bereits durch die befürwortete Analogie des Zustimmungserfordernisses gemäß § 58 VwVfG in hinreichendem Maße Rechnung getragen ist.

V. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise können informelle Absprachen bzw. die ihnen nachfolgenden Vollzugshandlungen im Einzelfall auch wettbewerbsbeschränkende Wirkungen aufweisen. Damit wirft sich die Frage auf, inwieweit derartige Vereinbarungen unter dem Gesichtspunkt des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zulässig sind. Mögen die diesbezüglichen Anknüpfungspunkte in der Theorie durchaus vielgestaltig sein, so besteht Klärungsbedarf regelmäßig allein dahingehend, ob die betreffende Absprache ein unzulässiges Kartell im Sinne des GWB darstellt oder nicht. Gemäß § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, sofern sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken258. Wie § 130 Abs. 1 GWB zeigt, sind auch staatliche Aktivitäten grundsätzlich nicht von diesem Verbot ausgenommen, sofern die zu beurteilenden Wettbewerbsbeziehungen privatrechtlich geregelt sind259. Davon ausgehend wären bei uneingeschränkter Geltung des GWB wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen Staat und Unternehmen regelmäßig als Vereinbarung260 im 257 Vgl. Brohm, DVBl 1994, 133, 136; Zur Parallelproblematik bei öffentlich-rechtlichen Verträgen: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 28, Rz. 6; Weides, JA 1984, 648, 649 mwN. 258 Zum Kartellverbot allgemein: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 1 ff.; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001; Höfer, Abgestimmtes Verhalten, 1978; Lukes, Der Kartellvertrag, 1959; K. Schmidt, Kartellverbot und „sonstige Wettbewerbsbeschränkungen“, 1978; Schwarz, Kartellvertrag und sonstige wettbewerbsbeschränkende Verträge, 1984; Baums, ZIP 1998, 233 ff.; Bechtold, NJW 1998, 2769 ff. 259 Dazu: Jungbluth in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 130 Abs. 1, Rz. 38 ff.; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 18 f. mwN. 260 Trotz ihrer Unverbindlichkeit lässt sich die Absprache bereits als Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB und nicht erst als abgestimmte Verhaltensweise erfassen. Für gentlemens agreements: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 88 ff.; Bunte in: Langen/Bunte, Bd. 1, KartR, 9. Aufl. 2001, § 1, Rz. 39 ff.; Em-

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Sinne von § 1 GWB verboten und dürften daher nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 2 ff. GWB vollzogen werden. Einer solchen Sichtweise könnte allerdings (jedenfalls für den Bereich der normersetzenden Absprache) entgegengehalten werden, dass die mit der Vereinbarung verbundene Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs auch im Falle der staatlichen Intervention im Wege einseitig hoheitlichen Handelns eintreten würde. In diesem Bereich aber dürfte die Nichtanwendbarkeit des GWB kaum in Zweifel zu ziehen sein261. Im Ergebnis verwundert es daher kaum, dass die Anwendbarkeit der GWB auf informelle Absprachen stark umstritten ist262. 1. Meinungsstand Einer Auffassung zufolge sollen auch informelle Absprachen grundsätzlich nicht von der Kartellaufsicht ausgenommen bleiben263, wobei regelmäßig die Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung gemäß § 8 GWB befürwortet wird264. Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch die grundsätzlich extensive Anwendung der §§ 2 ff. GWB gefordert265. Nach Ansicht anderer Autoren wiederum muss zwischen der Absprache selbst und den ihr nachfolgenden Vollzugshandlungen unterschieden werden. Demnach soll zwar die Vertikalabsprache zwischen Staat und Unternehmen bzw. Unternehmensverband nicht dem GWB unterfallen266, nachfolgende Vollmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 34; EuG, Slg. 1995, II-791, 830 f. (für Art. 81 Abs. 1 EG); aA. ohne nähere Begründung: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 184 (Einordnung als abgestimmte Verhaltensweise); Beuthien, Kartellverbot und abgestimmtes Verhalten, in: FS für Gunther Hartmann, 1976, S. 60 f.; Vgl. aber auch: BGHZ 55, 104; Andererseits: BGH, GRUR 1962, 479. 261 Vgl. Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694. 262 Vgl. diesbezüglich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 246 ff.; Grewlich, DÖV 1998, 54, 56; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 235; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1028; Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 361 f.; Kaiser, NJW 1971, 585, 588; Schlarmann, NJW 1971, 1394, 1395. 263 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 235; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 972; Scherer, DÖV 1991, 1, 5; v. Maltzahn, GRUR 1993, 235, 240; Für staatliche inspirierte Selbstverpflichtungsabkommen: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 184 ff.; Biedenkopf, BB 1966, 1113, 1118 ff.; Differenzierend: Kloepfer, JZ 1980, 781 ff. 264 Loewenheim/Belke, GWB, § 1, Rz. 91; Kloepfer, JZ 2002, 1117, 1125; ders., JZ 1980, 781, 789; Für Selbstbeschränkungsabkommen vgl. auch die Ausführungen bei: Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 140; Schüssler, NJW 1962, 2275, 2276. 265 Übersicht bei Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694 mwN.; Vgl. Sack, WuW 1970, 395, 403 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 6, Rz. 260; Im Ergebnis ablehnend: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 188 ff.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

zugsakte hingegen schon267. Die differenzierte Betrachtung der einzelnen Stadien der Absprache sei schon deshalb geboten, weil private Ausführungshandlungen grundsätzlich nicht mehr dem öffentlich Recht zugeordnet werden könnten268. Kritische Stimmen wollen gemeinwohlbezogene, aber wettbewerbsrelevante informelle Absprachen gänzlich von der Anwendung des Kartellverbots ausgenommen wissen269. In dem Bemühen, informelle Absprachen der Kartellkontrolle zu entziehen, bedient man sich dabei allerdings vielfältiger Argumentationsansätze. So wird teilweise die Auffassung vertreten, dass Vereinbarungen zwischen Staat und Privaten letztlich nur Formen hoheitlichen Handelns seien, für die das GWB keine Geltung beanspruche270. Daher seien nicht einmal Selbstbeschränkungsabkommen auf horizontaler Ebene dem Kartellverbot unterworfen, weil die hieran beteiligten Unternehmen lediglich an der Vollziehung des öffentlichen Willens mitwirken würden271. Weiterhin wird vorgeschlagen, die Reichweite von § 1 GWB interpretatorisch einzuschränken. Einige Autoren sind diesbezüglich der Ansicht, dass es der Absprache dann an einem wettbewerbsbeschränkenden gemeinsamen Zweck fehle, wenn sie überwiegend öffentlichen Zwecken diene272. In eine ähnliche Richtung tendiert eine Literaturmeinung, die den Tatbestand des § 1 GWB im Wege der Güterabwägung relativieren will273. Die Freistellung 266 Vgl. dazu: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 247 mwN.; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 693 f. mwN.; Wohl andeutend: Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 149 ff. 267 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 6, Rz. 258; ders., JZ 2002, 1117, 1121. 268 Becker, DÖV 1985, 1003, 1009; Oldiges, WiR 1973, 1, 10; aA: Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1028; Grewlich, DÖV 1998, 54, 56 (mit der Begründung, dass der Staat auch auf diese Verhaltensweisen hoheitlichen Einfluss nehme). 269 Schlarmann, NJW 1971, 1394; Kaiser, NJW 1971, 585, 588; Weitgehende Zustimmung: Baudenbacher, JZ 1988, 689, 693 f.; v. Wallenberg, GRUR 1980, 833 ff. 270 Schlarmann, NJW 1971, 1394; Vgl. hierbei auch: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 95. 271 Kaiser, NJW 1971, 585, 588; Im Ergebnis ebenso, jedoch widersprüchlich: Grewlich, DÖV 1998, 54, 56 ff.: Danach soll zwar einerseits das GWB auf informelle Absprachen nicht anwendbar sein, andererseits aber soll die kartellrechtliche Zulässigkeit der Absprache bereits vorab im Rahmen der Verhandlungen zwischen Staat und Wirtschaft sichergestellt werden. Warum aber eine derartige Prüfung zu erfolgen hat, wenn das GWB überhaupt nicht anwendbar ist, bleibt hingegen offen. 272 Vgl. jedenfalls für Selbstbeschränkungsabkommen die Darstellung bei Baudenbacher, JZ 1988, 689, 693 ff.; Weiterhin: v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 504 f.; In diesem Sinne: Lieberknecht/Gnauk, BB 1963, 1067, 1068; Ablehnend: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 310.

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informeller Absprachen vom Kartellverbot würde demnach auf einer Abwägung zwischen wettbewerbsrechtlichen Zielsetzungen einerseits, sowie gesamtwirtschaftlichen, sicherheitsrechtlichen, umweltpolitischen und sonstigen Allgemeininteressen andererseits beruhen274. Mit der Regelungssystematik und dem Wortlaut des GWB ist diese Argumentation indes kaum in Einklang zu bringen275. Auch vor dem Hintergrund der im Zuge der 6. GWB-Novelle erfolgten Einführung des § 7 GWB begegnet diese Auffassung durchgreifenden Bedenken. Gleiches gilt für jenen Ansatz, der mit Hilfe der zuvor erwähnten Interessenabwägung zur Annahme eines außergesetzlichen Rechtfertigungsgrundes des öffentlichen Interesses gelangt276. Danach würden im Ergebnis wettbewerbsbeschränkende informelle Absprachen zwar dem Verbot des § 1 GWB unterfallen, wären jedoch gerechtfertigt. Schließlich wird eine entsprechende Anwendung des Opportunitätsprinzips in § 47 OWiG in Erwägung gezogen277. Dies hätte eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 GWB zwar nicht rechtlicher, sehr wohl aber in faktischer Hinsicht zur Folge. Letztlich aber wirft dieser Ansatz mehr Fragen als Antworten auf278. Zweifelhaft ist insbesondere, inwieweit er überhaupt in der Lage ist, verlässliche Kriterien hinsichtlich der kartellrechtlichen Zulässigkeit

273 Kaiser, NJW 1971, 585, 588; Vgl. BKartA, WuW/E BKartA 145 ff. („Doppelstecker“); BKartA, TB 1976, S. 9, 79 („Zigarettenwerbung“); Ablehnend etwa: BGH, WuW/E DE-R 289, 293; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1, Rz. 213; v. Wallenberg, GRUR 1980, 833, 836; Allgemein: Freitag/Hansen/Markert/ Strauch, Umweltschutz und Wettbewerbsordnung, 1973, S. 70 ff. 274 Dazu: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 305 ff.; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1, Rz. 209 ff.; Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1, Rz. 55 ff.; Kloepfer, JZ 1980, 781, 786; Biedenkopf, BB 1966, 1113, 1116; Vgl. BKartA, WuW/E BKartA, 370 („Handfeuerlöscher“); WuW/E BKartA, 502, 506. 275 Ebenso wenig kann daher Raum für die Entwicklung einer rule of reason bestehen, nach der im Einzelfall zwischen „guten“ und „bösen“ Kartellen unterschieden werden soll. Vgl. BGHZ 137, 297, 311; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 56; Di Fabio, JZ 1997, 969, 974; Kloepfer, JZ 1980, 781, 786; ders. JZ 2002, 1117, 1121; Loewenheim, WuW 1977, 5, 17 f.; Biedenkopf, BB 1966, 1113, 1116, 1118; Zum gemeinschaftsrechtlichen Aspekt: Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2004; § 7, Rz. 56 ff. mwN. 276 Zu diesem Problemkreis: Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 54 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 6, Rz. 258; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 187; Spengler, Über die Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen, 1960, S. 23 ff., 37 ff.; Biedenkopf, BB 1966, 1113, 1117, 1118; Vgl. auch: BKartA, TB 1997/98, S. 43. 277 Dazu: Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 6, Rz. 258; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 190 f.; Griesbach, BB 1962, 1011, 1016. 278 Ähnlich: v. Wallenberg, GRUR 1980, 833, 835.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

informeller Absprachen zu setzen. Eine praktikable Umsetzung ist somit mehr als problematisch und ist kaum ernsthaft in Erwägung zu ziehen. 2. Stellungnahme Die Unsicherheiten, die im Rahmen der kartellrechtlichen Beurteilung informeller Absprachen nach wie vor bestehen, resultieren zu einem erheblichen Teil auch daraus, dass verschiedene Problemkreise in unzulässiger Weise miteinander vermengt werden. Nicht selten wird nämlich entweder überhaupt nicht, oder aber zumindest in nicht hinreichendem Maße zwischen staatlich inspirierten Selbstbeschränkungsabkommen einerseits und Vertikalabsprachen andererseits unterschieden. Eine undifferenzierte Beurteilung beider Handlungsformen ist jedoch aufgrund deren spezifischer Eigenart nicht nur irreführend, sondern im Ergebnis auch sachwidrig. Da sich eine pauschale Lösung somit verbietet, wird man die verschiedenen Formen informeller Absprachen zu unterscheiden haben. Streng voneinander abzugrenzen sind daher die hier interessierenden eigentlichen Vertikalabsprachen von (nachgelagerten) horizontalen (Vollzugs)Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen. Eine dritte Kategorie bilden die staatlich inspirierten Selbstbeschränkungsabkommen. Daneben müssen jedoch auch die äußeren Umstände der Absprache dahingehend berücksichtigt werden, ob die Vereinbarung im Rahmen wirtschaftlicher oder hoheitlicher Aktivitäten des Staates getroffen wurde. a) Vertikalabsprachen im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates Unproblematisch und daher weitgehend unstreitig ist der Fall, in dem der Staat eine Absprache im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung trifft, etwa als Anbieter oder Nachfrager von bestimmten Leistungen. Es konnte bereits festgehalten werden, dass die Vorschriften des GWB grundsätzlich auch auf wirtschaftliche Aktivitäten des Staates anwendbar sind. Dies gilt zunächst unabhängig davon, welcher Rechtsform sich der Staat dabei bedient279 oder welche Zwecke durch ihn verfolgt werden. Ausschlaggebend muss vielmehr sein, ob der Staat im konkreten Einzelfall seine Tätigkeit zulässigerweise im Wettbewerb mit anderen am Markt tätigen Unternehmen entfaltet280. Die dabei in Frage stehenden 279 Vgl. BGH, NJW 2000, 866, 867; BGHZ 36, 91, 103; 65, 147, 149; 110, 371, 380; 119, 93, 101; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 19; ders. in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 130 Abs. 1, Rz. 9; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1, Rz. 22; Schliesky, DVBl 1999, 78, 80 ff.; v. Maltzahn, GRUR 1993, 235, 238, 240; aA. wohl: Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte im Öffentlichen Recht, 1977; Vgl. ebda. S. 66 ff.

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Wettbewerbsbeziehungen müssen jedoch in jedem Falle privatrechtlich geregelt sein. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist letztlich anhand der gegebenen Umstände danach zu beurteilen, ob die staatlichen Leistungen auf dem Markt neben anderen angeboten oder nachgefragt werden und hierfür keine öffentlich-rechtlichen Sonderreglungen eingreifen281. Wird somit eine Absprache im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates getroffen, ist diese bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen grundsätzlich an den Vorgaben des GWB zu messen. b) Vertikalabsprachen im Rahmen hoheitlicher Aktivitäten des Staates Ein anderes Bild ergibt sich dagegen dann, wenn die an der Absprache beteiligte Behörde zur Erreichung eines bestimmten öffentlichen Zwecks handelt und sich hierfür hoheitlicher Mittel bedient. Dies ist insbesondere bei sogenannten wirtschaftslenkenden sowie normersetzenden Absprachen der Fall. Deren Einordnung als hoheitliches Handeln steht dabei nicht etwa der Umstand ihres konsensualen Zustandekommens entgegen. Vielmehr wird der hoheitliche Charakter solcher Vereinbarungen regelmäßig bereits in der Androhung eines möglichen Regelungserlasses sichtbar, da für die in Aussicht gestellte Maßnahme ausschließlich der Staat, nicht aber ein Privatmann Kompetenzen besitzt282. Bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich die Konsequenz, dass Vertikalabsprachen dieser Kategorie grundsätzlich nicht dem GWB unterfallen können, da es aufgrund ihres hoheitlichen Charakters an dem erforderlichen Wettbewerbsverhältnis zwischen Staat und Privatem fehlt283. Von einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 1 GWB kann damit keine Rede mehr sein284, so dass demzufolge der hoheitlich handelnde Staat vom Anwendungsbereich des GWB ausgenommen bleibt. Dies gilt unabhängig davon, welcher Handlungsform sich die Behörde im Einzelfall bei der Bewältigung ihrer Aufgaben bedient. Damit gelten in diesem Zusammenhang auch für informelle Vereinbarungen allein die Maßstäbe des öffentlichen Rechts285. Für die Gruppe der normersetzenden Absprachen erscheint dieses Ergebnis auch vor dem Hinter280

Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 19. Dazu: BGH, NJW 2000, 866, 867 f.; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 19; ders. in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 130 Abs. 1, Rz. 13; Vgl. auch: BVerfGE 53, 30, 71 f.; 77, 381, 406; BVerwGE 88, 286, 288 (Rechtswegeröffnung). 282 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 249. 283 Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694. 284 Vgl. Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 28; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 249; v. Maltzahn, GRUR 1993, 235, 236. 285 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362. 281

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grund folgerichtig, dass die Regelungen des GWB ebenso wenig auf jenes Gesetz Anwendung gefunden hätten, dessen Erlass durch die getroffene Vereinbarung gerade vermieden werden sollte. Dagegen ließe sich jedoch einwenden, dass die Absprache den Erlass eines Gesetzes gerade vermeiden soll. Der Schluss auf eine Gleichbehandlung beider Instrumente erscheint damit aber zunächst nicht zwangsnotwendig. Weitere Bedenken ergeben sich zudem aus dem Umstand, dass durch das gefundene Ergebnis das Kartellverbot gemäß § 1 GWB für beliebige Eingriffe der Ministerialverwaltung zur Disposition stünde286. Bei näherem Hinsehen erweisen sich diese Einwände hier jedoch als nicht stichhaltig. In jedem Falle muss nämlich die Tatsache berücksichtigt werden, dass wettbewerbsbeschränkende Vertikalabsprachen im Rahmen hoheitlicher Aktivitäten in Erfüllung staatlicher Aufgaben getroffen werden. Sie stellen damit wirtschaftslenkende Maßnahmen dar, die allein im öffentlichen Interesse erfolgen. Unzweifelhaft wären solche Maßnahmen nicht am Maßstab des GWB zu messen, würden sie durch Rechtsnormen erfolgen, da dem Kartellrecht keine Kontrollfunktion gegenüber staatlichen Lenkungsmaßnahmen zukommt. Allein die Tatsache, dass sich der Staat im konkreten Fall statt der Rechtsnorm einer informellen Absprache bedient, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht, da es keine Rolle spielen kann, welcher Handlungsform sich der Staat tatsächlich bedient. Insofern steht ihm ein weiter Ermessenspielraum offen. Damit aber wird ein zweiter Aspekt deutlich: Durch die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsnorm werden die Vorschriften des GWB grundsätzlich verdrängt. Auf der Grundlage solcher Ermächtigungsnormen ist es dem Staat jedoch grundsätzlich auch nicht verwehrt, zur Erreichung des beabsichtigten Ergebnisses den informellen Weg zu beschreiten, sofern ihm im Einzelfall ein diesbezügliches Ermessen eingeräumt ist. Dann aber drückt sich die Nichtanwendbarkeit des GWB ebenso für die informelle Absprache in der bestehenden Ermächtigungsnorm aus287. c) Horizontalabsprachen Häufig werden Absprachen zwischen Unternehmen oder Unternehmensverbänden auf staatliche Anregung hin getroffen, ohne dass der Staat unmittelbar an der Vereinbarung beteiligt wäre. Zunächst erscheint es naheliegend, derartige Absprachen generell dem Kartellverbot des § 1 GWB zu unterwerfen, sofern von ihnen wettbewerbsrelevante Wirkungen ausgehen. Indes bedarf es auch hier einer näheren Differenzierung: Solange sich solche Absprachen im nichthoheit286

Vgl. dazu: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1, Rz. 315. Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027 f.; Ähnlich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 250. 287

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lichen Bereich bewegen, ist die Anwendbarkeit des GWB ein Selbstverständnis. Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Vereinbarung zwischen Behörden getätigt wurde. Klärungsbedürftig ist jedoch die Behandlung solcher Vereinbarungen, die zwischen zwei oder mehreren Unternehmen in Vollzug einer Vertikalabsprache getroffen werden, die gemäß den zuvor gewonnenen Erkenntnissen selbst nicht vom Verbot des § 1 GWB erfasst wird. Fragwürdig sind zudem jene Fälle, in denen zwar unmittelbar keine Vertikalvereinbarung getroffen wurde, der Staat jedoch zur Verfolgung hoheitlicher Zwecke auf Abschluss und Inhalt einer Horizontalabsprache (etwa eines Selbstbeschränkungsabkommens) Einfluss nimmt. aa) Horizontalabsprache als Vollzugshandlung einer Vertikalvereinbarung Wie bereits festgehalten werden konnte, sind jene (Vertikal-)Absprachen grundsätzlich nicht vom Kartellverbot des § 1 GWB erfasst, die im Rahmen hoheitlicher Aktivitäten des Staates getroffen werden, auch wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Werden dann in Erfüllung solcher Vereinbarungen weitere (horizontale) Absprachen getätigt oder gleichförmige Verhaltensweisen ausgeübt, so sind diese im Ergebnis ebenfalls nicht am Maßstab des GWB zu messen, sofern sich die fragliche Handlung ausschließlich im Rahmen des Vereinbarten bewegt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Ebenso wie im Rahmen der ursprünglichen Vertikalabsprache dient die nunmehr fragliche Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise nicht dazu, den Beteiligten ihre Marktposition zu erhalten oder zu stärken. Sie handeln nämlich nicht zur Beschränkung des freien Wettbewerbs, sondern vollziehen allein den staatlichen Willen, der auch in Form eines Gesetzes hätte umgesetzt werden können. Insofern kann auf die Ausführungen im Rahmen der Beurteilung von Vertikalabsprachen verwiesen werden. Für die Unanwendbarkeit des GWB spricht zudem die Überlegung, dass es vollkommen sinnwidrig wäre, zwar die Vertikalabsprache als zulässig zu erachten, zugleich aber deren Vollzug wegen Verstoßes gegen das GWB zu verbieten. Nun ist die Vollzugshandlung zwar keineswegs ein bloß unselbständiger Teil der eigentlichen Absprache. Im Ergebnis aber bilden Vertikalabsprache und deren Ausführung eine gedanklich logische Einheit, die es rechtfertigt, beide Ebenen diesbezüglich einer einheitlich rechtlichen Beurteilung zu unterwerfen288. 288 Dagegen sprechen auch nicht die Grundsätze des Abstraktions- bzw. Trennungsprinzips, die aufgrund der Unverbindlichkeit der informellen Absprache und des damit verbundenen nachfolgend freiwilligen Leistungsaustausches ohnehin nur in äußerst begrenztem Rahmen Anwendung zu finden vermögen.

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Andernfalls würde die Vertikalabsprache im Ergebnis leer laufen, so dass wirtschaftslenkenden informellen Maßnahmen jegliche Grundlage entzogen wäre. Schlussendlich hätte die Anwendung des Kartellverbots gemäß § 1 GWB auf die in Frage stehenden Absprachen zur Folge, dass der Bundeswirtschaftsminister unabhängig von einer bestehenden Sachkompetenz die Möglichkeit offen stünde, im Wege der Ministererlaubnis gemäß § 8 GWB über wirtschaftslenkende Maßnahmen anderer Behörden zu entscheiden289. Eine derartige Universalkompetenz ist jedoch kompetenzmäßig nicht vorgesehen. bb) Staatlich inspirierte Horizontalabsprachen Im Gegensatz zur soeben betrachteten Fallgruppe geht staatlich inspirierten Horizontalabsprachen (zumeist in Form von Selbstbeschränkungsabkommen) keine zusätzliche Vereinbarung voraus. Ausgehend von den zuvor gewonnenen Erkenntnissen spricht daher zunächst Einiges für eine uneingeschränkte Anwendung des GWB290. Die hierdurch auftretenden Konflikte ließen sich somit zumeist nur über den Weg der Ministererlaubnis gemäß § 8 GWB lösen. Zweifel an diesem Ergebnis ergeben sich jedoch dann, wenn berücksichtigt wird, dass die Vereinbarung den beteiligten Unternehmen in aller Regel nicht dazu dient, die eigene Marktposition zu erhalten oder zu stärken291. Die Befürworter einer Anwendung des GWB wenden wiederum ein, dass durch den Abschluss eines Selbstbeschränkungsabkommens nicht selten noch weitaus belastendere gesetzliche Regelungen vermieden werden292. Insofern handelten die beteiligten Unternehmen durchaus in eigenem Interesse. Zudem bestehe für sie kein rechtlicher Zwang zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung, so dass demzufolge auch von einem Zwangskartell keine Rede sein könne. Allerdings wird dabei übersehen, dass bei staatlich inspirierten Horizontalabsprachen allein politische Regelungsziele im Vordergrund stehen293. Auch hier vollziehen die beteiligten Unternehmen letztlich keine Vereinbarung zur Beschränkung des freien Wettbewerbs, sondern allein den geäußerten staatlichen Willen. Dieser hätte ohne Weiteres auch mittels Gesetzeserlass zur Geltung gebracht werden können. Dass sich der Staat aber stattdessen für eine subtilere Methode entschieden hat, nämlich die direkte Einwirkung und Beeinflussung 289

Grewlich, DÖV 1998, 54, 57; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1028. Im Ergebnis auch: Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 140; Biedenkopf, BB 1966, 1113, 1119. 291 Vgl. Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 145. 292 Freitag/Hansen/Markert/Strauch, Umweltschutz und Wettbewerbsordnung, 1973, S. 67; Kloepfer, JZ 1980, 781, 785. 293 Ähnlich: Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694. 290

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der Marktteilnehmer auf informellem Wege, ändert nichts an der Qualität der Wettbewerbsbeschränkung als hoheitliche Lenkungsmaßnahme. Wie gesehen, kann es schließlich im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob der gewünschte Lenkungseffekt mittels einseitig hoheitlichen Handelns oder aber auf informellem Wege erreicht werden soll. Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass für die Beteiligten kein rechtlicher Zwang zum Abschluss der Vereinbarung besteht. Mögen derartige Absprachen rechtlich gesehen freiwillig sein, so dürfen keineswegs die tatsächlichen Gegebenheiten verkannt werden: Durch die staatliche Drohung, für den Fall des Scheiterns der Horizontalabsprache eine gleichlautende oder gar verschärfte gesetzliche Regelung zu erlassen, besteht eine faktische Zwangslage, die sich aus Sicht der Beteiligten nicht von der eines rechtlichen Zwangs unterscheidet. Da somit in erheblicher Weise Druck von staatlicher Seite ausgeübt werden kann (und auch wird), sind solche Absprachen nie rein horizontal, so dass der Staat selbst dann noch in Ausübung öffentlicher Gewalt handelt, wenn er sich auf die Rolle des „bloßen“ Initiators beschränkt294. Baudenbacher spricht bei den beschriebenen Vereinbarungen insofern von einem Mischgebilde mit hoheitlicher und kooperativer Komponente295. Auch der bereits erwähnte Einwand, dass durch die Horizontalabsprache lediglich einschneidendere gesetzliche Belastungen abgewendet werden sollen, vermag keine tragfähige Argumentationsgrundlage zu liefern, da er auf einer unzutreffenden Prämisse beruht. Richtig ist zwar, dass die an der Absprache beteiligten Unternehmen nicht selten ihre Wettbewerbsposition gegenüber der Situation verbessern, die infolge des Erlasses der angedrohten gesetzlichen Regelung eintreten würde. Ob aber durch eine konkrete Vereinbarung ein bestimmter Vorteil erlangt wird, muss allein anhand der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt werden. Eine Betrachtung in dem späteren Zeitpunkt des Erlasses der angedrohten gesetzlichen Regelung würde hingegen zu einer sachwidrigen Veränderung der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage führen. Wurde hingegen noch kein Gesetz erlassen, so ist die Horizontalabsprache für die beteiligten Unternehmen regelmäßig belastend, da sie an der in Frage stehenden Wettbewerbsbeschränkung zumeist überhaupt kein Interesse haben. Die Tatsache, dass eine drohende weitergehende Belastung vermindert wird, macht jedoch aus einem negativum noch längst kein positivum. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass Horizontalabsprachen dann nicht vom Anwendungsbereich des GWB erfasst werden, wenn sie aufgrund staatlicher 294 Vgl. auch: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 23, Rz. 39 f. 295 Baudenbacher, JZ 1988, 689, 694 (Allerdings missverständlich, soweit dort offenbar die Begriffe „horizontal“ mit „kooperativ“ sowie „vertikal“ mit „hoheitlich“ gleichgesetzt werden). Vgl. dazu auch: Kaiser, NJW 1971, 585, 586.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Einwirkung im öffentlichen Interesse und nicht lediglich im individuellen Interesse an der Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs erfolgen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das in Frage stehende Verhalten der Unternehmen auf einen dahingehenden expliziten staatlichen Willen zurückzuführen ist. Eine Vereinbarung, die darüber hinausgehende Wettbewerbsbeschränkungen bezweckt oder bewirkt, ist hingegen vorbehaltlos an den Maßstäben des GWB zu messen.

VI. Europarechtliche Vorgaben Informelle Absprachen weisen häufig auch Bezüge zum Recht der Europäischen Gemeinschaften und dessen materiellen Zielvorgaben auf296. Die dabei bestehenden Berührungspunkte sind äußerst vielfältig, so dass sich eine abschließende Aufzählung erübrigt. Von einiger Relevanz wird dabei jedoch regelmäßig die Vereinbarkeit informeller Absprachen mit den Grundfreiheiten des Gemeinsamen Marktes (Art. 28 ff. [ex-Art. 30 ff.] EG, Art. 39 ff. [ex-Art. 48 ff.] EG) sein, sofern ihr Anknüpfungspunkt in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt liegt: Hinsichtlich der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes (vgl. Art. 2 [exArt. 2] EG) und vor dem Hintergrund der damit zusammenhängenden Schaffung eines Binnenmarkts (vgl. Art. 3 [ex-Art. 3] Abs. 1 lit. c; Art. 14 [exArt. 7a] Abs. 2 EG) kommt der Gewährleistung des freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs konstituierende Bedeutung zu297. Beschränkungen dieser vier Grundfreiheiten (zu denen die Zahlungsverkehrsfreiheit als notwendige „Hilfsfreiheit“ hinzutritt298) sind grundsätzlich verboten (vgl. Art. 28 EG), sofern diese nicht vom Anwendungsbereich des EG-Vertrags ausgenommen299 sind oder aber im konkreten Fall aufgrund gesetzlich vorgesehener oder richterrechtlich entwickelter Schranken300 gerechtfertigt werden. Aus 296 Allgemein dazu: Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 245 ff. mwN.; Pernice, EuZW 1992, 139 ff. 297 Vgl. hierzu insbesondere auch: Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rz. 652 mwN.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2004; § 2, Rz. 39 ff. 298 Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 56, Rz. 5; Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rz. 652. 299 Vgl. dazu auch: EuGH, Urteil v. 24.11.1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 – Keck und Mithouard –, Slg. 1993, I-6126, 6131. 300 Vgl. EuGH, Urteil v. 16.5.1979, Rs. 120/78 – Rewe/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein („Cassis de Dijon“) –, Slg. 1979, 649, 662 = NJW 1979, 1766 ff.; EuGH, Urteil v. 26.6.1997, Rs. C-368/95 – Vereinigte Familiapress/Bauer Verlag, Slg. 1997, I-3709, 3713; EuGH, Urteil v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen/Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid –, Slg. 1974, 1299, 1309; Überblick hierzu bei: Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, Rz. 699 ff., 738 ff.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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diesem Grunde haben die einzelnen Nationalstaaten darauf hinzuwirken, den Grundfreiheiten zuwiderlaufende Hindernisse zu beseitigen und die Errichtung neuer Hemmnisse zu unterlassen (vgl. auch Art. 10 [ex-Art. 5] EG). Dies gilt unabhängig davon, welcher Handlungs- oder Rechtsform sich der jeweilige Staat im konkreten Einzelfall bedient. Aus diesem Grunde dürfen auch informelle Absprachen grundsätzlich keine Beschränkungen dieser Freiheiten beinhalten. Vereinbarungen über mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen (oder ähnlich wirkende Maßnahmen, Art. 28 EG) sind somit ebenso unzulässig wie jene Abreden, die im Ergebnis zu Beschränkungen des freien Dienstleistungs-, Personen-, Kapital- oder Zahlungsverkehrs führen, sofern diese nicht im Einzelfall einer Bereichsausnahme unterfallen (etwa Art. 45 [ex-Art. 55] Abs. 1 EG iVm. Art. 55 [ex-Art. 66] EG) oder aber eine Schranke eingreift (z. B. Art. 30 [exArt. 36] EG). Gleichermaßen dürfen informelle Absprachen nicht gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln gemäß Art. 81 ff. [ex-Art. 85 ff.] EG verstoßen, denen in diesem Zusammenhang regelmäßig erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen sein wird. Daher müssen zum einen solche Vereinbarungen, die die Gewährung von Beihilfen an bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige zum Gegenstand haben, den Anforderungen in Art. 87 [ex-Art. 92] EG gerecht werden. Parallel zur bereits erläuterten Problematik im deutschen Kartellrecht stellt sich zum anderen die Frage, inwieweit informelle Absprachen dem Verbot des Art. 81 EG unterfallen. Allgemein wird durch diese Vorschrift die Zulässigkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen geregelt. Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und daher verboten sind gemäß Art. 81 Abs. 1 EG alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Gleichzeitig muss die betreffende Absprache geeignet sein, den Handeln zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen (sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel301). Hierbei gilt ebenso wie im deutschen Recht ein weiter Unternehmensbegriff302, so dass grundsätzlich auch Aktivitäten des Staates vom Verbot des Art. 81 EG erfasst sein können. Allerdings ist die Wirtschaftspolitik im Grundsatz nach wie vor Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsstaaten, so dass nach Auffassung des EuGH die Vorschriften des EG-Vertrags bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen nicht zur Anwendung gelangen303. 301 Dazu: Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 81, Rz. 14; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2004; § 4, Rz. 1 ff.; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 374 ff.; ders., JuS 1990, 695, 697; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 192; Wolf, EuZW 1994, 233. 302 Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 5.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Dies gilt jedenfalls für jene Fälle, in denen der Staat Wirtschaftslenkung durch Gesetze betreibt. Ob die entwickelten Grundsätze auch für unterhalb des Gesetzes angesiedelte Maßnahmen Geltung beanspruchen, wurde dagegen teilweise offen gelassen304. Insofern ist hier auf allgemeine Grundsätze zurückzugreifen. Sofern der Staat wirtschaftlich (auch in hoheitlichen Formen) handelt, unterliegen derartige Aktivitäten ohne Weiteres den Art. 81 ff. EG305. Reine Hoheitsakte werden dagegen von den Wettbewerbsregeln des EGV grundsätzlich nicht erfasst, auch wenn diese wettbewerbsbeschränkende Wirkungen aufweisen306. Dieser Grundsatz erfährt jedoch in zweifacher Hinsicht eine Einschränkung. Erstens sind an die Qualifikation eines Hoheitsakts strenge Maßstäbe zu legen, um den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes so weit wie möglich vor Verfälschungen zu schützen (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG). Zweitens ist in jedem Falle zu berücksichtigen, dass die Wettbewerbsregeln des EGV einen Teil der Vorschriften zur Sicherung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs bilden (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG). Aus diesem Grunde ist es den Mitgliedsstaaten verwehrt, jedwede Maßnahmen zu ergreifen oder auch nur aufrecht zu erhalten, die die praktische Wirksamkeit („effet utile“) der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln beeinträchtigen könnten307. Insofern spricht man auch von einer indirekten Anwendung besagter Vorschriften, da sie grundsätzlich über Art. 10 [ex-Art. 5] Abs. 2 EG sowie Art. 3 Abs. 1

303 EuGH, Urteil v. 7.2.1984, Rs. 238/82 – Duphar BV u. a./Niederlande –, Slg. 1984, 523, 544. 304 Vgl. EuGH, Urteil v. 10.12.1985, Rs. 260/82 – Nederlandse Sigarenwinkeliers Organisatie/Kommission –, Slg.1985, 3812, 3821 f.; Dazu auch die Ausführungen in: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 252. 305 Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 371; Vgl. EuGH, Urteil v. 16.3.2004, verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01, C-355/01 – AOK Bundesverband u. a./Ichthyol-Gesellschaft Cordes, Hermani & Co. u. a. –, NJW 2004, 2723; EuGH, Urteil v. 19.1.1994, Rs. C-364/92 – SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol –, Slg. 1994, I-55, 61, 63 f.; EuGH, Urteil v. 23.4.1991, Rs. C-41/90 – Höfner und Elser/Macrotron GmbH –, Slg. 1991, 2010, 2017 = EuZW 1991, 349, 350. 306 EuGH, Urteil v. 16.12.1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73 – Coöperative vereniging „Suiker Unie“ UA u. a./Kommission –, Slg. 1975, 1663, 1944, 1949; EuGH, Urteil v. 7.6.1983, verb. Rs. 100 bis 103/80 – S.A. Musique Diffusion Française u. a./Kommission –, Slg. 1983, 1825, 1904; EuGH, Urteil v. 27.1.1987, Rs. 45/85 – Verband der Sachversicherer e. V./Kommission –, Slg. 1987, 405, 453 ff.; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 8, 145. 307 EuGH, Urteil v. 21.1.1999, Rs. C-219/97 – Maatschappij Drijvende Bokken BV/Stichting Pensioenfonds voor de Vervoern en Havenbedrijven –, Slg. 1999, I-6125, 6144; EuGH, Urteil v. 18.6.1998, Rs. C-35/96 – Kommission/Italien –, Slg. 1998, I3886, 3899 ff.; EuGH, Urteil v. 11.11.1997, Rs. C-359/95 P und C-379/95 P – „Ladbroke Racing“ –, Slg. 1997, I-6301, 6312; EuGH, Urteil v. 24.1.1991, Rs. C-339/89 – Alsthom Atlantique SA/Compagnie de construction mécanique Sulzer SA –, Slg. 1991, 120, 123; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Einführung zum EG-Kartellrecht, Rz. 8; Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 81, Rz. 10.

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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lit. g) EG zu berücksichtigen sind. Der Anwendungsbereich dieser in ständiger Rechtsprechung des EuGH entwickelten Doktrin erstreckt sich vor allem auf jene Fälle, in denen Mitgliedsstaaten gegen die Wettbewerbsregeln verstoßende Verhaltensweisen von Unternehmen vorschreiben, erleichtern oder deren Auswirkungen verstärken. Gleiches gilt schließlich auch dann, wenn die Verantwortung für staatliche Interventionen privaten Wirtschaftsteilnehmern übertragen wird308. Das wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn über den hoheitlichen Aspekt der Maßnahme hinaus Raum für eigenes unternehmerisches Verhalten bestehen bleibt309. Namentlich für den Bereich der staatlich inspirierten Selbstbeschränkungsabkommen dürfte dies regelmäßig der Fall sein310, sofern sich der handelnde Hoheitsträger auf die bloße Einflussnahme hinsichtlich des Zustandekommens oder des Inhalts der getroffenen Vereinbarung beschränkt311. Nicht anwendbar sind diese Grundsätze hingegen dann, wenn den beteiligten Unternehmen das fragliche Verhalten von staatlicher Seite definitiv und uneingeschränkt vorgeschrieben wird (sog. Akzessorietät der Intervention)312. In die gleiche Richtung tendiert diesbezüglich auch die Auffassung der Kommission, nach der die Anwendung der Art. 81, 82 EG jedenfalls dann ausgeschlossen sein soll, wenn einem Unternehmen ein bestimmtes Verhalten hoheitlich auferlegt wird313. Im Ergebnis ist somit entscheidend, ob wesentliche Punkte des Wettbewerbs durch den Staat selbst festgelegt und gestaltet werden oder nicht. Dafür bedarf es (jedenfalls bei normersetzenden Absprachen) nicht zuletzt einer sorgfältigen Einzelfallprüfung, inwieweit der konkrete Inhalt der getroffenen Vereinbarung der staatlichen Regelungsandrohung entspricht. In der Sache deckt sich dieses Ergebnis damit weitgehend mit den vorstehend entwickelten Kriterien zur Anwendbarkeit des GWB. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass die vom EuGH entwickelten Kriterien kaum geeignet seien, das materiell verfolgte Regelungsziel des Art. 81 EG, nämlich die Vermeidung von Beeinträchtigungen des Wettbewerbs durch natio308 EuGH, Urteil v. 21.9.1988, Rs. 267/86 – van Eycke ./. Aspa –, Slg. 1988, 4786, 4791 f.; EuGH, Rs. C-412/93 – Leclerc-Siplec –, Slg. 1995, I-179, 218. 309 EuGH, Urteil v. 16.12.1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73 – Coöperative vereniging „Suiker Unie“ UA u. a./Kommission –, Slg. 1975, 1663, 1943 f. 310 Im Ergebnis wohl zustimmend: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 194. 311 Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 65. 312 EuGH, Urteil v. 11.11.1997, Rs. C-359/95 P und C-379/95 P – „Ladbroke Racing“ –, Slg. 1997, I-6301, 6312; OLG Düsseldorf, EuZW 1999, 188, 191; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 372. 313 Entsch. v. 29.11.1974, ABl. 1974 L 343/23, 23 („Kugellager“); Entsch. v. 8.1.1975, ABl. 1975 L 29/26, 28 („Champignon (Pilzkonserven)“).

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

nalstaatliche Reglementierungen, zu erreichen. Aus diesem Grunde wird von einigen Autoren vorgeschlagen, zunächst jegliche Form staatlicher Intervention als einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff anzusehen, um die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht zu beeinträchtigen314. Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen wäre dann in einem zweiten Schritt danach zu beurteilen, ob im Einzelfall ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art. 30 EG besteht. Mag dieser Ansatz auch den Vorteil haben, klare und handhabbare Kriterien zur Lösung der bestehenden Problematik aufzeigen zu können, so kann er dennoch nicht überzeugen, da er zu einer Verkehrung des bestehenden kompetenzrechtlichen Systems innerhalb der Gemeinschaft führt. Ganz abgesehen davon, dass diese Auffassung in der praktischen Umsetzung regelmäßig keine abweichenden Ergebnisse erzielen dürfte, wird letztlich nämlich übersehen, dass die Gemeinschaft für ein Tätigwerden im ausschließlich hoheitlichen Aufgabenkreis der Nationalstaaten überhaupt keine Kompetenz besitzt, soweit ihr diese nicht gesondert zugewiesen ist. Diesen Umstand aber gilt es auch dann zu berücksichtigen, wenn der Staat nicht in Gesetzesform handelt, sondern auf flexiblere und für ihn im Einzelfall effektivere Handlungsinstrumente zurückgreift, um die eigenen Oberziele zu erreichen. Zudem begegnet eine Anwendung des Art. 30 EG auf Art. 81 EG schon aufgrund des eindeutigen Wortlauts erheblichen Bedenken und dürfte letztlich nur schwerlich mit der Regelungssystematik des EG-Vertrags zu vereinbaren sein. Zusammenfassend kann für die Beurteilung der Frage, ob wettbewerbsbeschränkende informelle Absprachen dem Verbot des Art. 81 EG unterfallen, zunächst auf die bereits zuvor zum deutschen Recht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden315: Werden Vertikalabsprachen zwischen Unternehmen und Staat im Rahmen dessen wirtschaftlicher Betätigung getroffen, so unterfallen diese ohne Rücksicht auf die konkrete Handlungsform den Regelungen der Art. 81 ff. EG. Soweit jedoch der Staat durch den Abschluss der in Frage stehenden Vereinbarung hoheitliche Zwecke verfolgt, muss eine Anwendung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags ausscheiden, weil in solchen Fällen bereits die Unternehmenseigenschaft des Staates nicht mehr gegeben ist316. 314 So argumentierend, im Ergebnis jedoch widersprüchlich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 254 f.; Übereinstimmend: Ehricke, WuW 1991, 183, 190. 315 Ähnlich: Grewlich, DÖV 1998, 54, 57. 316 Vgl. diesbezüglich auch: EuGH, Urteil v. 16.12.1975, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73 – Coöperative vereniging „Suiker Unie“ UA u. a./ Kommission –, Slg. 1975, 1663, 1944, 1949; EuGH, Urteil v. 7.6.1983, verb. Rs. 100 bis 103/80 – S.A. Musique Diffusion Française u. a./Kommission –, Slg. 1983, 1825, 1904; EuGH, Urteil v. 27.1.1987, Rs. 45/85 – Verband der Sachversicherer e. V./Kommission –, Slg. 1987, 405, 453; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001,

C. Einfachgesetzlicher Rahmen informeller Absprachen

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Gleiches gilt wiederum für den Vollzug der Vertikalabsprache zwischen Staat und Unternehmen in Form von Horizontalvereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen. Die daran beteiligten Unternehmen handeln in diesen Fällen nicht zur Beschränkung des Wettbewerbs, sondern allein in der Umsetzung des staatlichen Willens, der auch in Form eines Gesetzes hätte umgesetzt werden können. Im Übrigen kann auch hier wieder auf die Ausführungen zum GWB verwiesen werden. Um aber die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht zu beeinträchtigen, ist folgende Einschränkung vorzunehmen: Wird durch die Vertikalabsprache lediglich ein Rahmen für die nachfolgende Horizontalvereinbarung gesetzt, so dass den Unternehmen über die mit dem Staat getroffene Absprache hinaus ein eigener Handlungs- und Entscheidungsspielraum verbleibt, muss sich die Vollzugshandlung ungeachtet ihres etwaigen hoheitlichen Charakters an Art. 81 EG messen lassen. In diesem Falle nämlich wird die Verantwortung für die staatliche Intervention auf die privaten Wirtschaftsteilnehmer übertragen317. Vor dem Hintergrund der effetutile-Doktrin bleiben daher nur jene Horizontalvereinbarungen vom Verbot des Art. 81 EG unberührt, durch die allein und vorbehaltlos die vorherige Vertikalabsprache umgesetzt wird und bei denen den beteiligten Unternehmen kein eigener Handlungsspielraum verbleibt (etwa deshalb, weil andernfalls beispielsweise ein Gesetz mit gleichem Inhalt erlassen würde). Von diesem Ansatz ausgehend sind schließlich auch staatlich inspirierte Horizontalabsprachen zu beurteilen. Zumeist werden diese zwar wie gesehen allein im öffentlichen Interesse getroffen und nicht aus der Motivation heraus, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Unter Berücksichtigung der zu Art. 10 Abs. 2 EG entwickelten Grundsätze konnte jedoch bereits festgehalten werden, dass es für eine etwaige Verdrängung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln nicht ausreichend ist, wenn sich der jeweilige Hoheitsträger lediglich darauf beschränkt, auf das Zustandekommen und die inhaltliche Ausgestaltung der in Frage stehenden Vereinbarung inspirierenden Einfluss zu nehmen318. Insofern unterliegen staatlich inspirierte Horizontalabsprachen im Grunde dem Normenkomplex der Art. 81 ff. EG319.

Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 8, 145; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl. 2001, S. 386. 317 Vgl. EuGH, Urteil v. 9.2.1995, Rs. C-412/93 – Leclerc-Siplec –, Slg. 1995, I209, 218; EuGH, Urteil v. 17.11.1993, Rs. C-2/91 – Meng –, Slg. 1993, I-5791, 5797 f.; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 14. 318 Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 65. 319 So auch Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 244.

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

Anders ist hingegen dann zu entscheiden, wenn sich die Vereinbarung entgegen ihres äußeren Erscheinungsbildes in Wirklichkeit als hoheitlicher Akt qualifizieren lässt. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn den betroffenen Unternehmen aufgrund des staatlichen Drucks überhaupt kein eigener Handlungsspielraum mehr verbleibt. Dann nämlich besteht im Ergebnis kein Unterschied mehr zu jenen Fällen, in denen der Staat unmittelbar hoheitlich tätig wird, indem er beispielsweise Wirtschaftslenkung durch Gesetze betreibt. Eine unterschiedliche Behandlung beider Sachverhalte wäre somit kaum einsichtig. Daher erscheint es (nur) in diesen Fällen gerechtfertigt, Horizontalabsprachen ebenso wenig wie eine entsprechende gesetzliche Regelung dem Verbot des Art. 81 EG unterfallen zu lassen320.

D. Zusammenfassung des 5. Kapitels Informelle Absprachen sind allgemein durch ihre rechtliche Nichtregelung gekennzeichnet. Daraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass es den an der Vereinbarung Beteiligten möglich wäre, sich hierdurch im rechtsfreien Raum zu bewegen. Diese Konsequenz folgt bereits aus der Vorgabe des Art. 20 Abs. 3 GG. Rechtswidrige Absprachen dürfen daher grundsätzlich nicht vollzogen werden und können gegebenenfalls die Grundlage für etwaige Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche bilden. Absprachen sind auch keine unselbständigen Teile der ihnen nachfolgenden Vollzugshandlungen. Sie sind somit selbst einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen. 1. Begrenzend hinsichtlich allgemeiner Zulässigkeit und inhaltlicher Ausgestaltung informeller Absprachen wirken sowohl verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen als auch einfachgesetzliche Determinanten. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kommt dabei vor allem dem Rechtsstaatsprinzip in seinen verschiedenen Ausprägungen herausgehobene Bedeutung zu. So ist im Einzelfall neben kompetenzrechtlichen Aspekten insbesondere auch die Vereinbarkeit informeller Absprachen mit grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen und dem Gedanken der Rechtsgleichheit zu prüfen. Nicht zuletzt auch im Interesse eines effektiven Schutzes Drittbetroffener sind darüber hinaus im Rahmen informeller Absprachen zwingende Verfahrensgrundsätze (etwa in Form von Anhörungserfordernissen) zu beachten. Zudem kann sich die jeweilige Behörde durch ein Ausweichen in die Informalität auch nicht ihrer Pflicht zu ermessensfehlerfreiem Handeln entziehen. Auch die Aspekte des Bundesstaatsprinzips und der Finanzverfassung üben bestimmenden Einfluss auf die Rechtmäßigkeit informeller Absprachen aus. Handlungser320 Dazu allgemein auch: EuGH, Urteil v. 17.11.1993, Rs. C-2/91 – Meng –, Slg. 1993, I-5791, 5797 f.; Bunte in: Langen/Bunte, KartR, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 (Generelle Prinzipien), Rz. 14.

D. Zusammenfassung des 5. Kapitels

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weiternd, zugleich aber auch inhaltlich begrenzend können sich schließlich die Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes auswirken. Demgegenüber lassen sich aus dem Demokratieprinzip keine neuen (oder gegenüber dem Rechtsstaatsprinzip weitergehenden) Rechtmäßigkeitskriterien herleiten. 2. Durch das dem Rechtsstaatsprinzip immanente Prinzip des Gesetzesvorrangs darf die Verwendung informeller Absprachen nicht zur Aushöhlung materieller Zielvorgaben bzw. Unterwanderung zwingender verfahrensrechtlicher Anforderungen führen. Insofern werden Absprachen auch durch einfachgesetzliche Faktoren geprägt und begrenzt. Absprachen sind daher überhaupt nur dann möglich, wenn das Gesetz entsprechende Spielräume aufweist. Auch hinsichtlich inhaltlicher und etwaiger verfahrensrechtlicher Anforderungen sind informelle Absprachen in erheblicher Weise einer Beeinflussung durch einfachgesetzliche Normen unterworfen. 3. Darüber hinaus wird die analoge Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nachdrücklich befürwortet. Eine generelle Übertragung verbietet sich jedoch aufgrund der besonderen Charakteristik informeller Absprachen. Im Hinblick auf die vertragsrechtlichen Regelungen des VwVfG sind im Ergebnis neben den §§ 55, 56 VwVfG (hinsichtlich ihrer inhaltlich begrenzenden Funktion) auch § 58 VwVfG sowie § 62 VwVfG einer Analogie zugänglich. Dagegen bedarf es der Einhaltung des Schriftformgebots gemäß § 57 VwVfG ebenso wenig wie einer Übertragung der Nichtigkeitsregelungen in § 59 VwVfG. Auch eine Heranziehung des § 60 VwVfG ist aufgrund der rechtlichen Unverbindlichkeit der Absprache prinzipiell entbehrlich. Die Anwendung des § 54 VwVfG schließlich würde die Grenzen einer zulässigen Analogie überschreiten. Außerhalb des Vertragsrechts erfährt die Verwendung informeller Absprachen durch die §§ 3, 10, 13, 14, 20, 21, 22 und 40 VwVfG eine rechtliche Begrenzung. Dagegen sind die §§ 11, 12 und 15 ff. VwVfG einer Analogie nicht zugänglich. Ebenso bedarf es einer Anwendung des Anhörungserfordernisses gemäß § 28 VwVfG aufgrund der befürworteten Übertragung von § 58 VwVfG nicht. 4. Hinsichtlich einer Unterwerfung informeller Absprachen unter die Normen des GWB, insbesondere unter das Kartellverbot des § 1 GWB, ist zwischen den verschiedenen Formen von Vereinbarungen zu unterscheiden: Während Absprachen im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates grundsätzlich an den Vorgaben des GWB zu messen sind, bleiben Vertikalabsprachen im Rahmen hoheitlicher Aktivitäten des Staates von einer diesbezüglichen Anwendung ausgenommen. Ebenso unterliegen Horizontalabsprachen als Vollzugshandlung einer (nicht dem GWB unterfallenden) Vertikalvereinbarung nicht den Maßstäben des

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5. Kap.: Rahmenbedingungen für informelle Absprachen im Allgemeinen

GWB, da sie allein staatlichen Willen vollziehen. Dies gilt jedoch nur dann, sofern sich die entsprechende Absprache im Rahmen des ursprünglich (vertikal) Vereinbarten bewegt. Staatlich inspirierte Horizontalabsprachen dagegen werden nur dann nicht vom Anwendungsbereich des GWB erfasst, wenn sie aufgrund staatlicher Einwirkung im öffentlichen Interesse und nicht lediglich im individuellen Interesse an der Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs erfolgen und sofern sie auf einen dahingehenden expliziten staatlichen Willen zurückzuführen sind. Bezwecken oder bewirken sie darüber hinausgehende Wettbewerbsbeschränkungen, so unterliegen sie dem GWB vorbehaltlos. 5. Regelmäßig weisen informelle Absprachen auch gemeinschaftsrechtliche Bezüge auf. So sind sie nicht nur auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des Gemeinsamen Marktes hin zu überprüfen, sondern werden durch eine Vielzahl von materiellrechtlichen Zielvorgaben beeinflusst. Besondere Bedeutung kommt dabei den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln zu. Hinsichtlich kartellrechtlicher Fragestellungen ist wiederum zwischen den einzelnen Arten von Absprachen zu differenzieren: Im Rahmen wirtschaftlicher Aktivitäten des Staates getroffene Vertikalabsprachen unterfallen ohne Rücksicht auf die konkrete Handlungsform den Regelungen der Art. 81 ff. EG. Vereinbarungen zur Verfolgung hoheitlicher Zwecke sind dagegen vom Anwendungsbereich des EG-Vertrags ausgenommen. Gleiches gilt im Grundsatz für solche Horizontalvereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen, die in Vollzug einer nicht den Wettbewerbsregeln unterfallenden Vertikalabsprache ergehen. Vor dem Hintergrund der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gilt dies hingegen nur dann, wenn den Unternehmen dabei kein eigener Handlungs- und Entscheidungsspielraum verbleibt. Staatlich inspirierte Horizontalabsprachen unterliegen dagegen ganz allgemein den Art. 81 ff. EG, es sei denn, dass den betroffenen Unternehmen aufgrund des staatlichen Drucks überhaupt kein eigener Handlungsspielraum mehr verbleibt, da es sich dann bei den fraglichen Vereinbarungen tatsächlich um verschleierte Hoheitsakte handelt.

6. Kapitel

Die Rechtmäßigkeit der informellen Absprache zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) War Gegenstand des vorangegangenen Kapitels noch die Frage, welchen rechtlichen Rahmenbedingungen informelle Absprachen ganz allgemein unterliegen, so gilt es nunmehr zu klären, inwieweit die Vereinbarung zwischen der deutschen Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller vom 08. November 2001 mit geltendem Recht zu vereinbaren ist1. Dafür ist wiederum entscheidend, ob die Bundesregierung für die konkrete Fallkonstellation über einen hinreichenden rechtlichen Entscheidungsspielraum verfügte, der sowohl zur Wahl der Absprache als Form der Entscheidung (instrumentale Ebene), als auch zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser Vereinbarung (inhaltliche Ebene) berechtigt hat. Auf Grundlage der vorangegangenen Ausführungen soll damit nachfolgend thematisiert werden, inwieweit die Bundesregierung die in Frage stehende Vereinbarung mit dem VFA treffen durfte. Daneben wird diese Einzelfallbetrachtung jedoch auch dazu dienen, tragfähige Kriterien zur Beurteilung derartiger Vereinbarungen herauszustellen und neue Aspekte in die (zuvor schon im Rahmen des fünften Kapitels erfolgte) rechtliche Erfassung informeller Absprachen einfließen zu lassen. Zum besseren Verständnis soll zunächst jedoch nochmals kurz auf das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz2 aus dem Jahre 2002 eingegangen werden, dessen drohender Erlass seinerzeit den Ausgangspunkt für die Verhandlungen zwischen VFA und Bundesregierung bildete.

1 Zur Problematik der Absprache als Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung: Kapitel 5: A. „Vorbemerkung“, Vgl. auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 102 ff.; In vorliegender Fallkonstellation ist die Rechtmäßigkeit der Absprache schon hinsichtlich der Frage von Interesse, inwieweit sie als Grundlage für die Zahlung des Solidarbeitrags an die GKV berücksichtigt werden kann oder ob nicht vielmehr Erstattungs- oder Schadensersatzansprüche bestehen. 2 Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz – AABG) vom 15. Februar 2002; BGBl. I S. 684.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

A. Exkurs: Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz I. Gesetzesgegenstand Nachdem die finanzielle Ausstattung der Gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin auf eine ernst zu nehmende Krise zusteuerte, verschärfte sich diese Situation durch die extremen Ausgabensteigerungen vor allem im Arzneimittelbereich in der ersten Hälfte des Jahres 2001 nochmals3. Vor diesem Hintergrund und bedingt durch weiter ansteigenden Krankenversicherungsbeiträge sah man sich veranlasst, Maßnahmen zur Stabilisierung und nachhaltigen Sicherung des Beitragssatzniveaus einzuleiten. Dazu sollte in erheblichem Maße die Einführung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) beitragen, aufgrund dessen nach damaligen Berechnungen ein Einsparpotential von mehr als 2 Mrd. DM zu Gunsten der GKV erzielt werden sollte. Kern der gesetzlichen Regelung war dabei die Einführung und Erweiterung verschiedener Mechanismen, die in ihrer Gesamtheit sicherstellen sollten, dass neben den Apotheken auch der pharmazeutische Großhandel sowie die pharmazeutischen Unternehmen einen Beitrag zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben innerhalb der GKV leisten würden4.

II. Die Regelungen im Einzelnen Der Maßnahmenkatalog des AABG in seiner endgültigen Fassung sah neben der Aufwertung der bereits eingeführten Möglichkeit der aut-idem-Substitution zum Regelfall (Art. 1 Nr. 1 AABG) auch eine Erweiterung der Vorgaben für Empfehlungen des Bundesausschusses (vgl. § 92 SGB V) zu Analogpräparaten (Art. 1 Nr. 2 AABG) sowie die Einführung von Vorgaben für die Fortsetzung der Arzneimitteltherapie nach Krankenhausbehandlung (Art. 1 Nr. 3 AABG) vor. Schließlich wurde durch Art. 1 Nr. 5 AABG der bereits durch § 130 Abs. 1 SGB V geregelte Apothekenrabatt zu Gunsten der GKV von 5 auf 6 Prozentpunkte für die Jahre 2002 und 2003 angehoben. Die ursprüngliche Absicht einer gesetzlichen Senkung der Herstellerabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen (Art. 2 AABG-E)5, wurde jedoch in Folge der am 08. November 2001 zwischen VFA und Bundesregierung getroffenen Absprache (vorläufig) nicht mehr weiter verfolgt. 3

Vgl. Kapitel 1: A. I. „Die Rechtslage bis zum 31.12.2001“. So noch ausdrücklich formuliert im Entwurf eines Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (ArzneimittelausgabenBegrenzungsgesetz – AABG) vom 16. Oktober 2001; BT-Drucks. 14/7144, S. 1. 5 Siehe BT-Drucks. 14/7144, S. 3 f., 6. 4

B. Inhalt und Auswirkungen

273

Statt dessen sah Art. 2 AABG nunmehr lediglich die gesetzgeberische Umsetzung dieser Vereinbarung vor. Danach hatte der Bundesverband der Betriebskrankenkassen den erhaltenen Solidarbeitrag zuzüglich Zinsen an die Spitzenverbände der Krankenkassen auszuschütten. Als Bemessungsgrundlage für den Verteilungsquotienten diente der jeweilige prozentuale Anteil an den Arzneimittelausgaben des Jahres 2001 (nach den Rechnungsergebnissen der gesetzlichen Krankenversicherung). Den Spitzenverbänden wiederum oblag die endgültige Zuweisung an die jeweiligen Einzelkrankenkassen entsprechend deren Anteil an den Arzneimittelausgaben des Jahres 2001.

B. Die Absprache zwischen VFA und Bundesregierung: Inhalt und Auswirkungen Die Wahl einer informellen Absprache anstelle einer vertraglichen Vereinbarung erfolgt vornehmlich aus der Motivation der Beteiligten heraus, rechtliche Bindungen zu vermeiden, um sich somit ein größtmögliches Maß an Flexibilität6 zu erhalten. Ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit aber sind die Auswirkungen, die von informellen Absprachen und den ihnen (aufgrund ihrer faktischen Verbindlichkeit)7 nachfolgenden Vollzugshandlungen ausgehen, äußerst vielgestaltig und häufig auch erheblichen Ausmaßes. Dies gilt nicht nur auf tatsächlicher Ebene, sondern auch unter rechtlichen Gesichtspunkten. Diese Auswirkungen aber sind es, aus denen sich wichtige Rückschlüsse für die Rechtmäßigkeit der Absprache selbst ziehen lassen, so dass ihnen diesbezüglich substantielle Bedeutung zukommt. Ausgehend von inhaltlichen Aspekten und den Ausführungen des 1. Kapitels8 soll daher nachfolgend zunächst der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise die vorliegende Vereinbarung 6 Vgl. dazu auch: Lange, Staatliche Steuerung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive, in: König/Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 173 ff.; Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandelns in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 68; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 40; Schröder, NVwZ 1998, 1011; Schuppert, Der Staat 28 (1989), 91, 94 ff.; Püttner, DÖV 1989, 137, 139; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 464; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Schrader, DÖV 1990, 326, 328; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 692; Bulling, DÖV 1989, 277, 288. 7 Dazu Kapitel 4: F. II. 1. b) „Faktische Bindungswirkung?“, Vgl. auch: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 222; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 80; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 420; Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, § 5, Rz. 206; Spannowsky, GewArch 1998, 362, 368; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 229; Brohm, DVBl 1994, 133, 134; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 442; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 222; a. A. dagegen wohl: v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 67 ff. 8 Vgl. Kapitel 1: „Einführung in den Sachstand und Problemaufriss“.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Auswirkungen für die Beteiligten einerseits sowie für Drittbetroffene andererseits herbeiführt bzw. herbeigeführt hat.

I. Inhalt der Absprache und Auswirkungen in tatsächlicher Hinsicht Kern der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA war insbesondere die Zusage seitens der im Verband zusammengeschlossenen Unternehmen, einmalig einen sogenannten Solidarbeitrag9 in Höhe von 400 Millionen DM (etwa A 204 Mio.) zugunsten der Gesetzlichen Krankenversicherung leisten zu wollen. Darüber hinaus erklärten die Industrievertreter, auf jegliche Preiserhöhungen bei patentgeschützten Medikamenten für die Jahre 2002 und 2003 verzichten zu wollen10. Im Gegenzug erklärte sich die Bundesregierung bereit, für den fraglichen Zeitraum auf gesetzliche Preisregulierungen zu verzichten. Die im Zuge des AABG geplante Senkung der Herstellerabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, war somit obsolet. Abgesehen von der Streichung des Art. 2 AABG-E wurde hingegen der verbleibende Maßnahmenkatalog des Gesetzes, insbesondere die Erweiterung der aut-idem-Regelung, von der Absprache nicht berührt. Der grundsätzlich ausgesprochene Verzicht auf eine bestimmte gesetzgeberische Tätigkeit qualifiziert die fragliche Vereinbarung zugleich als normersetzende Absprache im Sinne der hier entwickelten Systematik11. Da sie jedoch in Teilen der abschließenden Umsetzung durch den Gesetzgeber bedurfte, enthält sie ebenso auch normvorbereitende Elemente. Zugleich sind damit aber auch etwaige Zweifel daran ausgeräumt, ob die Bundesregierung überhaupt der eigentliche Absprachepartner war. Aufgrund der Tatsache, dass die Gesetzliche Krankenversicherung vorgesehener Empfänger der zugesagten Geldleistung war und überdies auch an den Verhandlungen beteiligt wurde, ließe sich nämlich auch annehmen, dass die begünstigten Krankenkassen zugleich auch Absprachepartner seien. Die Bundesregierung wäre dann lediglich als Verhandlungsmittler anzusehen. Dem steht indes die Tatsache 9 Der Begriff der Solidarzahlung ist dabei insofern irreführend, als er eine Leistungsbereitschaft der beteiligten Unternehmen aus rein altruistischen Motiven vorspiegelt. Aufgrund der erwarteten Gegenleistung kann davon aber wohl kaum ausgegangen werden. Vielmehr diente diese Zahlung allein der Abwendung weitaus höherer Belastungen durch den geplanten Art. 2 des AABG. 10 Dazu die Pressemitteilung des VFA Nr. 31/2001 vom 08.11.2001 sowie die Beiträge in: Handelsblatt vom 12.12.2001; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.11. 2001. 11 Siehe dazu Kapitel 4: D. II. 3.: „Normvollziehende, -vorbereitende und -ersetzende Absprachen“.

B. Inhalt und Auswirkungen

275

entgegen, dass allein die Bundesregierung die hier erforderliche Gegenleistung erbracht hat, indem sie auf den geplanten Regelungserlass ausdrücklich verzichtete12. Die Krankenkassen waren somit zwar Begünstigte, nicht aber Partner des verabredeten Leistungsaustausches. Zu ihren Gunsten wurde daher zwischen Bundesregierung und VFA eine sog. drittbegünstigende Absprache getroffen13. Damit ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen, wie das Vollzugsverhältnis zwischen den zahlenden VFA-Unternehmen und den begünstigten Krankenkassen zu bewerten ist. Die hierfür in Betracht zu ziehenden Gestaltungsalternativen sollen daher noch an späterer Stelle näher erläutert werden14. Für die beteiligten Pharmaunternehmen, die zusammen 80% Marktanteil auf sich vereinen, erwies sich die getroffene Vereinbarung gegenüber der geplanten gesetzlichen Regelung in erheblichem Maße als kostenentlastend. Nach ursprünglichen Planungen sollte durch Art. 2 AABG-E ein Einsparvolumen von etwa 780–960 Mio. DM erzielt werden, das allein zu Lasten der Industrie erzielt worden wäre. Die unmittelbare finanzielle Belastung der betroffenen Unternehmen konnte somit durch die Zahlung des fraglichen Solidarbeitrags in Höhe von 400 Mio. DM in etwa halbiert werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass in vielen europäischen Ländern bei der Festsetzung der jeweiligen Arzneimittelpreise der deutsche Preis als Bewertungsgrundlage gilt. Damit hat eine Preissenkung in Deutschland regelmäßig auch auf die Preisentwicklung in anderen Ländern Auswirkungen15. Durch die getroffene Vereinbarung konnten somit nach inoffiziellen Schätzungen nochmals Umsatzausfälle in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro abgewendet werden. Ohnehin dürfte die finanzielle Belastung für die Beteiligten noch deutlich unter den gezahlten 400 Mio. DM gelegen haben, wenn die Annahme zu Grunde gelegt wird, dass der Betrag als abzugsfähige Betriebsausgabe steuerlich berücksichtigungsfähig gewesen ist (dazu sogleich16). Im Gegensatz zum gesetzgeberischen Regelungsziel17 wären damit wesentliche Teile des Reformpakets auf den Steuerzahler übergewälzt und nicht mehr von den Unternehmen getragen worden. 12 So ausdrücklich in der Erklärung der Bundesregierung zum Finanzbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller zur Konsolidierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung vom 08.11.2001; Pressemitteilung Nr. 507/01. 13 Zu dieser Kategorie: Kapitel 4: D. III. 2.: „Drittbegünstigende Absprachen“. 14 Vgl. dazu unten: II. 4. lit. a) „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“. 15 Vgl. dazu die Stellungnahme der Hauptgeschäftsführerin des VFA, Cornelia Yzer, gegenüber dem Handelsblatt, Handelsblatt vom 18.12.2001. 16 Hierzu sogleich die Ausführungen unter 3. lit. c) „Steuerrechtliche Aspekte“. 17 Dazu im Entwurf des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) vom 16. Oktober 2001, BT-Drucks. 14/7144, S. 1 und 5: „Mit dem Ziel, [.] die finanzielle Entlastung gerecht und angemessen auf die betroffenen Leistungserbringergruppen zu verteilen“.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

II. Rechtliche Auswirkungen der Absprache 1. Auswirkungen für die Bundesregierung/den Bundesgesetzgeber Neben der Entscheidung für eine bestimmte Handlungsweise enthält die getroffene Absprache grundsätzlich auch eine Sachentscheidung der Bundesregierung dahingehend, auf gesetzgeberische Aktivitäten hinsichtlich der Preisgestaltung für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, verzichten zu wollen. Da Absprachen aber allgemein nicht in der Lage sind, rechtliche Bindungen zu erzeugen, war die Bundesregierung an ihre Verzichtserklärung jedoch grundsätzlich nicht gebunden, sondern stand allein politisch im Wort18. Insofern ist es an dieser Stelle auch nicht entscheidend, ob sich der ausgesprochene Verzicht nun auf den Erlass eines der Absprache entgegenstehenden Gesetzes oder nur auf die Ausübung des eigenen Initiativrechts19 bezogen hat. Aus den gleichen Erwägungen war ebenso auch der Bundesgesetzgeber in seiner Gesamtheit nicht an die getroffene Vereinbarung (rechtlich) gebunden, so dass hier zunächst nicht weiter der Frage nachgegangen werden muss, ob und inwieweit die Bundesregierung den Gesetzgeber überhaupt binden darf. Damit ist jedoch noch keine grundsätzliche Aussage darüber getroffen, welche Voraussetzungen an den Erlass des (absprachewidrigen) BSSichG zu knüpfen waren und welche Konsequenzen sich daraus für die an der Absprache Beteiligten ergaben. Vor dem Hintergrund der getroffenen Vereinbarung wird man daher insbesondere sehen müssen, ob durch den Erlass des BSSichG etwaige Ansprüche seitens der VFA-Unternehmen begründet wurden20. In Vollzug der getroffenen Vereinbarung war schlussendlich die Klarstellung nötig, auf welcher Rechtsgrundlage der Bundesverband der Betriebskrankenkassen den Solidarbeitrag unter den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufzuteilen hatte. Die damit erforderlich werdende gesetzgeberische Umsetzung der Vereinbarung ist letztendlich durch Art. 2 AABG erfolgt21. 18 Siehe hierzu insofern auch die Sondervoten von Mellinghoff und Di Fabio zu BVerfG, Urt. v. 19.2.2002 – 2 BvG 2/00, NVwZ 2002, 585, 589 („Atomausstieg“). 19 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 178; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 936 f. („politische Bindung des Gesetzesinitiativrechts gem. Art. 76 Abs. 1 GG“); Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Andeutend: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 794 f.; Dazu auch unten: E. II. „Unzulässige Vorwegbindung des Gesetzgebers?“. 20 Dazu Kapitel 8: „Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche?“. 21 So auch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Entwurf des AABG der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 14/ 7827, S. 2; Kritisch dazu die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit, vgl. nur: BT-Drucks. 14/7827, S. 9 f.

B. Inhalt und Auswirkungen

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2. Auswirkungen für die Landesgesetzgeber Gemäß Art. 71 Abs. 1 GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat22. Da dem Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Sozialversicherung die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zusteht, gilt es zu klären, inwieweit für die jeweiligen Landesgesetzgeber bereits allein aufgrund der getroffenen Absprache eine Kompetenzsperre zum Erlass eigener, etwa der Absprache zuwider laufender Regelungen bestand23. Dagegen ließe sich zunächst einwenden, dass die fragliche Entscheidung gerade nicht durch Gesetz getroffen, sondern lediglich zum Gegenstand einer informellen Absprache gemacht wurde. Da jedoch Art. 72 Abs. 1 GG verlangt, dass der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch macht, würde demnach der Abschluss einer informellen Absprache nicht ausreichen, um eine Kompetenzsperre für die Landesgesetzgeber auszulösen. Hinzu kommt, dass bei vorliegender Vereinbarung nicht der Bundesgesetzgeber in seiner Gesamtheit, sondern allein die Bundesregierung aktiv geworden ist. Im Ergebnis aber vermögen diese Einwände nicht durchzugreifen, da hierbei nicht die Tatsache berücksichtigt wird, dass sich die staatliche Willensäußerung nicht allein in der getroffenen Absprache widerspiegelt, sondern auch durch das daraufhin erlassene AABG zum Ausdruck kommt. Durch diese Normierung hat der Bundesgesetzgeber die Entscheidung getroffen, den fraglichen Bereich nicht zu normieren. Ob aber ein Unterlassen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung kompetenzrechtliche Auswirkungen haben kann, wird kontrovers diskutiert. Einer Auffassung zufolge soll der Bund durch ein Unterlassen gerade nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch machen, sondern vielmehr auf deren Ausübung verzichten. Damit mache er zwar Gebrauch von einer mit ihr zusammenhängenden, nicht aber übereinstimmenden Zuständigkeit24. Insofern seien in derartigen Fällen Mehrfachzuständigkeiten von Bund und Ländern durchaus vorstellbar (echte Konkurrenz), die allerdings durch die Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten begrenzt sein sollen25. Im Grunde aber könnten Bund und Länder nebeneinander tätig werden26.

22 Zum Begriff der erschöpfenden Regelung: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 72, II, Rz. 14; Oeter in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 72 Abs. 1, Rz. 66 ff.; Allgemein zur Verteilung der Gesetzgebungsrechte zwischen Bund und Ländern: Rybak/ Hofmann, NVwZ 1995, 230 ff. 23 Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 157; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 257 f. 24 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 149; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Dem steht jedoch entgegen, dass sich der Landesgesetzgeber in keinem Falle in Widerspruch zum offenkundig gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers setzen darf27. Dieser Wille kann aber grundsätzlich auch darin bestehen, bewusst von einer Normierung eines bestimmten Lebenssachverhalts abzusehen. Übt der Bund somit in eindeutiger Weise die ihm zugewiesene Gesetzgebungszuständigkeit dahingehend aus, eine bestimmte Regelung nicht zu erlassen, so muss auch dies die Kompetenzsperre des Art. 72 Abs. 1 GG auslösen. Andernfalls könnten die Zielsetzungen, die der Bund mit dem bewussten Absehen von einer gesetzlichen Regelung verfolgt, nur allzu leicht durch die jeweiligen Landesgesetzgeber unterlaufen werden. Auf der anderen Seite aber darf dieser Grundsatz nicht zu einer vollständigen Zurückdrängung der Landesgesetzgebung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung führen. Aus diesem Grunde knüpft insbesondere das Bundesverfassungsgericht an das Eintreten der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG die Voraussetzung, dass sich die fragliche Nichtnormierung erkennbar im Rahmen einer Gesamtnormierung des Bundes bewegt28. Erforderlich ist somit eine materielle und wenigstens partiell substantielle Regelung des Bundes29. Vorliegend sind diese Voraussetzungen erfüllt. Durch die Regelungen in den Art. 1 Nr. 5 AABG (§ 130 Abs. 1 S. 2 SGB V) und Art. 2 AABG hat der Gesetzgeber in eindeutiger Weise klargestellt, dass zwar Apotheken Rabatt auf den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis zu leisten haben, nicht aber pharmazeutische Unternehmen von einem entsprechenden Abschlag betroffen waren. Der Verzicht auf eine Abschlagsregelung bei gleichzeitiger Leistung eines Solidarbeitrags seitens der Industrie war somit erkennbar Teil einer Gesamtkonzeption des Gesetzgebers zur Entlastung der GKV-Finanzen. Insofern kann dieser gesetzgeberische Wille auch nicht dadurch entkräftet werden, dass die dem AABG vorausgegangene Absprache rechtlich nicht bindend gewesen sei. Nach alldem kann damit festgehalten werden, dass bereits allein durch die bewusste Nichtregelung eines Preisabschlags zu Lasten der pharmazeutischen

25 Allgemein zum Grundsatz der Bundestreue: BVerfGE 1, 299, 315; 4, 115, 141 f.; Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Abs. 1, Rz. 37 ff.; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 61 ff.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 30. Aufl. 1998, S. 108 f.; Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl. 2001, § 10, Rz. 50 ff.; Bayer, Die Bundestreue, 1992; Boehl, Verfassunggebung im Bundesstaat, 1997; Bayer, Die Bundestreue, 1961; Jobs, DÖV 1998, 1039, 1043. 26 So ausdrücklich Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Vgl. auch: Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 91; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 233. 27 BVerfGE 2, 232, 236; 32, 319, 327. 28 Dazu: BVerfGE 49, 343, 358; 67, 299, 324; Vgl.: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 158. 29 Vgl. BVerfGE 18, 407, 417; 49, 343, 359.

B. Inhalt und Auswirkungen

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Industrie eine Kompetenzsperre für die Gesetzgebung der Länder ausgelöst wurde. 3. Auswirkungen für die beteiligten Unternehmen a) Allgemein Die endgültige Fassung des AABG sah infolge der Absprache zwischen Bundesregierung und VFA keine Preisabschlagsregelung mehr vor. Im Gegenzug hatten die im VFA zusammengeschlossenen Unternehmen den vereinbarten Solidarbeitrag in Höhe von DM 400 Mio. zu leisten – eine Rechtspflicht bestand hierfür jedoch wie gesehen nicht. Insofern waren sie zwar Zahler, nicht aber Schuldner der verabredeten Leistung. Somit ist es (jedenfalls diesbezüglich) auch ohne Belang, ob der VFA im konkreten Fall überhaupt Vertretungsmacht gehabt hat30, da keine (die Unternehmen verpflichtende) Willenserklärung abgegeben wurde. Spielraum für eine andere Beurteilung ergäbe sich hingegen dann, wenn sich der gefundene Konsens entgegen seines äußeren Anscheins nicht als einheitliche Absprache darstellen ließe, sondern vielmehr auf zwei voneinander unabhängigen Vereinbarungen beruhen würde. In diesem Falle nämlich könnte neben der unverbindlichen Erklärung seitens der Bundesregierung zugleich auch eine bindende Zusage des VFA zur Zahlung des Solidarbeitrags bestehen. Eine solche Annahme ließe sich vor allem auf den Umstand stützen, dass seitens des Bundes die Zusage des VFA gesetzgeberisch in Art. 2 AABG umgesetzt wurde und somit von einer bestimmten Verbindlichkeit der Zusage ausgegangen werden konnte. Das aber liefe im Ergebnis darauf hinaus, einen an sich einheitlich zu beurteilenden Vorgang willkürlich in sachwidriger Weise zu trennen, ohne dass hierfür tatsächliche rechtfertigende Anhaltspunkte ersichtlich wären. Zudem dürfte dies schon deshalb kaum haltbar sein, da eine solche Sichtweise der tatsächlichen Interessenlage sowohl des VFA als auch der in ihm verbundenen Unternehmen widerspricht. Es kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass der VFA seinerseits verbindlich eine Leistung zusagen wollte, ohne zugleich die bindende Zusage auf die staatliche Gegenleistung zu erhalten. Die Zusage der jeweiligen Leistung beruht somit auch hier auf einem einheitlich zu beurteilenden Lebenssachverhalt. Sie bilden äußerlich eine ganzheitliche 30 Für Selbstbeschränkungsvereinbarungen durch öffentlich-rechtliche Verträge: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 201 f.; Hucklenbruch, Umweltrelevante Selbstverpflichtungen – ein Instrument progressiven Umweltschutzes, 2000, S. 116. Vgl. zur Vertretungsproblematik: Kapitel 5: C. IV. „Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG“ (lit. e)).

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Vereinbarung, deren Vollzug allein auf freiwilliger Basis erfolgt. Innerlich sind sie durch die bereits erwähnte Zweckverknüpfung31 dergestalt verbunden, dass die Zusage der einen Leistung zugleich den Erhalt der jeweils anderen bezweckt. Rechtlich bindend sind diese Zusagen jedoch in keinem Falle. Davon zu unterscheiden sind die rechtlichen Beziehungen zwischen dem VFA einerseits und den einzelnen Krankenkassen (bzw. dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen) als Empfänger der Leistung andererseits. Wie diese zu beurteilen sind, soll an späterer Stelle ausgeführt werden32. b) Grundrechts- und Rechtsmittelverzicht Daneben kann in der fraglichen Vereinbarung (bzw. in deren Vollzug) zugleich auch ein Verzicht der betroffenen Unternehmen auf den ihnen durch Art. 12 GG bzw. Art. 14 GG gewährleisteten Grundrechtsschutz liegen33. Ob ein solcher Verzicht hier überhaupt möglich und zulässig ist, welche Voraussetzungen daran zu knüpfen sind und welche Reichweite er dann aufweist, soll jedoch an dieser Stelle keiner näheren Betrachtung und Erörterung unterzogen werden, um nicht den damit verbundenen Problemkreisen vorzugreifen. Vielmehr sei diesbezüglich auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen34. Dessen ungeachtet gilt es zudem noch einen zweiten Aspekt zu berücksichtigen, der im Zusammenhang mit normvorbereitenden Absprachen häufig von erheblicher Bedeutung ist. Einigt man sich nämlich auf eine bestimmte, noch gesetzlich umzusetzende Regelung, so würde es bei oberflächlicher Betrachtung zunächst widersinnig anmuten, könnte der private Absprachepartner im Nachhinein gegen das (absprachegemäß) erlassene Gesetz auf dem Rechtswege vorgehen. Aus diesem Grunde wird teilweise die Auffassung vertreten, dass derartige Absprachen zugleich auch einen konkludenten Rechtsmittelverzicht beinhalten, der unter der auflösenden Bedingung des absprachekonformen Gesetzeserlasses stehen soll35. Auch in der vorliegenden Absprache könnte daher eine Erklärung seitens des VFA liegen, auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen das zu diesem Zeitpunkt noch zu erlassende AABG verzichten zu wollen. 31

Siehe hierzu in Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. Dazu sogleich unter 4. „Auswirkungen für die begünstigten Krankenkassen/die GKV“. 33 Dazu Kapitel 4: F. IV. „Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen“; Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 324; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 305 ff. (für staatlich inspirierte Selbstbeschränkungsabkommen). 34 Siehe unten E. VII. 2. lit. c) „Eingriff vs. Einwilligung: Der Grundsatz „volenti non fit iniuria“. 35 Vgl. Langenfeld, DÖV 2000, 929, 939 ff. 32

B. Inhalt und Auswirkungen

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Ein Rechtsmittelverzicht braucht grundsätzlich nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Vielmehr kann er auch stillschweigend erfolgen, wenn den gesamten Umständen nach ein dahingehender Wille der Beteiligten erkennbar ist. Der Verzicht als solcher ist grundsätzlich dann zulässig, wenn die betreffende Entscheidung bereits erlassen wurde oder in ihrem konkreten Inhalt wenigstens absehbar ist36. Ebenso wie der Grundrechtsverzicht muss der Rechtsmittelverzicht freiwillig erklärt werden. Andernfalls ist er unwirksam37, wenigstens aber ist seine Erklärung entsprechend den Grundsätzen der §§ 119 ff. BGB anfechtbar38. Auf die Wirksamkeit des Verzichts kann es hingegen bei informellen Absprachen nicht ankommen, da der Private ohnehin nicht an seine Erklärungen gebunden ist. Es bleibt ihm daher unbenommen, sowohl hinsichtlich der Absprache selbst als auch bezüglich des nachfolgenden Gesetzes den Rechtsweg zu beschreiten. Das gilt selbst dann, wenn das erlassene Gesetz dem ursprünglich Vereinbarten entspricht. Ein solches Verhalten wäre auch nicht widersprüchlich oder gar missbräuchlich, da der Private hierzu aufgrund der Unverbindlichkeit der Absprache und des daraus resultierenden Fehlens eines Vertrauenstatbestands grundsätzlich berechtigt ist. Wenn überhaupt, wird daher im Rahmen informeller Absprachen allein die Absicht bekundet, auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichten zu wollen. Gebunden ist der Private hieran nicht. Aus diesem Grunde wird regelmäßig in der Einlegung eines Rechtsmittels zugleich auch die einseitige Aufkündigung der Absprache zu sehen sein. Selbst wenn daher aus den vorerwähnten Gründen einiges dafür spricht, dass die Absprache zugleich auch die dahingehende Absicht seitens des VFA beinhaltete, von der Einlegung von Rechtsmitteln gegen das AABG absehen zu wollen, bleibt dies somit im Ergebnis dennoch ohne Bedeutung. Auf die Voraussetzungen eines wirksamen Rechtsmittelverzichts kommt es daher hier nicht an. Schlussendlich ist dies vorliegend auch deshalb ohne praktische Auswirkungen, da das AABG in seiner endgültigen Fassung ohnehin keine die Unternehmen unmittelbar belastenden Regelungen enthielt (und sich überdies auch im Rahmen des Vereinbarten bewegte), so dass insofern kein Bedürfnis bestand, den Rechtsweg zu beschreiten.

36 BVerfGE 9, 194, 199; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 5, Rz. 140. 37 Langenfeld, DÖV 2000, 929, 940 schlägt insofern einen Rückgriff auf jene Grundsätze vor, die für die Wirksamkeit öffentlich-rechtlicher Verträge gelten; Dazu insbesondere auch: Scherzberg, JuS 1992, 205, 212. 38 Siehe auch: Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl. 1997, S. 492; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 940.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

c) Steuerrechtliche Aspekte Unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten bestand bereits frühzeitig erhöhter Klärungsbedarf dahingehend, ob die Zahlung in Höhe von DM 400 Mio. zu einer Verringerung der Einkommen bzw. Körperschaftsteuerlast der zahlenden Unternehmen führen würde39. Das wäre dann der Fall, wenn sich der Solidarbeitrag entweder als Spende im Sinne von § 10b EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG oder aber als abzugsfähige Betriebsausgabe im Sinne des § 4 EStG (iVm. § 8 Abs. 1 KStG) darstellen ließe. Läge eine Spende im Sinne von § 10b EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) vor, so könnte die Zahlung bei der Festsetzung der Steuerschuld in begrenztem Umfang (innerhalb einer gesetzlich festgelegten Obergrenze) einkommensmindernd berücksichtigt werden. Sie ließe sich dagegen dann unbeschränkt anrechnen, wenn es sich um eine Betriebsausgabe im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG handelte, womit die Entlastung bei Einkommen oder Körperschaftsteuer ungleich höher ausfiele. Spenden mindern zwar den handelsrechtlichen Jahresüberschuss, sie sind jedoch keine Betriebsausgaben40. Aus diesem Grunde gilt es, abzugsfähige Spenden von sonstigen betrieblich veranlassten Aufwendungen grundsätzlich abzugrenzen: Abzugsfähige Spenden sind freiwillige, unentgeltliche Zuwendungen zur Förderung bestimmter begünstigter Zwecke im Sinne von § 10b Abs. 1 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Die Abgrenzung zur Betriebsausgabe erfolgt dementsprechend allein durch die Motivation des Ausgebenden41. Um eine Spende handelt es sich demzufolge dann, wenn die fragliche Zahlung „um der Sache willen ohne die Erwartung einer besonderen Vorteils“ gegeben wird42. Dagegen ist ein Spendenabzug ausgeschlossen, wenn die in Frage stehende Zuwendung unmittelbar und ursächlich mit einem von einem Dritten gewährten Vorteil zusammenhängt43. Sie wäre jedoch wiederum dann (als Betriebsausgabe) unbeschränkt abziehbar, wenn ihr eine betriebliche Veranlassung zugrunde läge44. 39 Vgl. diesbezüglich die Kleine Anfrage der CDU/CSU Fraktion an die Bundesregierung vom 26.02.2002, BT-Drucks. 14/8438. Zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Rückstellungen für Selbstverpflichtungen vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 390 ff. mwN. 40 Birk, Steuerrecht, 7. Aufl. 2004, Rz. 1084; Kirchhof in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 10b, Rz. 1, 12. 41 BFH, BStBl II 1988, 220, 221; Olgemöller in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 9, Rz. 11. 42 BVerfGE 8, 51, 66; BFH, BStBl II 1988, 220, 221; FG Düsseldorf, DStRE 2000, 630, 631; Dazu auch: Kirchhof in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 10b, Rz. 15; Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 520. 43 BFH, BStBl II 1993, 874, 875; BFH, BStBl II 1997, 474, 476; FG Düsseldorf, DStRE 2000, 630, 631. 44 Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 11, Rz. 71.

B. Inhalt und Auswirkungen

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Von der Tatsache einmal abgesehen, dass sich der geleistete Solidarbeitrag nur schwerlich als Förderung der in § 10b Abs. 1 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG genannten Zwecke und Einrichtungen qualifizieren ließe (vgl. §§ 48, 49 EStDV), scheidet die Annahme einer Spende schon in Ermangelung der erforderlichen Spendenmotivation seitens des VFA aus. Deren Vorliegen lässt sich als innere Tatsache allein anhand der äußeren Umstände beurteilen. Nun ließe zwar die Bezeichnung als „Solidarbeitrag“ in gewissem Umfang einen Rückschluss auf eine altruistische Motivation der VFA-Unternehmen sicher zu – der tatsächliche Geschehensablauf spricht hingegen eindeutig dagegen: Wenn unter Umständen auch nicht alleiniger, so doch aber vordergründiger Zweck der Zahlung war nämlich, wie bereits in verschiedenem Zusammenhang mehrfach ausgeführt wurde, die Rücknahme des geplanten gesetzlichen Preisabschlags im Rahmen des AABG. Durch die auf der gegenseitigen Leistungserwartung beruhenden Zweckbestimmung bestand somit eine innere Verknüpfung zwischen Solidarbeitrag und staatlicher Gegenleistung (in Form des Unterlassens)45. Die Annahme, dass die beteiligten Unternehmen den fraglichen Betrag allein um der Sache willen und ohne Erwartung eines besonderen Vorteils gewährten, würde aus diesem Grunde nur allzu widersinnig anmuten. Ohnehin fehlt es an der erforderlichen Uneigennützigkeit der Zuwendung bereits dann, wenn die handelnde Behörde im eigenen Sinne beeinflusst werden soll46, unabhängig davon, ob auf die begehrte Gegenleistung ein Anspruch besteht oder nicht. Nach alldem liegt eine unentgeltliche Leistung seitens der VFA-Unternehmen nicht vor, so dass der Solidarbeitrag jedenfalls nicht als Spende im Sinne von § 10b Abs. 1 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG einkommensmindernd berücksichtigt werden konnte. Fraglich ist daher, ob eine Abzugsfähigkeit des Solidarbeitrages als betrieblich veranlasste Aufwendung gegeben war. Betriebsausgaben sind grundsätzlich in voller Höhe bei der für die Festsetzung der Steuerschuld relevanten Einkommens- bzw. Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Eine allgemeine Definition des Begriffs der Betriebsausgabe konnte jedoch bis heute nicht entwickelt werden47. Ohne den Begriff inhaltlich auszufüllen, sind jedenfalls nach der sowohl für die Einkommen- als auch die Körperschaftsteuer maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG48 Betriebsausgaben solche Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. 45

Zu behördlichen Gegenleistungen vgl. FG Düsseldorf, DStRE 2000, 630, 631 f. FG Düsseldorf, DStRE 2000, 630, 631 f. 47 Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 470. 48 Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage für die Festsetzung der Körperschaftsteuerschuld gilt die Verweisung in § 8 Abs. 1 KStG auf die Vorschriften des EStG sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach; Vgl. Schwedhelm in: Streck, KStG, 6. Aufl. 2003, § 8, Rz. 1; Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 11, Rz. 23. 46

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Unter Aufwendungen wiederum können ganz allgemein diejenigen Wertabflüsse verstanden werden, die nicht als Entnahme zu qualifizieren sind49. Sie gelten dann als betrieblich veranlasst, wenn sie objektiv in einem tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb50 stehen und subjektiv zur Förderung des Betriebs getätigt wurden bzw. werden51. Bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen wird jedoch regelmäßig auf eine entsprechende subjektive Motivation geschlossen. Dabei ist es für die Annahme einer betrieblichen Veranlassung grundsätzlich unerheblich, ob eine Rechtspflicht zu der konkreten Zahlung bestanden hat52. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die in Frage stehende Zahlung notwendig, angemessen, üblich oder zweckmäßig ist53. Daher können der Sache nach auch betriebliche Sachaufwendungen in Form unentgeltlicher Zuwendungen gewinnmindernd berücksichtigt werden54, soweit es sich nicht um Spenden im Sinne von § 10b EStG oder § 9 KStG handelt. Allerdings stellt § 4 Abs. 6 EStG klar, dass Förderungen zu staatspolitischen Zwecken keine Aufwendungen im steuerlichen Sinne darstellen können. Ebenso dürfte aber auch die Förderung allgemeiner politischer Ziele regelmäßig nicht betrieblich veranlasst sein55. Aus diesem Grunde sind insbesondere jene Fälle problematisch, in denen die fragliche Aufwendung lediglich dem Zweck dient, günstige betriebliche Rahmenbedingungen zu schaffen56. Die vorliegende Solidarzahlung hingegen kann der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden und ist damit Betriebsausgabe. Zwar soll auch sie in gewissem Umfang die Schaffung günstiger unternehmerischer Rahmenbedingungen bezwecken. Leistung und Gegenleistung stehen hier jedoch in einem derart konkreten Abhängigkeitsverhältnis zueinander, dass es sich nicht mehr um die Förderung allgemein- oder staatspolitischer Zwecke, sondern vielmehr allein um eine Aufwendung handelt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der künftigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung der betroffenen Unternehmen steht. Anders als bei der bloßen Schaffung günstiger Rahmenbedingungen wird der 49 BFH, BStBl II 1986, 904, 905; Crezelius in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 4, Rz. 142. 50 Zum Problem der außerbetrieblichen Sphäre bei Kapitalgesellschaften: BFH, BStBl II 1997, 548 f.; BFH, BStBl II 1998, 161 ff.; Vgl. dagegen: BFH, BStBl II 1988, 218, 221. 51 BFH, BStBl II 1981, 368, 369; Birk, Steuerrecht, 7. Aufl. 2004, Rz. 877; Dazu auch: Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 9, Rz. 212 ff., 227 ff. 52 Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 482. 53 BFH, BStBl II 1981, 368, 369; BFH, BStBl II 1986, 373, 374; Crezelius in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 4, Rz. 200; Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 483. 54 Vgl. Crezelius in: Kirchhof, EStG, 4. Aufl. 2004, § 4, Rz. 135, 142; Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 478. 55 Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 11, Rz. 71. 56 Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4, Rz. 520.

B. Inhalt und Auswirkungen

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eigene Unternehmenszweck nicht nur mittelbar, sondern durch die Absprache und die daraus resultierende Verknüpfung der gegenseitig zugesagten Leistungen unmittelbar gefördert. Da auch keine sonstigen gesetzlichen Abzugsverbote bestehen57, konnte die Zahlung in Höhe von DM 400 Mio. gewinnmindernd bei der Festsetzung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld berücksichtigt werden und dürfte somit die Steuerlast der zahlenden Unternehmen nicht unerheblich verringert haben. Vor diesem Hintergrund dürfte letztlich wohl auch die Tatsache zu sehen sein, dass viele Unternehmen den zugesagten Betrag möglichst noch zum Ausklang des Jahres 2001 zahlen wollten58. 4. Auswirkungen für die begünstigten Krankenkassen/die GKV a) Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte Es konnte bereits festgehalten werden, dass es sich bei der zwischen Bundesregierung und Verband Forschender Arzneimittelhersteller getroffenen Vereinbarung um eine sog. drittbegünstigende Absprache handelt, da als Letztbegünstigte die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen waren. Da jedoch die Beteiligten bewusst auf bindende Verpflichtungserklärungen hinsichtlich der jeweiligen Leistung verzichteten, ist nun von Interesse, in welcher Form die Vollzugsebene zwischen VFA-Unternehmen und GKV ausgestaltet wurde. Diesbezüglich sind hier grundsätzlich drei Alternativen in Erwägung zu ziehen: aa) Zahlung zugunsten des Bundes? Erstens ließe sich annehmen, dass die Krankenkassen zwar (Letzt-)Begünstigte gewesen sind, eigentlicher Empfänger der Leistung hingegen der Bundeshaushalt war. Davon ausgehend wäre fraglicher Solidarbeitrag grundsätzlich durch den Bund zugewendet worden, wobei die Zahlung aus Gründen der Abwicklungsvereinfachung direkt durch den VFA an die Krankenkassen erfolgt wäre. Die Zuwendung des Solidarbeitrags könnte sich somit in Wirklichkeit als Schenkung des VFA zugunsten des Bundes darstellen und hätte damit für die-

57 Zur Schenkung im Sinne von § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG: BFH, BStBl II 1993, 806; BFH, BStBl II 1982, 394. 58 Vgl. Handelsblatt vom 12.12.2001; Gemäß § 34 Abs. 1, 2 KStG galt ab dem Veranlagungszeitraum 2002 ein gesenkter Körperschaftssteuersatz i. H. v. 25 v. H., sofern Wirtschafts- und Kalenderjahr voneinander abwichen.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

sen nicht zuletzt auch unter haushaltsrechtlichen Aspekten erhebliche Auswirkungen gehabt59. Dagegen spricht jedoch, dass sich die Beteiligten gerade nicht rechtlich binden wollten. Dies gilt nicht nur im Rahmen der eigentlichen Absprache, sondern ist vielmehr auch bei der ihr nachfolgenden Vollzugsebene zu berücksichtigen. Damit aber kann weder ein Schenkungsversprechen im Sinne des § 518 BGB, noch eine vollzogene („Hand“-)Schenkung im Sinne des § 516 BGB vorgelegen haben. Doch auch unabhängig vom Vorliegen einer Schenkung gibt es für eine dahingehende Annahme, dass der Bund und nicht die GKV Empfänger der Solidarzahlung gewesen ist, kaum eine tragfähige Grundlage. Gegen diese Variante sprechen nämlich bereits sowohl das objektive Erscheinungsbild (vgl. auch Art. 2 AABG) als auch der tatsächliche Inhalt der Vereinbarung. Mithin ergeben sich kaum Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Zuwendung seitens des VFA an den Bund und nicht an die Krankenkassen erfolgt wäre. Allein unter dem Gesichtspunkt des Art. 120 GG findet sich ein (wenn auch schwacher) Argumentationsansatz: Gemäß Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG60 trägt der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung. In diesem Sinne könnte im Grunde auch der fragliche Solidarbeitrag verstanden werden. Ganz abgesehen von den zuvor bereits erwähnten Gründen spricht hiergegen jedoch Folgendes: Durch Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG werden Zuschüsse des Bundes erst bei Ausfall der Sozialversicherung initiiert61. Ausreichend ist zwar bereits auch das Vorliegen einer konkreten Gefährdungslage, wenn die Leistungsgrenzen des Versicherungsträgers objektiv und dauerhaft überschritten sind. Dahingehende Feststellungen sind jedoch zu keinem Zeitpunkt getroffen worden. Letztlich kann wohl auch nicht davon ausgegangen werden, dass die genannten Voraussetzungen (ungeachtet der angespannten finanziellen Situation der GKV) gegeben waren.

59 Insofern hätte die Absprache dann nicht nur unter dem Gesichtspunkt des AABG einer gesetzgeberischen Umsetzung bedurft, sondern unter Umständen auch im Rahmen des Haushaltsgesetzes (Gesetz im formellen, nicht aber materiellen Sinne) im Sinne von Art. 110 GG (Haushaltsplan und Haushaltsgesetz bilden nach allgemeiner Anschauung eine Einheit. Unterschiede im Rechtsaktcharakter bestehen mithin nicht. Vgl. BVerfGE 20, 93; 38, 126). Vgl. dagegen § 112 Abs. 1 BHO für die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Allgemein dazu: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1984, S. 1230 ff.; Nebel in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl., Art. 110 GG, Rz. 1 ff.; ders. ebda., § 112 BHO, Rz. 2. 60 Vgl. Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 120, III, Rz. 23 ff.; Bieback, VSSR 1993, 1 ff. 61 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 41; ders. in: Schulin, HS-KV, 1994, § 53, Rz. 53 ff.

B. Inhalt und Auswirkungen

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bb) Schenkung zu Gunsten der Krankenkassen? Denkbar wäre jedoch auch, dass in Vollzug der getroffenen Absprache eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB62 durch die VFA-Unternehmen unmittelbar an die Krankenkassen (bzw. an den Bundesverband der Betriebskrankenkassen, vgl. Art. 2 AABG) erfolgt ist (2. Alternative). Infolgedessen wären die Unternehmen zwar nicht gegenüber der Bundesregierung verpflichtet gewesen, wohl aber (wenn auch in anderer Weise) gegenüber den beteiligten Krankenkassen (zumindest gegenüber dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen), da sie nur unter erschwerten Bedingungen den geleisteten Betrag zurückfordern könnten (vgl. § 530 BGB). Insofern ergeben sich aber auch hier grundlegende Zweifel dahingehend, ob überhaupt eine Schenkung vorliegen kann, da es den Beteiligten grundsätzlich an dem Willen fehlt, sich rechtlich zu binden und sich zu irgendeiner Leistung zu verpflichten. Das gilt zwar zunächst nur für die eigentliche Absprache mit der Bundesregierung. Es ist aber kaum einsichtig, weshalb etwaige Erfüllungshandlungen bereits im Grundsatz einer anderen Beurteilung zugänglich sein sollten. Dessen zunächst ungeachtet muss in jedem Falle berücksichtigt werden, dass die VFA- Unternehmen mit der Zahlung an die Krankenkassen ihrerseits eine staatliche Gegenleistung beansprucht, zumindest aber bezweckt haben. Eine Schenkung unter Auflage (§ 525) kommt hierbei jedoch bereits aufgrund des Charakters der staatlichen Leistung nicht in Betracht, da diese nicht aus der Schenkung selbst erbracht wird. Denkbar wäre hingegen das Vorliegen einer Zweckschenkung, bei der die Erreichung eines bestimmten Zwecks zur Geschäftsgrundlage gemacht wird63. Die Nichtverwirklichung dieses Zwecks würde sodann zur Rückforderung gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB64 (ohne die Begrenzung aus § 527 BGB) berechtigen65. Da jedoch nicht die begünstigten Krankenkassen zu einer Leistung veranlasst werden sollten, ist diese Gestaltungsalternative zwar zweifelhaft, vor dem Hintergrund der getroffenen drittbegünstigenden Absprache (ähnlich dem unechten Vertrag zugunsten Dritter) jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Schließlich ließe sich auch eine (grundsätzlich mögliche) Schenkung unter einer aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingung oder aber unter dem Vorbehalt des Widerrufs annehmen. 62 Ein Schenkungsversprechen im Sinne von § 518 BGB kann hier mangels dahingehenden Rechtsbindungswillens nicht in Erwägung gezogen werden. 63 BGH, NJW 1984, 233; Staudinger/Cremer (1995), § 525, Rz. 12. 64 Beziehungsweise (bei weitgehend identischen Voraussetzungen) unter dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. 65 Vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1154; BGH, NJW 1984, 233; OLG Köln, NJW 1994, 1540, 1542; MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 525, Rz. 4; Staudinger/Cremer (1995), § 525, Rz. 12; Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 525, Rz. 11.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Fraglich ist daher, ob es sich vorliegend um eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB bereits dem Grunde nach handeln kann. Von ihrem Vorliegen kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn die Beteiligten darüber einig sind, dass die fragliche Zuwendung unentgeltlich sein soll66. Diese Einigung ist dabei Rechtsgrundabrede über das Behaltendürfen der zugewendeten Leistung67. Unentgeltlich ist eine Zuwendung dann, wenn sie nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Umstände nicht mit der Erlangung irgendeiner Gegenleistung zusammenhängt68. Dass der (vermeintliche) Schenker auch in eigenem Interesse handelt, ist hingegen für das Vorliegen einer Schenkung unschädlich. Unter Umständen erfolgende Gegenleistungen bleiben jedoch dann außer Betracht, wenn diese lediglich im Motivbereich oder unverbindlicher Wunsch geblieben sind69. Zumindest aus Sicht der begünstigten Krankenkassen könnte es sich daher bei fraglicher Zuwendung tatsächlich um eine Schenkung im vorgenannten Sinne handeln. Dem dürfte wohl auch die Auffassung der Bundesregierung entsprechen, nach der die Zahlung als freiwillige Solidarzahlung anzusehen ist und zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung zur jeweils zugesagten Leistung bestand. Dabei würde jedoch übersehen, dass die Motivation der Unternehmen nicht aus rein altruistischen Gründen, sondern vielmehr allein von wirtschaftlichen Überlegungen getragen gewesen sein dürfte. Der Zahlung von DM 400 Mio. nämlich lag letztlich die (mehr oder weniger) berechtigte Erwartung hinsichtlich eines gesetzgeberischen Untätigbleibens zugrunde. Diese Beziehung zwischen den jeweils zugesagten Leistungen muss jedoch grundlegende Berücksichtigung finden, da auch in den Fällen, in denen auf eine bestimmte Gegenleistung kein Rechtsanspruch besteht, ein Rückschluss auf die Unentgeltlichkeit der eigenen Leistung nicht zwingend ist. Von Entgeltlichkeit ist vielmehr jedenfalls dann auszugehen, wenn die Wirksamkeit der eigenen Leistung an die Bedingung des Erhalts der Gegenleistung gekoppelt ist (konditionale Verknüpfung)70, ohne dass hierauf ein Rechtsanspruch bestünde. Die Gegenleistung wird hier gerade durch die eigene Leistung erstrebt71. Im Gegen66 Bei der Versprechensschenkung gemäß § 518 verpflichtet sich der Schenker vertraglich zu einer künftigen, unentgeltlichen Leistung. Die Handschenkung dagegen setzt lediglich eine Einigung mit dem Beschenkten über die Unentgeltlichkeit der bereits zugewendeten Leistung (§ 516 Abs. 2 BGB) bzw. der gerade erfolgenden Zuwendung (§ 516 Abs. 1 BGB) voraus. Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 1412; Staudinger/Cremer (1995), § 516, Rz. 2, 5, 25; Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 516, Rz. 8; Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 7; Medicus, Schuldrecht II, 12. Aufl. 2004, S. 85 f. 67 MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 11; Erman/ Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 7. 68 BGHZ 5, 302, 305; BGH, NJW 1982, 436; RGZ 125, 380, 383; Staudinger/ Cremer (1995), § 525, Rz. 25; MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 13; Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 516, Rz. 8. 69 Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 8.

B. Inhalt und Auswirkungen

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satz zur Absprache selbst kann zwar bei Vollzugshandlungen grundsätzlich zwischen Wirksamkeit und tatsächlichem Leistungserfolg unterschieden werden. Eine konditionale Verknüpfung dürfte hingegen wohl nur im Ausnahmefall anzunehmen sein. Entgeltlichkeit ist schließlich aber auch dann anzunehmen, wenn die Gegenleistung nach den Vorstellungen der Parteien zum Zweck der eigenen Leistung gemacht wird (kausale Verknüpfung) und hierfür insofern die Geschäftsgrundlage bildet72. Im Gegensatz zur reinen Zweckschenkung wird somit die Vornahme der anderen Leistung als Gegenleistung für die eigene Zuwendung erwartet73. Dabei ist jedoch ein rechtlicher und nicht bloß rein tatsächlicher Zusammenhang zu fordern. Maßgebend wird insbesondere auch sein, mit welcher Intensität der Zuwendende sein Interesse an der Gegenleistung bekundet. Je stärker dieses im Einzelfall ausgeprägt ist, desto eher kann von Entgeltlichkeit ausgegangen werden74. Vorliegend wäre ohne die Zusage der Bundesregierung, auf gesetzliche Preisregulierungen für 2002 und 2003 verzichten zu wollen, die Zahlung eines „Solidarbeitrags“ seitens der Industrie weder verabredet, noch tatsächlich erbracht worden. Es kann grundsätzlich auch nicht davon ausgegangen werden, dass die beteiligten Unternehmen aus anderen Motiven heraus veranlasst wurden, eine derartige Zuwendung zu tätigen. Eine dahingehende Unterstellung, dass die Zahlung allein aus altruistischen Motiven heraus erfolgt ist, dürfte wohl trotz der Bezeichnung als „Solidarbeitrag“ an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen. Die vereinbarte staatliche Gegenleistung ist somit nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damit verbundenen Auswirkungen für den VFA von erheblichem wirtschaftlichen Interesse gewesen. Davon ausgehend war letztlich alleiniger Zweck der Zahlung die Verhinderung einer gesetzlichen Abschlagsregelung auf jene verschreibungspflichtigen Medikamente, die nicht der Festbetragsregelung unterlagen. Ohne ein dahingehendes Unterlassen seitens des Gesetzgebers aber wäre die Zahlung für die Unternehmen ohne jeglichen Nutzen geblieben. Aus diesem Grunde ist es nur folgerichtig, die jeweils zugesagten Leistungen beider Absprachepartner als durch Zweckbestimmung miteinander verknüpft zu bewerten. Damit aber ist die Leistung seitens der VFA nicht unentgeltlich, so 70 Vgl. etwa: BGHZ 116, 178, 181 f.; BGH, NJW 1951, 268; BGH, NJW 1982, 436; BGH, NJW 1984, 233; Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 8; Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 516, Rz. 8. 71 MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 18. 72 BGH, NJW 2002, 2469, 2470; MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 19; Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 8; PalandtWeidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 516, Rz. 8. 73 Zur Abgrenzung von Zweckschenkung und kausaler Verknüpfung mit einer Gegenleistung: MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 19. 74 Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 8.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

dass keine Schenkung zugunsten der GKV vorliegen kann. Auf dieser Grundlage liegt auch subjektiv keine Schenkung im Sinne des § 516 BGB vor, da es an der erforderlichen Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung mangelt75. Selbst wenn aus Sicht der beteiligten Krankenkassen von Unentgeltlichkeit der Leistung auszugehen wäre, so ist eine Einigung dennoch nicht zustande gekommen, weil hierfür bereits der Umstand schädlich ist, dass eine Partei die Zuwendung gewissermaßen als „Abgeltung“ einer Gegenleistung ansieht76. cc) Sonstige Zuwendung Als dritte und schlussendlich einzig verbleibende Alternative verbleibt somit nur die Möglichkeit, die fragliche Zahlung als unverbindliche Zuwendung eigener Art zu kategorisieren. Dabei gilt es auch hier den Umstand zu berücksichtigen, dass die Beteiligten im Rahmen der getroffenen Absprache lediglich einen freiwilligen Leistungsaustausch verabredeten, ohne sich rechtlich binden zu wollen. Wie gesehen, kann aber auch die Vollzugsebene grundsätzlich nicht anders bewertet werden, da dies andernfalls wohl dem tatsächlichen Willen der Absprachepartner (zumindest auf Seiten des VFA) zuwiderlaufen würde. Aus diesem Grunde gehen derartige Zuwendungen (jedenfalls vorläufig) nicht rechtsbeständig in des Vermögen des Begünstigten über, sondern können vielmehr jederzeit durch die einseitige Aufkündigung der Absprache erschüttert und damit herausverlangt werden. Solange jedoch die der Zuwendung zugrunde liegende Absprache Bestand hat, gewährt sie dem Bedachten ein Recht zum Behaltendürfen des Betrags77. Rechtsbeständig (und somit geschützt vor etwaigen Herausgabeverlangen des Zuwendenden) wird die Zuwendung jedoch dann, wenn und soweit sie den beabsichtigten Zweck endgültig und unumkehrbar herbeigeführt hat78.

75 Dazu: OLG Hamm, NJW-RR 1993, 1412; Staudinger/Cremer (1995), § 516, Rz. 2, 5, 25; Palandt-Weidenkaff, BGB, 64. Aufl. 2005, § 516, Rz. 8; Erman/Herrmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 516, Rz. 7; Medicus, Schuldrecht I, 15. Aufl. 2004, S. 85 f. 76 Vgl. allgemein dazu: BGH, WM 1990, 1790, 1792; OLG Düsseldorf, NVwZ-RR 1996, 668, 671; MünchKomm-Kollhosser, BGB, Band 3, 4. Aufl. 2004, § 516, Rz. 16. 77 Dazu: Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. 78 Siehe dazu Kapitel 8: „Rückzahlungsansprüche“ sowie Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. Zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch: BVerwGE 25, 72, 81; 71, 85, 87; 100, 56, 59 f.; 112, 351, 354; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 415; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 55, Rz. 19 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 792 ff.; Vgl. auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 335 f.; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142.

B. Inhalt und Auswirkungen

291

b) Grundsätzliche Berechtigung zur Annahme des gezahlten Betrags? Die Problematik, auf welcher Grundlage der Solidarbeitrag geleistet wurde, ist strikt von der Frage zu trennen, worauf sich vorliegend die Berechtigung der Krankenkassen zur Annahme des gezahlten Betrags gestützt hat. Klärungsbedarf ergibt sich hierbei deshalb, weil es den Kassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 SGB V) grundsätzlich nicht gestattet ist, Geldbeträge und sonstige vermögenswerte Zuwendungen ohne rechtliche Grundlage anzunehmen. Vor allem innerhalb der GKV herrschte diesbezüglich erhebliche Unsicherheit. Letztlich dürfte vor allem hierin die Ursache dafür begründet liegen, dass seitens der Krankenkassen anfänglich keine Bereitschaft gezeigt wurde, Zahlungen entgegenzunehmen79. Als alleinige Rechtsgrundlage untauglich ist die Vorschrift des Art. 2 AABG. Hiernach werden zwar explizite Regelungen hinsichtlich des Modus der Mittelverteilung getroffen. Im Übrigen aber dürfte diese Vorschrift zu unbestimmt sein, um eine tragfähige rechtliche Grundlage für die begünstigten Krankenkassen zu bilden. Eine solche kann sich aber vorliegend aus einer Zusammenschau mit den Regelungen des SGB V hinsichtlich der Finanzierung der GKV ergeben. Gemäß § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V werden die Mittel der Krankenkassen durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht80. Vom Begriff der sonstigen Einnahmen sind dabei alle Mittel erfasst, die keine Beiträge sind und der Krankenkasse zum Zwecke ihrer Finanzierung zufließen81. Grund und die Art der konkreten Zahlung sind hierbei nicht von Relevanz. Demzufolge kann auch die Solidarzahlung durch die VFA-Unternehmen ohne Einschränkung als sonstige Zahlung im Sinne der Vorschrift erfasst werden82. Die Berechtigung der Krankenkassen zur Annahme des Betrages ergibt sich somit aus § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V iVm. Art. 2 AABG.

79 Handelsblatt vom 12.12.2001; Dazu auch Kapitel 1: A. II. Die Rechtslage bis zum 31.12.2002 infolge der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA“. 80 Dazu: Hänlein in: LPK-SGB V, 2003, Vorbemerkung zu §§ 220–256, Rz. 1 ff.; § 220, Rz. 1; Engelhard in: Schulin, HS-KV, 1994, § 54, Rz. 4 ff; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 8, Rz. 145 ff.; Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 2: G. III. „Organisation und Finanzierung“. 81 Engelhard in: Schulin, HS-KV, 1994, § 54, Rz. 7; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 11, Rz. 10. 82 So wohl auch: Hänlein in: LPK-SGB V, 2003, § 220, Rz. 1, 8.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001 – Zulässigkeit der Handlungsform Bei der rechtlichen Beurteilung informeller Absprachen ist grundsätzlich zwischen der instrumentalen Ebene einerseits sowie inhaltlichen Aspekten andererseits zu differenzieren. Die Frage der Zulässigkeit der konkreten Handlungsform darf somit in keinem Falle mit dem Problem der inhaltlichen Rechtmäßigkeit vermischt werden. Auch die informelle Absprache kann demzufolge nur dann rechtmäßig sein, wenn die diesbezüglichen Kriterien beider Dimensionen vollumfänglich erfüllt sind83. Abgesehen von den bestehenden materiellen Anforderungen muss somit bereits die Wahl der Absprache selbst rechtsstaatlichen Grundsätzen und Anforderungen in jeder Hinsicht entsprechen. Anders als beim öffentlich-rechtlichen Vertrag bedarf es hierbei jedoch nicht der Entscheidung, ob sich die Unzulässigkeit der gewählten Handlungsform im Einzelfall nun aus § 54 S. 1 VwVfG84 oder aber aus § 59 Abs. 1 VwVfG iVm. § 134 BGB85 ergibt, da nach der hier vertretenen Ansicht ohnehin keine der beiden Vorschriften auf die informelle Absprache übertragen werden kann86. Folglich ergäbe sich die Unzulässigkeit der Absprache allein aus einem Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorrangs. Im Folgenden gilt es somit zu klären, ob die durch die Vereinbarung vom 08.11.2001 getroffene Entscheidung überhaupt in Form einer informellen Absprache ergehen durfte oder ob nicht vielmehr andere (formelle) Handlungsinstrumente hätten gewählt werden müssen.

I. Exkurs: Rechtsstaatsprinzip und Vorrang des Gesetzes 1. Überblick Entscheidende Determinante für die Erfassung und rechtliche Begrenzung informellen Handelns ist das Rechtsstaatsprinzip in seinen vielgestaltigen Ausprägungen, an dessen Vorgaben sich daher auch informelle Absprachen zu messen 83 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 114, 153; Insofern widersprüchlich: Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197; Vgl. auch: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; a. A. wohl: Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 647. 84 BVerwGE 23, 213, 216; 42, 331, 334 ff.; 91, 200, 202; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 41; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49, 54 f.; Vgl. Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 64 ff. 85 BayVGH, BayVBl 1991, 47, 49; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 54, Rz. 19; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 102; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 26, Rz. 26; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 559 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 390 f. 86 Dazu Kapitel 5: C. III. „Die analoge Anwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG“.

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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haben. Dieses Prinzip ist allumfassend und beeinflusst somit nicht nur die inhaltliche Ausgestaltung der Absprache, sondern ist vielmehr auch hinsichtlich der Festlegung des konkreten Handlungsmittels von äußerster Relevanz. Ausgehend von den Erläuterungen in Kapitel 587 soll daher an dieser Stelle zunächst noch einmal überblicksartig auf den damit zusammenhängenden Problemkreis eingegangen werden: Nach allgemeiner Auffassung wird unter dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit jenes Prinzip verstanden, nach dem die Ausübung staatlicher Macht allein auf der Grundlage von Verfassung und formell sowie materiell verfassungsgemäß erlassenen Gesetzen mit dem Ziel zulässig ist, Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten88. Dabei erfasst das Rechtsstaatsprinzip die unterschiedlichsten verfassungsrechtlichen Aspekte89. So spiegelt es sich, in Anlehnung an die bereits erfolgten Ausführungen, vor allem in den Elementen der Verfassungsstaatlichkeit90, der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheitlichkeit und Rechtsgleichheit91, der Aufteilung und Kontrolle aller staatlichen Gewalten92 sowie der Gewähr eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes durch unabhängige Gerichte in einem gesetzlichen geordneten Verfahren93 wider. Als weitere Kernbestandteile gelten daneben das Übermaßverbot als übergeordneter Leitmaßstab sämtlichen staatlichen Handelns94 sowie die Existenz eines Systems der Verantwortlichkeit staatlicher Or87

Vgl. ebenda: B. I. „Rechtsstaatsprinzip“. So ausdrücklich: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 781; Vgl. Hesse, Der Rechtsstaat im Verfassungssystem des Grundgesetzes, in: Festgabe für Rudolf Smend, 1962, S. 73; Huber, Niedergang des Rechts und Krise des Rechtsstaates, in: Festgabe für Zaccaria Giacometti, 1953, S. 59 f. 89 Statt Vieler dazu die Ausführungen von: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VII, Rz. 3 ff. mwN.; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 725 ff. mwN.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 759 ff. mwN.; Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 55 ff. mwN. Allgemein: Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997; Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991, S. 31 ff. 90 BVerfGE 39, 1, 59; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 787 f. 91 Zu den grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VII, Rz. 23; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 739; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 204; Vgl. zum Grundsatz der Rechtsgleichheit: BVerfGE 23, 12, 24; 38, 225, 228; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Aufl. 1995, § 6 II 2 lit. a), Rz. 205. 92 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 792 ff.; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 737. 93 Allgemein: BVerfGE 2, 380, 403 ff.; Bachof, VVDStRL 12 (1954), 37, 38; Vgl. Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VII, Rz. 27. Insbesondere zum Grundsatz der Verfahrensfairness: BVerfGE 26, 66, 71; 39, 238, 243; 40, 95, 99; 54, 100, 116; 57, 250, 270; 59, 128, 164. 88

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

gane und damit zusammenhängend die Gewährleistung eines hinreichenden Entschädigungssystems95. Von herausragender Bedeutung schließlich ist das äußerst vielgestaltige Element der Rechtsgebundenheit, das vor allem durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung96 mit seinen Ausprägungen des Gesetzesvorrangs sowie Gesetzesvorbehalts bestimmt wird97. Daraus resultierend ist das Recht alleinige Grundlage, zugleich aber auch Schranke für jegliches staatliches Handeln. Aus diesem Grunde erweist sich das Rechtsstaatsprinzip insbesondere auch als Sperre gegen eine Kommerzialisierung der Hoheitsverwaltung98, da es grundsätzlich der Rechtfertigung bedarf, wenn der Staat Leistungen von der Bereitschaft und/oder der Fähigkeit der Zahlung abhängig macht99. Während diese Rechtfertigung bei Gebühren und Beiträgen in dem Ausgleich des individualdienlichen Aufwands durch Individuallasten100 liegt, bedarf es somit insbesondere bei den kritisch zu beurteilenden Sonderabgaben einer strengen Prüfung hinsichtlich des Vorliegens von durchgreifenden Rechfertigungsgründen. Es wird daher noch zu sehen sein, inwiefern die vorliegende Vereinbarung diesbezügliches Konfliktpotential in sich trägt. Mit dem Prinzip der Rechtsgebundenheit sind schlussendlich auch die Grundsätze der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit eng verwoben. Dementsprechend gilt der Gedanke des Vertrauensschutzes als Kernbestandteil des Rechtsstaatsprinzips101. 94 Zum Übermaßverbot: BVerfGE 23, 127, 133; 35, 382, 400; 38, 348, 368; 57, 250, 270; 58, 283, 290: Zu dem damit zusammenhängenden Aspekt des Koppelungsverbots: BGH, NJW 1979, 642. 95 Siehe dazu auch die Ausführungen bei: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 855 ff. mwN.; Leisner, VVDStRL 20 (1962), 185, 187. 96 Dazu: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VII, Rz. 25; Ossenbühl in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 9, Rz. 7; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 805; Erichsen, Jura 1995, 550 ff.; Selmer, JuS 1968, 489 ff. 97 Vgl. E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 735; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 20 ff.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 120; Pietzcker, JuS 1979, 710; Erichsen, Jura 1995, 550; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7; Gusy, ZUR 2001, 1, 6. 98 Allgemein: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 182. 99 Ein gesonderter, über den allgemeinen Rahmen hinausgehender Prüfungsmaßstab ergibt sich hieraus indes zunächst nicht. Vielmehr sind auch hier die „allgemeinen“ Maßstäbe (Gesetzesvorbehalt, Gleichheitssatz, Koppelungsverbot etc.) die bestimmenden und zugleich begrenzenden Faktoren. 100 BVerfGE 7, 244, 254; 50, 217, 226. 101 BVerfGE 13, 261, 271; 30, 392, 403; 45, 142, 167; 55, 185, 203 f.; 57, 361, 392 f.; 67, 1, 15; Lange, Jura 1980, 456.

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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2. Der Vorrang des Gesetzes Durch den Vorrang des Gesetzes (vgl. Art 20 Abs. 3 GG) sind grundsätzlich alle staatlichen Akte an die jeweils höherrangigen Akte (Normen) gebunden102. Damit enthält dieser Grundsatz in erster Linie ein Anwendungsgebot und wird zugleich durch ein Abweichungsverbot ergänzt103. Daraus folgend bindet der Gesetzesvorrang allgemein die Exekutive an die Entscheidungen des Gesetzgebers104 und unterwirft sie somit auch der gerichtlichen Kontrolle. Ihm kommt daher neben seiner grundrechtssichernden Aufgabe zugleich auch eine kompetenzrechtliche Funktion zu. Ebenso wie die Bindung der Exekutive willkürliche Entscheidungen verhindert, ist auch der Gesetzgeber selbst grundsätzlich an die von ihm erlassenen Gesetze gebunden, sofern er sie nicht in einem neuen, förmlichen Gesetzgebungsverfahren abändert oder gänzlich aufhebt105. Unabhängig von ihrer konkreten rechtlichen Einordnung dürfen demnach grundsätzlich keine staatlichen Maßnahmen getroffen werden, die einem Gesetz widersprechen würden106. Bei der Wahl der informellen Absprache gilt es somit zu beachten, dass die handelnde Behörde im Rahmen der von ihr zugesagten Leistung den ihr eingeräumten Handlungsspielraum bereits in instrumentaler Hinsicht wahren muss, damit parlamentarisch beschlossene Regelungen im Ergebnis nicht unterwandert werden107. Nachdem bereits festgestellt wurde, dass die informelle Absprache nicht per se unzulässig sein kann108, bedarf es somit der sorgfältigen Prüfung, ob und 102 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 802 ff.; Ossenbühl in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 9, Rz. 7; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 120; Pietzcker, JuS 1979, 710; Kisker, NJW 1977, 1313 ff.; Erichsen, Jura 1995, 550; Vgl. für Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 267. 103 Gusy, JuS 1983, 189, 191; Erichsen, Jura 1995, 550 f. 104 Zugleich ist damit der äußerst problematische Themenkreis berührt, welche Sachverhalte allein dem Gesetzgeber zur Entscheidung durch Gesetz vorbehalten sind. Vgl.: E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 735. 105 Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 23. 106 BVerfGE 78, 214, 227; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 115; Dazu auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 118; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 266. 107 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 18; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 120; Vgl. auch: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 133; Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 90; Scherzberg, JuS 1992, 205, 210. 108 Vgl. Kapitel 4: B. I. „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“; Dazu auch: BVerfG, NVwZ 1999, 977; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft,

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

inwieweit ihre Verwendung im Einzelfall mit geltendem Recht vereinbar ist. Ebenso wie die Regelung des § 54 im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verträge schließt der allgemeine Vorrang des Gesetzes die Verwendung informeller Absprachen dann aus, wenn diesbezüglich gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, indem diese ausdrücklich oder im Wege der Norminterpretation entweder ein entsprechendes Verbot beinhalten oder aber eine Festlegung auf ein bestimmtes Handlungsinstrument vorsehen109. Insofern ist die Behauptung Kunigs, dass Absprachen anders als der Vertrag erst wegen ihres Inhalts in Konflikt mit der Rechtsordnung geraten könnten110, nur allzu missverständlich. Nach dem Gesagten erweist sich die informelle Absprache nämlich bereits dann als rechtswidrig, wenn im Einzelfall die Pflicht zum Handeln in einer formellen Handlungsform besteht111. Unproblematisch ist dies jedenfalls dann, wenn im Rahmen des jeweils einschlägigen Regelungskomplexes überhaupt keine Aussage (weder ausdrücklich, noch konkludent) zugunsten einer bestimmten Handlungsform getroffen wurde. Schwierig und nur mit äußerster Vorsicht sind hingegen jene Fälle zu beurteilen, in denen Entscheidungsverlagerungen aus gesetzlich vorgeschriebenen Handlungsformen heraus angestrebt werden. Im Ausgangspunkt kann hierbei nicht zuletzt auf die schon zuvor erwähnten Kriterien der

2001, S. 187; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 209; Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 6; Gentzcke, Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht, 1990, S. 119; Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip, 1990, S. 86, 88 ff.; Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 343; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 125; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 453 ff.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 230 ff. 109 Für öffentlich-rechtlichen Vertrag: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 18 ff.; § 54, Rz. 18 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 380 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 23; Di Fabio, DVBl 1990, 338, 342. 110 Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 111 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 18; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 160; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195 f.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 368; Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag vgl. auch: Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 67; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 26, Rz. 3 ff.; Für den Bereich des normersetzenden Absprachen folgt daraus deren Unzulässigkeit demzufolge dann, wenn im Einzelfall die Pflicht zur Gesetzgebung besteht (wobei dies, und in diesem Punkt ist Kunig zuzustimmen, nach inhaltlichen Aspekten zu beurteilen ist): Vgl. Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 204 ff.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 191 ff.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917; Vgl. BVerwGE 49, 244, 248; Jarass, DVBl 1985, 193, 197 f. (Verzicht auf Erlass eines Verwaltungsakts).

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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Flachglas-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen werden112.

II. Unzulässigkeit der Absprache aufgrund Pflicht zum Erlass eines Verwaltungsakts? Da ein generelles Verbot informeller Absprachen nicht existiert113, zugleich aber ein Vorrang formeller Handlungsinstrumente gegenüber informellen Verhaltensweisen nicht nachgewiesen werden kann114, ist die informelle Absprache grundsätzlich als Alternative zu Verwaltungsvertrag und Verwaltungsakt zulässig115, so dass der Bundesregierung bei der Auswahl des konkreten Handlungsmittels zunächst ein weites Auswahlermessen zustand. Gemäß den zuvor dargelegten Grundsätzen wäre die Vereinbarung vom 08.11.2001 allerdings bereits dann rechtswidrig und somit von vornherein unzulässig, wenn für den konkreten Sachverhalt der Erlass eines Verwaltungsaktes vom Gesetzgeber vorgesehen gewesen wäre. Bezogen auf die Absprache vom 08.11.2001 ist in diesem Zusammenhang insbesondere von Bedeutung, dass zwischen den Beteiligten die Zahlung einer Geldsumme zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbart wurde. Dahinter verbirgt sich die Problematik, dass das Abgabenrecht allgemein von einer vereinbarungsfeindlichen Grundtendenz geprägt ist116 und sich somit die 112 BVerwGE 45, 309 = NJW 1975, 70; BVerwG, NJW 1980, 2538; Siehe hierzu auch Kapitel 4: B. II. 3. „Verfassungsrechtliche und spezialgesetzliche Begrenzung“; Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 167 f.; Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201, 206; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49, 53; Looman, NJW 1996, 1439 ff. 113 BVerfG, NVwZ 1999, 977; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 187; Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 260; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 234; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 453 ff.; Vgl. Lecheler, BayVBl 1992, 545, 547. 114 Für den Vorrang formeller Handlungsinstrumente: Heintzen, Die öffentliche Warnung als Handlungsform der Verwaltung? in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/ v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 182 f. (behördliche Warnung); Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190, 230 ff. 115 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 136; Zur Problematik des § 10 S. 1 VwVfG und der damit verbundenen Vermutungswirkung zugunsten einer gewissen Formfreiheit: Kapitel 4: B. I. „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“; Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 10, Rz. 7; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 32, Rz. 6; Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990; S. 33; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 127 f.; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 131; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 220. 116 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 323; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7; Gurlit, Verwaltungsvertrag

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Frage stellt, inwiefern abgabenrechtliche Grundsätze Kollisionspotential mit der Absprache zwischen Bundesregierung und VFA aufweisen. Zwar belegen Vorschriften wie § 79 Abs. 3 ZollG 1961, § 33 Abs. 2 GewStG und § 224a AO, dass auch in diesem Bereich vertragliche Vereinbarungen nicht wesensnotwendig ausgeschlossen sind117. Dennoch wäre es verfehlt, von einer allgemeinen Zulässigkeit von Verträgen und Absprachen zu sprechen. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Vertragsformverbots in § 155 Abs. 1 AO. Insofern besteht für die vorliegende Vereinbarung auch unter diesem Gesichtspunkt Klärungsbedarf. 1. Das Handlungsformverbot gemäß § 155 Abs. 1 AO a) Allgemein: Die grundsätzliche Zulässigkeit abgabenrechtlicher Vereinbarungen Erfreuen sich konsensuale Handlungsinstrumente auch zunehmender Beliebtheit, so herrscht namentlich im Bereich des Abgabenrechts noch immer erhebliche Unsicherheit darüber, ob und inwieweit hier Vereinbarungen zwischen Staat und Privaten zulässig sind118. Dies gilt gleichermaßen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag, wie auch für die hier interessierende informelle Absprache. Bezogen auf den Vertrag findet sich jedenfalls in den Vorschriften der AO keine den §§ 54 ff. VwVfG entsprechende Regelung, obwohl im Übrigen ein weitgehender Anschluss an die Systematik des VwVfG erfolgt ist119. Zwar lässt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Entwurf einer Abgabenordnung120 ersehen, dass die Regelungen des VwVfG gerade nicht unreflektiert übernommen werden sollten121, ein weitergehender gesetzgeberische Wille kann ihnen jedoch nicht entnommen werden. So ist es denn auch kaum verwunderlich, dass die und Gesetz, 2000, S. 44; Vgl. BFHE 61, 137, 139; 62, 230, 231; 73, 312, 316; 78, 225, 228; 142, 549, 554 f.; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 124 ff.; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 4, Rz. 164; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 109; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 730; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 23 ff.; Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 128 ff.; Meyer, NJW 1977, 1705, 1708; Mohr, NJW 1978, 790, 791; Allesch, DÖV 1988, 103 ff.; Heun, DÖV 1989, 1053, 1060 ff. 117 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 359. 118 Dazu: BFH, NVwZ 1985, 863; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 124 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 54, Rz. 52; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 23 ff.; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 4, Rz. 164; Allesch, DÖV 1988, 103; Mohr, NJW 1978, 790 ff. 119 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 358. 120 BT-Drucks. 7/4292. 121 Vgl. dazu auch: Allesch, DÖV 1988, 103, 104.

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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hierzu vertretenen Ansichten von der Annahme eines grundsätzlichen Vertragsformverbots122 bis hin zur weitgesteckten Zulassung diesbezüglicher Vereinbarungen reichen123. Im Steuerrecht jedenfalls verlangt der Gesetzesvorbehalt einerseits die Wahl der öffentlich-rechtlichen Handlungsebene. Zugleich müsste er aber auch den Vertrag als Handlungsform weitgehend ausschließen124. Andererseits wird aber gerade aus der Regelung des § 78 Nr. 3 AO, nach der Beteiligte im abgabenrechtlichen Verfahren diejenigen sind, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat, gefolgert, dass die Abgabenordnung den öffentlichen-rechtlichen Vertrag zwar nicht ausdrücklich regele, allerdings grundsätzlich anerkenne. Wenn nämlich die Finanzbehörde überhaupt keinen Vertrag schließen kann, ist demzufolge auch keine Beteiligung am Verfahren möglich. § 78 Nr. 3 AO wäre somit eigentlich überflüssig. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass sich § 78 Nr. 3 AO allein zu der Frage äußert, wer am Verwaltungsverfahren beteiligt ist125. Der Begriff des Beteiligten ist allerdings rein formaler Natur, so dass materiell-rechtliche Aspekte hierbei keine Berücksichtigung finden können. Somit aber kann letztlich auch derjenige Verfahrensbeteiligter sein, mit dem die Behörde unzulässigerweise einen Vertrag geschlossen hat oder dies zu tun beabsichtigt126. Aus diesem Grunde kann der Regelung des § 78 Nr. 3 AO grundsätzlich keine Aussage über die Zulässigkeit abgabenrechtlicher Verträge entnommen werden. Steuerrechtliche Vereinbarungen im engeren Sinne, also jene, die die Begründung und Festsetzung einer Steuerschuld betreffen, können jedoch bereits im Hinblick auf ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (daraus resultierend mit den Geboten der Tatbestandsmäßigkeit und der Festsetzung der Steuern durch Steuerbescheid (vgl. § 155 Abs. 1 AO)127) kaum zulässig sein. Auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit und Abgabengleichheit128 (vgl. §§ 3, 38, 85 AO) wird dieser Schluss untermauert. Dies ist entgegen des ersten Anscheins nicht erst eine 122 Hierzu: BVerwGE 8, 329, 330; 48, 166, 168; Gern, KStZ 1979, 161; Heun, DÖV 1989, 1053, 1060. 123 Vgl. Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 323 ff.; Meyer, NJW 1977, 1705, 1708; Mohr, NJW 1978, 790, 791; Allesch, DÖV 1988, 103 ff. 124 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 109; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 730; Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen von Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 128 ff. 125 Ehlers, DVBl 1986, 529, 533. 126 Ehlers, DVBl 1986, 529, 533. 127 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 430; Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7; Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl. 2003, § 155, Rz. 2 ff.; Mohr, NJW 1978, 790, 791.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Frage der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit129, sondern bereits der Zulässigkeit der konkreten Handlungsform, wenngleich die Grenzen zwischen den Anforderungen an die Wahl der Handlungsform und materiellen Aspekten in diesem Punkt fließend sind. Demzufolge wird in der Literatur teilweise auch die Auffassung vertreten, bei § 78 Nr. 3 AO handele es sich um ein reines Redaktionsversehen130, so dass abgabenrechtliche Vereinbarungen im Grundsatz nicht möglich seien. Jedoch sollen Ausnahmen insbesondere bei Vorliegen atypischer Fallkonstellationen zulässig sein, ebenso aber auch dann, wenn Zweifel oder Ungewissheit über die Abgabenpflicht oder sonstige relevante Verhältnisse bestehen (Vergleichsvertrag131). Auch die Rechtsprechung hat wiederholt betont, dass öffentliche Abgaben grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden dürfen und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen132 (Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, vgl. auch § 3 Abs. 1 AO). Nach Auffassung des BFH133 muss jedoch zwischen Verträgen, Vergleichen und Absprachen über Steueransprüche einerseits (die erwähnten steuerrechtlichen Vereinbarungen im engeren Sinne) und tatsächlichen Verständigungen134 bzw. Vereinbarungen und Absprachen über eine bestimmte Sachbehandlung andererseits differenziert werden. Demnach sind (entsprechend der hier vertretenen Auffassung) zwar Vereinbarungen über Steueransprüche unzulässig135, nicht hingegen solche, die eine bestimmte Sachbehandlung zum Gegenstand haben (insbesondere bei schwierig zu ermittelnden tatsächlichen Umstän128 Vgl. diesbezüglich: BFHE 78, 225, 228; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 323 mwN.; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 44; Ehlers, DVBl 1986, 529, 533; a. A. wohl: Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 137. 129 So aber: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 565 f.; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 257 f.; Allesch, DÖV 1990, 270, 277; Mohr, NJW 1978, 790, 791. 130 Vgl. hierzu: Heun, DÖV 1989, 1053, 1056; Erichsen, VerwArch 70 (1979), 349, 356; Allesch, DÖV 1988, 103; Offengelassen von: BFH, NVwZ 1985, 863. 131 OVG Lüneburg, KStZ 1976, 71 ff.; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 55, Rz. 4; Gern, KStZ 1979, 161, 162; Vgl. Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 173 ff. 132 BVerwGE 8, 329, 330; 64, 361, 363; Ehlers, DVBl 1986, 529, 532. 133 Vgl. hierzu: BFHE 61, 137, 139; 62, 230, 231; 73, 312, 316; 78, 225, 228; 142, 549, 554 f.; BFH, NJW 1991, 1199, 1200; BFH, BStBl II 1985, 354 = BB 1985, 1519; BVerwGE 8, 329, 330; 48, 166, 168. 134 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 323; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 428 ff.; Bornhaupt, BB 1985, 1591; Rößler, DB 1991, 2458 ff.; ders., BB 1986, 1075 f. 135 Vgl. BFHE 61, 137, 139 (Vergleich); 73, 312, 316; 78, 225, 228; 142, 549, 554; Bornhaupt, BB 1985, 1591.

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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den)136. Auch in der Literatur hat diese Rechtsprechung starken Zuspruch erhalten137. Dies gilt hingegen nur dann, wenn die betreffende Vereinbarung die Zahlung einer Steuer zum Gegenstand hat. Bei Vereinbarungen über sonstige Abgaben, insbesondere Beiträge und Gebühren, soll demgegenüber nach verbreiteter Auffassung ein großzügigerer Maßstab anzulegen sein138. In zweifelhafter Weise werden daher weithin, namentlich im Bereich des Kommunalabgabenrechts, nicht nur Vergleichs-, sondern auch Austauschverträge als zulässig angesehen139. b) Die Regelung des § 155 Abs. 1 AO Gemäß § 155 Abs. 1 S. 1 AO werden Steuern durch Bescheid, d.h. durch Verwaltungsakt festgesetzt. Gemäß den allgemeinen Auslegungsregeln und unter Berücksichtigung der zuvor gewonnenen Erkenntnisse folgt hieraus die grundsätzliche Unzulässigkeit von steuerfestsetzenden Vereinbarungen140, unabhängig davon, ob diese nun rechtsverbindlich sind oder aber lediglich faktische Bindungswirkungen hervorrufen. Insofern ist der Wortlaut der Vorschrift eindeutig. Dieses Vertragsformverbot wird man entsprechend auch auf die Festsetzung anderer Abgaben (Gebühren, Beiträge etc.) zu übertragen haben141. Ohne Bedeutung ist zudem auch der Umstand, dass die an der Absprache Beteiligten einvernehmlich eine Entscheidung herbeiführen. Da hier nicht die Verletzung allein individualrechtsschützender Normen in Betracht kommt, kann diesbezüglich auch kein Rechts(ausübungs)verzicht seitens des Privaten erklärt werden,

136 BFHE 142, 549, 555; BFH, NJW 1991, 1199, 1200; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7. 137 Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 4, Rz. 165; Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 54, Rz. 52; Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 128 ff.; 173 ff.; Allesch, DÖV 1988, 103; Ehlers, DVBl 1986, 529, 533; Rößler, DB 1991, 2458 ff.; Mohr, NJW 1978, 790 ff.; Zweifelnd: Martens, JuS 1978, 607, 610 f. 138 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 45; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 7a.; Heun, DÖV 1989, 1053, 1060 ff.; Vgl. BVerwG, DVBl 1976, 309, 311 f.; BayVGH, BayVBl 1987, 335, 337; VGH BW, VBlBW 1987, 141; Allesch, DÖV 1988, 103; Für den Bereich der kommunalen Abgaben siehe hierzu auch die Verweisung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG (Bayern). 139 BayVGH, BayVBl 1987, 335, 337; Allesch, DÖV 1988, 103, 105. 140 Ebenso: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 359; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 257; Gern, KStZ 1979, 161. 141 Vgl. auch: BVerwGE 8, 329, 330; 64, 361, 363; Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 359; aA: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 257; Offen: Mohr, NJW 1978, 790, 793.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

der für die staatliche Seite in gewissem Umfang eine Lockerung der Rechtsbindung zur Folge hätte142. Die hier zu untersuchende Absprache zwischen Bundesregierung und VFA wäre demzufolge dann unzulässig gewesen, wenn durch sie eine Abgabe im rechtlichen Sinne festgesetzt worden wäre. Insofern gilt es nunmehr zu klären, wie der „Solidarbeitrag“ allgemein qualifiziert werden kann. Diese Fragestellung darf hingegen nicht mit jener Thematik verwechselt werden, wie die Zahlung im Verhältnis der sie erbringenden Unternehmen zur GKV zu bewerten ist143. Mit der diesbezüglichen Einordnung als unverbindliche Zuwendung eigener Art ist nämlich grundsätzlich noch keine Aussage dahingehend getroffen, ob sie nicht zugleich im Verhältnis zur Bundesregierung als Abgabe eingeordnet werden kann. Um welchen konkreten Abgabetyp es sich hier überhaupt handeln könnte, wird noch zu sehen sein. 2. Der Solidarbeitrag als Abgabe? Nach Auffassung der Bundesregierung war der geleistete Solidarbeitrag nicht als Abgabe, sondern vielmehr als freiwillige Zahlung einzuordnen. Viel gewonnen ist damit freilich nicht, da für die Ermittlung der Rechtsnatur einer Abgabe der konkret verwendeten Bezeichnung einer in Frage stehenden Zahlung kaum bzw. keine Relevanz zukommt. Entscheidend ist vielmehr deren materieller Gehalt144. Damit begründet auch der verwendete Begriff des „Solidarbeitrags“ allenfalls eine schwache Indizwirkung. a) Steuer? Allgemein können Abgaben nach Steuern, Gebühren, Beiträgen sowie sonstigen und nicht-fiskalischen Abgaben unterschieden werden145. In Anlehnung an die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 AO146 sind Steuern hoheitlich auferlegte, nicht freiwillige, einmalige oder laufende Geldleistungen, die der Deckung des 142

Dazu auch: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7. Dazu in diesem Kapitel: B. II. 4. lit. a) „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“. 144 BVerfGE 7, 244, 252; 55, 274, 304 f.; 92, 91, 108; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 42, Rz. 14; Heun, DVBl 1990, 666, 667. 145 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 104a, II, Rz. 8; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 42, Rz. 14; Balmes, DStZ 1990, 198, 199; Die Differenzierung zwischen den klassischen Abgabeformen Steuer, Beitrag und Gebühr ist grundsätzlich auch im Grundgesetz durch die Formulierung des Art. 105 Abs. 2 GG übernommen worden, vgl. Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825. 146 Nach herrschender Auffassung spiegelt sich auch der verfassungsrechtliche Steuerbegriff in § 3 AO wider. Vgl. diesbezüglich nur: BVerfGE 29, 402, 408; 38, 61, 79 f.; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1033. 143

C. Die informelle Absprache vom 08.11.2001

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öffentlichen Finanzbedarfs dienen147 und grundsätzlich unabhängig von einer Gegenleistung oder besonderen Kostenverantwortung erhoben werden. Sie werden grundsätzlich allen auferlegt, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die betreffende Leistungspflicht knüpft148. Damit ist von vornherein problematisch, dass allein die Krankenkassen innerhalb der GKV unmittelbar Begünstigte waren. Unter Berücksichtigung des Art. 106 GG nämlich sprechen gewichtige Gründe dafür, dass nur dann vom Vorliegen einer Steuer ausgegangen werden kann, wenn Empfänger der in Frage stehenden Zahlung ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen im Sinne der Vorschrift ist (jedenfalls Bund, Länder und Gemeinden und nach bestrittener Auffassung wohl auch Religionsgemeinschaften)149. Somit spricht bereits dieser Umstand in erheblichem Maße gegen die Einordnung des Solidarbeitrags als Steuer. Hinzu kommt, dass Steuern grundsätzlich unabhängig von einer staatlichen Gegenleistung erhoben werden. Dies ist hier jedoch äußerst fraglich, da die betreffende Zahlung durchaus in Zusammenhang mit dem zugesagten Verhalten (im Sinne eines gesetzgeberischen Unterlassens) seitens der Bundesregierung steht. Insofern lässt sich hier wiederum auf die bereits dargelegten Grundsätze zur Schenkung zurückgreifen150, so dass die Zuwendung aufgrund ihrer kausalen Verknüpfung mit der staatlichen Leistung Entgeltcharakter aufweist. Auch aus diesem Grunde ist hier letztlich nicht vom Vorliegen einer Steuer auszugehen, die unter materiellen Gesichtspunkten zudem auch gegen den Grundsatz des Besteuerungsverbots hoheitlicher Leistungen verstoßen würde151. Entscheidend ist jedoch folgende Überlegung: Steuern werden grundsätzlich hoheitlich (durch förmliches Gesetz) auferlegt152. Ihre Erhebung erfolgt somit ohne Rücksicht auf den Willen des Verpflichteten153. Demzufolge können auf147 Vgl. BVerfGE 3, 407, 435; 49, 343, 353; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105, II, Rz. 3 ff.; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 780; Birk, Jura 1985, 143, 144; Allgemein zum Steuerbegriff: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1052 ff. 148 Dazu: Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 4, Rz. 150; Hofmann, DVBl 1986, 537, 539. 149 Im Einzelnen ist in diesem Zusammenhang noch immer vieles außerordentlich umstritten: Vgl. allgemein: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105, II, Rz. 4; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 3, Rz. 15; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1057; Heun, DVBl 1990, 666, 667 ff. mwN. 150 Vgl. hierzu oben: B. II. 4. lit. a) „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFAUnternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“. 151 Siehe zu diesem Themenkreis auch: BVerfGE 31, 314, 331 ff. 152 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 79; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105, II, Rz. 6; Badura,

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

grund von Vereinbarungen der Sache nach getroffene Geldleistungspflichten grundsätzlich keine Steuer sein, da es ihnen (vom Erfordernis eines förmlichen Gesetzes einmal abgesehen) bereits an dem Merkmal der Auferlegung einer Leistungspflicht mangelt. Dass die beteiligten Unternehmen den vereinbarten Solidarbeitrag freiwillig zuwendeten, schließt daher die Qualifizierung desselben als Steuer grundsätzlich aus. Insofern ist der bereits erwähnten Auffassung der Bundesregierung durchaus zuzustimmen. Bedenken ergeben sich jedoch in den Fällen, in denen zwar formal die Zuwendung eines bestimmten Betrages vereinbart wird, im Ergebnis jedoch den an der Absprache beteiligten Unternehmen kein eigener Handlungsspielraum mehr verbleibt. Insofern könnte es im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen, trotz des äußeren Erscheinungsbildes vom Vorliegen einer einseitig hoheitlichen Auferlegung auszugehen. Mit der vorliegenden Situation ist dies allerdings nicht vergleichbar. Die beteiligten Unternehmen haben vollumfänglich sowohl den Inhalt und Umfang ihrer Leistung, als auch deren zeitliche Reichweite festgelegt, ohne dass hier einseitige Vorgaben seitens der Bundesregierung erfolgt wären. Dafür spricht auch der Umstand, dass die tatsächlich erfolgte Zahlung weit hinter den finanziellen Belastungen zurückgeblieben ist, die auf die Unternehmen im Falle der Umsetzung des geplanten gesetzlichen Abschlags zugekommen wären. Auch die Inaussichtstellung eines möglichen Normerlasses (Art. 2 AABG-E) seitens der Bundesregierung kann hier nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da dies für die VFAUnternehmen nicht mit dem Verlust jeglichen Handlungsspielraums verbunden war. Nach alldem ist somit die Einordnung des Solidarbeitrags als Steuer abzulehnen. Damit aber ist letztlich auch kein Fall des § 155 Abs. 1 AO gegeben, da hier nicht eine Steuer durch Vereinbarung erhoben wurde, sondern die Existenz eben dieser Vereinbarung das Vorliegen einer Steuer von vornherein ausschließt. b) Nichtsteuerliche Abgabe? Die Gruppe der nichtsteuerlichen Abgaben umfasst neben Gebühren und Beiträgen auch die sog. Sonderabgaben sowie sonstige Abgaben. Im Gegensatz zur Steuer sollen sie entweder einen dem Pflichtigen individuell zuzurechnenden Aufwand decken oder aber einen Aufwand, der einem Personenkreis zuzurechnen ist, dem der Pflichtige angehört154. Sonderabgaben iwS. hingegen werden

Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 730; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 4, Rz. 159; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 124. 153 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1057. 154 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 46; Heun, DVBl 1990, 666, 673; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1033.

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vornehmlich durch den allgemeinen Aspekt des Kompensations- und Ausgleichsgedankens geprägt155. Unter Gebühren werden hoheitlich auferlegte Abgaben156 verstanden, die entweder aufgrund eines dem Pflichtigen individuell zugeflossenen Vorteils oder aber zum Ausgleich von Kosten erhoben werden, die er zu verantworten hat157. Die Gebühr ist daher kausal mit einer staatlichen Gegenleistung dergestalt verbunden158, dass der Gebührenschuldner eine Leistung entgilt, „die ihm nur wegen seines Entgelts gebührt“159. Sie wird grundsätzlich von der juristischen Person erhoben, der die Erbringung der jeweiligen Leistung zuzurechen ist160. Schon aus diesem Grunde kann es sich bei der Solidarzahlung seitens der VFAUnternehmen nicht um eine Gebühr handeln. Hinzu kommt wiederum die Tatsache, dass der in Frage stehende Betrag nicht hoheitlich auferlegt wurde. Insofern kann auf die zur Steuer gemachten Ausführungen verwiesen werden. Aus den gleichen Erwägungen heraus war die fragliche Zahlung (trotz ihrer Bezeichnung als „Solidarbeitrag“) auch kein Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne. Darunter sind alljene Geldleistungspflichten zu verstehen, durch die der Pflichtige zum Bestand einer Einrichtung beiträgt, die ihm individualisierbar zu Benutzung zur Verfügung steht161. Da aber auch Beiträge grundsätzlich hoheitlich auferlegt werden162, scheiden sie bei der vorliegenden Betrachtung aus. Sonderabgaben umfassten als Auffangtatbestand ursprünglich alle Abgabenarten, die sich nicht als Steuern, Gebühren oder Beiträge rechtlich qualifizieren 155

Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1033. BVerfGE 7, 244, 254; 20, 257, 269; 50, 217, 226; 85, 337, 346; 108, 1, 13; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1066; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 775; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573, 580; Balmes, DStZ 1990, 198, 200. 157 BVerwGE 115, 125, 129; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 46; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 723; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 30. Aufl. 1998, S. 392; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 28; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 13; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573, 583; Heun, DÖV 1989, 1053, 1062; Balmes, DStZ 1990, 198, 199. 158 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1065. 159 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 181; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 775; Vgl. auch: BVerfGE 7, 244, 256; BVerwGE 4, 342, 346. 160 Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 28. 161 BVerfGE 50, 217, 226; BGHZ 98, 209, 215 ff.; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 723; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 181; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 30. Aufl. 1998, S. 392; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 42, Rz. 19; Balmes, DStZ 1990, 198, 200; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1034. 162 BVerfGE 7, 244, 254 f.; 14, 312, 317; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1066. 156

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ließen163. Sie bewegen sich im Grenzbereich zwischen Gegenleistungsabgaben einerseits und Steuern andererseits164. Aufgrund ihrer Sonderstellung im System der Abgaben bedürfen sie im konkreten Einzelfall jeweils einer gesonderten Rechtfertigung, weshalb durch sie ein Teil der Steuerpflichtigen zusätzlich belastet wird165. Insofern dürfen auf ihrer Grundlage auch nur spezielle staatliche Aufgaben finanziert werden166. Sonderabgaben werden allerdings ebenso wie die „klassischen“ Abgaben durch das Merkmal der hoheitlichen Auferlegung einer Geldleistungspflicht geprägt, so dass auch eine dahingehende Einordnung der Zahlungen ebenso ausscheidet, wie das Vorliegen einer sonstigen Abgabe167. Schlussendlich darf zwar nicht verkannt werden, dass der in Frage stehende Solidarbeitrag nicht frei von jeglichen Zwängen gezahlt wurde. Um eine Leistung im abgabenrechtlichen Sinne handelt es sich aus den vorstehenden Gründen dennoch nicht. Demzufolge stand der informellen Absprache zwischen Bundesregierung und VFA jedenfalls unter diesem Aspekt kein Handlungsformverbot entgegen. 3. Sonstiges Von der abgabenrechtlichen Problematik einmal abgesehen, ist ein weitergehender gesetzgeberischer Wille, der eine Pflicht zum Erlass eines Verwaltungsaktes begründen würde, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Im Hinblick darauf war die konkrete Verwendung der informellen Absprache als Handlungsinstrument somit zulässig. Insbesondere war hier auch kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X erforderlich, da die Zahlung des Solidarbeitrags grundsätzlich nicht als Leistung gemäß § 11 S. 1 SGB I verstanden werden kann168. 163

P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 222; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1014; Vgl. hierzu die umfassende höchstrichterliche Rechtsprechung: BVerfG 55, 274, 297 ff.; 57, 139, 166 ff.; 67, 256, 274 ff.; 75, 108, 146 ff.; Zur Abgrenzung der Sonderabgabe von der Steuer: Brodersen, Nichtfiskalische Abgaben und Finanzverfassung, in: FS für Gerhard Wacke, 1972, S. 103 ff.; Heun, DVBl 1990, 666, 667; Zu den damit verbundenen Problemen der rechtlichen Qualifikation derartiger Abgaben anhand des sog. „baden-württembergischen Wasserpfennigs“: Osterloh, NVwZ 1991, 823, 824 mwN.; Balmes, DStZ 1990, 198, 200; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 781; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1034. 164 BVerfGE 82, 159, 181; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1033. 165 BVerfGE 82, 159, 179; Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 96; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 21. 166 BVerfGE 82, 159, 178; 75, 108, 147; 67, 256, 275; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 95; Erichsen, Jura 1995, 47, 50; Allgemein hierzu: Hofmann, DVBl 1986, 537 ff. mwN. 167 Siehe aber Kapitel 7: C. II. „Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe?“.

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III. Unzulässigkeit der Absprache aufgrund Pflicht zum Erlass eines förmlichen Gesetzes? Allgemein besitzt die Bundesregierung ein (in sehr weitem Umfang bestehendes) Entschließungsermessen dahingehend, ob sie eine bestimmte Materie überhaupt einer gesetzlichen Regelung zuführen möchte oder nicht. Insofern bleibt es ihr zunächst unbenommen, einen konkreten Lebenssachverhalt ungeregelt zu lassen, um statt dessen das ursprünglich beabsichtigte Regelungsziel auf anderem (hier: informellem) Wege zu erreichen. Das gilt hingegen dann nicht, wenn im Einzelfall eine Pflicht zum Erlass eines Gesetzes besteht. Wer nämlich rechtlich zu einem Tun verpflichtet ist, darf nicht zugleich ein Unterlassen in Aussicht stellen169. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der vorangegangen Ausführungen für den Fall, dass zwar keine Gesetzgebungspflicht i. e. S. besteht, der Inhalt der Absprache jedoch ausschließlich durch Gesetz umgesetzt werden darf. 1. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung Zunächst ist zweifelhaft, ob Gegenstände der Gesetzgebung überhaupt tauglicher Bezugspunkt einer informellen Absprache zwischen Staat und Privaten sein können. Da ein allgemeines Verbot von Normsetzungsabsprachen nicht existiert, bietet sich zunächst wiederum ein Vergleich mit der Parallelproblematik beim öffentlich-rechtlichen Vertrag an. Nach früherer Ansicht waren sog. Normsetzungsverträge170 per se unzulässig171. In jüngerer Zeit wurde dann jedoch (jedenfalls für den Bereich des exekutiven Normerlasses) zunehmend zwischen echten und unechten Normsetzungsverträgen differenziert172.

168 Vgl. hierzu die auch die Ausführungen in Kapitel 3: F. „Die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 SGB X?“. 169 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 173; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796. 170 Der Bergriff der Normsetzungsvertrags ist nicht mit dem des Normvertrags zu verwechseln. Normverträge nämlich können sich auch auf Dritte erstrecken, da ihnen normative Wirkung zukommt. Vgl. Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 149; Birk, NJW 1977, 1797 ff. Zu den Normverträgen im Sozialrecht (wenn auch unter Verkennung der terminologischen Unterschiede): Sodan, NZS 1998, 305 ff. 171 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 278; Frowein, Die Bindung des Gesetzgebers an Verträge, in: FS für Werner Flume, Bd. I, 1978, S. 301 ff.; Di Fabio, DVBl 1990, 338, 342. 172 Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 54, Rz. 54; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 273 ff.; Kloepfer/Els-

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Gegenstand echter Normsetzungsverträge ist die Verpflichtung zum Erlass, zur Änderung, zur Ergänzung oder Aufhebung einer Norm. Ihre grundsätzliche Unzulässigkeit steht weithin außer Frage173, da sie das mit verschiedenen Sicherungsmechanismen versehene Rechtsetzungsverfahren unterlaufen, so dass insofern die Gewähr für eine angemessene Abwägung und ein hinreichend durchschaubares Verfahren nicht mehr besteht174. Die beschriebenen Gefahren bestehen bei den sog. unechten Normsetzungsverträgen, die vor allem im Bereich des Bauplanungsrechts von einiger Bedeutung sein dürften, zunächst einmal nicht. Diese Verträge beinhalten allein die Verpflichtung zur Beibehaltung einer bereits bestehenden Vorschrift oder zum Nichterlass einer geplanten Norm (Beibehaltung des status quo)175, so dass der Gesetzgeber weder zu einer bestimmten Rechtsetzung verpflichtet, noch in seiner inhaltlichen Entscheidungsfreiheit präjudiziert bzw. in seiner Abwägung beschränkt wird. Unechte Normsetzungsverträge beschränken zwar das Rechtsetzungsermessen als solches176. Ihr Bezugspunkt ist damit aber allein die Normsetzungsinitiative, so dass grundsätzlich keine Verfahrenssicherungen der Normgebung selbst unterlaufen werden können177. Dementsprechend werden sie denn auch nach überwiegender Auffassung als zulässig erachtet178. Unerheblich ist es hierfür zunächst, ob die Vereinbarung auf einem entsprechenden Beschluss des zur Normsetzung befugten Organs beruht179, da dies allein eine Frage der Kompetenz, nicht aber der Zulässigkeit der Handlungsform ist. ner, DVBl 1996, 964, 969; Scherer, DÖV 1991, 1, 4; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Birk, NJW 1977, 1797, 1798. 173 BVerwG, NJW 1980, 2538; BGHZ 71, 386, 390 f.; 76, 16, 22; OVG Lüneburg, DVBl 1978, 178 ff.; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54, Rz. 141; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 303; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Andeutend: Tiedemann in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 54, Rz. 62; Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag wird die Unzulässigkeit teilweise auch direkt aus § 54 S. 2 VwVfG gefolgert, nach dem der Vertrag zwar anstelle des Verwaltungsakts, nicht aber eines Gesetzes zulässig sei. Vgl. insofern auch: Papier, JuS 1981, 498, 500; Stettner, AöR 102 (1977), 544, 556 ff.; Birk, NJW 1977, 1797, 1798 ff.; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 174 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 149; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 165; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 274; Vgl. auch: BVerwG, NJW 1980, 2538; BGHZ 71, 386, 390 f.; 76, 16, 22; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 503. 175 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 206; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 165; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362; Scherer, DÖV 1991, 1, 4. 176 Dieser Umstand wird jedoch noch unter inhaltlichen Aspekten von einigem Interesse sein. 177 Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343; Vgl. auch: v. Zezschwitz, JA 1978, S. 497 ff. 178 Im Einzelnen strittig ist vor allem die Frage, ob und inwieweit die Vorschriften des VwVfG auf unechte Normsetzungsverträge Anwendung finden können.

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Im Grundsatz können die vorstehenden Ausführungen auch auf informelle Absprachen übertragen werden. Demnach wird man auch hier zu differenzieren haben: Beinhaltet die Absprache lediglich die Erhaltung des status quo, also den Nichterlass bzw. die Beibehaltung einer Rechtsnorm (unechte Normerlassabsprache180), so bestehen gegen deren generelle Zulässigkeit grundsätzlich keine Einwände. Dies folgt wiederum aus der Erwägung, dass hierdurch die rechtsstaatlichen Anforderungen an ein ordentliches Normsetzungsverfahren nicht unterlaufen werden können, da der Normgeber nicht zu einer bestimmten Rechtsetzung verpflichtet wird und er somit weder in seiner inhaltlichen Entscheidungsfreiheit präjudiziert, noch in der Fähigkeit der Abwägung beschränkt wird. Zudem steht es dem Normsetzer grundsätzlich frei, entweder eine bestimmte Norm zu erlassen oder aber gänzlich untätig zu bleiben. Dann aber muss es ihm auch möglich sein, zwischen diesen beiden Extrempunkten liegende Handlungsweise zu wählen181. Aus diesem legislativen Handlungs- und Gestaltungsfreiraum beziehen normersetzende Absprachen somit ihre grundsätzliche Legitimation182. Anders sind wiederum jene Fälle zu beurteilen, in denen die beteiligte Behörde den Erlass, die Änderung, eine Ergänzung oder die Aufhebung einer Norm in Aussicht stellt (echte Normerlassabsprache). Da auch hier die begründete Gefahr der Überwindung materieller Verfahrenssicherungen besteht, sind solche Vereinbarungen von vornherein unzulässig. Dem steht auch nicht die rechtliche Unverbindlichkeit der Absprache entgegen, da die Gefährdungslage bei Vertrag und Absprache insofern nahezu identisch ist. In keinem Falle näm179 So aber: Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 54, Rz. 58; Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 5, Rz. 503; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 274; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 165. 180 Zur Kritik am Begriff der Normsetzungs- bzw. normersetzenden Absprache vgl. die Ausführungen in Kapitel 4: D. II. 3. „Normvollziehende, -vorbereitende und -ersetzende Absprachen“; Zu den (vermeintlich) terminologischen Schwierigkeiten: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 63 ff.; Würfel, Informelle Absprachen in der Abfallwirtschaft, Diss. Freiburg 1994, S. 71; Dragunski; Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 121 f.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 206; Vgl. im Übrigen: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 15; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III, § 59, Rz. 158 ff.; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 98; Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 250 f.; Wolf, Normvertretende Absprachen und normvorbereitende Diskurse in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 138 ff.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 14; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1112; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1195; Oebbecke, DVBl 1986, 793; Becker, DÖV 1985, 1003, 1007; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343. 181 Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343. 182 Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 362.

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lich dürfen materielle Zielvorgaben und Sicherungsmechanismen unterlaufen werden, indem sich die Behörde durch bloßes Ausweichen in die Informalität faktisch zu etwas verpflichtet, was ihr im Rahmen rechtsverbindlichen Handelns verwehrt wäre. Grundlegende Unterschiede im Vergleich zum öffentlich-rechtlichen Vertrag ergeben sich hingegen in Bezug auf die Differenzierung zwischen exekutivem und legislativem Normerlass. Nach verbreiteter Auffassung sollen Verträge auf Legislativebene überwiegend unzulässig sein, während hinsichtlich des exekutiven Normerlasses auf die zuvor beschriebene Einteilung in echte und unechte Normsetzungsverträge zurückgegriffen wird183. Die Unzulässigkeit von Vereinbarungen auf legislativer Ebene wird dabei überwiegend auf folgende Argumente gestützt: Zum einen verstoßen vertragliche Verfügungen über parlamentarische Gesetzgebungsbefugnisse gegen den Grundsatz, dass ein neugewähltes Parlament nicht vom vorherigen gebunden werden kann184. Zum anderen würden dahingehende Verpflichtungen kaum mit der herausgehobenen Stellung des Parlaments als besonderem Vertretungsorgan des Volkes und der damit einhergehenden Souveränität zu vereinbaren sein185. Weil informelle Absprachen jedoch keine rechtlichen Bindungswirkungen zu erzeugen vermögen, greifen die gegen vertragliche Vereinbarungen vorgebrachten Bedenken hier nicht, da das Parlament grundsätzlich nicht gebunden wird und somit auch nicht eines Teils seiner Souveränität beraubt werden kann. Mögen die bereits erwähnten faktischen Bindungswirkungen im Einzelfall sicherlich von äußerst ausgeprägter Natur sein, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass eine rechtliche Bindung an die getroffene Vereinbarung nicht besteht. Während also ein gleichlautender Vertrag nichtig wäre186, kann eine informelle Absprache allein aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit im Einzelfall durchaus zulässig sein. Die im Zusammenhang mit „Legislativabsprachen“ auftretenden Probleme dürften somit wohl überwiegend auf kompetenzrechtlicher Ebene zu verorten sein. Die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA betrifft nicht die Ebene der Normsetzung, sondern vielmehr die der Normvermeidung bzw. Normersetzung. Auch wenn sie letztlich auf das AABG in seiner endgültigen Fassung gestaltenden Einfluss nahm, zielt sie doch im Kern auf den Nicht-Erlass einer 183 Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 164; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 206; Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; aA. insoweit: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 275. 184 Vgl. diesbezüglich nur die Ausführungen bei: Di Fabio, DVBl 1990, 338, 343 mwN. 185 Achterberg, Parlamentsrecht, 1986, S. 94. 186 So ausdrücklich Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Vgl. Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 164.

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Regelung im Rahmen eines förmlichen Gesetzes (Art. 2 AABG-E). Ihr alleiniger Gegenstand war somit die (politische) Bindung des Gesetzesinitiativrechts der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 1 GG187. Im Anschluss an die vorangegangen Ausführungen bestehen daher (jedenfalls unter dem Aspekt der Zulässigkeit von gesetzgebungsbezogenen Vereinbarungen) keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Absprache. In jedem Falle muss aber auch hier das Problem der Zulässigkeit der Handlungsform von der Frage der inhaltlichen Zulässigkeit einer Norm(er)setzungsabsprache unterschieden werden. Neben kompetenzrechtlichen Aspekten wird daher auch insbesondere von Interesse sein, ob der Gesetzgeber durch die inhaltliche Ausgestaltung der Absprache in unzulässiger Weise (faktisch) gebunden wurde188. An späterer Stelle wird daher noch einmal hierauf zurückzukommen sein. 2. Finanzverfassungsrechtliche Anforderungen a) Allgemeines Die Finanzverfassung als organischer Bestandteil des Grundgesetzes189 bildet das verfassungsrechtliche Rückgrat der ökonomischen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland190. Unter Finanzverfassung im engeren Sinne wird die im Grundgesetz geregelte Ordnung der staatlichen Finanzhoheit verstanden, die durch Legislative, Exekutive und Judikative ausgeübt wird. Allgemein zählen hierzu diejenigen Vorschriften des Verfassungsrechts, die sich auf die öffentlichen Finanzen beziehen191. Von den staatlichen Finanzmonopolen einmal abgesehen, bezieht das Grundgesetz sowohl Gesetzgebungskompetenzen (Art. 105 GG), als auch Ertrags(Art. 106, 107 GG) und Verwaltungshoheit (Art. 108 GG) nahezu ausschließlich auf die Steuer als Instrument der Finanzierung192. Andere Einnahmearten bleiben hingegen unberücksichtigt193.

187 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 936 f. (zum Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie). 188 Dazu auch die nachfolgenden Ausführungen unter: E. II. „Unzulässige Vorwegbindung des Gesetzgebers?“. 189 Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 78; F. Klein in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1104; Hofmann, DVBl 1986, 537, 544. 190 Vgl. hierzu: BVerfGE 66, 249, 266; 78, 249, 266; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 79. 191 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 3. 192 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 45 f.

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Aus dem hierin fest verankerten Prinzip der Steuerstaatlichkeit194 folgt demzufolge das grundsätzliche Gebot, dass der Finanzierung staatlicher Aufgaben grundsätzlich die in der Finanzverfassung geregelten Einnahmequellen zugrunde zu legen sind195. Die Steuer ist aus diesem Grunde letztlich vorrangig und keine Frage des „politischen Geschmacks“196. Nicht nur unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Grundrechtseingriffs dürfen demzufolge andere Formen der Einnahmeerzielung nur in besonderen Ausnahmefällen unter Berücksichtigung strenger Anforderungen in Anspruch genommen werden. Als übergeordneter Leitmaßstab sichert das Prinzip der Steuerstaatlichkeit somit zum einen die individuelle Freiheit des Einzelnen, indem es die staatlichen Möglichkeiten begrenzt, in beliebiger Weise auf das persönliche Vermögen des Bürgers zuzugreifen197. Zugleich wird damit aber auch in nicht zu verkennender Weise dem Sozialstaatsprinzip Rechnung getragen. Finanziert sich der Staat nämlich gegenleistungsunabhängig und begibt sich somit nicht in die Abhängigkeit des jeweiligen Finanziers, bleibt sichergestellt, dass er seinen vielfältigen sozialstaatlichen Aufgaben uneingeschränkt nachkommen kann. Gleichzeitig wird das Prinzip des sozialen Rechtsstaats in der geltenden Rechtsordnung zwar nicht ausschließlich, doch immerhin zu einem ganz erheblichen Teil durch finanzielle Transferleistungen verwirklicht. Hierdurch bedingt kommt der Finanzverfassung somit originär eine unterstützende Funktion hinsichtlich des Sozialstaatsprinzips zu, ohne aber zugleich einen (darüber hinausgehenden) prägenden Einfluss zu nehmen198. Die genannten Grundsätze sind letztlich aber auch Ausdruck des Demokratieprinzips, nach dem sich jegliches staatliches Handeln auf die Allgemeinheit des Staatsvolks stützt. Dies wiederum legt es nahe, die Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht Einzelnen, sondern grundsätzlich der Allgemeinheit aufzuerlegen (Prinzip der Lastengleichheit)199. Nicht zuletzt dieser Umstand gebietet es

193 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 104a, II, Rz. 8; ders. ebda., Art. 105, II, Rz. 2; Jarass, DÖV 1989, 1013; Vgl. auch BVerfGE 72, 330, 398 ff.; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 761. 194 BVerfGE 78, 249, 267; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 45; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 722. 195 Rodi, Steuerrecht als Mittel der Umweltpolitik in: Becker-Schwarze/Köck/ Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 131; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 761. 196 Osterloh, NVwZ 1991, 823, 826; BVerfG, NJW 1988, 2529. 197 BVerfGE 78, 249, 266; Rodi, Steuerrecht als Mittel der Umweltpolitik in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 131. 198 Allerdings ist hierbei auch Art. 120 GG zu berücksichtigen. Vgl. diesbezüglich auch die Erläuterungen von: Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 86 („egalisierendes Moment“).

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daher, an die Auferlegung von Sonder- und sonstigen Abgaben strenge Maßstäbe anzulegen. b) Unzulässigkeit der Absprache als Handlungsinstrument? Nach dem Vorgesagten stellt sich nun jedoch insbesondere die Frage, wie die vereinbarte Zahlung unter dem Blickwinkel der finanzverfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen ist. Kritiker der Absprache zwischen Bundesregierung und VFA haben immer wieder darauf verwiesen, derartige Vereinbarungen seien schon deshalb unzulässig, da andernfalls die Aushöhlung der bundesstaatlichen Finanzverfassung drohe. Mag diese Kritik zuweilen nicht immer von der hier gebotenen Sachlichkeit begleitet gewesen sein, so scheint sie jedenfalls nicht vollkommen unberechtigt. Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht möglich ist, in beliebiger Weise neuartige Abgabenformen einzuführen, die in Wahrheit Steuercharakter haben und aus diesem Grunde den Regelungs-, Ertrags- und Verwaltungszuständigkeiten der Finanzverfassung zu unterwerfen wären200. Eine Finanzierung neben der Verfassung ist somit rechtswidrig – Abgaben, die keine Steuern sind, müssen als Ausnahme vom Prinzip des Steuerstaats gerechtfertigt sein201. Wie gesehen handelt es sich allerdings bei dem gezahlten Solidarbeitrag nicht um eine Abgabe, so dass fraglich erscheint, ob hier überhaupt Konfliktpotential mit den zuvor dargelegten Grundsätzen besteht. Der Vorrang des Prinzips der Steuerstaatlichkeit schließt grundsätzlich nicht aus, dass sich der Einzelne auf freiwilliger Basis an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligt, wie die ausdrückliche Zulassung von Spenden bereits im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht belegt (vgl. § 10b EStG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Insofern sind Zuwendungen wie jene zugunsten der GKV zunächst unbedenklich. Anders aber stellt sich die Situation wohl dann dar, wenn es sich bei der vermeintlich freiwilligen Zuwendung in Wirklichkeit um eine versteckte Steuer handelt, so dass (ähnlich dem Problem der Sonderabgaben) die begründete Gefahr des gezielten Unterlaufens finanzverfassungsrechtlicher Grundsätze besteht. In derartigen Fällen wird insbesondere zu fragen sein, ob anstelle der Vereinbarung zur Erbringung einer Geldleistung ein (Steuer-)Gesetz mit entsprechendem Inhalt hätte erlassen werden müssen.

199 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 46. 200 Vgl. insbesondere zu dem damit eng verbundenen Problem der Sonderabgaben: BVerfGE 55, 274, 304; Hofmann, DVBl 1986, 537, 544. 201 BVerfGE 82, 159, 179; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45; Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71, 96.

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Bezogen auf die vorliegende Absprache würde dies zunächst jedoch einmal voraussetzen, dass die Zahlung dem Wesen einer Steuer derart ähnlich wäre, dass sich hier bereits von einer zielgerichteten Umgehung grundlegender Prinzipien im Sinne eines Formenmissbrauchs sprechen ließe202. Einer solchen Annahme steht hierbei nicht bereits der Umstand zwingend entgegen, dass die in Frage stehende Zuwendung nicht direkt an den Bund, sondern vielmehr an die Krankenkassen innerhalb der GKV erfolgt ist. Damit nämlich ist grundsätzlich noch keine weitergehende Aussage dahingehend getroffen, ob es sich hierbei nicht um eine Zahlung gleicher Wirkung handelt, die unter Umständen den gleichen Rechtmäßigkeitsanforderungen zu unterwerfen wäre, wie eine Abgabe im „klassischen“ Sinne. Eine Zahlung gleicher (d.h. steuerähnlicher) Wirkung ließe sich unter Umständen aber dann annehmen, wenn der Industrie im Rahmen der Vereinbarung und der nachfolgenden Zuwendung mangels tatsächlicher Handlungsalternativen überhaupt kein eigener Handlungsspielraum mehr verblieben wäre. Dies jedoch war vorliegend gerade nicht der Fall, wie bereits festgestellt werden konnte203. Die staatliche Drohung mit einem möglichen Normerlass reicht jedenfalls für sich genommen noch nicht aus. Zudem besteht die Gefahr des Unterlaufens finanzverfassungsrechtlicher Grundsätze auch dann nicht, wenn der fraglichen Zahlung eine Gegenleistung gegenübersteht204. Dann nämlich kann von einer charakteristischen Steuerähnlichkeit keine Rede mehr sein. Mag der Steuer im Rahmen der Staatsfinanzierung aus den genannten Gründen sicherlich ein gewisser Vorrang einzuräumen sein, so wird hierdurch nicht die Erschließung neuer Finanzierungsquellen von vornherein ausgeschlossen. Aufgrund der kausalen Verknüpfung der jeweils zugesagten Leistungen sind diese Voraussetzungen auch vorliegend gegeben. Anders als bei einer Steuer entstand somit im Rahmen der zu untersuchenden Absprache für die zahlenden Unternehmen (und nicht nur für die Gruppe) ein der Zuwendung korrespondierender, individuell messbarer Vorteil205. Auch dies lässt die Annahme, bei dem gezahlten Solidarbeitrag könnte es sich um eine versteckte Steuer handeln, im Ergebnis fehlgehen. Da durch die Absprache in Bezug auf finanzverfassungsrechtliche Anforderungen grundsätzlich auch nicht in Länderkompetenzen eingegriffen wurde (allenfalls ließe sich dies für die gesetzgeberische Umsetzung in Art. 2 AABG annehmen), ist schließlich auch unter diesem Punkt kein etwaiger Verstoß gegen die Art. 104a ff. GG erkennbar206. Unter finanzverfassungsrechtlichen Ge202 Vgl. diesbezüglich auch: BVerfGE 55, 274, 304 ff.; 75, 108, 147; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1014. 203 Siehe dazu oben: C. II. 2. lit a) „Steuer?“. 204 BVerfGE 67, 256, 274 f.; 78, 249, 266; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1015. 205 Für Sonderabgaben vgl. insbesondere auch: BVerfGE 78, 249, 268; Kloepfer/ Follmann, DÖV 1988, 773, 582 ff.; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1015; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 775 f.

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sichtspunkten kann somit im Ergebnis noch keine Unzulässigkeit von Vereinbarungen wie der vorliegenden begründet werden. 3. Erfordernis eines förmlichen Gesetzes aufgrund der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts? Die Besonderheit normersetzender Absprachen zwischen Privaten und an der Gesetzgebung beteiligten Organen liegt nicht zuletzt auch darin begründet, dass sie sich auf der Grenzlinie zwischen exekutivem und legislativem Handeln bewegen, ohne jedoch Legislativakte zu sein. Damit aber besteht die nicht unbegründete Gefahr der Aushöhlung parlamentarischer Befugnisse und Interessen und somit der Verschiebung des grundgesetzlichen Machtgefüges auf tatsächlicher Ebene. Aus diesem Grunde muss insbesondere unter dem Blickwinkel der sog. „Wesentlichkeitstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts207 die Zulässigkeit der vorliegenden Absprache kritisch hinterfragt werden208. Die Wesentlichkeitstheorie (bzw. die Lehre vom Parlamentsvorbehalt) beinhaltet neben der rechtsstaatlichen auch eine demokratische Komponente und wurde durch das Bundesverfassungsgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen entwickelt und nachhaltig geprägt. Danach ist grundsätzlich das Parlament verpflichtet, „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung“ alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen209. Schwierigkeiten bereitet hierbei der Umstand, dass dem Grundgesetz keine eindeutige Aussage darüber entnommen werden kann, wie das Kriterium der Wesentlichkeit zu bestimmen ist, mit anderen Worten, welche Regelungen durch das Parlament selbst getroffen werden müssen210. Einen totalen Parlamentsvor206 Zum Problem des Eingriffs in Länderkompetenzen vgl. auch unten: E. III. „Unzulässiger Eingriff in Verwaltungskompetenzen der Länder?“ sowie E. IV. „Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG wegen unzulässiger Finanzierung durch die Länder?“. 207 Siehe hierzu insbesondere: BVerfGE 34, 165, 192 f.; 45, 400, 417; 48, 210, 221; 49, 89, 126; 58, 257, 268; 98, 218, 252; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 24, Rz. 65; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Vorb v. Art. 70, Rz. 3; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 812 ff.; Kisker, NJW 1977, 1313, 1317 ff. 208 Allgemein zur Bedeutung der Wesentlichkeitslehre bei unechten Normsetzungsverträgen: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 299 mwN.; Vgl. auch: Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 106; Becker, DÖV 1985, 1003, 1011. 209 BVerfGE 45, 400, 417; 49, 89, 126; 57, 295, 320; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 103 ff.; Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 18, 76, 103 ff.; Eberle, DÖV 1985, 485, 487; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211. 210 Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 85; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 296; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 216; Eberle, DÖV 1985, 485, 486.

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behalt im Sinne einer allumfassenden Zuständigkeit des Gesetzgebers beinhaltet das Grundgesetz jedenfalls nicht211. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass es sich diesbezüglich um einen von großer Unsicherheit geprägten Begriff handelt212. Ob eine Maßnahme der Exekutive Wesentliches im Sinne dieser Rechtsprechung regelt, kann letztlich nur anhand aller Umstände des Einzelfalls, der jeweiligen Sachmaterie und der Intensität der geplanten Regelung bestimmt werden213. Regelmäßig wird dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn Kernbereiche des Staates betroffen sind. Dies gilt etwa für die grundlegenden Bedingungen der Ordnung, Sicherheit und Wirksamkeit des Staates sowie der Daseins- und Entfaltungsmöglichkeiten der Bürger. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wird man dabei das Eingreifen des Parlamentsvorbehalts verstärkt dann anzunehmen haben, je mehr ein intensiver Grundrechtsbezug besteht214. Insbesondere im Hinblick auf die demokratische Komponente sollen wiederum nach anderer Auffassung alle politisch kontroversen Entscheidungen dem Vorbehalt unterliegen215. Dies jedoch ist insbesondere deshalb nicht unproblematisch, weil es hierdurch politischen Meinungsmachern ermöglicht würde, Parlamentskompetenzen und somit eine allumfassende Zuständigkeit des Gesetzgebers zu begründen. Folge einer etwaigen Aktivierung des Parlamentsvorbehalts ist jedenfalls, dass die Exekutive grundsätzlich daran gehindert ist, ohne hinreichende gesetzliche Ermächtigung tätig zu werden216. Somit ließe sich hier in Erwägung ziehen, dass die Absprache dann als Handlungsform unzulässig ist, wenn sie bezogen auf die jeweilige Sachmaterie wesentliche Fragen regelt, so dass hier an sich die Zuständigkeit des Parlaments begründet wäre. Gleich einem einfachgesetzlichen Vertragsformverbot ließe sich insofern von einer verfassungsrechtlichen Sperre hinsichtlich der Verwendung informeller Absprachen sprechen217. Nach Auffassung einiger Autoren sind es gerade die normersetzenden Absprachen, bei denen es häufig um wesentliche staatspolitische Weichenstellungen geht, zu denen allein das Parlament berufen ist218. Nicht selten wird aus diesem 211

BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 109. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 24, Rz. 65. 213 Vgl. BVerfGE 49, 89, 127; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 122 f. 214 Eberle, DÖV 1985, 485, 487; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033. 215 Kisker, NJW 1977, 1313, 1318. 216 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 123. 217 Vgl. diesbezüglich auch: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 294 ff. mwN. (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag). 218 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 138; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033. 212

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Umstand daher die Unzulässigkeit derartiger Vereinbarungen gefolgert, wobei häufig die Frage der Zulässigkeit der Handlungsform als solcher mit den Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit der Absprache vermischt wird. In jedem Falle begegnet diese Argumentation grundlegenden Bedenken. Zunächst besagt eine etwaige Aktivierung des Parlamentsvorbehalts nicht, dass Art und Ausgestaltung der parlamentarischen Mitwirkung zwingend an die Form des Gesetzes gebunden wären219. Vielfach wird hierfür auch ein schlichter Parlamentsbeschluss oder eine sonstige Mitwirkungshandlung ausreichend sein220. Dies aber ist nicht eine Frage der Zulässigkeit der Handlungsform als solcher, sondern der formellen bzw. materiellen Rechtmäßigkeit der Absprache. Davon einmal abgesehen kann aus dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts auch nicht der Schluss gezogen werden, dass in wesentlichen Bereichen allein legislatives, nicht aber exekutives Handeln möglich sein soll. Im Normalfall lässt sich daraus nur das Erfordernis herleiten, dass in diesen Bereichen das Parlament eine hinreichende (und zugleich die wesentlichen Aspekte der jeweiligen Materie regelnde) gesetzliche Grundlage für das Handeln der Exekutive schaffen muss. Damit aber ist der Aspekt der materiellen Rechtmäßigkeit der Absprache angesprochen. Schlussendlich ist die bloße Wahl der konkreten Handlungsform auch keine wesentliche Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erläuterungen221, da ihr über eine rein instrumentale Funktion hinaus kein Eingriffscharakter zukommt, zugleich aber auch nicht die grundgesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Exekutive berührt. Der Aspekt der Wesentlichkeit (und hieraus folgend auch Konfliktpotential) ergibt sich vielmehr erst aus dem Inhalt der betreffenden Entscheidung. Wie gesehen ist er dann für die Frage von entscheidender Bedeutung, ob und inwieweit die informelle Absprache im Einzelfall (auch losgelöst vom Merkmal des Grundrechtseingriffs) einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf und wie weit eine unter Umständen bestehende Ermächtigungsnorm dann reichen kann. Dies aber ist wiederum eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Absprache und wird daher noch an anderer Stelle Gegenstand der Betrachtung sein222. Zusammenfassend kann die Unzulässigkeit

219 Vgl. hierzu auch: BVerfGE 90, 286, 389; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 297; Zur demokratischen Legitimation vgl.: BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 67 („entscheidend ist nicht die Form der Legitimation, sondern deren Effektivität“); Sodan, NZS 1998, 305, 309. 220 Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 1, Rz. 68. 221 Insofern missverständlich die Ausführungen bei: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 294 ff. mwN. (hinsichtlich der Wahl des öffentlich-rechtlichen Vertrags). 222 Dazu unten E. I. „Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage?“.

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der Handlungsformwahl somit auch nicht unter dem Blickwinkel der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts gefolgert werden. 4. Erfordernis eines förmlichen Gesetzes aufgrund staatlicher Schutzpflichten? Die Verwendung informeller Absprachen stößt ebenso dann an ihre Grenzen, wenn im Einzelfall Gesetzgebungsaufträge aufgrund staatlicher Schutzpflichten entgegen stehen. So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seinem „Kalkar-Beschluss“ die Feststellung getroffen, dass sich aus den Grundrechten (insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben können, die auf die Ausgestaltung von rechtlichen Regelungen abzielen223. Unter dem Gesichtspunkt des Untermaßverbots kann sich dann sogar die Pflicht zum Erlass von bestimmten Gesetzen ergeben224. Für die vorliegende Vereinbarung ist dies jedoch von untergeordneter Relevanz. Allerdings können sich Gesetzgebungsaufträge nicht nur unter grundrechtlichen Gesichtspunkten ergeben, sondern lassen sich in gleicher Weise auch aus den grundrechtlichen Staatszielbestimmungen herleiten. Dies könnte vorliegend vor allem im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip (unter Umständen auch in Verbindung mit Art. 12 GG225) von Bedeutung sein. Zweifelhaft ist aber, ob sich hieraus tatsächlich ein konkreter Auftrag zum Erlass eines formellen Gesetzes ableiten lässt, der die Wahl der informellen Absprache als Handlungsform unzulässig machen würde. Als unmittelbar bindende Staatsleitlinie226 berechtigt das Sozialstaatsprinzip den Staat einerseits, zugleich verpflichtet es ihn jedoch auch. Insofern bildet es für staatliche Aktivitäten in gewissem Umfang eine Legitimationsgrundlage227, begründet daneben aber auch eine sozialordnende Gestaltungsaufgabe für den Gesetzgeber228, die in hohem Maße der Konkretisierung bedarf. Jedenfalls ist aus dem Sozialstaatsprinzip der legislatorische Handlungsauftrag abgeleitet wor223 BVerfGE 49, 89, 142; Vgl. auch: Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, 1990, S. 46 f. 224 Siehe auch: BVerfGE 39, 1, 42 f.; 46, 160, 164; Zum Untermaßverbot und der Bestimmung grundrechtlicher Schutzpflichten vgl. zudem auch: Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, S. 39 ff.; ders., JuS 1989, 161, 163; Murswiek, JZ 1988, 985, 987. 225 Vgl. BVerfGE 81, 242, 255; 92, 26, 46 f. 226 Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VIII, Rz. 6; Vgl. auch BSGE 15, 71, 76; 19, 88, 92; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 756; Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 18 ff.; Badura, DÖV 1989, 491, 493. 227 E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 768; Jedenfalls in seiner Allgemeinheit ist das Sozialstaatsprinzip aber nicht geeignet, unmittelbare Grundrechtsbeschränkungen zu legitimieren. Es kann aber im Einzelfall als Rechtfertigungsgrund für gesetzgeberisches Eingreifen herangezogen werden. Dazu: Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 21; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 13; Badura, DÖV 1989, 491, 494.

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den, nach dem sich jedes staatliche Handeln am Maßstab der sozialen Gerechtigkeit zu orientieren hat229. Mögen in diesem Zusammenhang auch bestimmte Schutzpflichten des Gesetzgebers anerkannt sein230, so kommt ihnen für die Beurteilung der Zulässigkeit informeller Absprachen regelmäßig nur geringe praktische Bedeutung zu231. Eine Pflicht zum Erlass eines förmlich Gesetzes würde nämlich voraussetzen, dass das Sozialstaatsprinzip dahingehend einen verbindlichen und vor allem stark konkretisierten Auftrag enthielte. Tatsächlich aber stehen dem Gesetzgeber regelmäßig verschiedene Wege offen, dem grundgesetzlichen Schutzauftrag nachzukommen232, wobei er einen weiten Ermessens- und Prognosespielraum hat233. Demzufolge obliegt es dem Staat zwar, einen sozialstaatlichen Mindeststandard durch Regelungen und Maßnahmen zu gewährleisten, bei der Wahl der Mittel aber ist er weitgehend frei. Eine Pflicht zum Erlass eines Gesetzes wird man somit nur in absoluten Extrembereichen anzunehmen haben. Für den vorliegenden Fall jedenfalls vermag dies keine Geltung zu beanspruchen, so dass sich die Absprache auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als unzulässig erweist.

IV. Unzulässigkeit der informellen Absprache als Handlungsform unter dem Gesichtspunkt des Formenmissbrauchs? Bereits an anderer Stelle konnte die Frage aufgeworfen werden, inwieweit informelle Absprachen unter dem Gesichtspunkt des Formenmissbrauchs rechtswidrig sein können234. Dabei konnte jedoch festgestellt werden, dass es diesem 228 Dazu auch: E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 768; Erbel, Das Sittengesetz als Schranke der Grundrechte, 1971, S. 198 („Prototyp eines zukunftsorientierten Rechtsbegriffs“); Gitter/ Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 19. 229 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 321. 230 Vgl. BVerfGE 88, 203, 254; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797; Zu den grundrechtlichen Schutzpflichten: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 128. 231 Vgl. allgemein für normersetzende Vereinbarungen: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797. 232 BVerfGE 77, 170, 214 f.; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 129; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 133 f. mwN.; Vgl. auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 280 ff. mwN. 233 BVerfGE 39, 1, 44 f.; 79, 174, 202; 88, 203, 254; 92, 26, 47; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 133; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 207. 234 Dazu Kapitel 4: B. II. 2. lit. b) „Lehre vom Formenmissbrauch“; Allgemein: Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973, S. 9 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 123; Bohne, Der infor-

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Begriff aufgrund seiner Unbestimmtheit letztlich an der erforderlichen Trennschärfe fehlt, um für die diesbezügliche Beurteilung tragfähige Kriterien aufzustellen. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt diesem Aspekt ohnehin keine gesonderte Rolle zu, da er letztlich bereits Bestandteil der aufgestellten strengen Anforderungen an die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Absprache ist. Ein darüber hinausgehender Erklärungswert könnte daher nicht gewonnen werden. Selbst wenn mit einigen Autoren ein selbständiger Begriffsgehalt unterstellt würde, wird aufgrund der dann zu fordernden subjektiven Komponente des Missbrauchs ein dahingehender Nachweis vorliegend wohl nicht möglich sein.

V. Ermessensüberschreitung? Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen sind in formeller Hinsicht schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Bundesregierung ihr Auswahlermessen hinsichtlich der verwendeten Handlungsform überschritten haben könnte. Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang hingegen die damit zusammenhängende Frage, inwieweit hier durch die Verwendung eines informellen Handlungsinstruments unter Umständen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrenseffizienz gemäß § 10 S. 2 VwVfG analog235 vorliegen könnte. Dies soll daher sogleich im Rahmen eines gesonderten Punktes thematisiert werden. Mit diesem Problemkreis eng verbunden ist auch die Frage der Anforderungen, die vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Flachglas-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts236 an die Rechtmäßigkeit informeller Absprachen zu stellen sind. Bedeutung gewinnt diese Rechtsprechung allerdings nur in jenen Fällen, in denen Entscheidungsinhalte von gesetzlich vorgeschriebenen Handlungsformen auf informelle Absprachen transformiert werden sollen237. Die Frage der Überwindbarkeit gesetzlicher Instrumentenfestlegungen stellt sich hingegen dann nicht, wenn Sachverhalten (wie dem hier zu Untersuchenden) keine verbindliche Festlegung auf eine bestimmte Handlungsform zugrunde male Rechtsstaat, 1981, S. 129; Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, 1987, S. 21; Kloepfer, Alte und neue Handlungsformen staatlicher Steuerung im Umweltbereich in: König/Dose (Hrsg.): Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 346; Isensee, DÖV 1970, 397, 401; Kloepfer/Follmann, DÖV 1988, 573, 583. 235 Vgl. hierzu auch Kapitel 4: B. II. 2. lit. a) „Verfassungsrechtliches Gebot des formgebundenen Handelns?“. 236 BVerwGE 45, 309 ff. = BayVBl 1974, 705 (Ls.). 237 Allgemein dazu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 161; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49, 53 ff.; Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 647 ff.; Schulze-Fielitz, Jura 1992, 201 ff.; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Vgl. auch: Bleckmann, NVwZ 1990, 601, 604; Scherzberg, JuS 1992, 205, 210.

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liegt, da hierbei nicht die Gefahr der Vorwegnahme gesetzlich vorgeschriebener Entscheidungsprozesse besteht238. Aus diesem Grunde können sich somit vorliegend keine gesonderten Zulässigkeitskriterien hinsichtlich der konkreten Handlungsformwahl ableiten lassen.

VI. Unzulässigkeit der informellen Absprache wegen Verstoßes gegen das verfahrensrechtliche Effizienzgebot, § 10 S. 2 VwVfG analog? Mögen die Existenz bzw. die inhaltliche Reichweite eines verfassungsrechtlichen Effizienzgebots bis zum heutigen Tage im Einzelnen auch äußerst umstritten sein, so ist es doch vor allem im Bereich des Verwaltungshandelns von einiger Relevanz239. Hier findet sich eine allgemeine gesetzliche Verankerung dieses Prinzips in der Vorschrift des § 10 S. 2 VwVfG wieder, die nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich auch auf informelle Absprachen (analog) anzuwenden ist240. Im Einzelnen ist aber auch hinsichtlich Herleitung und Reichweite des § 10 S. 2 VwVfG noch vieles ungeklärt241. Jedenfalls ist die handelnde Behörde demnach verpflichtet, das Verfahren nicht nur zügig, sondern auch einfach und zweckmäßig zu gestalten. Dies schließt jedoch auch die Wahl des konkreten Handlungsmittels regelmäßig mit ein. Anders als im Rahmen eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Verwaltungsverfahrens242 wird man bei informellen Absprachen wohl anzunehmen haben, dass ein Verstoß gegen das Effizienzgebot zwangsläufig auch die Rechtswidrigkeit der 238 Zum Abwägungsprozess der Bundesregierung im Rahmen der Ausübung ihres Initiativrechts: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938. 239 Vgl. dazu die umfassenden Erläuterungen bei: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 136 ff.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 217 ff. mwN.; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 172; Häberle, AöR 98 (1973), 625 ff.; Degenhart, DVBl 1982, 872 ff.; Siehe auch: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 10, Rz. 16a; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 59, Rz. 8 f. 240 Siehe dazu Kapitel 5: C. IV. „Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG“; Allgemein zum Effizienzgebot des § 10 S. 2 VwVfG: Riedl in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 10, Rz. 16 ff.; Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 10, Rz. 5 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 10, Rz. 16a; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 59, Rz. 8 f. 241 Da das Effizienzgebot eng dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verbunden ist, wird nicht selten der Einwand vorgebracht, dass eine Abgrenzung im Einzelfall oftmals kaum durchführbar sei, so dass ein mögliches Effizienzgebot kein zusätzliches Kriterium für die Beurteilung informeller Absprachen sein kann. Allgemein zu möglichen Kritikpunkten: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 217 ff.; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971.

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Vereinbarung zur Folge hat. Zum einen folgt dies aus dem Umstand ihrer rechtlichen Nichtregelung, zum anderen aber auch daraus, dass die informelle Absprache lediglich Wirkungen im tatsächlichen Bereich erzeugt, mithin die Frage ihrer Wirksamkeit nicht in Betracht kommt. Von der grundsätzlichen Verpflichtung der handelnden Behörde zur Beachtung des Effizienzgebotes ist jedoch die Problematik zu unterscheiden, ob und inwieweit ein unter Umständen bestehender Pflichtenverstoß auch justitiabel ist. Unter Effizienzgesichtspunkten kann sich die Verwendung informeller Absprachen durchaus schwierig gestalten, wenn sich diese aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit im Einzelfall als unzweckmäßig erweisen. Dann nämlich wären nach dem zuvor Gesagten derartige Vereinbarungen unzulässig. Die Frage der Unzweckmäßigkeit und damit Ineffizienz muss jedoch immer eine Frage des konkreten Einzelfalls bleiben und darf keineswegs auf einen generellen Vorrang formeller Handlungsinstrumente hinauslaufen243. Andernfalls wäre der informellen Absprache unter bloßem Hinweis auf ihre fehlenden Rechtsbindung die grundsätzliche Zulässigkeit versagt. Auch in der konkreten Fallgestaltung wird bei der Frage der Zwecktauglichkeit ein denkbar großzügiger Rahmen zu wählen sein, um nicht den (erwünschten) Einsatz flexibler Handlungsinstrumente von vornherein und ohne Not übermäßig zu erschweren. Die Zwecktauglichkeit der informellen Absprache ist daher bereits dann anzunehmen, wenn die begründete Aussicht auf die tatsächliche Vornahme der zugesagten Leistung seitens des Privaten besteht244. Für den vorliegenden Fall dürfte dies bereits aufgrund der mit dem Anreizcharakter der Absprache verbundenen Interessenlage der beteiligten Unternehmen zu bejahen sein. Im Falle der Nichteinhaltung der Absprache nämlich hätten sie aufgrund der dann erfolgenden einseitig-hoheitlichen Regelung weitaus höhere finanzielle Belastungen zu tragen gehabt, als letztendlich vereinbart wurde.

VII. Zwischenergebnis Zusammenfassend betrachtet war im Rahmen der Vorgänge vom 08.11.2001 die Verwendung der informellen Absprache als konkretes Handlungsinstrument unter dem Gesichtspunkt der Formenwahl nicht zu beanstanden. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, inwieweit die Vereinbarung auch den zu for242 Zur Bedeutung des § 10 S. 2 VwVfG im Rahmen von Verwaltungsakten oder öffentlich-rechtlichen Verträgen siehe insbesondere auch die Erläuterungen bei: Clausen in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 10, Rz. 9 f.; Riedl in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 10, Rz. 25; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 10, Rz. 22. Vgl. darüber hinaus auch: BGHZ 30, 19, 26; BGH, DVBl 1971, 464, 465. 243 Siehe hierzu Kapitel 4: B. II. 2. lit. a) „Verfassungsrechtliches Gebot des formgebundenen Handelns?“. 244 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 366.

D. Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001

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dernden formellen und materiellen Rechtmäßigkeitskriterien entsprach. Dies damit verbundenen Aspekte werden daher Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen sein.

D. Formelle Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001 I. Die Zuständigkeit der Bundesregierung zum Abschluss der Vereinbarung 1. Allgemeines Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, ist die Zuständigkeitsordnung auch bei der Verwendung informeller Handlungsinstrumente zwingend zu beachten245. Dem lässt sich auch nicht der Einwand entgegen halten, dass aufgrund der Tatsache, dass die informelle Absprache keine rechtlichen Bindungen zu erzeugen vermag, andere Behörden oder Organe auch nicht in verbindlicher Weise an die getroffene Vereinbarung gebunden sind, so dass insofern nicht deren Kompetenzen246 verletzt sein können. Die Zuständigkeit einer bestimmten Behörde sagt nämlich noch nichts darüber aus, in welcher Form sie diese wahrnehmen möchte. Zudem verfolgt die Zuständigkeitsordnung auch den Zweck, die inhaltliche Richtigkeit einer zu treffenden Sachentscheidung zu gewährleisten, indem die Behörde mit einer bestimmten Sachaufgabe betraut wird, die hierfür am besten geeignet erscheint247. Diese Gesichtspunkte sind jedoch gleichermaßen für formelles wie für informelles staatliches Handeln von Bedeutung. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung darf sich allein die zuständige Behörde an einer informellen Absprache beteiligen. Wäre die Zuständigkeitsordnung hier nicht zwingend, ließe sich durch bewusstes Ausweichen in die Infor245 Dazu auch Kapitel 5: B.III. „Kompetenznormen“; Aus der zahlreichen Literatur: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 177 f.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 172; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 937; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Für staatlich inspirierte Selbstverpflichtungsabkommen: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 156 ff.; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 222; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 254 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Für hoheitliche Warnungen: Heintzen, NJW 1990, 1448 ff. Vgl. auch: BVerfG, NVwZ 2002, 585, 587 (Verwaltungskompetenzen). 246 Zu den Begriffen Kompetenz, Zuständigkeit und Ermächtigung: Oldiges, DÖV 1989, 873, 874. 247 Siehe hierzu auch: BVerfGE 68, 1, 86; 95, 1, 15.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

malität das Kräfteverhältnis der einzelnen Gewalten ungeachtet der verfassungsrechtlichen Entscheidung auf faktischem Wege verschieben. Nur allzu leicht könnte eine Behörde auf diesem Wege Kompetenzen wahrnehmen, zu deren Ausübung sie nach materiellem Recht nicht befugt ist. Daher ist die Einhaltung der Zuständigkeit umso wichtiger, je weiter der Handlungsfreiraum für die jeweilige Behörde gezogen ist. Während öffentlich-rechtliche Verträge einer offenkundig unzuständigen Behörde gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG iVm. § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG nichtig sind, ist die informelle Absprache bereits im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG rechtswidrig248. Dies gilt unabhängig davon, ob die Unzuständigkeit ohne weiteres erkennbar war, da eine Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit aus den bekannten Gründen hier nicht in Betracht kommt249. Ausreichend ist daher insofern allein die objektive Fehlerhaftigkeit der Absprache. Da jedoch für normersetzende (informelle) Absprachen weder in der Verfassung noch in unterverfassungsrechtlichen Normen250 Zuständigkeitsregelungen getroffen sind, stellt sich nun aber die grundsätzliche Frage, woraus im Einzelfall die Zuständigkeit zu ihrem Abschluss resultieren kann. Unabhängig davon, ob der Absprache Äquivalenzcharakter zu formellen Handlungsinstrumenten beizumessen ist oder nicht, steht sie jedenfalls in einem untrennbaren Zusammenhang mit der ersetzten Handlung. Ob daraus aber zugleich der Schluss zu ziehen ist, dass für die Absprache diejenige Behörde zuständig sein muss, die für den Erlass der ersetzten bzw. abgewendeten Regelung zuständig gewesen wäre251, wird noch zu sehen sein. 2. Verbandskompetenz a) Grundsatz Auch bei gesetzesersetzenden Absprachen ist vorbehaltlos die föderative Zuständigkeitsordnung zu beachten und zu wahren252. Aus diesem Grunde muss 248 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 410; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 17 f.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 173; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 249 Hierzu Kapitel 5: C. III. 7. „Nichtigkeit der Absprache gemäß § 59 VwVfG analog?“. 250 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 129; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 251 In diesem Sinne jedenfalls: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 197; Vgl. auch Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 38, Rz. 12 (für die Zusicherung gemäß § 38 VwVfG).

D. Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001

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zunächst geklärt werden, ob die mit der Absprache geregelte Sachmaterie überhaupt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fiel. Fraglich ist allerdings, nach welchen Grundsätzen dies zu beurteilen ist. Das Grundgesetz jedenfalls regelt jeweils nur die Zuständigkeiten von Bund und Ländern in den Bereichen Gesetzgebung und Verwaltung (vgl. Art. 70 ff., 83 ff. GG), trifft jedoch keine unmittelbare Aussage darüber, welchem Kompetenzbereich der Abschluss gesetzesersetzender Vereinbarungen unterliegt. Zunächst ist vor allem dem Umstand besondere Aufmerksamkeit zu widmen, dass normersetzende Vereinbarungen anstelle eines förmlichen Gesetzes getroffen werden, ohne dass ihnen zugleich Rechtsnormrang zukommen würde. Allgemein gesprochen werden somit durch die Exekutive solche Funktionen wahrgenommen, die sonst dem Aufgabenkreis des Gesetzgebers zugewiesen sind. Müggenborg spricht insofern zu Recht von einem Einbruch der Exekutive in den Funktionsbereich der Legislative253. Damit aber ist die Frage noch nicht beantwortet, worauf bei der Bestimmung der einschlägigen Kompetenznorm nun tatsächlich abzustellen ist. Da der Abschluss einer normersetzenden Absprache auf der Nahtstelle von Legislative und Exekutive liegt254, weisen derartige Vereinbarungen in gewissem Rahmen einen dualen Charakter auf. Insofern ließe sich bei der Bestimmung der Verbandszuständigkeit einerseits an die Gesetzgebungskompetenz, andererseits aber auch an die entsprechende Vollzugskompetenz anknüpfen. Ausschlaggebend wird daher sein, welche Beurteilungskriterien als maßgeblich erachtet werden. Bei einer rein formalen Betrachtungsweise, die an der verwendeten Handlungsform anknüpft, deutet der Realaktcharakter der informellen Absprache in Richtung Exekutive255. Damit aber ergäbe sich regelmäßig keine Zuständigkeit des Bundes, sondern vielmehr der Länder (vgl. Art. 30 GG)256. Bezogen auf die vorliegende Vereinbarung kommt hierbei noch hinzu, dass auf staatlicher Seite die Bundesregierung und nicht der Gesetzgeber als solcher gehandelt hat. Dem äußeren Erscheinungsbild nach ist dies ebenfalls dem Exeku252 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Vgl. auch Oldiges, DÖV 1989, 873, 882; ders., WiR 1973, 1, 20 f. 253 Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917; Vgl. auch: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 178; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972; Oldiges, WiR 1973, 1, 21. Dagegen spricht auch nicht der rechtsunverbindliche Charakter der Absprache, da hier insofern allein das bloße (tatsächliche) Tätigwerden in fremdem Aufgabenkreis ausreichend ist. 254 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972. 255 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 256 Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 223; Hierzu auch: BVerfGE 11, 6, 15; 42, 20, 28; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 30, Rz. 1; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Vorb v. Art. 70, Rz. 16.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

tivhandeln zuzuordnen257. Eine darauf bezogene unreflektierte Sichtweise würde jedoch zur Gänze die Tatsache unberücksichtigt lassen, dass die normersetzende Absprache letztlich nichts anderes als eine auf „gesetzesähnliche Wirkung abzielende Konstruktion“258 ist. Wird dementsprechend eine funktionale Betrachtungsweise zum Maßstab gewählt, ist der legislative Bezug der Vereinbarung offenkundig. Dem ließe sich allerdings wiederum entgegenhalten, dass gesetzliche Regelungen durch normersetzende Absprachen gerade entbehrlich gemacht werden sollen, demzufolge aber auch die entsprechende Legislativkompetenz als Bezugspunkt ausscheiden müsste. Die Lösung dieses Konflikts wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Für eine Anknüpfung an die jeweilige Gesetzgebungskompetenz sprechen grundsätzlich die folgenden Erwägungen: Wenn es sich beim Abschluss einer normersetzenden Absprache auch nicht um eine gesetzgeberische Tätigkeit als solche handelt, so wird doch wenigstens mit einer solchen gedroht259. Dies setzt jedoch in tatsächlicher Hinsicht voraus, dass sich die Absprache (und somit auch die Drohung) überhaupt auf verhandlungsfähige Materie erstreckt. Die handelnde Behörde kann ein Unterlassen nämlich nur dann zusagen, wenn sie für das korrespondierende aktive Tun auch die Kompetenz besitzt260. Nicht zuletzt ist das auch eine Frage der tatsächlichen Glaubwürdigkeit der Absprache261. Voraussetzung hierfür ist jedoch die grundsätzliche Anknüpfung der Kompetenz hinsichtlich des Abschlusses der normersetzenden Absprache an die jeweilige Gesetzgebungskompetenz selbst262. Gestützt wird diese Überlegung auch durch die Tatsache, dass die Begründung einer bestimmten Gesetzgebungszuständigkeit den jeweiligen Verband berechtigt, über den Erlass einer normativen Regelung zu entscheiden. Ob und in welcher Weise er aber dieses Normsetzungsermessen ausübt, bleibt grundsätzlich allein ihm überlassen. Es wäre nur allzu widersinnig, wenn der zur Gesetzgebung zuständige Verband nicht zugleich auch Vereinbarungen über die Nichtausübung dieser Zuständigkeit treffen könnte. Davon abgesehen wäre dies jedoch auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht unproblematisch. 257 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 173; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 223; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972. 258 Vgl. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 178; Zum Begriff der gesetzessubstituierenden Absprache: Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 259 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 156; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972. 260 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 223; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029. 261 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 173. 262 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 129.

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Würde nämlich in derartigen Sachverhalten tatsächlich auf die Exekutivzuständigkeit abgestellt, wären regelmäßig die Länder zuständig, obwohl der Bund unter Umständen die alleinige Gesetzgebungskompetenz besitzt. Somit aber wäre es möglich, das grundgesetzlich festgelegte Kompetenzgefüge mittels einer einfachen gesetzesersetzenden Absprache zu umgehen263. Im Ergebnis stünde das einer Verfassungsänderung gleich, die jedoch allein durch Gesetz und mit der qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats zulässig ist (vgl. Art. 79 Abs. 1, 2 GG). Insofern müsste sich hier aber der Kompetenzbereich des Bundes wenigstens auf diejenige Materie erstrecken, für die dem Bund kraft ausdrücklicher Zuweisung durch das Grundgesetz die Gesetzgebungszuständigkeit zusteht264. Schließlich würde die etwaige Anknüpfung an Exekutivzuständigkeiten zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass die Länder zwar regelmäßig für den Abschluss normersetzender Vereinbarungen abstrakt zuständig wären, im konkreten Fall jedoch von dieser Zuständigkeit mangels Gesetzgebungskompetenz keinen effektiven Gebrauch machen könnten265. Nach dem Vorgesagten ergibt sich somit der zwingende Schluss, dass hier nicht auf die Exekutiv-, sondern allein auf Legislativkompetenzen zurückzugreifen ist266. Dies betrifft allein die Frage der Verbandszuständigkeit, nicht aber die Frage, inwieweit solche Absprachen sodann auch einer inhaltlichen Kontrolle standhalten. Der Problematik staatlicher Warnungen und Empfehlungen267 nicht ganz unähnlich ist nun jedoch fraglich, welche Anforderungen an den zugrunde zu legenden Kompetenztitel zu stellen sind. In der Literatur werden diesbezüglich verschiedene Lösungsansätze diskutiert. So soll einer Auffassung zufolge268 die 263 So wohl auch Di Fabio, JZ 1997, 969, 972, der dann allerdings nicht näher auf diese Problematik eingeht. Siehe hierzu auch die Ausführungen von: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029. 264 Vgl. diesbezügliche auch: BVerwG, JZ 1991, 624, 628 („Glykol“). 265 Dies ergibt sich in erster Linie daraus, dass die Länder mangels Gesetzgebungszuständigkeit kaum in der Lage wären, glaubhaft ein gesetzgeberisches Unterlassen in Aussicht zu stellen. Vgl. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795. 266 So im Ergebnis auch: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 178; Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 90; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 199; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795 f.; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Für staatlich inspirierte Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 257; Für hoheitliche Warnungen und Empfehlungen vgl. auch Lege, DVBl 1999, 569, 573. 267 Hierzu: BVerfGE 57, 1, 5; 44, 125, 149 ff.; 63, 230, 242 f.; BVerwG NJW 1989, 2272, 2274; BVerwG, NJW 1991, 1766, 1768 f.; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532 ff.; ders., NJW 1990, 1448 ff. 268 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 178; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 218; Siehe auch: Helberg, Normabwen-

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Zuständigkeit hinsichtlich der normersetzenden Absprache aus einer Annexkompetenz zur entsprechenden Gesetzgebungskompetenz resultieren269. Nach anderer Auffassung dagegen soll es sich hierbei um eine Kompetenz kraft Natur der Sache270 handeln. Im Ergebnis aber vermögen beide Vorschläge kaum zu überzeugen271. Bei der Frage der Zuständigkeit zum Abschluss einer normersetzenden Vereinbarung geht es nämlich nicht um den Erlass einer Anhang-Regelung im Stadium der Vorbereitung oder Durchführung einer Vorschrift (Annexkompetenz)272, sondern vielmehr um die tatsächliche Vermeidung einer konkreten Norm. Doch auch die Annahme einer Kompetenz kraft Natur der Sache vermag letztlich nicht, die hier bestehende Problematik in sachgerechter Weise zu lösen. Aus diesem Grunde wird teilweise auch der Begriff der Kompetenznorm eigener Art vorgeschlagen, woraus auch immer sich diese im Einzelfall ergeben mag273. Davon abgesehen ist eine derartige Konstruktion schließlich auch überflüssig. Wie zuvor bereits festgestellt, kann die handelnde Behörde nur dann ein Unterlassen glaubhaft in Aussicht stellen, wenn sie (bzw. der jeweilige Verband, dem sie angehört) auch für das zu unterlassende gesetzgeberische Tätigwerden zuständig ist. Zugleich stellt der im Rahmen der Absprache erfolgende Verzicht auf den Normerlass letztlich nichts anderes dar, als die konkrete Ausübung des vorhandenen Normsetzungsermessen. Damit aber ist für die Bestimmung der Verbandszuständigkeit allein die originäre, eigentliche Gesetzgebungskompetenz ausschlaggebend, deren Wahrnehmung hier jedoch durch die Exekutive der zur Gesetzgebung berufenen Körperschaft erfolgt. Eines Rückgriffs auf etwaige Hilfskonstruktionen bedarf es aber dennoch grundsätzlich nicht. Entscheidend ist dabei die allgemeine Regelungszuständigkeit des jeweiligen Verbandes für

dende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 92 ff.; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 223 f.; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972; Vgl. für Gebühren und Beiträge: P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 210. 269 Zur Annexkompetenz vgl.: BVerfGE 3, 407, 433; 8, 143, 149; 84, 247, 250; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 70, IV, Rz. 49; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 70, Rz. 7; Achterberg, DÖV 1966, 695 ff. Bullinger, AöR 96 (1971), 237 ff.; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Vorb v. Art. 70, Rz. 29 f.; Heintzen, NJW 1990, 1448, 1450. 270 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 129; Dazu auch: BVerfGE 11, 89, 99; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 70, Rz. 8; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 70, IV, Rz. 46; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Vorb v. Art. 70, Rz. 23 ff.; H.-J. Vogel in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1071 f. 271 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 174 spricht insofern von einer gewissen begrifflichen Unschärfe beider Begriffe im Zusammenhang mit normersetzenden Absprachen. 272 Vgl. Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Vorb v. Art. 70, Rz. 29; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 2, Rz. 135. 273 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 175.

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die betreffende Sachmaterie (unter Berücksichtung des konsensualen Charakters der Absprache), nicht aber die Frage, ob ein Gesetz gleichen Inhalts ebenfalls zulässig wäre. b) Die Absprache vom 08.11.2001 im Zuständigkeitsbereich des Bundes? Auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen wäre die vorliegende Absprache demzufolge nur dann rechtmäßig, wenn der Bund hierfür auch zuständig gewesen ist. Gegenstand der Vereinbarung war die Zusage seitens der Bundesregierung, auf die (im Rahmen des AABG geplante) gesetzliche Senkung der Herstellerabgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, zumindest für die Jahre 2002 und 2003 verzichten zu wollen. Entscheidend ist somit, ob dem Bund für den von der Absprache berührten Sachbereich die positive Regelungskompetenz zukam. Die Zuständigkeit des Bundes zum Abschluss der vorliegenden Absprache ergab sich jedenfalls nicht aus Art. 105 GG, da dieser allein hinsichtlich der Erhebung von Steuern Anwendung findet274. Die Erhebung sonstiger Abgaben richtet sich dagegen nach den allgemeinen Kompetenztiteln der Art. 70 ff. GG275. Da der gezahlte Solidarbeitrag jedoch weder einer Qualifizierung als Steuer noch als sonstige Abgabe zugänglich ist, kann es auf eine diesbezügliche Regelungskompetenz vorliegend auch nicht ankommen. Die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erstreckt sich gemäß der Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG auch auf den Bereich der öffentlichen Fürsorge. Die Vorschrift bezieht sich nach allgemeinem Verständnis auf die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Hilfeleistung in besonderen Lebenslagen (vgl. SGB XII), ist dabei jedoch denkbar weit auszulegen276. Mit anderen Worten ist demnach Kern der Regelung die Sozialhilfe im weiteren Sinne. Keinesfalls dagegen sind hiervon das Gesundheitswesen oder die soziale Sicherung im Ganzen erfasst277. Die vorliegende Absprache hingegen betrifft die Sicherung 274 BVerfGE 108, 1, 13; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 1; Hofmann, DVBl 1986, 537, 539 f.; Jarass, DÖV 1989, 1013 f.; Birk, Jura 1985, 143, 144. 275 BVerfGE 4, 7, 13; 81, 156, 187; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 41; Pieroth in: Jarass/ Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8; Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825 („keine originären, sondern abgeleitete Abgabenerhebungskompetenzen“). 276 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 72, V, Rz. 101; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 61a; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 17. 277 H.-W. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 100, Rz. 156; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 17; Vgl. auch: BVerfGE 22, 180, 203; 106, 62, 133 f.; 42, 263, 281 f.; BSGE 6, 213, 219.

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der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung als solcher und kann somit nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden. Vom Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG schließlich ist der Erlass solcher Normen umfasst, deren Regelungsgegenstand sich auf das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung bezieht278. Allerdings muss die Regelung selbst einen wirtschaftslenkenden oder -regulierenden Inhalt aufweisen279. Ein derartiger Bezug kann jedoch dem vorliegenden Sachverhalt nicht entnommen werden. Auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG kommt als Kompetenznorm letztlich nicht in Betracht, da die Absprache unter keinem Gesichtspunkt einen unmittelbaren Zusammenhang zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser aufweist. Verbleibt somit die Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, nach der sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes unter anderem auch auf den Bereich der Sozialversicherung erstreckt. Der Begriff der Sozialversicherung erfasst dabei in jedem Falle die klassischen Bereiche Alter, Krankheit, Invalidität und Unfall und Arbeitslosigkeit, ohne sich jedoch hierauf abschließend zu beschränken280. Er ist daher in weitem Sinne auszulegen281, so dass grundsätzlich auch neue Lebenssachverhalte einbezogen werden können. Die hier zu untersuchende Absprache beinhaltet Maßnahmen zur kurzfristigen Sicherung und Stärkung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Ihr Bezugspunkt ist somit eine Materie, für die dem Bund jedenfalls grundsätzlich die Regelungszuständigkeit zukommt282. Da der zugewendete Solidarbeitrag nicht als Abgabe einzuordnen ist, bedarf es an dieser Stelle auch keiner dahingehenden Klärung, ob von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG auch die Erhebung von solchen Abgaben erfasst ist, die nicht Beitragscharakter haben. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Bund für den Abschluss der Vereinbarung mit dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuständig war283. 278 BVerfGE 8, 143, 148 f.; 55, 274, 308; Degenhart in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 74, Rz. 37. 279 BVerfGE 67, 256, 275; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 22; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74, V, Rz. 131; Wagner, PharmR 2003, 409, 414; Vgl. diesbezüglich auch: Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 80 ff. mwN. 280 Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 31; Degenhart in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 74, Rz. 51; Wagner, PharmR 2003, 409, 413. 281 BVerfGE 87, 1, 34; 88, 203, 313. 282 Dabei ist vorliegend insbesondere auch die Problematik des Art. 72 Abs. 2 GG nicht von Bedeutung, da hier aufgrund der bereits durch die umfassende Regelungsdichte auf dem Gebiet der Sozialversicherung ausgelöste Kompetenzsperre regelmäßig eine äußerst umfassende Kompetenz zugunsten des Bundes bestehen dürfte. 283 Im Hinblick auf Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des BSSichG ließe sich hier schließlich auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als

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3. Organkompetenz Die vorliegende Absprache ist jedoch nur dann in rechtmäßiger Weise zustande gekommen, wenn dabei auch die Zuständigkeit der Bundesregierung als konkret handelndem Organ gegeben war. Fraglich ist jedoch, welches Organ überhaupt für den Abschluss normersetzender Vereinbarungen zuständig sein kann. Entsprechend den zuvor zur Bestimmung der Verbandskompetenz gewonnenen Erkenntnissen muss im Ausgangspunkt auch hierbei darauf abgestellt werden, wer bei Erlass der entsprechenden Norm zuständig gewesen wäre. Für den Abschluss von gesetzesersetzenden Absprache ist dies grundsätzlich der jeweilige Landes- bzw. der Bundesgesetzgeber284. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Organzuständigkeit der Bundesregierung somit zunächst mehr als zweifelhaft. Insofern stellt sich das Problem, welche Bedeutung dem Begriff des Gesetzgebers hier beizumessen ist. Den Gesetzgeber schlechthin gibt es jedenfalls nicht. Vielmehr ist hierunter die Gesamtheit aller an der Gesetzgebung beteiligten Organe zu verstehen, ohne dass ein Organ selbst als Gesetzgeber anzusehen wäre. Hieraus ergibt sich wiederum die Konsequenz, dass auch nur alle Organe gemeinsam zum Abschluss derartiger Vereinbarungen zuständig wären. Mag diese Sichtweise auch der tatsächlichen Rolle der Bundesregierung bei der Gesetzgebung widersprechen285, so ist sie doch unter dem Gesichtspunkt des Gewaltenteilungsgrundsatzes und der damit zusammenhängenden verfassungsrechtlichen Organisationsstruktur nahezu zwingend. Zugleich folgt hieraus auch, dass jedes Organ nur über die eigenen Befugnisse verfügen kann und somit nicht in Kompetenzbereiche übergreifen darf, die den anderen an der Gesetzgebung beteiligten Organen zugewiesen sind286. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung hinsichtlich einer Ankündigung, dass kein formelles Gesetz erlassen werde, grundsätzlich nicht zuständig. Etwas anderes gilt dagegen dann, wenn sich die Vereinbarung lediglich auf solche Befugnisse bezieht, die allein im Kompetenzbereich der Bundesregierung liegen. Aus diesem Grunde kann sie jedenfalls eine Erklärung dahingehend abgeben, dass sie auf die Einbringung eines bestimmten Gesetzesentwurfs verzichten werde. Regelmäßig beziehen sich daher entsprechende Kompetenznorm heranziehen; Vgl. dazu: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (153 lit. b)), http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html. 284 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 199; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 260; Vgl. auch Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029. 285 Widersprüchlich insoweit: Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 98. 286 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 178; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 224; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 302 (für den öffentlichrechtlichen Vertrag); Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Vgl. insofern aber auch: Oldiges, WiR 1973, 1, 21; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010.

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Erklärungen der Bundesregierung allein auf die Nichtausübung ihres Initiativrechts287. Im Ergebnis steht daher die Organkompetenz für die Mitwirkung an gesetzesersetzenden Absprachen allein denjenigen Stellen zu, die ihre Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren von eigenen politischen Entscheidungen abhängig machen dürfen288. Insofern besteht hier eine echte Konkurrenz zwischen Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag. Die so begründete Zuständigkeit wird jedoch durch den dem jeweiligen Organ zustehenden Entscheidungsspielraum begrenzt. Demzufolge ist die Bundesregierung zumindest für Vereinbarungen hinsichtlich der Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts zuständig. Diese Kompetenz steht dabei der Bundesregierung als Gesamtheit zu. Die Gegenansicht289, die auch dem einzelnen Ressortminister die Kompetenz zusprechen möchte, dürfte wohl bereits im Hinblick auf Art. 62 GG kaum haltbar sein290. Schlussendlich war hier die Zuständigkeit der Bundesregierung jedenfalls hinsichtlich der Nichtausübung des eigenen Gesetzesinitiativrechts gegeben. Unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten war die informelle Absprache mit dem VFA somit zulässig.

II. Verfahren Die Verwendung informeller Handlungsinstrumente darf grundsätzlich nicht zu einer Umgehung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze führen291. Insofern gilt es zu klären, ob hinsichtlich des Zustandekommens der vorliegenden Absprache Verfahrensmängel vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Vereinbarung zur Folge haben könnten. Dabei wird insbesondere auch von Interesse sein, in287 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 127; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 199; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 302; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 154 ff.; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917. 288 Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 259; Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 97; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 128; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Zweifelhaft insofern die Ausführungen bei: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 223. 289 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 127; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 260; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796. 290 Hierzu: OLG Köln, NJW 1977, 1463, 1464; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 76, Rz. 2; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 76, Rz. 26. 291 Allgemein: Bonk, NVwZ 1997, 320, 322 f.; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 14 f.; Benz, Die Verwaltung 23 (1990), 83, 91 f.; Brohm, DVBl 1994, 133, 136.

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wieweit das Erfordernis einer (teilweisen) Übertragung der für die Gesetzgebung maßgeblichen Verfahrenssicherungen auch auf informelle Absprachen in Betracht zu ziehen ist. 1. Beteiligung von betroffenen Dritten, § 58 Abs. 1 VwVfG analog? Auf der Grundlage der im 5. Kapitel gewonnenen Erkenntnisse sind gemäß § 58 Abs. 1 VwVfG analog solche Absprachen rechtswidrig, die in die Rechte Dritter eingreifen, ohne dass die Betroffenen an der Vereinbarung mitgewirkt bzw. ihre Zustimmung erteilt hätten292. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Absprache ließe sich nun jedoch einwenden, dass ein derartiges Mitwirkungserfordernis auch im Falle der angestrebten gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht bestanden hätte. Fraglich ist daher, welche Unterschiede die Absprache im Verhältnis zur unterlassenen Normsetzung aufweist, die es rechtfertigen würden, gesteigerte Verfahrensanforderungen zu begründen. Letztlich wird man die Lösung in der Natur der informellen Absprache als konsensualem Handlungsinstrument zu suchen haben. Dabei richtet sich das Augenmerk vor allem darauf, ob und in welcher Intensität die Berücksichtigung der bestehenden (oft widerstreitenden) Interessen von Beteiligten bzw. Drittbetroffenen durch das jeweilige Handlungsinstrument gewährleistet ist. Beim Erlass eines formellen Gesetzes werden sie jedenfalls schon aufgrund der Art und Weise der Entscheidungsfindung im parlamentarischen Prozess und der damit verbundenen Beteiligung einer Vielzahl von Interessengruppen regelmäßig in gesteigertem Maße Berücksichtigung finden können. Im Rahmen informeller Absprachen wird jedoch die angestrebte Regelung eines bestimmten Sachverhalts nicht auf einseitigem Wege, sondern vielmehr im Rahmen von Verhandlungen erzielt. Damit aber besteht im Vergleich zum Gesetz die verstärkte Gefahr des Verlusts der Zielgröße Gemeinwohl, indem die gegenläufigen Interessen zu einer bloßen bipolaren Tauschbeziehung verkürzt werden293. Das daraus im Vergleich zum parlamentarischen Gesetzgebungsprozess resultierende Defizit an „Verhandlungspluralität“ muss daher ausgeglichen werden, so dass auch hier die Mitwirkung Dritter im Grunde geboten erscheint. 292 Ebda.: C. III. 6. „Zustimmung von Dritten und Behörden, § 58 VwVfG analog?“; Ebenso: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 450; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 246 f.; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 6; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 696 f.; Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 58, Rz. 4 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 40; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 373 f. 293 Dazu Kapitel 4: C.III. „Nachteile und Gefahren des Missbrauchs informeller Absprachen“; Vgl. Brohm, DVBl 1994, 133, 138.

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Allerdings müsste durch die Absprache bzw. durch nachfolgende Vollzugshandlungen auch in die Rechte Dritter eingegriffen worden sein. Das wäre grundsätzlich dann zu bejahen, wenn die Rechtsstellung, die der Dritte vor der Absprache bzw. dem mit ihr verbundenen Leistungsaustausch innegehabt hat, verschlechtert wird (status quo minus)294. Ein derartiger Zusammenhang ist jedoch vorliegend nicht erkennbar. 2. Beteiligung anderer Verfassungsorgane? a) Beteiligungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG analog? Aufgrund der hier befürworteten analogen Anwendung von § 58 Abs. 2 VwVfG bedürfen informelle Absprachen grundsätzlich auch der Mitwirkung anderer Behörden, sofern diese bei Erlass eines inhaltsgleichen Verwaltungsakts ebenfalls in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu beteiligen wären. Da Gegenstand der zu beurteilenden Vereinbarung der Nicht-Erlass einer geplanten Rechtsnorm ist, ergibt sich diesbezüglich ein solches Mitwirkungserfordernis jedoch nicht unmittelbar. Fraglich ist aber, inwieweit auf der Grundlage dieser Vorschrift auch die Hinzuziehung anderer Verfassungsorgane zu fordern ist, die an dem eigentlichen Normerlassverfahren beteiligt gewesen wären. Namentlich gilt dies vor allem für eine mögliche Mitwirkung des Bundesrats am Abschluss der in Frage stehenden informellen Absprache. Während der unmittelbare Anwendungsbereich des § 58 Abs. 2 VwVfG wohl eher restriktiv zu beurteilen ist295, wird man im Rahmen informeller Absprachen die Reichweite dieser Vorschrift wohl deutlich großzügiger handhaben können. Dies folgt letztlich aus dem Umstand, dass hier die Frage der Wirksamkeit anders als beim öffentlichrechtlichen Vertrag nicht zu beurteilen ist und insofern der Aspekt der Rechtssicherheit, unter dem die restriktive Auslegung von § 58 Abs. 2 VwVfG zu sehen ist, in den Hintergrund gerät. Gleichwohl dürften hinsichtlich einer etwaigen Mitwirkung des Bundesrats die Grenzen einer zulässigen Analogie schon aufgrund des Wortlauts der Norm überschritten sein. Das schließt jedoch nicht aus, dass hierbei unter Umständen gesonderte Mitwirkungspflichten bestehen, die sich insbesondere im Hinblick auf rechts- bzw. bundesstaatliche Erfordernisse ergeben könnten.

294 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 54, Rz. 40 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag); Vgl. auch: BVerwGE 66, 184, 186; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 58, Rz. 4 f.; Scherzberg, JuS 1992, 205, 214. 295 Vgl. nur: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 58, Rz. 6; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 58, Rz. 3 ff.

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b) Grundsätzliche Beteiligung des Bundesrats? aa) Das Bundesstaatsprinzip Informelle Absprachen können im Einzelfall in einen erheblichen Konflikt mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern geraten. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass der Bund (in unzulässiger Weise) Absprachen auf Rechtsgebieten tätigt, in denen den Ländern die Gesetzgebungszuständigkeit zukommt. Zum anderen sind aber auch Absprachen hinsichtlich solcher Verfahrensregelungen denkbar, die die Verwaltungszuständigkeiten der Länder berühren296. Wie die hierdurch entstehenden kompetenzrechtlichen Probleme im Bereich der normersetzenden Vereinbarungen zu lösen sind, wurde bereits an anderer Stelle erläutert. Insofern konnte eine Aussage dahingehend getroffen werden, welcher Verband zum Abschluss einer Absprache zuständig ist. Davon unberührt blieb jedoch die Frage, welchen Einfluss das grundgesetzliche Bundesstaatsprinzip ungeachtet einer bestehenden Zuständigkeit auf die Gestaltung des Verfahrensablaufes beim Abschluss informeller Absprachen unter Umständen ausübt. Als Ausdruck vertikaler Gewaltenteilung dient die Entscheidung für den Bundesstaat der Begrenzung staatlicher Macht297 und ist tragendes Strukturprinzip der Verfassung298. Das Grundgesetz selbst konkretisiert dieses Prinzip in zahlreichen Vorschriften. Herausragende Bedeutung kommt dabei insbesondere Art. 30 GG zu, wonach die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist. Dieser Grundsatz wird in Art. 70 GG für den Bereich der Gesetzgebung, in Art. 83 GG für den Exekutivebereich sowie schließlich in Art. 92 GG hinsichtlich der Ausübung der Gerichtsbarkeit wiederholt. Mag in der Praxis das faktische Schwergewicht der Gesetzgebungskompetenzen entgegen Art. 30, 70 GG wohl eher beim Bund zu suchen sein, so führt die grundgesetzliche Entscheidung für den Bundesstaat jedoch dazu, dass die Länderinteressen in jedem Falle zu berücksichtigen sind. Als Repräsentativorgan der Länder kommt hierbei dem Bundesrat eine entscheidende Funktion zu, indem er im Rahmen der Gesetzgebung des Bundes mit besonderen Mitwirkungsbefugnissen (vgl. insbesondere Gesetzesinitiative sowie Einspruch bzw. Zustimmung) ausgestattet ist. In gewissem Rahmen ergibt sich daneben aus dem Grundsatz der Bundestreue für den Bund eine allgemeine Pflicht zur Berücksichtigung der Länderinteressen und somit zugleich auch eine Schranke hinsichtlich der konkreten Ausübung seiner Kompetenzen299. 296

Siehe auch Kapitel 5: B. VI. „Bundesstaatsprinzip“. BVerfGE 55, 274, 318 f.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 16. 298 H.-J. Vogel in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1042; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 2, Rz. 106. 297

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bb) Die Zustimmung des Bundesrats zum Abschluss normersetzender Absprachen Wird eine informelle Absprache getroffen, die an die Stelle eines Zustimmungsgesetzes tritt, so ist fraglich, ob dieses Zustimmungserfordernis fortan auch für die Absprache selbst zu gelten hat. Von erhöhter Bedeutung ist dies regelmäßig dann, wenn Verwaltungskompetenzen der Länder betroffen sind. Im Falle des Normerlasses nämlich obliegt den Ländern zumeist der Vollzug der getroffenen gesetzlichen Regelung. Wird dieses Vollzugserfordernis aber durch die Absprache obsolet, so könnte im Einzelfall die begründete Gefahr entstehen, dass durch Maßnahmen des Bundes das kompetenzrechtliche Machtgefüge im Bundesstaat unterlaufen werden könnte und somit im Ergebnis das föderative System zum Nachteil der Länder verändert wird300. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG keine staatliche Gewalt den sie beschränkenden rechtlichen Rahmen umgehen kann, ist eine Beteiligungspflicht des Bundesrats in entsprechender Anwendung der Art. 84, 85 GG zunächst durchaus denkbar. In Anbetracht der beschriebenen Gefahren wird denn auch in der Literatur teilweise die Forderung erhoben, dass im Rahmen informeller Absprachen grundsätzlich alldiejenigen Stellen zu beteiligen seien, die auch im Falle des entsprechenden Gesetzeserlasses mitgewirkt hätten301. Ausnahmen von diesem Grundsatz bedürften dagegen einer besonderen Begründung. Einer gemäßigten Auffassung zufolge seien Absprachen ohne Zustimmung des Bundesrats dagegen nur dann unzulässig, wenn hierdurch gezielt die Mitwirkung des Bundesrates ausgeschaltet werden soll302. Überzeugen vermag diese Konstruktion allerdings nicht, da sie letztlich auf einem Zirkelschluss beruht. Wird nämlich die informelle Absprache als taugliches und zulässiges Handlungsinstrument dem Grunde nach anerkannt, so kann nur dann die Mit-

299 Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 15 mwN.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 20 ff. mwN.; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 2, Rz. 218 ff.; Vgl. auch BVerfG, NVwZ 2002, 585, 587; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 131; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 149; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796 (zum Gebot der Rücksichtnahme auf Verwaltungskompetenzen der Länder). Für Selbstbeschränkungsabkommen siehe auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 262. 300 Im Ergebnis auch: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795 f.; Vgl. zur parallelen Problematik im Rahmen der Gesetzgebung: BVerfGE 37, 363, 379 f.; 48, 127, 178; 55, 274, 319 (für Zustimmungsgesetze); Siehe hierzu auch: Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 390 ff. 301 So im Ergebnis auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 261 (für Selbstbeschränkungsabkommen). 302 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 133.

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wirkung des Bundesrates gezielt ausgeschaltet werden, wenn eine Pflicht zur Mitwirkung überhaupt besteht. Die Mehrheit der Autoren allerdings hält ein Zustimmungserfordernis seitens des Bundesrates für entbehrlich. Die hierzu vertretenen Ansätze können jedoch nicht in jedem Falle überzeugen. Abzulehnen ist jedenfalls die Auffassung, nach der ein Zustimmungserfordernis bereits deshalb nicht in Betracht zu ziehen sei, weil andernfalls der Verlust an Flexibilität der Absprache und eine Verlagerung von Entscheidungsinhalten in ein noch informelleres Vorfeld drohe303. Ob die Mitwirkung des Bundesrates an informellen Absprachen erforderlich ist, bedarf primär der Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten, nicht aber anhand ausschließlich praktischer Erwägungen. Schon im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG hat die Forderung nach Einfachheit und Flexibilität informeller Absprachen gegenüber rechtsstaatlichen Erfordernissen zurückzustehen304. Andere Autoren wiederum versuchen eine Lösung des Problems aus der Verfassung selbst herzuleiten. Grundsätzlich sei im Rahmen des formellen Gesetzgebungsverfahrens die Zustimmung des Bundesrates nur dann erforderlich, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsehe (Enumerationsprinzip)305. Daraus ließe sich hinsichtlich der informellen Absprache folgern, dass mangels entsprechender grundgesetzlicher Erwähnung kein Zustimmungserfordernis bestehen kann306. Dagegen spricht jedoch, dass das Grundgesetz zwar Mitwirkungsregelungen für den Erlass von Rechtsnormen vorsieht, hinsichtlich deren NichtErlass (bzw. darauf bezogener Vereinbarungen) aber überhaupt keine Aussage trifft307. Zudem ist das Enumerationsprinzip (wenn auch nach bestrittener Ansicht) nicht als abschließend zu verstehen. Insbesondere nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann im Einzelfall ein Zustimmungserfordernis auch dann gegeben sein, wenn die Verfassung dahingehend zu interpretieren ist308. 303 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 192; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 180 ff.; Wolf, Normvertretende Absprachen und normvorbereitende Diskurse in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 141; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364; Becker, DÖV 1985, 1003, 1011. Konsequent weitergedacht, müsste diese Argumentation schließlich zum Entfallen sämtlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für informelle Absprachen führen, um ein Höchstmaß an Flexibilität zu erreichen. Das aber wird auch von den Befürwortern dieser Auffassung nicht vertreten. 304 Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 261 (für Selbstbeschränkungsabkommen). 305 Vgl. D. Posser in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1158; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 78, Rz. 9; Siehe hierzu auch die Ausführungen von: Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 383 ff. mwN. 306 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 132; Andeutend: Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; 307 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 234.

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Schlussendlich wird darauf verwiesen, dass eine dem Gesetzesvollzug vergleichbare Ausführung informeller Absprachen bisher nicht stattgefunden habe und grundsätzlich auch nicht nötig sei309. Aus diesem Umstand wird sodann in fragwürdiger Weise der Schluss gezogen, dass auch die Begründung eines Mitwirkungserfordernisses des Bundesrats entsprechend Art. 84, 85 GG nicht in Betracht komme. Dass nämlich auch informelle Absprachen einer Vollzugshandlung bedürfen können, zeigt bereits das vorliegende Beispiel. Hierbei muss zwar berücksichtigt werden, dass die Länder durch die informelle Absprache grundsätzlich nicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet werden können. Zugleich wird hierdurch aber auch die Gefahr begründet, dass der Bund den Ländern die ihnen obliegenden Vollzugsaufgaben auf informellem Wege entzieht. Der pauschale Verweis auf die (unter Umständen) fehlende Vollzugsnotwendigkeit der Absprache vermag somit nicht durchzugreifen. Ungeachtet aller bestehenden Einwände bedarf es einer Zustimmung des Bundesrats aus folgender Erwägung dennoch nicht: Bedingt durch den Umstand, dass die informelle Absprache weder die Bundesregierung selbst, noch andere an der Gesetzgebung beteiligte Organe zu binden vermag, bleibt es dem Bundesrat trotz der getroffenen Vereinbarung unbenommen, von seinem eigenen Gesetzesinitiativrecht Gebrauch zu machen. Damit ist es ihm möglich, den Erlass einer der Absprache entgegenstehenden oder auch inhaltsgleichen gesetzlichen Regelung herbeizuführen. Insofern ist er aber auch in der Lage, etwaige Vollzugskompetenzen der Länder zu wahren. Dass diesem Denkansatz unter Umständen die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag zuwiderlaufen, ist keine Besonderheit informeller Absprachen, sondern ein generelles Problem der parlamentarischen Demokratie. Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten lassen sich jedoch hieraus keinesfalls gesteigerte Anforderungen an die Zulässigkeit informeller Absprachen begründen. Doch selbst wenn man mit der eingangs erwähnten Literaturmeinung eine Zustimmungspflicht des Bundesrats entsprechend Art. 84, 85 GG für erforderlich hielte, so wäre diese im vorliegenden Sachverhalt jedenfalls nicht ausgelöst worden, da durch die getroffene Vereinbarung keine Länderkompetenzen betroffen wurden. Für sich genommen ist zwar der Vollzug der Absprache, d.h. die Verteilung des zugewendeten Solidarbeitrags an die einzelnen Krankenkassen entsprechend ihrer Arzneimittelausgaben eine Verfahrensfrage, die grundsätzlich geeignet ist, den Zuständigkeitsbereich der Länder zu berühren. Der konkrete Verteilungsmodus wurde jedoch nicht durch die Absprache selbst, sondern durch das ihr nachfolgende AABG (Art. 2) geregelt. Von der unzureichenden 308 Vgl. insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 84 Abs. 1 GG: BVerfGE 37, 363, 390; 55, 274, 320. 309 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030; Vgl. hierzu auch die Ausführungen von: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 181.

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Bestimmtheit dieser Norm einmal abgesehen, ist damit allein die mögliche Zustimmungsbedürftigkeit des AABG von Bedeutung, nicht aber jene hinsichtlich der getroffenen Vereinbarung. Die vorliegende Absprache bedurfte somit unter keinem Gesichtspunkt der Zustimmung des Bundesrats. cc) Information des Bundesrats Mag ein generelles Zustimmungserfordernis seitens des Bundesrats auch entbehrlich sein, so gilt es dennoch Folgendes zu berücksichtigen: Wirksame Aktivitäten zur Wahrung der unter Umständen berührten Länderinteressen kann der Bundesrat nur dann ausüben, wenn er auch über den Abschluss der entsprechenden Vereinbarung informiert ist. Andernfalls wird für ihn regelmäßig keine Veranlassung bestehen, von dem eigenen Initiativrecht Gebrauch zu machen. Dem gesteigerten Informationsbedürfnis des Bundesrates muss daher letztlich eine Pflicht der Bundesregierung zur umfassenden Aufklärung korrespondieren310. Dies folgt bereits unmittelbar aus Art. 53 S. 3 GG311, so dass es insofern auch nicht eines Rückgriffs auf allgemeine Grundsätze des Prinzips der Bundestreue bedarf312. Zwar kann die Informationspflicht aus Art. 53 S. 3 GG bereits unter rein praktischen Gesichtspunkten nicht so weit reichen, dass die Bundesregierung über jedwede Tätigkeit berichten müsste. Der Abschluss informeller normersetzender Absprachen gehört aber bereits aufgrund der damit verbunden Gefahren und insbesondere auch im Hinblick auf die Wahrung der föderativen Gewaltenbalance zum Katalog derjenigen Aktivitäten, über die grundsätzlich aufgeklärt werden muss. Dabei besteht die Verpflichtung zur Information generell und nicht lediglich auf Anfrage seitens des Bundesrats. Ebenso ist für ihre Aktivierung grundsätzlich nicht erforderlich, dass Länderkompetenzen auch tatsächlich betroffen sind. Demzufolge hätte vorliegend die Bundesregierung den Bundesrat über die mit dem VFA getroffene Absprache unmittelbar unterrichten müssen. Die unterbliebene Information führt hier allerdings nicht zur Unzulässigkeit der Verein-

310 Zum Problem einer Veröffentlichungspflicht sogleich: 3. „Veröffentlichungspflicht?“. Vgl. auch: Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 157. 311 Die hieraus folgende Informationspflicht soll dem Bundesrat die grundsätzliche Möglichkeit verschaffen, ein zutreffendes Bild über die Arbeit der Bundesregierung zu gewinnen. Hierzu: Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 53, Rz. 11 f.; Vgl. auch: D. Posser in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1181. 312 So aber andeutend die Erläuterungen von: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 182; Vgl. für verordnungsersetzende Absprachen: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030.

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barung. Dies folgt einerseits daraus, dass durch den nachfolgenden Erlass des AABG nicht nur eine umfassende Aufklärung bezüglich des Sachverhaltes erfolgt ist, sondern vielmehr sogar eine tatsächliche Mitwirkung des Bundesrats ermöglicht wurde. Davon abgesehen bleibt die Verletzung der Informationspflicht im Außenverhältnis ohnehin ohne Konsequenzen313. Die Unterrichtung des Bundesrats muss nicht vor oder bei Abschluss der Absprache erfolgen, sondern lediglich in engem zeitlichen Zusammenhang damit. Dies ist nicht zuletzt auch eine Folge des Umstands, dass die Informationspflicht der Bundesregierung grundsätzlich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Absprache selbst steht, sondern eine selbständige Pflicht ist. Damit führt eine seitens der Bundesregierung unterlassene Information grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit der Absprache (zugleich ist sie aus den bekannten Gründen auch kein Wirksamkeitshindernis derselben). Andernfalls ergäbe sich das nur allzu widersinnig anmutende Ergebnis, dass eine Absprache im Zeitpunkt ihres Abschlusses zwar rechtmäßig ist, in der Folgezeit aber durch die endgültig unterlassene Aufklärung rechtswidrig werden soll. c) Beteiligung des Bundeskabinetts bei gesetzesersetzenden Absprachen? Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Bundesregierung gleichermaßen nur als Kollegialorgan zum Abschluss normersetzender Absprachen zuständig, wie ihr auch das jeweilige Gesetzesinitiativrecht ausschließlich in ihrer Gesamtheit zusteht314. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass im Einzelfall die Delegation der Verhandlungsführung auf einzelne Minister oder deren Ermächtigung zum Abschluss der Absprache ausgeschlossen wäre315. Fraglich ist jedoch, ob Voraussetzung hierfür eine förmliche Ermächtigung durch Kabinettsbeschluss ist oder ob nicht vielmehr auch die stillschweigende Billigung durch das Kabinett nach bloßer Unterrichtung als ausreichend erachtet werden kann. Gemäß § 15 Abs. 1 lit. a) GO BReg (vgl. auch § 45 Abs. 1 GGO) sind der Bundesregierung insbesondere alle Gesetzesentwürfe zur Beratung und Beschlussfassung zu unterbreiten. Dieser Grundsatz bezweckt letztlich eine nähere Konkretisierung von Art. 65 S. 1, 2 GG und dient somit der Wahrung der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers sowie der Einheitlichkeit der Politik der Bundesregierung. Grundsätzlich ist eine Verletzung dieser Prinzipien auch 313 Eine Verletzung der Informationspflicht hat somit grundsätzlich auch nicht zur Folge, dass etwa der private Absprachepartner hieraus Amtshaftungsansprüche o. ä. herleiten könnte. 314 Unter Bundesregierung im verfassungsrechtlichen Sinne ist im Zweifel allein das kollegial gebildete Verfassungsorgan zu verstehen, vgl. BVerfGE 11, 77, 85; 26, 338, 395 f. 315 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 137.

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im Zusammenhang mit normersetzenden Absprachen denkbar316, so dass sich ein generelles Erfordernis einer förmlichen Beschlussfassung durchaus annehmen ließe. Dagegen wird eingewandt, dass es im Hinblick auf den zu erwartenden Flexibilitätsverlust nicht erforderlich sei, § 15 Abs. 1 GO BReg bzw. die Verfahrensvorschriften der GGO auf informelle (normersetzende) Absprachen zu übertragen317. Nach anderer Auffassung soll dagegen zu einem Verzicht auf diese Regelungen kein Anlass bestehen318. Demzufolge müsse das Bundeskabinett (jedenfalls bei Absprachen von allgemeinpolitischer Bedeutung) seine Gesamtverantwortung in einem förmlichen Beschluss dokumentieren319. Aus den bereits erwähnten Gründen320 ist es einem einzelnen Minister grundsätzlich nicht gestattet, eine normersetzende Absprache ohne Beteiligung des Bundeskabinetts zu treffen321. Andernfalls liefe die Verwendung informeller Absprachen im Ergebnis wohl darauf hinaus, dass fortan nicht mehr der Bundeskanzler, sondern die einzelnen Minister zusammen mit Unternehmen, Verbänden und Privatpersonen die Richtlinien der Politik bestimmen würden322. Insofern bedarf es aber auch einer bestimmten Mitwirkung des Bundeskabinetts, wenn ein einzelner Minister aus Gründen der Vereinfachung und Effektivität für die Regierung als Ganzes handelt. Eine förmliche Beschlussfassung, wie sie von einem Teil der Literatur vorgeschlagen wird, ist dagegen nicht erforderlich323, da für den Bundeskanzler bzw. die betroffenen Fachminister infolge der Unterrichtung die Gelegenheit besteht, auf etwaige Änderungen hinzuwirken. Das setzt jedoch voraus, dass eine umfassende Unterrichtung bereits weit im Vorfeld des Abschlusses einer Absprache 316 Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 184; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 263; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030. 317 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364; Wolf, Normvertretende Absprachen und normvorbereitende Diskurse in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. II, 1990, S. 141 spricht insofern gar von einer gesteigerten Attraktivität der Absprache aufgrund ihrer aufwandsmindernden Wirkung. 318 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030. 319 Für rechtsverordnungsersetzende Absprachen: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 183; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030. 320 Siehe hierzu in diesem Kapitel: D. I. 3. „Organkompetenz“. 321 Dies ist bereits eine Frage der Zuständigkeit zum Abschluss der informellen Absprache und ergibt sich nicht erst unter dem gesonderten Aspekt etwaiger Beteiligungspflichten. 322 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 363 f.; Vgl. für Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 263 f. 323 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232; aA. dagegen ausdrücklich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 183; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1030.

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erfolgt. Anders ist dagegen dann zu entscheiden, wenn an den Verhandlungen (wie vorliegend) nicht nur ein einzelner Minister beteiligt ist, sondern die Absprache unter unmittelbarer Beteiligung des Bundeskanzlers getroffen wird. Die Gefahr des Unterlaufens seiner Richtlinienkompetenz besteht dann nämlich nicht, so dass es auch keiner gesonderten Unterrichtung des Kabinetts vor Abschluss der Vereinbarung bedarf. 3. Veröffentlichungspflicht? Regelmäßig wird der Inhalt getroffener Vereinbarungen durch Presserklärungen der Beteiligten oder im Rahmen öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen bekannt gemacht324. Veröffentlichungen im Bundesanzeiger325 oder Bundesgesetzblatt326 sind dagegen in der bisherigen Praxis eher die Ausnahme gewesen und konnten auch nur in besonderen Fallkonstellationen beobachtet werden. Der genaue Wortlaut der Absprache wird nur allzu häufig keinem größeren Personenkreis zugänglich sein, da nicht selten auf eine schriftliche Niederlegung verzichtet wird. Begünstigt wird diese Praxis zudem noch durch den Umstand, dass informelle Absprachen im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. § 57 VwVfG) grundsätzlich nicht der Schriftform bedürfen, um die gewünschten Wirkungen herbeiführen zu können327. Daher stellt sich die grundsätzliche (und von dem Problem des Schriftformerfordernisses zu unterscheidende) Frage, inwiefern insbesondere normersetzende Absprachen veröffentlicht werden müssen. In der Literatur herrscht diesbezüglich kein einheitliches Bild. So wird namentlich für den Bereich der normersetzenden Absprachen eine Bekanntmachung (in der für die ersetzte Norm vorgeschriebenen Form) für zwingend erachtet328, da andernfalls die erforderliche demokratische Kontrolle durch Legis324

Dazu auch: Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917. 325 So geschehen im Rahmen Absprache zur Mitteilung von Rahmenrezepturen in Wasch- und Reinigungsmitteln, BAnz Nr. 40a/1989 vom 28.02.1989; Dazu auch: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 186. 326 Vgl. hierzu den Bericht der Bundesregierung: BT-Drucks. 11/6224, S. 1 ff. sowie die diesbezüglichen Ausführungen in Kapitel 4: E. II. 1. lit. d) „Spielautomatenabsprache, 1989“. 327 Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 5: C. III. 5. „Schriftformgebot, § 57 VwVfG analog?“. 328 So etwa: Knebel/Wicke/Michael, Selbstverpflichtungen und normersetzende Umweltverträge als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 115 f.; Ebenso: Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 218 f.; Nicht eindeutig: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 272 ff.; merkwürdig mutet dagegen die Auffassung von Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 234 an, nach der für die Frage der Veröffentlichungspflicht zwischen normvertretenden und normabwendenden Vereinbarungen

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lative und Öffentlichkeit nicht mehr gewährleistet wäre329. Teilweise wird auch eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorgeschlagen330, während andere einen bloßen Aktenvermerk für erforderlich, aber auch für ausreichend erachten331. Verschiedentlich wird allerdings auch die Bekanntmachung informeller normersetzender Absprachen generell für entbehrlich gehalten332. Gegen eine grundsätzliche Veröffentlichungspflicht spricht jedenfalls nicht der (fragwürdige) Einwand, dass diese nicht effektiv in der Lage sei, den Abschluss solcher Absprachen zu verhindern, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt333. Letztlich ist nämlich keine rechtliche Regelung tatsächlich in der Lage, ein Zuwiderhandeln vollends zu verhindern. Fraglich ist aber, woraus sich eine Pflicht zur Veröffentlichung informeller Absprachen überhaupt ableiten ließe. Soweit ein dahingehendes Erfordernis im Einzelfall den jeweils einschlägigen Fachgesetzen entnommen werden kann334, ergeben sich hieraus jedenfalls keine generellen Aussagen. In diesem Zusammenhang kommt somit auch der Bekanntmachungsregelung gemäß § 62 GWB keine gesonderte Bedeutung zu, da dies die grundsätzliche Anwendung des Kartellrechts voraussetzen würde335. Vor dem Hintergrund, dass die vorliegende Absprache an die Stelle einer ursprünglich geplanten gesetzlichen Regelung getreten ist, könnte sich aber unter Umständen eine Pflicht zur Veröffentlichung aus einer entsprechenden Anwendung des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG ergeben. Dies würde jedoch erfordern, dass diesbezüglich Absprache und Gesetz entsprechend dem Regelungsgedanken der Vorschrift vergleichbar wären. Gesetze bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer förmlichen Verkündung bereits deshalb, weil die Rechtsunterworfenen in verlässlicher Weise darüber informiert werden müssen, welchen rechtlichen Regelungen sie fortan unterworfen sind336. Informelle Absprachen dagegen enthalten zu unterscheiden sei. Eine derartige Differenzierung ist nicht nur irreführend, sondern auch unzutreffend, da einer Vereinbarung im hier interessierenden Sinne schon aufgrund des Fehlens einer abstrakt-generellen Regelung in keinem Falle Rechtsnormcharakter zukommen kann. Der Unterschied zwischen normvertretenden und normabwendenden Vereinbarungen ist demzufolge allein terminologischer, nicht aber inhaltlicher Natur. 329 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1031; Vgl. auch: Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 157. 330 Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 973. 331 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 248; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 229. 332 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 236 f. 333 Vgl. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 184. 334 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1031; Vgl. auch: Atzpodien, DVBl 1990, 559, 560 f. 335 Siehe hierzu Kapitel 5: C. V. „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)“; Vgl. auch: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1027 f., 1031. 336 BVerfGE 65, 283, 291; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 66; Vgl. auch: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 70.

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keinen dem Gesetz vergleichbaren generell-abstrakten, imperativen Rechtsbefehl337, sondern sind das Ergebnis eines Verhandlungsvorgangs, der die Beteiligten in die Lage versetzt, genaue Sachverhaltskenntnis zu besitzen. Damit aber mangelt es insofern an der erforderlichen Vergleichbarkeit zwischen Absprache und Gesetz. Andererseits kann nun aber nicht im Umkehrschluss aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG die grundsätzliche Entbehrlichkeit einer Veröffentlichung gefolgert werden338, da informelle Absprachen gerade nicht gesetzlich geregelt sind, so dass sich ein pauschaler Rückschluss hier verbietet. Auch aus dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens339 resultieren letztlich keine gesonderten Veröffentlichungspflichten, da diesem Prinzip bereits durch die bestehende Auskunftspflicht gegenüber dem Bundesrat in hinreichender Weise Rechnung getragen ist. Für eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung könnten jedoch nicht zuletzt die rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit staatlicher oder staatlich veranlasster Vorgaben an das Verhalten Privater sprechen340. Bezogen auf die vorliegende Problematik folgt hieraus, dass es den von der Absprache betroffenen Privaten grundsätzlich möglich sein muss, die bestehende Sach- und Rechtslage erkennen und bewerten zu können, um hiernach ihr Verhalten auszurichten. Wiederum gilt es aber zu berücksichtigen, dass der an der Absprache beteiligte Private genaue Kenntnis von der getroffenen Vereinbarung hat und somit auch keiner zusätzlichen, neutralen Informationsquelle bedarf. Gleiches gilt aber auch dann, wenn die Absprache von einem Verband getroffen wird, da es in der Natur der Sache begründet liegt, dass die jeweiligen Mitglieder durch den Verband selbst hinlänglich informiert werden. Andernfalls wäre die Einhaltung der getroffenen Vereinbarung von vornherein unmöglich. Dessen ungeachtet können Absprachen jedoch auch die Interessen und Rechte Dritter berühren. Dann aber müssen diese bereits im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG hinreichende Kenntnis vom Inhalt der Vereinbarung haben, da sie nur so in die Lage versetzt werden, etwaige Rechtsverletzungen substantiiert vortragen zu 337 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 187; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 236 f. 338 Andeutend insoweit: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 139. 339 H.-J. Vogel in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1061 ff.; Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 61 ff.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 30. Aufl. 1998, S. 108 f.; Vgl. BVerfGE 12, 205, 254 f.; 34, 9, 44; 39, 96, 108; 61, 149, 205; 81, 310, 337. 340 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 139 f.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 187; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364 f.; Jarass, DVBl 1985, 193, 198; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8; Offen gelassen bei: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 184; Allgemein zur rechtsstaatlichen Transparenz und Publizität: Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 3, Rz. 348 ff.; Trute, DVBl 1996, 950, 956 f.; Vgl. auch: Kirchhof, DÖV 1982, 397, 398 f.

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können. Eine erhöhte Transparenz durch verstärkte Öffentlichkeitsbeteiligung trägt somit wesentlich zu einer Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen bei und erleichtert insofern auch eine effektive Grundrechtssicherung341. Anders als die Berichterstattung in den Medien, die nicht immer mit der gebotenen Objektivität einhergeht342, bietet hierfür insbesondere die behördliche Bekanntmachung eine erhöhte, wenn auch nicht vollkommene Gewähr. Zugleich dient die Veröffentlichung aber auch der Sicherung des Machtgefüges im parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaat und der Gewährleistung der damit zusammenhängenden Aspekte von Öffentlichkeit und Transparenz des Staatshandelns343. Ohne Kenntnis des Wortlauts der Absprache und ihres genauen Inhalts wären wohl weder Bundestag noch Öffentlichkeit kaum zu einer effektiven Kontrolle von Regierung und Verwaltung in der Lage344. Dagegen wird nach anderer Auffassung dem Informationsbedürfnis des Parlaments bereits durch den Umfang der ihm zustehenden Auskunfts- und Informationsrechte (etwa in Form von Großer oder Kleiner Anfrage345) hinreichend entsprochen, so dass es einer zusätzlichen Veröffentlichung informeller Absprachen grundsätzlich nicht bedürfe346. In der Tat ist dieses Argument nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dabei dürfte wohl noch hinzukommen, dass ein generelles Informationsdefizit des Parlaments nicht nur aufgrund mangelnder Informationsbereitschaft der Regierung347, sondern teilweise auch auf unzureichendem Sachverstand beruhen dürfte. Dennoch aber kann ein bloßes Auskunftsrecht die grundsätzliche Verpflichtung zur (eigenständigen) Veröffentlichung nicht ersetzen. Die Frage ist nämlich, worüber das Parlament Auskunft begehren soll, wenn es um die Existenz der jeweiligen Absprache überhaupt nicht weiß? Schlussendlich ist eine Pflicht zur Veröffentlichung auch unter demokratischen Gesichtspunkten zu befürworten, da nur so das Parlament erst in die Lage versetzt wird, die eigene Öffentlichkeitsfunktion zu wahren348, indem es etwa eigene Initiativrechte wahrnimmt. 341

Vgl. BVerfGE 61, 82, 114 ff.; 77, 381, 406. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 186 f.; Vgl. auch: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1031. 343 Hierzu auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 273. 344 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1031; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364 f.; Allgemein zur parlamentarischen Kontrolle: H.-P. Schneider in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 574 mwN. 345 Vgl. §§ 100, 75 Abs. 1 lit. f) GO BT (Große Anfrage) sowie §§ 104, 75 Abs. 3 GO BT (Kleine Anfrage). 346 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 235. 347 Dazu die Ausführungen von: H.-P. Schneider in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 586. 348 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 189; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 364 f.; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1031; 342

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Nach alldem ergibt sich im Ergebnis eine der Bundesregierung obliegende Rechtspflicht, den Wortlaut normersetzender Absprachen in geeigneter Art und Weise zu veröffentlichen. Wie eine solche Veröffentlichung im Einzelfall zu erfolgen hat, steht zunächst grundsätzlich im Ermessen der jeweils handelnden Behörde349. Eine bestimmte Form der Verlautbarung kann daher nicht gefordert werden, solange die konkret gewählte Art geeignet ist, den Inhalt der Vereinbarung neben den Drittbetroffenen vor allem auch dem Parlament zur Kenntnis zu reichen. Insofern ist die in vorliegendem Sachverhalt durch die Bundesregierung abgegebene Presseerklärung350 nicht zu beanstanden, da hierdurch die wesentlichen Inhalte der Absprache in unmissverständlicher Weise wiedergegeben wurden. 4. Erforderlichkeit einer Prüfung durch zuständige Regierungsressorts/Sonstige Verfahrensvoraussetzungen Nach Aussage unterrichteter Kreise ist vor Abschluss der Absprache weder eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern noch des Bundesministeriums der Justiz eingeholt worden. Abgesehen davon, dass eine derartige Beteiligung ohnehin nur in Zweifelsfällen (vgl. § 45 Abs. 1 S. 3 GGO) vorgesehen ist, bleibt dieser Umstand für die Rechtmäßigkeit der informellen Absprache allerdings ohne jegliche Bedeutung, da die Beteiligungsvorschriften der GGO nur die regierungsinterne Zusammenarbeit regeln und als Binnenrecht im Außenverhältnis keine Wirkungen entfalten. Einer entsprechenden Stellungnahme seitens des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (vgl. § 45 Abs. 1 S. 1 GGO) bedurfte es überdies schon aus dem Grunde nicht, da dieses Ressort durch die zuständige Ministerin unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt war. Für eine Verletzung sonstiger Verfahrensvorschriften351 (insbesondere §§ 21 und 24 VwVfG analog) sind hinsichtlich der vorliegenden Absprache keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Vgl. auch: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8; Zweifelnd hingegen: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 235. 349 Für die Verkündung von Rechtsnormen: BVerfGE 65, 283, 291; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 24, Rz. 78; Vgl. auch: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 189 f.; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 273 ff.; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 365. 350 Erklärung der Bundesregierung zum Finanzbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller zur Konsolidierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung vom 08.11.2001; Pressemitteilung Nr. 507/01. 351 Hierzu Kapitel 5: C. IV. „Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG“.

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III. Form Wie bereits im Zusammenhang mit den Erläuterungen des 5. Kapitels gesehen352, bedürfen informelle Absprachen keiner besonderen Form, so dass grundsätzlich auch einem mündlichen Abschluss nichts im Wege steht. Insofern begegnet die vorliegende Vereinbarung hinsichtlich der Art und Weise ihres Zustandekommens jedenfalls unter rechtlichen Gesichtspunkten keinen durchgreifenden Bedenken.

E. Materielle Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001 I. Der Vorbehalt des Gesetzes – Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage? 1. Allgemeines Ungeachtet der Tatsache, dass die Bundesregierung für den Abschluss der Vereinbarung mit dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller zuständig war, müsste sie jedoch auch materiell berechtigt gewesen sein, eine Absprache diesen Inhalts zu treffen. Da diese beiden Problemkreise strikt voneinander zu trennen sind, kann nicht von vornherein ein möglicher Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes ausgeschlossen werden. Vorliegend ist demzufolge auch der Frage nachzugehen, ob und inwieweit der Gesetzesvorbehalt durch den Abschluss informeller Absprachen allgemein bzw. im Rahmen der vorliegenden Vereinbarung aktiviert wird. Aus dem Umstand, dass ausdrückliche Ermächtigungsnormen (begriffsnotwendig) fehlen353, kann jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Ermächtigungsgrundlage prinzipiell nicht erforderlich wäre. Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt kann für eine Aktivierung des Gesetzesvorbehalts zudem auch nicht auf § 31 SGB I354 zurückgegriffen werden, wonach die Begründung, Feststellung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs 352 Siehe hierzu: Kapitel 5: C. III. 5. „Schriftformgebot, § 57 VwVfG analog?“. Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen Verwaltungshandeln in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen; Bd. I, 1990, S. 59 f.; Für Vorverhandlungen: v. Wedemeyer, Kooperationen beim Vollzug des Umweltrechts, Diss. Augsburg, 1991, S. 224 (hinsichtlich Vorverhandlungen); Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2720; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 229; Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 8. 353 Für normersetzende Absprachen vgl. die Ausführungen bei: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 231. 354 Hierzu auch: Kretschmer in: GK-SGB I, 3. Aufl. 1996, § 31, Rz. 1 ff.; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 389.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Dies folgt bereits daraus, dass die Zahlung des Solidarbeitrags keine Sozialleistung im Sinne der Vorschrift ist. Zum anderen werden durch die informelle Absprache aufgrund ihrer Unverbindlichkeit Rechte und Pflichten weder begründet noch festgestellt, geändert oder gar aufgehoben. Für die Frage des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage ist daher auf allgemeine Grundsätze zurückzugreifen. Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes besteht aus zwei grundlegenden Komponenten355. Während der rechtsstaatliche Aspekt des Vorbehaltsprinzips verlangt, dass (Grund-)Rechtseingriffe einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, sind unter dem Gesichtspunkt seiner demokratischen Komponente alle wesentlichen Entscheidungen vom Parlament selbst zu treffen356. Auf der einen Seite wird damit dem Schutzanspruch der Individualrechtssphäre des Einzelnen Rechnung getragen. Indem zugleich auch eine Aussage über die Kompetenzverteilung zwischen Verwaltung und Gesetzgeber getroffen wird, dient der Vorbehalt des Gesetzes andererseits aber auch dem Schutz der parlamentarischen Kompetenzen und somit nicht zuletzt auch der Sicherung der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns. Aus diesem Grunde gilt es aber auch bei der Festlegung seiner Reichweite jeweils zwischen subjektiv-rechtlicher und objektivrechtlicher Seite zu differenzieren357. Doch selbst unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bleibt fraglich, wann für staatliches Handeln eine Ermächtigungsgrundlage tatsächlich erforderlich wird, da ein Totalvorbehalt des Gesetzgebers grundsätzlich abzulehnen ist358. Bereits im Zusammenhang mit dem Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge war seit jeher die Geltung des Gesetzesvorbehalts äußerst umstritten und ist wohl auch bis zum heutigen Tage noch nicht abschließend geklärt359. Kern der 355 Während noch in den Vormärzverfassungen vor allem das demokratisches Element des Gesetzesvorbehalts im Vordergrund stand, betonte demgegenüber die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre verstärkt dessen rechtsstaatliche Seite. Nach 1945 verlagerte sich der Schwerpunkt der Betrachtung weiter in Richtung Individualrechtsschutz. Erst in Folge der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts erfolgte wieder eine stärkere Akzentuierung des demokratischen Elements. Vgl. dazu auch: Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 59; Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 18 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710, 712; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032; Eberle, DÖV 1984, 485 ff.; Grewlich, DÖV 1998, 54, 58. 356 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 176; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 137 f.; Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 57, Rz. 20 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Erichsen, Jura 1995, 550, 552; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797. 357 Vgl. Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 70 mwN.; Maunz-Dürig, GG, Art. 20, Abschn. VI, Rz. 55 ff.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 44 ff.; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 24 ff.; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 3, Rz. 319 ff., 334 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710 ff.; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211. 358 Siehe auch: BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 109; Vgl. Menger, VerwArch 64 (1973), 201, 206 f.

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Problematik ist hierbei nicht zuletzt auch die gesetzgeberische Entscheidung in § 54 S. 1 VwVfG, durch die einer wesentlichen Forderung der normativen Ermächtigungslehre, nach der öffentlich-rechtliche Verträge auf ausdrücklicher gesetzlicher oder gesetzesgleicher Ermächtigung beruhen müssen, in gewisser Weise Rechnung getragen wurde, ohne diese jedoch vollumfänglich zu übernehmen360. Hinsichtlich der Geltung des Vorbehaltsprinzips im Rahmen informeller Absprachen dagegen stellt sich das Bild noch uneinheitlicher dar. Die hierbei bestehenden Unsicherheiten und das daraus resultierende Diskussionspotential sind (wie beim öffentlich-rechtlichen Vertrag auch) vor allem eine Folge der Tatsache, dass grundrechtsrelevante staatliche Handlungsformen im konkreten Einzelfall durch konsensuale (hier zudem noch informelle) Instrumente ersetzt werden. Als gesichert kann lediglich die Aussage gelten, dass Realakte, obwohl sie keinen Regelungscharakter aufweisen, im Einzelfall dann einer Befugnisnorm bedürfen, sofern sie eingreifend wirken361. Im Übrigen aber findet um diesen Problemkreis nach wie vor eine lebhafte Diskussion statt. 2. Ermächtigungsgrundlage auch für informelle Absprachen? a) Meinungsstand Nach überwiegender Auffassung wird das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage aus der Überlegung heraus abgelehnt, dass die Freiwilligkeit der Einigung mit dem Privaten einen Grundrechtseingriff ausschließe (volenti non fit iniuria)362. Einhellig wird hingegen betont, dass eine Ermächtigungsgrundlage dann zu fordern ist, wenn die jeweilige Absprache in die Grundrechte Dritter eingreift363. Davon einmal abgesehen ergeben sich hinsichtlich des gefundenen Ergebnisses vor allem dann ernsthafte Bedenken, wenn teilweise darauf hingewiesen wird, dass durch das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage den 359 Dazu: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 24; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 92 ff.; Bleckmann, JZ 1988, 57, 61; Corell, DVBl 1998, 363, 366; Stern, VerwArch 49 (1958), 106, 140 ff.; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197 f.; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211. 360 Dazu: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 23; Stern, VerwArch 49 (1958), 106, 131; Allesch, DÖV 1988, 103, 104 f. 361 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 20. 362 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 97 ff.; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 88; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip, 1990, S. 95 f.; Für den öffentlichrechtlichen Vertrag: BVerwGE 42, 331, 335. Auch die Bundesregierung ist bei der vorliegenden Absprache offenbar von dieser Argumentation ausgegangen, vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (BT-Drucks. 14/8438), BT-Drucks. 14/8685, S. 4. 363 Vgl. etwa die Ausführungen hierzu von: Oldiges, WiR 1973, 1, 28 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 367 f.

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(unmittelbar) Betroffenen ohnehin kein spürbarer rechtlicher Vorteil zustatten kommen würde364. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demokratischen Komponente des Gesetzesvorbehalts problematisch, die hierdurch in keiner Weise berücksichtigt wird. Aus der gleichen Erwägung heraus ist auch dem Vorschlag zu widersprechen, nach dem im Einzelfall eine teleologische Reduktion des Gesetzesvorbehalts in Betracht zu ziehen sei, wenn im Ergebnis durch die Absprache die Grundrechte weniger berührt werden als durch eine alternativ mögliche gesetzliche Regelung365. Auch die von einem Teil der Literatur angedachte Begrenzung des grundrechtlichen Schutzbereichs stößt daher auf ähnliche Bedenken, weil eine solche Einschränkung nicht vom Gesetzgeber, sondern regelmäßig von der Exekutive vorgenommen würde366. Abzulehnen ist schließlich auch die Ansicht mancher Autoren, nach der ein Eingriff im Rahmen der informellen Absprache schon deshalb nicht in Betracht komme, weil der Einzelne sich von ihren Folgen jederzeit lösen könne367. Bedenken ergeben sich hier schon deshalb, weil übersehen wird, dass eine Lossagung von der getroffenen Vereinbarung regelmäßig nicht ohne die Inkaufnahme faktischer Folgen möglich sein wird368. Kritiker halten dagegen eine gesetzliche Grundlage für den Abschluss informeller (normersetzender) Absprachen aufgrund ihres Eingriffscharakters in jedem Falle für zwingend erforderlich369. Demnach wird zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die Absprache letztlich ein Akt freier Willensbetätigung sei, doch dürfe andererseits auch nicht der Gesamtzusammenhang verkannt werden. So beeinträchtige bereits die staatliche Drohung mit einem künftigen Normerlass den Einzelnen in seinen grundgesetzlich geschützten Rechten370. Insofern beschränken sich manche Autoren mit ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage jedenfalls auf jene Fälle, in denen die handelnde Behörde für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen bzw. der Nichtbefolgung der Absprache mit der einseitigen Durchsetzung der jeweiligen Leistung droht371. 364

Stober, DÖV 1995, 125, 131. Siehe hierzu die Erläuterungen von: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 213 (für Selbstverpflichtungserklärungen). 366 Vgl. umfassend: Brohm, DVBl 1994, 133, 135 mwN. 367 Di Fabio, JZ 1997, 969, 971; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797 f., 799; Ebenso wohl auch Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 368 Vgl. hierzu auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 269 (für Selbstbeschränkungsabkommen). 369 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032 f.; Oldiges, WiR 1973, 1, 22 ff.; Ohne nähere Begründung insoweit auch Scherer, DÖV 1991, 1, 5; Vgl. Becker, DÖV 1003, 1010; Oldiges, WiR 1973, 1, 7; Murswiek, JZ 1988, 985, 988; Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag andeutend: Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197 f. 370 Vgl. etwa: Di Fabio, JZ 1997, 969, 972. 365

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Andere wiederum sehen in der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts eine wichtige Argumentationshilfe372 und nicht selten auch den notwendigen Ausgangspunkt der Betrachtung. Den vorgenannten Auffassungen wird entgegen gehalten, dass sie die Bedeutung des Gesetzesvorbehalts zur Gewährleistung des Primats des Gesetzgebers im rechtsstaatlich-demokratischen System verkennen würden. Grundsätzlich dürfe es innerhalb dieses Systems weder die Aufgabe des Parlaments sein, sich seiner Stellung als politischem Führungsorgan zu entledigen373, noch könne dies einem an der Absprache beteiligtem Privatrechtssubjekt zuteil werden. Da sich der Staat nicht beliebig Eingriffsmöglichkeiten erkaufen könne, bilde demzufolge auch nicht die Einwilligung des Privaten die Basis für das staatliche Handeln, sondern allein die normative Ermächtigungsgrundlage374. Zuzugeben ist sicher, dass bei der Frage der Aktivierung des Gesetzesvorbehalts auch dessen demokratisch-rechtstaatlicher Aspekt berücksichtigt werden muss. Insofern ist dieser Auffassung durchaus zuzustimmen. Abzulehnen ist sie aber dann, soweit sie zu einem Totalvorbehalt des Gesetzgebers führt, da ein solcher auch von der Verfassung grundsätzlich nicht vorgesehen ist. b) Lösungsansatz Bereits die zuvor gezeigten Ansichten belegen, dass sich letztlich eine pauschale Lösung verbietet, da es immer auch eine Frage des Einzelfalls ist, welche Wirkungen von informellen Absprachen ausgehen und welche Aspekte des Gesetzesvorbehalts hiervon betroffen werden können. Für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist, muss zudem grundsätzlich zwischen der instrumentalen Ebene einerseits und der inhaltlichen Gestaltung der Vereinbarung andererseits differenziert werden375. aa) Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich der Wahl des Handlungsinstruments? Fraglich ist zunächst, ob durch die alleinige Verwendung der informellen Absprache der Gesetzesvorbehalt aktiviert wird. Grundsätzlich ließe sich das beja371 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Scherzberg, JuS 1992, 205, 211; Vgl. allgemein: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 25. 372 Vgl. allgemein: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 153; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972. 373 Robbers, JuS 1985, 925, 929; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 939. 374 Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1114. 375 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 153; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag); Ebenso: Göldner, JZ 1976, 352, 354; Dagegen jedoch: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 95; Tegethoff, BayVBl 2001, 644, 647; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197.

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hen, wenn bereits die Instrumentenwahl für sich genommen Eingriffscharakter besäße oder aber aufgrund der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts einer Ermächtigung bedürfte. Für die Beantwortung dieser Frage bietet sich zunächst ein Vergleich mit dem Verwaltungsakt an, da hierbei das Verhalten des Privaten nicht auf dem Prinzip von Kooperation und Freiwilligkeit, sondern auf imperativem Rechtsbefehl beruht. Verwaltungsakte (jedenfalls belastende) weisen nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern bereits hinsichtlich ihrer bloßen Verwendung – also der konkreten Form des Tätigwerdens – Eingriffscharakter auf376. Dies folgt bereits aus ihren materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Funktionen sowie den Wirkungen, die deshalb von ihnen ausgehen377. Der gegenteiligen Auffassung, nach der die Frage des Gesetzesvorbehalts allein den Inhalt, nicht aber die Form des Verwaltungshandelns betreffen soll378, ist vor diesem Hintergrund prinzipiell zu widersprechen. Dies gilt insbesondere mit Rücksicht auf die dem Verwaltungsakt innewohnende Titel und Vollstreckungsfunktion. So ist die Verwaltung in der Lage, sich durch den bloßen Erlass eines Verwaltungsakts einen eigenen vollstreckungsfähigen Titel zu schaffen, ohne diesbezüglich den Rechtsweg in Anspruch nehmen zu müssen. Für den Bürger folgt zugleich aus der Fähigkeit des Verwaltungsakts, in Bestandskraft (vgl. §§ 43 ff. VwVfG)379 erwachsen zu können, dass grundsätzlich ihm die Anfechtungslast auferlegt wird. Schon hieraus wird ersichtlich, dass bei Verwaltungsakten bereits die Form des Tätigwerdens eine zusätzliche, über die eigentliche Regelung hinausgehende Grundrechtsbelastung darstellt, die einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage bedarf380. In der Praxis hingegen wirft die entsprechende VA-Befugnis zumeist keine besonderen Probleme auf. 376 BVerwGE 72, 265, 266 f.; OVG Lüneburg, NVwZ 1989, 880 f.; OVG Koblenz, NVwZ 1988, 652, 653; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 45, Rz. 14; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 155; Scherzberg, JuS 1992, 205, 208; Hill, DVBl 1989, 321, 323; Differenzierend: Osterloh, JuS 1983, 280, 281, 284; AA. dagegen: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 40; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 241 f.; Offengelassen: BVerwGE 97, 117, 119. 377 Vgl. insbesondere Titel-, Vollstreckungs-, Individualisierungs- und Konkretisierungsfunktion, sowie die Tatbestandswirkung. Hierzu auch: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 25 ff. mwN.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35, Rz. 7; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 45, Rz. 9 ff. mwN.; Ossenbühl, JuS 1979, 681, 683 f. 378 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 35, Rz. 40; Meyer in: Meyer/ Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 35, Rz. 76 f.; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 32; Corell, DÖV 1998, 363, 366. 379 Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 43, Rz. 29 ff; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 50, Rz. 6. 380 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 294; Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 15, Rz. 4; Osterloh, JuS 1983, 280, 283; Hill, DVBl 1989, 321, 323.

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Fraglich ist jedoch, welche Rückschlüsse sich hieraus für die Verwendung informeller Absprachen ziehen lassen. Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag jedenfalls bedarf es aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung in § 54 S. 1 VwVfG diesbezüglich keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage381. Vergleichbare Aussagen existieren für informelle Absprachen hingegen nicht. Eine Ermächtigungsgrundlage wäre jedenfalls dann erforderlich, wenn die Verwendung der informellen Absprache mit der Problematik des Verwaltungsakts vergleichbar wäre, wenn sich somit bereits durch die Wahl der Handlungsform ein Eingriffscharakter annehmen ließe. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt verfügen Absprachen jedoch nicht über die erwähnten Titel- und Vollstreckungsfunktionen. Aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit und des daraus folgenden freiwilligen Vollzugs sind sie zudem auch nicht in entsprechender Weise der Bestandskraft fähig. Keinesfalls dürfen dabei jedoch die faktischen Wirkungen übersehen werden, die von informellen Absprachen ausgehen. Diese beruhen jedoch anders als beim Verwaltungsakt nicht auf der Instrumentenwahl als solcher, sondern ausschließlich auf der mit der Absprache getroffenen inhaltlichen Entscheidung. Allerdings gehen Absprachen bekanntermaßen regelmäßig mit einer faktischen Rechtsschutzverkürzung sowohl für die Beteiligten als auch für Drittbetroffene einher382. Obwohl diese Belastung bereits aus der eigentlichen Verwendung der Absprache als Handlungsinstrument und nicht erst aus dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung resultiert, wird hierdurch der Gesetzesvorbehalt dennoch nicht aktiviert. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass ohne eigentlichen Rechtseingriff letztlich auch kein Rechtsschutz geboten ist383. Wenn überhaupt kann daher die Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten nur dann unzulässig sein, wenn sie zugleich mit einem inhaltlichen Rechtseingriff zusammentrifft. Dieser aber verlangt bereits für sich genommen eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage, so dass die Problematik der Rechtsschutzerschwerung nicht losgelöst vom Inhalt der getroffenen Vereinbarung zu beurteilen ist. Unter subjektiv-rechtlichen Gesichtspunkten ist somit für die Frage des Gesetzesvorbehalts allein die inhaltliche, nicht aber instrumentale Dimension informeller Absprachen ausschlaggebend384. Unter Umständen könnte sich jedoch im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie eine Aktivierung des Gesetzesvorbehalts ergeben. Ihrem Grundgedanken entsprechend ist der Ausgangspunkt der Überlegungen hierbei darin zu suchen, dass der Gesetzgeber nicht mit solchen Vereinbarungen konfrontiert werden 381

Scherzberg, JuS 1992, 205, 208; Maurer, DVBl 1989, 798, 804. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 233; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187, 212 ff.; Henneke NuR 1991, 267, 273; Grewlich, DÖV 1998, 54, 59; Vgl. Kapitel 4: F. V. „Rechtsfolgen rechtswidriger Absprachen – Ein Überblick“. 383 So mit ausführlicher Begründung auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 156 f. 384 Ähnlich auch: Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197. 382

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soll, die er nachträglich nicht mehr aus der Welt schaffen kann385. Da Absprachen keine rechtlichen Bindungen erzeugen, besteht diese Gefahr vorliegend grundsätzlich nicht, doch stellt sich die Frage, ob aufgrund der unter Umständen bestehenden faktischen Bindungswirkungen eine Übertragung dieser Grundsätze erforderlich ist. Dann jedenfalls müsste bereits die Instrumentenwahl eine „wesentliche“ Entscheidung sein386. Zweifelhaft ist dies bereits deshalb, weil der Gesetzgeber überhaupt nicht in der Lage wäre, durch abstrakt-generelle Regelungen eine sachgerechte Entscheidung für jeden erdenklichen Einzelfall zu treffen. Schlussendlich wird durch die Wahl der Absprache als Handlungsform auch deshalb keine wesentliche Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erläuterungen getroffen387, da ihr über eine rein instrumentale Funktion hinaus kein Eingriffscharakter zukommt, sie zugleich aber auch nicht die grundgesetzliche Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Exekutive berührt. Letztlich hängt somit die Frage der Wesentlichkeit einer Vereinbarung (wiederum) allein vom jeweiligen Gegenstand der Vereinbarung ab388, ohne dabei durch den formellen Aspekt der Handlungsform beeinflusst zu werden. Im Ergebnis ist daher im Rahmen informeller Absprachen hinsichtlich der bloßen Instrumentenwahl keine Ermächtigungsgrundlage erforderlich389. bb) Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich des Abspracheinhalts? Ungeachtet aller positiven Effekte gehen informelle Absprachen bzw. ihnen nachfolgende Vollzugshandlungen häufig mit nicht unerheblichen Grundrechtsbelastungen einher. Ob es sich allerdings hierbei auch um Grundrechtseingriffe handelt, hängt davon ab, welches Verständnis dem Begriff des Eingriffs zugrunde gelegt wird. Auf diese Problematik wird daher noch an späterer Stelle zurückzukommen sein390. In jedem Falle aber muss berücksichtigt werden, dass 385

BVerfGE 90, 286, 377. Andeutend: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 218; Dazu auch Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 158 f.; Zum Problem der Wesentlichkeit im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verträge: Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, 1987, S. 106; Vgl. auch Becker, DÖV 1985, 1003, 1011. 387 Insofern missverständlich die Ausführungen bei: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 295 ff. mwN. (hinsichtlich der Wahl des öffentlich-rechtlichen Vertrags). 388 Für den öffentlichen rechtlichen Vertrag: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 296. 389 Vgl. Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 295; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 159; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 265; Höfling/ Krings, JuS 2000, 625, 627 f.; Maurer, DVBl 1989, 798, 804; Göldner, JZ 1976, 352, 354. 390 Hierzu sogleich unter VII. „Verletzung von Grundrechten der VFA-Unternehmen?“. 386

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sowohl der Abschluss von Verträgen als auch von informellen Absprachen letztlich auch Ausdruck der Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten ist391. Andernfalls würde dem Bürger jegliche Befugnis zu einer selbstbestimmten Rechtsgestaltung gegenüber dem Staat abgesprochen. Demzufolge wird vielfach die Auffassung vertreten, dass in der Beteiligung an einer informellen Vereinbarung mit dem Staat grundsätzlich kein Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheiten zu sehen sei, sofern im Einzelfall nicht die Regelungsintention der betroffenen Grundrechte entgegenstehe392 und keine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Bürgers, etwa durch Täuschung oder übermäßigen Druck, vorliege. Mit anderen Worten wird somit die Freiwilligkeit des Privatrechtssubjekts eine unter Umständen anzunehmende Eingriffswirkung der Absprache wohl regelmäßig entfallen lassen. Ob hieraus jedoch der Schluss gezogen werden kann, dass es einer Ermächtigungsgrundlage von vornherein nicht bedarf393, ist dennoch zweifelhaft. Besonderes Augenmerk ist nämlich dem Umstand zu widmen, dass im Rahmen normersetzender Absprachen der Staat zumeist nur deshalb seine Vorstellungen durchsetzen kann, weil er zugleich mit der Möglichkeit des Normerlasses für den Fall des Scheiterns der Vereinbarung droht. Nach Ansicht mancher Autoren kann hierin die eigentliche Eingriffswirkung der Absprache gesehen werden, so dass aus diesem Grunde eine Ermächtigungsgrundlage zu fordern sei. Die später erteilte Einwilligung könne hieran grundsätzlich nichts ändern, da der staatliche Druck zu diesem Zeitpunkt bereits eingesetzt worden sei und eine Rückwirkung des Einwilligungsakts (im Sinne einer Genehmigung) aus rechtsstaatlichen Gründen abgelehnt werden müsse394. Dabei wird jedoch geflissentlich übersehen, dass die Drohung mit einem möglichen Normerlass der Absprache nicht vorgelagert ist, sondern sich über den gesamten vereinbarungsrelevanten Zeitraum erstreckt, um den Privaten an der einseitigen Aufkündigung der Absprache zu hindern. Insofern wäre dieser aber auch nicht an einer dahingehenden Einwilligung gehindert. Dessen ungeachtet spricht gegen diese Auffassung jedoch grundsätzlich folgende Überlegung: Die Drohung mit einem künftigen Normerlass beinhaltet schon aufgrund ihres spezifischen Charakteristikums mehr als eine bloße Information über die bestehende Rechtslage. Sie ist aber für sich genommen nicht 391 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 25; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211; Di Fabio, JZ 1997, 969, 970; Siehe auch: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 178. 392 Dazu: Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 542 ff.; Sachs, VerwArch 76 (1985), 398, 424 f. 393 Vgl. etwa: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 88; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 214 f.; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010 f.; Differenzierend: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797. 394 Vgl. hierzu auch: Di Fabio, JZ 1997, 969, 972; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032 f.; Scherzberg, JuS 1992, 205, 211 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag).

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geeignet, zusätzlich zu den mit der Absprache verbundenen Wirkungen gesondert in die Grundrechte der Betroffenen einzugreifen. Bedeutung erlangt sie vielmehr erst dann, wenn im Zuge der Verhandlungsaufnahme ein konkreter Bezugspunkt hergestellt wird, nämlich die gewünschte Gegenleistung des Privaten. Dann nämlich wird dieses Drohpotential Teil der staatlichen Verhandlungsmasse395. Zugleich kann die Drohung damit aber auch nicht losgelöst von der gewünschten (und schließlich in gewissem Umfang auch verabredeten) Handlung des Privaten betrachtet werden, sondern ist vielmehr mit dieser in eine Gesamtbetrachtung einzustellen. Bedeutung würde sie demnach allein bei der Frage erlangen, ob und inwieweit die Einwilligung des Privaten in die mit der Absprache verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen noch als freiwillig bezeichnet werden kann396. Auf der anderen Seite aber stellt sich die Frage, ob nicht vor dem Eindruck der teilweise massiven staatlichen Drohungen eine grundrechtsgleiche Gefährdungslage entsteht, die es rechtfertigt, unabhängig vom Vorliegen eines gesonderten Eingriffs den Gesetzesvorbehalt zu aktivieren397. So wurde in diesem Zusammenhang von Murswiek der äußerst bildliche Vergleich geprägt, nach dem einstmals das Vorzeigen der Folterinstrumente die erste Stufe der Folter darstellte398. In der Gegenwart angekommen liegt im Rahmen normersetzender Absprachen auf dieser ersten Stufe die Ankündigung eines alternativen Normerlasses, wodurch die Bereitschaft des Privaten zum Abschluss der Absprache gesteigert oder überhaupt erst erzeugt werden soll. Demzufolge lassen sich aber eben auch auf der Basis formaler Gleichordnung der Beteiligten (faktischer) Zwang und Machtmissbrauch nicht grundsätzlich ausschließen399. Insofern ist die Forderung nach einer Ermächtigungsgrundlage sicher nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen, auch wenn ein Grundrechtseingriff an sich (noch) nicht gegeben ist. In jedem Falle aber kann das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung nicht pauschal unter Verweis auf den Grundsatz volenti non fit iniuria (dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht) verneint werden. Mag dieses Prinzip in Bezug auf die individuelle Rechtssphäre durchaus zutreffend sein, so gelangt es 395 Vgl. Kapitel 3: K. II. „Merkmale und Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag“. 396 Siehe insofern Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 111, der bei Frage der Aktivierung des Gesetzesvorbehalts allein auf die Freiwilligkeit einer Einwilligung des Privaten abstellt. 397 Di Fabio, JZ 1997, 969, 972; So auch Grewlich, DÖV 1998, 54, 58. 398 Murswiek, JZ 1988, 985, 988; Ähnlich auch: v. Lersner, Verwaltungsrechtliche Instrumente des Umweltschutzes, 1983, S. 23; Zustimmend: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 102 f.; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033. 399 So v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 201, 208, der hieraus jedoch nicht das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage folgert, sondern allein die Frage der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Absprache betroffen sieht.

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hingegen dann an seine Grenzen, wenn von der Absprache objektive Rechtsprinzipien oder die Belange Dritter berührt werden400. So kann es insbesondere nicht im Belieben eines Privatrechtssubjekts oder sonstiger interessierter Kreise stehen, durch bloße Einwilligung in einen (unter Umständen gegebenen) Grundrechtseingriff in grundlegende staatpolitische Entscheidungsprozesse einzugreifen. Hierfür bedarf es wenigstens im Ansatz einer Entscheidung durch das Parlament401. Damit ist wiederum die Frage der Wesentlichkeit des Abspracheinhalts angesprochen. Normersetzende Absprachen bedürfen demnach dann einer Ermächtigungsgrundlage, wenn durch sie wesentliche staatspolitische Weichenstellungen betroffen sind. Das hingegen ist eine Frage des Einzelfalls und kann keineswegs pauschal beantwortet werden. Im Rahmen normersetzender Vereinbarungen wird jedoch regelmäßig die quantitative bzw. qualitative Dimension der zu regelnden staatlichen Aufgabe für das Vorliegen einer wesentlichen Entscheidung sprechen und somit den Parlamentsvorbehalt auslösen402. Die vorliegende Absprache hat ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit Bedeutung für das gesamte System der Gesetzlichen Krankenversicherung und wirkt sich insbesondere auf deren künftige Finanzierung aus. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sie die Einbeziehung zusätzlicher Finanzierungsverantwortlicher in das allgemeine Finanzierungskonzept der GKV zum Gegenstand hat, wird ihre Bedeutung nicht nur für künftige, sondern auch aktuelle Reformvorhaben innerhalb des Systems der sozialen Sicherung deutlich. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an der schließlich im Rahmen des BSSichG eingeführten (ähnlichen) Regelung des § 130a SGB V. Da die Absprache vom 08.11. 2001 demnach wesentliche sozialpolitische Weichenstellungen beinhaltete, ist insofern auch eine dahingehende Ermächtigungsgrundlage erforderlich gewesen. 3. Mögliche Ermächtigungsnormen hinsichtlich der Absprache vom 08.11.2001 Entscheidend ist nun aber, woraus sich im konkreten Einzelfall die Ermächtigung zum Abschluss der normersetzenden Absprache ergeben kann. Ein (ana400 Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 241; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 82; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 138; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 179; Sachs, VerwArch 76 (1985), 398, 409 f. mwN.; Grewlich, DÖV 1998, 54, 59; Göldner, JZ 1976, 352, 354. 401 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033; Vgl. auch: Robbers, JuS 1985, 925, 929; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 939. 402 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 138; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 217 f.; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 237; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248, 266.

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loger) Rückgriff auf § 54 VwVfG ist jedenfalls aus bekannten Gründen ausgeschlossen403. Auch das Recht der Bundesregierung zur politischen Leitung kommt letztendlich nicht als tragfähige Grundlage in Betracht: Grundsätzlich hat die Bundesregierung die generelle Befugnis zur verantwortlichen Leitung des Ganzen der inneren und äußeren Politik. Im Einzelnen ist hierbei noch vieles ungeklärt und lebhaft umstritten404. Weitgehend anerkannt ist jedoch eine damit zusammenhängende Befugnis der Regierung, krisenhaften Situation durch Information der Öffentlichkeit zu begegnen405, wobei diesbezüglich strenge Zulässigkeitskriterien entwickelt wurden. Regelmäßig wird eine derartige Legitimation daher wohl nur in Ausnahmesituationen denkbar sein und sich somit auf jene Fälle beschränken, in denen akuter Handlungsbedarf besteht406. Im Einzelfall mag dies zwar sicher auf eine hoheitliche Warnung oder Empfehlung zutreffen, nicht aber auf eine informelle Absprache, deren Abschluss nicht selten erst das Ergebnis längerer Verhandlungen ist. Da somit eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage nicht existiert, wird vielfach die Meinung vertreten, dass normersetzende Absprachen mangels gültiger Ermächtigungsgrundlage in jedem Falle rechtswidrig seien, soweit der Gesetzesvorbehalt reiche407. Dem ist in dieser Pauschalität kaum zuzustimmen, da hierdurch die Bedeutung des der Absprache zugrundeliegenden Normsetzungsermessens grundlegend verkannt würde. Bereits an anderer Stelle wurde darauf verwiesen, dass es dem jeweils zuständigen Organ grundsätzlich freisteht, eine Norm zu erlassen 403 Vgl. Kapitel 5: C. III. 2. „§ 54 VwVfG analog?“; Siehe auch: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797. 404 Hierzu auch: BVerwGE 82, 76, 80; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 4, Rz. 16; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 20 ff.; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 141; Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966, S. 41 ff.; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, 1992, S. 118 ff.; Lege, DVBl 1999, 569, 571 f. 405 BVerfGE 105, 279, 304; 44, 125, 147 f.; BVerfG, NJW 1989, 3269, 3270; BVerwGE 82, 76, 80; 87, 37, 46; BVerwG, NJW 1991, 1770 ff.; OVG Hamburg, NVwZ 1995, 498, 501; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 4, Rz. 34; Degenhart, Staatsrecht I, 19. Aufl. 2003, § 3, Rz. 324. 406 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 105. 407 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 232; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 123; Grüter, Umweltrecht und Kooperationsprinzip, 1990, S. 134; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 797; Für gesetzesersetzende Absprachen: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 258; Vgl. auch: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 142 sowie Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 104, nach dem hinreichende gesetzliche Grundlagen würden nur für den Fall existieren würden, dass die Gesetzgebungsorgane selbst Absprachepartner wären und die Absprachen im normalen Gesetzgebungsverfahren abliefen oder aber im Vorfeld eine Ermächtigung anderer staatlicher Stellen erfolgt wäre. Derartige Absprachen sind jedoch bis zum heutigen Tage nicht bekannt geworden.

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oder in der Sache untätig zu bleiben. Aus dem Freiraum aber, auch zwischen diesen beiden Extrempunkten handeln zu können, beziehen normersetzende Absprachen ihre prinzipielle Legitimation. Letztlich folgt hieraus aber auch, dass die Berechtigung des handelnden Organs, von einer Ermächtigung in bestimmter Weise keinen Gebrauch zu machen, im Rahmen des vorhandenen Ermessens grundsätzlich aus eben dieser Ermächtigung resultieren muss, auch wenn das gewünschte Verhalten des Privaten nunmehr auf informellem Wege zu erreichen versucht wird. Deckt also eine Ermächtigung (allgemein) eine bestimmte aktive Handlung, so muss dadurch auch die Nichtausübung dieser Möglichkeit im Wege eines informellen Verfahrens umfasst sein. Aus diesen Erwägungen heraus müsste sich eine normersetzende Absprache grundsätzlich auf diejenige Ermächtigung stützen lassen, die für die ersetzte Norm gegolten hätte. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass informelle Absprachen gegenüber den jeweiligen formellen Handlungsinstrumenten kein minus, sondern aliud sind408. Vorliegend wäre somit auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zurückzugreifen. Das aber ist hinsichtlich des Abschlusses informeller Absprachen nicht frei von jeglichen Bedenken: Die in Betracht kommende Regelung begründet allgemein die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass entsprechender Gesetze (bzw. zum Abschluss einer auf gesetzgeberisches Unterlassen gerichteten Absprache). Dass der zur Gesetzgebung zuständige Verband auch zum Erlass von Gesetzen befugt ist, bedarf dabei keiner expliziten Aussage der Verfassung. In die grundgesetzliche Zuständigkeitsordnung braucht daher insofern auch keine gesonderte Ermächtigung hineingelesen werden409. Auf die informelle Absprache bezogen ist dies dagegen fraglich, da schon vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 GG nicht ohne weiteres von einer bestimmten Sachaufgabe auf eine tatsächliche Ermächtigung geschlossen werden darf410. Allerdings misst auch das Bundesverfassungsgericht (wenn auch in anderem Zusammenhang) Kompetenznormen durchaus materiellen Charakter bei411. Entscheidend ist somit, ob den Kompetenznormen des Grundgesetzes tatsächlich eine Befugnis zum Abschluss solcher Vereinbarungen entnommen werden kann, die Parlamentsgesetze ersetzen bzw. vermeiden sollen. Dies ist – entsprechend den vorangegangenen Erläuterungen –

408 So aber: Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 218 f. 409 H.-W. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 100, Rz. 6; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 73, I, Rz. 4. 410 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 142. 411 BVerfGE 7, 377, 401; 14, 105, 111; 53, 30, 56; 77, 170, 221; Vgl. diesbezüglich aber auch das Sondervotum von Mahrenholz und Böckenförde in BVerfGE 69, 1, 62; Kritisch hierzu: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 73, I, Rz. 7; Allgemein zum grundrechtsbeschränkenden Charakter von Kompetenznormen: BVerfGE 69, 1 ff.; Selk, JuS 1990, 895 ff.

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auf der Grundlage des tatsächlich bestehenden Rechtsetzungsermessens, das dem jeweils handelnden Organ in der konkreten Situation eingeräumt ist, grundsätzlich zu bejahen. Insofern steht einem Rückgriff auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG auch nicht jenes prinzipielle Analogieverbot entgegen, das bereits die Übertragung des § 54 VwVfG auf informelle Absprachen ausschloss412, da es sich vorliegend nicht um eine Analogie, sondern vielmehr die Ausnutzung bestehender Verhaltensspielräume handelt. Nach alledem gilt es somit festzuhalten, dass der Inhalt normersetzender Absprachen grundsätzlich von der Ermächtigung umfasst wird, die für den Inhalt der ersetzten Entscheidung gegolten hätte413. Demzufolge durfte sich die Bundesregierung vorliegend auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen. Damit ist allerdings noch keine Vorfestlegung dahingehend getroffen, inwieweit die jeweilige Ermächtigungsgrundlage zugleich auch zum Erlass einer entsprechenden gesetzlichen Regelung berechtigen würde. Es wird daher noch zu sehen sein, ob die normersetzende informelle Absprache nur dann rechtmäßig sein kann, wenn zugleich das in Aussicht gestellte Gesetz gleichen Inhaltes rechtmäßig wäre414.

II. Unzulässige Vorwegbindung des Gesetzgebers? Das bestehende parlamentarische System wird nicht zuletzt auch durch das (erwünschte) Wechselspiel zwischen Regierung und Regierungsmehrheit auf der einen Seite sowie der parlamentarischen Opposition auf der anderen Seite grundlegend gekennzeichnet415. Innerhalb dieses Systems besitzt die Bundesregierung in Bezug auf den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess zwar ein Initiativrecht, inhaltliche Entscheidungen dagegen muss sie dem Parlament selbst überlassen416. Wie gesehen sind demnach informelle Absprachen, die faktisch zu einer Änderung der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung 412

Siehe zu diesem Problemkreis die Ausführungen in Kapitel 5: C. III. 2. „§ 54 VwVfG analog?“. 413 Jedenfalls im Grundsatz auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 258; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 148; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 174; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 218 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 795; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 367; aA.: Hucklenbruch, Umweltrelevante Selbstverpflichtungen – ein Instrument progressiven Umweltschutzes, 2000, S. 203; Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 212 f.; Vgl. auch: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 108; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 414 Dazu unten XIII. „Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm?“. 415 Siehe hierzu insbesondere auch die grundlegenden Erläuterungen bei: H.-P. Schneider in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 570. 416 Kirchhof, NJW 2001, 1332.

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führen, grundsätzlich unzulässig417. Hieraus folgt zugleich aber auch, dass der Gesetzgeber in keinem Falle durch Entscheidungen und Vereinbarungen anderer Verfassungsorgane in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt werden darf, um eine freie und umfassende Würdigung aller die Allgemeinheit betreffenden Interessen nachhaltig zu gewährleisten418. Bereits im Rahmen der kompetenzrechtlichen Untersuchung sorgte der Umstand für erheblichen Diskussionsbedarf, dass (parlaments-)gesetzesersetzende Absprachen gewissermaßen auf der Schnittstelle zwischen Exekutive und Legislative liegen. Die Problematik liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Exekutive letztlich Ordnungsaufgaben wahrnimmt, die an sich in den Kompetenzbereich der Legislative gehören419. Insofern besteht daher die nicht unbegründete Gefahr, dass exekutives Handeln in den Kernbereich der legislativen Zuständigkeit eindringt420 und damit zu einer Entmachtung des Parlaments421 als oberstem Verfassungsorgan422 führt. Hiergegen spricht jedoch, dass die Bundesregierung im Rahmen normersetzender Vereinbarungen grundsätzlich nicht zusagt, dass ein bestimmtes Gesetz nicht erlassen wird. Vielmehr legt sie der Absprache allein die Ausübung ihres Initiativrechts gemäß Art. 76 Abs. 1 GG zu Grunde423. In diesem Rahmen erklärt sie sich vorbehaltlich einer anderen gesetzgeberischen Entscheidung424 bereit, entsprechende Gesetzesinitiativen zu unterlassen, solange die Absprache Bestand hat425. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung ohnehin rechtlich unverbindlich ist und demzufolge selbst die Bun417 Allgemein: BVerfGE 32, 145, 156; 55, 274, 301; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 673 (hinsichtlich Art. 30 GG). 418 Birk, NJW 1977, 1797. 419 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 178; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Oldiges, WiR 1973, 1, 21. 420 Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917; Di Fabio, JZ 1997, 969, 972 f.; Oldiges, WiR 1973, 1, 21; Vgl. für hoheitliche Warnungen und Empfehlungen: Lege, DVBl 1999, 569, 573, 575. 421 Busse, VerwArch 87 (1996), 445, 452. 422 Dies lässt sich vor allem mit dem Umstand erklären, dass die Existenz der Regierung vom Vertrauen des Parlaments abhängt. Vgl. hierzu: H.-P. Schneider in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 551. 423 Siehe auch: Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 154; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1113. Vgl. zudem die Sondervoten von Mellinghoff und Di Fabio zu BVerfG, Urt. v. 19.2.2002 – 2 BvG 2/00, NVwZ 2002, 585, 589 („Atomausstieg“). Unklar dagegen: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 159. 424 Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, VI, Rz. 21; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 178; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 225. 425 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 127; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 154, 156; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232.

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desregierung allenfalls politisch gebunden wird426. Somit ist das Parlament jederzeit und ohne rechtliche Konsequenzen in der Lage, einen der Absprache entsprechenden oder zuwider laufenden Gesetzesentwurf einzubringen oder anderweitig eingebrachte Vorlagen zu beschließen. Die Legislative kann damit die Exekutive insoweit überholen427. Unproblematisch sind solche Vereinbarungen (ungeachtet ihrer kompetenzrechtlichen Zulässigkeit) aber dennoch nicht. Ursächlich hierfür sind vor allem die von informellen Absprachen ausgehenden faktischen Wirkungen428. So führt der Bruch einer Absprache regelmäßig zu einem erheblichen Ansehens-, Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit. Um diesem Eindruck vorzubeugen, könnte das Parlament demzufolge gehindert sein, in absprachewidriger Weise tätig zu werden. Insofern lässt sich hier von einer politisch motivierten Drittbindung sprechen. Von untergeordneter Bedeutung ist dagegen der Hinweis auf die herausragende Stellung der Bundesregierung als gestaltende Staatsgewalt im Machtgefüge429. Ob das Parlament durch diesen Umstand tatsächlich an einem der Absprache zuwider laufenden Gesetzeserlass im Sinne einer moralischen Drittbindung gehindert wird, ist mehr als fraglich und wird in der Praxis wohl auch kaum nachzuweisen sein. Weitaus gravierendere Auswirkungen dürften hingegen die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag haben. Diese werden regelmäßig dazu führen, dass sich eine Mehrheit für absprachewidrige Gesetzesinitiativen kaum finden lässt (faktische Drittbindung). Genau diese Bindungswirkung ist es wohl auch, die der Zusage der Regierung überhaupt erst ihre Glaubwürdigkeit verleiht430 und somit das beteiligte Privatrechtssubjekt veranlasst, die seinerseits zugesagte Leistung zu erbringen. Insofern ist es aber nicht auszuschließen, dass die tatsächlichen Gesetzgebungszuständigkeiten auf informellem Wege determiniert werden. Dagegen kann jedenfalls nicht die Tatsache sprechen, dass die Umsetzung der Absprache regelmäßig dem Gesetzgeber obliegt und dieser somit letzten Endes auch Herr des Verfahrens bleibt. Wurde ihm nämlich durch die getroffene Vereinbarung eine bestimmte Handlungsrichtung vorgegeben, so be426 Die Bundesregierung wäre ohnehin nicht dazu berechtigt, sich in rechtlich bindender Weise zu erklären, da ihr über das eigene Initiativrecht insoweit die Dispositionsbefugnis fehlt. Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 159; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 225; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 218 f. 427 Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917; Siehe hierzu auch die Ausführungen von: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796. 428 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 155; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969. 429 Hierzu: Busse, VerwArch 87 (1996), 445, 452; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938. 430 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 178 f., 194.

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schränkt sich die vermeintliche Souveränität allein auf exekutive, nicht aber auf inhaltliche Fragen. Fraglich ist aber, ob die vorgebrachten Bedenken schlussendlich auch durchzugreifen vermögen, da sie in der Konsequenz dazu führen müssten, dass gleichermaßen jede politische Einflussnahme auf Bundesregierung und Bundestag im Vorfeld von Gesetzgebungsverfahren aufgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung per se verboten wäre. Die hieraus resultierende Beschränkung des politischen Entscheidungsspielraums der Bundesregierung ließe sich wohl kaum rechtfertigen. Insofern ist es dann aber nur schwer verständlich, wenn an die Nichtausübung des eigenen Initiativrechts andere Maßstäbe angelegt würden. Des Weiteren ist das Gewaltenteilungsprinzip nicht in einem derart strengen Sinne zu verstehen, dass er Übergriffe in andere Kompetenzbereiche umfassend untersagen würde. Mögliche Durchbrechungen wurzeln bereits in den strukturellen Entscheidungen des Grundgesetzes und sind letztlich auch eine Folge des Umstands, dass der bestehende Regelungsbedarf im modernen Staat nicht allein vom parlamentarischen Gesetzgeber zu bewältigen ist431. Ohnehin ist der Gewaltenteilungsgrundsatz schon deshalb erheblich gelockert, da in verstärktem Maße Regierungsmitglieder zugleich auch ein Bundestagsmandat innehaben. Dies aber ist ein grundsätzliches, insbesondere mit der Entscheidung für den Parteienstaat verbundenes Problem432 und stellt letztlich keine Besonderheit informeller Absprachen dar. Auch die administrative Rechtserzeugung ist nicht prinzipiell mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar, wie bereits Art. 80 GG verdeutlicht. Das gilt selbst dann, wenn solche Rechtsvorschriften unter Beteiligung von Privaten zustande kommen (vgl. hierzu etwa die gesetzgeberische Entscheidung in §§ 48, 51 BImSchG)433. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist letztlich allein der Kernbereich der dem jeweiligen Organ zugewiesen Aufgabenfelder geschützt434 – deren vollkommene Entziehung ist hingegen ausgeschlossen. Ein Eingriff in den Kernbereich ist insbesondere dann anzunehmen, wenn auf elementare Entscheidungszüge dergestalt Einfluss genommen wird, dass der betroffene Funktionsträger in der Ausübung seiner Kompetenzen gelähmt, zumindest aber verfremdet wird435. Voraussetzung hierfür sind aber nicht nur bloße Reflexe einer

431 432

Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 80, Rz. 1. Vgl. Herzog in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20, V, Rz. 29; Kirchhof, NJW 2001,

1332. 433 Vgl. BVerfGE 18, 52, 59; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 80, Rz. 6 ff. mwN.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 80, Rz. 1; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 7. 434 BVerfGE 9, 268, 380; 30, 1, 27 f.; 68, 1, 87; 95, 1, 15; Siehe hierzu auch: Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 24, Rz. 56; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 179; Maurer, VVDStRL 43 (1985), 135 ff.

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bestimmten Organtätigkeit, sondern die Möglichkeit zur Einflussnahme des in seinen Kompetenzen berührten Organs nach Art einer tatsächlichen Mitentscheidung436. Das aber vermögen rein faktische Auswirkungen einer Vereinbarung nicht zu leisten, sondern ausschließlich rechtliche Bindungen. Mögen die vorstehenden Einwände durchaus beachtenswert sein, so darf nämlich dennoch nicht verkannt werden, dass es dem Parlament (rechtlich gesehen) zu jeder Zeit möglich bleibt, die eigenen Kompetenzen wahrzunehmen. Dagegen wird jedoch verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass der in Frage stehende Kernbereich (unter quantitativen Gesichtspunkten) auch dann berührt sein soll, wenn informelle Absprachen zahlenmäßig derart stark zunehmen würden, dass sich im Ergebnis die verfassungsmäßige Aufgabenverteilung grundlegend verschieben würde437. Inwieweit sich hieraus handhabbare und justitiable Kriterien für die Beurteilung informeller Absprachen ableiten lassen, bleibt hingegen mehr als fragwürdig. Zusammenfassend kann die grundsätzliche Berechtigung der vorgebrachten Bedenken durchaus als gegeben bezeichnet werden. Sie sollten demzufolge Anlass genug sein, informelle Verfahren mit der gebotenen Offenheit und Transparenz durchzuführen. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung vermögen sie hingegen nicht zu begründen, da es insofern an der hierfür erforderlichen rechtlichen Bindung des Parlaments mangelt. Nach dem Vorgesagten kann damit zugleich aber auch der Versuch mancher Autoren nicht greifen, nach dem die Unzulässigkeit normersetzender Absprachen ohne Parlamentsbeteiligung aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue herzuleiten sein könnte438. Davon abgesehen ist dieses Prinzip bezüglich seiner inhaltlichen Ausgestaltung und etwaiger Rechtsfolgen eines Verstoßes439 ohnehin mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Regelmäßig werden sich hieraus zwar Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten ableiten lassen, nicht aber die grundsätzliche Unzulässigkeit informeller normersetzender Absprachen. Andernfalls hieße das nämlich auch, dass die Bundesregierung mit Rücksicht auf parlamentarische Kompetenzen unter Umständen übermäßig in ihren eigenen Kompetenzen beschnitten würde.

435 Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 24, Rz. 56. 436 Ebenso auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 120. 437 Vgl. Oldiges, WiR 1973, 1, 22. 438 Andeutend: Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1113; Vgl. auch: Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977. 439 Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 136 ff.

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III. Unzulässiger Eingriff in Verwaltungskompetenzen der Länder? Werden informelle Absprachen getroffen, so sind grundsätzlich Fallkonstellationen denkbar, in denen hierdurch Verwaltungskompetenzen der Länder (insbesondere deren Wahrnehmungskompetenzen) verletzt werden. Zweifelhaft ist hingegen, ob dies auch für den hier zu beurteilenden Fall zutrifft. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist ein verwaltungsmäßiger Vollzug jedenfalls dann anzunehmen, wenn „eine Stelle öffentlicher Gewalt zielgerichtet und unmittelbar auf Privatrechtssubjekte einwirkt, um diese zu einem durch den Zweck oder einzelne Vorschriften des jeweiligen Gesetzes erfassten Verhalten zu bewegen“440. Hingegen ist eine bloße Berührung von Verwaltungskompetenzen dann unschädlich, wenn der Charakter der durch die Absprache getroffenen Festlegungen diese nicht zum Verwaltungsvollzug zählen lässt441. Die vorliegende Vereinbarung beinhaltet nicht die Ausübung von Verwaltungskompetenzen, sondern ist – bezogen auf das seitens der Bundesregierung zugesagte Unterlassen – „Bestandteil“ der Gesetzgebung des Bundes. Insbesondere im Hinblick auf das Verfahren der Verteilung des Solidarbeitrags macht die Absprache nachfolgende Verwaltungshandlungen erforderlich, ohne aber selbst diesbezügliche Regelungen zu treffen. Verwaltungskompetenzen der Länder waren somit allein durch das AABG unmittelbar betroffen, nicht aber durch die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA. Den mittelbaren Wirkungen der Vereinbarung wird dagegen hinreichend durch die beschriebenen Informationspflichten gegenüber dem Bundesrat Rechnung getragen. Zudem kann darauf verwiesen werden, dass gerade der Aspekt der Kompetenzberührung schon bei der Festlegung der relevanten Zuständigkeitsnorm in gewissem Umfang berücksichtigt wurde. Nach dem Gesagten bestehen daher gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Absprache auch unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Eingriffs in Länderkompetenzen keine Einwände.

IV. Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG wegen unzulässiger Finanzierung durch die Länder? Möglicherweise könnte in der vorliegenden Absprache ein Verstoß gegen die Regelung in Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG442 liegen, nach der die Zuschüsse zu den 440 Vgl. hierzu sowie allgemein zum Problem informellen Handelns und dadurch betroffener Verwaltungskompetenzen: BVerfG, NVwZ 2002 585, 588; Siehe insofern auch die Sondervoten von Mellinghoff und Di Fabio zu BVerfG, Urt. v. 19.2.2002 – 2 BvG 2/00, NVwZ 2002, 585, 589. 441 Frenz, NVwZ 2002, 561, 562.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Lasten der Sozialversicherung durch den Bund getragen werden. Als grundlegende Ausnahme zum allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz des Art. 104a GG443 beinhaltet Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG den Grundsatz, dass sich die Sozialversicherungsträger in erster Linie selbst zu finanzieren haben. Reichen die vorhandenen Mittel jedoch nicht aus, so hat der Bund nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, finanzielle Unterstützung zu leisten. Ein Anspruch der Krankenkassen besteht hierauf allerdings nicht444. Aus Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG folgt zugleich aber auch, dass den Ländern eine Bezuschussung ihrer eigenen Sozialversicherungsträger untersagt ist445. Da der Solidarbeitrag jedoch als Betriebsausgabe bei Körperschaft- und Einkommensteuer abzugsfähig war, verringerte sich somit auch der Steuerertrag der Länder (vgl. Art. 106 Abs. 3 GG), so dass die Begünstigung der GKV mit einer mittelbaren finanziellen Belastung der Länder einherging. Dennoch kann hieraus nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit der Absprache mit dem VFA gefolgert werden. Zum einen initiiert Art. 120 GG Zuschüsse des Bundes erst bei Ausfall der Sozialversicherung. Dies aber ist, wie bereits festgestellt werden konnte, vorliegend gerade nicht der Fall. Zum anderen ist für die Annahme einer unzulässigen Länderfinanzierung eine nur mittelbare finanzielle Belastung, etwa in Form verringerter Steuereinnahmen, nicht ausreichend. Vielmehr müssen die in Frage stehenden Zuwendungen unmittelbar, ursächlich und äquivalent auf finanzielle Aufwendungen der Länder zurückzuführen sein.

V. Rechtsetzungsermessen Hinsichtlich der Ausübung ihres Initiativrechts besitzt die Bundesregierung einen eigenen politischen Entscheidungsspielraum446. Dieser kann sich in Einzelfällen bis auf Null reduzieren, etwa dann, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Pflicht zu einem bestimmten Handeln besteht. Bereits an anderer Stelle konnte jedoch festgehalten werden, dass vorliegend besondere Handlungsaufträge, etwa zum Erlass eines formellen Gesetzes, nicht bestanden haben447.

442 Hierzu auch oben: B. II. 4. „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“; Vgl.: BSG, NJW 1979, 1059; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 120, III, Rz. 23 ff.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 120, Rz. 7 f.; Bieback, VSSR 1993, 1 ff. 443 F. Klein in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 1114. 444 BVerfGE 9, 305, 318; 14, 221, 223; BSGE 34, 177; 47, 148; Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 120, Rz. 6; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 120, Rz. 8. 445 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 93, Rz. 31. 446 Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Schorkopf, NVwZ 2000, 1111, 1113.

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VI. Schenkungsverbot? Schenkungen der öffentlichen Hand zugunsten Privater sind nicht zuletzt unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten häufig problematisch, wenngleich sie selbstverständlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind. Rechtsstaatsprinzip und Gleichheitssatz verbieten unentgeltliche Leistungen jedenfalls dann, wenn sie ohne rechtfertigenden Grund zu Individualbevorzugungen führen448. Es fragt sich daher, welche Bedeutung diesem Aspekt im Zusammenhang mit der hier interessierenden Zahlung des Solidarbeitrags beizumessen ist. Möglicher Ansatzpunkt könnte dabei der Umstand sein, dass die Unternehmen zwar DM 400 Mio. zugunsten der GKV gezahlt haben, zugleich jedoch weitaus stärkere finanzielle Belastungen abwenden konnten, die im Rahmen des geplanten AABG unzweifelhaft angefallen wären. Geht man hierbei von dem seinerzeit prognostizierten Einsparvolumen in Höhe von ungefähr DM 900 Mio. zu Lasten der Industrie aus, so ließe sich eine Schenkung zu ihren Gunsten in Höhe der Ersparnis von DM 500 Mio. annehmen. Das aber würde voraussetzen, dass die ursprüngliche gesetzliche Regelung bereits derart hinreichend konkretisiert gewesen sein müsste, dass sie einen abschließenden gesetzgeberischen Willen beinhaltet hätte. Dies ließe sich insbesondere dann annehmen, wenn die finanzielle Belastung dem Grunde und der Höhe nach bereits „unumkehrbar“ fixiert gewesen wäre und den betroffenen Unternehmen ohne einen weiteren Willensbildungsprozess des Gesetzgebers hätte auferlegt werden können. Davon aber kann im Stadium des bloßen Gesetzesentwurfs keine Rede sein, so dass mangels Konkretisierung der Leistungspflicht die Annahme einer (Teil-)Schenkung ausscheidet. Dass im Gegenzug den durch das AABG verpflichteten Apothekern derartige Konditionen versagt geblieben sind, ist somit allein unter dem Blickwinkel des Art. 3 GG zu beurteilen, führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Absprache aufgrund eines hier unter Umständen bestehenden Schenkungsverbots der öffentlichen Hand.

VII. Verletzung von Grundrechten der VFA-Unternehmen? 1. Betroffene Grundrechte Unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Eingriffs weist die vorliegende Absprache zumindest einen Bezug zu Art. 12 Abs. 1 GG auf. Das hierin niedergelegte Grundrecht auf Berufsfreiheit bezieht sich allgemein auf die zu 447 Allgemein dazu die Ausführungen in diesem Kapitel: C. „Die informelle Absprache vom 08.11.2001 – Zulässigkeit der Handlungsform“. 448 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 201; Vgl. auch: BGHZ 47, 30, 40; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 58, Rz. 24.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

„Erwerbszwecken“ dienenden Tätigkeiten449. Auch die Gewährleistung der unternehmerischen Betätigungsfreiheit dürfte weitgehend von Art. 12 Abs. 1 GG erfasst sein450 (wenngleich diese auch teilweise in Art. 2 Abs. 1 GG verortet wird451). Allenfalls ergänzend kann somit auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden. Berufsfreiheit und unternehmerische Betätigungsfreiheit betreffen im weitesten Sinne auch den Aspekt der Vergütung für die berufliche Tätigkeit452 und damit das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen453. Durch die vereinbarte Zahlung des Solidarbeitrags wird der am Markt erzielte Gewinn der betroffenen Pharmaunternehmen vermindert. Diese finanzielle Belastung knüpft dabei allein an die Eigenschaft der zahlenden Unternehmen als Hersteller solcher Medikamente an, die von den Versicherten zu Lasten der GKV bezogen werden und einer Festbetragsregelung nicht unterliegen. Infolge dessen weist sie eine berufsregelnde Tendenz454 auf, so dass vorliegend der Aspekt der Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich betroffen ist455. Auch Art. 14 GG wird der Sache nach von der getroffenen Vereinbarung berührt. Zwar gewährt dessen Regelungsgehalt keinen Schutz vor der Auferlegung von Abgaben und sonstigen zu erbringenden Geldleistungen456. Insbesondere 449 BVerfGE 105, 252, 265; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 10a. 450 Vgl. etwa: Scholz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 12, II, Rz. 115; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 ff.; Der hierdurch gewährte Schutz kommt grundsätzlich auch den Unternehmen selbst gemäß Art. 19 Abs. 3 GG zugute. Hierzu: BVerfGE 102, 197, 212 f.; 105, 252, 265; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 10a. Gleiches gilt schließlich auch für die grundrechtlichen Verbürgungen gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. Vgl. BVerfGE 4, 7, 17; 66, 116, 130; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 14, Rz. 3. 451 Zum Verhältnis dieser Grundrechte: BVerfGE 6, 32, 37; 94, 372, 389; BVerwGE 96, 302, 318; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 98; Scholz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 12, II, Rz. 114 ff.; Gubelt in: von Münch/ Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 12, Rz. 93; Vgl. zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit: BVerfGE 32, 311, 317; 46, 120, 137; BVerwGE 17, 306, 309; 30, 191, 198; 60, 154, 159. 452 BVerfGE 68, 193, 216 ff.; 83, 1, 13; BGHZ 112, 163, 170. 453 Siehe auch Scholz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 12, V, Rz. 399; Wagner, PharmR 2003, 409, 418. 454 Vgl. BVerfGE 95, 267, 302; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 4. 455 Namentlich im Zusammenhang mit der Erhebung von Steuern kann ein Eingriff in die Berufswahl selbst nur dann angenommen werden, wenn „die Steuer ihrer Gestaltung und ihrer Höhe nach es den Berufsbewerbern in aller Regel wirtschaftlich unmöglich macht, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen“; Vgl. BVerfGE 13, 181, 186 f.; 14, 76, 101; 16, 147, 163 ff.; Scholz in: MaunzDürig, GG, Art. 12, V, Rz. 415 f.; Zur Drei-Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 13, 97, 104; 25, 1, 12; 30, 292, 313 f.; 46, 120, 138. 456 BVerfGE 4, 7 ff.; 31, 8 ff.; 36, 400 ff.; 65, 209 ff.; 70, 219 ff.; 74, 129 ff.; 75, 108 ff.; 89, 48 ff.; 91, 207 ff.

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vom Bundesverfassungsgericht wurde jedoch die frühere strenge Auffassung aufgegeben, nach der in solchen Fällen überhaupt kein Bezug zum Schutzbereich des Art. 14 GG bestehen soll457. Dieser ist jedenfalls dann betroffen, wenn der in Frage stehenden Zahlung letztendlich erdrosselnde Wirkung beigemessen werden kann458. Mag die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA auch Berührungspunkte zu den vorstehenden Grundrechten aufweisen, so bleibt die Annahme eines Grundrechtseingriffs dennoch fraglich. Weitgehende Zweifel ergeben sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die betroffenen Unternehmen den fraglichen Betrag mehr oder weniger „freiwillig“ zugewendet haben. Näheren Aufschluss über diese Problematik sollen daher die nachfolgenden Ausführungen geben. 2. Eingriff? a) Zum Eingriffsbegriff im Allgemeinen Der Lehre vom klassischen Eingriffsbegriff folgend gewährten Grundrechte nach lange vorherrschenden Verständnis lediglich Schutz vor unmittelbaren und finalen Eingriffen459. Danach konnte nur dann vom Vorliegen eines Eingriffs ausgegangen werden, wenn eine einseitig-hoheitliche Maßnahme (in Form eines Rechtsakts und nicht als bloße tatsächliche Handlung) darauf ausgerichtet war, Grundrechte zu beschränken und die daraufhin eingetretene Grundrechtsbeschränkung unmittelbare und nicht lediglich mittelbare Folge der Maßnahme war. Informelle Absprachen erfüllen diese Kriterien jedoch in verschiedener Hinsicht nicht, so dass sie demnach grundsätzlich keine Eingriffsqualität aufweisen würden. Neue Bewegung in die Grundrechtsdogmatik hat vor allem auch die zunehmende Beobachtung von informellen Handlungsformen gebracht, bei denen der klassische Eingriffsbegriff trotz ihrer Grundrechtsrelevanz zu versagen schien460. Immer subtilere Formen von Maßnahmen traten in Erscheinung, die 457

So etwa noch: BVerfGE 4, 7, 17; 8, 274, 330; 10, 89, 116. Vgl. zu dieser Problematik: BVerfGE 63, 312, 327; 95, 267, 301; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 14, Rz. 11, 30; Papier in: MaunzDürig, GG, Art. 14, I, Rz. 165 ff.; Bryde in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rz. 23; Einschränkend: Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 14, Rz. 16 f. 459 Allgemein: Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 6, Rz. 238; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 1994, S. 82; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 238; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373; Discher, JuS 1993, 463, 464; Ipsen, JZ 1997, 473, 478. 460 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 85. 458

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hinsichtlich ihrer Wirkungen ein Ausmaß annehmen können, das jenes von herkömmlichen Eingriffen bei weitem übertrifft461. Schon bald mehrten sich daher jene Stimmen, die eine Abkehr vom klassischen Eingriffsbegriff forderten. Ausgehend von der Schutzfunktion der Grundrechte und der umfassenden Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt erkannte man, dass sich der Grundrechtsschutz nicht lediglich auf unmittelbare und durch Rechtsakte hervorgerufene Eingriffe erstrecken könne, sondern auch mittelbare und sonstige faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen erfassen muss462. Demnach ist grundsätzlich nicht die Form staatlichen Handelns von Relevanz, sondern vielmehr dessen Zweck und Wirkungen463 (wobei bezüglich der damit zusammenhängenden Probleme bis heute kontroverse Auffassungen vertreten werden). Mittlerweile ist die grundsätzliche Möglichkeit eines Eingriffs bei faktischem Staatshandeln in Literatur und Rechtsprechung denn auch weitgehend anerkannt464, so dass der klassische Eingriff nicht zuletzt dadurch erheblich an Kontur verloren hat465. Bisher nicht abschließend geklärt ist jedoch, wann die faktischen Folgen staatlichen, nicht rechtsförmlichen Handelns tatsächlich als Grundrechtseingriff zu qualifizieren sind466. Während hierfür teilweise auf den jeweiligen Norm461 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 98; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 126; Ossenbühl, Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz in: Schröder/Löwer/Di Fabio/v. Danwitz (Hrsg.): Freiheit, Verantwortung, Kompetenz, 1994, S. 1091; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000; § 57, Rz. 20; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 390 ff.; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 696; v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 236. 462 Vgl. BVerfGE 13, 181, 185; 49, 24, 47; BVerwGE 71, 183, 191; BGHZ 6, 270, 278; 37, 44, 47; 23, 157, 169; Aus der Literatur: Di Fabio in: Maunz-Dürig, GG, Art. 2, B., Rz. 49; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 10 ff.; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 28 ff.; Albers, DVBl 1996, 233; Brohm, DVBl 1994, 133, 134. 463 So auch: Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 25 ff.; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373, 376; Discher, JuS 1993, 463, 464; Badura, JZ 1993, 37, 38. 464 BVerfGE 46, 120, 137 f.; 86, 122, 128; BVerwGE 71, 183, 189 ff. (Transparenzlisten); BVerwGE 82, 76, 79 (Jugendsekten) = DVBl 1989, 997; BVerwG, DVBl 1991, 699 ff. ((Glykol) – kritisch insoweit: Schoch, DVBl 1991, 667 ff.); BSGE 67, 251, 254 f.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 14; Gubelt in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 12, Rz. 43a; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 287; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 209; Schoch, DVBl 1991, 667, 669 f.; Leidinger, DÖV 1993, 925, 934; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 236; Albers, DVBl 1996, 233, 234; Vgl. andererseits für hoheitliche Warnungen: OVG Münster, GewArch 1988, 11, 12 f., wonach die Veröffentlichung von Listen keinen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen darstellen soll. 465 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 87; Zur Problematik auch: Di Fabio, JuS 1997, 1, 4; Grewlich, DÖV 1998, 54, 58; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373 ff.; Albers, DVBl 1996, 233; Vgl. VGH Kassel, DÖV 1995, 77, 78.

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zweck abgestellt wird467, soll nach Auffassung vieler Autoren das entscheidende Kriterium die Einengung individueller Handlungsfreiräume durch gezielte staatliche Aktivität (Finalität des Staatshandelns468) sein. Auch vom Bundesverwaltungsgericht wird das Merkmal der Finalität als hinreichendes, aber nicht notwendiges Kriterium erachtet469. Dabei folgt es nicht immer einer einheitlichen Argumentation. Nach Auffassung des 3. Senats sind für die Anerkennung eines faktischen Eingriffs die Merkmale der Finalität und Grundrechtsspezifität der in Frage stehenden Handlung von entscheidender Relevanz. Teilweise wird dabei jedoch der Aspekt der Finalität auch für entbehrlich gehalten470, was letztlich wiederum zur Hervorhebung quantitativer Merkmale führt471. Nach Auffassung des 7. Senats dagegen sollen Finalität und Intensität der Belastung ausschlaggebend sein472, wobei dem Kriterium der Finalität offenbar eine herausgehobene Bedeutung zuerkannt wird473. Dies dürfte letztlich wohl auch darauf zurückzuführen sein, dass das Merkmal der Intensität in der Praxis kaum handhabbar ist474. Während dem BGH zufolge staatliches Handeln unmittelbare Auswirkungen auf Grundrechte haben muss475, wird der Eingriffsbegriff vom Bundesverfassungsgericht nicht abschließend umschrieben. Regelmäßig wird jedoch auf das 466 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 207; Siehe hierzu auch die Ausführungen von: Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980, S. 174; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 91 ff.; Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 16; Albers, DVBl 1996, 233, 235; Berg, ZLR 1990, 565 ff.; Di Fabio, JZ 1993, 689, 694 ff.; ders., JuS 1997, 1, 4 f.; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 532, 541 ff.; Schoch, DVBl 1991, 667, 669 f.; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373 ff.; Scholz, NVwZ 1994, 127 ff.; Badura, JZ 1993, 37 ff.; Sodan, DÖV 1987, 858, 866; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798. 467 So etwa: Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89, 99 ff. 468 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 209; Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 202 ff.; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1991, S. 231; Di Fabio, JZ 1993, 689, 695 ff.; Discher, JuS 1993, 463, 465; Vgl. auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 302 f.; Albers, DVBl 1996, 233, 235; Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89, 97 f.; Ablehnend dagegen: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 92 ff. 469 BVerwGE 71, 183, 193 ff.; 90, 112, 120. 470 Siehe hierzu: BVerwG, NJW 1985, 2274, 2276; BVerwGE 71, 183, 193 f.; 75, 109, 115; 87, 37, 42; Vgl. auch Di Fabio in: Maunz-Dürig, GG, Art. 2, B., Rz. 49. 471 BVerwG, NJW 1985, 2274, 2276; BVerwG, DVBl 1991, 699, 700; Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 226; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 117. 472 BVerwGE 90, 112, 120; BVerwG, NJW 1989, 2272, 2273. 473 BVerwG, NJW 1992, 2496, 2498 (Osho) = JZ 1993, 33, 35. 474 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 91; Vgl. Schoch, DVBl 1991, 667, 670. 475 Vgl. etwa: BGHZ 6, 270, 278; 23, 157, 169; 30, 241, 243; 37, 44, 47.

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Erfordernis finalen Handelns als subjektivem Anknüpfungspunkt ausdrücklich verzichtet. Ist finales staatliches Handeln im Einzelfall nicht nachweisbar, so kann demnach die Eingriffsqualität der fraglichen Handlung auch unter objektiven Anknüpfungspunkten (Schwere und Unmittelbarkeit der Grundrechtsbeeinträchtigung) zu bejahen sein476. Daher wird beispielsweise im Rahmen von Art. 12 GG bereits eine objektiv berufsregelnde Tendenz des jeweiligen staatlichen Verhaltens als ausreichend angesehen, um die Annahme eines Grundrechtseingriffs zu belegen477. b) Eingriff und informelle Absprache Im Rahmen informeller Absprachen setzt der Staat keinen Zwang im rechtlichen Sinne ein478, sondern stellt lediglich für den Fall des Scheiterns der Vereinbarung ein bestimmtes (künftiges) Verhalten in Aussicht. Die darin enthaltene Drohung ist aber nicht mit Zwang im rechtlichen Sinne identisch, da für das an der Absprache beteiligte Privatrechtssubjekt keine rechtliche Verpflichtung besteht, das seinerseits zugesagte Verhalten auch tatsächlich umzusetzen. Wohl unter Berücksichtigung des tradierten Eingriffsverständnisses soll daher nach Auffassung einiger Autoren mit der informellen Absprache grundsätzlich kein Eingriff in die Grundrechte des Privaten verbunden sein, da dieser letztendlich keinen Rechtsverlust erleide479. Andererseits aber ist dies vor dem Hintergrund der von der Absprache ausgehenden faktischen Wirkungen äußerst zweifelhaft. Zudem darf sich der Staat nicht durch bloßes Ausweichen in die Informalität seiner rechtsstaatlichen Bindungen entledigen. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz in Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem die nachfolgenden Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden, ohne dass es auf die Verwendung rechtsverbindlicher Handlungsinstrumente ankäme. Insofern müssen die Grundrechte aber auch vor „hoheitlich auferlegter Eigenverantwortung“ schützen480. Ausgehend von den obigen Überlegungen ist daher dem Begriff des Grundrechtseingriffs zunächst ein denkbar weites Verständnis zugrunde zu legen. Allgemein kann darunter jedes staatliche und staatlich veranlasste Handeln verstan476 Grundsätzlich: BVerfGE 13, 181, 185 f.; 16, 147, 162; 31, 8, 29; 46, 120, 137; 61, 291, 308. 477 BVerfGE 13, 181, 185 f.; 31, 8, 29; 82, 209, 223 f.; BVerfG, NJW 1998, 1627, 1628. 478 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 206. 479 Baudenbacher, JZ 1988, 689, 697; Vgl. auch: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 176 f.; Würfel, Informelle Absprachen in der Abfallwirtschaft, Diss. Freiburg 1994, S. 53 ff., 64, 83. 480 Vgl. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 258.

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den werden, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Das gilt unabhängig davon, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar erfolgt, gleichgültig ob rechtlich oder nur rein faktisch, mit oder ohne Befehl und Zwang. Entscheidend ist allein, dass der Absprache eine zwangsgleiche und somit grundrechtsbeschränkende Wirkung zukommt, deren Ursprung in einem Verhalten der öffentlichen Gewalt liegt481. Die zwangsgleichen Wirkungen normersetzender Absprachen gehen nach verbreiteter Auffassung von der (ihnen zugrundeliegenden) staatlichen Normsetzungsandrohung aus482. Nur hierdurch werde der Private letztlich veranlasst, seinerseits Zusagen zu treffen, die sich für die eigene Rechtsposition belastend auswirken. Eingriffspotential ergibt sich aber auch unter Berücksichtigung der von der Absprache und dem jeweiligen staatlichen Drohpotential ausgehenden Wirkungen. Wenn auch nicht in rechtlicher Hinsicht, so sind es doch die tatsächlichen Sanktionen483 und Folgen einer gebrochenen Absprache (insbesondere auch finanzielle Einbußen), die für den Privaten ein erhöhtes Interesse an der vereinbarungsgemäßen Umsetzung der Absprache begründen484. Die informelle Absprache stellt sich daher als eigentümliche Mischung aus „faktischem Zwang und Kooperation“485 dar. Insbesondere vor dem Hintergrund der beschriebenen faktischen Rechtsschutzverkürzung können die von der Absprache ausgehenden Wirkungen im Einzelfall sogar noch intensiver sein, als dies bei Erlass eines inhaltsgleichen Gesetzes der Fall wäre486. Auch die bestehende Möglichkeit des Privaten zur Reaktion auf die staatliche Drohung führt dabei grundsätzlich nicht 481 BVerfGE 66, 39, 60; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 6, Rz. 260; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373, 377 ff., 380; Vgl. dazu auch Ipsen, JZ 1997, 473, 478, der vorschlägt, unter Aufgabe des Eingriffsbegriffs lediglich von Einwirkungen zu sprechen. 482 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 392 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag); Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 85; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 237; Vgl. für Selbstbeschränkungsabkommen: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 272; Siehe allgemein auch: BGHZ 24, 45, 46. 483 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 80. 484 Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Private bestrebt sein wird, auch in Zukunft als verlässlicher Partner zu gelten und somit durchaus zur Übernahme gewisser Belastungen bereit sein wird. Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 80; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 349. 485 Oldiges, WiR 1973, 1, 7; Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Bleckmann, NVwZ 1990, 601, 606. 486 v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501; Vgl. Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 367; Di Fabio, System der Handlungsformen und Fehlerfolgenlehre in: Becker-Schwarze/ Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 62 f.

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zur Verneinung des Eingriffs487, da dies beispielsweise auch für den Erlass eines Gesetzes gilt. Zudem würde hierbei wiederum die Kraft des Faktischen grundlegend verkannt. Zweifelhaft hingegen ist jener Versuch, bei der Beurteilung möglicher Grundrechtseingriffe eine Parallele zum Subventionsrecht zu herzustellen488. Getragen wird dieser Ansatz von der Überlegung, dass der jeweilige Unternehmer häufig keine Subvention gewährt bekommt, wenn er sich nicht den entsprechenden staatlichen Vorstellungen beugt. In diesem Umstand soll letztlich die konkrete Beeinträchtigung des Privaten liegen. Bedenken ergeben sich insbesondere deshalb, weil der status quo des Betroffenen durch die Nichtgewährung der Subvention regelmäßig nicht verändert wird und sich somit (sofern kein unbedingter Anspruch auf die fragliche staatliche Leistung besteht) eine Belastung des Privaten nur noch in den wenigsten Fällen begründen lassen dürfte. Insbesondere im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt werden bereits hieran grundlegende Unterschiede zur informellen (belastenden) Absprache deutlich. Die Gewinnung aussagekräftiger Rückschlüsse dürfte somit aber wohl kaum noch möglich sein. Für die Annahme eines Grundrechtseingriffs bedarf es in jedem Falle einer tatsächlichen Beeinträchtigung individuell-subjektiver Rechte im Sinne einer rechtszwangäquivalenten Wirkung489. Ansatzpunkt dafür kann aber nicht die staatliche Drohung für sich allein genommen sein490, da diese als solche noch keine nachteiligen Auswirkungen für den Privaten hat. Dieser wird erst dann in seiner bestehenden Rechtsposition tatsächlich beeinträchtigt, wenn er dem staatlichen Ansinnen Folge leistet und die gewünschte (und zugesagte Leistung) erbringt. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Beeinträchtigung ihren Ursprung in einem Verhalten der öffentlichen Gewalt haben muss. Die erforderliche Verknüpfung stellt insofern die der Absprache zugrunde liegende Normsetzungsandrohung her, die somit als Zurechnungskriterium dient. Insofern erscheint es hier angemessen, die Frage des Grundrechtseingriffs nicht allein anhand der Absprache oder der staatlichen Drohung, sondern vielmehr im Wege der Gesamtbetrachtung zu beurteilen491. In deren Rahmen ist es letztlich entscheidend, in welcher Form der Staat auf den privaten Absprachepartner Einfluss zu nehmen sucht und in welcher Weise und welchem Umfang der Private in seinen grundrechtlichen geschützten Rechten letztlich beeinträchtigt wird, 487

Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798; Vgl. v. Zerzschwitz, JA 1978, 497, 502. Dazu ausführlich: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 208 ff. 489 Vgl. BVerfGE 13, 230, 233; 21, 173, 182. 490 Vgl. andererseits: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 103 ff. 491 So bereits schon die Ausführungen im Rahmen der Festlegung einer Ermächtigungsgrundlage. Vgl. hierzu in diesem Kapitel: E. I. 2. lit. b) bb) „Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich des Abspracheinhalts?“. 488

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d.h. wie die Absprache tatsächlich wirkt. Da aber nicht jede Form staatlichen Wirkens (etwa in Form bloßer Anregung oder Hinweise) die Annahme eines Grundrechtseingriffs begründen kann, bedarf die in Frage stehende staatliche Einflussnahme einer gewissen Qualität. Sie muss daher mehr sein als eine bloße Belästigung492. Vielmehr sind im Rahmen der Gesamtbetrachtung schwerwiegende bzw. nachhaltige oder aber gezielte oder zumindest bewusst in Kauf genommene Grundrechtsbeeinträchtigungen zu fordern, die mit der Ausübung staatlicher Autorität in Zusammenhang stehen493. Von wesentlicher Bedeutung sind somit entweder die Intensität der durch die Absprache bedingten Grundrechtsbeeinträchtigung oder aber auch die Finalität der staatlichen Beeinflussung494. Abgesehen von der Schwere möglicher Grundrechtsbeeinträchtigungen ist die staatliche Mitwirkung an normersetzenden Absprachen hinsichtlich ihrer Finalität dem klassischen rechtsförmigen Eingriff äußerst ähnlich495. Die Drohung mit einem entsprechenden Normerlass stellt sich nicht nur als bloße Information dar, sondern engt die Betroffenen (im Zusammenhang mit dem von ihnen zugesagten Verhalten) gezielt in ihren Handlungsfreiräumen ein. Die Belastungen, die mit dem Erlass einer rechtlichen Regelung einhergehen, ändern sich jedoch hinsichtlich ihrer Auswirkungen für die Betroffen nicht etwa deshalb, weil die jeweilige Entscheidung in eine informelle Absprache verlagert wird. Die Eingriffsqualität der ersetzten Norm verändert sich damit nur modal, ohne aber in der Sache selbst zu entfallen496. Zugleich wird hieran deutlich, dass der staatliche Induzierungsakt durch das Ausweichen in die Informalität seinen finalen Charakter grundsätzlich nicht verliert497. Die informale, eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Grundrechte der Betroffenen besteht damit in einem der Exekutive zurechenbaren Geschehensverlauf, der neben seiner Zwecksetzung auch durch seine Wirkung eine „fassbare grundrechtsspezifische Einschränkung der Freiheit oder des Rechts hervorruft, dessen Schutz das Grundrecht dient“498. Demzufolge kann im Rahmen informeller normersetzender Absprachen dann von einem faktischen Grundrechtseingriff gesprochen werden, wenn die ersetzte Norm einen grundrechtsrelevanten Eingriff darstellen würde499. Auch vor dem 492 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798 f.; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 103. 493 Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032. 494 Vgl. grundsätzlich: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 88 ff.; Bleckmann/Eckhoff, DVBl 1988, 373, 377. 495 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798. 496 Für Selbstbeschränkungsabkommen: v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501. 497 Für Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 303; Siehe hierzu auch: Helberg, Normabwendende Selbstverpflichtungen als Instrumente des Umweltschutzes, 1999, S. 192. 498 Di Fabio, JZ 1997, 969, 972; Badura, JZ 1993, 37, 38; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 237; Trute, DVBl 1996, 950, 956.

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Hintergrund, dass sich der Staat andernfalls in nicht hinnehmbarer Art und Weise nur allzu leicht in die Informalität flüchten und die ihm auferlegten rechtsstaatlichen Bindungen in gewissem Umfang abstreifen könnte, ist dieser Schluss nahezu zwingend. Dabei sei nochmals darauf verwiesen, dass die beschriebenen Eingriffswirkungen allein vom Inhalt der getroffenen Absprache ausgehen, nicht aber gesondert von der Wahl der Handlungsebene. c) Eingriff vs. Einwilligung: Der Grundsatz „volenti non fit iniuria“ Die Absprache vom 08.11.2001 war nach dem Vorgesagten prinzipiell geeignet, in Grundrechte (insbesondere Art. 12 und 14 GG) der durch den VFA vertretenen Unternehmen einzugreifen. Allerdings wurde dabei bislang nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass die informelle Absprache eine Form konsensualen Handelns ist und der Private demzufolge gleichberechtigt (zumindest formal) neben der handelnden Behörde an der jeweiligen Entscheidungsfindung beteiligt ist. Die mit der getroffenen Vereinbarung verbundenen Beeinträchtigungen beruhen somit schlussendlich auf einem (mehr oder weniger) freiwilligen Verhalten der beteiligten Unternehmen selbst. Darin aber ließe sich unter Umständen eine Zustimmung zu den beschriebenen Belastungen erblicken, so dass dem Grundsatz volenti non fit iniuria entsprechend ein Grundrechtseingriff wieder entfallen könnte. Fraglich ist daher, wie die Teilhabe der Unternehmen an der getroffenen Sachentscheidung tatsächlich zu bewerten ist und ob hierdurch möglicherweise wirksam auf den grundrechtlich gewährleisteten Schutz verzichtet werden konnte. Ob jedoch der Grundsatz volenti non fit iniuria, dessen Wurzeln im Zivilrecht begründet liegen, überhaupt im Verwaltungsrecht Anwendung finden kann, wird seit jeher kontrovers diskutiert500. Ohne an dieser Stelle näher auf die damit verbundene Problematik eingehen zu wollen, wird man dies jedoch jedenfalls für den Bereich der vertraglichen oder vertragsähnlichen Handlungsinstrumente schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus zu bejahen haben, da hierbei bereits eine erhebliche Annäherung an das Privatrecht zu verzeichnen ist 499 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 239; Im Ergebnis ebenso: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 99. 500 Dazu: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 290 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 279 (Unzulässigkeit wg. Verstoßes gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung); Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 9; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 112 f.; Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 173 ff.; Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 535; Göldner, JZ 1976, 352, 354; Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 ff.; v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 201, 208; Schenke, JuS 1977, 281, 285 f.; Vgl. im Übrigen auch: Bussfeld, DÖV 1976, 765, 766.

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und andernfalls jegliche Form konsensualen staatlichen Handelns in die Gefahr der Unzulässigkeit geraten würde501. Demzufolge kann die Anwendung dieses Rechtssatzes jedenfalls bei informellen Absprachen nicht per se ausgeschlossen sein502. Die hierbei auftretenden Probleme werden vornehmlich unter dem Aspekt des (individuellen) Grundrechtsverzichts diskutiert503, wobei auch dieser Themenkreis noch immer mit erheblichen Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten verbunden ist. Jedenfalls könnte der Eingriffscharakter informeller Absprachen zunächst dann entfallen, wenn im Einzelfall ein wirksamer Grundrechtsverzicht vorliegt504. aa) Grundrechtsverzicht durch informelle Absprachen? Als Verzicht wird eine rechtsgeschäftliche Verfügung bezeichnet, durch die eine unmittelbare Veränderung der Rechtslage dahingehend eintritt, dass bestimmte Rechte ganz oder teilweise erlöschen. Demzufolge kann unter dem Begriff des Grundrechtsverzichts allgemein die Verfügung über grundrechtliche Freiheiten verstanden werden. Lange Zeit wurde um dessen Zulässigkeit eine kontroverse Diskussion geführt. Vor allem unter Hinweis auf die objektive Funktion der Grundrechte, über die der Bürger nicht disponieren kann505, wurde er von nicht wenigen Autoren mit Nachdruck abgelehnt. Dieser Auffassung muss andererseits entgegnet werden, dass sie der freiheitlichen Komponente der Grundrechte kaum hinreichende Bedeutung beimisst. Entscheidend ist daher letztlich das jeweilige Grundrechtsverständnis506. In jedem Falle gilt es hierbei zu berücksichtigen, dass zur Freiheit des Einzelnen eben auch die Aufnahme von rechtsgeschäftlichen oder auch nur faktischen Beziehungen zum Staat gehört. Dies gilt selbst dann, wenn für ihn hieraus im Einzelfall Belastungen resultieren. Gerade darin besteht ja letztlich die Besonderheit konsensualen Handelns, in dessen Rahmen sich der Bürger auf dem Ver501 So im Ergebnis auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 306 f.; Oldiges, WiR 1973, 1, 24. 502 Becker, DÖV 1985, 1003, 1010. 503 Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 305; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 291. 504 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 210. 505 Siehe hierzu: Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 173 ff.; Vgl. auch: Robbers, JuS 1985, 925, 929; Differenzierend: Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 68 f. 506 Inwieweit insbesondere den Art. 9 Abs. 3 und 16 GG generelle Aussagen hinsichtlich der Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts entnommen werden können, dürfte mehr als fraglich sein, da es sich hierbei um besonders gelagerte Ausnahmefälle handelt, so dass ihnen allgemeine Aussagen kaum entnommen werden können.

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handlungswege gegenüber dem Staat zu Zugeständnissen bereit erklärt und Einschränkungen hinnimmt, sofern ihm dies zur Erreichung seiner individuellen Ziele als vorteilhaft erscheint. Unter Akzentuierung des freiheitlichen Aspekts der Grundrechte stellt sich damit aber der Verzicht auf bestimmte grundrechtlich geschützte Freiheiten in den meisten Fällen gerade als Freiheitsgebrauch dar507, so dass damit insoweit die dem Staat rechtlich gezogenen Grenzen ausgedehnt werden. Deutlich wird das bereits in der gesetzlichen Anerkennung der Vertragsform in den §§ 54 ff. VwVfG. Stellt sich aber der Verzicht schlussendlich als Freiheitsgebrauch dar, so gibt es gegen dessen Zulässigkeit im Grunde nichts einzuwenden. Allerdings darf auch die objektive Dimension der Problematik nicht verkannt werden. Dem Rechnung tragend wird der Grundrechtsverzicht mittlerweile nach verbreiteter Auffassung für zulässig erachtet, sofern diesem nicht die Funktion des betreffenden Grundrechts entgegensteht508. Ebenso besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass ein Verzicht im Sinne einer absoluten Preisgabe des Grundrechts ausgeschlossen sein muss509. Davon einmal abgesehen ist jedoch im Einzelnen noch immer wenig geklärt. Dies gilt vor allem hinsichtlich der an einen möglichen Verzicht zu knüpfenden Anforderungen sowie der hieraus resultierenden Rechtsfolgen510. Insofern herrscht gerade auch im Zusammenhang mit normersetzenden Absprachen erhebliche Unsicherheit511. 507 Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, Vor § 54, Rz. 25 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag); Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 179; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 306; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 100 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag); Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Göldner, JZ 1976, 352, 355; aA. Malorny, JA 1974, 131, 134; Ablehnend insoweit auch: Gusy, DVBl 1983, 1222, 1228; Vgl. Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, 1990, S. 33; Bleckmann, JZ 1988, 57, 58 f. 508 Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 9, 194, 199; 21, 200, 206; 65, 1, 41; OVG Bremen, NJW 1980, 606. 509 Vgl. etwa: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 291; Bussfeld, DÖV 1976, 765, 769. 510 Nach überwiegender Auffassung soll ein wirksamer Grundrechtsverzicht zum Eingriffsausschluss führen. Vgl. nur: Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 178 f.; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 939; Im Ergebnis auch: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 70 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag). Andere Autoren sehen hierin demgegenüber allein einen Rechtfertigungsgrund: Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, S. 887 ff., 918; Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 63 f.; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1991, S. 184 f.; Siehe auch: Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 173, 190 f.; Andeutend: Sachs, VerwArch 76 (1985), 398, 425 f. 511 Vgl. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 99; Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 173 ff.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 212; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 697; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032 f.; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938 f.; Robbers, JuS 1985, 925, 927, 930; Allge-

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Zur Lösung der Problematik ist es allein erforderlich, sich die Wirkungsweise informeller Absprachen nochmals vor Augen zu führen. Ein echter Grundrechtsverzicht stellt nicht nur eine Rechtsfolgenentscheidung im weiteren Sinne dar, sondern ist eine Verfügung, durch die (entsprechend der obigen Definition) unmittelbare Rechtsfolgen herbeigeführt werden. Das aber vermögen informelle Absprachen wie gesehen grundsätzlich nicht zu leisten, da sie keine Rechtsfolgeregelungen beinhalten512. Insofern kann in der Absprache selbst auch kein Grundrechtsverzicht liegen513. Den Parteien bleibt es jedoch unbenommen, Rechtsverzichte im Vorgriff auf die eigentliche Absprache oder aber in deren Erfüllung zu erklären. Regelmäßig wird jedoch auch im Rahmen von Erfüllungshandlungen kein gesonderter (rechtsverbindlicher) Verzicht erklärt, da dies zumeist dem Parteiwillen widersprechen würde. Ein wirklicher Grundrechtsverzicht kann jedenfalls nur bei Vorliegen ausdrücklicher Anhaltspunkte angenommen werden, die in vorliegendem Sachverhalt unter keinem Gesichtspunkt erkennbar sind. bb) Eingriffsausschluss ohne Grundrechtsverzicht? – Weitere Gesichtspunkte Die Ablehnung eines Grundrechtsverzichts darf jedoch nicht dazu führen, dass informelle Absprachen (bzw. durch sie ausgelöste Folgen) ohne Berücksichtigung der Freiwilligkeit des Privaten generell als Eingriff zu qualifizieren wären, der einer gesonderten Rechtfertigung bedürfte. Ein solches Ergebnis würde ungeachtet der zuvor bereits beschriebenen Wirkungen einer Absprache sowohl dem objektivem Erscheinungsbild, als auch dem tatsächlichen Willen der Beteiligten regelmäßig widersprechen. Der Grundrechtsverzicht ieS. ist daher von der Ausübung negativer Freiheiten514, der Nichtausübung von Grundrechten515 und (nach bestrittener Auffassung) dem Grundrechtsausübungsverzicht516 abzugrenzen:

mein: Bleckmann, JZ 1988, 57 ff.; Aus der zahlreichen Rechtsprechung: BVerfGE 65, 1, 41 ff.; BVerwGE 30, 65 ff. 512 Vgl. insofern auch Kapitel 5: C. III. 7. „Nichtigkeit der Absprache gemäß § 59 VwVfG analog?“; Missverständlich: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 240, der jede Form individueller Grundrechtsverfügungen unter den Begriff des Grundrechtsverzichts subsumieren will. Siehe hierzu auch: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 305 ff.; Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 531. 513 Siehe auch die Ausführungen in diesem Kapitel: B. II. 3. lit. b) „Grundrechtsund Rechtsmittelverzicht“. 514 Zur Abgrenzung: von Münch in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19, Rz. 62; Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 173, 185.

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Viele Grundrechte gewähren dem Einzelnen auch das Recht, von der ihnen innewohnenden Freiheitsalternative gerade keinen Gebrauch zu machen (Ausübung negativer Freiheiten)517. Darin liegt jedoch keine Nichtausübung des betreffenden Grundrechts, sondern vielmehr dessen Inanspruchnahme. Auch bei informellen Absprachen sind derartige Fallgestaltungen denkbar, nicht aber in vorliegendem Sachverhalt. Gegenstand der zu untersuchenden Vereinbarung ist nämlich nicht die bewusste Nichtausschöpfung eines bestehenden Freiheitsrahmens, sondern allein dessen aktive Verkürzung. Nach verschiedener Auffassung ist der Grundrechtsverzicht zugleich auch von dem sogenannten Grundrechtsausübungsverzicht zu unterscheiden, wobei zu klären bleibt, inwieweit diese Differenzierung schon dem Grunde nach ihre Berechtigung haben kann518. Ist ein solcher Ausübungsverzicht nämlich unwiderruflich, so wird man zu fragen haben, ob überhaupt noch ein grundlegender Unterschied zum reinen Grundrechtsverzicht gegeben ist, wenn die Inhaberschaft des formalen Rechts zur bloßen Hülle gerät519. Im Falle der Widerruflichkeit des Verzichts wird es sich dagegen regelmäßig nur um eine schlichte Nichtausübung des betreffenden Grundrechts handeln. Der terminologischen Schwierigkeiten zunächst ungeachtet bedürfte es für das Vorliegen eines Ausübungsverzichts aber in jedem Falle eines entsprechenden Verzichtswillens520. Daran jedoch fehlt es hier, da sich die Beteiligten zu keinem Zeitpunkt rechtlich binden wollen. Vielmehr sehen die Beteiligten ausschließlich auf freiwilliger Basis vorübergehend von der Ausübung der betreffenden Grundrechte ab (ohne dass das jeweils betroffene Grundrecht selbst untergehen würde521). 515 Vgl. Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 97; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 241; Robbers, JuS 1985, 925. 516 Vgl. von Münch in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Vorb. Art. 1–19, Rz. 63; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, S. 903; Göldner, JZ 1976, 352, 355; Bussfeld, DÖV 1976, 765, 769; Robbers, JuS 1985, 925. 517 Für Art. 5 GG vgl. etwa: BVerfGE 65, 1, 40; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 13, Rz. 559. 518 Dessen ungeachtet ist in jedem Falle die Auffassung von Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 108 abzulehnen, nach der im Rahmen informeller Absprachen nicht auf die Grundrechtsausübung an sich verzichtet wird, sondern darauf, dass die Grundrechtsbeeinträchtigung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies dürfte bereits im Hinblick auf die demokratische Komponente des Gesetzesvorbehalts kaum haltbar sein. Vgl. auch Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 537; Robbers, JuS 1985, 925, 929. 519 Zur Kritik an diesem Begriff siehe auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 241 f. 520 Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 91. Letztlich wird hierin nach Ansicht verschiedener Autoren auch das entscheidende Abgrenzungskriterium zur bloßen Nichtausübung von Grundrechten gesehen.

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Insofern kann hier auch nicht von einem Grundrechtsausübungsverzicht ieS. gesprochen werden522. Allerdings wird die vorgefundene Situation auch vom Begriff der schlichten Nichtausübung von Grundrechten nicht vollumfänglich zutreffend erfasst. Darunter sind jene Fälle zu verstehen, in denen ein Grundrechtsträger ein bestimmtes Grundrecht tatsächlich nicht ausübt, etwa indem er einer rechtswidrigen staatlichen Anordnung nachkommt. Ein Grundrechtsverzicht ist damit jedoch mangels entsprechenden Willens nicht verbunden, so dass die betreffende Maßnahme in jedem Falle rechtswidrig bleibt. Mit der Sachlage beim Abschluss einer informellen Absprache ist dies indes kaum vergleichbar. Der Private stellt hierbei ein bestimmtes zukünftiges Verhalten in Aussicht, das ihn in seinen grundrechtlich geschützten Freiheiten einengt, ohne dass er jedoch an die getroffene Zusage gebunden wäre. Damit aber unterlässt er zugleich nicht einfach die Wahrnehmung seiner Rechte, sondern macht dieses Unterlassen kraft Natur der Sache zum Teil seiner eigenen Verhandlungsmasse. Nur so kann er auch glaubhaft ein bestimmtes eigenes Verhalten zusagen. Um dieser Besonderheit gerecht zu werden, erscheint es daher gerechtfertigt, im Rahmen informeller belastender Absprachen von einem faktischen Grundrechtsausübungsverzicht zu sprechen, der ähnlich dem echten Grundrechtsverzicht523 unter bestimmten Voraussetzungen zum Eingriffsausschluss führen kann. Der Bestand dieses faktischen Verzichts ist unmittelbar mit dem Schicksal der Absprache selbst verknüpft, so dass er dann (konkludent) widerrufen wird, wenn der Private die Absprache bricht524. Bezogen auf den vorliegenden Sachverhalt wäre das beispielsweise bei Geltendmachung etwaiger Erstattungsansprüche der Fall. Jedoch stellt sich nun die Frage, welche Anforderungen an die Zulässigkeit eines faktischen Grundrechtsausübungsverzichts zu stellen sind. Für ihre Beantwortung ist wiederum von den Eigenarten der informellen Absprache und den von ihr hervorgerufenen Wirkungen auszugehen. Erkennt man die Existenz faktischer Grundrechtseingriffe infolge informeller Absprachen grundsätzlich an, so müssen letztlich auch die Anforderungen an die eingriffsaufhebende „Einwilligung“ mit denen für einen echten Grundrechtsverzicht identisch sein. Schließ521

Vgl. Malorny, JA 1974, 131, 132. AA. insoweit: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 106, der darauf abstellt, dass der Private nach entsprechender Vorankündigung die Grundrechtsausübung wieder aufnehmen könne. 523 Siehe hierzu nochmals: BVerwGE 42, 331, 335; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 215; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 178 f.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 96; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1991, S. 184 f.; Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 65; Vgl. auch: Sturm, Probleme eines Verzichts auf Grundrechte, in: FS für Willi Geiger, 1974, S. 190; Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 540; Corell, DVBl 1998, 363, 366. 524 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 243. 522

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lich kann es vor dem Hintergrund, dass die Grundrechte auch vor „hoheitlich auferlegter Eigenverantwortung“525 schützen, keinen Unterschied machen, auf welche Art und Weise der Private eine Einschränkung seiner Rechte erfährt. Aus diesem Grunde darf der grundrechtlich verbürgte Schutz des Einzelnen nicht dadurch umgangen werden, indem an die Anforderungen eines Verzichts auf diesen Schutz im Rahmen konsensualen informellen Agierens geringere Anforderungen gestellt würden, als dies beispielsweise bei einseitig-hoheitlichem Handeln oder im Falle ausdrücklicher rechtsverbindlicher Verzichtsvereinbarung gegeben wäre. Andernfalls wäre es dem Staat nur allzu leicht möglich, sich in faktische Verhaltensweisen zu flüchten und den Privaten mittels subtiler Formen der Druckausübung zu Verhaltensweisen zu bewegen, deren grundrechtsbeschränkender Charakter einer einseitigen Anordnung in nichts nachsteht. Die damit verbundene Erweiterung des staatlichen Handlungsspielraums wäre unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht mehr hinnehmbar. Schlussendlich ist auch die mit dem Abschluss informeller Absprachen einhergehende grundrechtstypische Gefährdungslage für den Privaten keinesfalls geringer als bei einseitigem staatlichen Handeln, sondern kann in ihrer Intensität sogar darüber hinaus gehen. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass der Private sich jederzeit von der getroffenen Vereinbarung lösen kann und daher die Grundrechtsbeeinträchtigung jederzeit beseitigen könne. Regelmäßig wird diese Verhaltensalternative nämlich bereits vor dem Hintergrund der beschriebenen faktischen Bindungswirkungen der Absprache kaum zur Verfügung stehen. Den Voraussetzungen eines echten Grundrechtsverzichts entsprechend, muss daher auch im Rahmen informeller Absprachen das jeweils betroffene Grundrecht zunächst überhaupt disponibel sein526. Ebenso wie objektive Wertentscheidungen des Grundgesetzes nicht zur Disposition des Einzelnen stehen, dürfen nämlich durch informelle Absprachen keine tatsächlichen Verhältnisse geschaffen werden, die einer Verfügung gleichkommen würden. Auch ein faktischer Grundrechtsausübungsverzicht im hier beschriebenen Sinne ist demzufolge nur dann möglich, wenn hierdurch keine Allgemeininteressen berührt werden527. Dies jedoch ist eine Frage des Einzelfalls und somit einer pauschalen Beurteilung kaum zugänglich528. Im Grundsatz wird man dies aber insbesondere für die gemeinhin als vertragsnah bezeichneten Grundrechte aus Art. 12 525

Vgl. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 258. Zur Disponibilität der Grundrechte im Rahmen des Grundrechtsverzichts: Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 5, Rz. 136 f.; Bussfeld, DÖV 1976, 765, 770; Allgemein: Robbers, JuS 1985, 925, 929; Blankenagel, VerwArch 76 (1985), 276, 279 f. 527 Siehe hierzu: Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 19, Rz. 81; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 5, Rz. 137; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 213; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 98; Malorny, JA 1974, 131; Bussfeld, DÖV 1976, 765, 770 f. 526

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und 14 GG bejahen können529. Von einem Freiheitsgebrauch des Einzelnen kann jedoch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Private gezwungen wurde, eine Absprache des betreffenden Inhalts zu schließen. Aus diesem Grunde kommt dem Aspekt der Freiwilligkeit auch bei der rechtlichen Beurteilung informeller Absprachen elementare Bedeutung zu530. Demzufolge sind hieran aber auch strenge Anforderungen zu stellen531. Letztlich müssen dem Privaten bereits im Vorfeld der Vereinbarung echte Verhaltensspielräume verbleiben. Wird ihm hierbei faktisch jede Verhaltensalternative genommen, wäre die Absprache unzulässig532. Insbesondere vor dem Hintergrund der regelmäßig massiven staatlichen Einflussnahme auf die „Verhandlungsbereitschaft“ des Privaten wird man jedoch zu fragen haben, wann überhaupt von echter Freiwilligkeit gesprochen werden kann. Letztlich könnte deren Existenz bereits aufgrund der ausdrücklichen oder konkludenten staatlichen Normsetzungsandrohung zu verneinen sein533, weil der Abschluss einer informellen Absprache somit im Ergebnis lediglich als geringeres Übel zu der angekündigten Normsetzung erscheint534.

528 Abzulehnen ist jedenfalls aus den dargelegten Gründen die Ansicht, nach der ein Verzicht hierbei überhaupt nicht möglich sein soll, da Sicherung parlamentarischer Rechte der Ausübung und Gewährleistung individueller und politischer Freiheiten letztendlich vorgehe. Vgl. zu dieser Problematik: Robbers, JuS 1985, 925, 929; Differenzierend: Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 68 f. 529 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 391; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 180; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 101; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799; Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 545; Sachs, VerwArch 76 (1985), 398, 424. 530 Vgl. Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 5, Rz. 135; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 19, Rz. 81; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 416 ff.; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 180; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 102; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 308 f.; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 213; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 96; Grewlich, DÖV 1998, 54, 58 f.; Robbers, JuS 1985, 925, 926. 531 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 215. 532 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 248; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 391; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 310; Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 9. 533 So im Ergebnis: Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 87; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 102; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 216; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1032; Murswiek, JZ 1988, 985, 988. 534 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 419; Ähnlich insoweit auch: Brohm, DÖV 1992, 1025, 1033 (keine freie unternehmerische Entscheidung, da Alternativen nur zwischen zwei Übeln bestehen); Murswiek, JZ 1988, 985, 988.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Für diese Sichtweise spricht zunächst der Umstand, dass der Private im Rahmen normersetzender Absprachen aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Normsetzungsandrohung regelmäßig einem faktischen Kontrahierungszwang unterworfen ist535. Sicher wird man einzuräumen haben, dass vor dem Hintergrund der beschriebenen faktischen Zwänge das Vorliegen wirklicher Freiwilligkeit im Zusammenhang staatlichen Wirkens wohl äußerst selten, wenn nicht sogar ausgeschlossen sein dürfte536. Andererseits aber kann nicht jede irgendwie geartete staatliche Beeinflussung den freiwilligen Charakter einer Vereinbarung grundsätzlich ausschließen. Richtig ist zwar, dass gerade die staatliche Drohung mit einem künftigen Normerlass in gewissem Rahmen geeignet ist, eine Art von Unfreiwilligkeit bei dem an der Vereinbarung beteiligten Privaten zu erzeugen. Dieser Umstand aber liegt letztlich in der Natur der Sache begründet. Würde hier generalisierend von Unfreiwilligkeit gesprochen, wäre konsensuales (nicht nur informelles) Handeln fortan nur noch in Randbereichen zulässig. Unzweifelhaft ginge dies auch zu Lasten des vorhandenen Freiheitsraums aller Bürger. Fraglich bleibt aber, anhand welcher Kriterien sich Anhaltspunkte für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines faktischen Grundrechtsverzichts im Rahmen informeller Absprachen finden lassen. Eine diesbezügliche Festlegung gestaltet sich wie gesehen schon deshalb nicht unproblematisch, da das prinzipiell vorhandene Machtgefälle zwischen Staat und Bürger den Verdacht der Unfreiwilligkeit ohnehin schnell aufkommen lässt537. Zu weit gehen dürfte jedenfalls die Auffassung, nach der von Freiwilligkeit bereits dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn der Staat das gewünschte Verhalten des Privaten auch einseitig festlegen und durchsetzen kann538. Nicht überzeugen kann zudem auch jener Vorschlag, nach dem der Private nur dann freiwillig handeln soll, wenn die staatliche Einflussnahme die Schwelle zur eingriffsgleichen Wirkung noch nicht überschreitet539. Abgesehen davon, dass die Eingriffsqualität einer Absprache nicht ausschließlich auf Grundlage der staatlichen Einflussnahme zu beurteilen ist540, dreht sich dieser Ansatz letztlich im Kreis, da die Freiwilligkeit den Eingriffscharakter der Absprache ja gerade beseitigen soll. Ist ein Eingriff

535 Ähnlich für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 392. 536 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 102 ff. 537 Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 237; Becker, DÖV 1985, 1003, 1008; Murswiek, JZ 1988, 985, 988; Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 969; v. Zerzschwitz, JA 1978, 497, 502; Schenke, JuS 1977, 281, 286. 538 Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 180; Kaiser, NJW 1971, 585, 586. 539 Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 83. 540 Siehe hierzu die Erläuterungen in diesem Kapitel: E. VII. 2. lit. b) „Eingriff und informelle Absprache“.

E. Materielle Rechtmäßigkeit der Absprache vom 08.11.2001

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von vornherein überhaupt nicht gegeben, kommt es auf die Freiwilligkeit des Privaten ohnehin nicht mehr an. Freiwilligkeit muss letztlich schon dem Wortlaut nach bedeuten, dass der Betroffene eigene Entscheidungen nach seinem freien Willen treffen kann. Nicht jede Beeinflussung macht jedoch originär freie Entscheidungen zu fremdbestimmten und damit unfreien Handlungen. Im (öffentlich-rechtlichen) Vertragsrecht, das streng von dem Grundsatz pacta sunt servanda geprägt ist, wird dieser Problematik neben den Regelungen in § 59 VwVfG insbesondere durch die Möglichkeit der Anfechtung gemäß § 62 S. 2 VwVfG iVm. § 123 Abs. 1 BGB Rechnung getragen. Informelle Absprachen sind zwar aus bekannten Gründen nicht anfechtbar541, dennoch weisen sie aufgrund ihrer faktischen Bindungswirkungen beachtliche Parallelen auf. Insofern erscheint ein Rückgriff auf die Wertungen des § 123 BGB durchaus hilfreich542, lassen sich doch hierdurch handhabbare Kriterien auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit des Privaten an normersetzenden Absprachen gewinnen. Auch die Grundgedanken der § 138 BGB543 und § 826 BGB ließen sich hier im Rahmen einer Gesamtbetrachtung berücksichtigen544. Von Bedeutung dürfte dies namentlich in jenen Fällen sein, in denen sich eine unangemessene Benachteiligung des Privaten als Folge eines strukturellen Ungleichgewichtes ergibt. Dem Gedanken des § 123 Abs. 1 BGB entsprechend wären demnach solche Absprachen rechtswidrig, zu denen der Erklärende durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist. (1) Unfreiwilligkeit infolge widerrechtlicher Drohung Unter Drohung wird gemeinhin die Inaussichtstellung eines künftigen Übels verstanden545, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Für die Annahme eines Übels genügt jeder Nachteil, den der Betroffene zu erleiden 541

Vgl. hierzu etwa die Ausführungen in Kapitel 5: C. III. 9. „§ 62 VwVfG ana-

log?“. 542 So im Ergebnis für den Grundrechtsverzicht: Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Auflage 1997, S. 494 ff. (andeutend); Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 248; Vgl. insofern: Bussfeld, DÖV 1976, 765, 768; Langenfeld; DÖV 2000, 929, 940. 543 Dies gilt etwa dann, wenn die jeweilige Behörde ihre Überlegenheit an personellen und sachlichen Ressourcen in einer Weise ausübt, dass dem Privaten kein eigener Handlungsspielraum mehr verbleibt. Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 632. 544 Allerdings dürfte dieser Aspekt eher von untergeordneter Rolle sein, da er regelmäßig bereits durch die hier befürwortete analoge Anwendung von § 56 VwVfG Berücksichtigung gefunden hat. 545 BGHZ 2, 287, 295; BGH, NJW 1988, 2599, 2600 f.; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl. 2004, § 123, Rz. 56; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 123, Rz. 15; MünchKomm-Kramer, BGB, Band 1, 4. Aufl. 2001, § 123, Rz. 45.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

hätte546. Darunter fällt grundsätzlich auch der Erlass eines Gesetzes, das für den Betroffenen belastende Regelungen beinhaltet. Schon im Hinblick auf den vorliegenden Fall ist jedoch problematisch, ob die alleinige Inaussichtstellung eines Gesetzgebungsvorhabens ausreichend sein kann oder ob sich nicht vielmehr die Bedrohung bereits derart konkretisiert haben muss (etwa in Form eines verabschiedungsreifen Gesetzesentwurfs), dass sie zeitnah in eine Belastung des Privaten umschlagen kann, ohne dass sie noch einer näheren inhaltlichen Ausfüllung bedürfte. Davon einmal abgesehen müsste die ausgesprochene Drohung aber in jedem Falle widerrechtlich gewesen sein. Im Einzelfall kann sich dies aus dem angedrohten Mittel, dem erstrebten Zweck sowie letztlich auch aus der Zweck-Mittel-Relation ergeben547. Hinsichtlich des vorliegenden Sachverhalts ist jedenfalls der Zweck der getroffenen Vereinbarung, die kurzfristige finanzielle Stabilisierung der GKV, als solcher nicht zu beanstanden, so dass sich hieraus nicht die Unzulässigkeit der staatlichen Normsetzungsandrohung folgern lässt. Die Widerrechtlichkeit einer Drohung soll nach verbreiteter Auffassung regelmäßig aber auch dann zu bejahen sein, wenn mit einem rechtswidrigen Verhalten gedroht wird. Demzufolge wäre die Ankündigung eines Gesetzeserlasses für den Fall des Scheiterns der Absprache548 unzulässig, wenn das in Aussicht gestellte Gesetz seinerseits rechtswidrig wäre. Das aber wird wiederum im Vorfeld eines geplanten Gesetzes kaum zu beantworten sein, da hierfür eine genaue Konkretisierung der beabsichtigten Regelung erforderlich wäre. Mit dieser Problematik hängt schließlich auch noch die gesonderte Frage zusammen, ob die Rechtmäßigkeit einer Absprache davon abhängt, dass die ersetzte Norm ihrerseits rechtmäßig wäre. Darauf wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein549. Jedenfalls kann die Androhung eines rechtswidrigen Gesetzes als solche grundsätzlich noch nicht die Freiwilligkeit des Privaten beseitigen, da dieser hierdurch noch nicht in der Auswahl möglicher Handlungsalternativen beschränkt wird. Insofern wird man für die Annahme einer widerrechtlichen Drohung verlangen müssen, dass diese bereits selbst hinreichende Beeinträchtigungen zu erzeugen vermag, indem sie beispielsweise den Handlungsdruck für den Privaten derart erhöht, dass dieser nicht mehr autonom entscheiden kann. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann im Einzelfall aber auch dann gegeben sein, wenn sie aus sachfremden Erwägungen heraus erfolgt. Damit aber ist der 546 Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 123, Rz. 15; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl. 2004, § 123, Rz. 57. 547 BGHZ 2, 287, 296; 25, 217, 219 ff.; MünchKomm-Kramer, BGB, Band 1, 4. Aufl. 2001, § 123, Rz. 48; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 123, Rz. 19. 548 Vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 216; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 111; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 796; Becker, DÖV 1985, 1003, 1008. 549 Unten XIII. „Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm?“.

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Aspekt des Koppelungsverbots berührt, das auch im Rahmen informeller Absprachen grundsätzlich anwendbar ist und aufgrund seiner Bedeutung gesondert besprochen werden soll550. Besondere Aufmerksamkeit wird im Rahmen normersetzender informeller Absprachen regelmäßig der Zweck-Mittel-Relation zu widmen sein, die zudem auch unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips von einiger Bedeutung ist551. Mögen im Einzelfall Mittel und Zweck für sich betrachtet unbedenklich sein, so kann sich ihre Verknüpfung im Rahmen einer Gesamtschau dennoch als widerrechtlich erweisen. Auch im Rahmen dieser Betrachtung ist jedoch zunächst die Tatsache zu berücksichtigen, dass sich der an der Absprache Beteiligte jederzeit von der getroffenen Vereinbarung lösen und sich somit den Belastungen entziehen kann. Zudem stellt sich die Absprache zumindest im Grundsatz als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses dar, in dessen Rahmen beide Seiten (ungeachtet des vorhandenen staatlichen Drohpotentials) ihre Interessen und Vorstellungen einbringen können552. Anderseits ändern Informalität und Rechtsfolgenlosigkeit der Absprache nichts an der bestehenden faktischen Zwangslage553. Anschaulich wird daher in diesem Zusammenhang teilweise auch von einer feineren Form der Nötigung gesprochen554, wenngleich diese Aussage angesichts des Machtumfangs mancher privater Absprachepartner sicher nicht immer seine Berechtigung haben mag. Grundsätzlich aber wird es zumeist gerade der ökonomische oder auch psychologische Zwang sein, der den Privaten zur Kooperation überhaupt erst veranlasst555. Die Normsetzungsandrohung ist daher zunächst nicht mehr und nicht weniger als die Verhandlungsmasse, die der Staat in die Verhandlungen mit dem Privaten einbringt556. Von einer widerrechtlichen Drohung kann daher jedenfalls solange nicht die Rede sein, wie auf Seiten des Bürgers eine echte Freiheit besteht557. Demzufolge darf der staatliche Druck nicht derart 550 Hierzu die Ausführungen unter XI. „§ 56 Abs. 1 VwVfG analog; Insbesondere: Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog)“. 551 Dazu sogleich unter: XII. „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog)“. 552 Würfel, Informelle Absprachen in der Abfallwirtschaft, Diss. Freiburg 1994, S. 54; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 214; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 697. 553 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 216. 554 Vgl. Baudenbacher, JZ 1988, 689, 691; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 147 mwN. 555 v. Zezschwitz, JA 1978, 497, 501. 556 Vgl. auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 249 f.; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 697. 557 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 106 f.; Vgl. auch: Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 147; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 691.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

intensiv sein, dass dem Privaten keine Handlungsalternative mehr zur Verfügung steht558. Im Gegenzug handelt er daher immer dann freiwillig, wenn die Absprache gegenüber dem angekündigten Normerlass Vorteile bringt oder Nachteile erspart559. Dann nämlich ist die informelle Absprache das Ergebnis „echter“ Verhandlungen und keine einseitige Durchsetzung staatlicher Interessen auf nichtförmlichem Wege. Dementsprechend kann hinsichtlich der Absprache vom 08.11.2001 festgehalten werden, dass kein Fall der widerrechtlichen Drohung vorlag. Schließlich war es dem VFA im Rahmen der Absprache möglich, auf Verhandlungswege erheblich bessere Bedingungen für die Verbandsmitglieder zu erzielen, als dies im Rahmen des AABG-E der Fall gewesen wäre560. Zudem ist in Anbetracht des erzielten Verhandlungsergebnisses schlussendlich auch der Verdacht eines konkret den Inhalt der Absprache beeinflussenden strukturellen Ungleichgewichts zwischen Bundesregierung und VFA unbegründet. Der Annahme freiwilligen Handelns seitens des VFA stand daher nicht die staatliche Normsetzungsandrohung entgegen. (2) Unfreiwilligkeit aufgrund arglistiger Täuschung Von § 123 Abs. 1 BGB ausgehend, wären informelle Absprachen schließlich auch dann unfreiwillig, wenn der Private mittels arglistiger Täuschung zum Abschluss der entsprechenden Vereinbarung bzw. deren Vollzug veranlasst worden wäre. Das setzt entweder die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen voraus (aktives Tun) oder aber das Verschweigen von relevanten Tatsachen, hinsichtlich dieser im Einzelfall eine Aufklärungspflicht besteht (Täuschung durch Unterlassen)561. Anhaltspunkte hierfür sind im Rahmen des vorliegenden Sachverhalts jedoch nicht erkennbar, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt von der Freiwilligkeit des VFA auszugehen ist. Im Ergebnis ist vorliegend der faktische Grundrechtsausübungsverzicht dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Anders als der echte Grundrechtsverzicht562 bedarf es dafür jedoch keiner gesonderten Verzichtserklärung, da hierdurch 558 Zweifelhaft dagegen dürfte jedoch die Auffassung sein, nach der Freiwilligkeit nur dann gegeben sein könne, wenn der Private sich nur scheinbar der staatlichen Regelungsandrohung beugt. So im Ergebnis: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 218. 559 Ähnlich jedenfalls für die Gruppe der Selbstbeschränkungsabkommen: Baudenbacher, JZ 1988, 689, 695. 560 Vgl. dazu insofern zur ähnlichen Problematik des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie: Langenfeld, DÖV 2000, 929, 940 f. 561 Vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 123, Rz. 5; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl. 2004, § 123, Rz. 13; MünchKomm-Kramer, BGB, Band 1, 4. Aufl. 2001, § 123, Rz. 16; Siehe auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 253 f.

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keine Verfügung über ein bestehendes Recht erfolgt. Allerdings muss er insbesondere unter sachlichen und zeitlichen Gesichtspunkten verhältnismäßig sein563. Das aber ist im Rahmen informeller Absprachen weithin unproblematisch, da diese ohnehin frei widerruflich sind. cc) Folgen des Verzichts Die Folgen des beschriebenen faktischen Grundrechtsausübungsverzichts stellen sich letztlich als Ergebnis der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten dar564. Deshalb würde es nur allzu widersinnig anmuten, hierin lediglich das rechtfertigende Moment einer bestehenden Eingriffslage zu sehen. Vielmehr führt der faktische Grundrechtsverzicht dazu, dass ungeachtet der von der Absprache ausgehenden Wirkungen die Annahme eines Grundrechtseingriffs gänzlich entfällt (umgekehrt wäre eine unfreiwillig abgeschlossene informelle Absprache rechtswidrig, da diese sich dann als einseitige Durchsetzung des staatlichen Willens darstellen würde, wofür der handelnden Behörde keine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht). Im Ergebnis scheidet eine Verletzung von Grundrechten der im VFA vertretenen Unternehmen nach dem Vorgesagten somit aus.

VIII. Verletzung von Grundrechten des VFA? Gerade im Bereich der normersetzenden Absprachen werden die Interessen der betroffenen Bürger bzw. Unternehmen regelmäßig durch Verbände wahrgenommen. Sind aber an der Absprache Verbände tatsächlich beteiligt, so kommen Grundrechtsverletzungen nicht nur hinsichtlich der in ihnen zusammengeschlossenen Mitglieder in Betracht, sondern auch in Bezug auf den jeweiligen Verband selbst. Fraglich ist daher, ob durch die vorliegende Absprache in Grundrechte des VFA eingegriffen wurde. Vorrangig wird man dies hier am Maßstab des Art. 9 Abs. 1 GG zu messen haben. Dieser gewährt nach verbreiteter Auffassung zunächst dem einzelnen Staatsbürger sowie juristischen Personen das Recht, sich zu Vereinen und Gesellschaften zusammenzuschließen. Darüber hinaus erkennt er auch den gebildeten Vereinigungen selbst das Recht auf Entstehen und Fortbestand zu565. Weitläufig wird daher in diesem Zusammenhang auch von einem Doppelgrundrecht gesprochen. Vor diesem Hintergrund ist 562 Zur Verzichtserklärung im Rahmen eines Grundrechts(ausübungs)verzichts: Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 97; Malorny, JA 1974, 131, 135. 563 Allgemein: Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527, 548. 564 Vgl. insoweit zum öffentlich-rechtlichen Vertrag: Höfling/Krings, JuS 2000, 625, 630; Siehe diesbezüglich aber auch unten: XII. „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog)“.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

der Staat somit grundsätzlich verpflichtet, auf die Funktionsfähigkeit der Verbände Rücksicht zu nehmen. Insbesondere darf er sie nicht in evidente Zerreißproben drängen566. Das aber wird man nicht allein vor dem Hintergrund der faktischen Bindungswirkungen der Absprache anzunehmen haben. Zwar könnten diese dazu führen, dass der handelnde Verband gegenüber der staatlichen Seite faktisch gebunden ist, während die ihm angeschlossenen Mitglieder die Erfüllung der Absprache verweigern. Diese Gefahr aber liegt in der Natur informellen Handelns und ist im Lichte des Art. 9 Abs. 1 GG zunächst unbedenklich. Anders wird man erst bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände zu entscheiden haben, in deren Folge die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Verbandes nicht mehr gewährleistet ist. Dafür aber sind vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.

IX. Verletzung von Grundrechten Drittbetroffener? Kann der an der Absprache beteiligte Private letztlich auf seinen grundrechtlich gewährten Schutz „verzichten“, so ist die informelle Absprache dennoch rechtswidrig, wenn hierdurch Grundrechte Dritter verletzt werden567. Aus diesem Grunde muss prinzipiell auch der Frage nachgegangen werden, ob durch die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA die Rechtsstellung Dritter verschlechtert wurde. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt werden konnte568, ist dies aber unter keinem Gesichtspunkt denkbar, da sowohl von den unmittelbaren als auch den mittelbaren Folgen der Absprache allein die VFA-Unternehmen betroffen waren. Insbesondere kann nicht nachgewiesen werden, dass etwa den Apothekern oder dem pharmazeutischen Großhandel infolge der Absprache höhere finanzielle Belastungen auferlegt wurden, als dies 565 BVerfGE 3, 383, 391 f.; 13, 174, 175; 30, 227, 241; 84, 372, 378; BVerwGE 54, 211, 219; Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 9, Rz. 6; Löwer in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 9, Rz. 15; Unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 3 GG zweifelnd: Scholz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 9, I, Rz. 25 f.; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 18, Rz. 731. 566 Ebenso: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 229; Di Fabio, JZ 1997, 969, 971. 567 Teilweise wird in jenen Fällen, in denen die Absprache Drittgrundrechtsbezug aufweist, generell für einen Vorrang formeller Handlungsinstrumente plädiert. Vgl. diesbezüglich: Bulling, DÖV 1989, 277, 289. Zum Begriff des mittelbaren Eingriffs siehe bereits oben: E. VII. 2. lit. a) „Zum Eingriffsbegriff im Allgemeinen“; Vgl. auch: BVerfGE 13, 181, 185; 49, 24, 47; BVerwGE 71, 183, 191; BGHZ 6, 270, 278; 37, 44, 47; 23, 157, 169; Di Fabio in: Maunz-Dürig, GG, Art. 2, B., Rz. 49; Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1991; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980; Albers, DVBl 1996, 233; Brohm, DVBl 1994, 133, 134. 568 Dazu in diesem Kapitel unter: D. II. 1. „Beteiligung von betroffenen Dritten, § 58 Abs. 1 VwVfG analog?“.

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ohne die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA und den daraus resultierenden Solidarbeitrag der Fall gewesen wäre569. Allerdings ergeben sich unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes Bedenken, die daher nachfolgend Gegenstand der Betrachtung sein sollen.

X. Der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG 1. Grundsatz Infolge der getroffenen Vereinbarungen wurden die an der Absprache vom 08.11.2001 beteiligten Unternehmen in die Lage versetzt, durch Erbringung einer Geldzahlung den Erlass einer gesetzlichen Preisabschlagsregelung auf bestimmte Medikamente abzuwenden. Andere durch das AABG Betroffene wurden dagegen trotz entsprechender Angebote (etwa seitens der Apothekerschaft, des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sowie des Deutschen Generikaverbands) nicht von den sie betreffenden Regelungen freigestellt. Insbesondere auch vor diesem Hintergrund zweifelten Kritiker an der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Absprache. Fraglich ist nämlich, ob es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zulässig sein kann, Zahlungsbereite gegenüber Zahlungsfähigen zu bevorzugen. Abgesehen von dem bestehenden Konfliktpotential, das mit dem Abschluss der hier interessierenden Absprache verbunden ist, sind konsensuale Handlungsinstrumente unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes generell problematisch570. Einerseits können sie unbeteiligte Dritte sowohl inhaltlich als auch instrumental benachteiligen. Andererseits aber können auch die unmittelbar beteiligten Privaten durch die jeweilige Vereinbarung eine Benachteiligung gegenüber Dritten erfahren. Nicht zuletzt diese Risiken waren es, aus denen nach vielfacher Ansicht generelle Einwände nicht nur gegen informelle Absprachen, sondern auch gegen vertragliche Vereinbarungen hergeleitet wurden571. Ob die beschriebenen Gefahren jedoch jene im Rahmen einseitig-hoheitlichen Handelns übersteigen, erscheint mehr als zweifelhaft572. Eine generalisierende Aussage gegen die Verwendung konsensualer Handlungsinstrumente verbietet sich 569 Ebenso ist kein Zusammenhang zwischen der Absprache und möglicherweise unterbliebenen Beitragssatzsenkungen zu Gunsten der Versicherten nachweisbar. Ohnehin dürfte mehr als fraglich sein, ob die Nichtvornahme einer Beitragsatzsenkung überhaupt als Eingriff gewertet werden kann. Gleiches gilt für die Mindereinnahmen zu Lasten der GKV, da hiermit kein Substanzeingriff im Sinne des Art. 14 GG verbunden ist, sondern allein künftige, noch ungesicherte Vermögenspositionen der einzelnen Krankenkassen betroffen sind. 570 Für informelle Absprachen vgl. etwa die Ausführungen von: Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 104; Grimm, VVDStRL 52 (1993), 324, 325 f. 571 Vgl. Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1960, S. 442; Schenke, JuS 1977, 283, 285.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

zudem schon deshalb, da die Verwaltung in jedem Falle und unabhängig von der konkret gewählten Handlungsebene an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden ist. Jedenfalls aber wird an der beschriebenen Situation zugleich auch deutlich, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine herausgehobene Bedeutung für die rechtliche Erfassbarkeit und Bewertung informeller Absprachen besitzt573. Gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Der darin zum Tragen kommende Geist der Gleichheit ist eines der wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes und eigentliches Fundament der Demokratie574. Ausdrücklich beinhaltet der allgemeine Gleichheitssatz zunächst eine Rechtsanwendungsgleichheit, statuiert gleichzeitig aber auch eine Rechtsetzungsgleichheit. Die Gleichheit vor dem Gesetz wird demzufolge um eine Gleichheit durch das Gesetz erweitert. In jedem Falle verbietet Art. 3 Abs. 1 GG zum einen die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem575, ohne dass sich aus dem Sachverhalt ein sachlich vertretbarer Grund für eine Differenzierung herleiten lässt576. Zum anderen aber gebietet der Gleichheitssatz dort differenziertes Handeln, wo unterschiedliche Sachverhalte vorliegen577. An die Rechtfertigung einer (insbesondere legislativen) Ungleichbehandlung werden vom Bundesverfassungsgericht je nach Intensität unterschiedliche An572 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 77; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 46 f.; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 105. 573 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 451; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 104; Vgl. auch: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 73; Schmidt-Aßmann, DVBl 1989, 533, 537; Zur Problematik im Rahmen von Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 314 ff.; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 204; Allgemein zum verwaltungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 59, Rz. 10 ff. 574 W. Maihofer in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.); Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 442. Aus Art. 3 Abs. 1 GG resultiert letztlich auch der Grundsatz der Belastungsgleichheit, dem letztlich prägende Kraft für das deutsche Abgabensystem zukommt. Vgl. dazu: Gubelt in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 3, Rz. 4; Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 32 ff.; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 183, 184. 575 BVerfGE 49, 148, 165; Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 14; Gubelt in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 3, Rz. 11; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 5; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 11, Rz. 431. 576 BVerfGE 17, 122, 131; 19, 1, 8; 71, 39, 58; Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 17. 577 BVerfGE 18, 38, 46; 84, 133, 158; 98, 365, 385; Kannengießer in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 14; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 35; Merten in: Schulin, HS-KV, 1994, § 5, Rz. 95 ff.; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 105, 107; Rosenkötter, Selbstverpflichtungsabsprachen der Industrie im Umweltrecht, 2001, S. 221; Hill, DVBl 1993, 973, 979. Zur Kritik: Dürig in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3, XIII, Rz. 321; Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 11, Rz. 436.

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forderungen gestellt578. Bei Ungleichbehandlungen von geringer Intensität soll im Sinne einer Evidenzkontrolle allein das Vorliegen eines vernünftigen sachlichen Grundes ausreichend sein, der die Ungleichbehandlung als willkürfrei und damit gerechtfertigt erscheinen lässt. Bei großer Intensität dagegen ist dies erst bei Vorliegen gewichtiger sachlicher Gründe der Fall. Damit aber ist insbesondere auch der Aspekt der Verhältnismäßigkeit angesprochen. Demzufolge ist Art. 3 Abs. 1 GG gemäß der vom Bundesverfassungsgericht geprägten sog. „Neuen Formel“ dann verletzt, wenn „eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“579. Die Verwaltung hat den Gleichheitssatz grundsätzlich dann zu beachten, wenn im konkreten Einzelfall Handlungsspielräume bestehen580. Auch informelle Absprachen sind in jedem Falle hieran zu messen. Dies gilt sowohl in instrumentaler als auch inhaltlicher Hinsicht, da die jeweils handelnde Behörde neben inhaltlichen Gestaltungsspielräumen auch ein Instrumentenauswahlermessen besitzt. Allerdings wird man die Grenzen einer möglichen Ungleichbehandlung gerade in Sachverhaltskonstellationen wie der vorliegenden im Hinblick auf das bestehende Normsetzungsermessen nicht allzu eng zu ziehen haben. Aus diesem Grunde ist jede irgendwie geartete sachliche Rechtfertigung nötig aber auch ausreichend, wenn die Behörde in einem Fall einseitig-hoheitlich handelt, in einem anderen Fall aber bei gleichem materiellem Regelungsgehalt informell tätig wird581. Ob jedoch aus der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG zugleich ein genereller Anspruch des Benachteiligten auf Abschluss einer informellen Absprache resultiert582, ist höchst zweifelhaft und kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Jedenfalls wird man einen derartigen Anspruch wohl insbesondere dann anzunehmen haben, wenn im Einzelfall das Instrumentenauswahlermessen der Behörde auf Null reduziert ist.

578 Vgl. etwa: BVerfGE 88, 87, 96; 91, 389, 401; 95, 267, 316 f. Dazu auch: Sachs, JuS 1997, 124 ff. 579 BVerfGE 55, 72, 88; 65, 377, 384; 82, 60, 86; 91, 389, 401; 95, 39, 45; 102, 41, 54; Gubelt in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 3, Rz. 14; Kannengießer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 17; Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 11, Rz. 441. 580 BVerfGE 13, 248, 253; BVerwGE 77, 188, 192; Kannengießer in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 45; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 34. 581 Für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 75. 582 So jedenfalls: Bleckmann, NVwZ 1990, 601, 607 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag).

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2. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der Instrumentenwahl? Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung informeller Absprachen wirft regelmäßig die Frage des allgemeinen Zugangs zu informellen Handlungsebenen erhebliche Probleme auf583, da letztlich nur derjenige die Möglichkeit zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung hat, der über ein hinreichendes Tauschpotential verfügt. Daraus aber resultiert die nicht ganz unbegründete Gefahr, dass insbesondere kleine und bedeutungslose Gruppierungen von der Teilnahme an konsensualen Handlungsinstrumenten ausgeschlossen bleiben. Differenzierungen, die hieran und nicht an Gründe im Entscheidungssachverhalt anknüpfen, sind in der Regel entsprechend dem Vorgesagten regelmäßig gleichheitswidrig584, dennoch aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Namentlich der bereits erwähnte BPI hat seinerzeit der Bundesregierung ebenfalls die Zahlung eines Solidarbeitrags in Höhe von DM 900 Mio. angeboten, um einen Verzicht auf die umstrittene aut-idem-Regelung (vgl. § 129 Abs. 1 SGB V) zu erreichen. Dieses Angebot wurde seitens der Bundesregierung ausdrücklich abgelehnt. Allerdings sprechen hierbei sachliche Gründe für die erfolgte Ungleichbehandlung: Während der geplante Preisabschlag zu Lasten der pharmazeutischen Industrie allein fiskalischen Zwecken dienen sollte, verfolgte man mit der aut-idem-Regelung das Ziel, auch strukturelle Anpassungen im Rahmen der GKV herbeizuführen, indem eine wirtschaftliche und sparsame Leistungserbringung ermöglicht und gefördert werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist die Ungleichbehandlung von BPI und VFA nicht zu beanstanden585. Fragwürdig ist hingegen die Tatsache, dass ähnliche Angebote seitens der Apothekerschaft ebenfalls abgelehnt wurden und der bereits eingeführte Apothekenrabatt durch das AABG sogar noch von 5 auf 6 v. H. erhöht wurde. Damit verfolgt die Bundesregierung letztlich nämlich ebenso fiskalische Zwecke wie bei dem ursprünglich geplanten Preisabschlag zu Lasten der Pharmaindustrie586. Auf der anderen Seite aber sind hierbei aber auch die jeweiligen Besonderheiten und Eigenarten der Betroffenen zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu den Apotheken handelt es sich bei den von der Absprache erfassten VFAUnternehmen um eine wesentlich homogenere, abgrenzbarere und nicht zuletzt 583 Vgl. dazu: Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 226 ff.; Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 316. 584 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 228. 585 Nicht nachvollziehbar ist insoweit die Auffassung der Bundesregierung, nach der hier allein die Freiwilligkeit der beteiligten VFA-Unternehmen ausschlaggebend sein soll. Vgl. dazu: Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (BTDrucks. 14/8438), BT-Drucks. 14/8685, S. 4. 586 So ausweislich die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (ArzneimittelausgabenBegrenzungsgesetz – AABG) vom 16. Oktober 2001; BT-Drucks. 14/7144, S. 6.

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deshalb auch überschaubarere Gruppe von Leistungserbringern im System der Gesetzlichen Krankenversicherung. Demgegenüber darf bezweifelt werden, ob hieraus der zwingende (und rechtfertigende) Schluss gezogen werden kann, dass durch die Absprache mit dem VFA eine effizientere Umsetzung der avisierten Stabilisierungsmaßnahmen zu Gunsten der GKV gewährleistet war als bei anderen Leistungserbringern. Allerdings war hinsichtlich des Apothekenrabatts eine gesetzliche Regelung bereits vorhanden. Deren vollständige Abschaffung aber hätte seitens der Bundesregierung überhaupt nicht zugesagt werden können und dürfen. Doch selbst eine Absprache über einen Verzicht auf die Erhöhung des Apothekenrabatts wäre zugleich mit einem Effizienzverlust einhergegangen, da in diesem Falle zusätzlich zur bestehenden gesetzlich angeordneten Rabattgewährung der darüber hinausgehende Solidarbeitrag hätte eingezogen werden müssen. Die damit verbundene Erhöhung des Verwaltungsaufwands hätte die Zweckdienlichkeit der Absprache verringert und kann daher jedenfalls hinsichtlich der Wahl der konkreten Handlungsform als tauglicher Differenzierungsgrund587 herangezogen werden. Nach alldem ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Instrumentenwahl nicht gegeben. 3. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Abspracheinhalts? Informelle Absprachen können jedoch auch im Hinblick auf den vereinbarten Inhalt, also ihren Regelungsgegenstand problematisch sein. Deutlich wird dies vorliegend etwa daran, dass Apotheker einer gesetzlichen Rabattregelung in Höhe von 6 v. H. auf den maßgeblichen Arzneimittelpreis unterworfen wurden, während pharmazeutische Unternehmen nicht mit einer vergleichbaren Regelungen belastet worden sind. Insofern könnte hierin eine unzulässige Differenzierung zwischen zwei Leistungserbringern innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Allerdings können erbrachte Gegenleistungen ganz grundsätzlich Ungleichbehandlungen inhaltlicher Art rechtfertigen588. Dann aber muss die Gegenleistung Bezugspunkt für die Beurteilung einer möglichen Ungleichbehandlung sein. Dies ist vorliegend nicht frei von jeglichen Bedenken, wenn berücksichtigt wird, dass einerseits die pharmazeutische Industrie einen Solidarbeitrag in Höhe von einmalig DM 400 Mio. erbracht hat, andererseits die Apotheken einer gesetzlichen Rabattregelung unterworfen wurden, die Schätzungen zufolge zu einer finanziellen Belastung zwischen DM 400 Mio. und 450 Mio. pro Jahr führten.

587 Vgl. allgemein: BVerfGE 17, 337, 354; 103, 225, 235, Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 3, Rz. 16, wonach ein Differenzierungsgrund auch in der Praktikabilität einer Regelung liegen kann. 588 Im Ergebnis auch: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 285.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Für die Zulässigkeit der hierdurch erfolgten Ungleichbehandlung sprechen jedoch folgende Erwägungen: Erstens wurde der Solidarbeitrag der VFA-Unternehmen durch einmalige und sofort aufzubringende Barzahlung erbracht. Der Apothekenrabatt hingegen erstreckt sich über den Zeitraum eines Jahres und führt zu finanziellen Belastungen, die aus dem laufenden Geschäft getragen werden. Der Nachteil der VFA-Unternehmen, der nicht zuletzt aus den mit der sofortigen Zahlung erwachsenden Zinsverlusten resultiert, darf jedoch grundsätzlich berücksichtigt werden. Zweitens muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass im Gegensatz zu den Apotheken die fraglichen Mittel nicht von allen pharmazeutischen Unternehmen, sondern lediglich den im VFA zusammengeschlossenen aufgebracht wurden (wenngleich diese auch 80 v. H. Marktanteil repräsentieren). Auch das kann eine unterschiedliche Behandlung beider Sachverhalte hier rechtfertigen. Zudem hatten die betroffenen Unternehmen nicht nur die zugesagte Solidarzahlung zu erbringen, sondern waren noch von weiteren ergebniswirksamen Belastungen betroffen (insbesondere Festbetragsregelung, aut-idem-Substitution etc.). Drittens muss schlussendlich auch der besondere Vorteil, den die Apotheken durch den hohen Anteil an gesetzlich Versicherten am Gesamtumsatz haben589, Eingang in die hier vorzunehmende Bewertung finden. Die daraus resultierende erhöhte bzw. besondere „Verantwortlichkeit“ der Apotheken für den Bereich der GKV-Arzneimittelausgaben (sofern hier überhaupt von Verantwortlichkeit gesprochen werden kann590) vermag letztlich auch eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu den pharmazeutischen Unternehmen zu rechtfertigen. Welche Gewichtung dieser Verantwortlichkeit im Rahmen des festzulegenden Beitrags zu Gunsten der finanziellen Sicherung der Gesetzlichen Krankenversicherung beizumessen ist, unterliegt in bestimmtem Umfang der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bzw. der handelnden Behörde, sofern hierbei nicht sachfremde Erwägungen angestellt werden. Dafür aber finden sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichheitssatzes ist schließlich auch die Tatsache nicht unproblematisch, dass durch Manipulation der Arzneimittelausgaben der auszuzahlende Zuweisungsbetrag an einzelne Krankenkassen theoretisch erhöht werden konnte. Insofern könnte hierin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis der Krankenkassen zueinander liegen. Das aber ist keine Frage der Zulässigkeit der informellen Absprache selbst, sondern vielmehr der rechtlichen Beurteilung des AABG, durch das die Verteilungsmodali-

589

So auch die Begründung zu Art. 1 Nr. 5 AABG-E; BT-Drucks. 14/7144, S. 6. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 7: C. II. „Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe?“. 590

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täten des Solidarbeitrags geregelt wurden. Nach alldem kann somit ein Verstoß der vorliegenden Absprache gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht festgestellt werden.

XI. § 56 Abs. 1 VwVfG analog – Insbesondere: Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) Ähnlich der Problematik beim öffentlich-rechtlichen Vertrag bergen informelle Absprachen die grundsätzliche Gefahr eines Ausverkaufs von Hoheitsrechten. Hinzu kommt, dass aufgrund ihres Tauschcharakters stets die Besorgnis eines Missbrauchs seitens des Staates und damit der Übervorteilung des Bürgers besteht. Dieser bedarf insofern eines besonderen Schutzes vor der Eingehung von (faktischen) Verpflichtungen, die auch unter Berücksichtigung des do-utdes-Grundsatzes nicht gerechtfertigt sind591. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund konnte bereits im Rahmen der Untersuchungen im vorangegangenen Kapitel festgehalten werden, dass auch im Interesse der Rechtsklarheit die Vorschrift des § 56 VwVfG auf informelle Absprachen (analoge) Anwendung finden sollte592. Demzufolge muss bei Abschluss einer informellen Absprache grundsätzlich ein bestimmter Zweck vereinbart werden, um dessen Willen die Leistung des Privaten erfolgen soll. Ob ein solcher Zweck tatsächlich vereinbart wurde, ist anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, da es an einer schriftlichen Fixierung informeller Absprachen nicht selten mangelt593. Allerdings dürfen hier schon im Interesse einer hinreichenden Bestimmtheit die Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden. Das Vorliegen einer Zweckvereinbarung ist hinsichtlich der vorliegenden Absprache unproblematisch, sollte doch der vereinbarte Solidarbeitrag ausschließlich der Gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Zweck zugute kommen, eine kurzfristige Haushaltsstabilisierung zu ermöglichen594.

591

Langenfeld, DÖV 2000, 929, 941. Dazu die Ausführungen in Kapitel 5: C. III. 4. „Austauschabsprache, § 56 VwVfG analog?“. Allgemein dazu: BVerwGE 42, 331, 336, 339; BVerwG, NVwZ 1990, 665, 667 (zur Zweckbindung); BVerwG, NVwZ 2000, 1285; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 1; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2; 6. Aufl. 2000, § 54, Rz. 28; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, S. 372; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 471; Allesch, DÖV 1988, 103, 107. 593 Zur Problematik im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verträge: BVerwG, NVwZ 1990, 665, 667; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 7; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 343; Ehlers, JZ 1990, 594, 595. 592

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Zudem muss die Leistung des Privaten der an der Absprache beteiligten Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen595, wofür auch rein fiskalische Interessen grundsätzlich ausreichend sein können. Nun ließe sich hier einwenden, dass die Erzielung von Einnahmen zugunsten der GKV nicht mehr zum Aufgabenkreis der Bundesregierung gehört. Eine derart verengte Sichtweise ließe hingegen die Besonderheiten insbesondere normersetzender Absprachen unberücksichtigt. Der Begriff der öffentlichen Aufgaben ist hierbei in einem weiteren Sinne zu verstehen und wird durch die allgemeinen Zuständigkeiten und Befugnisse der handelnden Behörde näher bestimmt. Die Bundesregierung besitzt grundsätzlich für den Bereich der Sozialversicherung das Gesetzesinitiativrecht. Davon werden auch solche Normen erfasst, mit denen die finanzielle Ausstattung der jeweiligen Versicherungsträger geregelt wird. Da die Bundesregierung demzufolge auch hierfür eine prinzipielle Regelungskompetenz (in Form des Initiativrechts) inne hat, diente der Solidarbeitrag der VFA-Unternehmen im weitesten Sinne der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben. Allerdings darf sich der Staat nicht solche Leistungen zusagen lassen, die nicht in sachlichem Zusammenhang mit der verabredeten Leistung der handelnden Behörde stehen (Verbot sachwidriger Koppelung, § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog)596. Insbesondere die Rechtsprechung hat im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verträge immer wieder versucht, das Koppelungsverbot einer inhaltlichen Ausgestaltung zuzuführen597, wobei die hierdurch gezogenen Grenzen immer auch im Zusammenhang mit den Anforderungen aus § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG zu sehen sind und teilweise in diese übergehen. Demnach wird das allgemeine Koppelungsverbot vor allem durch die Komponenten Konkretisierungsgebot, Missbrauchsverbot und Übermaßverbot geprägt. Dem Grunde nach können diese Prinzipien auch auf informelle Absprachen übertragen werden, wenngleich sie hier in gewissem Rahmen der Modifizierung bedürfen.

594 Hierzu etwa die Erklärung der Bundesregierung zum Finanzbeitrag der forschenden Arzneimittelhersteller zur Konsolidierung der Finanzen der GKV vom 08.11.2001; Pressemitteilung Nr. 507/01. 595 Vgl. dazu: Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 53; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 11; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 13. 596 Allgemein dazu: BVerwG, NVwZ 1994, 485, 486; Bonk in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 49; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 16 ff.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 341 ff.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 477 ff.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 237; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 338; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034. 597 BayVGH, BayVBl 1982, 177, 178 f.

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Das Konkretisierungsgebot wirkt auf § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG zurück und besagt, dass der Zweck der Absprache hinreichend konkret bezeichnet sein muss598. Probleme sind hiermit bezogen auf die vorliegende Absprache wie gesehen nicht verbunden. Den darüber hinausgehenden Forderungen des Missbrauchsverbots zufolge dürfen informelle Absprachen nicht unter Ausnutzung der staatlichen Machtstellung zu Stande kommen599. Ein gesondertes Rechtmäßigkeitskriterium lässt sich nach der hier vertretenen Ansicht jedoch daraus nicht gewinnen, da die Frage des Machtmissbrauchs bereits bei der Beurteilung der Freiwilligkeit des faktischen Grundrechtsausübungsverzichts des Privaten Eingang gefunden hat600. Schlussendlich soll das Übermaßverbot unter dem Blickwinkel des Koppelungsverbots verhindern, dass der Private nicht zu einer Leistung veranlasst wird, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit der behördlichen Gegenleistung steht. Damit wiederum ist der bereits zuvor erwähnte und ausdrücklich im Gesetz formulierte Aspekt des Zweckzusammenhangs angesprochen, so dass sich der Kreis der Betrachtung schließt. Der zwischen Leistung und Gegenleistung erforderliche Zweckzusammenhang im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog kann ganz allgemein nur dann angenommen werden, wenn die Zweckbestimmung der vom Privaten zu erbringenden Leistung demselben öffentlichen Interesse dient wie jene Rechtsvorschrift, auf deren Grundlage die handelnde Behörde zu der von ihr zu erbringenden Leistung ermächtigt wird601. Auch finanzielle Gegenleistungen des Privaten sind demzufolge nicht schlechterdings unzulässig602. Entscheidend ist vielmehr, dass sie der Verfolgung solcher Zwecke dienen, denen die Behörde im konkreten Einzelfall ermessenenfehlerfrei nachgehen darf603. Auf die Problematik der normersetzenden Absprachen bezogen folgt hieraus, dass sich der Zweck der zugesagten Gegenleistung im Rahmen der (Normerlass-)Zuständigkeit der jeweiligen Behörde bewegen und damit dem Zweck des Normsetzungs598 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 343; Vgl. auch: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 9; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 51 f. 599 Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 343. 600 Vgl. hierzu auch die Erläuterungen zum Aspekt der Freiwilligkeit im Rahmen des faktischen Grundrechtsausübungsverzichts in diesem Kapitel unter: E. VII. 2. lit. c) bb) (1) „Unfreiwilligkeit infolge widerrechtlicher Drohung“. 601 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 17; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 478 f.; Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 343 f.; Hierzu: auch Kunig, DVBl 1992, 1193, 1198; Allesch, DÖV 1988, 103, 107. 602 Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 479. 603 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 338; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 275; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 479; Berg, GewArch 1999, 1, 4; Bleckmann, NVwZ 1990, 601, 606.

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ermessens dienen muss (vgl. § 40 VwVfG analog604). Demzufolge ist ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot aus § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog dann gegeben, wenn die Leistung des Privaten und die konkrete gesetzliche Regelung, auf die im Rahmen der informellen Absprache verzichtet wird, unterschiedliche Gegenstandsbereiche betreffen605. Im Gegenzug ist der erforderliche Zweckzusammenhang dann gegeben, wenn die Gegenleistung des Privaten gerade die angedrohte gesetzliche Regelung ersetzen soll606. Das aber kann hinsichtlich der hier interessierenden Absprache unzweifelhaft angenommen werden, auch wenn die freiwillig zugesagte Leistung letztlich hinter der ursprünglich im Rahmen des AABG geplanten Belastung zurückgeblieben ist. Ebenso wie der Zwangsrabatt diente der Solidarbeitrag allein der Stärkung der finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV, so dass ein Verstoß gegen das Verbot der sachwidrigen Koppelung nicht vorliegt. Dabei ist es (jedenfalls an dieser Stelle) unerheblich, inwiefern die Rechtmäßigkeit der Absprache von der Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm abhängig ist. Diese Problematik soll Gegenstand einer gesonderten Betrachtung sein607.

XII. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) Den grundgesetzlichen Forderungen des Rechtsstaatsprinzip entsprechend muss jede staatliche Handlung, die geeignet ist, subjektive Rechte des Bürgers zu beeinträchtigen, verhältnismäßig sein (Übermaßverbot). Das ist sie dann, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich sowie angemessen ist. In erster Linie soll dadurch der Einzelne vor übermäßigen Eingriffen bzw. Belastungen des Staates geschützt werden, unabhängig davon, in welcher Form die in Frage stehende Handlung erfolgt. Demzufolge müssen auch informelle Absprachen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen608, der weithin auch als zentraler und übergeordneter 604 Zur Anwendbarkeit vgl. die Erläuterungen in Kapitel 5: C. IV. lit. a) „Die analoge Anwendung handlungsformunabhängiger Vorschriften des VwVfG“. 605 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799; Oldiges, WiR 1973, 1, 26; Vgl. auch: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 15 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 17. 606 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 250; Allgemein: Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 15 mwN.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 56, Rz. 16 ff. mwN.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1; 11. Aufl. 1999, § 30, Rz. 10; Götz, JuS 1970, 1, 6. 607 Dazu unten: XIII. „Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm?“. 608 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 234; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 279 f.; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034; Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 365 f.; Für staatlich inspirierte Selbstbeschränkungsabkommen: Faber, Gesellschaftliche Selbstregulierungssysteme im Umweltrecht, 2001, S. 318; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 129 ff.;

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Leitmaßstab für schlichtes Verwaltungshandeln gesehen wird609. Auch der konsensuale Charakter informeller Absprachen ändert hieran grundsätzlich nichts, wie vor allem auch § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG (analog) zeigt. 1. Legitimer Zweck Aus dem Vorgesagten folgt, dass informelle Absprachen zunächst einem legitimen Zweck dienen müssen. Regelmäßig wird das unproblematisch sein, zumal der handelnden Behörde bei der diesbezüglichen Beurteilung ein weitreichender Beurteilungs- und Prognosespielraum zukommt. Die (kurzfristige) Stabilisierung der Finanzlage innerhalb der GKV ist jedenfalls legitimes Handlungsziel und wird als solches auch weithin anerkannt610. 2. Geeignetheit Über die Verfolgung eines legitimen Zwecks hinausgehend staatliche Maßnahmen müssen jedoch auch geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen, wobei der jeweiligen Behörde auch diesbezüglich ein weiter Prognosespielraum zusteht611. Das Merkmal der Zwecktauglichkeit soll insbesondere die Verwirklichung gesetzlicher Sachziele sicherstellen, so dass dessen Geltung im Rahmen informeller Absprachen nicht zuletzt auch der Gewährleistung des Gesetzmäßigkeitsprinzips dient612. Zur Erreichung des jeweiligen Ziels braucht dabei das eingesetzte Mittel nicht zwingend optimal sein, solange es nur nicht vollkommen ungeeignet ist. Für informelle Absprachen gilt dies entsprechend der hier vertretenen Auffassung sowohl unter inhaltlichen als auch instrumentalen Gesichtspunkten613. Vgl. grundsätzlich: BGH, NJW 2002, 429 ff. (§ 138 BGB); BayVGH, NVwZ 1990, 979, 981; Krebs, DÖV 1989, 969, 974. 609 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 1995, S. 152; Allgemein hierzu: Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, 1989; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1985; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981. 610 Vgl. für die Problematik im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG: BVerfGE 68, 193, 218; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 85; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 42 a. 611 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 235 ff.; Langenfeld, DÖV 2000, 929, 935; Die hierbei auftretenden Prognoseschwierigkeiten sind mit jenen des legislativen Rechtsetzungsverfahrens durchaus vergleichbar. Für den Bereich der Gesetzgebung vgl.: BVerfGE 50, 290, 332 f.; 77, 84, 106; 90, 145, 173; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 87. 612 Bohne, VerwArch 75 (1984), 343, 365. 613 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 280; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 235; Grundsätzlich: BVerfGE 30, 292, 316; 79, 256, 270; 81, 156, 192; 92, 262, 273; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 73.

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Demzufolge müssen sie in jeder Hinsicht geeignet sein, den legitimen Zweck in irgendeiner Weise zu fördern. Hinsichtlich ihrer Handlungsform sind sie demzufolge nicht geeignet, wenn es zur Erreichung des festgelegten Handlungsziels im Einzelfall ausschließlich rechtlich verbindlicher Handlungsinstrumente bedarf. Das aber ist, wie bereits an anderer Stelle erläutert wurde614, eine Frage des Einzelfalls. Ein genereller Nachrang informeller Absprachen gegenüber formellen Handlungsformen jedenfalls kann aber bereits vor dem Hintergrund der häufig auftretenden erheblichen faktischen Bindungswirkungen nicht bestehen615. Dabei spielen auch motivierende Aspekte wie die Freiwilligkeit des Privaten oder ein möglicher Imagegewinn in der Öffentlichkeit616 eine nicht unerhebliche Rolle. Insbesondere im Hinblick auf diese Umstände und aufgrund der Tatsache, dass eine rechtliche Regelungswirkung mangels entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften oder Parteivereinbarung nicht zwingend war, wird man die Geeignetheit der vorliegenden Absprache in instrumentaler Hinsicht annehmen können. Dass sie zudem auch inhaltlich geeignet war, einen Beitrag zur Stabilisierung der GKV-Finanzen zu leisten, dürfte außer Frage stehen. 3. Erforderlichkeit Informelle Absprachen müssen des Weiteren auch erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn das zu erreichende Handlungsziel nicht mit einem milderen, d.h. weniger belastenden Mittel ebenso effektiv erreicht werden kann. Eine einschneidendere Maßnahme darf demnach erst dann ergriffen werden, wenn sie das angestrebte Ziel effektiver zu erreichen vermag. Umgekehrt braucht sich die Verwaltung aber auch nur dann auf ein weniger belastendes Mittel verweisen zu lassen, wenn feststeht, dass dieses den fraglichen Zweck „sachlich gleichwertig“ zu erreichen vermag617. Häufig wird dies daher dann problematisch sein, wenn der Staat seine Machtstellung dazu ausnutzt, den Bürger zu einem bestimmten Verhalten regelrecht zu zwingen618. Auf instrumentaler Ebene muss deshalb gefragt werden, ob die Verwendung eines anderen Handlungsinstruments zu weniger einschneidenden Belastungen 614 Siehe hierzu in diesem Kapitel unter: C. VI. „Unzulässigkeit der informellen Absprache wegen Verstoßes gegen das verfahrensrechtliche Effizienzgebot, § 10 S. 2 VwVfG analog?“. 615 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 281; Vgl. auch: Würfel, Informelle Absprachen in der Abfallwirtschaft, Diss. Freiburg 1994, S. 50; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 90. 616 Vgl. für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 351. 617 BVerfGE 70, 1, 26; 79, 256, 276; 105, 17, 36; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 73; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 87. 618 Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 229.

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für die Betroffenen führen würde. Das aber wird nur im Ausnahmefall denkbar sein, da Absprachen aufgrund der von ihnen ausgehenden faktischen Wirkungen grundsätzlich nicht geringere Belastungen erzeugen, sondern lediglich auf anderem Wege619. Demzufolge verhalten sie sich zu formellen Handlungsinstrumenten auch nicht als minus, sondern als aliud620. Im Umkehrschluss ist ihnen zugleich aber auch kein genereller Vorrang gegenüber rechtsverbindlichen Regelungen einzuräumen621. Für den vorliegenden Sachverhalt schließlich folgt aus dem Vorgesagten, dass die getroffene Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt der Instrumentenwahl mangels weniger belastender Alternativen erforderlich war. Auf inhaltlicher Ebene dagegen ergeben sich für informelle Absprachen keine Besonderheiten. Somit ist entscheidend, ob seitens der Bundesregierung ein anderes, gleich wirksames Mittel hätte gewählt werden können, um das angestrebte Ziel, die kurzfristige finanzielle Stabilisierung der GKV effektiv verwirklichen zu können. Dabei darf aber eine unter Umständen zur Verfügung stehende Handlungsalternative weder mit einer stärkeren Belastung für Dritte verbunden sein622, noch zu einer unangemessen höheren finanziellen Belastung des Staates selbst führen623. Insofern kann vorliegend auch nicht etwa auf die Möglichkeit einer unmittelbaren Finanzierung der GKV durch den Bund verwiesen werden. Ebensowenig kommen hier mittelbare Entlastungen der GKV, beispielsweise in Form einer Senkung der Mehrwertsteuer für Medikamente, in Betracht, da diese bereits von vornherein nicht geeignet sind, den Krankenkassen kurzfristig zusätzliche finanzielle Mittel zu verschaffen und damit positive Haushaltseffekte herbeizuführen. Im Ergebnis war die getroffene Absprache auch hinsichtlich ihres vereinbarten Inhalts erforderlich, da in der konkreten Situation keine milderen Handlungsalternativen zur Verfügung standen, mit deren Hilfe die gewünschten Effekte bei den Krankenkassen ebenso effektiv hätten erreicht werden können.

619 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 282; Kunig, DVBl 1992, 1193, 1197; A.A. wohl: Atzpodien, DVBl 1990, 559; Becker, DÖV 1985, 1003, 1007; Bulling, DÖV 1989, 277, 289. Vgl. auch: Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 71. 620 Hierzu schon in Kapitel 4: B. I. „Grundsätzliche Zulässigkeit informeller Absprachen?“; Vgl. auch: Kunig, DVBl 1992, 1192, 1197; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 799. 621 So auch: Kunig/Rublack, Jura 1990, 1, 11; Henneke, NuR 1991, 267, 271; Dagegen: Hucklenbruch, Umweltrelevante Selbstverpflichtungen – ein Instrument progressiven Umweltschutzes, 2000, S. 156. 622 Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 85. 623 Siehe auch BVerfGE 77, 84, 110 f.; 81, 70, 91 f.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 85; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 6, Rz. 285.

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4. Angemessenheit Schlussendlich muss die zugesagte Leistung des Privaten den gesamten Umständen nach angemessen sein (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog). Mit diesem Erfordernis soll letztlich sichergestellt werden, dass die Leistung des Privaten nicht außer Verhältnis zur staatlich zugesagten Gegenleistung steht624. Aufgrund der objektivrechtlichen Dimension dieses Grundsatzes kann der Private auf den hierdurch gewährten Schutz auch nicht verzichten. Demzufolge darf seine Leistung bei wirtschaftlicher Betrachtung grundsätzlich nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr von der Behörde verfolgten Zweck stehen625. Ob dies der Fall ist, muss anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung von Instrumentenwahl und Abspracheinhalt beurteilt werden626. Im Grundsatz besteht jedoch eine gewisse (widerlegbare) Vermutungswirkung für die Angemessenheit der zugesagten oder bereits erbrachten Leistung, wenn der Private sich freiwillig auf die Absprache eingelassen hat627. Vor diesem Hintergrund wird man zunächst auch hinsichtlich der hier interessierenden Vereinbarung von der Angemessenheit des zugesagten Solidarbeitrags in Höhe von DM 400 Mio. ausgehen können, da dieser vom VFA selbst zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht wurde. Von dieser Vermutungswirkung einmal abgesehen, ist für die Frage der Angemessenheit der Leistung grundsätzlich deren wirtschaftlicher Gesamtrahmen zu beurteilen628. Damit ist nicht nur die Gesamtheit der im Rahmen der Absprache getroffenen Vereinbarungen von Bedeutung, sondern auch sonstige, damit unter 624 Zum Angemessenheitserfordernis im Rahmen von § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG vgl. auch: BayVGH, NVwZ 1990, 979, 981; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 12; Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 56, Rz. 21; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 338; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 480 ff.; Vgl. auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 347. 625 BVerwGE 42, 331, 345; BGHZ 26, 84, 88; BayVGH, BayVBl 1982, 177, 178; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 54; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 14; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 13; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 282; Vgl. auch: BVerfGE 65, 1, 54; 80, 297, 312; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 74; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 86; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 482. 626 Zweifelhaft ist es jedoch, wenn zur Begründung darauf verwiesen wird, dass von der Wahl der Handlungsform keine eigene zusätzliche Belastung ausgeht und somit grundsätzlich nicht zwischen instrumentaler und inhaltlicher Ebene zu unterscheiden ist. Vgl. dazu: Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 282. Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit des Erfordernisses der Angemessenheit erfolgt wie gesehen unabhängig von der Wahl der konkreten Handlungsform und des tatsächlichen Vorliegens eines grundrechtsrelevanten Eingriffs. 627 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 14; Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 2001, 694, 696; A.A.: Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 56, Rz. 21.

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Umständen zusammenhängende Rechtsbeziehungen629. Aus diesem Grunde wird die Reichweite des § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG (jedenfalls im Rahmen seiner unmittelbaren Anwendbarkeit) denkbar weit bestimmt630 und dient somit letztlich auch als Einfallstor sonstiger gesetzlicher Bindungen und Maßstäbe631. Für die Problematik der Rechtmäßigkeit informeller Absprachen ist dies vor dem Hintergrund des hier vorgeschlagenen Prüfungsmodells dagegen von untergeordneter Relevanz. Insofern ist hier für die Beurteilung der Angemessenheit vor allem auf allgemeine Maßstäbe und Grundsätze zurückzugreifen. Danach sind insbesondere die Belastung des absprachebeteiligten Privaten, die verfolgten öffentlichen Zwecke, die Gegenleistung der Behörde sowie etwaige Belastungen betroffener Dritter zu berücksichtigen, daneben aber auch durch die konkrete Instrumentenwahl bedingte mildernde Folgen der eingetretenen Belastung. Von besonderem Interesse werden jedoch regelmäßig Bedeutung sowie wirtschaftlicher Wert der staatlichen Gegenleistung sein, wobei zu betonen ist, dass hierbei keinesfalls eine absolute Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung erforderlich ist632. Vielmehr können in diesem Rahmen auch geringere Gegenleistungen ausreichend sein633, sofern diese nicht unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls in einem klaren Missverhältnis zur Leistung der anderen Seite stehen. Durch die getroffene Vereinbarung konnten die VFA-Unternehmen im Ergebnis finanzielle Belastungen (vorläufig) abwenden, die den zugesagten Solidarbeitrag um ein Vielfaches überschritten hätten634. Zugleich kann davon ausgegangen werden, dass sich die aufgebrachte Summe im Rahmen des für die beteiligten Unternehmen betriebswirtschaftlich Vertretbaren gehalten hat, zumal die tatsächliche Belastung infolge der Berücksichtungsfähigkeit der Zahlung im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung weit unter den in Frage stehenden DM 400 Mio. gelegen haben dürfte.

628 OVG Saarlouis, NVwZ-RR 1995, 222, 224; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 482. 629 Vgl. BayVGH, BayVBl 1987, 335, 337 (für den öffentlich-rechtlichen Vertrag). 630 Allesch, DÖV 1988, 103, 106. 631 Vgl. BayVGH, BayVBl 1987, 335, 337; Hierzu auch Lange, VerwArch 82 (1991), 1, 18, der hierin insbesondere auch eine Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG sieht. 632 VGH Mannheim, NVwZ 2001, 694, 696; Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 56; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003; § 56, Rz. 14; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 482; Vgl. aber: Meyer in: Meyer/Borgs, VwVfG, 2. Aufl. 1982, § 56, Rz. 21. 633 Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 55; Henneke in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 56, Rz. 11. 634 Hierzu auch in diesem Kapitel: B. I. „Inhalt der Absprache und Auswirkungen in tatsächlicher Hinsicht“.

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Insbesondere auch im Hinblick auf die in diesem Sektor erzielten Umsatzerlöse und die vergleichsweise hohen Gewinnmargen ergeben sich keine durchgreifenden Hinweise auf eine mögliche unangemessene Benachteilung der VFAUnternehmen. Das gilt umso mehr, als die informelle Absprache auf einem freiwilligen Entschluss des VFA bzw. der in ihm zusammengeschlossenen pharmazeutischen Unternehmen beruhte. Auch der verfolgte Zweck der Absprache – die finanzielle Stabilisierung der GKV – spricht aufgrund der überragenden Bedeutung eines leistungsfähigen Gesundheitssystems für die Allgemeinheit grundsätzlich gegen die Annahme eines unangemessenen Leistungsaustauschs zu Lasten der VFA-Unternehmen. Im Ergebnis kann nach dem Vorgesagten von der Angemessenheit des Solidarbeitrags ausgegangen werden. Demzufolge bestehen gegen die vorliegende Vereinbarung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keine durchgreifenden Einwände.

XIII. Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm? Wie die bisherigen Ausführungen belegen, müssen informelle Absprachen in weiten Teilen den gleichen oder zumindest ähnlichen Rechtmäßigkeitskriterien genügen, die für gleichlautende förmliche (aber letztendlich durch die informelle Absprache substituierte) Entscheidungen gelten würden. Davon ausgehend wird von einem nicht unerheblichen Teil der Literatur der Schluss gezogen, dass der Inhalt regelungsersetzender Absprachen635 jedenfalls dann rechtswidrig sein müsse, wenn die ersetzte Regelung rechtswidrig gewesen wäre636. Für die vorliegende Absprache hätte das zur Konsequenz, dass sie vollumfänglich an der ursprünglich geplanten gesetzlichen Preisabschlagsregelung gemäß Art. 2 AABG-E zu messen wäre. Mag dies auf den ersten Blick auch widersinnig anmuten, so könnte sich eine derartige Sichtweise zunächst jedenfalls unter zwei grundlegenden Gesichtspunkten begründen lassen: Grundsätzlich ist es dem Staat verwehrt, gegen den Privaten rechtswidrige Druckmittel einzusetzen637. Demzufolge soll nach Auffassung verschiedener Autoren bereits die Inaussichtstellung eines verfassungswidrigen Gesetzes gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen und somit für die infor635 Zum Begriff siehe auch die Erläuterungen in Kapitel 4: D. V. 3. „Regelungsersetzende Absprachen“. 636 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 112; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 111; Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798; Vgl. auch: Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 241; Becker, DÖV 1985, 1003, 1010; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1034; Baudenbacher, JZ 1988, 689, 697; Siehe zu dieser Problematik auch Kapitel 3: A. I. 5. „Informelles Verwaltungshandeln“. 637 Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798.

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melle Absprache grundsätzlich die Rechtswidrigkeit zur Folge haben638. Zum anderen wird gerade im Hinblick auf das Angemessenheitserfordernis gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG gefolgert, dass sich die Behörde nicht solche Leistungen zusagen lassen darf, auf die sie im Rahmen einseitig hoheitlichen Handelns gerade keinen Anspruch hätte639. Allerdings haben einige Autoren sehr wohl die Konsequenzen erkannt, die mit dieser Ansicht verbunden sind und versuchen daher, die gewonnen Ergebnisse auf einer zweiten Ebene zu korrigieren. So wird teilweise der Versuch unternommen, unter Hinweis auf § 55 VwVfG den angeblichen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip zu rechtfertigen640. Allerdings dürfte gerade in diesem Zusammenhang die Anwendung des § 55 VwVfG zweifelhaft sein, da hierfür Voraussetzung wäre, dass bei den Beteiligten Ungewissheit über die bestehende Sach- oder Rechtslage herrscht. Das aber wird insbesondere bei normersetzenden Absprachen wohl eher die Ausnahme bleiben. Jedenfalls lassen sich hieraus ungeachtet der hier befürworteten grundsätzlich Anwendbarkeit von § 55 VwVfG auch im Rahmen informeller Absprachen641 keine allgemeingültigen Aussagen hinsichtlich der Frage herleiten, ob und inwieweit die angedrohte Norm selbst rechtmäßig sein muss. Damit aber bleibt von vornherein fraglich, ob die Rechtmäßigkeit der angedrohten Norm tatsächlich ein eigenes, über die bisher angesprochenen Aspekte hinausgehendes Beurteilungskriterium für die Rechtmäßigkeit informeller normersetzender Absprachen sein kann. Schon im Rahmen der Fragestellung, wann und unter welchen Voraussetzungen sich der Private überhaupt freiwillig an einer informellen Absprache mit dem Staat beteiligt, war diese Problematik mittelbar Gegenstand der Betrachtung, dabei aber zugleich mit erheblichen Zweifeln hinsichtlich der Tauglichkeit dieses Kriteriums verbunden642. Einzuräumen ist sicher, dass sich der staatliche Absprachepartner keinesfalls seinen rechtsstaatlichen Bindungen durch eine Flucht in die Informalität und damit in die Faktizität entziehen darf und kann. Andererseits darf dies nicht dazu führen, die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der einzelnen Handlungsinstrumente beliebig untereinander nur deshalb zu übertragen, weil informelle Absprachen aus der Natur der Sache heraus keinem unmittelbaren einfachgesetzlichen Rechtsrahmen unterliegen. Selbst für den Fall der zulässigen Substitution eines Verwaltungsaktes durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gelten notwendiger638 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 239, 241. 639 Vgl. Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 56, Rz. 56. 640 Siehe hierzu insbesondere: Oebbecke, DVBl 1986, 793, 798. 641 Vgl. zu dieser Problematik Kapitel 5: C. III. 3. „Vergleichsabsprache, § 55 VwVfG analog?“. 642 Dazu die Erläuterungen in diesem Kapitel unter: E. VII. 2. lit. c) bb) „Eingriffsausschluss ohne Grundrechtsverzicht? – Weitere Gesichtspunkte“.

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weise nicht die gleichen Rechtmäßigkeitskriterien. Bereits hieran zeigt sich, dass in jedem Falle spezielle Beurteilungsmaßstäbe zu entwickeln sind, die letztlich den Besonderheiten des jeweils verwendeten Handlungsinstruments in dem erforderlichen Maße Rechnung tragen. Dafür aber ist bezogen auf den vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der ersetzten Norm grundsätzlich aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten und Prognoseschwierigkeiten untauglich. Deutlich wird dies bereits an folgendem Beispiel: Die Bundesregierung beabsichtigt, ein bestimmtes Gesetz zu erlassen, das aufgrund seines Inhalts der Zustimmung des Bundesrats bedürfte. Es ist aber aufgrund der in der Länderkammer herrschenden Mehrheitsverhältnisse mit einer Zustimmung kaum zu rechnen, so dass in der Folge ein dennoch erlassenes Gesetz bereits formell verfassungswidrig wäre. Aus diesem Grunde entschließt sich die Bundesregierung, anstatt des Gesetzes mit den hiervon unter Umständen Betroffenen eine informelle Absprache zu schließen, die jedoch aus den bekannten Gründen gerade nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Demzufolge wäre es aber widersinnig, aus der signalisierten Ablehnung des Bundesrats zugleich auch auf die Unzulässigkeit der getroffenen Vereinbarung zu schließen. Doch selbst die alleinige Orientierung an materiellen Rechtmäßigkeitskriterien, d.h. ob ein Gesetz des betreffenden Inhalts erlassen werden dürfte, führt nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Letztlich muss nämlich in jedem Falle berücksichtigt werden, dass die ursprünglich geplante Norm (aus unterschiedlichster Motivation heraus) gerade nicht erlassen werden soll, sondern vielmehr beabsichtigt ist, sie durch die informelle Absprache zu ersetzen. Das aber kann vor dem Hintergrund der freiwilligen Beteiligung des Privaten wie gesehen auch zu einer teilweisen Erweiterung des staatlichen Handlungsrahmens führen, sofern hierdurch nicht Drittinteressen verletzt werden. Andernfalls würden die Interessen des Privaten, dessen Beteiligung sich unter gewissen Voraussetzungen als Grundrechtsgebrauch darstellt, hierbei vollkommen unberücksichtigt gelassen. Wenn überhaupt, kann insofern die Frage der Rechtmäßigkeit der ersetzten Regelung allenfalls dann von (untergeordneter) Bedeutung sein, wenn es um die Beurteilung der Freiwilligkeit des Privaten (bzw. der Widerrechtlichkeit der Drohung) geht643. Ob die angedrohte Norm überhaupt erlassen werden darf, ist somit kein gesondertes Rechtmäßigkeitskriterium für informelle Absprachen, sondern eher eine Frage der Glaubwürdigkeit der an der Absprache beteiligten staatlichen Seite.

643 Siehe hierzu insbesondere auch die Ausführungen in diesem Kapitel unter: E. VII. 2. lit. c) bb) „Eingriffsausschluss ohne Grundrechtsverzicht? – Weitere Gesichtspunkte“.

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XIV. Sonstiges Bereits im Rahmen der Erläuterungen des 5. Kapitels wurde deutlich, dass informelle Absprachen nicht selten auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten erheblichen Klärungsbedarf aufweisen. Hinsichtlich der vorliegenden Absprache jedoch ist dieser Aspekt aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Neutralität der Vereinbarung unproblematisch. Ebensowenig gerät die Absprache in Konflikt mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrags, da sie für die ursprünglich vom AABG-E betroffenen pharmazeutischen Unternehmen nicht zu einer Beschränkung, sondern vielmehr zu einer Erweiterung des individuellen Handlungsrahmens geführt hat. Fraglich ist aber, ob es sich vorliegend nicht um eine versteckte Beihilfe (vgl. Art. 87 EG) zugunsten der Industrie in Höhe der im Verhältnis zum AABG ersparten finanziellen Belastungen handeln könnte. Ist auch der Sprachgebrauch nicht immer einheitlich644, so können darunter allgemein geld- oder geldwerte Leistungen von Trägern öffentlicher Verwaltung, d.h. finanzielle Begünstigungen verstanden werden645. Der EuGH versteht hierunter sämtliche Maßnahmen, die in verschiedener Form jene Belastungen mindern, die von einem Unternehmen üblicherweise zu tragen sind646. Die Absprache mindert aber keineswegs Belastungen, die von den betroffenen Unternehmen üblicherweise zu tragen wären, da eine entsprechende belastende gesetzliche Regelung gerade nicht existiert. Daher liegt hier ebensowenig eine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG vor, wie eine Schenkung zugunsten der pharmazeutischen Industrie647 angenommen werden kann. Auch im Verhältnis zu den begünstigten Krankenkassen selbst kann dies nicht angenommen werden, da es ihnen bereits an der Unternehmenseigenschaft im Sinne der Vorschrift mangelt648. Auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten (vgl. §§ 331, 332 StGB) begegnet die getroffene Vereinbarung schlussendlich keinen durchgreifenden Bedenken, da der Abschluss der Absprache sich gerade im Rahmen der dienstlichen Aufgaben der Bundesregierung bewegte, so dass in der Zahlung des Solidarbeitrags kein Vorteil im Sinne von § 331 Abs. 1 StGB liegt649.

644 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 108; H. P. Ipsen, Subventionen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 92, Rz. 25. 645 H. P. Ipsen, Subventionen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 92, Rz. 27. 646 EuGH, Urteil v. 23.2.1961, Rs. 30/59 – De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde –, Slg. 1961, 1, 43. 647 Hierzu in diesem Kapitel unter: E. VI. „Schenkungsverbot?“. 648 Vgl. EuGH (Plenum), Urteil v. 16.3.2004, verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/ 01, C-355/01 – AOK Bundesverband u. a./Ichthyol-Gesellschaft Cordes, Hermani & Co. u. a. –, NJW 2004, 2723, 2724.

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

F. Ergebnis und Zusammenfassung des 6. Kapitels Im Rahmen der vorangegangenen Erläuterungen konnte festgehalten werden, dass die infolge der zwischen dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller und der Bundesregierung getroffenen Vereinbarung geleistete Zahlung im Ergebnis als unverbindliche Zuwendung eigener Art zu qualifizieren ist, zu deren Annahme die Krankenkassen grundsätzlich gemäß § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V iVm. Art. 2 AABG berechtigt waren. Hierfür ist zugleich jedoch auch Voraussetzung, dass die informelle Absprache ihrerseits rechtmäßig gewesen ist. Da aber ein generelles Verbot informeller Absprachen nicht existiert, bedarf es in jedem Fall einer umfassenden Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalls, ob und inwieweit ihre konkrete Verwendung mit geltendem Recht vereinbar ist. 1. Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Handlungsform und bedingt durch das Prinzip des Gesetzesvorrangs hätte die vorliegende Vereinbarung bereits dann nicht getroffen werden dürfen, wenn die Verwendung eines anderen Handlungsinstruments zwingend vorgeschrieben gewesen wäre. Ein solcher Vorrang lässt sich hier allerdings nicht aus § 155 Abs. 1 AO herleiten, da der fragliche Betrag seitens der VFA-Unternehmen nicht als Abgabe im Rechtssinne eingeordnet werden kann. Ebenso bestand vorliegend auch keine Pflicht zum Erlass eines förmlichen Gesetzes. Zwar sind Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung aufgrund der damit verbundenen Gefahren äußerst restriktiv zu beurteilen. Dies gilt jedoch in erster Linie für solche Absprachen, die unmittelbar die Ebene des Normerlasses betreffen und nicht für jene, die (wie vorliegend) auf Normvermeidung bzw. Normersetzung gerichtet sind. Auch unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich keine andere Beurteilung, da das Prinzip der Steuerstaatlichkeit grundsätzlich nicht ausschließt, dass sich der Einzelne auf freiwilliger Basis an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligt. Überdies konnte die Unzulässigkeit der Handlungsformwahl ebensowenig im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts gefolgert werden, wie vorliegend eine Pflicht zum Erlass eines förmlichen Gesetzes aufgrund etwaiger staatlicher Schutzpflichten bestand. Da zudem weder Anhaltspunkte für einen eventuell erfolgten Formenmissbrauch, noch für eine Ermessensüberschreitung seitens der Bundesregierung, noch ein Verstoß gegen das verfahrensrechtliche Effizienzgebot gemäß § 10 S. 2 VwVfG analog erkennbar

649 Vgl. BGHSt 31, 264, 280; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 331, Rz. 12; Allgemein zur Dienstpflichtwidrigkeit: Sch/Sch/Cramer, StGB, 26. Aufl. 2001, § 332, Rz. 7.

F. Ergebnis und Zusammenfassung des 6. Kapitels

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sind, ist die Wahl der informellen Absprache als Handlungsinstrument vorliegend nicht zu beanstanden. 2. Auch bei der Verwendung informeller Handlungsinstrumente ist die Zuständigkeitsordnung ausnahmslos einzuhalten. Die Verbandskompetenz für den Abschluss informeller normersetzender Absprachen beurteilt sich grundsätzlich nach der allgemeinen Regelungszuständigkeit für die betreffende Sachmaterie. Unerheblich ist, ob ein Gesetz gleichen Inhalts ebenso zulässig wäre. Die Zuständigkeit des Bundes ergab sich vorliegend demnach aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Die Organkompetenz für den Abschluss gesetzesersetzender Absprachen steht dagegen ausschließlich denjenigen Stellen zu, die ihre Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren von eigenen politischen Entscheidungen abhängig machen dürfen. Bezogen auf die hier interessierende Absprache mit dem VFA, kann dies in eindeutiger Weise bejaht werden, da deren Gegenstand allein die (politische) Bindung des Gesetzesinitiativrechts der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 1 GG war. 3. Eine Zustimmung des Bundesrats ist für den Abschluss (parlaments-)gesetzes-ersetzender Absprachen grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings bedarf es zur Wahrung des Kompetenzen des Bundesrats diesem gegenüber der umfassenden Information. Eine Verletzung dieser Pflicht führt jedoch im Außenverhältnis grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit der informellen Absprache. Davon abgesehen wurde der Bundesrat im konkreten Fall allein durch die Beteiligung im Rahmen des AABG hinreichend informiert. 4. Werden informelle Absprachen durch die Bundesregierung getroffen, so ist hierfür grundsätzlich die Beteiligung des Bundeskabinetts in Form einer einfachen Unterrichtung erforderlich. Dieses Erfordernis entfällt in Konstellationen wie der vorliegenden, wenn die betreffende Vereinbarung unter unmittelbarer Beteiligung des Bundeskanzlers getroffen wird. Dagegen sind die Beteiligungsvorschriften gemäß § 45 Abs. 1 GGO für die Rechtmäßigkeit der Absprache ohne Bedeutung, da sie als Binnenrecht im Außenverhältnis keine Wirkungen entfalten können. Ohnehin bedarf es einer Beteiligung weiterer Ressorts nur in bestimmten Zweifelsfällen. 5. Informelle normersetzende Absprachen sind grundsätzlich in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Diesem Erfordernis wurde im Rahmen der Vereinbarung vom 08.11.2001 durch die Presseerklärung seitens der Bundesregierung hinreichend Rechnung getragen. 6. Anders als Verwaltungsakte weisen informelle Absprachen nicht schon allein aufgrund der konkreten Wahl des Handlungsinstruments Eingriffscharakter auf, sondern erst aufgrund ihres Inhalts. Dies gilt insbesondere dann, wenn hierdurch in Rechte Dritter eingegriffen wird. In erster Linie bedingt durch die

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6. Kap.: Rechtmäßigkeit informeller Absprache

Problematik der „wesentlichen Entscheidungen“ bedurfte auch die vorliegende Vereinbarung einer Ermächtigungsgrundlage. Bei normersetzenden Absprachen ist hierfür grundsätzlich auf diejenige Ermächtigung zurückzugreifen, die für die ersetzte Norm gegolten hätte. Demzufolge konnte sich die Bundesregierung vorliegend auf Art. 74 Nr. 12 GG stützen. 7. Normersetzende Vereinbarungen sind insbesondere dann problematisch, wenn hierdurch der Erlass von Parlamentsgesetzen vermieden werden soll. Ungeachtet der bestehenden Bedenken führen sie jedoch nicht zu einer unzulässigen Vorwegbindung des Gesetzgebers. Allerdings dürfen sie auch nicht in unzulässiger Weise in Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifen. Das aber ist vorliegend nicht gegeben. Zudem liegt in der (durch den Solidarbeitrag verursachten) Aufkommensminderung bei der Körperschaftsteuer kein Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG wegen unzulässiger Finanzierung der Sozialversicherung durch die Länder. 8. Auch ein Verstoß gegen das aus rechtsstaatlichen Gründen in Erwägung zu ziehende Schenkungsverbot des Staates gegenüber Privaten kommt vorliegend nicht in Betracht. 9. Informelle Absprachen weisen regelmäßig Grundrechtsbezug auf. Auch die hier interessierende Vereinbarung berührt die Grundrechte der betroffenen Unternehmen. Dies gilt insbesondere für die Art. 12 Abs. 1 GG und 14 Abs. 1 GG. Trotzdem informelle Absprachen rechtsunverbindlich sind, können sie aufgrund ihrer faktischen Wirkungen Eingriffsqualität aufweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die ersetzte Norm einen grundrechtsrelevanten Eingriff darstellen würde, der grundsätzlich der Rechtfertigung bedürfte. Dabei ist aber der konsensuale Charakter informeller Absprachen zu berücksichtigen. Dadurch beinhalten sie zwar (mangels rechtsgeschäftlicher Verfügung) keinen Grundrechtsverzicht, wohl aber einen faktischen Grundrechtsausübungsverzicht, der die Annahme eines Grundrechtseingriffs ebenso entfallen lässt. Voraussetzung hierfür ist die Disponibilität des entsprechenden Grundrechts sowie die Freiwilligkeit des Privaten. Diese ist den Wertungen des § 123 Abs. 1 BGB entsprechend dann nicht gegeben, wenn der Private durch Täuschung oder widerrechtliche Drohung zum Abschluss der entsprechenden Vereinbarung bestimmt wurde. Eine dahingehende Annahme scheidet vorliegend hingegen aus. Auch eine Verletzung von Grundrechten des VFA oder von Drittbetroffenen kommt hier nicht in Betracht. Ebenso war kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG (insbesondere gegenüber Apothekern und pharmazeutischen Großhändlern) sowohl hinsichtlich der Instrumentenwahl, als auch bezüglich des vereinbarten Inhalts der Absprache aufgrund der hier bestehenden Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Betroffenen nicht anzunehmen. 10. Auch ein Verstoß gegen das prinzipiell zu beachtende Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) ist vorliegend nicht erkennbar. Zudem genügt

F. Ergebnis und Zusammenfassung des 6. Kapitels

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die getroffene Vereinbarung in jeder Hinsicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Irrelevant ist dagegen, ob die ursprünglich geplante Norm ihrerseits rechtmäßig gewesen wäre, so dass hieraus kein gesondertes Zulässigkeitskriterium für die informelle Absprache resultiert. Im Ergebnis genügte die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und VFA den an informelle Absprachen dieser Art zu stellenden Anforderungen sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht. Demzufolge war die Bundesregierung sowohl zur Wahl der Absprache als Form der Entscheidung (instrumentale Ebene), als auch zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser Vereinbarung (inhaltliche Ebene) berechtigt.

7. Kapitel

Preisabschlag trotz Absprache: Die Einführung von § 130a SGB V durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) zum 01.01.2003 Durch die Einführung des § 130a SGB V zum 01. Januar 2003 wurden schließlich jene gesetzlichen Preisregulierungen für bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel umgesetzt, die eigentlich durch die Absprache zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller vermieden werden sollten. Im krassen Gegensatz zur getroffenen Vereinbarung waren die Arzneimittelhersteller fortan verpflichtet, einen Abschlag auf jedes zu Lasten der GKV abgegebene verschreibungspflichtige Medikament zu gewähren. Ist dies im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Politik zweifelsohne mit einem gewissen Beigeschmack behaftet, so sind die rechtlichen Konsequenzen jener Vorgänge dennoch mehr als fraglich, da informelle Absprachen – im Ergebnis der vorangegangenen Ausführungen – im Grundsatz keine unmittelbaren Rechtsfolgen herbeizuführen vermögen. Dennoch darf die hier getroffene Vereinbarung nicht losgelöst von der erfolgten Normierung eines Preisabschlags im Zuge des BSSichG betrachtet werden, ist doch ihr Schicksal unmittelbar mit der in § 130a SGB V getroffenen Regelung verknüpft. Es wird daher zu fragen sein, ob von den zuvor entwickelten Grundsätzen einzelfallbedingte Ausnahmen zu machen sind oder ob die Lösung der vorliegenden Problematik eher auf der sekundären Ebene im Rahmen etwaiger Entschädigungsansprüche zu suchen ist. In diesem Kontext soll nicht zuletzt auch im Interesse einer umfassenden Sachverhaltserörterung nachfolgend auf die mit der Einführung von § 130a SGB V verbundenen wichtigsten verfassungsrechtlichen Fragen überblicksartig eingegangen werden, ohne jedoch hierbei einer umfassenden Erörterung nachgehen zu wollen1. So vielschichtig und beachtenswert die dabei bestehenden Probleme sicher auch sein mögen, für die vorliegende Arbeit sind sie doch lediglich am Rande von Bedeutung.

1 Ebenso wird bewusst auf eine eingehende Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des BSSichG, die sich ohnehin nicht mit der getroffenen Absprache beschäftigt, verzichtet. Vgl. hierzu: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, http://www.bverfg. de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html.

A. Der Rabatt der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V

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A. Der Rabatt der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V: Allgemeine Grundlagen und Regelungssystematik I. Anlass der Regelung und Normgegenstand Insbesondere motiviert durch die zunehmende Verschlechterung der finanziellen Ausstattung der Gesetzlichen Krankenversicherung, sah sich der Gesetzgeber schon bald nach Erlass des AABG gezwungen, wiederum kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, um das finanzielle Gleichgewicht der Krankenkassen mit dem Ziel der Beitragssatzstabilität zu gewährleisten. Abhilfe sollte hierbei der umfangreiche Maßnahmenkatalog des Beitragssatzsicherungsgesetzes schaffen, durch dessen Art. 1 Nr. 8 die Vorschrift des § 130a in das SGB V eingefügt wurde, auf dessen Grundlage durch die Einführung von Zwangsabschlägen nunmehr nicht nur die Apotheken, sondern auch pharmazeutische Unternehmen ihren Beitrag zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung leisten sollten2. Ebenso sollte fortan auch der pharmazeutische Großhandel einen „Zwangsrabatt“ zugunsten der GKV abführen. Neu sind derartige Rabatte hingegen nicht. Bereits die Reichsversicherungsordnung (RVO) aus dem Jahre 1911 sah in den §§ 375, 376 Regelungen über einen Apothekenrabatt vor3. Auch in anderen europäischen Staaten sind diese Finanzierungsinstrumente durchaus üblich. So sind ähnliche Regelungen beispielsweise aus Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien bekannt. Ein Novum ist hierzulande jedoch der Umfang der Belastungen, sowohl hinsichtlich des Kreises der Verpflichteten als auch im Hinblick auf die Höhe der zu gewährenden Abschläge. Schon einmal stand die Frage der Zulässigkeit von Zwangsabschlägen zugunsten der GKV im Mittelpunkt des Interesses, wurde jedoch durch eine Entscheidung des BGH4 für längere Zeit der rechtswissenschaftlichen Diskussion entzogen. Erst durch den umfangreichen Maßnahmenkatalog im Rahmen des BSSichG erfolgte erneut eine verstärkte Wahrnehmung dieser Problematik in der Öffentlichkeit.

2 Vgl. insofern Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG), BT-Drucks. 15/28, S. 11; Allgemein: Murawski in: LPK-SGB V, 2003, § 130a, Rz. 2; Schmeinck, FfG 2002, 394 ff.; Koenig/Beer/Meurer, ZESAR 2004, 57, 59; Ahrens, FfG 2002, 417 ff. 3 Vgl. hierzu: BGHZ 54, 115 ff.; Hencke in: Peters, KV (SGB V), 19. Aufl. 2003, § 130, Rz. 2; Schnapp, VSSR 2003, 343 f.; Haug, NJW 1966, 379 ff.; Becker, NZS 2003, 561, 563. 4 BGHZ 54, 115 ff. = NJW 1970, 1965 ff.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

II. Die Regelungen im Einzelnen Gemäß § 130a SGB V erhielten die Krankenkassen seit dem 01.01.2003 auf zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel neben den Rabatten von Apothekern und pharmazeutischem Großhandel5 auch von pharmazeutischen Unternehmen einen Abschlag in Höhe von 6 v. H. des Herstellerabgabepreises6. Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG)7 wurde der Herstellerrabatt schließlich zum 01.01.2004 von 6 auf 16 v. H. für das laufende Jahr erhöht, während auf Abschläge zu Lasten des pharmazeutischen Großhandels nunmehr verzichtet wurde. Vom Zwangsrabatt wurden allerdings gemäß § 130a Abs. 3 Nr. 1 SGB V solche Medikamente ausgenommen, die unter die Festbetragsregelung aufgrund der §§ 35 oder 35a SGB V fallen. Gleiches galt bis zur Einführung des GMG gemäß § 130a Abs. 3 Nr. 2 SGB V a. F. für jene Arzneimittel, für die im Rahmen der aut-idem-Substitution aufgrund von § 129 Abs. 1 S. 4 SGB V die obere Preislinie des unteren Preisdrittels veröffentlicht wurde oder bei denen gemäß § 129 Abs. 1 S. 5 SGB V von einer diesbezüglichen Veröffentlichung abgesehen wurde. Gemäß § 130a Abs. 1 S. 2 SGB V ist der von den Unternehmen zu gewährende Abschlag den Apotheken zu erstatten8, die insoweit als zentrale Abrechnungsstelle der Krankenkassen fungieren sollen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind jedoch gemäß § 130a Abs. 5 SGB V zulässig. In diesem Falle hat eine Erstattung allein gegenüber den pharmazeutischen Großhändlern zu erfolgen (§ 130a Abs. 1 S. 3 SGB V). Grundsätzlich ist der Abschlag sowohl Apotheken als auch pharmazeutischen Großhändlern binnen zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs zu erstatten (§ 130a Abs. 1 S. 4 SGB V). Nach Ablauf dieser Frist kann die Apotheke den Abschlag auch gegenüber pharmazeutischen Großhändlern verrechnen (§ 130a Abs. 7 S. 1 SGB V), die den verrechneten Abschlag dann gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen (auch pauschaliert) geltend machen können (§ 130a Abs. 7 S. 2 SGB V). Um ein 5 Hierfür wurde im Zuge des BSSichG (Art. 11) eigens das „Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler“ erlassen, das jedoch im Zuge des GMG zum 01.01.2004 wieder abgeschafft wurde. Vgl. hierzu: BT-Drucks. 15/1525, S. 68, 167. 6 Dazu insbesondere auch die Darstellungen bei: Murawski in: LPK-SGB V, 2003, § 130a, Rz. 3 ff.; Hencke in: Peters, KV (SGB V), 19. Aufl. 2003, § 130a, Rz. 2 ff.; Wagner, PharmR 2003, 409, 410; Becker, NZS 2003, 561 ff.; Entscheidend hierbei ist, dass die Kosten für das betreffende Medikament durch eine deutsche gesetzliche Krankenkasse übernommen werden, vgl. Koenig/Beer/Meurer, ZESAR 2004, 57, 58. 7 GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190. Vgl. auch: Posser/Müller, NZS 2004, 178 ff.; Zu den steuerlichen Aspekten bei internationalem Bezug siehe: Andresen, IStR 2004, 355 ff. 8 Zugleich bedeutet diese Regelung wohl eine Beschränkung auf den Regelfall des Sachleistungsverfahrens, vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V; Kritisch hierzu: Koenig/Beer/ Meurer, ZESAR 2004, 57, 58 f.

A. Der Rabatt der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V

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möglichst einheitliches Abrechnungsverfahren zu gewährleisten, wurde gemäß § 130a Abs. 5 S. 5 SGB V den Spitzenorganisationen von Apothekern und pharmazeutischem Großhandel aufgegeben, Einzelheiten des Abrechnungsverfahrens in einem Rahmenvertrag zu regeln. Daneben wird insbesondere durch die Regelung in § 130a Abs. 2 SGB V sichergestellt, dass nicht durch die bloße Erhöhung der Herstellerpreise die eingeplanten Einspareffekte neutralisiert werden9. Demnach sollte sich der Abschlag ab dem 01.01.2003 bis zum 31.12.2004 jeweils um den Betrag einer Erhöhung des Herstellerabgabepreises gegenüber dem Preisstand am 01.10.2002 erhöhen10.

III. Folgen der Regelung Mit dem Erlass des BSSichG wurde ein Einsparvolumen zu Gunsten der GKV von insgesamt A 2,75 bis 3, 4 Mrd.11 angestrebt. Auf die Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen gemäß § 130a SGB V sollten davon in etwa A 420 Mio. entfallen12. Die tatsächlich erzielten Einspareffekte dürften sich jedoch allein für das Jahr 2003 in der Größenordnung von A 600 Mio. bewegen. Dennoch kann die originäre Zielsetzung des BSSichG, eine Entlastung der Lohnnebenkosten durch Stabilisierung und Rückführung der Beitragssätze zu gewährleisten13, weitgehend als verfehlt bezeichnet werden. Davon abgesehen dürfte die Regelung auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht gänzlich folgenlos geblieben sein. Einer Blitzumfrage des VFA zufolge planten 47 v. H. der von der Rabattregelung betroffenen Hersteller einen Investitionsstop, 42 v. H. die generelle Absenkung des Investitionsvolumens, 50 v. H. die Senkung des FuE-Aufwands und mehr als 60 v. H. den nachhaltigen Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland. Inwieweit durchgeführte Maßnahmen tatsächlich auf § 130a SGB V zurückgeführt werden können, lässt sich indes kaum beziffern. Auch für die Apotheken bzw. den pharmazeutischen Großhandel war die Einführung der Regelung mit erheblichen Belastungen verbunden14, führte sie 9 Hierzu: Hess in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, 2004, § 130a, Rz. 3; Hencke in: Peters, KV (SGB V), 19. Aufl. 2003, § 130a, Rz. 3; Wagner, PharmR 2003, 409, 410. 10 Für nach diesem Datum eingeführte Arzneimittel ist dagegen der Preisstand der Markteinführung maßgeblich. 11 Inklusive der Einsparungen durch die „Nullrunde“ der Vergütungen im ärztlichen Bereich i. H. v. A 760 Mio. 12 So ausdrücklich in der Entwurfsbegründung zum BSSichG, BT-Drucks. 15/28, S. 16, 21. 13 Zu den Auswirkungen des BSSichG in versicherungs- und beitragsrechtlicher Hinsicht: Niemann, NZS 2003, 134 ff. 14 Vgl. etwa auch: Kube/Palm/Seiler, JuS 2003, 927, 929; Wolf, FfG 2002, 402, 404.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

doch nicht nur zu einem verstärkten Verwaltungsaufwand, sondern darüber hinaus auch zu einem nicht zu unterschätzendem Liquiditätsverlust.

B. Die formelle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V I. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes Bereits im Zusammenhang mit der Absprache zwischen VFA und Bundesregierung war der Frage nachzugehen, woraus sich die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Steuern und Abgaben im Einzelfall ergeben kann15. Bezüglich der auch hier relevanten Einzelheiten sei daher auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen. Dementsprechend gründete sich die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass des § 130a SGB V nicht auf Art. 105 GG, da der Zwangsrabatt zu Lasten der pharmazeutischen Industrie nicht als Steuer qualifiziert werden kann16. Steuern sind hoheitlich auferlegte, nicht freiwillige, einmalige oder laufende Geldleistungen, die der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs dienen und grundsätzlich unabhängig von einer Gegenleistung oder besonderen Kostenverantwortung erhoben werden17. Der Zwangsrabatt aber dient nicht der Erzielung von Einnahmen, sondern vielmehr der Vermeidung von Ausgaben, indem er den Preis der betreffenden, zu Lasten der GKV abgegeben Medikamente verringert. Auf die Ertragssituation der belasteten Unternehmen wirkt er zwar gleichermaßen wie eine Steuer – zu einem Mittelzufluss bei den Krankenkassen führt er hingegen nicht. Zudem soll durch die Regelung in § 130a SGB V dem speziellen Finanzbedarf der Krankenkassen im Bereich der Arzneimittelausgaben Rechnung getragen werden, nicht der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens dienen18. Ebenso spricht gegen die 15 Dazu in Kapitel 6: D. I. 2. lit. b) „Die Absprache vom 08.11.2001 im Zuständigkeitsbereich des Bundes?“. 16 So auch: Wagner, PharmR 2003, 409, 413; Vgl. allgemein: BVerfGE 108, 1, 13; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 1; Hofmann, DVBl 1986, 537, 539 f.; Jarass, DÖV 1989, 1013 f.; Birk, Jura 1985, 143, 144. 17 Vgl. BVerfGE 3, 407, 435; 49, 343, 353; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105, II, Rz. 3 ff.; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 780; Birk, Jura 1985, 143, 144; Allgemein zum Steuerbegriff: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1052 ff. 18 Von diesem Begriff werden nach überwiegender Auffassung allein Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände erfasst. Teilweise werden auch die Religionsgemeinschaften hierzu gerechnet. Zur Problematik: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 105, II, Rz. 4; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 3, Rz. 15; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1993, S. 1057; Heun, DVBl 1990, 666, 667 ff. mwN.

B. Die formelle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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Einordnung als Steuer, dass die Erhebung des Beitrags außerhalb des Bundeshaushalts erfolgt ist. Die Erhebung sonstiger Abgaben ist dagegen grundsätzlich anhand der allgemeinen Kompetenztitel gemäß Art. 70 ff. GG zu beurteilen19. Der Gesetzgeber sah seine Kompetenz zum Erlass des BSSichG ausweislich der Gesetzesbegründung in Art. 74 Abs. 1 Nrn. 11, 12 und 19a GG verankert20. Dabei kommt im Rahmen des § 130a SGB V der Kompetenzregelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG keine Bedeutung zu, da der Herstellerrabatt nicht in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser bzw. der Regelung der Krankenhauspflegesätze steht. Auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG können dagegen solche Normen erlassen werden, deren Regelungsgegenstand sich auf das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung bezieht21. Demzufolge muss das Gesetz aber über den reinen Einnahmeerzielungszweck wirtschaftslenkenden bzw. -regulierenden Charakter haben22. Durch § 130a SGB sollen die Ausgaben für Arzneimittel in der GKV gesenkt werden. Dagegen ist nicht beabsichtigt, etwa auf die Produktion von Arzneimitteln, die Arzneimittelpreise insgesamt (ungeachtet von § 130a Abs. 2 SGB V) oder auch auf das Verordnungsverhalten seitens der Ärzte lenkenden Einfluss zu nehmen. Insofern bildet auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG keine tragfähige Grundlage für den Erlass von § 130a SGB V. Fraglich ist aber, ob sich der Gesetzgeber hier auf seine Kompetenz zur Regelung der Sozialversicherung (74 Abs. 1 Nr. 12 GG) stützen konnte23. Grundsätzlich werden hiervon nur solche Regelungen erfasst, die in wesentlichen Strukturelementen dem klassischen Bild der Sozialversicherung entsprechen24 und sich sachlich-gegenständlich in diesem Bereich bewegen25. Dazu gehört vor allem die „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit 19 BVerfGE 4, 7, 13; 81, 156, 187; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 41; Pieroth in: Jarass/ Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8; Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825 („keine originären, sondern abgeleitete Abgabenerhebungskompetenzen“). 20 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG), BT-Drucks. 15/28, S. 13. 21 BVerfGE 8, 143, 148 f.; 55, 274, 308. 22 BVerfGE 67, 256, 275; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 22; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74, V, Rz. 131; Wagner, PharmR 2003, 409, 414; Vgl. diesbezüglich auch: Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 80 ff. mwN. 23 Dazu: BVerfGE 75, 108, 146; 87, 1, 34; 88, 203, 313; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 31; Wagner, PharmR 2003, 409, 413; Becker, NZS 2003, 561, 564 f.; Posser/Müller, NZS 2004, 178, 179. 24 Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 118.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“26, so dass von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG jedenfalls solche Gesetzgebungsvorhaben erfasst sind, die auf die beitragsgestützte Finanzierung der Sozialversicherung gerichtet sind. Dagegen bedarf nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Heranziehung sonstiger Beteiligter eines sachorientierten Anknüpfungspunktes27, so dass der Kreis der Finanzierungsverantwortlichen nicht beliebig erweitert werden darf. Demzufolge soll Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG voraussetzen, dass derjenige, dem finanzielle Lasten im Rahmen der Sozialversicherung auferlegt werden, in einer besonderen Solidaritäts- und Finanzierungsverantwortlichkeit steht. Vor diesem Hintergrund wird von kritischen Stimmen unter Hinweis auf § 3 SGB V bereits die Beteiligteneigenschaft der pharmazeutischen Unternehmen im Rahmen der GKV bestritten28. Eine derart enge Sichtweise kann jedoch bereits im Hinblick auf § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V kaum richtig sein, nach dem die Mittel für die Krankenversicherung nicht nur durch Beiträge, sondern auch durch sonstige Einnahmen aufgebracht werden. So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des BSSichG festgestellt, dass der Kompetenztitel auch die Regelung der Finanzierung der zu erledigenden Aufgaben umfasst. Dazu gehörten nicht nur „das Aufbringen der Beiträge im engeren Sinne, sondern auch die Regelungen zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme“29. In jedem Falle aber ist problematisch, dass die pharmazeutischen Unternehmen nicht in dem Sinne in die GKV einbezogen sind, dass sie Bestandteil der Solidargemeinschaft wären. Schon deshalb könne nach verbreiteter Ansicht § 130a SGB V nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gedeckt sein, da die hierdurch auferlegten Zwangsrabatte letztlich Abgabecharakter haben30. Andererseits zielt die fragliche Regelung in erster Linie nicht auf die Erzielung von Einnahmen, sondern die Verminderung von Ausgaben ab. Dabei berührt § 130a SGB V zunächst vor allem den Aspekt der Güterbeschaffung, indem er festlegt, unter welchen Bedingungen die Krankenkassen Arzneimittel abnehmen und somit den finanziellen Rahmen für die Versorgung der Versicherten mit Medikamenten regelt. Dass hierdurch bei den Betroffenen abgabenähnliche Wirkungen eintreten, sollte eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Gesetzes sein 25 BVerfGE 11, 105, 112 f.; 14, 312, 318; 75, 108, 148; 87, 1, 34; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 74, Rz. 31; Degenhart in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 74, Rz. 52; Schnapp, VSSR 2003, 343, 346. 26 BVerfGE 11, 105, 112. 27 Vgl. zur Problematik von (Dritt-)Beitragszahlern: BVerfGE 75, 108, 147; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74, V, Rz. 174. 28 Andeutend etwa: Posser/Müller, NZS 2004, 178, 179. 29 Siehe hierzu die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unter: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (153); http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_ 2bvf000203.html. 30 Wagner, PharmR 2003, 409, 414; Schnapp, VSSR 2003, 343, 347.

B. Die formelle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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und nicht schon ein Problem der formellen Gesetzgebungskompetenz. Insofern kann hier durchaus von einer Zuständigkeit des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ausgegangen werden31. Das Erfordernis einer bundesgesetzlichen Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG dürfte schon im Hinblick auf die Vermeidung unterschiedlicher Beschränkungen im Absatzverhalten der Apotheker bzw. im Verordnungsverhalten der Ärzte zu Lasten der Versicherten zu bejahen sein.

II. Ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren Vor dem Hintergrund des akuten Finanzbedarfs der Krankenkassen war für das Gesetzgebungsverfahren des BSSichG ein äußerst knapp bemessener Zeitplan vorgesehen. Nicht wenige Kritiker maßen in diesem Zusammenhang daher der Beteiligung der notwendigen Instanzen sowie der Einhaltung des Verfahrens nur noch eine reine Alibifunktion bei. In der Tat dürfte das BSSichG aufgrund fehlender Zustimmung des Bundesrats bereits formell verfassungswidrig sein. Auch der Bundesrat ging im Gegensatz zum Deutschen Bundestag von einer Zustimmungspflicht aus, legte jedoch vorsorglich Einspruch gegen das Gesetz ein32, der im Bundestag zurückgewiesen wurde. Bemerkenswert hieran ist, dass gemäß § 130a Abs. 4 SGB V die Aufhebung und Verringerung der Abschläge der Zustimmung des Bundesrats bedurfte. Warum dann aber deren erstmalige Erhebung keine Zustimmungspflicht auslösen soll, ist kaum erkennbar. Eine Zustimmungspflicht dürfte schließlich letztendlich bereits aus folgenden Erwägungen heraus grundsätzlich bestanden haben: Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln gemäß Art. 84 Abs. 1 GG sie allein die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrats etwas anderes bestimmen. Auch der Vollzug der Sozialgesetze ist gemäß Art. 30, 83 GG letztlich grundsätzlich Sache der Länder33, so dass demzufolge das BSSichG jedenfalls dann zustimmungspflichtig gewesen wäre, wenn es Regelungen beinhaltet, die entweder die Einrichtung der Behörden und/oder das Verwaltungsverfahren betreffen. Unter Einrichtung der Behörden ist dabei nicht nur die Errichtung und Ausgestaltung der jeweiligen Behörden zu verstehen, sondern vielmehr auch die Festlegung ihres konkreten Aufgabenkreises durch die Übertragung von Aufga31 Daneben erachtete das BVerfG auch den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG für einschlägig. 32 Vgl. hierzu die Unterrichtung des Bundesrats über die Beschlüsse der 784. Sitzung v. 20.12.2002; BT-Drucks. 15/258, S. 1 f. 33 Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001, § 3, Rz. 16; Waltermann, Sozialrecht, 3. Aufl. 2002, § 1, Rz. 18; Sodan, NJW 2003, 1761, 1762; Wagner, PharmR 2003, 409, 411.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

ben und Befugnissen34. Vom Begriff des Verwaltungsverfahrens wird nach Auffassung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts das „Wie“, also die Art und Weise der konkreten Gesetzesausführung einschließlich ihrer Handlungsformen erfasst35. Werden dahingehende Normierungen durch Bundesgesetz getroffen, so bedarf das Gesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrats36. Dies gilt auch dann, wenn es lediglich eine einzige zustimmungsbedürftige Regelung beinhaltet37. Auch das BSSichG enthält eine ganze Reihe solcher Regelungen38. So ist etwa in Art. 7 festgelegt, dass Beitragsanhebungen der Krankenkassen im Widerspruch zu § 220 Abs. 2 SGB V nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Durch die im Zuge des Art. 1 Nr. 8 BSSichG eingeführte Rabattregelung in § 130a Abs. 1 SGB V wird den Krankenkassen zudem eine neue Handlungsform zur Verfügung gestellt (vgl. auch § 130a Abs. 8 SGB V) und damit zugleich eine neue Aufgabe zugewiesen39. Im Übrigen werden insbesondere durch § 130a Abs. 6, 7 SGB V Verfahrensregelungen getroffen, die für die Erhebung der Zwangsrabatte auch für die Krankenkassen (jedenfalls von mittelbarer) Bedeutung sind. Zwar werden durch diese Regelungen unmittelbar nur Privatrechtssubjekte erfasst, doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese letztendlich im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausschließlich für die Krankenkassen tätig werden40. Bereits unter diesen Gesichtspunkten wird deutlich, dass das Beitragssatzsicherungsgesetz eindeutig der Zustimmung des Bundesrats bedurfte. Hinzu kommt, dass sich die Zustimmungspflichtigkeit auch in solchen Fällen ergeben kann, in denen ein Gesetz geändert werden soll, das ursprünglich sei34 BVerfGE 105, 313, 331; Henneke/Ruge in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 84, Rz. 5; Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 84, IV, Rz. 25; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 84, Rz. 3; Schmidt, JuS 1999, 861, 863. 35 BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 319 ff.; 78, 108, 152; Vgl. Pieroth in: Jarass/ Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 84, Rz. 4; Henneke/Ruge in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 84, Rz. 4 ff.; Erichsen/Biermann, Jura 1998, 494, 495 f.; Schmidt, JuS 1999, 861, 863; Sodan, NJW 2003, 1761, 1762. 36 BVerfGE 8, 274, 294 f.; 24, 184, 195; 37, 363, 380 ff.; Henneke/Ruge in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 84, Rz. 9; Erichsen/Biermann, Jura 1998, 494, 498. 37 BVerfGE 8, 274, 294; 55, 274, 319; 105, 313, 341; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 77, II, Rz. 8; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 78, Rz. 11; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 77, Rz. 4. 38 Vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung bei: Sodan, NJW 2003, 1761, 1762 ff.; AA.: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (158 ff.), http://www.bverfg.de/ entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html. 39 Anderer Ansicht war hierbei jedoch das Bundesverfassungsgericht. Vgl. BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (168 ff.), http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs200 50913_2bvf000203.html. 40 So im Ergebnis auch: Wagner, PharmR 2003, 409, 411.

B. Die formelle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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nerseits der Zustimmung durch den Bundesrat bedurfte. Allerdings ist hierfür nicht jede Änderung des ursprünglichen Regelungsgehalts der betreffenden Norm ausreichend. Vielmehr geht das Bundesverfassungsgericht vom Zweck der Zustimmungsbedürftigkeit aus und betont, dass der durch das ursprüngliche Gesetz erfolgte Eingriff in die Organisationshoheit der Länder und die damit verbundene Systemverschiebung im bundesstaatlichen Gefüge bereits durch die (ursprüngliche) Zustimmung des Bundesrats legitimiert sei. Soweit sich daher das Änderungsgesetz in diesem Rahmen hält, bedarf es keiner erneuten Zustimmung, sofern sich ein dahingehendes Erfordernis nicht aufgrund einer anderen Regelung des betreffenden Gesetzes ergibt. Die Zustimmungspflicht des Bundesrats lebt jedoch dann wieder auf, wenn es infolge des Änderungsgesetzes zu einer erneuten Systemverschiebung kommt41. Vor diesem Hintergrund stellt sich daher zwangsläufig die Frage, ob das BSSichG unter Umständen bereits deshalb zustimmungspflichtig gewesen ist, weil das hierdurch geänderte SGB V seinerzeit selbst mit Zustimmung des Bundesrats erlassen wurde. Dagegen könnte jedenfalls bei oberflächlicher Betrachtung die Erwägung sprechen, dass durch die mit dem BSSichG eingeführten Regelungen keine wesentlichen Änderungen des SGB V bewirkt wurden42. Allerdings stößt eine derart eng begrenzte Sichtweise auf grundlegende Bedenken. Konsequenz hieraus wäre nämlich, dass ein Zustimmungsbedürfnis wohl nur in dem kaum denkbaren Fall ausgelöst werden würde, in dem das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung einem fundamentalen Umbau unterzogen werden würde. Demnach wäre nahezu jede Veränderung, auch wenn sie mit einem graduellen Systemwechsel einherginge, im Ergebnis zustimmungsfrei, solange sie nicht zu einer Reform der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung führte. Entscheidend muss daher sein, ob mit den genannten Regelungen eine grundlegende Neuausrichtung der finanziellen Grundlagen der GKV verbunden ist. Das aber wird man bereits im Hinblick auf § 130a SGB V bejahen können. Nach alter Rechtslage erfolgte die Finanzierung der GKV bis auf wenige Ausnahmen (vgl. §§ 130, 220 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. SGB V) weitgehend auf der Grundlage eines solidarischen Beitragssystems durch die Versicherten selbst. Die Hinzuziehung sonstiger Leistungserbringer war dagegen (mit Ausnahme der Apotheker) bislang in diesem Umfang nicht vorgesehen. Schlussendlich sei darauf hinzuweisen, dass eine Zustimmungspflicht seitens des Bundesrats wohl bereits aus der Tatsache resultieren dürfte, dass durch die 41 BVerfGE 37, 363, 380; 48, 127, 180 f.; 55, 274, 316 ff.; Vgl. hierzu auch: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 77, II, Rz. 9; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 77, Rz. 6; Erichsen/Biermann, Jura 1998, 494, 498; Zur auch in diesem Zusammenhang relevant werden Mitverantwortungstheorie vgl. insbesondere auch die umfassende Darstellung bei: Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 403 ff. 42 So im Ergebnis wohl auch: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (164 ff.), http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

Rabatte zu Lasten von Großhandel und Apotheken in die im Rahmen der (zustimmungspflichtigen) Arzneimittelpreisverordnung festgelegten Preisspannen eingegriffen wird (vgl. § 78 AMG)43. Mangels Zustimmung seitens des Bundesrats ist das BSSichG somit bereits aus formellen Gründen verfassungswidrig44.

C. Die materielle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V I. Verstoß gegen die Vereinbarung vom 08.11.2001? Die Einführung des § 130a SGB V wäre dann rechtsfehlerhaft gewesen, wenn die im Jahre 2001 erfolgte Absprache derart bindend gewesen wäre, dass ein Gesetz mit diesem Inhalt jedenfalls für die Jahre 2002 und 2003 grundsätzlich nicht hätte erlassen werden dürfen. Eine solche rechtliche Bindungswirkung aber liegt informellen Absprachen gerade nicht zugrunde45. Fraglich bleibt, ob die Umstände des Einzelfalls hier eine andere Sichtweise rechtfertigen46. Jedenfalls kann dies nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes angenommen werden, da schutzwürdiges Vertrauen im Rahmen informeller Absprachen prinzipiell nicht anerkennenswert ist47. Mag auch die Erwartung der Erfüllung regelmäßig durch eine gesteigerte Öffentlichkeitswirksamkeit48 sowie durch die Erbringung der eigenen Leistung nicht unerheblich sein, so ändert dies nichts an der Unverbindlichkeit der Absprache. Faktische Zwänge können jedenfalls in diesem Punkt rechtliche Bindungen nicht ersetzen. Ebenso ergibt sich vorliegend auch keine zusätzliche Bindungswirkung aus Art. 2 AABG, da hierdurch allein die Modalitäten der Verteilung des Solidarbeitrags geregelt wurden und somit auch kein erweiterter Vertrauensschutztatbestand geschaffen werden konnte. In besonders gelagerten Fällen kann sich aber der Bruch der Absprache als ermessensfehlerhaft erweisen. Dies kann dem Grunde nach dann angenommen 43 Andere Ansicht dagegen: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (184), http:// www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html. 44 Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, nach der das BSSichG in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sei. 45 Siehe hierzu nochmals Kapitel 4: F. II. „Die (rechtmäßige) Absprache als Handlungsform eigener Art mit einklagbaren Erfüllungsansprüchen?“; Vgl. auch: Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 93. 46 Insoweit Bauer, VerwArch 78 (1987), 241, 264 ff., der grds. für eine einzelfallbezogene Betrachtung plädiert. 47 Dazu Kapitel 4: F. III. 1. „Bindungswirkung und Erfüllungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes?“. 48 Vgl. insoweit die Parallelen zu den Atomkonsensgesprächen, Frenz, NVwZ 2002, 561, 562.

C. Die materielle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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werden, wenn die Vereinbarung zu einer Reduzierung des Ermessens der handelnden Behörde führt49. Das aber ist vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere wirft sich hier auch die Frage auf, ob die Absprache mit dem VFA durch das BSSichG überhaupt gebrochen wurde. Der Gesetzesentwurf wurde nämlich nicht durch die Bundesregierung, sondern von den Bundestagsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, wobei diesen zumeist (so auch in diesem Falle) Formulierungshilfen der einzelnen Fachministerien zugrunde liegen. Insofern ließe sich zumindest eine mittelbare Verantwortlichkeit der Bundesregierung annehmen. Das aber kann allenfalls für die Beurteilung etwaiger Entschädigungsansprüche von Bedeutung sein50, nicht aber für die Frage der Rechtmäßigkeit des BSSichG. Die Vereinbarung zwischen VFA und Bundesregierung konnte sich aus den bekannten Gründen allein auf die Nichtausübung des Initiativrechtes der Bundesregierung beziehen51 und beinhaltete damit ausschließlich die Erklärung, dass kein Gesetzesentwurf eingebracht werde52. Aus diesem Grunde führen Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages oder vom Bundesrat nicht zu einem Verstoß gegen die getroffene Absprache53 dergestalt, dass er die Rechtswidrigkeit des erlassenen Gesetzes zur Folge hätte.

II. Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe? Schon im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit von § 130a SGB V stellte sich die Frage der rechtlichen Qualifizierung der auferlegten Zwangsrabatte. Da diese grundsätzlich nicht für die Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung oder Einrichtung (tatsächlich oder potentiell) erhoben werden, sind sie jedenfalls weder Beitrag, noch Gebühr. Gleichermaßen scheidet eine Einordnung als Sozialversicherungsbeitrag aus, da der zu gewährende Abschlag nicht mit einer Gegenleistung verbunden ist (vgl. auch § 3 SGB V54). Ebenso wenig handelt es sich hierbei um eine bloße Preisfestsetzung, da diese (trotz § 130a Abs. 2 SGB V) noch immer autonom durch die Unternehmen selbst erfolgt.

49

Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 330. Siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 4: F. „Rechtsfolgen von Absprachen“ sowie Kapitel 8: „Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche?“. 51 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 127; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 199; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 302; Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220, 232; Brohm, DÖV 1992, 1025, 1029; Müggenborg, NVwZ 1990, 909, 917. 52 Langenfeld, DÖV 2000, 929, 938; Dragunski, Kooperation von Verwaltungsbehörden mit Unternehmen im Lebensmittelrecht, 1997, S. 154. 53 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 199 f.; Becker, DÖV, 1985, 1003, 1010. 54 Davon ausgehend etwa auch: Posser/Müller, NZS 2004, 178, 179. 50

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

Teilweise werden Zwangsrabatte als Unterfall der Sonderabgabe betrachtet55. Darunter können zunächst allgemein hoheitlich auferlegte, nicht freiwillige Geldleistungen verstanden werden, denen keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht56. Sonderabgaben fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt und erfassen auch nicht die individuelle Leistungsfähigkeit des Abgabenschuldners. In Abgrenzung zur Steuer resultiert die Heranziehung des Abgabepflichtigen nicht mit Rücksicht auf seinen allgemeinen Status als Staatsbürger, sondern vielmehr aufgrund einer besonderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen oder politischen Stellung57, die es rechtfertigen könnte, ihm (im Verhältnis zur Allgemeinheit) zusätzliche finanzielle Lasten aufzubürden. Mag für die Einordnung des Zwangsrabatts als Sonderabgabe im Hinblick auf die mit § 130a SGB V verbundenen belastenden Wirkungen sicher eine gewisse Plausibilität sprechen, so muss jedoch wiederum berücksichtigt werden, dass die Abschlagsregelung nicht der Erzielung von Einnahmen, sondern vielmehr der Verringerung von Ausgaben dienen soll58. Für die Beurteilung der Anforderungen an die (materielle) Rechtmäßigkeit eines Finanzierungsinstruments kann es letztlich jedoch nicht ausschlaggebend sein, auf welche Art und Weise die gewünschten Haushaltseffekte herbeigeführt werden. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr allein der belastenden Wirkung der jeweiligen Maßnahme bei den davon konkret Betroffenen zu, sofern diese zu einer hoheitlich zurechenbaren, öffentlichen Aufkommenswirkung führt. Das aber könnte vorliegend deshalb zweifelhaft sein, weil der hier relevante Finanztransfer nicht unmittelbar dem Staatshaushalt zufließt, sondern den Krankenkassen innerhalb der GKV. Allerdings lassen sich die gewährten Abschläge als eine Art „Quersubventionierung“ begreifen, da es sich bei ihnen letztlich nicht mehr als um einen abgekürzten Zahlungsweg einer vorangegangenen staatlichen Mittelvereinnahmung handelt59. Diese Quersubventionierung greift zielgerichtet auf private Mittel zu, kann zwangsweise durchgesetzt werden und verfolgt schlussendlich allein Gemeinwohlbelange. Um terminologische Schwierigkeiten zu vermeiden, kann hier daher insofern von einem der Sonderabgabe ähnlichen Finanzierungsinstrument mit abgabengleicher Wirkung60 gesprochen werden. 55

Schnapp, VSSR 2003, 343, 350 f.; Vgl. insoweit auch: Haug, NJW 1966, 379,

382. 56 Allgemein hierzu: BVerfGE 55, 274, 297; 59, 139, 167; 67, 256, 275; 78, 249, 266; 81, 156, 186 f.; 78, 249, 267; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 9; Vgl. K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 45. Für die Einordnung als Sonderabgabe spielt es weder eine Rolle, wie diese Abgabe vom Gesetzgeber qualifiziert wird, noch wie sie haushaltsrechtlich behandelt wird: BVerfGE 67, 256, 275; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1017. 57 Schröder, DÖV 1983, 667, 669; Heun, DVBl 1990, 666, 669. 58 Ausdrücklich: Becker, NZS 2003, 561, 564. 59 Vgl. Kube/Palm/Seiler, JuS 2003, 927, 929.

C. Die materielle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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Letztlich bedingt diese abgabengleiche Wirkung zugleich aber auch die Übertragung jener restriktiven Anforderungen, die für Sonderabgaben selbst gelten61, die im Wesentlichen aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung62, aber auch aus den grundrechtlichen Verbürgungen63 selbst resultieren64. Sonderabgaben dienten ursprünglich als Auffangtatbestand für alljene Abgabenarten, die sich nicht als Steuern, Gebühren oder Beiträge rechtlich qualifizieren ließen65. Wurden sie auch lange Zeit für unbegrenzt zulässig gehalten66, so mehrten sich nicht zuletzt im Hinblick auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken zunehmend auch kritische Stimmen. Zwar beinhaltet die geltende Rechtsordnung keinen numerus clausus der Abgabenarten67, doch folgt aus dem Prinzip der Steuerstaatlichkeit68, dass der Finanzierung staatlicher Aufgaben grundsätzlich die in der Finanzverfassung geregelten Einnahmequellen zugrunde zu legen sind. Zugleich fällt damit die Finanzierungsverantwortlichkeit für Gemeinwohlbelange der Allgemeinheit, nicht aber dem einzelnen Bürger anheim (Prinzip der Lastengleichheit)69. Vor diesem Hintergrund sind an die 60 Zum Begriff der Sonderabgabe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen: Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8 ff.; Birk, Steuerrecht, 7. Aufl. 2004, Rz. 111 ff.; Heun, DVBl 1990, 666, 669; Kluth, JA 1996, 260, 261. 61 BVerfGE 82, 159, 179; Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825; Kirchof, VVDStRL 52 (1993), S. 96; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 21. 62 Vgl. BVerfGE 67, 256, 286; 78, 249, 266; Kernproblem somit die Zuordnung des jeweiligen Finanzierungsinstruments zu den Abgabetypen des geltenden Verfassungsrechts. Zu dieser Problematik siehe auch: Osterloh, NVwZ 1991, 823, 824. 63 Hier ist insbesondere an die Art. 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG zu denken; Vgl. auch: Osterloh, NVwZ 1991, 823, 825; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1033. 64 Insofern aA.: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (248), http://www.bverfg.de/ entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html. 65 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 222; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1014; Vgl. hierzu die umfassende höchstrichterliche Rechtsprechung: BVerfG 55, 274, 297 ff.; 57, 139, 166 ff.; 67, 256, 274 ff.; 75, 108, 146 ff.; Zur Abgrenzung der Sonderabgabe von der Steuer: Brodersen, Nichtfiskalische Abgaben und Finanzverfassung, in: FS für Gerhard Wacke, 1972, S. 103 ff. 66 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 47. 67 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 221; Vor allem im Bereich der Ökosteuern ist in den letzten Jahren eine Tendenz zur Ergänzung des geltenden Abgabenrechts durch neuartige Abgabenformen zu erkennen. Vgl. hierzu Osterloh, NVwZ 1991, 823. 68 Vgl. BVerfGE 78, 249, 267; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 45; Rodi, Steuerrecht als Mittel der Umweltpolitik in: Becker-Schwarze/Köck/Kupka/v. Schwanenflügel (Hrsg.), Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, 1991, S. 131; E. Benda in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, S. 761; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 722.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

Auferlegung von Sonder- und sonstigen Abgaben70, die sich im Grenzbereich zwischen Gegenleistungsabgaben und Steuern bewegen71, strenge Maßstäbe anzulegen, wobei insbesondere in der Literatur noch immer eine lebhafte Diskussion zu verzeichnen ist72. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder den Ausnahmecharakter derartiger Abgaben betont73, wenngleich diese Auffassung durch die Rechtspraxis in Anbetracht der Zahl der bisher erhobenen Sonderabgeben in gewisser Weise überholt wurde. Ebenso hat auch die Vielzahl von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die nicht immer mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konform gehen, einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, den Sonderabgaben den Weg in die Legitimität zu ebnen74. Dessen ungeachtet sind jedenfalls im Hinblick auf die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion nur dann zulässig, wenn sie der Verfolgung eines Sachzwecks dienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht (1.), eine homogene Gruppe belasten (2.), die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht (3.) und das erzielte Aufkommen gruppennützig verwendet wird (4.). Diese grundsätzlichen Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben wurden im Laufe der Zeit um gesteigerte Prüfungs- und Anpassungspflichten sowie haushaltsrechtliche Informationspflichten des Gesetzgebers (seit dem 31.12.2003)75 ergänzt. Diese Grundsätze sind aus den genannten Gründen auch auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen. 69 P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 46. 70 Zu den Abgrenzungsproblemen: Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 19; Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8b; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 271; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1014, 1016. Zur Einordnung von Sozialversicherungsbeiträgen: Hierzu: BVerfGE 75, 108, 148; 78, 249, 267; BVerwG, DVBl 1989, 658, 660; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 267. 71 BVerfGE 82, 159, 181. 72 Vgl. Kieser, Sonderabgaben als Steuern, 2000, S. 184 (Unterfall der Steuer); Loritz, NJW 1986, 1, 3; Wagner, PharmR 2003, 409, 415 f.; Kube/Palm/Seiler, JuS 2003, 927, 928; Kluth, JA 1996, 260 ff.; Heun, DVBl 1990, 666; Kirchhof, NVwZ 1987, 1031, 1034; Erichsen, Jura 1995, 47, 50; Werner/Zacharias, DB 1984, 1283 ff.; Siehe hierzu beispielsweise auch die lange Zeit anhaltende Diskussion um den sog. Wasserpfennig, der teilweise als Gebühr (zu diesem Ergebnis kamen drei Rechtsgutachten, die im Auftrag zweier Ministerien des Landes Baden-Württemberg angefertigt wurden. Vgl. dazu Osterloh, NVwZ 1991, 823, 824 mwN.), teilweise als Sonderabgabe (in diesem Sinne u. a. Balmes, DStZ 1990, 198, 200) und zu guter Letzt auch als Verbrauchssteuer (so etwa Pietzcker, DVBl 1987, 774, 781) qualifiziert wurde. 73 BVerfGE 82, 159, 181; 55, 274, 308. 74 Kirchof, VVDStRL 52 (1993), S. 96. 75 Vgl. BVerfG, NVwZ 2003, 1243; Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8a; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 10.

C. Die materielle Rechtmäßigkeit des § 130a SGB V

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1. Verfolgung eines Sachzwecks Aufgrund ihrer besonderen Stellung im Gefüge der Finanzverfassung dürfen Sonderabgaben grundsätzlich nur spezielle Aufgaben finanzieren76. Um den Ausschließlichkeitsanspruch der Art. 104a ff. GG zu überwinden, muss demnach ein über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehender Zweck verfolgt werden, der mit der Erfüllung des konkreten Sachbereichs in einem unmittelbaren Zusammenhang steht77. Dabei müssen die jeweiligen Zwecke unmittelbar verfolgt werden, so dass bloß mittelbare Zusammenhänge hier nicht ausreichend sind. An einer solchen unmittelbaren Zweck-Mittel-Beziehung aber fehlt es vorliegend. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum BSSichG wird ein Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht, nicht verfolgt78. Vielmehr dienen die durch § 130a SGB V auferlegten Zwangsrabatte allein der finanziellen Entlastung der GKV. Dass die begünstigten Krankenkassen ihrerseits bestimmte Sachzwecke (soziale Sicherung etc.) verfolgen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da es sich hierbei allein um mittelbare Zusammenhänge handelt. Bereits unter diesem Gesichtspunkt stößt daher die Erhebung der Zwangsabschläge zu Lasten der pharmazeutischen Industrie auf erhebliche Bedenken. 2. Homogenität der belasteten gesellschaftlichen Gruppe Unabdingbare Voraussetzung für die Erhebung von Sonderabgaben (bzw. für den Einsatz sonstiger Finanzierungselemente mit abgabenähnlicher Wirkung) ist weiterhin eine gewisse Homogenität der belasteten gesellschaftlichen Gruppe79. Diese muss sich daher durch eine gemeinsame Interessenlage oder andere besondere Gemeinsamkeiten von der Allgemeinheit oder anderen Gruppen abgrenzen lassen80. Neben der Rechtsordnung können hierbei insbesondere die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Wirklichkeit als prägende Kriterien dienen81. 76 BVerfGE 82, 159, 178; 75, 108, 147; 67, 256, 275; Brockmeyer in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8a; Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), S. 95; Erichsen, Jura 1995, 47, 50; Allgemein hierzu: Hofmann, DVBl 1986, 537 ff. mwN. 77 Siehe BVerfGE 67, 256, 275; Birk, Steuerrecht, 7. Aufl. 2004, Rz. 113; Demzufolge ergibt sich auch die Zuständigkeit für die Erhebung von Sonderabgaben ausschließlich aus den allgemeinen Regelungen der Art. 70 ff. GG. Vgl.: hierzu: BVerfGE 4, 7, 13; 8, 274, 317; 18, 315, 328; 29, 402, 409; 67, 256, 274; Birk, Jura 1985, 143, 144; Balmes, DStZ 1990, 198, 201. 78 Siehe hierzu: BT-Drucks. 15/28, S. 16. 79 Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8a; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 10; Schröder, DÖV 1983, 667, 669. 80 Birk, Jura 1985, 143, 144; Balmes, DStZ 1990, 198, 201; Kluth, JA 1996, 260, 262 mwN.; Schnapp, VSSR 2003, 343, 353.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

Insofern kann der Gesetzgeber grundsätzlich nicht nach freiem Belieben jedwede Gruppe normativ bilden82, auch wenn ihm bei der Beurteilung dieser Frage ein gewisser Spielraum zukommt. Durch die hier interessierende Abschlagsregelung werden ausschließlich solche pharmazeutischen Unternehmen belastet, deren Arzneimittel zu Lasten der GKV an die Versicherten abgegeben werden und nicht vom Anwendungsbereich des § 130a SGB V ausgenommen sind. Insofern ließen sich die betroffenen Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Anbieter für Arzneimittel als homogene Gruppe begreifen. Auch das Bestehen einer Wettbewerbssituation spricht hiergegen grundsätzlich nicht. Andererseits kann allein das Anbieten einer Ware auf demselben Markt kaum ausreichend sein, um im Einzelfall die Homogenität einer gesellschaftlichen Gruppe zu untermauern83. Das nämlich würde letztlich dazu führen, dass auch jede noch so geringe Gemeinsamkeit zwischen verschiedenen Rechtssubjekten für eine diesbezügliche Annahme grundsätzlich ausreichend wäre. Vorliegend aber gilt es zu berücksichtigen, dass die betroffenen pharmazeutischen Unternehmen nicht nur bloße Anbieter sind, sondern sich vielmehr durch die Art und Besonderheit der vertriebenen Produkte von anderen Herstellern bzw. Leistungserbringern in der Gesetzlichen Krankenversicherung unterscheiden. Ohnehin ist die Arzneimittelversorgung (insbesondere im Rahmen der GKV, vgl. etwa § 34 SGB V) stark reglementiert, so dass hier insofern hinreichende Unterscheidungskriterien im Vergleich zu anderen Anbietern oder Herstellern gegeben sein dürften84. 3. Finanzierungsverantwortlichkeit Bedingt durch die Forderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes muss die belastete Gruppe aber in jedem Falle eine spezifische Sachnähe zu der mit der Abgabe verfolgten Finanzierungsaufgabe aufweisen85. Infolge dieses Sachzusammenhangs muss daher die zu finanzierende Aufgabe überwiegend in die

81 Vgl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 232; Pietzcker, DVBl 1987, 774, 780; Aus der Rechtsprechung: BVerfGE 55, 274, 305 f., 311; 57, 139, 166; 82, 159, 183 ff. 82 BVerfGE 67, 256, 276; Hofmann, DVBl 1986, 537, 541; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1018. 83 Vgl. hierzu etwa auch das Kohlepfennig-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 91, 186, 205; Siehe auch: Lecheler, NJW 1995, 933 f.; Wilms, NVwZ 1995, 550 f. 84 Im Ergebnis ablehnend: Wagner, PharmR 2003, 409, 417. 85 BVerfGE 55, 274, 305 f.; 67, 256, 266 ff.; 75, 108, 147; 82, 159, 180 f.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 10; Hofmann, DVBl 1986, 537, 542.

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Sachverantwortung der heranzuziehenden Gruppe fallen und darf somit nicht in die Verantwortung der Allgemeinheit fallen86. Der Gesetzgeber sah bei Erlass des BSSichG eine derartige Finanzierungsverantwortlichkeit durchaus als gegeben an. Dies sollte vor allem vor dem Hintergrund der hohen Umsätze gelten, die mit solchen Arzneimitteln erzielt werden, die zu Lasten der GKV an die Versicherten abgegeben werden87. Abgesehen davon, dass sich von der Erzielung hoher Umsätze nicht automatisch auch auf eine gute Ertragslage der Unternehmen schließen lässt, kann diese Argumentation bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kaum überzeugen. Die betroffenen Arzneimittelhersteller verfolgen mit der Abgabe von Medikamenten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen allein ihren (erlaubten) Unternehmenszweck, ohne hierdurch in einer darüber hinausgehenden besonderen Beziehung zur GKV zu stehen. Insbesondere vor dem Hintergrund des grundrechtlich verbürgten Schutzes in Art. 12 Abs. 1 GG stehen sie damit aber dem verfolgten Zweck (der Senkung der Arzneimittelausgaben) nicht evident näher, als die Gesamtheit der Steuerzahler oder die Solidargemeinschaft der Versicherten. Überspitzt formuliert ließe sich sonst nämlich auch für Verpackungshersteller, Fuhrunternehmer etc. durchaus eine spezifische Sachnähe zur GKV-Finanzierung begründen. Wo aber liegen dann die beurteilungsrelevanten Grenzen? Das allgemeine Interesse am Bestehen und Fortbestehen der GKV kann jedenfalls nicht ausreichend sein, um vorliegend eine spezifische Finanzierungsverantwortung zu begründen88. 4. Gruppennützige Verwendung des Aufkommens Grundsätzlich vermag die Homogenität einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe keine finanzielle Verantwortung für solche Personen zu begründen, die außerhalb dieser Gruppe stehen. Henseler führt hierzu insoweit zutreffend aus: „Die eine Gruppe von Abgabepflichtigen kennzeichnende Homogenität kann nur eine Solidaritätspflicht des leistungsstarken gegenüber dem leistungsschwachen Gruppenmitglied begründen, nur Umverteilungen rechtfertigen, die sich gruppenintern abspielen. Ist die Gruppe der Abgabepflichtigen mit der Gruppe der Abgabebegünstigten nicht personell deckungsgleich, erbringen die Abgabepflichtigen finanzielle Opfer zugunsten Dritter, die ihrer organisierten Interessengemeinschaft nicht angehören. Solche Umverteilungsaktionen über die per86 BVerfGE 67, 256, 276; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 88, Rz. 235; Jarass, DÖV 1989, 1013, 1018. 87 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG), BT-Drucks. 15/28, S. 12, 16. 88 So im Ergebnis auch: Wagner, PharmR 2003, 409, 418; Vgl. Schnapp, VSSR 2003, 343, 357.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

sonellen Grenzen einer homogenen Gruppe hinweg sind auf die Existenz einer Interessengemeinschaft unter den Abgabepflichtigen nicht zu stützen“89. Auch das Bundesverfassungsgericht fordert daher in ständiger Rechtsprechung, dass das erzielte Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe verwendet werden muss90. Fremdnützige Sonderabgaben sind demnach in der Regel unzulässig91, sofern nicht besonders triftige Gründe eine Rechtfertigung im Einzelfall als sachgerecht erscheinen lassen92. Vorliegend sind jedoch weder Anhaltspunkte für eine gruppennützige Verwendung der erzielten Einnahmen, noch für rechtfertigende Momente erkennbar. Das Aufkommen aus der Erhebung der Zwangsabschläge (in Form verminderter Ausgaben) trägt zwar zur Entlastung der Haushalte der gesetzlichen Krankenkassen bei, dient aber nicht dem Interesse der betroffenen Gruppe von pharmazeutischen Herstellern. Denkbar wären hier zwar mittelbare Vorteile, die den Unternehmen beispielsweise in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber in Form verminderter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zustatten kommen könnten. Allerdings käme eine mögliche Senkung der Lohnnebenkosten nicht nur den von § 130a SGB V belasteten Unternehmen, sondern der Gesamtheit der Arbeitgeber zugute, so dass von einer gruppennützigen Verwendung kaum gesprochen werden kann. Davon abgesehen dürfte vorliegend eine tatsächliche Entlastung auch kaum nachweisbar sein. 5. Erfordernis periodisch wiederkehrender Legitimation der Abgabe Schlussendlich hat der Gesetzgeber in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erhebung der Abgabe noch gegeben sind93. Diesem Erfordernis dürfte vorliegend durch die Regelung in § 130a Abs. 4 SGB V hinreichend Rechnung getragen sein. Die nunmehr besonders bestehenden haushaltsrechtlichen Informationspflichten des Gesetzgebers waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht zu berücksichtigen94. 89

Henseler, Begriffsmerkmale und Legitimation von Sonderabgaben, 1984, S. 134. Vgl. BVerfGE 55, 274, 307; 67, 256, 276 f.; 75, 108, 147 f.; 82, 159, 180 f.; Vgl. auch: Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 10; Hofmann, DVBl 1986, 537, 541; Birk, Jura 1985, 143, 144; Schröder, DÖV 1983, 667, 669. 91 BVerfGE 55, 274, 306 f.; Balmes, DStZ 1990, 198, 201; Kluth, JA 1996, 260, 263. 92 Vgl. Mußgnug, Die zweckgebundene öffentliche Abgabe, in: FS für Ernst Forsthoff, S. 292; Friauf, Zur Zulässigkeit von außersteuerlichen Sonderabgaben, in: FS für Willy Haubrichs, 1977, S. 118. 93 BVerfGE 55, 274, 308; 82, 159, 180 f.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 10. 94 Vgl. Brockmeyer in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 105, Rz. 8a. 90

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III. Verletzung von Grundrechten? 1. Art. 12 Abs. 1 GG Eng mit der Problematik der Sonderabgaben verbunden, dürfte in § 130a SGB V zudem ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit bzw. unternehmerische Betätigungsfreiheit der hiervon betroffenen pharmazeutischen Unternehmen (und wohl auch der Apotheken) gemäß Art. 12 Abs. 1 GG begründet liegen95. Die Freiheit, einen bestimmten Beruf auszuüben ist wesensnotwendig mit jener Freiheit verbunden, das Entgelt für die berufliche bzw. unternehmerische Tätigkeit selbst festzusetzen96. Demzufolge müssen sich preisregulierende oder (wie § 130a SGB V) ähnlich wirkende Regelungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG messen lassen. Dem steht vorliegend auch nicht die Haltung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Festsetzung von Festbeträgen für Arznei- und Hilfsmittel (vgl. §§ 35, 36 SGB V) entgegen. Derartige Festbeträge greifen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, da sie lediglich Kostenübernahmeregelungen beinhalten und eventuelle Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit letztlich nur Reflexwirkungen dieser Regelungen seien97. Die eingeführten Zwangsabschläge sind damit grundsätzlich nicht vergleichbar, da sie final auf den tatsächlichen am Markt erzielbaren Erlös eines hergestellten Produkts zugreifen. Sie knüpfen dabei an die gewerbliche Tätigkeit der betroffenen Unternehmen dergestalt an, indem sie einen Teil des daraus resultierenden Erlöses abschöpfen. Demnach können die Unternehmen zwar nach wie vor autonom ihre Preise festsetzen, doch spiegelt sich der Gebrauch dieser Freiheit nicht vollumfänglich in einem unternehmerischen Erfolg wider. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil Preiserhöhungen gemäß § 130a Abs. 2 SGB V vollständig abgeschöpft werden. Die berufsregelnde Tendenz der Vorschrift ist daher schon aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der Marktpreisbildung unverkennbar98.

95 Die Auferlegung des Inkassos des Herstellerrabatts stellt in jedem Falle einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Apotheker dar. Auf die damit verbundene Problematik soll jedoch vorliegend nicht weiter eingegangen werden. Gleiches gilt für das immer wieder vorgebrachte Argument, die durch das BSSichG eingeführten Regelungen seien für sich genommen zwar verfassungsgemäß, würden jedoch in ihrer Gesamtheit zu einem „additiven“ und nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriff führen. 96 BVerfG, NJW 2003, 1232, 1233; BVerfGE 68, 193, 216 ff.; 83, 1, 13; BGHZ 112, 163, 170; Scholz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 12, V, Rz. 399; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 12, Rz. 23; Becker, NZS 2003, 561, 566. 97 Hierzu: BVerfG, NJW 2003, 1232, 1233; Posser/Müller, NZS 2004, 178, 179. 98 So auch: Becker, NZS 2003, 561, 566; Wagner, PharmR 2003, 409, 418.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit bedürfen zu ihrer Rechtfertigung des Vorliegens vernünftiger Gründe des Allgemeinwohls und müssen zudem den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerecht werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit und Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung vor dem Hintergrund des überragenden Aspekts der Volksgesundheit einen Grund dar, der Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich zu rechtfertigen vermag99. Fraglich ist aber, ob die Erhebung von Zwangsrabatten tatsächlich geeignet ist, die gewünschten Einspareffekte herbeizuführen und eine Stabilisierung der Beitragssätze in der GKV zu ermöglichen100. Dies ist insbesondere schon deshalb problematisch, weil von der Regelung des § 130a SGB V auch Importarzneimittel betroffen sind, die nunmehr möglicherweise nicht mehr oder nur in verringertem Umfang angeboten werden könnten101. Die damit verbundenen Kostensteigerungen könnten daher einen gewissen Teil der geplanten Einspareffekte aufheben. Hinzu kommt, dass die Höhe der Arzneimittelausgaben zu einem erheblichen Teil auch vom Verordnungsverhalten der Ärzte abhängig ist und insofern auch nicht von den pharmazeutischen Unternehmen beeinflusst werden kann. Andererseits aber führen die Zwangsrabatte in jedem Falle zu Kostenentlastungen, unabhängig davon, wie viel oder wie wenig tatsächlich verordnet wird. Von der Geeignetheit der fraglichen Regelung muss daher ausgegangen werden102. Allerdings müsste sie auch erforderlich gewesen sein. Dagegen spricht jedenfalls nicht der Umstand, dass die Arzneimittelpreise in den Jahren 1996–2000 nahezu stabil (+ 0,4 v. H.) geblieben sind. Entscheidend sind hier vielmehr die Arzneimittelausgaben, bei denen allein im ersten Halbjahr 2001 eine Steigerung von etwa 11 v. H. zu verzeichnen war. Als milderes Mittel wurde verschiedentlich eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel angeregt103, mit deren Hilfe die gesetzlichen Krankenkassen ebenfalls finanziell entlastet worden wären. Ungeachtet aller Plausibilität vermag dieser Vorschlag dennoch nicht zu überzeugen. Auf ein milderes Mittel kann nämlich im Einzelfall nur dann zurückgegriffen werden, wenn dies nicht mit einer unangemessen höheren 99 BVerfGE 68, 193, 218 f.; 70, 1, 29; 82, 209, 230; 106, 351, 358; BVerfG, NJW 2000, 1781; BVerfG, DVBl 2002, 400, 401. 100 Kritische Stimmen sahen dies bereits im Zusammenhang mit der Solidarzahlung der VFA-Unternehmen als äußerst bedenklich an, vgl. etwa Frankfurter Rundschau vom 21.11.2001. 101 Quelle: persönliche Mitteilung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Importeure e. V. 102 A.A. offenbar: Wagner, PharmR 2003, 409, 419. Der Geeignetheit von § 130a SGB V steht auch nicht der Umstand entgegen, dass mit der Regelung nicht unerhebliche Ertragssteuerausfälle verbunden sind, da diese nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen anfallen. 103 Vgl. diesbezüglich nur BT-Drucks. 15/1526.

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finanziellen Belastung des Staates verbunden ist104. Schon unter Berücksichtigung der geplanten Einsparsumme in Höhe von A 420 Mio. stellt sich daher eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes nicht als tragfähige Handlungsalternative dar. Statt dessen kann aber eine Ausweitung der Festbetragsregelung in Betracht gezogen werden, die für die betroffenen Unternehmen ungleich weniger belastend gewirkt hätte, gleichzeitig aber auch nicht mit der Überbürdung finanzieller Lasten auf öffentliche Haushalte verbunden gewesen wäre. Insofern ist die Erforderlichkeit der Abschlagsregelung mehr als fraglich105. Schlussendlich müsste die Regelung aber für die betroffenen Unternehmen unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs und der Bedeutung des damit verfolgten Zwecks zumutbar, d.h. angemessen gewesen sein. Dies aber ist bereits deshalb zweifelhaft, weil die Berechnungsgrundlage für die Abschlagsregelung nicht am Gewinn der pharmazeutischen Industrie, sondern am Einzelabgabepreis des jeweiligen Medikaments orientiert ist, so dass bei einer knappen Preiskalkulation seitens des Herstellers sogar Verluste denkbar sind. Eine zielgenauere Steuerung wäre hier wohl wünschenswert gewesen. Für die Angemessenheit der Regelung spricht dagegen, dass die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang ist106, hinter den die Individualinteressen jedenfalls bis zu einem gewissen Grade der Hersteller zurückzutreten haben. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass es sich bei der hier geregelten Materie nicht um einen freien Markt, sondern um einen staatlich geschaffenen und demzufolge auch stark reglementierten Leistungsbereich handelt. Diese Argumentation birgt jedoch die grundsätzliche Gefahr, dass jedweder Eingriff ohne Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Freiheiten der Betroffenen gerechtfertigt werden kann. Das aber ist hier insbesondere schon deshalb äußerst kritisch zu beurteilen, weil mit Hilfe von § 130a SGB V der pharmazeutischen Industrie eine Finanzierungsaufgabe zugewiesen wird, die von Verfassung wegen dem Staat obliegt107. Eine spezifische Verantwortlichkeit kommt den Herstellern aber wie gesehen gerade nicht zu. Hinzu kommt, dass der erhobene Zwangsabschlag im Rahmen des § 130a SGB V nur eine unzureichende Regelung erfahren hat. Insbesondere der Umstand, dass auch solche Medikamente erfasst werden, die nicht oder lediglich in äußerst geringem Umfang zu Lasten der GKV verordnet werden, begegnet erheblichen Bedenken. Insbe-

104 Siehe auch BVerfGE 77, 84, 110 f.; 81, 70, 91 f.; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 20, Rz. 85; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 16. Aufl. 2000, § 6, Rz. 285; Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 6: E. XII. „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog)“. 105 AA. wiederum (mit fragwürdiger Argumentation): BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (235 ff.), http:/ /www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203. html. 106 BVerfG, DVBl 2002, 400, 401 f. 107 So auch: Posser/Müller, NZS 2004, 178, 180.

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sondere vor diesem Hintergrund kann die fragliche Regelung schließlich auch nicht mehr als zumutbar angesehen werden. 2. Art. 14 Abs. 1 GG Nach überwiegender Auffassung ist die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 GG auf Steuergesetze und sonstige Abgabentatbestände zwar nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen108, doch wird eine Verletzung regelmäßig nur dann gegeben sein, wenn die Auferlegung von Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde109. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die betreffende Geldleistungspflicht eine derart erdrosselnde Wirkung aufweist, dass dem Pflichtigen kein sinnvoller Ertrag mehr aus seiner Tätigkeit verbleibt110. Da es für einen über den Ertrag hinausgehenden Beitrag keine gesetzliche Ermächtigung gibt, sind Substanzabgaben somit grundsätzlich unzulässig111. Das aber dürfte vorliegend kaum nachweisbar sein. Da jedoch der Zwangsrabatt am Ergebnis der unternehmerischen Betätigung der Verpflichteten ansetzt, ist hier insoweit aber ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht zu ziehen, dessen Rechtfertigung wohl aus den gleichen Gründen wie im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG ausscheiden dürfte. 3. Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 70 ff., 105 GG Durch Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 70 ff., 105 GG wird das grundlegende Recht geschützt, nicht mit solchen finanziellen Nachteilen belastet zu werden, die nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet liegen112. Da der Zwangsabschlag gemäß § 130a SGB V nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung einer Sonderabgabe gerecht wird, wurden die betroffenen pharmazeutischen Unternehmen auch unter diesem Gesichtspunkt in ihren Grundrechten verletzt. 108 Dazu: BVerfGE 78, 214, 230; 78, 232, 243; 78, 249, 277; Papier in: MaunzDürig, GG, Art. 14, I, Rz. 165; Hofmann in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 14, Rz. 11, 30; Papier in: Maunz-Dürig, GG, Art. 14, I, Rz. 165 ff.; Bryde in: von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl. 2000, Art. 14, Rz. 23; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 14, Rz. 16 f. 109 BVerfGE 14, 221, 241; 19, 119, 128; 26, 327, 338; 29, 402, 413; 30, 250, 272; 50, 57, 104; 63, 312, 327; 68, 287, 310; 78, 214, 230. 110 Vgl. BVerfGE 93, 121, 138; K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 85; Kube/Palm/Seiler, JuS 2003, 927, 930 f. 111 K. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 87, Rz. 85. 112 BVerfGE 97, 332, 340 f.

D. Ergebnis

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4. Art. 3 Abs. 1 GG Schlussendlich ist die getroffene Regelung auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG als äußerst problematisch einzustufen. Zweifel ergeben sich bereits deshalb, weil vorliegend ein einheitlicher Lebenssachverhalt in zwei Gesetzesvorhaben (BSSichG und 12. SGB V-Änderungsgesetz113) aufgespalten wurde. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht derartige Verfahren jedenfalls im Grundsatz ausdrücklich gebilligt114, doch darf hierbei nicht die Grenze zur Willkür überschritten werden115, wofür vorliegend durchaus einige Anhaltspunkte bestehen116. Zudem ist eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegend schon deshalb gegeben, da durch die einseitige Auferlegung des Zwangsrabatts der Grundsatz der Lastengleichheit verletzt wurde117, wie bereits im Zusammenhang mit der Problematik der Erhebung von Sonderabgaben zu erörtern war. Dagegen kann als Begründung einer möglichen Ungleichbehandlung nicht der Umstand angeführt werden, dass durch besagte Regelung auch die Hersteller preiswerterer Importarzneimittel betroffen sind, da es hierbei insofern an einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem fehlen dürfte.

D. Ergebnis Die Einführung des Herstellerrabatts gemäß § 130a SGB V war nicht nur mit deutlichen finanziellen Belastungen der pharmazeutischen Industrie verbunden, sondern ging auch mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand insbesondere für die Apotheken einher. Grundsätzlich konnte sich der Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift auf seine Kompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen. Allerdings hätte das BSSichG in seiner Gesamtheit der Zustimmung des Bundesrats bedurft, so dass § 130a SGB V bereits formell verfassungswidrig ist. Aber auch in materieller Hinsicht hält die Vorschrift aufgrund erheblicher Verstöße nicht nur gegen finanzverfassungsrechtliche Grundsätze, sondern auch im Hinblick 113 Zwölftes Gesetz zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches (Zwölftes SGB V-Änderungsgesetz – 12. SGB V-ÄndG) vom 17.06.2003, BGBl. I S. 844. 114 Hierzu: BVerfGE 34, 9, 28; 37, 363, 382; 39, 1, 35; 105, 313, 340 f.; Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 78, Rz. 13; Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 70 ff.; Schmidt, JuS 1999, 861, 866; Wagner, PharmR 2003, 409, 419 f.; Vgl. insoweit auch die Sondervoten der RiBVerfG v. Schlabrendorff, Geiger und Rink, BVerfGE 37, 401, 412. 115 Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Aufl. 2004, Art. 78, Rz. 13a; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 77, Rz. 4; Offen: BVerfGE 39, 1, 35; 77, 84, 103. 116 Diesbezüglich aA.: BVerfG, 2 BvF 2/03 vom 13.09.2005, (185 ff.), http://www. bverfg.de/entscheidungen/fs20050913_2bvf000203.html. 117 Vgl. Schnapp, VSSR 2003, 343, 356.

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7. Kap.: Preisabschlag trotz Absprache

auf die bestehenden Grundrechtsverletzungen (vor allem Art. 3 Abs. 1 GG, 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG) einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. In einer abschließenden Beurteilung ist demzufolge die Erhebung der Zwangsabschläge gemäß § 130a SGB V (abgesehen von der europarechtlichen Problematik im Hinblick auf Art. 28, 30 EG) als rechtswidrig einzustufen.

8. Kapitel

Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG: Rückzahlungsansprüche? A. Ausgangssituation Die Absprache vom 08.11.2001 beinhaltete den Verzicht seitens der Bundesregierung, auf gesetzliche Preisregulierungen jedenfalls für die Jahre 2002 und 2003 verzichten zu wollen. Das zum 01.01.2003 in Kraft getretene BSSichG aber steht hierzu in krassem Widerspruch, da es durch die Einführung von § 130a Abs. 1 SGB V einen Abschlag in Höhe von 6 v. H. für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorsah, die zu Lasten der GKV abgegeben werden und nicht der Festbetragsregelung unterfallen1. Ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Absprache ist daher von Interesse, ob und ggf. gegen wen Erstattungs- oder Schadensersatzansprüche hinsichtlich des gezahlten Solidarbeitrags geltend gemacht werden können.

B. Anspruchsgrundlagen und materielle Voraussetzungen I. Erstattungsansprüche 1. Allgemeines Bereits im Rahmen des 4. Kapitels wurde der Frage nachgegangen, welche Anspruchsgrundlagen für den Fall des Scheiterns bzw. der einseitigen Aufkündigung informeller Absprachen in Erwägung zu ziehen sind2. Nun ist zwar die vorliegende Vereinbarung nicht einseitig durch die Bundesregierung aufgekündigt worden, da diese lediglich einen Verzicht hinsichtlich der Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts zugesagt hatte3. Allerdings könnte hier die Tatsache, 1 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 7: A. II. „Die Regelungen im Einzelnen“. 2 Ebda.: F. IV. „Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen“. 3 Vgl. Kapitel 6: C. III. 1. „Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung“.

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8. Kap.: Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG

dass der Entwurf des BSSichG von den (letztlich die Regierungskoalition tragenden) Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht wurde, für eine mittelbare Verantwortlichkeit der Regierung sprechen4. Dies gilt umso mehr, als dass dem Entwurf eine Formulierungshilfe der zuständigen Regierungsressorts zugrunde lag. Einer näheren Vertiefung dieser Problematik bedarf es vorliegend jedoch schon deshalb nicht, da die Absprache jedenfalls als gescheitert gelten kann. Den beteiligten Unternehmen kam es nämlich erkennbar nicht nur darauf an, dass die Bundesregierung auf jegliche Gesetzesinitiativen verzichtet, sondern vielmehr auch darauf, dass gesetzliche Preisregulierungsmaßnahmen überhaupt unterbleiben. Ungeklärt bleibt damit jedoch noch immer, auf welche Anspruchsgrundlage ein eventuelles Rückzahlungsbegehren seitens der Unternehmen gestützt werden könnte. Nicht in Betracht kommt hierfür jedenfalls § 49a Abs. 1 VwVfG, da sich dieser ausschließlich auf Verwaltungsakte bezieht und sich auch eine analoge Anwendbarkeit aufgrund der Sonderstellung der Vorschrift verbietet5. Ebenso muss daher § 50 SGB X ausscheiden, abgesehen davon, dass hiervon ohnehin nur Ansprüche eines Hoheitsträgers gegen den Bürger erfasst werden und es es sich bei dem gezahlten Solidarbeitrag schon gar nicht um eine Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuches handelt. Auch ein Rückgriff auf die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. § 60 Abs. 1 VwVfG) greift aufgrund der Besonderheiten der informellen Absprache grundsätzlich fehl6. Eine Rückzahlung des Solidarbeitrags könnte sich allerdings auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs realisieren lassen, der daher Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung sein wird. 2. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch a) Grundsatz An anderer Stelle konnte bereits festgehalten werden, dass für die Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Form der condictio indebiti bei informellen Absprachen kein Raum ist, da der Zweck der erbrachten Leistung nicht in der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung besteht7. Bei Erfüllung der Absprache leisten die Beteiligten nicht auf eine bestehende Schuld,

4

Dazu Kapitel 7: C. I. „Verstoß gegen die Vereinbarung vom 08.11.2001?“. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 49a, Rz. 4; Vgl. zudem: Meyer in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 49a, Rz. 9; Siehe auch schon Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. 6 Dazu Kapitel 5: C. III. 8. „Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen, § 60 VwVfG analog?“. 7 Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 335. 5

B. Anspruchsgrundlagen und materielle Voraussetzungen

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sondern allein in der Erwartung, dass die Gegenseite ihrerseits die gemachten Zusagen einhält. Im Falle des Fehlschlagens oder der einseitigen Aufkündigung informeller Absprachen kann jedoch nach der hier vertretenen Auffassung auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Form der condictio ob rem (Zweckverfehlungskondiktion) zurückgegriffen werden8. Voraussetzung hierfür ist, dass ein von den Beteiligten vorausgesetzter, zukünftig eintretender rechtlicher oder tatsächlicher Erfolg mit der Leistungserbringung nicht eingetreten ist. Im Rahmen informeller Absprachen besteht der Leistungszweck regelmäßig darin, die zugesagte Gegenleistung, auf die ebenso kein Rechtsanspruch besteht, zu erhalten. Dieser Zweck wird daher dann verfehlt, wenn die andere Partei das zugesagte Verhalten nicht erbringt. Fraglich ist aber, welchen Zweck die Absprache vom 08.11.2001 verfolgte. Wird hierbei nämlich strikt auf die jeweilige Gegenleistung abgestellt, so ist die Annahme einer Zweckverfehlung ausgeschlossen: Seitens der Bundesregierung bestand der Zweck der Zusage darin, der GKV zeitnah finanzielle Mittel zur Verfügung stellen zu können. Der VFA dagegen verfolgte schließlich den Zweck, die Bundesregierung ihrerseits zu der Zusage zu veranlassen, auf preisregulierende Maßnahmen hinsichtlich bestimmter Medikamente jedenfalls für die Jahre 2002 und 2003 zu verzichten. Würde hierbei allein auf einen Verzicht hinsichtlich der Ausübung des Gesetzesinitiativrechts abgestellt werden, so läge vorliegend keineswegs eine Zweckverfehlung im vorgenannten Sinne vor. Allerdings wurde eingangs schon deutlich, dass es den beteiligten Unternehmen auf die generelle Verhinderung von preisregulierenden Maßnahmen ankam und nicht lediglich auf die Beeinflussung der Bundesregierung, die nur allzu leicht absprachewidrige Gesetzgebungsvorhaben aus der Mitte des Bundestages „initiieren“ kann. Im Gegenzug ist sie aber mit ihrer Regierungsmehrheit auch in der Lage, den Erlass entsprechender Gesetze zu verhindern. Schon vor diesem Hintergrund wird man daher den Zweck des Solidarbeitrags hier in einem weiteren Zusammenhang zu sehen haben. Demnach sollte die fragliche Zahlung die Verhinderung eines entsprechenden Gesetzes bezwecken, um somit das Eintreten noch weitaus höherer finanzieller Belastungen zu vermeiden. Dieser Zweck wurde zwar nicht für das Jahr 2002, so doch aber für das Jahr 2003 verfehlt, da die Unternehmen fortan der Abschlagsregelung gemäß § 130a SGB V unterworfen waren. Demnach haben die VFA-Unternehmen jedenfalls dem Grunde nach einen Anspruch auf (zumindest) teilweise Erstattung des zugewendeten Betrags. 8 Vgl. Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. Zu dieser Problematik siehe auch: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 429 ff.; Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 335 f.; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 171.

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8. Kap.: Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG

b) Vorliegen besonderer Ausschlussgründe? Der prinzipiell bestehende Anspruch auf Rückerstattung des zugewendeten Solidarbeitrags wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass die informelle Absprache rechtsunverbindlich ist und dass die leistenden Pharmaunternehmen auch gewusst haben, dass sie zu keinem Zeitpunkt zur Leistung verpflichtet gewesen sind9. Dies resultiert aus dem Umstand, dass § 814 BGB selbst im Rahmen seines direkten Anwendungsbereiches auf die condictio ob rem grundsätzlich nicht anwendbar ist10 und ebenso wenig ein darüber hinausgehender allgemeiner Rechtsgrundsatz nachweisbar ist, der die Rückforderung erbrachter Leistungen in Fällen wie dem Vorliegenden ausschließen würde. Auch der Rechtsgedanke des § 815 BGB steht einem etwaigen Rückforderungsverlangen grundsätzlich nicht entgegen, da dieser vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundsätzlich dann nicht zur Anwendung gelangen kann, wenn Ansprüche des Bürgers gegen den Staat geltend gemacht werden sollen11. Aus den gleichen Erwägungen heraus könnte dem Erstattungsanspruch der VFA-Unternehmen auch nicht der Einwand der Entreicherung entgegen gehalten werden12. c) Anspruchsgegner Fraglich ist jedoch, gegen wen ein Erstattungsanspruch vorliegend zu richten wäre, da die Absprache allein zwischen Bundesregierung und VFA (wenn auch unter Beteiligung der Kassenvertreter) getroffen wurde. Aus diesem Grunde ließe sich zunächst annehmen, dass Rückzahlungsforderungen allein gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten wären. Dagegen spricht jedoch andererseits, dass unmittelbare Empfänger und alleinige Begünstigte der Zahlung die gesetzlichen Krankenkassen gewesen sind. Insofern würde es nur folgerichtig erscheinen, dass diese den zugewendeten Betrag auch zurückerstatten müssten13. 9 Dazu im allgemeinen: Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 179. 10 OLG Köln, NJW-RR 1994, 1026, 1027; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 814, Rz. 2; Vgl. auch: HessVGH, NJW 1991, 510, 512, OVG Hamburg, NJW-RR 1995, 369, 374 (offengelassen); Erichsen in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Aufl. 2002, § 29, Rz. 26. 11 Siehe die Erläuterungen in Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. 12 Vgl. BVerwGE 36, 108, 113 f.; 71, 85, 89; Vgl. auch: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 423; OVG Hamburg, MDR 1968, 1038, 1039. 13 Auch in diesem Falle wäre vorliegend auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und nicht auf den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB zurückzugreifen. Das folgt zwar nicht bereits allein aus dem Umstand, dass es sich bei den Krankenkassen um rechtsfähige Körperschaften des öf-

B. Anspruchsgrundlagen und materielle Voraussetzungen

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Im Rahmen vertraglicher Leistungsbeziehungen handelt es sich in derartigen Fallkonstellationen häufig um Verträge zugunsten Dritter, die grundsätzlich danach zu unterscheiden sind, ob der begünstigte Dritte einen eigenen Anspruch auf die jeweilige Leistung innehat oder nicht. Beim echten Vertrag zugunsten Dritter soll nach überwiegender Auffassung der Versprechende regelmäßig einen Rückgewähranspruch allein gegen den Versprechensempfänger, nicht aber gegen die dritte Person haben14, wohingegen im Rahmen unechter Verträge zugunsten Dritter nach der Fehlerhaftigkeit des jeweiligen Leistungsverhältnisses zu differenzieren ist. Mit solchen Verträgen und der damit zusammenhängenden Problematik sind informelle drittbegünstigende Absprachen allerdings (jedenfalls in diesem Punkt) kaum vergleichbar. Im Gegensatz zu vertraglichen Vereinbarungen nämlich haben weder Versprechensempfänger noch Drittbegünstigter in irgendeiner Form einen Anspruch auf Erfüllung der zugesagten Leistung. Damit aber kann es gerade dann, wenn es wie in der hier vorgefundenen Situation um unentgeltliche Zuwendungen geht, nicht darauf ankommen, in welchem Verhältnis die Ursache für das Fehlschlagen der Absprache begründet liegt. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Begünstigung, die einem der Beteiligten infolge der getroffenen Vereinbarung zustatten kommt. Insofern lassen sich auch aus dem Rechtsgedanken der § 822, 816 Abs. 1 S. 2 BGB in gewissem Umfang einige Rückschlüsse hinsichtlich der Person des Anspruchsgegners ziehen. Begünstigte waren vorliegend allein die gesetzlichen Krankenkassen, nicht aber der Bund. Dagegen spricht auch nicht die in Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG niedergelegte Regelung, die dem Bund die Finanzierungsverantwortlichkeit für Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung auferlegt, da ein Sicherungsfall zum Zeitpunkt der Absprache noch gar nicht eingetreten war15. Auch die im vorangegangenen Kapitel angesprochene Quersubventionierung16 durch die gesetzliche Abschlagsregelung gemäß § 130a SGB V ändert hieran grundsätzlich nichts. Abgesehen davon, dass hier die Annahme einer solchen Quersubventionierung anders als im Rahmen der gesetzlichen Regelung schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus äußerst fragwürdig erscheint, handelt es sich bei der fraglichen Leistung gerade nicht um einen abgekürzten Zahlungsweg einer vofentlichen Rechts handelt (§ 4 Abs. 1 SGB V), sondern vielmehr daraus, dass der Erstattungsanspruch die Kehrseite jener Leistung darstellt, die auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen informellen Absprache erbracht wurde. Vgl. allgemein zu dieser Problematik: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 423 f.; Lorenz, LercheFS, 1993, S. 929 ff.; Für fehlgeleitete Leistungen: BVerwGE 29, 318, 319; 71, 85, 87; BSGE 61, 11, 15; BGHZ 71, 180, 183; 73, 202, 203 f. 14 Siehe zu dieser Problematik etwa: Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 812, Rz. 57; Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 812, Rz. 33 ff. 15 Zu dieser Problematik siehe auch Kapitel 6: B. II. 4. lit. a) aa) „Zahlung zugunsten des Bundes?“. 16 Vgl. ebda.: C. II. „Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe?“; Kube/Palm/ Seiler, JuS 2003, 927, 929.

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8. Kap.: Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG

rangegangenen staatlichen Mittelvereinnahmung. Die Solidarzahlung seitens der VFA-Unternehmen stellt vielmehr eine Zuwendung eigener Art an die Gesetzliche Krankenversicherung dar, nicht aber eine Leistung zugunsten des Bundes17. Als Empfänger der Solidarzahlung und tatsächlich Begünstigte sind somit die gesetzlichen Krankenkassen zur Erstattung des empfangen Betrages verpflichtet. Dabei wird man den Erstattungsanspruch in Anbetracht des hier gewählten Zahlungsmodus und der Tatsache, dass die Höhe der einzelnen Zuwendungen an die jeweilige Krankenkasse nur schwer nachvollziehbar sein dürfte, gegen den Bundesverband der Betriebskrankenkassen zu richten haben. d) Anspruchshöhe und Durchsetzbarkeit Grundsätzlich richtet sich der Erstattungsanspruch auf Herausgabe des Erlangten. Kann das Erlangte nicht herausgegeben werden, so ist prinzipiell Wertersatz zu leisten18. Die Erstattungspflicht kann jedoch in jedem Falle nur so weit reichen, wie der mit der ursprünglichen Leistung bezweckte Erfolg auch ausgeblieben ist. Demnach ist ein Erstattungsanspruch für das Jahr 2002 ausgeschlossen, da hier keine preisregulatorischen Maßnahmen umgesetzt worden sind. Durch die Einführung des § 130a SGB V zum 01.01.2003 hat die Zahlung des Solidarbeitrags dagegen für das Jahr 2003 ihren Zweck verfehlt. Dieser Zeitraum entspricht der hälftigen Laufzeit der Absprache, so dass hier von einem erstattungsfähigen Betrag in Höhe von DM 200 Mio. (in etwa A 102,3 Mio.) auszugehen ist19. Die Verjährung dieses Anspruchs richtet sich mangels spezialgesetzlicher Regelung nach den allgemeinen Vorschriften des BGB, die hier insoweit entsprechend anzuwenden sind20. Dabei braucht vorliegend nicht die Streitfrage entschieden zu werden, ob sich die Verjährung des Bereicherungsanspruchs grundsätzlich an der Frist des getilgten Anspruchs zu orientieren hat21, da von der informellen Absprache keine Erfüllungsansprüche ausgehen. Demzufolge ver17 Dazu bereits die Ausführungen in Kapitel 6: B. II. 4. lit. a) „Rechtliche Beziehungen zwischen den VFA-Unternehmen als Zahler und den Krankenkassen als Begünstigte“. 18 BVerwG, DVBl 1980, 686, 689; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 432. 19 Zinsen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann zu leisten, wenn der Bereicherte aus der ihm zugewendeten Leistung auch tatsächlich Zinsen gezogen hat. In den übrigen Fällen besteht eine dahingehende Pflicht nur in den ausdrücklich vom Gesetz vorgesehenen Fällen. Einen allgemeinen Grundsatz, dass Erstattungsbeträge prinzipiell zu verzinsen sind, existiert dagegen im öffentlichen Recht nicht. Vgl. BVerwGE 14, 1, 3; 48, 133, 136; 71, 48, 53; Siehe hierzu auch Kapitel 4: F. IV. 4. „Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch“. 20 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 435.

B. Anspruchsgrundlagen und materielle Voraussetzungen

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jähren öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche wegen fehlgeschlagener informeller Absprachen in der Regelfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt (bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste). Der Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung wegen Zweckverfehlung entsteht aber grundsätzlich erst dann, wenn endgültig feststeht, dass der bezweckte Erfolg nicht eintritt22. Vorliegend wird man dies schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BSSichG (also am 01.01.2003) annehmen können. Die genaue Kenntnis von der Person des Schuldners liegt bei informellen Absprachen bereits in der Natur der Sache begründet und dürfte daher wohl nur in äußersten Ausnahmefällen problematisch sein. Verjährung tritt demnach vorliegend erst am 31.12.2006 ein23.

II. Sonstige Ansprüche Zu prüfen bleibt, ob und inwieweit der Erlass des BSSichG neben dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch weitere Ansprüche der VFA-Unternehmen zu begründen vermag. Bereits im Rahmen des 4. Kapitel konnte dabei festgestellt werden, dass hierfür letztlich nur wenige Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen werden können24. Neben Ansprüchen wegen enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff sind sowohl Schadensersatzansprüche statt der Leistung25 als auch Folgenbeseitigungsansprüche26 aus dem Kreis der Betrachtung auszuschließen. Im Ergebnis verbleiben daher Ansprüche aus Amtshaftung gemäß Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB sowie aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo (§ 62 S. 2 VwVfG analog iVm. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB). Amtshaftungsansprüche kommen dann in Betracht, wenn jemand 21 Vgl. BGHZ 70, 389, 398; BGH, NJW 2000, 3492; Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 195, Rz. 5. 22 BGH, NJW 1989, 2745, 2747; BGHZ 35, 356, 359 f.; Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 812, Rz. 88; Erman/Westermann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 812, Rz. 52. 23 Denkbar wäre hier zwar auch, das Vorliegen der Zweckverfehlung in einem engeren, etwa monatlichen Zeitraum zu beurteilen. Auf den Eintritt der Verjährung hat dies jedoch aufgrund der Regelung in § 199 Abs. 1 BGB keinen Einfluss. 24 Siehe hierzu: F. IV. „Überblick über Erstattungs- und Schadensersatzansprüche im Falle des Fehlschlagens von Absprachen“. 25 Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat, 1981, S. 142; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 172; Beyer, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 268. 26 Vgl. Kautz, Absprachen im Verwaltungsrecht, 2002, S. 345.

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8. Kap.: Der Solidarbeitrag nach Erlass des BSSichG

in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Amtspflicht schuldhaft verletzt, die ihm einem Dritten gegenüber obliegt und dadurch einen Schaden verursacht, sofern kein Haftungsausschluss vorliegt oder sonstige Haftungsbeschränkungen eingreifen27. Entscheidend ist jedoch das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung. Dabei ist im Rahmen informeller Absprachen vorrangig die Pflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte, Belehrungen, Hinweise und Warnungen von Bedeutung28. Im Interesse eines effektiven Schutzes der berechtigten Interessen der VFA-Unternehmen traf die Bundesregierung demnach die grundsätzliche Pflicht, bereits im Vorfeld der Absprache in hinreichendem Maße über die Motive der Vereinbarung und die Umstände einer möglichen Nichteinhaltung aufzuklären. Abgesehen davon, dass man die Anforderungen an etwaige Aufklärungspflichten schon vor dem Hintergrund der offenkundig und daher jedermann bekannten dramatischen Haushaltssituation der GKV ohnehin nicht allzu hoch anzusetzen haben wird, ist eine dahingehende Pflichtverletzung vorliegend nicht nachweisbar. Eine Haftung der Bundesregierung gemäß Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB ist somit nicht gegeben. Gleiches gilt schließlich auch für einen Anspruch aus c.i.c., der im Zusammenhang mit informellen Absprachen ebenso an die Verletzung von Anzeige- und Aufklärungspflichten anknüpfen würde.

C. Ergebnis Durch die Einführung des § 130a SGB V wurde der Zweck der informellen Absprache zwischen Bundesregierung und VFA bezogen auf das Jahr 2003 verfehlt. Darauf gründet sich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der VFA-Unternehmen in Höhe von ca. A 102, 1 Mio. gegen den Bundesverband der Betriebskrankenkassen, dessen Verjährung mit Ablauf des 31.12.2006 eintritt. Im Übrigen sind weitere Ansprüche (weder gegen die begünstigten Krankenkassen, noch gegen die Bundesregierung) unter irgendeinem Gesichtspunkt begründet.

27 Für die Haftung in informellen Verhältnissen siehe auch: Spannowsky, Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, 1994, S. 453; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 160; Körner, Informelles Verwaltungshandeln im Umweltrecht, 2000, S. 175 ff.; Beyer, Der öffentlichrechtliche Vertrag, informales Handeln und Selbstverpflichtungen, 1986, S. 208; Bulling, DÖV 1989, 277, 280; Eberle, Die Verwaltung 17 (1984), 439, 449. 28 So bereits erläutert in Kapitel 4: F. IV. 2. „Amtshaftung, Art. 34 GG iVm. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB“.

Zusammenfassung und Resümee Vor dem Hintergrund der wachsenden Komplexität staatlicher Aufgaben und der hierbei zu bewältigenden Sachverhalte gewinnen zunehmend solche Handlungsinstrumente an Bedeutung, deren Wirkmechanismus auf der Grundlage eines gleichberechtigten Nebeneinanders zwischen Staat und Wirtschaft beruht. In diesem Rahmen gewinnt vor allem die Verwendung informeller Absprachen, die keiner expliziten rechtlichen Regelung unterliegen und sich scheinbar nicht in das gängige System der staatlichen Handlungsformen einordnen lassen, an Aktualität. Nicht zuletzt deshalb aber werden derartigen Vereinbarungen noch immer erhebliche Vorbehalte entgegengebracht und nachdrückliche Zweifel an ihrer rechtlichen Zulässigkeit geäußert. Auch die dieser Arbeit zugrunde liegende Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller über die kurzfristige Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV ist diesem Problemkreis zuzuordnen. Sie ist weder Rechtsnorm, noch Verwaltungsakt und auch die Qualifizierung als Zusage oder Vertrag muss mangels dahingehenden Rechtsbindungswillens im Ergebnis ausscheiden. Vielmehr wurde eine informelle Absprache getroffen, die in ihren Voraussetzungen, unmittelbaren Folgen und Wirkungen äußerst umstritten ist. Handhabbare und abschließende Kriterien für die rechtliche Beurteilung informeller Absprachen sind bisher nur in Teilbereichen entwickelt worden. Informelle Absprachen zeichnen sich in Abgrenzung zur Vertragsform durch ihre rechtliche Unverbindlichkeit aus. Einklagbare Erfüllungsansprüche werden hierdurch demzufolge nicht begründet. Allerdings gehen von ihnen häufig erhebliche faktische Zwangswirkungen aus, die in ihrer Intensität das Ausmaß rechtlicher Bindungen durchaus erreichen können. Aus der bloßen Nichteinhaltung der getroffenen Vereinbarung können jedoch keine Schadensersatzansprüche erwachsen, da es an der hierfür erforderlichen Verletzung einer Rechtspflicht fehlt. Davon unberührt bleiben Ansprüche aus Amtshaftung bzw. öffentlich-rechtlicher c.i.c. wegen Verletzung von Aufklärungs-, Beratungs- und Fürsorgepflichten. Kommt es infolge der Vereinbarung zu einem Austausch von Leistungen, so können diese im Falle der Aufsagung der Absprache im Wege des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs zurückgefordert werden. Erweist sich eine informelle Absprache dagegen von vornherein als rechtswidrig, so kann dies im Einzelfall zur Begründung von Ansprüchen aus Amtshaftung sowie c.i.c. führen. Daneben sind auch Ansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Be-

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Zusammenfassung und Resümee

tracht zu ziehen, wenn Dritte durch die getroffene Vereinbarung bzw. nachfolgende Vollzugshandlungen in ihren Rechten und geschützten Interessen verletzt werden. Die zunehmende Beliebtheit informeller Absprachen bei der Lösung komplexer Sachverhaltskonstellationen gründet sich vor allem auf ihre, gegenüber formellen Handlungsinstrumenten, wesentlich gesteigerte Effizienz und Flexibilität. Allerdings dürfen neben den von ihnen ausgehenden Vorteilen auch die bestehenden Nachteile und Risiken nicht übersehen werden. So geht vor dem Hintergrund mangelnder expliziter gesetzlicher Regelungen die Beliebtheit der Absprache in der Praxis nur allzu häufig mit der Beliebigkeit ihrer inhaltlichen Ausgestaltung einher. Problempotential ergibt sich hierbei insbesondere aus der grundsätzlichen Gefahr des Verlustes gemeinwohlorientierten staatlichen Handelns, der Gefährdung von in der Absprache nicht berücksichtigten Drittpositionen sowie der Umgehung verfahrensrechtlicher Sicherungsmechanismen. Die bestehenden Bedenken werden deshalb auch von einem Teil der Literatur als Ausgangspunkt gewählt, informellen Absprachen bereits dem Grunde nach die Zulässigkeit zu versagen. Da die geltende Rechtsordnung jedoch weder einen numerus clausus der Handlungsformen noch ein Verbot der informellen Absprache vorsieht, kann ihr jedenfalls im Grundsatz die Zulässigkeit nicht abgesprochen werden. Insofern besteht auch hier eine weitreichende (Instrumentenwahl-) Freiheit der handelnden Behörde. Im Hinblick auf den Vorrang des Gesetzes gilt dies jedoch in den Fällen nicht, in denen die Verwendung formeller Handlungsinstrumente ausdrücklich angeordnet ist bzw. wenn informelle Handlungen ausdrücklich verboten sind. Zugleich kann aber auch aus der Tatsache, dass informelle Absprachen keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung unterliegen, nicht auf die Existenz eines rechtsfreien Raumes geschlossen werden. Informelle Absprachen sind grundsätzlich einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen. Im Falle ihrer Rechtswidrigkeit dürfen sie daher zum einen nicht vollzogen werden. Zum anderen können sie im Einzelfall die Grundlage für Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche bilden. Im Allgemeinen werden informelle Absprachen sowohl im Hinblick auf die getroffene Instrumentenwahl als auch hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung durch zahlreiche verfassungsrechtliche Grundsätze begrenzt. Besondere Bedeutung kommt dabei vor allem dem Rechtsstaatsprinzip in seinen vielschichtigen Ausgestaltungen zu. Neben kompetenzrechtlichen Aspekten ist daher regelmäßig auch die Vereinbarkeit getroffener Vereinbarungen mit den grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen von Interesse. Auch Aspekte des Bundesstaatsprinzips, der Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes sowie finanzverfassungsrechtliche Anforderungen können im Einzelfall bestimmenden Einfluss auf die Rechtmäßigkeit informeller Absprachen ausüben. Zudem verhindert der dem Rechtsstaatsprinzip entspringende Grundsatz des Gesetzesvorrangs, dass die Verwendung informeller Absprachen im Ergebnis zu einer Aus-

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höhlung materieller Zielvorgaben oder zwingender verfahrensrechtlicher Grundsätze führt. Insofern kommt auch einfachgesetzlichen Faktoren prägender Einfluss zu. Daneben erscheint es jedoch (nicht zuletzt auch in Anbetracht der Ähnlichkeit zum öffentlich-rechtlichen Vertrag) gerechtfertigt, eine Vielzahl von Normen des VwVfG in analoger Anwendung heranzuziehen, wenngleich sich eine generelle Übertragung aufgrund der besonderen Charakteristik informeller Absprachen verbietet. Neben kartellrechtlichen Aspekten bestehen unter verschiedenen Gesichtspunkten regelmäßig auch gemeinschafts-rechtliche Bezüge, so dass auch hier umfassende Wechselwirkungen mit den einschlägigen Normen auftreten. Unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Anforderungen sowie der zu prüfen gewesenen besonderen Umstände des Einzelfalls, ergab sich die vollumfängliche Zulässigkeit der vorliegenden Absprache zwischen VFA und Bundesregierung sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht: Grundsätzlich ist die Zulässigkeit von Vereinbarungen über Gegenstände der Gesetzgebung aufgrund der damit verbundenen Gefahren äußerst restriktiv zu beurteilen. Allerdings gelten die bestehenden Vorbehalte in erster Linie für solche Absprachen, die unmittelbar die Ebene des Normerlasses betreffen und nicht für jene, die (wie vorliegend) auf Normvermeidung bzw. Normersetzung gerichtet sind. Auch unter finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist die getroffene Vereinbarung prinzipiell nicht zu beanstanden, da das Prinzip der Steuerstaatlichkeit grundsätzlich nicht ausschließt, dass sich der Einzelne auf freiwilliger Basis an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligt. Bei dem geleisteten Solidarbeitrag handelt es sich nicht um eine Steuer oder andere Abgabe, sondern um eine unverbindliche Zuwendung eigener Art, zu deren Annahme die Krankenkassen gemäß § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V iVm. Art. 2 AABG berechtigt waren. Da sich zudem auch keine Anhaltspunkte für einen unter Umständen bestehenden Formenmissbrauch seitens der Bundesregierung ergaben und eine generelles Verbot derartiger Vereinbarungen nicht nachgewiesen werden kann, war die Wahl der Absprache als Handlungsinstrument nicht zu beanstanden. In formeller Hinsicht ist auch bei der Verwendung informeller Absprachen zwingend die Zuständigkeitsordnung zu berücksichtigen. Dabei ist die Frage der Verbandskompetenz für den Abschluss informeller normersetzender Absprachen anhand der allgemeinen Regelungszuständigkeit für die betreffende Sachmaterie zu beurteilen, wobei es unerheblich ist, ob auch ein Gesetz gleichen Inhalts zulässig wäre. Für die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA ergab sich demnach die Zuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Die Organkompetenz für die Mitwirkung an den beschriebenen Absprachen steht allein denjenigen Stellen zu, die ihre Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren von eigenen politischen Entscheidungen abhängig machen dürfen. Da

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die Bundesregierung allein die Ausübung des eigenen Gesetzesinitiativrechts gemäß Art. 76 Abs. 1 GG zum Gegenstand gemacht hat, war sie auch funktionell zum Abschluss der Vereinbarung mit dem VFA zuständig. Unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten bedurfte es einer Zustimmung durch den Bundesrat grundsätzlich nicht. Allerdings bedürfen informelle Absprachen unter Beteiligung der Bundesregierung der einfachen Unterrichtung des Bundeskabinetts. Vorliegend war dieses Erfordernis jedoch entbehrlich, da die Vereinbarung mit dem VFA unter Mitwirkung des Bundeskanzlers getroffen wurde. Schlussendlich sind informelle normersetzende Absprachen in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Dieser Pflicht wurde im Rahmen der Vereinbarung vom 08.11.2001 durch die Presseerklärung seitens der Bundesregierung hinreichend Rechnung getragen. Einer schriftlichen Abfassung bedurfte die Absprache dagegen grundsätzlich nicht. Bezogen auf ihre materielle Rechtmäßigkeit bedürfen auch informelle Absprachen einer Ermächtigungsgrundlage, wenn sie in die Rechte Dritter eingreifen oder wesentliche Entscheidungen beinhalten, die grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehalten sind. Dagegen wird allein durch die Handlungsinstrumentenwahl das Erfordernis einer Ermächtigung noch nicht ausgelöst. Bei normersetzenden Absprachen ist hierfür auf diejenige Ermächtigung zurückzugreifen, die für die ersetzte Norm gegolten hätte. Demzufolge konnte sich die Bundesregierung vorliegend auf Art. 74 Nr. 12 GG stützen. Informelle Absprachen weisen häufig einen intensiven Grundrechtsbezug auf und können dabei ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit Eingriffsqualität aufweisen. Für die vorliegende Vereinbarung gilt dies vor allem hinsichtlich der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Regelmäßig beinhalten Absprachen allerdings zugleich auch einen faktischen Grundrechtsausübungsverzicht, der die Annahme eines Grundrechtseingriffs im Ergebnis entfallen lässt. Die dafür zu erfüllenden Voraussetzungen liegen in dem hier interessierenden Sachverhalt vor, so dass eine Grundrechtsverletzung der pharmazeutischen Unternehmen nicht gegeben war. Ebenso wenig kommt schließlich eine Verletzung von Grundrechten des VFA oder von Drittbetroffenen in Betracht. Zudem war auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), insbesondere gegenüber Apothekern und pharmazeutischen Großhändlern, aufgrund der hier bestehenden Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Betroffenen nicht anzunehmen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Instrumentenwahl als auch bezüglich des vereinbarten Inhalts der Absprache. Auch ein Verstoß gegen das prinzipiell zu beachtende Koppelungsverbot (§ 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG analog) sowie die damit zusammenhängenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes waren vorliegend nicht erkennbar. Schlussendlich war auch nicht entscheidend, ob die ursprünglich beabsichtigte gesetzliche Regelung ihrerseits rechtmäßig gewesen wäre.

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Die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA vom 08.11.2001 begegnete allerdings auch deshalb nachhaltigen Bedenken, weil sie als normersetzende Vereinbarung den Erlass eines Parlamentsgesetzes vermeiden sollte. Da dies jedoch nicht zu einer unzulässigen Vorwegbindung des Gesetzgebers geführt hat, ist die gewählte Vorgehensweise auch unter diesem Gesichtspunkt im Grundsatz nicht zu beanstanden. Ebenso wenig war die getroffene Vereinbarung mit einem rechtswidrigen Eingriff in die Verwaltungskompetenzen der Länder verbunden. Schlussendlich konnte weder ein Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG noch gegen das grundsätzlich bestehende Schenkungsverbot des Staates gegenüber Privaten festgestellt werden. Zusammenfassend entsprach die zwischen Bundesregierung und VFA am 08.11.2001 getroffene informelle Absprache vollumfänglich den zu stellenden rechtlichen Anforderungen. Dies gilt sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht. Die Bundesregierung war daher neben der Wahl der Absprache als Form staatlichen Handelns auch zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieser Vereinbarung berechtigt. Auf die Rechtmäßigkeit des nachfolgend erlassenen Beitragssatzsicherungsgesetzes hatte die Absprache aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit keinen Einfluss. Eine wechselseitige Beeinflussung von Absprache und absprachewidrigem Gesetz kann sich jedoch grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt etwaiger Rückerstattungsansprüche für solche Leistungen ergeben, die auf der Grundlage der jeweiligen Vereinbarung erbracht worden sind. Dies gilt auch für den vorliegenden Sachverhalt. Durch die Einführung des § 130a SGB V wurde der mit der Vereinbarung angestrebte Zweck jedenfalls für das Jahr 2003 verfehlt. Daraus resultiert die Existenz eines den VFA-Unternehmen zustehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Höhe von etwa A 102,1 Mio. gegen den Bundesverband der Betriebskrankenkassen. Dieser Anspruch verjährt mit Ablauf des 31.12.2006. Weitere Ansprüche bestehen im Übrigen nicht. So vorteilhaft wie der Einsatz informeller Absprachen bei oberflächlicher Betrachtung zunächst auch erscheinen mag, so bedeutsam sind zugleich auch die damit verbundenen Gefahren und Risiken. Gerade der vorliegende Sachverhalt zeigt in nur allzu deutlicher Weise auf, welches Konfliktpotential besteht, wenn der Staat zur Erfüllung seiner vielfältigen Aufgaben den Verhandlungsweg beschreitet und dabei vor allem auch auf informelle Handlungsinstrumente ausweicht. Bedenklich wird dies insbesondere dann, wenn Drittpositionen gefährdet oder rechtsstaatliche Verfahrensanforderungen unterlaufen werden, gleich ob bewusst oder unbewusst. Ohnehin wird gerade bei normersetzenden Absprachen aufgrund der bisher üblichen Verfahrensweise die Nachvollziehbarkeit staatlicher Aktivitäten nicht selten erheblich erschwert. Das zeigt auch die Absprache zwischen Bundesregierung und VFA. In deren Folge ist die Transparenz politischer Tätigkeit und

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nicht zuletzt auch die des Gesetzgebungsverfahrens sicherlich nicht gerade erhöht, wenngleich auch nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verschleiert worden. Die politische Verknüpfung von Regierung und Parlament liegt letztlich in der Natur der Sache, ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Je stärker aber von „klassischen“ Handlungsinstrumenten abgewichen wird, indem an die Stelle des einseitig-hoheitlichen Rechtsvollzugs Verhandlungsstrategien treten, desto mehr bedarf es, schon vor dem Hintergrund der aufgezeigten Gefahren, handhabbarer Kriterien der rechtlichen Erfassung und Begrenzung informellen Handelns. Auch der Gesetzgeber sollte sich den tatsächlichen Entwicklungen nicht verschließen und ist letztlich aufgerufen, in bestimmtem Umfang für Rechtssicherheit zu sorgen. Entgegen vieler Befürchtungen wäre ein Kodifikationsvorhaben nicht zwangsläufig mit dem Verlust an Flexibilität und Effektivität verbunden, zumindest aber im Hinblick auf die eintretenden positiven Effekte hinnehmbar. Informelle Absprachen sind sicher weder Allzweckwaffe, noch Wundermittel zur Lösung der künftigen Aufgaben im modernen Staat. Sie stellen aber gangbare Alternativen zum herkömmlichen Handlungsinstrumentarium insbesondere dann dar, wenn die bestehenden Handlungsformen aufgrund ihrer (systembedingten) Starrheit an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Begibt sich der Staat jedoch auf den informellen Weg, so sollte, abgesehen von der Einhaltung der geforderten rechtlichen Rahmenbedingungen, stets mit Bedacht und der gebotenen Offenheit und Ehrlichkeit agiert werden. Dies gilt nicht nur, um dem Eindruck eines verstärkten Verlustes an politischer Glaubwürdigkeit entgegenzutreten, sondern auch im Interesse einer effektiven Gewährleistung von Transparenz und Sicherheit im Rechtsstaat.

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Sachwortverzeichnis Abgabe 94, 150, 294, 297, 298 ff., 302, 418 ff., 425 Absprache 55, 61, 73, 80, 98 ff., 106 ff., 127 ff., 208 ff., 292, 349 ff., 424 – Austausch- 135, 231 ff. – Horizontal- 129, 258 ff. – informelle A. 73, 80, 98, 99 ff., 106 ff., 118 ff., 292, 349 ff., 376 ff.

Bundesregierung 30 ff., 49 ff., 81 ff., 97, 271 ff., 276, 287 ff., 297, 307 ff., 320, 323, 331, 339 f., 360 ff., 397 ff., 418, 439 ff. Bundesstaatsprinzip 207, 335 Culpa in contrahendo 194, 246, 445

158, 167, 175,

– normersetzende A. 104, 122, 132, 202, 274, 309, 326, 336 ff.

Demokratieprinzip 72, 202, 312

– Vergleichs- 135 f., 227 ff.

Einwilligung – siehe Grundrechtsverzicht Empfehlung 54, 62, 327, 358 Entreicherung 442 Erfüllungsanspruch 153 ff., 162 ff. Ermächtigungsgrundlage 347 ff. Ermessen 69, 71, 75, 104, 112, 114, 142, 167, 175, 207, 227 ff., 297, 307, 320, 366, 393, 425 Erstattungsanspruch 180, 196, 440 ff.

– Vertikal-

128, 253 ff.

Amtshaftung 162, 169 ff., 186, 189 ff., 445 Amtspflicht 172 ff. Arrangement 55, 61, 74, 138, 140 f. Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz 32, 35, 271 f. Austauschabsprache – siehe Absprache aut-idem-Regelung 33, 272, 394, 416

Beitrag 305, 330, 419, 423, 425, 436 – siehe auch Solidarbeitrag Beitragssatzsicherungsgesetz 31, 35, 171, 414 ff.

Feststellungsklage 193 Folgenbeseitigungsanspruch 188 ff., 445 Formelles Verwaltungshandeln – siehe Verwaltungshandeln Formenmissbrauch 65, 114, 116 ff., 314, 319 Freiwilligkeit 383 ff.

Betriebsausgabe 275, 282, 366 Bindungswirkung 101 ff., 112, 140, 154 ff., 183, 196, 220, 231, 310, 360 ff., 362, 390, 402, 424 Bundesfreundliches Verhalten 208, 277, 344 Bundesrat 327, 332, 335

Gebühr 305, 425 Gentlemens agreement 55, 61, 138, 140 Geschäftsgrundlage 183, 289 Gesetzesvorbehalt 110, 199, 226, 294, 347 ff. Gesetzesvorrang 70, 199, 292, 295 ff.

Sachwortverzeichnis Gesetzgebung 37 ff., 97, 122, 135, 164, 183, 202, 207, 211 ff., 225, 277 ff., 295, 307 ff., 325, 337 f., 360 ff., 386, 418 ff. Gesetzgebungskompetenz 41, 75, 311, 325 ff., 335, 418 ff. GKV 30, 39 ff., 44 ff., 414 ff. Grundrechtseingriff 312, 349 ff., 369 ff., 376 Grundrechtsverzicht 281, 377 ff., 388 Grundrechtsausübungsverzicht 379 ff. – faktischer 381 ff. Handlungsformenlehre 50, 52, 106, 109 Handlungsformverbot 298, 306 Hoheitliche Warnung – siehe Warnung Horizontalabsprache – siehe Absprache Informelle Absprache – siehe Absprache Informelles Verwaltungshandeln – siehe Verwaltungshandeln Kompetenz – Organ 331 f. – Verband 324 ff., 331 – Verwaltung 336, 365 ff. Konsens 72, 90, 100, 205, 220, 279 Kooperationsprinzip 82, 112 Koppelungsverbot 200, 231 ff., 387, 397 ff. Normersetzende Absprache – siehe Absprache Normsetzungsinitiative 308, 335, 361 f., 440 öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch – siehe Erstattungsanspruch öffentlich-rechtlicher Vertrag – siehe Vertrag Organkompetenz – siehe Kompetenz

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Rechtsstaatsprinzip 112, 115, 162 f., 176, 198 ff., 217, 232, 242, 292 ff., 400 ff. Rechtsverhältnis 52, 109 – siehe auch Verwaltungsrechtsverhältnis Regierungstätigkeit 211 f. Schenkung 285, 287 ff., 367, 409 Schlichtes Verwaltungshandeln – siehe Verwaltungshandeln Schriftformgebot 234 ff. Schwerpunkttheorie 79, 85 Selbstbeschränkungsabkommen 61, 136, 139 f., 256 Selbstbindung 160 f. Solidarbeitrag 30, 86, 274, 282, 291, 302 ff., 365 ff., 424, 439 ff. Sonderabgabe 294, 304 ff., 425 ff. Sozialstaatsprinzip 40, 162, 206, 312, 318 Steuer 298, 302 ff., 313 Tauschprinzip 101 ultra-vires-Lehre 67 f. Verband Forschender Arzneimittelhersteller – siehe VFA Verbandskompetenz – siehe Kompetenz Vergleichsabsprache – siehe Absprache Verhältnismäßigkeitsprinzip 112, 232 ff., 400 ff., 434 Veröffentlichungspflicht 342 ff. Vertikalabsprache – siehe Absprache Vertrag – öffentlich-rechtlicher 72, 77, 90 ff., 102, 219 f. – privatrechtlicher 64, 73, 77 ff. Vertrauensschutz 162 ff., 173, 185, 200, 242, 294, 424 Verwaltungsakt 50, 63, 71, 74, 87 ff., 98, 133, 182, 213, 297 ff., 334, 352, 440 Verwaltungshandeln – formelles 53

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Sachwortverzeichnis

– informelles 54, 61 – schlichtes 53 Verwaltungskompetenz – siehe Kompetenz Verwaltungsrechtsverhältnis 52, 109 Verwaltungsverfahren 59, 71, 113 ff., 204, 209, 213 f., 247 ff., 321, 421 f. VFA 33, 271 ff., 281, 285, 304, 367, 389, 441 ff.

volenti non fit iniuria 349, 356, 376 Wahlfreiheit 65 ff., 110, 114, 196 Warnung 54, 62, 172 ff., 189, 327, 358, 446 Wesentlichkeitstheorie 226, 315 ff., 351 Zusage 63, 97 ff., 172