Rechtskraft und andere Bindungswirkungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen: Einfluss der Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Entscheidung im Individualprozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer [1 ed.] 9783428542512, 9783428142514

Olivia Czerny befasst sich mit Fragen der materiellen Rechtskraft. Im Mittelpunkt der Arbeit steht das Zustimmungsersetz

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Rechtskraft und andere Bindungswirkungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen: Einfluss der Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Entscheidung im Individualprozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer [1 ed.]
 9783428542512, 9783428142514

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 321

Rechtskraft und andere Bindungswirkungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen Von

Olivia Czerny

Duncker & Humblot · Berlin

OLIVIA CZERNY

Rechtskraft und andere Bindungswirkungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 321

Rechtskraft und andere Bindungswirkungen im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen Einfluss der Entscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Entscheidung im Individualprozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Von

Olivia Czerny

Duncker & Humblot · Berlin

Die Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg, hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-14251-4 (Print) ISBN 978-3-428-54251-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84251-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In Gedenken an meinen Opa

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintertrimester 2012 vom Promotionsausschuss der Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg, als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 22. Oktober 2013 statt. Rechtsprechungs- und Literaturnachweise befinden sich auf dem Stand August/September 2013. Die Arbeit wurde mit dem Kliemt&Vollstädt-Dissertationspreis 2013 ausgezeichnet. Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Matthias Jacobs, für die große fachliche und menschliche Unterstützung sowie die lehrreiche und sehr schöne Zeit als Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl. Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Burkhard Boemke, Universität Leipzig, der mir das Arbeitsrecht während meines Studiums näher gebracht hat, für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich des Weiteren Herrn Dr. Bernhard Ulrici für seine Diskussionsbereitschaft v. a. zu Beginn der Arbeit und meinen Kollegen Barbara Richter, Nathalie Putterer, Flavia Lang, Dr. Anna Lemmerz, Friederike Besenthal, Dr. Roland Czycholl, Christopher Krois und Tino Frieling, die mir auch in den anstrengenden Phasen der Dissertation die Zeit am Lehrstuhl zu einer sehr erfreulichen Zeit gemacht haben. Herrn Michael Potschin, Frau Julia Pirk und Frau Beate Richter danke ich für das Korrekturlesen der Arbeit. Auch meinen Eltern und meinen Großeltern gebührt ein Dankeschön für die finanzielle und ideelle Unterstützung. Mein größter Dank gilt meinem Mann Mirko, ohne dessen Unterstützung diese Arbeit nicht in der Zeit zustande gekommen wäre. Hamburg, im November 2013

Olivia Czerny

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Teil 1 Arbeitsrechtliche Grundlagen

33

§ 2 Personelle Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG . . . . . .

37

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 § 6 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Teil 2 Verfahrensrechtliche Grundlagen

119

§ 7 Arbeitsgerichtliches Urteils- und Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 8 Grundsätze der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 9 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Teil 3 Bindungswirkungen

160

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 11 Konstellationen möglicher Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 § 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen . . . . . . . . . 199

Teil 4 Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

284

§ 13 Lösung über Nebenintervention und Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

10

Inhaltsübersicht

§ 14 Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 § 15 Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 16 Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 § 17 Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 18 Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 19 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Teil 5 Gesamtergebnis

307

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 31

Teil 1 Arbeitsrechtliche Grundlagen

33

§ 2 Personelle Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Personelle Einzelmaßnahmen im System des Betriebsverfassungsgesetzes C. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Historische Entwicklung der Mitbestimmungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kündigung und Versetzung von Betriebsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . II. Maßnahmen nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 34 34

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG . . . A. Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff (§ 95 Abs. 3 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfahren der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterrichtungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zustimmungseinholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustimmungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonderfall: Beteiligung bei vorläufigen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Information des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 37 37 39 39 39 39 40 40 40 41 41 41 41 42 42 42

35 35 36

12

Inhaltsverzeichnis V. Zustimmungsersetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Endgültige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebungsantrag nach § 101 S. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangsgeld nach § 101 S. 2 und 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einstweilige Verfügung und allgemeiner Unterlassungsanspruch . . . . . . IV. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonderfall: Rechte bei vorläufigen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Exkurs: Rechte des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen auf die individualvertragliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . 1. Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Einordnung der Änderungskündigung . . . . . . . . . . bb) Änderungskündigung als „normale“ Kündigung . . . . . . . . . . . cc) Prüfung der Änderungskündigung durch das Gericht . . . . . . . dd) Folgen der Mitbestimmungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderfall: vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen auf die Maßnahmen an sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelung im Betriebsverfassungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonderfall: vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG . . . . . . . . aa) Keine erneute Aktualisierung der Zuweisung . . . . . . . . . . . . . . bb) Berücksichtigung des § 63 BetrVG 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ende der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 44 45 45 45 46 46 46 47 47 49 49 49 50 50 50 51 51 51 52 52 52 52 53 53 54 54 55 56 56 56 56 57 57 57 58 58 59 59

Inhaltsverzeichnis 3. Analogie zu §§ 102 Abs. 1 S. 3, 103 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegung von § 99 BetrVG hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen . . 1. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Einstellung . a) „Nichtigkeit“ nach § 134 BGB (analog) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatsächliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unmöglichkeit der Beschäftigung durch den Arbeitgeber (a) Kollidierende Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Systematik der §§ 99 ff BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Besondere Anforderungen der rechtlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (3) Folgen der rechtlichen Unmöglichkeit auf den Vertrag des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Lohnanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Annahmeverzug und Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . (b) Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes . . . . (b) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verschulden des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Situation bis zur rechtlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . (1) Durchsetzbarkeit des Beschäftigungsanspruchs – § 275 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Leistungsinteresse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Lohnzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (b) Aufwand des Arbeitgebers zur Erfüllung der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Grobes Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Durchsetzbarkeit des Beschäftigungsanspruchs – § 275 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Persönlich zu erbringende Leistung . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unzumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) „Einfache“ Mitbestimmungswidrigkeit . . . . . . . . (bb) Vorgehen nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Folgen für den „Lohnanspruch“ des Arbeitnehmers (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit bei der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Versetzung . . a) Versetzung durch Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgen für die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erweiterung des Direktionsrechts – Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die tatsächliche Zuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vereinbarung „auch“ der früheren Bedingungen . . . . . . . (3) Nebeneinander der früheren und neuen Bedingungen wegen eines „Schwebezustands“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auswirkungen auf den Lohnanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wiederherstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Situation bis zur rechtlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . (1) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers wegen Betriebsverfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorläufige schwebende Unwirksamkeit der Maßnahme . . (3) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versetzung kraft Änderungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versetzung kraft Direktionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 79 79 79 80 81 81 82 82 82 82 83 84 84 84 85 85

86 86 87 88 88 88 88 90 90 93 93 93 94 94 95

Inhaltsverzeichnis aa) Unwirksamkeit der tatsächlichen Zuweisung . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Situation vor der rechtlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit bei der Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderfall: vorläufige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 95 96 96 97 97 98 99

5. Ergebnis Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 F. Ergebnis Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . II. Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . .

100 100 100 101

1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationspflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktion des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 101 102 103 103 103

c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Zustimmungsersetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Folgen der fehlenden Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Versetzung von Betriebsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich § 103 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterrichtung des Betriebsrats und Zustimmungseinholung . . . . . . . 2. Reaktion des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtswirkungen der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustimmungsersetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen der zustimmungswidrigen Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 104 104 104 106 106 106 107 107 107 108 108 108

1. Rechte des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Rechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 C. Ergebnis Mitbestimmung nach § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

16

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anwendungsbereich des § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mitbestimmungssicherungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Individualrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt, auf welchem das Verlangen des Betriebsrats beruht . . . 2. Anspruch des Betriebsrats auf Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unberechtigtes Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechtigtes Verlangen und gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis Mitbestimmung nach § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 111 112 112 113 113 113 113 114 116 116 116

§ 6 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Teil 2 Verfahrensrechtliche Grundlagen

119

§ 7 Arbeitsgerichtliches Urteils- und Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zulässigkeit und Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahrenssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhandlung und Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dispositionsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normen der Zivilprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 119 119 120 122 122 123 123 123 123 124

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtskraft im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formelle und materielle Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz: Beschränkung auf Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorfragen und tatsächliche Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestimmung des Rechtskraftumfangs anhand der Urteilsgründe . . aa) Abweisende Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmung des Streitgegenstands und Präklusion . . . . . . . . .

125 125 125 126 126 126 127 129 129 129 131

Inhaltsverzeichnis e) Exkurs: Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgreifliches Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erleichterte Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erweiterungen der Rechtskraftgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtskraft kraft Sinnzusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) und Eigentumsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterlassungs- und Schadensersatzklage wegen „der gleichen“ Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Präjudizielle Wirkung der Unterlassungsklage . . . . . (b) Präjudizielle Wirkung der Schadensersatzklage . . . . (c) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Leistungsklage auf Erfüllung kaufvertraglicher Hauptleistungspflichten und Feststellung des Vorliegens eines Kaufvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Wirkung inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Drittwirkung der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtskrafterstreckung kraft materieller Abhängigkeit . . . . . dd) Drittwirkung nur zu Gunsten des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Analogien zu normierten Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Einreden“ nach §§ 768 Abs. 1 S. 1, 1137 Abs. 1 S. 1, 1211 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtskrafterstreckung nach § 124 VVG . . . . . . . . . . (c) Rechtskrafterstreckung nach § 407 Abs. 2 BGB . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleich mit der Nebenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirkungen der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Negative Verfahrensvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innerprozessuale Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 132 132 133 133 134 135 136 137 138 139 139

140 142 142 143 143 143 144 144 144 146 146 146 146 147 148 148 148 149 149 149 149 150 150 151 151

18

Inhaltsverzeichnis 2. Tatbestandswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Interventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtskraft im arbeitsgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verweis auf die Zivilprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkungen zwischen Urteils- und Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligung und Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152 152 153 153 154 155 155 155 157

§ 9 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Teil 3 Bindungswirkungen § 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung zu § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine entgegenstehende Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein fehlendes Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Präjudizielle Wirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bindungswirkung der Entscheidung für den Kündigungsschutzprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Änderung der Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Noch zu beseitigende Kündigungshindernisse . . . . . . . . . . . . . c) Erweiterung auf feststellende Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur zu § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine entgegenstehende Rechtskraft wegen unterschiedlicher Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 99 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung zu § 99 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine präjudizielle Wirkung mangels Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung an die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindung an vorgreifliche Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Feststellung, dass die Zustimmung nicht erforderlich ist . . . II. Literatur zu § 99 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 160 161 161 161 162 162 162 164 164 164 164 165 165 165 166 166 168 169 169 169 170 170 172 172

Inhaltsverzeichnis

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1. Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindung an vorgreifliche Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Feststellung, dass die Zustimmung nicht erforderlich ist . . . C. § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung zu § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . 1. Ursprünglich: Ablehnung einer Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Später: „Bindungswirkung“ und „Verbindlichkeit“ der Entscheidung a) Arbeitnehmer kann Anspruch auf die gerichtliche Entscheidung stützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Wirkungen zum Nachteil des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . II. Literatur zu § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiedliche Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Beteiligung und keine präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . b) Beteiligung und präjudizielle Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitnehmer kann Anspruch auf die Entscheidung stützen . . . . D. § 99 BetrVG – Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung zu § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur zu § 104 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine entgegenstehende Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Präjudizielle Wirkung entsprechend § 103 Abs. 2 BetrVG . . . . . . b) Keine präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Bindungswirkung in anderen Konstellationen des Beschluss- und Urteilsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betriebsänderung und Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinsamer Betrieb und Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Betriebsvereinbarung (Sozialplan) und Abfindungsanspruch . . . . . . . . .

173 173 173 173 173 174 174 175 175 176 176 177

§ 11 Konstellationen möglicher Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 103 Abs. 1, 2 BetrVG – Kündigung eines Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . B. § 103 Abs. 3 BetrVG – Versetzung eines Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . C. § 99 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 177 178 178 178 178 179 179 180 181 181 182 182 182 182 182 183 184 184 185 186 186 187 187 188 188

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Inhaltsverzeichnis II. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderungskündigung vor dem Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkung auf die Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkung auf die erneute (Änderungs-)Kündigung . . . . . . . . . . 2. Änderungskündigung nach dem Zustimmungsersetzungsverfahren . . III. Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direktionsrecht zu Lasten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Direktionsrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. § 99 BetrVG – Ein- oder Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. § 99 BetrVG – Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer nach § 104 BetrVG . . . . . . . . . . I. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antragsstattgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Antragsablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Feststellungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Sonderfall: Beschlussverfahren nach dem Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachteilige Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgewiesene Klage des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfolgreiche Klage des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteilige Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgewiesene Klage des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfolgreiche Klage des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 189 189 189 190 190 190 191 191 192 192 192 192 193 193 193 194 194 195 195 195 195 196 197 197 198 198 198 199 199

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen . . . . . . A. Kein übergreifendes Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine entgegenstehende Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bindungswirkung als eigenes prozessuales Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . III. Bindungswirkung aufgrund der Repräsentation durch den Betriebsrat . . IV. Bindungswirkung aufgrund Besonderheiten des materiellen Rechts . . . . 1. Übertragung der Argumentation zum Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . 2. Materielle Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 9 TVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 200 200 201 202 203 203 204 204 205

Inhaltsverzeichnis

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V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG – Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zustimmungsersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkung der Rechtskraft – Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang der Rechtskraft im Zustimmungsersetzungsverfahren (1) Streitgegenstand: Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderheiten der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtskraft des Rechts auf Gestaltung . . . . . . . . . . . . (aa) Recht auf Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Rechtskraft des Streitgegenstands – Recht auf Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Probleme und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtskraft des Gestaltungsgrunds . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bestimmung des Gestaltungsgrunds . . . . . . . . . . (bb) Rechtskraft des Gestaltungsgrunds . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bestimmung der Rechtskraft mit Hilfe der Urteilsgründe (4) Vergleich von Feststellungsklage und Gestaltungsklage . (a) Herleitung des Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Probleme im Falle der abweisenden Entscheidung . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Übertragung auf § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage im Kündigungsschutzprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 626 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Berücksichtigung kollektiver Interessen . . . . . . . . . . . (b) Berücksichtigung der Stellung als Betriebsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Stellung als Betriebsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kollektive Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Folgerungen aus dem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . (bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 205 205 206 206 207 207 207 208 208 208 210 210 210 212 213 213 213 214 215 216 218 218 219 219 220 220 221 221 221 222 222 222 222 225 226 227

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Inhaltsverzeichnis (ff) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . (gg) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitnehmer als Beteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausreichender Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Untersuchungsgrundsatz als Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Doppelbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtsanwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Mehrbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wahrnehmung individueller Interessen im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zurückgewiesener Zustimmungsersetzungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausspruch im Tenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teil der Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tragende Gründe zur Auslegung des Tenors . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkung auf die Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen auf die Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsmittelbeschwer des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirkung der Rechtskraft – Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. § 99 BetrVG – Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 99 Abs. 4 BetrVG und die Frage des Kündigungsgrunds . . . . . . . . a) Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Tatbestandswirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 229 229 229 230 230 230 230 231 232 232 232 233 234 236 236 236 236 236 237 237 238 238 239 240 240 240 240 240 243 243 244 244 244 244 246 247 248 249

Inhaltsverzeichnis a) Beteiligung keine Voraussetzung der „Tatbestandswirkung“ . . . . b) Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materielle Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 99 BetrVG schützt nicht den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . cc) Vorrang der Rechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rein „kollektive“ Ausrichtung der Zustimmungsverweigerungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Untersuchungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine spezielle Anordnung durch § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . bb) § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unmittelbare Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Betroffenheit in betriebsverfassungsrechtlicher Position (a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kollektive Rechte als Gegenstand des Beschlussverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ausdrückliche Anordnung der Beteiligung in anderen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relevanz von Bindungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungskündigung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswirkung auf die Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkung auf die erneute (Änderungs-)Kündigung . . . . . . b) Änderungskündigung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren 2. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erneute (Änderungs-)Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungskündigung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erneute (Änderungs-)Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 249 249 250 250 251 251 251 252 252 253 253 253 253 254 254 255 256 256 258 259 260 260 261 261 261 261 261 262 262 262 262 263 263 263 263 263

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Inhaltsverzeichnis b) Änderungskündigung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren 4. Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direktionsrecht bei der Versetzung zu Lasten des Arbeitnehmers . . . a) Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Versetzungsweisung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versetzungsweisung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Direktionsrecht bei der Versetzung zu Gunsten des Arbeitnehmers . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonderfall: Anspruch des Arbeitnehmers nach § 81 Abs. 4 SGB IX . . . E. § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Verbindlichkeit“ aus Gründen des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleich mit der Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektive Wirkung der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheit der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung . . . . . aa) Rechtskraft hinsichtlich der konkreten Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtskraft hinsichtlich getroffener Feststellungen . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erweiterung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft . . . . . . . . . . c) Wirkung nur zu Gunsten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. § 99 BetrVG – Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer nach § 104 BetrVG . . . . . . . . . . I. Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 265 265 266 266 266 267 267 267 267 268 268 269 269 270 270 270 271 271 271 272 272 272 272 273 274 274 274 274 275 275 275 275 276 277 277 277 277

Inhaltsverzeichnis

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1. Präjudizielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt als Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auf rechtlicher Unmöglichkeit beruhende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Tatbestandswirkung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Analogie zu § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligter i. S. d. § 83 Abs. 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Sonderfall: Beschlussverfahren dem Urteilsverfahren nachgelagert . . . . . . . I. Gesamtergebnis Bindungswirkung in den relevanten Konstellationen . . . . .

278 278 278 278 278 279 279 279 279 280 280 280 281 281

Teil 4 Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung § 13 Lösung über Nebenintervention und Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Nebenintervention und Streitverkündung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweichende Regelung in den §§ 81 bis 84 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen und Folgen von Nebenintervention und Streitverkündung I. Nebenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Erstprozess – Rechtsstellung des Nebenintervenienten . . . . . . b) Wirkungen der Nebenintervention im Folgeprozess . . . . . . . . . . . II. Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirkungen der Streitverkündung im Erstprozess . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen der Streitverkündung im Folgeprozess . . . . . . . . . . . . . C. Streitverkündung und Nebenintervention in den relevanten Konstellationen I. Nachteilige Maßnahmen – Nebenintervention des Arbeitnehmers . . . . . II. Nachteilige Maßnahmen – Streitverkündung des Arbeitgebers . . . . . . . III. Vorteilhafte Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 284 285 285 286 289 289 289 289 289 289 290 290 290 291 291 291 292 292 292 292

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Inhaltsverzeichnis IV. Nachfolgendes Beschlussverfahren – nachteilige Versetzung . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausweitung der Voraussetzungen und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293 294 294 295

§ 14 Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 A. Beiladung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 15 Zwischenfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 16 Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen der Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299 300 300 301 304

§ 17 Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 18 Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ein- und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

304 304 305 305

§ 19 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Teil 5 Gesamtergebnis

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

§ 1 Einleitung A. Problembeschreibung Das Arbeitsverhältnis wird häufig nicht lediglich durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber geprägt. Vielmehr haben Gewerkschaften und Betriebsräte in unterschiedlichem Ausmaß Einfluss auf die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Auch wenn das Kollektiv- und das Individualarbeitsrecht grundsätzlich nebeneinander bestehen, greifen beide Rechtsbereiche oftmals ineinander und können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Will der Arbeitgeber eine personelle Einzelmaßnahme vornehmen, muss er nicht nur gegenüber dem Arbeitnehmer bestimmte Regeln und Formalien, wie z. B. die Schriftform der Kündigungserklärung gemäß § 623 BGB, einhalten. Vielmehr sind in Betrieben mit Betriebsrat auch die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten, etwa die Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Bei einigen personellen Einzelmaßnahmen wie der Einstellung, der Versetzung und der Ein- und Umgruppierung (§ 99 BetrVG) sowie der außerordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern1 muss der Arbeitgeber sogar die Zustimmung des Betriebsrats einholen (§§ 99 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, 103 Abs. 1 BetrVG). Dieses Ineinandergreifen wirft viele materiellrechtliche Fragen auf, die sich v. a. in den Fällen des Zustimmungserfordernisses auch prozessual fortsetzen. Stimmt der Betriebsrat der Maßnahme nicht zu und möchte der Arbeitnehmer gegen die Maßnahme vorgehen, kann es zu zwei Verfahren kommen: dem Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinsichtlich der verweigerten Zustimmung und dem Urteilsverfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich der konkreten Maßnahme. Ersteres muss der Arbeitgeber einleiten, wenn er mit dem Betriebsrat keinen Konsens erreichen kann, weil dieser der geplanten Maßnahme nicht zustimmt und der Arbeitgeber dennoch an seinem Vorhaben festhalten will. Er muss bei einer verweigerten Zustimmung zu einer geplanten Versetzung, Einstellung, Ein- und Umgruppierung nach § 99 Abs. 4 BetrVG im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Zustimmung ersetzen lassen. Gleiches gilt im Falle der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Unabhängig vom Ausgang dieses Rechtstreits 1 Das Zustimmungserfordernis erfasst nach § 103 Abs. 1 BetrVG auch Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie Wahlbewerber. Sofern in dieser Arbeit von Betriebsratsmitgliedern gesprochen wird, gilt entsprechendes auch für die anderen in § 103 Abs. 1 BetrVG aufgezählten Belegschaftsvertreter.

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§ 1 Einleitung

kann der Arbeitnehmer auf individualrechtlicher Ebene die Maßnahme des Arbeitgebers angreifen. Er kann z. B. eine Kündigungs- oder Änderungsschutzklage erheben, die Unwirksamkeit einer kraft Direktionsrechts erfolgten Versetzung feststellen lassen oder den Lohn nach der seines Erachtens zutreffenden Vergütungsgruppe einklagen. Nach dem gesetzlichen Leitbild kann der Arbeitgeber erst nach erfolgreicher Zustimmungsersetzung die jeweilige Maßnahme durchführen. Aber auch wenn der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren zunächst nicht einleitet und die personelle Einzelmaßnahme mitbestimmungswidrig durchführt, kann es sowohl zu einem Beschlussverfahren als auch zu einem Urteilsverfahren kommen. Gemäß § 101 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber gerichtlich aufgeben lassen, die Maßnahme aufzuheben. Möchte der Arbeitgeber an der Maßnahme festhalten, muss er das Mitbestimmungsverfahren einleiten und ggf. einen Zustimmungsersetzungsantrag stellen. Ebenfalls zwei Verfahren sind denkbar, wenn es im Rahmen von § 104 BetrVG zu Streitigkeiten kommt. Anders als in den Fällen der §§ 99, 103 BetrVG obliegt hier die Initiative dem Betriebsrat. Die Norm gibt ihm die Möglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen die Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer zu verlangen (S. 1). Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Maßnahme durchzuführen (S. 2 Hs. 1). Entspricht der Arbeitgeber schließlich dieser Aufforderung, kann er sich im Urteilsverfahren dem Arbeitnehmer gegenübersehen, der die Wirksamkeit der (Änderungs-)Kündigung oder Versetzungsweisung angreift. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise das vorherige Beschlussverfahren Auswirkungen auf den Individualprozess hat. Vielfach wurde im Beschlussverfahren gerichtlich schon eine Frage geprüft, die auch im Individualprozess streitentscheidend ist: Beantragt der Arbeitgeber die Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds, prüft das Gericht, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Im Individualprozess steht im Mittelpunkt, ob ein die Kündigung rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt (§ 626 BGB), d.h. ob dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In beiden Fällen geht es demnach um eine umfassende Interessenabwägung, so dass zwei Fragen geprüft werden, die sich sehr nahestehen, wenn nicht gar identisch sind. Wird im Beschlussverfahren um die Zustimmung zu einer Ein- oder Umgruppierung gestritten und eine Vergütungsgruppe als zutreffend oder nicht zutreffend beurteilt und klagt der Arbeitnehmer auf Lohn entsprechend einer bestimmten Vergütungsgruppe, überschneiden sich auch hier die Gegenstände der Prüfung.

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Gleiches gilt für die vom Arbeitgeber angestrebte Versetzung: Verweigert der Betriebsrat beispielweise die Zustimmung, weil der Arbeitnehmer nach seiner Auffassung benachteiligt wird (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG), und wehrt sich der Arbeitnehmer gegen die Versetzung, weil diese entgegen billigem Ermessen erfolgte (§§ 315 BGB, 106 GewO), wird sich das Gericht in beiden Fällen mit der Benachteiligung auseinandersetzen. Kann der Arbeitgeber keine Zustimmungsersetzung zur Einstellung erreichen, hat aber den Arbeitsvertrag bereits geschlossen,2 wird er dem Arbeitnehmer kündigen wollen. Ist die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt, etwa weil sich der Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über sechs Monate hingezogen hat oder ein befristetes Arbeitsverhältnis verlängert wird,3 wird der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben. Sofern das Kündigungsschutzgesetz in dieser Konstellation anwendbar ist, ist entscheidend, ob sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung im Beschlussverfahren berufen kann. Ähnlich ist das Problem gelagert, wenn er einem Arbeitnehmer wegen störendem Verhaltens i. S. d. § 104 S. 1 BetrVG kündigen muss und der Arbeitnehmer die Kündigung angreift. Fraglich ist nun, ob die im Zustimmungsersetzungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse auch im Individualprozess rechtlich bindend verwertet werden können. Damit im Zusammenhang steht die Frage, ob der Arbeitnehmer im Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen ist. Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält keine ausdrückliche Antwort. Lediglich für das Zustimmungsersetzungsverfahren wegen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ordnet § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Beteiligung des Arbeitnehmers an. Eine gesetzliche Anordnung, etwa über eine Rechtskrafterstreckung oder sonstige Bindungswirkungen, fehlt allerdings. Die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze sprechen auf den ersten Blick eher gegen eine Bindungswirkung: Die wichtigste Bindungswirkung zwischen gerichtlichen Entscheidungen ist die Rechtskraft. Gemäß § 325 Abs. 1 ZPO wirkt die Rechtskraft nur inter partes, also zwischen den Parteien. § 99 Abs. 4 BetrVG sieht aber eine Beteiligung des Arbeitnehmers nicht vor. Damit würde eine Rechtskrafterstreckung jedenfalls in Fällen des § 99 Abs. 4 BetrVG ausscheiden. Sie käme nur bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds in Betracht, welches gemäß § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG am Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen ist. Sachlich erstreckt sich die Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO nur auf den Anspruch, über den entschieden wurde. Dieser erschöpft sich hier dem ersten 2 Die Zustimmung hat keinen Einfluss auf den Arbeitsvertrag, GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128; s. dazu S. 51. 3 BAG NZA 2000, 721, 722; NZA 1990, 221 ff; KR-Griebeling, § 1 KSchG Rn 111; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 27 m.w. N.

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Anschein nach in der Zustimmung des Betriebsrats zu den geplanten Maßnahmen. Vorfragen, wie beispielsweise das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Falle der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds oder die richtige Vergütungsgruppe bei Ein- und Umgruppierungen, sind nicht erfasst. Damit würden Auswirkungen des Beschlussverfahrens auf den Individualprozess in diesen Konstellationen ausscheiden. Ob und in welchem Umfang über die allgemeinen Grundsätze hinaus eine Bindungswirkung anzunehmen ist und auf welcher rechtsdogmatischen Grundlage diese steht, soll mit dieser Arbeit untersucht werden. Dabei ist v. a. auf die Rechtsprechung einzugehen, die für Konstellationen des § 103 BetrVG eine „präjudizielle Wirkung“ 4 annimmt und sich im Kündigungsschutzstreit hinsichtlich des wichtigen Grunds grundsätzlich an die Entscheidung des Beschlussverfahrens gebunden fühlt. Die Gerichte gehen davon aus, dass das Beschlussverfahren den Kündigungsschutzprozess vorwegnimmt.5 In den Fällen der Ein- und Umgruppierung, in denen das Bundesarbeitsgericht die Beteiligung des Arbeitnehmers ablehnt, soll diese Bindung dagegen nur zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehen.6 Für Entscheidungen im Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich der Versetzung, in dem der Arbeitnehmer ebenfalls nicht Beteiligter sein soll, wird eine präjudizielle Wirkung gänzlich abgelehnt.7 Im Rahmen des § 104 BetrVG beteiligen die Landesarbeitsgerichte den Arbeitnehmer entsprechend § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG. Darüber hinaus nehmen sie eine präjudizielle Bindungswirkung an und folgen damit konsequent der Rechtsprechung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds.8 Im Individualrechtsstreit steht die Rechtmäßigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen Maßnahme demnach ebenfalls fest. Damit sind verschiedene Fragen aufgeworfen: Es ist zu klären, was unter der „präjudiziellen Wirkung“ zu verstehen ist und wie sich dieser Begriff in die allgemeinen Regelungen zur Rechtskraft einordnen lässt. Weiterhin ist zu untersuchen, was sachlich von dieser Bindung erfasst sein kann. Darüber hinaus ist auch darauf einzugehen, ob auch einseitige Bindungen, etwa zu Gunsten des Arbeitnehmers, denkbar sind. Außerdem ist zu prüfen, inwiefern der Arbeitnehmer am Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen ist, wenn sich die Entschei4 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448 (II.3.a.); LAG B-W NZA-RR 2010, 102, 104. 5 BAG NZA 2000, 1106; NZA 1993, 501; NZA 1986, 467; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 447r (II.3.); Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 16 Bl. 1106 (III.2.); Hess. LAG vom 26.11.2009 – Az. 5 Ta 603/09 Rn 7 (juris); LAG B-W NZARR 2010, 102, 104. 6 BAG NZA 1995, 484; vgl. auch BAG NZA 2009, 505, 508. 7 Vgl. BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 391R f (II.3.); Sächs. LAG NZA-RR 2001, 641 f. 8 LAG Hamm vom 23.10.2009 – Az. 10 TaBV 39/09; LAG B-W vom 24.1.2002 – Az. 4 TaBV 1/01.

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dung auf „seinen“ Individualprozess auswirkt. Ebenfalls ist auf Drittbeteiligungsformen einzugehen, die in anderen Verfahrensordnungen vorgesehen sind, wie etwa Nebenintervention und Streitverkündung im Zivilprozess sowie die Beiladung in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

B. Gang der Untersuchung Kern der Untersuchung sind Bindungswirkungen zwischen Entscheidungen im Beschluss- und Urteilsverfahren im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen. Schon der Titel der Arbeit verrät, dass es sich dabei zu einem großen Teil um Probleme der Rechtskraft handelt. Daher sind allgemein die Grenzen der Rechtskraft und etwaige Besonderheiten im arbeitsgerichtlichen Verfahren als ein Teil der Vorüberlegung darzustellen (Teil 2 – Verfahrensrechtliche Grundlagen). Aufgrund des Umfangs der Rechtskraftproblematik und der kaum überschaubaren Kasuistik kann die vorliegende Arbeit allerdings keinen abschließenden Überblick über die vertretenen Positionen geben. Es werden daher die Grundzüge dargestellt und die für das hiesige Thema relevanten Fragen näher beleuchtet. Bevor jedoch der verfahrensrechtliche Aspekt überhaupt relevant wird, muss im Vorfeld untersucht werden, wie sich die Betriebsverfassungswidrigkeit auf die individualrechtliche Grundlage auswirkt. Im Falle der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ergibt sich die Rechtsfolge aus § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V. m. § 134 BGB. Die Zustimmung des Betriebsrats ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung.9 Lehnt das Gericht eine Zustimmungsersetzung ab, stellt sich die Frage nach einer Bindungswirkung der Entscheidung im Beschlussverfahren für den Individualprozess nicht, da die Kündigung an einem materiellen Mangel leidet. Für § 99 BetrVG fehlt aber eine solche gesetzliche Anordnung. Gleichwohl sind Auswirkungen der fehlenden Zustimmung auf das Individualrechtsverhältnis denkbar. Konkret ist daher zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen § 99 BetrVG die arbeitsvertragliche Grundlage, wie beispielsweise die Änderungskündigung, den Arbeitsvertrag oder den Änderungsvertrag unwirksam, macht. Weiterhin ist zu prüfen, ob sich die Mitbestimmungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme an sich, d.h. die Eingliederung in den Betrieb oder Beschäftigung auf dem neuen Arbeitsplatz, „durchschlägt“. Sind diese Fragen zu bejahen, kommt es zur Problematik der Bindungswirkung der Gerichtsentscheidungen jedenfalls dann nicht, wenn der Betriebsrat nicht zugestimmt hat und auch eine gerichtliche Zustimmungsersetzung nicht vorliegt. Wie auch im Rahmen des § 103 BetrVG würde allein die fehlende Zustimmung und damit die Betriebsverfassungswidrigkeit das Verhältnis zwischen Arbeitneh9

Richardi-Thüsing, § 103 Rn 55.

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§ 1 Einleitung

mer und Arbeitgeber berühren. Der Arbeitnehmer könnte sich dann direkt auf die Betriebsverfassungswidrigkeit „berufen“ und das Gericht müsste dies auf materieller Ebene berücksichtigen. Obwohl sich diese Arbeit in erster Linie mit Bindungswirkungen von Entscheidungen befasst, sollen die Auswirkungen der Betriebsverfassungswidrigkeit auf die personellen Einzelmaßnahmen näher untersucht werden. Nur so kann aufgezeigt werden, dass eine in sich stimmige Lösung vorliegt. Um sich der Thematik zu nähern, ist zunächst aufzuzeigen, welche personellen Einzelmaßnahmen es gibt und wie sich die Beteiligung des Betriebsrats vollzieht (Teil 1 – Arbeitsrechtliche Grundlagen). Nachdem beide „Vorfragen“ geklärt sind, werden im Hauptteil (Teil 3 – Bindungswirkungen) zunächst die Rechtsprechung und Literatur zur Problematik der Bindungswirkung dargestellt (§ 8). Da sich die Gerichte bisher aber nur mit einem Teil der vorstellbaren Fälle befasst haben, werden anschließend alle Konstellationen aufgezeigt, in denen eine Bindungswirkung relevant werden kann (§ 9). Schließlich folgt der Kernteil der Arbeit: die Analyse der zuvor beschriebenen Konstellationen (§ 10). In diesem Rahmen werden die Grundsätze der Rechtskraft auf die beschriebenen Konstellationen angewandt und ggf. Möglichkeiten der Erweiterungen diskutiert. Weiterhin wird untersucht, ob Nebenintervention und Streitverkündung, die Beiladung, eine Zwischenfeststellungsklage oder aber die Aussetzung des Verfahrens zu einer Lösung beitragen können (Teil 4 – Möglichkeiten der Entscheidungsharmonisierung10). In einem letzten Punkt ist aufzuzeigen, ob ein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich ist und wie dieses aussehen kann (ebenfalls Teil 4).

10 Begriff nach Tappe, Möglichkeiten der Entscheidungsharmonisierung zwischen arbeitsgerichtlichem Urteils- und Beschlußverfahren.

Teil 1

Arbeitsrechtliche Grundlagen § 2 Personelle Einzelmaßnahmen A. Allgemeines §§ 99–105 BetrVG sind überschrieben mit dem Titel „Personelle Einzelmaßnahmen“. Darunter fallen die Einstellung, die Versetzung, die Ein- und Umgruppierung sowie die Kündigung von Arbeitnehmern. In all diesen Fällen ist der Betriebsrat, wenn auch auf unterschiedliche Weise, zu beteiligen. Bei der Einstellung, der Versetzung sowie der Ein- und Umgruppierung ist er in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern zu unterrichten, und der Arbeitgeber hat seine Zustimmung einzuholen (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Diese kann der Betriebsrat aus den im § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Gründen verweigern. Erreicht der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats nicht, kann er sie nach § 99 Abs. 4 BetrVG vom Arbeitsgericht ersetzen lassen. Verzichtet er unrechtmäßigerweise auf die Beteiligung des Betriebsrats und führt die Maßnahme ohne dessen Zustimmung durch, kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht die Aufhebung der Maßnahme beantragen. Eine rechtskräftige, zu seinen Gunsten ergangene Entscheidung kann er mit einem Zwangsgeld durchsetzen. Lediglich in Eilfällen ist der Arbeitgeber befugt, ohne Beteiligung des Betriebsrats vorübergehend zu handeln, muss den Betriebsrat aber umgehend unterrichten (§ 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Äußert der Betriebsrat in solchen Eilfällen aber Bedenken, darf der Arbeitgeber die Maßnahme nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung beantragt, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Im Rahmen einer Kündigung beschränkt sich die Beteiligung des Betriebsrats dagegen auf eine Anhörung (§ 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Nur im Fall der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds bedarf es der Zustimmung des Betriebsrats (§ 103 Abs. 1 BetrVG). All diese Maßnahmen gehen von einer Initiative des Arbeitgebers aus: Er will personelle Veränderungen durchführen und muss den Betriebsrat beteiligen. § 104 BetrVG sieht dagegen einen Fall vor, in dem der Betriebsrat selbst die Initiative ergreifen kann. Aus bestimmten Gründen kann er vom Arbeitgeber verlangen, einen Arbeitnehmer zu versetzen oder ihm gar zu kündigen (S. 1). Kommt

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

der Arbeitgeber diesem Verlangen nicht nach, kann sich der Betriebsrat an das Arbeitsgericht wenden und dem Arbeitgeber aufgeben lassen, diese Maßnahme durchzuführen (§ 104 S. 2 Hs. 1 BetrVG). Setzt der Arbeitgeber die gerichtliche Entscheidung nicht um, kann der Betriebsrat wiederum mit einem Zwangsgeldantrag beim Arbeitsgericht seine Rechte durchsetzen (§ 104 S. 2 Hs. 2 BetrVG).

B. Personelle Einzelmaßnahmen im System des Betriebsverfassungsgesetzes Die personellen Einzelmaßnahmen gehören ebenso wie die „allgemeinen personellen Angelegenheiten“ (§§ 92–95 BetrVG) und die Maßnahmen der Berufsbildung (§§ 96–98 BetrVG) zu den „personellen Angelegenheiten“, die im fünften Abschnitt des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt sind. Die „allgemeinen personellen Angelegenheiten“ beschäftigen sich mit Personalplanung, Beschäftigungssicherung, Ausschreibung von Arbeitsplätzen, Personalfragebögen und Auswahlrichtlinien und sind eher im Vorfeld von Beschäftigungsverhältnissen angesiedelt. Eng damit gehen die Regelungen zur Berufsbildung einher, die es ermöglichen sollen, dass sich die Arbeitnehmer den Veränderungen der Arbeitswelt anpassen. Sie sind daher als Unterfall der „allgemeinen personellen Angelegenheiten“ zu sehen.1 Die Regelungen betreffen i. d. R. eine Vielzahl von Arbeitnehmern. Die Regelungen der personellen Einzelmaßnahmen haben zwar auch Auswirkungen auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern, da sich durch personelle Einzelmaßnahmen wie Einstellung, Versetzung, Ein- und Umgruppierung sowie Kündigungen der Status quo innerhalb der Belegschaft verändert. Allerdings steht im Mittelpunkt einer solchen Maßnahme stets ein konkreter Arbeitnehmer.

C. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz insgesamt sind unterschiedlich ausgeprägt. Zum Teil werden ihm nur Mitwirkungsrechte eingeräumt, dem Arbeitgeber in seiner Entscheidung letztlich aber freie Wahl gelassen (vgl. z. B. §§ 90, 96, 106, 111 BetrVG). Teilweise handelt es sich aber auch um „echte“ Mitbestimmungsrechte. Hier kann der Betriebsrat den Arbeitgeber hindern, bestimmte Maßnahmen zu treffen (§§ 99, 103 BetrVG) oder mit ihm gemeinsam verbindliche Regelungen für die Arbeitnehmer schaffen, etwa durch eine Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG). In sozialen Angelegenheiten ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen (§ 87 BetrVG). Solche „echten“ Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berühren sowohl die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers als auch die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien.2 1 2

Richardi-Thüsing, Vor §§ 92–95 Rn 5. Vgl. Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 15 ff.

§ 2 Personelle Einzelmaßnahmen

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Die Mitbestimmung hinsichtlich der personellen Einzelmaßnahmen bewegt sich vorwiegend im Bereich der „echten“ Mitbestimmung: Der Arbeitgeber muss vor einer Einstellung, Versetzung, Ein- oder Umgruppierung sowie vor der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Vorher darf er die Maßnahme nicht umsetzen. Lediglich bei der hier nicht näher zu untersuchenden Kündigung eines Arbeitnehmers, der nicht der Belegschaftsvertretung angehört, bedarf es nur der Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG).

D. Historische Entwicklung der Mitbestimmungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz I. Kündigung und Versetzung von Betriebsratsmitgliedern Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 stellte die Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern unter keinen besonderen Schutz. Dieser war nur auf individualrechtlicher Ebene in §§ 15, 16 KSchG vorgesehen. Entsprechend der heute geltenden Fassung des § 15 KSchG war die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nur aus wichtigem Grund oder bei Betriebsstilllegung möglich (§ 15 KSchG 1951). Mit der Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes sollte ein zusätzlicher Schutz der Belegschaftsvertretung erreicht werden.3 Gemäß § 103 BetrVG 1972, der in Abs. 1 und 2 der heutigen Fassung entspricht, wurde die außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern an die Zustimmung des Betriebsrats geknüpft. Ziel war es, dass Mitglieder der genannten Vertretungen nicht willkürlich aus dem Betrieb entfernt werden können. Damit sollte die Funktionsfähigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Organe gesichert und die Kontinuität der Amtsführung garantiert werden. Nur der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gewährleistet diesen Schutz nicht. Der Arbeitgeber könnte den Arbeitnehmer durch eine außerordentliche Kündigung zunächst aus dem Betrieb entfernen. In einem ggf. langwierigen Kündigungsschutzstreit wäre dann die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu prüfen. In der Zwischenzeit könnte der Arbeitnehmer seine betriebsverfassungsrechtlichen Funktionen jedoch nicht ausüben. Durch das Zustimmungserfordernis soll genau das verhindert werden. Der Arbeitnehmer kann jedenfalls so lange seiner Betriebsratstätigkeit nachgehen, bis das Gericht die Zustimmung ersetzt hat.4 Damit wird auch der Gefahr vorgebeugt, dass der Betroffene durch Verfahrensverschleppung seitens des Arbeitgebers dem Betrieb entfremdet und „ausgeschaltet“ wird.5 Im Zuge der Gesetzesänderung wurde auch 3 BR-Drs. 715/70, S. 53 zu § 103; BT-Drs. VI/1786, S. 53 zu § 103; vgl. auch BAG NZA 1985, 254, 256; NJW 1982, 2891, 2892. 4 s. u. S. 225. 5 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 1.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

der personelle Schutzbereich des § 15 KSchG, der ebenfalls § 103 BetrVG entspricht, erheblich erweitert und auf Mitglieder anderer Arbeitnehmervertretungen (Jugendvertretung, Bordvertretung, Seebetriebsräte, Personalvertretung und deren Jugendvertretung) erstreckt.6 Durch das BetrVerf-ReformG vom 23.7.20017 wurde in § 103 Abs. 3 BetrVG der Schutz vor Versetzungen neu eingefügt. Damit klärte der Gesetzgeber den bis dahin bestehenden Streit, ob § 103 BetrVG auch auf Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern anwendbar ist,8 und reagierte v. a. auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts,9 das diese Frage verneinte.10 Ein Schutzbedürfnis besteht v. a. deshalb, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Wege der Versetzung aus dem Amt drängen kann, etwa wenn er ihn in einen anderen Betrieb versetzt und dieser somit nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG sein Amt verliert. II. Maßnahmen nach § 99 BetrVG Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 regelte die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten in §§ 60 bis 63. § 60 Abs. 2 BetrVG 1952 legte fest, dass Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen als personelle Maßnahmen i. S. d. Gesetzes zu qualifizieren sind. Nach § 61 BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat bei Einstellungen mitzubestimmen. Er war zu informieren und konnte Bedenken äußern. Allerdings war der Arbeitgeber berechtigt, trotz dieser Bedenken die Einstellung durchzuführen. Gerichtliche Schritte gegen die Einstellung einzuleiten, war Sache des Betriebsrats. Er konnte gerichtlich feststellen lassen, dass ein in § 61 Abs. 3 BetrVG 1952 genannter Grund zur Zustimmungsverweigerung vorliegt. War ein entsprechender Antrag erfolgreich, endete das Arbeitsverhältnis gemäß § 62 Abs. 1 BetrVG 1952 spätestens 14 Tage nach der Rechtskraft des Beschlusses. Damit endete das Arbeitsverhältnis automatisch kraft Gesetzes.11 Nach Abs. 2 durfte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen. § 63 BetrVG 1952 ordnete für Umgruppierungen und Versetzungen die Geltung der §§ 61, 62 BetrVG 1952 mit der Maßgabe an, dass die vorläufigen Maßnahmen als rückgängig gemacht gelten. Der Arbeitgeber hatte demnach den Betriebsrat von der Versetzung und Umgruppierung in Kenntnis zu setzen. Trotz geäußerter Bedenken konnte er aber die Maßnahme vorläufig durchführen und der Betriebsrat musste sich ggf. an das Arbeitsgericht wenden. Handelte der Arbeitgeber der gerichtlichen Entscheidung zuwider und beschäf6

Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 6. BGBl. I 2001, S. 1852. 8 Abl. GK-BetrVG-Kraft, 6. Aufl., § 103 Rn 19 m.w. N.; zust. Däubler/Kittner/ Klebe-Kittner, 6. Aufl., § 103 Rn 25 m.w. N. 9 BAG NZA 2001, 516. 10 Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 Rn 43a. 11 Vgl. Dietz, § 62 Rn 2; Heinze, Personalplanung, Rn 179. 7

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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tigte den Arbeitnehmer entgegen § 62 Abs. 2 BetrVG 1952 weiter (an der unzulässigen Stelle), konnte der Betriebsrat gemäß § 64 BetrVG 1952 beim Arbeitsgericht beantragen, dass dem Arbeitgeber untersagt wird, die Maßnahme aufrechtzuerhalten und bei Zuwiderhandlung eine Ordnungsstrafe verhängen lassen. Mit Schaffung des § 99 BetrVG wurden diese Rechte erheblich erweitert.12 Auch die Eingruppierung wird nun ausdrücklich erwähnt. Damit wurde die Streitfrage geklärt, ob sich die Mitbestimmung zur Einstellung auch auf die Eingruppierung bezieht.13 Darüber hinaus war nun klar, dass der Betriebsrat, der lediglich Bedenken gegen die Eingruppierung geltend machte, nur dieser, nicht aber der Versetzung widersprechen kann.14 § 99 BetrVG enthält im Vergleich zu der Vorgängerregelung aber auch verstärkte Informationspflichten (Abs. 1) und erweiterte Zustimmungsverweigerungsgründe (Abs. 2).15 V. a. konstituiert § 99 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BetrVG ein Zustimmungserfordernis des Betriebsrats. Es ist nun nicht mehr Sache des Betriebsrats, gegen eine zunächst zulässige vorläufige Maßnahme des Arbeitgebers vorzugehen. Vielmehr muss sich der Arbeitgeber im Vorfeld der Maßnahme an den Betriebsrat wenden und ihn um Zustimmung ersuchen. Wird diese verweigert, muss er das Arbeitsgericht aufsuchen und Zustimmungsersetzung beantragen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Nur in Ausnahmefällen ist der Arbeitgeber berechtigt, zunächst ohne Zustimmung des Betriebsrats vorzugehen, nämlich dann, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich ist (§ 100 Abs. 1 S. 1 BetrVG). Aber auch in diesem Fall muss der Arbeitgeber das Arbeitsgericht anrufen, wenn der Betriebsrat die Erforderlichkeit bestreitet (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG).

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG A. Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG I. Einstellung 1. Begriff Die Einstellung ist im BetrVG nicht definiert. Dem reinen Wortsinn nach kommen sowohl der Abschluss des Arbeitsvertrags als auch die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb in Betracht. Der Begriff der Einstellung hat sich aber am 12

Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 2. So BAG AP § 61 BetrVG Nr. 3 Bl. 691; vgl. auch Dietz, § 60 Rn 8. 14 So auch BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 4 Bl. 897R f (B.II.1.) mit zust. Anm. Kraft, Bl. 898 f (I.). 15 Dazu W. Blomeyer, GS Dietz, S. 147, 149 f. 13

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

Zweck des § 99 BetrVG zu orientieren. Dieser soll die Interessen der Belegschaft schützen, die erst durch die tatsächliche Beschäftigung berührt werden.16 Selbst wenn man die Aufgabe des Betriebsrats im Rahmen des § 99 BetrVG auch im Schutze des einzelnen Arbeitnehmers sieht,17 greift dieser Schutzaspekt nicht beim Abschluss des Arbeitsvertrags.18 Nachteile und Gefahren entstehen vielmehr erst durch die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb, etwa beim Verstoß gegen Vorschriften des Mutterschutzgesetzes (vgl. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Somit ist unter der Einstellung die tatsächliche Beschäftigung zu verstehen,19 also die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers, „um mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen“.20 Entscheidend ist nicht die tatsächliche Arbeitsaufnahme, sondern die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, mit welcher der Betriebsinhaber über den Arbeitseinsatz nach Ort und Zeit entscheidet.21 Damit kann eine Einstellung i. S. d. § 99 BetrVG auch ohne wirksamen Arbeitsvertrag vorliegen.22 Daher wird auch ein Leiharbeitnehmer im Betrieb des Entleihers „eingestellt“, obwohl sein Arbeitsvertrag mit dem Verleiher besteht.23 Das hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 3 AÜG bestätigt.24 Dagegen liegt keine Einstellung i. S. d. § 99 BetrVG vor, wenn Arbeitnehmer einer Drittfirma im Betrieb tätig sind, die nicht den Weisungen des Betriebsinhabers unterliegen.25

16 BAG NZA 1992, 1141, 1142; NZA 1991, 686 f; NZA 1986, 688, 689; NJW 1981, 703; begründet durch Matthes, DB 1974, 2007 ff; vgl. auch MüHB-ArbR-Matthes, § 263 Rn 7; Raab, ZfA 1995, 479, 492; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 29; umfassend Heinze, Personalplanung, Rn 192 ff. 17 s. u. S. 90. 18 Die früher vertretene Auffassung, eine Einstellung liege im Abschluss des Arbeitsvertrags (vgl. Hueck-Nipperdey, Arbeitsrecht, S. 1416) ist daher abzulehnen. 19 Neuere Rspr.: BAG NZA 2001, 893, 895, 897; NZA 1994, 1099, 1101; NZA 1992, 1141, 1142 f; NZA 1988, 39; NJW 1981, 703; Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 121; MüHB-ArbR-Matthes, § 263 Rn 7; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 29; a. A. Einstellung ist sowohl die Begründung des Arbeitsverhältnisses als auch die tatsächliche Beschäftigung: frühere Rspr.: BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 51 (B.II.1.a) mit zust. Anm. Misera, Bl. 54R (III.1.); BAG NJW 1974, 1966, 1967; Fitting, § 99 Rn 31 f; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 23; Hess/Schlochauer-Schlochhauer, § 99 Rn 22 ff. 20 BAG NJOZ 2009, 288, 290; NZA 2008, 603, 605. 21 Vgl. BAG NZA 1997, 1297, 1299; NZA 1986, 688, 689; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 29 f. 22 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 30 m.w. N. 23 BAG NJW 1974, 1966; vgl. auch BAG NZA 1997, 1297, 1299 f. 24 Schüren-AÜG-Hamann, § 14 Rn 140; Boemke/Lembke, AÜG, § 14 Rn 52; vgl. BT-Drs. 9/847, S. 8 f. 25 BAG NZA 1992, 275, 276 f; NZA 1991, 686, 687 f; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 28.

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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2. Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung Daraus folgt, dass auch nur die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb mitbestimmungsbedürftig ist. Damit wird auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gesichert, weil der Arbeitgeber Gefahr läuft, trotz fehlender Beschäftigungsmöglichkeit Lohn zahlen zu müssen.26 Es ist daher dogmatisch weder begründbar noch besteht ein Bedürfnis, sowohl die Begründung des Arbeitsverhältnisses als auch die tatsächliche Arbeitsaufnahme der Mitbestimmung zu unterwerfen. Der Arbeitgeber hat daher in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor dem tatsächlichen Akt der Einstellung, der Eingliederung in den Betrieb zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen (§ 99 Abs. 1 BetrVG).27 II. Versetzung 1. Begriff (§ 95 Abs. 3 BetrVG) Die Versetzung ist in § 95 Abs. 3 BetrVG als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, der die voraussichtliche Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, definiert. Damit knüpft das Gesetz an die tatsächliche Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs an. Die arbeitsvertragliche Grundlage ist von § 95 Abs. 3 BetrVG nicht angesprochen.28 2. Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung Meint § 95 Abs. 3 BetrVG lediglich die tatsächliche Zuweisung und trennt man die kollektivrechtliche von der arbeitsvertraglichen Maßnahme, folgt daraus, dass auch hier Gegenstand der Mitbestimmung lediglich die tatsächliche Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs ist.29 Da das Mitbestimmungsrecht v. a. im Interesse der übrigen Belegschaft besteht,30 ist die Zustimmung jedenfalls bei einer Versetzung innerhalb des Betriebs auch dann erforderlich, wenn der Arbeitneh26 BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 52R (B.II.4.e.) mit zust. Anm. Misera, Bl. 56 (III.2.b.); Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 121; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 294; dazu ausführlich S. 69 ff. 27 So im Ergebnis BAG NZA 1992, 1141, 1142 f. 28 Dazu Fitting, § 99 Rn 120, 123; v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 Rn 35; Schlochauer, FS Richardi, S. 751, 763. 29 Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 25; Raab, ZfA 1995, 472, 496; vgl. auch KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 140. 30 Heinze, Personalplanung, Rn 326 f (ausschließlich im Interesse der Belegschaft); a. A. mit Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG auch im Interesse des Arbeitnehmers: BAG NZA 1997, 219, 220; NZA 1988, 476, 448; MüHB-ArbR-Matthes, § 264 Rn 30; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 298.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

mer zustimmt oder die Versetzung ausdrücklich wünscht.31 Zwar kann ein einzelner Arbeitnehmer unter Umständen auf den Schutz seiner eigenen Interessen verzichten, aber nicht über die Mitbestimmung des Betriebsrats im Interesse der übrigen Belegschaft disponieren. Somit besteht das Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der tatsächlichen Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers. III. Ein- und Umgruppierung 1. Begriff Unter Ein- und Umgruppierung ist die Einordnung des einzelnen Arbeitnehmers in eine bestimmte kollektive Entgeltordnung zu verstehen. Die Eingruppierung bezeichnet dabei die erstmalige Festsetzung der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Lohn- oder Gehaltsgruppe. Die Umgruppierung meint dagegen jede Änderung der Einstufung.32 Voraussetzung ist, dass ein kollektives Entlohnungsschema existiert.33 Wird der Lohn dagegen individuell und ohne Bezüge zu vergleichbaren Arbeitnehmern ausgehandelt, liegt keine Ein- oder Umgruppierung i. S. d. § 99 BetrVG vor. Bei Ein- und Umgruppierung wird ein bestimmter Sachverhalt, wie z. B. Arbeitnehmer A übt Tätigkeit X aus, unter die vorgegebene Entgeltordnung subsumiert. Damit handelt es sich nicht um einen Gestaltungs-, sondern um einen Beurteilungsakt des Arbeitgebers.34 In der Sache geht es um „Normvollzug“. Die Beteiligung des Betriebsrats soll eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung des Arbeitgebers bringen.35 Handelt der Arbeitgeber entgegen dem vorgegebenen Entgeltschema, wirkt sich das auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers nicht aus. Er ist unabhängig vom Akt der Ein- oder Umgruppierung seitens des Arbeitgebers entsprechend der für ihn zutreffenden Entgeltgruppe zu vergüten.36 2. Mitbestimmung Die Tatsache, dass Ein- und Umgruppierung lediglich Normvollzug sind, spiegelt sich im Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats wider. Es liegt kein Mitgestaltungs-, sondern lediglich ein Mitbeurteilungsrecht vor.37 Damit unterscheiden 31 BAG NZA 1986, 616, 617; Heinze, Personalplanung, Rn 325; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Rn 566; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 297; a. A. BAG NZA 1997, 219 (keine Mitbestimmung bei Wunsch des Arbeitnehmers); Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 24 (keine Mitbestimmung bei Einverständnis). 32 BAG NZA 1994, 952, 954; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 60 ff. 33 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 62. 34 BAG NZA 1994, 952, 954; NZA 1993, 664, 665. 35 MüHB-ArbR-Matthes, § 266 Rn 15. 36 MüHB-ArbR-Matthes, § 266 Rn 3. 37 BAG NZA 2011, 1304, 1307; NZA 1994, 952, 954; NZA 1993, 664, 665; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 75.

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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sich Ein- und Umgruppierung von Einstellung und Versetzung, was sich sowohl auf das Verfahren der Mitbestimmung als auch auf die Folgen der Betriebsverfassungswidrigkeit auswirkt.

B. Verfahren der Mitbestimmung I. Unterrichtungspflicht Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor der personellen Einzelmaßnahme zu unterrichten. Dabei ist auf die konkrete Maßnahme abzustellen, so dass die Unterrichtungspflicht erst besteht, wenn feststeht, wer eingestellt, versetzt oder einoder umgruppiert werden soll.38 Der Betriebsrat soll durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliegt.39 II. Zustimmungseinholung Neben der Unterrichtung des Betriebsrats muss der Arbeitgeber dessen Zustimmung einholen. Der Antrag auf Zustimmung ist an keine Form gebunden und kann auch konkludent erfolgen.40 Die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme kann der Betriebsrat aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigern. Äußert er sich nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach der Unterrichtung, gilt seine Zustimmung gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG als erteilt. Stimmt der Betriebsrat zu, ist die Zustimmung bindend und kann nicht zurückgenommen werden.41 Daher kann der Arbeitgeber ab Erteilung der Zustimmung die Maßnahme endgültig durchführen und muss nicht die Wochenfrist abwarten, die dem Betriebsrat für die Verweigerung der Zustimmung eingeräumt ist.42 III. Zustimmungsverweigerung Zwar kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, er ist dazu aber nicht verpflichtet. Er kann die Zustimmung vielmehr auch dann erteilen, wenn ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliegt. Ihm ist insoweit Ermessen eingeräumt.43 Will der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, muss er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach der vollständigen Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich tun (§ 99 Abs. 3 BetrVG). Die Begründung muss auf die 38

Richardi-Thüsing, § 99 Rn 132. ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 20; vgl. auch Richardi-Thüsing, § 99 Rn 165 (zur Einstellung). 40 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 156. 41 GK-BetrVG-Kraft, § 99 Rn 171; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 250. 42 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 251. 43 Vgl. MüHB-ArbR-Matthes, § 263 Rn 45; a. A. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 183 (Betriebsrat nimmt Rechtskontrolle vor, hat aber einen Beurteilungsspielraum). 39

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

konkrete Maßnahme bezogen sein und darf sich nicht in der Wiederholung des Gesetzeswortlautes erschöpfen.44 Der Betriebsrat muss innerhalb der Frist alle Gründe angeben, auf die er seine Zustimmungsverweigerung stützen will. Später kann er keine Gründe nachschieben.45 Eine Zustimmungsverweigerung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist unbeachtlich.46 IV. Sonderfall: Beteiligung bei vorläufigen Maßnahmen Gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 BetrVG können Maßnahmen ausnahmsweise ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt werden, wenn es „aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist“. Das ist sowohl möglich, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat noch gar nicht um die Zustimmung ersucht hat als auch dann, wenn es trotz Information an einer Äußerung des Betriebsrats fehlt. Eine vorläufige Maßnahme kommt auch in Betracht, wenn der Betriebsrat die Zustimmung ordnungsgemäß verweigert hat. Sie scheidet dagegen aus, wenn das Gericht den Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG bereits rechtskräftig abgelehnt hat.47 Da Ein- und Umgruppierungen keine nach außen wirkenden tatsächlichen Maßnahmen sind, sondern lediglich ein „gedanklicher Vorgang“,48 bezieht sich die Norm nur auf Einstellung und Versetzung.49 1. Information des Arbeitnehmers Allerdings muss der Arbeitnehmer von der Sachlage informiert werden, dass es sich grundsätzlich um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme handelt und eine Zustimmung nicht vorliegt (Abs. 1 S. 2 BetrVG). Jedoch ist diese Unterrichtung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einstellung oder Versetzung. Ihr Fehlen kann aber Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen.50 2. Beteiligung des Betriebsrats Darüber hinaus ist der Betriebsrat vor oder unverzüglich nach der Durchführung der Maßnahme zu unterrichten (Abs. 2 S. 1). Diese Unterrichtung ist mit 44

MüHB-ArbR-Matthes, § 263 Rn 72. BAG NZA 1986, 755, 757; NZA 1985, 67. 46 BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 384 (II.2.). 47 GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 15 f; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 6; vgl. auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 100 Rn 10. 48 BAG NZA 1987, 489, 492. 49 Vgl. BAG NZA 1987, 489 („Der Senat hat Bedenken, die Vorschrift auch auf § 100 BetrVG anzuwenden.“); Richardi-Thüsing, § 100 Rn 3; a. A. GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 6. 50 GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 20 f; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 10. 45

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derjenigen des § 99 Abs. 1 BetrVG nicht identisch,51 z. B. schreibt § 100 BetrVG anders als § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG keine Vorlage von Unterlagen vor.52 Die Unterrichtungs- und Vorlagepflicht in § 99 Abs. 1 BetrVG bezieht sich auf die Durchführung der endgültigen Maßnahme. Der Betriebsrat soll in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliegt.53 Will der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme als endgültige aufrechterhalten, muss er das Beteiligungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG durchführen und den Betriebsrat entsprechend unterrichten und die erforderlichen Unterlagen vorlegen.54 Die Unterrichtungspflicht in § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG soll den Betriebsrat darüber informieren, dass eine vorläufige personelle Einzelmaßnahme durchgeführt wurde oder unmittelbar bevorsteht. Außerdem muss der Betriebsrat anhand der Informationen beurteilen können, ob die Maßnahme dringend erforderlich war.55 Kann der Betriebsrat die Erforderlichkeit nur beurteilen, wenn ihm entsprechende Unterlagen vorgelegt werden, ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Unterrichtungspflicht dazu verpflichtet.56 Die Unterrichtung nach § 100 BetrVG kann daher die Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht ersetzen und umgekehrt.57 Allerdings können die Unterrichtungen auch zusammen vorgenommen werden.58 Stimmt der Betriebsrat zu oder bestreitet er die sachlichen Gründe nicht (Abs. 2 S. 2), kann der Arbeitgeber die Maßnahme aufrechterhalten, bis das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG abgeschlossen ist. Zu beachten ist, dass ein „Nichtbestreiten“ i. S. d. § 100 Abs. 2 S. 2 BetrVG oder gar eine Zustimmung zu der vorläufigen Maßnahme keine Zustimmung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG ist.59 Das folgt daraus, dass die Informationspflichten im Falle des § 99 Abs. 1 BetrVG viel umfassender sind. Erst wenn sie erfolgt sind, kann der Betriebsrat beurteilen, ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt. Daher kann beispielsweise der Betriebsrat auf Einwände gegen die vorläufige Maßnahme verzichten, gleichwohl aber die Zustimmung zu der endgültigen Maßnahme verweigern.60

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GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 25; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 13. GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 25. 53 Zur Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 s. o. S. 41. 54 Vgl. Richardi-Thüsing, § 100 Rn 13. 55 ErfKom-Kania, § 100 BetrVG Rn 3; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 100 Rn 14 f; BeckOK-ArbR-Mauer, § 100 BetrVG Rn 3; GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 23; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 15. 56 Vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 100 Rn 15 (Vorlagepflicht folgt aus § 80 Abs. 2 BetrVG); a. A. wohl GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 25 (Gesetz schreibt die Vorlage nicht vor). 57 GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 25; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 13. 58 BeckOK-ArbR-Mauer, § 100 BetrVG Rn 3; GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 25. 59 GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 31. 60 Richardi-Thüsing, § 100 Rn 16. 52

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Bestreitet der Betriebsrat die Erforderlichkeit, muss er das dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen (Abs. 2 S. 2). Letzterer muss dann beim Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung beantragen sowie feststellen lassen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen erforderlich war (Abs. 2 S. 3). V. Zustimmungsersetzungsverfahren 1. Endgültige Maßnahmen Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung und will der Arbeitgeber die Maßnahme dennoch durchführen, kann er beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V. m. §§ 80 ff ArbGG). Es ersetzt die Zustimmung, wenn die Zustimmungsverweigerung nicht begründet ist, d.h. wenn die vom Betriebsrat geltend gemachten Gründe nicht vorliegen. Entscheidet das Arbeitsgericht im Sinne des Arbeitgebers, ist mit Rechtskraft des Beschlusses die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. 2. Vorläufige Maßnahmen Bestreitet der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Kalendertagen beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen und festzustellen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Zu beachten ist, dass sich die Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen des § 100 BetrVG nur auf die Dringlichkeit der Maßnahme ohne vorherige Zustimmung beschränkt. Der Betriebsrat muss der vorläufigen Maßnahme als solcher nicht zustimmen, sondern kann nur Bedenken äußern. Eine Zustimmungsersetzung hinsichtlich nur der vorläufigen Maßnahme ergibt daher keinen Sinn. Vielmehr bezieht sich diese auf die endgültige Durchführung. Das entspricht dem Schutzzweck der Regelung: Der Arbeitgeber soll zur vorläufigen Maßnahme nur dann berechtigt sein und bleiben, wenn er sich auch um die endgültige Klärung der Streitfrage bemüht.61 Das Gesetz geht davon aus, dass der Arbeitgeber bei Vornahme der vorläufigen Maßnahme den Zustimmungsersetzungsantrag noch nicht gestellt hat.62 Daher muss der Arbeitgeber grundsätzlich einen Doppelantrag stellen, der zwei unterschiedliche Streitgegenstände umfasst:63 den Zustimmungsersetzungsantrag und den Feststellungsantrag hinsichtlich der dringenden Erforderlichkeit.64 Allein der Feststellungsantrag ist 61 BAG NZA 1988, 101, 103; vgl. auch Heinze, Personalplanung, Rn 374 ff; GKBetrVG-Raab, § 100 Rn 35 f; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 24 f. 62 Richardi-Thüsing, § 100 Rn 26. 63 GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 35. 64 Vgl. BT-Drs. 715/70, S. 52 zu § 100; BAG NZA 2005, 827, 830 f.

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mangels Feststellungsinteresse unzulässig.65 Etwas anderes gilt nur, wenn der Betriebsrat zwar hinsichtlich der vorläufigen Maßnahme Bedenken geäußert hat, seine Zustimmung aber noch nicht verweigert hat und die Frist des § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG noch nicht abgelaufen ist. In diesem Fall ist der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG noch nicht möglich. Allerdings muss der Arbeitgeber den Antrag nachholen, sobald die Zustimmung verweigert wurde.66 Auch wenn der Arbeitgeber bereits den Zustimmungsersetzungsantrag gestellt hat, genügt der Feststellungsantrag.67

C. Rechte des Betriebsrats Nimmt der Arbeitgeber eine personelle Einzelmaßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats vor, verhält er sich betriebsverfassungswidrig und verletzt die Rechte des Betriebsrats. Der Betriebsrat hat verschiedene Möglichkeiten gegen die Rechtsverletzung vorzugehen. I. Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG 1. Aufhebungsantrag nach § 101 S. 1 BetrVG Zunächst kann der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG dem Arbeitgeber vom Arbeitsgericht aufgeben lassen, die personelle Maßnahme aufzuheben. Der Antrag ist begründet, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat gar nicht beteiligt hat oder dieser rechtswirksam die Zustimmung verweigert hat. In diesem Verfahren kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, der Betriebsrat habe die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Den Einwand kann er nur im Zustimmungsersetzungsverfahren geltend machen. Allerdings ist es ihm ebenfalls verwehrt, im Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG den Zustimmungsersetzungsantrag als Gegenantrag zu stellen.68 Andernfalls könnte der Arbeitgeber stets abwarten, ob der Betriebsrat ein Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG einleitet und müsste sich erst danach um die gerichtliche Zustimmungsersetzung bemühen. § 99 Abs. 4 BetrVG bestimmt aber, dass der Arbeitgeber aktiv werden muss, wenn er die Zustimmung des Betriebsrats nicht erreicht. Außerdem soll das Verfahren nach § 101 BetrVG zügig zu einem Ergebnis geführt werden, um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umfassend zu sichern. Damit ist es nicht zu vereinbaren,

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BAG NZA 1988, 101. GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 35. 67 Richardi-Thüsing, § 100 Rn 26. 68 BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 196R f (B.II.4. ff); Nr. 1 Bl. 384R f (B.II.3.); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 21 Bl. 952 f (B.I.4.); Fitting, § 101 Rn 4; RichardiThüsing, § 101 Rn 14, 16. 66

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in diesem Rahmen auch schwierige Fragen wie diejenige der berechtigten Zustimmungsverweigerung zu prüfen.69 2. Zwangsgeld nach § 101 S. 2 und 3 BetrVG Kommt der Arbeitgeber der Aufhebungsaufforderung trotz Rechtskraft des Beschlusses nicht nach, kann der Betriebsrat ein Zwangsgeld von bis zu 250 A täglich festsetzen lassen (§ 101 S. 2 und 3 BetrVG). Rechtstechnisch handelt es sich bei der Zwangsgeldfestsetzung um eine Vollstreckungsmaßnahme zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung i. S. d. § 888 ZPO. Sie vollzieht sich grundsätzlich nach § 85 ArbGG, der auf die Vorschriften der ZPO verweist. § 101 S. 2 BetrVG enthält lediglich eine Sonderregelung, die die Zwangshaft ausschließt.70 3. Besonderheiten bei Ein- und Umgruppierung Auf Ein- und Umgruppierung ist § 101 BetrVG nicht entsprechend seinem Wortlaut anzuwenden. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen unabhängig von der Mitbestimmungswidrigkeit einen Anspruch auf die richtige Eingruppierung und die danach zu bestimmende Entlohnung. Es fehlt daher an einem Gestaltungsakt des Arbeitgebers, der aufgehoben werden kann. Vielmehr ist die Einstufung im Rahmen der Ein- und Umgruppierung lediglich ein Akt der Rechtsanwendung, bei welchem dem Betriebsrat nur ein Mitbeurteilungsrecht zusteht.71 Die „Aufhebung“ der Ein- und Umgruppierung ist daher sinnlos.72 Der Anspruch des Betriebsrats nach § 101 BetrVG beschränkt sich in diesem Fall darauf, dem Arbeitgeber aufzugeben, ihn ordnungsgemäß zu beteiligen.73 II. Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG Neben § 101 BetrVG kann der Betriebsrat seine Position für die Zukunft mit dem Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG sichern.74 § 101 BetrVG enthält für diesen Fall keine Sondervorschrift gegenüber § 23 BetrVG.75 Beide 69

Vgl. Misera, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 55R (B.III.2.b.); ders., Anm. zu BAG SAE 1980, 101, 103, 106. 70 GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 15; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 21. 71 s. o. S. 40. 72 BAG NZA 1995, 484; Löwisch/Kaiser, § 101 Rn 3; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 8; a. A. GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 6. 73 Fitting, § 101 Rn 8; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 8. 74 BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 82 Bl. 820 (B.I.2.); AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 52R f (B.II.); LAG Düsseldorf vom 29.2.2008 – Az. TaBV 91/07 Rn 40 (juris); Fitting, § 101 Rn 12; Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 101 Rn 2; GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 17; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 4; a. A. Löwisch/Kaiser, § 101 Rn 7. 75 BAG NZA 2009, 1430, 1433; NZA 1991, 150.

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verfolgen unterschiedliche Schutzrichtungen: Mit § 101 BetrVG soll der Betriebsrat die Möglichkeit erhalten, einen bestehenden betriebsverfassungswidrigen Zustand beseitigen zu können. Damit liegt ein negatorischer Anspruch vor.76 § 23 Abs. 3 BetrVG soll dagegen den Anspruch des Betriebsrats auf künftige ordnungsgemäße Beteiligung absichern. Ausgeschlossen ist aber, dass der Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG gegen die konkrete Maßnahme vorgeht. Insoweit ist § 101 BetrVG eine Sonderregelung.77 III. Einstweilige Verfügung und allgemeiner Unterlassungsanspruch Der Betriebsrat kann seine Rechte dagegen nicht mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG sichern. § 101 BetrVG kann dafür schon deshalb keine Grundlage sein, weil das Gesetz selbst davon ausgeht, dass erst nach Rechtskraft des Beschlusses Zwangsmittel eingesetzt werden.78 Das gleiche Argument muss aber auch für einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gelten, wenn man ihn grundsätzlich neben den §§ 101, 23 BetrVG zulässt.79 Andernfalls würde § 101 BetrVG unterlaufen werden. IV. Feststellungsklage Darüber hinaus ist fraglich, ob der Betriebsrat die Mitbestimmungswidrigkeit oder das Bestehen oder Nichtbestehen seines Mitbestimmungsrechts gemäß § 256 Abs. 1 ZPO feststellen lassen kann. Gegenstand der Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist ein Rechtsverhältnis, d.h. die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete, bestimmte rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen.80 Die Frage, ob der Betriebsrat bei bestimmten personellen Einzelmaßnahmen ein Mitbestimmungsrecht hat, betrifft die Rechte des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber und stellt eine solche rechtliche Beziehung dar.81 76 GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 1; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 3 f; Richardi, FS Wlotzke, S. 407, 410. 77 BT-Drs. VI/2729, S. 21 zu § 23 BetrVG; BAG AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 52R f (B.II.2.); Fitting, § 101 Rn 12; GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 17. 78 LAG Hamm NZA-RR 2007, 469, 472; LAG Niedersachen NZA-RR 1996, 217; Hess. LAG NZA 1989, 232; ArbG Lübeck NZA-RR 2007, 640; Boemke, ZfA 1992, 473, 522; Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 101 Rn 2; GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 16; a. A. LAG Köln AP § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 37 Bl. 208R (I.1.). 79 GK-BetrVG-Raab, § 101 Rn 18; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 7; a. A. LAG Niedersachen NZA-RR 1996, 217 (Ausnahme in „krassen“ Fällen); LAG Köln AP § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 37 Bl. 208R (I.1.); LAG Düsseldorf vom 29.2.2008 – Az. TaBV 91/07 Rn 40 (juris). 80 Näher zum Rechtsverhältnis s. S. 132. 81 BAG NZA 2011, 1373, 1375; NZA 2003, 1159, 1162; vgl. auch BAG NZA-RR 2006, 23, 25; NZA 1997, 1059, 1060; krit. mit beachtlichen Argumenten Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 27 f, 292 ff sowie ders., FS Picker, S. 1013, 1018, der das Be-

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Weiterhin muss der Betriebsrat ein rechtliches Interesse daran haben, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird. Ein solches Feststellungsinteresse scheidet i. d. R. aus, wenn das Rechtsschutzziel mit der Leistungsklage ebenfalls erreicht werden kann.82 Hier ist zu unterscheiden, ob lediglich ein in der Vergangenheit liegender Zustand bewertet werden soll oder ob es um die Klärung künftig wieder auftretender Rechtsfragen geht. Will der Betriebsrat lediglich feststellen lassen, dass sich der Arbeitgeber betriebsverfassungswidrig verhalten hat oder ihm im konkreten Einzelfall ein Beteiligungsrecht zustand, fehlt es am Feststellungsinteresse. Hinsichtlich der bereits erfolgten konkreten Maßnahme ist ein Leistungsantrag nach § 101 S. 1 BetrVG möglich.83 Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis an einer Feststellung der Betriebsverfassungswidrigkeit besteht grundsätzlich nicht.84 Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn Rechtsfragen für die Zukunft geklärt werden sollen.85 Eine Leistungsklage ist hier nicht denkbar. Allerdings besteht sowohl aus Sicht des Betriebsrats als auch im Sinne des Betriebsfriedens ein Interesse daran, künftig zu erwartende Fälle zu klären.86 Der Betriebsrat kann daher feststellen lassen, dass er in bestimmten, auch künftig zu erwartenden Fällen ein Mitbestimmungsrecht hat. Voraussetzung dafür ist aber

stehen eines Mitbestimmungsrechts unabhängig von einer konkreten personellen Einzelmaßnahme als zukünftiges Rechtsverhältnis einordnet, welches nicht nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähig ist. Die Rechtsprechung, s. Teil 1 Fn 85, geht demgegenüber von der Feststellungsfähigkeit des Mitbestimmungsrechts aus. Da sich die vorliegende Arbeit mit der Bindungswirkung von Entscheidungen befasst, wird diese Rechtsprechung zu Grunde gelegt und auf eine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik verzichtet. 82 Zöller-Greger, § 256 ZPO Rn 7a. 83 BAG NZA 2008, 1020; Fitting, § 101 Rn 4; Löwisch/Kaiser, § 101 Rn 7; GKBetrVG-Raab, § 101 Rn 8. 84 Vgl. BAG AP § 256 ZPO 1977 Nr. 87 Bl. 375r (B.I.); Richardi-Thüsing, § 101 Rn 6. 85 BAG NZA 2011, 1373, 1375; NZA 2008, 1020, 1021; NZA-RR 2006, 23, 25; AP § 256 ZPO 1977 Nr. 87 Bl. 375R (B.I.); NZA 1992, 1141, 1142 (Erfordernis der Beteiligung schon vor Abschluss des Arbeitsvertrags); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 9 Bl. 1118 f (II.1.) und Nr. 54 Bl. 1210R f (I.2.) (grundsätzliches Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses bei Überschreitung einer tariflich festgesetzten Altersgrenze); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 33 Bl. 1451 f (B.I.2.a.) (Bestehen eines Mitbestimmungsrechts, wenn vergleichbare „Versetzungen“ zu erwarten sind); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 21 Bl. 851R (II.2.) (grundsätzliche Frage der Zulässigkeit der Zustimmungsverweigerung wegen unzulässiger Befristung bei der Einstellung); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 12 Bl. 851 f (II.2.) (grundsätzliche Frage des Mitbestimmungsrechts bei der Versetzung von einem Betrieb in den anderen); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 2 Bl. 719R f (II.1.) (Beteiligungsrecht bei Einstellung von Leiharbeitnehmern); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bacher, § 99 Rn 261 f; Fitting, § 101 Rn 5; Matthes, DB 1989, 1285, 1289 f; Richardi-Thüsing, § 101 Rn 6; krit. Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 27 f, 292 ff sowie ders., FS Picker, S. 1013, 1018; vgl. auch Weth, Beschlußverfahren, S. 248. 86 Krit. Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 27 f, 292 ff; Weth, Beschlußverfahren, S. 248.

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die Darlegung der konkreten Wiederholungsmöglichkeit. Eine abstrakte Gefahr reicht dagegen nicht aus. Diese kann immer konstruiert werden. Der Antrag muss außerdem bestimmt genug sein (§ 253 Abs. 2 ZPO). Es sind diejenigen Maßnahmen des Arbeitgebers für das in Anspruch genommene Beteiligungsrecht so genau zu bezeichnen, dass mit der Entscheidung des Gerichts feststeht, für welche Maßnahmen ein Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht besteht.87 Ein solcher „Globalantrag“ ist zulässig.88 Jedoch ist er immer unbegründet, wenn unter die Vielzahl der erfassten Fallgestaltungen ein Sachverhalt fällt, bei der sich der Antrag als unbegründet erweist.89 V. Sonderfall: Rechte bei vorläufigen Maßnahmen Hält der Arbeitgeber eine vorläufige Maßnahme entgegen der rechtskräftigen Entscheidung i. S. d. § 100 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BetrVG aufrecht, kann der Betriebsrat ebenfalls nach § 101 BetrVG vorgehen.

D. Exkurs: Rechte des Arbeitnehmers Unabhängig von den Folgen der Mitbestimmungswidrigkeit kann sich der Arbeitnehmer selbst gegen ungerechtfertigte personelle Einzelmaßnahmen des Arbeitgebers wehren. I. Ein- und Umgruppierung Wurde der Arbeitnehmer falsch eingruppiert, kann er Lohn nach der für ihn zutreffenden Vergütungsgruppe verlangen und diesen einklagen.90 Wird eine Umgruppierung kraft Änderungskündigung durchgesetzt, kann der Arbeitnehmer Änderungsschutzklage erheben, wenn er bereits länger als sechs Monate im Betrieb tätig ist (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG). Das folgt aus der Systematik des Kündigungsschutzgesetzes. Bedarf es erst nach sechs Monaten der besonderen Rechtfertigung einer Kündigung, ist kein Grund ersichtlich, warum die mildere Maß87

BAG NZA-RR 2006, 23, 26. BAG NZA 2000, 781; NZA 1995, 40, 41; vgl. auch BAG NZA 2010, 180; NZA 2010, 902, 903; NZA 2005, 416, 417; BAG vom 20.10.1999 – Az. 7 ABR 37/98 Rn 21 (juris); BAG NZA 1992, 315, 316; Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 9; BeckOKArbR-Poeche, § 81 ArbGG Rn 3; Schwab/Weth, Beschlußverfahren, § 81 Rn 5; krit. Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 294 ff mit Hinweis auf Probleme der materiellen Rechtskraft eines Globalantrags. 89 BAG NZA 2010, 902, 903; NZA-RR 2006, 23, 26; NZA 2005, 416, 418; NZA 2000, 781; BAG vom 20.10.1999 – Az. 7 ABR 37/98 Rn 21 (juris); BAG NZA 1992, 315, 316; vgl. auch BAG NZA 2010, 180; ErfKom-Koch, § 81 ArbGG Rn 3; Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 9; BeckOK-ArbR-Poeche, § 81 ArbGG Rn 4; Schwab/ Weth, § 81 Rn 7. 90 GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 132. 88

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nahme einer Änderungskündigung schon davor erhöhten Anforderungen unterliegen soll. II. Versetzung Gleiches gilt bei der Versetzung durch Änderungskündigung. Der Arbeitnehmer kann gegen die Kündigung mit einer Änderungsschutzklage vorgehen. Erfolgt die Versetzung kraft Direktionsrechts, muss sie nach billigem Ermessen erfolgen (§§ 315 BGB, 106 GewO). Andernfalls ist sie unwirksam. Der Arbeitnehmer kann mit der Feststellungsklage überprüfen lassen, ob die Versetzung rechtswirksam ist.91 Außerdem hat er die Möglichkeit, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Rahmen einer Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO durchzusetzen.92 Darüber hinaus kann er die Leistung auf dem neuen Arbeitsplatz verweigern. Im Falle der Unwirksamkeit der Weisung hat der Arbeitnehmer weiterhin einen Beschäftigungsanspruch auf dem alten Arbeitsplatz.93 Nimmt der Arbeitgeber die Arbeitsleistung dort nicht an, kommt er in Annahmeverzug. Problematisch an diesem Weg ist aber, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Falschbeurteilung trägt: War die Weisung wirksam, hat er zu Unrecht seine Arbeitsleistung verweigert. Er erhält keinen Lohn und kann ggf. sogar gekündigt werden. III. Einstellung Bei Problemen im Zusammenhang mit der Einstellung kann der Arbeitnehmer zunächst Beschäftigung und Lohn verlangen und einklagen.

E. Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit Nimmt der Arbeitgeber eine Maßnahme ohne erforderliche Zustimmung des Betriebsrats oder gerichtliche Ersetzung vor, verletzt er Rechte des Betriebsrats und verhält sich betriebsverfassungswidrig. Zu klären ist darüber hinaus, welche Auswirkungen im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer eintreten. Hier ist zwischen der individualvertraglichen Grundlage und dem tatsächlichen Vollzug der Maßnahme zu unterscheiden. Zunächst werden die Auswirkungen auf die vertragliche Grundlage dargestellt. Im Anschluss daran wird geprüft, ob die Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit für alle Maßnahmen einheitlich beantwortet werden können. Schließlich werden die einzelnen Maßnahmen untersucht. 91 BAG NZA 2012, 265, 266; NJOZ 2010, 2625; NZA 2007, 396, 397; NZA 2003, 230, 231; MüKo-BGB-Müller-Glöge, § 611 Rn 1021. 92 BAG NZA 2010, 1355, 1356; NZA 2007, 396, 397; NZA 1998, 329; BeckOKArbR-Tillmann, § 106 GewO Rn 61. 93 BAG NZA 2010, 1355, 1357.

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I. Auswirkungen auf die individualvertragliche Grundlage Das Betriebsverfassungsgesetz selbst sagt nichts darüber aus, welche Auswirkungen die fehlende Zustimmung des Betriebsrats auf die vertragliche Grundlage hat. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht allerdings nur hinsichtlich der tatsächlichen Maßnahme,94 nicht bezüglich der individualrechtlichen Grundlage. Darin kommt eine Trennung des Individualrechtsverhältnisses auf der einen und dem Kollektivrechtsverhältnis auf der anderen Seite zum Ausdruck. Sie muss sich konsequenterweise auch in den Folgen der Betriebsverfassungswidrigkeit auf die vertragliche Grundlage fortsetzen. 1. Einstellung Aufgrund dieser Trennung hat die Mitbestimmungswidrigkeit auf den Arbeitsvertrag bei der Einstellung keinerlei Auswirkungen. Es besteht lediglich ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot.95 Dadurch wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch keineswegs ausgehöhlt. Zum einen hat der Betriebsrat mit § 101 und § 23 Abs. 3 BetrVG Möglichkeiten seine Rechte zu verteidigen. Außerdem muss der Arbeitgeber bei einem wirksamen Arbeitsvertrag den Lohn zahlen, ohne dafür zwingend eine Gegenleistung zu erhalten.96 Das wird ihn dazu anhalten, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren.97 Auch die historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Ordnete das BetrVG 1952 in § 62 ausdrücklich an, dass das Arbeitsverhältnis endet, wurde diese Regelung infolge der Gesetzesänderung gerade nicht übernommen. Vielmehr folgt aus der Tatsache, dass nur die tatsächliche Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht unterliegt, dass die Mitbestimmungswidrigkeit keine Auswirkung auf die individualvertragliche Grundlage haben kann. 2. Versetzung Gleiches könnte für die Versetzung gelten, unabhängig wie sich diese individualrechtlich vollzieht. 94

s. o. S. 39 f. BAG NZA 2001, 893, 896 f; NZA 1995, 484, 486; AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 50R f (II.) mit zust. Anm. Misera, Bl. 53R f; Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 201; v. Hoyningen-Huene, RdA 1982, 205, 209; ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 45; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 250; Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 131; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128; ders., ZfA 1995, 479, 490 f; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 95; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 293 f; a. A. Fitting, § 99 Rn 278 (Arbeitsvertrag ist unwirksam, wenn Verfahren nach § 99 BetrVG gar nicht durchgeführt wurde). 96 s. u. S. 69 ff. 97 BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 52R (II.4.e.); Richardi-Thüsing, § 99 Rn 294. 95

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a) Änderungsvertrag Schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Änderungsvertrag, weil der Arbeitnehmer die Versetzung wünscht oder freiwillig akzeptiert, würde die Unwirksamkeit dieses Vertrags einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien darstellen und auch Art. 12 Abs. 1 GG berühren. Auf der anderen Seite kann der Betriebsrat seine Rechte gemäß § 101 und § 23 Abs. 3 BetrVG effektiv durchsetzen. Es ist daher nicht nötig, von der Unwirksamkeit des Änderungsvertrags auszugehen. Hat der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, bleibt der Änderungsvertrag wirksam. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nur nach dem geänderten Vertrag berechtigt und verpflichtet und kann die entsprechend vereinbarte Vergütung verlangen. Der Arbeitgeber muss ihn arbeitsvertraglich in dieser Weise beschäftigen.98 b) Änderungskündigung Kann der Arbeitgeber die Versetzung nicht kraft Direktionsrechts bewirken und lehnt der Arbeitnehmer auch einen Änderungsvertrag ab, weil für ihn die Maßnahme nachteilig ist, bleibt dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung. aa) Rechtliche Einordnung der Änderungskündigung Rechtlich liegt im Fall der Änderungskündigung ein Angebot vor, den Vertrag zu geänderten Bedingungen fortzuführen.99 Nur wenn der Arbeitnehmer das Offerendum ablehnt, kommt die Beendigungswirkung zum Zuge. In diesem Fall bedarf es keiner Zustimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG mehr, weil es zu keiner Versetzung kommt. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot vorbehaltlos an, liegt eine Änderungsvereinbarung vor.100 Nach § 2 KSchG besteht die dritte Reaktionsmöglichkeit des Arbeitnehmers in der Annahme unter dem Vorbehalt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist. Der Arbeitnehmer kann so sein Arbeitsverhältnis sichern und die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen mit der sog. Änderungsschutzklage gerichtlich klären lassen (§ 4 KSchG). bb) Änderungskündigung als „normale“ Kündigung Da das Verhalten des Arbeitnehmers ungewiss ist, steht eine Kündigung im Raum. Daher ist die Änderungskündigung wie eine „normale“ Kündigung zu be98 Im Ausgangspunkt ebenso Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 118 (Arbeitnehmer muss Versetzung trotz Betriebsverfassungswidrigkeit Folge leisten); zu den Auflösungsmöglichkeiten in dieser Situation s. S. 94. 99 MüHB-ArbR-Berkowsky, § 120 Rn 1. 100 Zum Änderungsvertrag s. o. S. 52.

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handeln. Es muss nicht nur das Zustimmungserfordernis nach § 99 Abs. 1 BetrVG beachtet werden, sondern auch das Mitwirkungsrecht gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG, so dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung anzuhören ist.101 cc) Prüfung der Änderungskündigung durch das Gericht Das Gericht prüft im Rahmen der Änderungskündigung, ob die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sind.102 Dabei wird zunächst untersucht, ob das Änderungsangebot durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG (oder § 626 Abs. 1 BGB), bedingt ist. Anschließend ist entscheidend, ob das Ausmaß der Änderungen erforderlich war, so dass der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss.103 Die Änderungskündigung kann auch wegen eines Verstoßes gegen die absoluten Gründe der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam sein.104 dd) Folgen der Mitbestimmungswidrigkeit Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG beteiligt, stellt sich die Frage, ob die Änderungskündigung wirksam ist. Ausgehend vom Grundsatz der Trennung der individual- von der kollektivrechtlichen Ebene, hat die Betriebsverfassungswidrigkeit keinen Einfluss auf die Änderungskündigung.105 Die Belange des Betriebsrats sind nicht durch die Maßnahme berührt, die auf Vertragsänderung abzielt, sondern nur durch die tatsächliche Beschäftigung.

101 BAG AP § 75 BPersVG Nr. 1 Bl. 879R f (II.1.b.) (Parallelproblem im BPersVG) mit zust. Anm. Richardi, Bl. 599; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Rn 566; MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 29; Stege/Weinspach/Schiefer, § 99–101 Rn 152a. 102 MüHB-ArbR-Berkowsky, § 130 Rn 13; Preis, Individualarbeitsrecht, § 67 III 1. 103 BAG NZA 1993, 1075; NZA 1992, 120, 121; MüKo-BGB-Hergenröder, § 2 KSchG Rn 75; Hromadka, NZA 1996, 1, 7; vgl. auch BAG NZA 1987, 102, 104 (außerordentliche Änderungskündigung). 104 MüKo-BGB-Hergenröder, § 2 KSchG Rn 76. 105 BAG NZA 2010, 1235; NZA 1994, 615, 617 f; Däubler/Kittner/Klebe/WeddeBachner, § 99 Rn 254; Fitting, § 99 Rn 122; Heinze, Personalplanung, Rn 343 ff; MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 30; ders., DB 1975, 1651, 1652; BeckOK-ArbRMauer, § 99 BetrVG Rn 30; ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 26; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 131; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 138, 140 f; vgl. auch Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 16 (II.3.b.); a. A. ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 46 (Wirksamkeit der Änderungskündigung wird „suspendiert“).

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An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn das Arbeitsgericht den Antrag auf Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt hat.106 Insbesondere folgt aus der rechtskräftigen Ablehnung des Zustimmungsersetzungsantrags nicht die Unverhältnismäßigkeit der Änderungskündigung, weil sie ihr Ziel, Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht erreichen kann.107 Selbst wenn sich das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG dergestalt auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen darf,108 kann das bei der Beurteilung der Änderungskündigung keine Rolle spielen. Dass folgt daraus, dass die Wirksamkeit einer Kündigung stets aus ex-ante Sicht beurteilt wird. Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht. Sie verändert die Rechtslage. Ihre Wirksamkeit kann aus Gründen der Rechtssicherheit nur anhand von Umständen zu beurteilen sein, die schon zur Zeit der Erklärung vorlagen.109 Hat das Gericht aber schon vor Ausspruch der Änderungskündigung den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig abgelehnt, greift dieses Argument nicht. Dann war dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem neuen Arbeitsplatz aus rechtlichen Gründen möglicherweise schon zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.110 Die Auswirkung der rechtskräftigen Entscheidung auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung wird in Teil 3 dargestellt.111 ee) Zwischenergebnis Die Mitbestimmungswidrigkeit hat jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung, wenn die Änderungskündigung ausgesprochen wird, bevor das Gericht die Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig abgelehnt hat. c) Direktionsrecht Ist die Versetzung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, müssen die vertraglichen Grundlagen nicht geändert werden. Ein Einfluss der Mitbestim106 KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141a; zu diesem Ergebnis kommt auch das BAG NZA 2010, 1235, 1237, allerdings mit anderer Begründung: Die Änderungskündigung ist nicht wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Beschäftigung auf dem neuen Arbeitsplatz unwirksam, weil die Zustimmung immer noch erteilt werden kann, so dass keine rechtliche Unmöglichkeit vorliegt. Zu diesem Argument s. u. S. 66. 107 So wohl aber v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150 f; v. Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, 14. Aufl., § 2 Rn 203; vgl. auch Meisel, BB 1973, 944, 947. 108 Dazu ausführlich zur Einstellung s. S. 65 ff. 109 Vgl. ErfKom-Müller-Glöge, § 626 BGB Rn 230 sowie ErfKom-Oetker, § 1 KSchG Rn 91 (Nachschieben von Kündigungsgründen ist nur zulässig, wenn diese bei Ausspruch der Kündigung schon vorlagen); auch Wlotzke, Anm. zu BAG AP § 2 KSchG 1969 Nr. 33 Bl. 1551R (II.2.); vgl. auch KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b. 110 Vgl. S. 66. 111 s. u. S. 263.

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mungswidrigkeit auf den Arbeitsvertrag kommt nicht in Betracht. Die Versetzung erschöpft sich individualrechtlich in der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes. Es ist zu differenzieren: Durch die Versetzung übt der Arbeitgeber sein Direktionsrecht aus und konkretisiert damit die arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers. Darin ist eine Gestaltungserklärung als einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft zu erblicken.112 Auf der tatsächlichen Ebene kommt der Akt der Zuweisung der Tätigkeit hinzu, der einen Realakt darstellt.113 Nur letzterer ist Gegenstand der Mitbestimmung.114 Trennt man auch hier konsequent zwischen individualrechtlicher und kollektiver Ebene, beurteilt sich die Wirksamkeit der Zuweisung als Rechtsgeschäft grundsätzlich unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Als Konkretisierung des Arbeitsvertrags hat der Betriebsrat hier keinerlei Mitbestimmungsrecht.115 Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer im Grundsatz zur Leistung auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz verpflichtet ist.116 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wird. Ob die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, muss sich anhand der Umstände beurteilen, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen. Umstände, die erst nachtäglich eintreten, können beispielsweise bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer die Leistung zu Recht verweigert hat, keine Rolle spielen. Wurde der Zustimmungsersetzungsantrag aber schon zurückgewiesen, kann die Situation anders zu beurteilen sein.117 3. Ein- und Umgruppierung Da sich bei der Ein- und Umgruppierung die Mitbestimmung in der Mitbeurteilung erschöpft, hat die fehlende Zustimmung auf das Individualrechtsverhältnis keine Auswirkungen. Der Arbeitnehmer hat in jedem Fall Anspruch auf die richtige Eingruppierung und damit auf Entlohnung entsprechend der richtigen Vergütungsgruppe. Die Zustimmung oder Verweigerung des Betriebsrats ist dafür ohne Bedeutung.118 Daraus folgt auch, dass eine zur Durchsetzung der Umgrup112

Boemke, Studienbuch, § 9 Rn 8; MüHB-ArbR-Reichold, § 36 Rn 21. Dreiteilung der Versetzung: v. Hoyningen-Huene/Boemke, S. 30 ff, 230; v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 146; ders./Linck, KSchG, 14. Aufl., § 2 Rn 199; vgl. auch Fitting, § 90 Rn 118. 114 s. o. S. 39. 115 Heinze, Personalplanung, Rn 343 ff; vgl. v. Hoyningen-Huene, BetrVR, § 14 Rn 35; vgl. auch ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 46; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 300. 116 So im Ergebnis auch Wernery, Versetzung, S. 334; a. A. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 300 (Arbeitnehmer kann sich auf das betriebsverfassungsrechtliche Beschäftigungsverbot berufen); zum Leistungsverweigerungsrecht s. auch u. S. 90 ff. 117 So auch zur Änderungskündigung S. 53 f. 118 ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 47; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 132; RichardiThüsing, § 99 Rn 303 f. 113

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pierung erklärte Änderungskündigung nicht unwirksam oder sozialwidrig ist, weil der Betriebsrat nicht zugestimmt hat.119 4. Sonderfall: vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG Gemäß § 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG endet eine vorläufige personelle Einzelmaßnahme, wenn das Arbeitsgericht feststellt, dass die Maßnahme nicht dringend erforderlich war und die Zustimmung nicht ersetzt wurde. S. 3 bestimmt, dass die Maßnahme nicht länger aufrechterhalten werden darf. Wie auch im Fall des § 99 BetrVG wird damit nur an die tatsächliche Maßnahme angeknüpft, nicht aber an deren individualrechtliche Grundlage.120 Dafür spricht schon der Wortlaut, der von der Beendigung der „Maßnahme“ spricht. Unter „Maßnahme“ ist im System der §§ 99 ff BetrVG aber nur der tatsächliche Akt zu verstehen.121 Andernfalls entstünde ein Wertungswiderspruch zur Auslegung des § 99 BetrVG.122 5. Ergebnis Die Mitbestimmungswidrigkeit hat keinerlei Einfluss auf die vertragliche Grundlage der Maßnahme. II. Auswirkungen auf die Maßnahmen an sich Auch wenn die vertragliche Grundlage von der Mitbestimmungswidrigkeit nicht berührt wird, ist zu untersuchen, ob die fehlende Zustimmung Einfluss auf die tatsächliche Maßnahme hat. 1. Regelung im Betriebsverfassungsgesetz Das Betriebsverfassungsgesetz schweigt auch zu dieser Frage. In § 101 BetrVG erhält der Betriebsrat lediglich die Möglichkeit seine Rechte zu verteidigen. Danach kann er dem Arbeitgeber aufgeben lassen, die Maßnahme rückgängig zu 119 Vgl. BAG NZA 2009, 505, 508; NZA 1994, 615, 616 f; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 132. 120 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 100 Rn 40; Heinze, Personalplanung, Rn 391; GK-BetrVG-Raab, § 100 Rn 46; vgl. auch Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 100 Rn 40; a. A. Fitting, § 100 Rn 18; Meisel, Mitwirkung und Mitbestimmung, S. 107; unklar Stege/Weinspach/Schiefer, §§ 99–101 Rn 123c. 121 s. o. S. 39. 122 So auch Richardi-Thüsing, § 100 Rn 50 (im Ergebnis aber Differenzierung, ob der Arbeitgeber seiner Aufklärungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer nachgekommen ist, vgl. Rn 52 f); vgl. auch J. Hahn, Rechtsfolgen mangelnder Beteiligung, S. 93 ff, insbes. S. 99 und S. 116 (Beendigung als Regel, Ausnahme wenn Unterrichtung unterblieben).

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machen.123 Damit ist über die Auswirkungen auf die Maßnahme an sich aber nichts ausgesagt. a) Sonderfall: vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG Für die vorläufigen personellen Einzelmaßnahmen bestimmt § 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG, dass nach einer rechtskräftigen Entscheidung zum Nachteil des Arbeitgebers die Maßnahme endet. S. 2 besagt, dass sie nicht mehr aufrechterhalten werden darf. Fraglich ist, was genau darunter zu verstehen ist, dass die „Maßnahme endet“. aa) Keine erneute Aktualisierung der Zuweisung Die tatsächliche Maßnahme liegt sowohl bei der Einstellung als auch bei der Versetzung in der Zuweisung eines (anderen) Arbeitsplatzes. Diese Zuweisung könnte so interpretiert werden, dass sie sich täglich neu aktualisiert, d.h. der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jeden Tag neu den Arbeitsplatz zuweist.124 Die „Beendigung“ der Maßnahme würde bedeuten, dass mit Ablauf der 14-tägigen Frist die Aktualisierung unterbleibt, dem Arbeitnehmer folglich kein Arbeitsplatz zugewiesen wird. Wenn aber die Maßnahme schon kraft Gesetzes nicht weiter vollzogen wird, ist S. 2, der anordnet, dass die Maßnahme nicht länger aufrechterhalten werden darf, sinnlos. Aus systematischen Erwägungen ist die vorgeschlagene Interpretation daher abzulehnen. bb) Berücksichtigung des § 63 BetrVG 1952 Die Formulierung in § 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG könnte ein gesetzgeberisches Versehen darstellen, welches eine an der Vorgängerregelung orientierte Auslegung erforderlich macht. Nach § 63 BetrVG 1952 galten mit der gerichtlichen Entscheidung die Versetzung und Umgruppierung als rückgängig gemacht. In diesem Sinne ließe sich auch § 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG lesen: Die tatsächliche Maßnahme gilt als rückgängig gemacht. Der Arbeitnehmer hätte dann keinen Beschäftigungsanspruch auf dem neuen Arbeitsplatz und auch keine Pflicht dort zu arbeiten. Der Arbeitgeber müsste und dürfte ihn dort nicht beschäftigen. Die Einoder Umgruppierung wäre nicht mehr existent. Diese Regelung ergibt jedenfalls für die vorläufigen Maßnahmen auch Sinn: Die vorläufige, weil als eilig empfundene, Maßnahme soll schnell auf tatsächlicher Ebene, auf welcher der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, rückgängig gemacht werden. Gegen diese Interpretation spricht aber schon, dass der Gesetzgeber eben gerade von dem früheren Wortlaut abgewichen ist. Inwiefern dessen Sinn dennoch 123 124

s. o. S. 45 f. Vgl. LAG Nürnberg vom 13.1.2009 – Az. 6 Sa 712/07 Rn 42 (juris).

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herangezogen werden kann, ohne in den Bereich unzulässiger Rechtsfortbildung abzugleiten, ist schwer zu bestimmen. Allerdings kann das hier dahinstehen, da ein derartiges Verständnis auch nicht in das Gesamtgefüge der §§ 99 ff BetrVG passt. Gilt nämlich schon die tatsächliche Maßnahme als rückgängig gemacht, wäre § 101 S. 1 Var. 2 BetrVG überflüssig, der dem Arbeitgeber aufgeben lässt, die Maßnahme aufzuheben. Gleiches gilt für § 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG, der anordnet, dass die Maßnahme nicht länger aufrechterhalten werden darf. Die Vorgängerregelung bringt für die Auslegung daher keine Erkenntnis. cc) Ende der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit Steht § 99 BetrVG der Auslegung entgegen, die „Beendigung“ auf die individualvertragliche Grundlage der Maßnahme zu beziehen und kann „Beendigung“ wegen § 101 S. 1 Var. 2 BetrVG und § 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG nicht im Lichte der Vorgängerregelung interpretiert werden, muss mit Blick auf die gesamte Systematik untersucht werden, was unter „endet die Maßnahme“ zu verstehen ist. Gilt im Ausgangspunkt, dass eine Auswirkung auf individualvertraglicher Grundlage nicht angenommen werden kann,125 muss eine Wirkung auf die tatsächliche Maßnahme gemeint sein. Im Falle der endgültigen personellen Einzelmaßnahmen verhält sich der Arbeitgeber betriebsverfassungswidrig, wenn er die Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats anordnet. Er verletzt die Rechte des Betriebsrats. Nimmt er dagegen unter Beachtung des in § 100 BetrVG vorgesehenen Verfahrens nur eine vorläufige Einstellung oder Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats vor, ist dieses Verhalten ggf. zulässig. Dann werden keine Rechte des Betriebsrats verletzt. Wie lange das Verhalten zulässig und damit rechtmäßig bleibt, bestimmt sich nach § 100 BetrVG: so lange, bis das Arbeitsgericht etwas Gegenteiliges feststellt. Mit der rechtskräftigen Entscheidung zu Lasten des Arbeitgebers wird die Aufrechterhaltung der Maßnahme unzulässig (§ 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Die Zulässigkeit der Maßnahme endet (§ 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG). Mit rechtskräftiger Entscheidung des Arbeitsgerichts i. S. d. § 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG endet die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit.126 Damit ist nichts über die Auswirkung auf die individualrechtliche Ebene ausgesagt. dd) Zwischenergebnis Auch wenn § 100 Abs. 3 S. 1 BetrVG scheinbar eine Aussage über die Auswirkung der Betriebsverfassungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme enthält, folgt aus der Gesetzessystematik, dass damit nur die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit gemeint ist. 125

s. o. S. 51 ff. ErfKom-Kania, § 100 BetrVG Rn 9; vgl. auch Matthes, DB 1989, 1285, 1287 f (Berechtigung zur Durchführung und Aufrechterhaltung der Maßnahme endet). 126

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b) Ergebnis Das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Aussage über die Auswirkung der Betriebsverfassungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme. 2. Historische Auslegung Zu untersuchen ist, ob die Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit auf die tatsächliche Zuweisung unter Rückgriff auf die §§ 62, 63 BetrVG 1952 ausgelegt werden kann. In § 62 BetrVG 1952 wurde für die Einstellung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn der Betriebsrat eine rechtskräftige Entscheidung zu seinen Gunsten erwirkt. Wie bereits dargelegt, kann aufgrund der geänderten Fassung jedenfalls keine Auswirkung auf die individualvertragliche Grundlage angenommen werden.127 Denkbar ist aber, dass die historische Auslegung ergibt, dass sich die Betriebsverfassungswidrigkeit auf die tatsächliche Zuweisung des Arbeitsplatzes durchschlägt. Einen Anhaltspunkt könnte hier § 63 BetrVG 1952 bieten. Die Norm ordnet für die Versetzung und Umgruppierung an, dass die Maßnahmen als rückgängig gemacht gelten, 14 Tage nachdem der Betriebsrat eine rechtskräftige Entscheidung zu Lasten des Arbeitgebers erwirkt hat. Die Regelung könnte insofern übertragbar sein, als dass die tatsächliche Maßnahme der Einstellung, der Ein- und Umgruppierung oder der Versetzung als rückgängig gemacht gilt. Problematisch ist aber schon, ob, wie von der Vorgängerregelung verlangt, an eine gerichtliche Entscheidung angeknüpft werden soll oder ob es ausreicht, dass der Arbeitgeber eine mitbestimmungswidrige personelle Einzelmaßnahme vollzogen hat. Bereits hier zeigt sich, dass das ganze System des Mitbestimmungsrechts nach aktueller Rechtslage völlig anders ausgestaltet ist als nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1952.128 Insbesondere sah das Betriebsverfassungsgesetz 1952 vor, dass der Arbeitgeber die Maßnahme zunächst rechtmäßig vornehmen konnte und es Sache des Betriebsrats war, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Daher war eine Regelung für den Fall sinnvoll, dass ein gerichtlich festgestellter Zustimmungsverweigerungsgrund vorlag, der die konkrete Maßnahme betraf. Nach heutigem Recht muss der Arbeitgeber die Zustimmung einholen oder ersetzen lassen, bevor er die Maßnahme durchführt, wenn er den Vorwurf der Betriebsverfassungswidrigkeit vermeiden will. Das Gesetz geht davon aus, dass der Arbeitgeber ohne Zustimmung die Einstellung nicht vornehmen darf und auch nicht wird. Daher ordnet keine Norm die Rückgängigmachung der Maßnahmen an. Vielmehr soll der Arbeitgeber bei fehlender Zustimmung die Initiative ergreifen und ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Zu den Konsequenzen der Betriebsverfassungswidrigkeit sagt das Gesetz gerade nichts. 127 128

s. o. S. 51 ff. s. o. S. 36 f.

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Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 und des aktuellen Betriebsverfassungsgesetzes lassen sich die alten Normen nicht für eine Auslegung fruchtbar machen. 3. Analogie zu §§ 102 Abs. 1 S. 3, 103 Abs. 1 BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, der die Mitbestimmung bei Kündigungen regelt, besagt, dass eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats unwirksam ist. Auch § 103 Abs. 1 BetrVG, der für die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern eine Zustimmung fordert, ordnet i.V. m. § 15 Abs. 1 KSchG die Unzulässigkeit der Kündigung im Falle der Mitbestimmungswidrigkeit an. Damit ist eine dennoch erfolgte Kündigung nach § 134 BGB nichtig und unwirksam.129 Fraglich ist, ob die Rechtsfolge der Unwirksamkeit durch eine Analogie auf § 99 BetrVG übertragen werden kann. Voraussetzung der Analogie ist das Vorliegen einer Lücke, d.h. einer planwidrigen Unvollständigkeit des Rechts.130 Planwidrigkeit liegt vor, wenn sich nach dem Zweck der analog anzuwendenden Normen (§§ 102, 103 BetrVG) i.V. m. dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht rechtfertigen lässt, die Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit bei Maßnahmen i. S. d. § 99 BetrVG anders zu behandeln als in den Fällen der §§ 102, 103 BetrVG. Untersucht man § 99 BetrVG auf der einen und § 103 und § 102 BetrVG auf der anderen Seite, fällt die unterschiedliche Ausgestaltung der Normen auf. § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG verlangt nur eine Anhörung. § 99 Abs. 1 BetrVG statuiert ein Zustimmungserfordernis. Somit verleiht § 102 BetrVG mit der Anhörungspflicht dem Betriebsrat ein geringeres Beteiligungsrecht als § 99 BetrVG mit dem Zustimmungserfordernis. Wenn schon im Falle einer Anhörungspflicht die Maßnahme unwirksam ist, weil diese verletzt wurde, dann müsste das erst recht gelten, wenn das Gesetz sogar die Zustimmung verlangt. Allerdings ist bei der Mitbestimmung sowohl zur Kündigung (§ 102 BetrVG) als auch zur Kündigung von Betriebsratsmitgliedern (§ 103 BetrVG) der Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung ein anderer: Im Falle der §§ 102, 103 BetrVG verlangt das Gesetz die Anhörung bzw. die Zustimmung zur Kündigung, also zu dem Akt, der individualvertraglich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll. Konsequenz ist, dass das Mitbestimmungsrecht auf die individualvertragliche Ebene durchschlägt. Im Rahmen des § 99 BetrVG knüpft die Zustimmung aber gerade nicht an den individualvertraglichen Akt an, sondern lediglich 129 Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung: BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 11 Bl. 246R (II.2.a.); Nr. 5 Bl. 513 f (2.); Nr. 2 Bl. 440R (II.1.); Nr. 1 Bl. 213 (C.I.1.); Fitting, § 103 Rn 24; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 55; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 102. 130 Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 30, 39; Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff; ders./Canaris, Methodenlehre, S. 194 ff; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn 832.

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an die tatsächliche Maßnahme. Diese strukturellen Unterschiede zeigen, dass die Anknüpfung der Mitbestimmung in den Fällen der §§ 102, 103 BetrVG auf der einen und bei § 99 BetrVG auf der anderen Seite nicht wesentlich gleich, sondern gerade verschieden ist. Dann ist auch eine Gleichbehandlung nicht erforderlich. Eine Analogie scheidet aus.131 4. Zwischenergebnis Das Betriebsverfassungsgesetz enthält keine Regelung über die Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit, die für alle personellen Maßnahmen gilt. III. Auslegung von § 99 BetrVG hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen Trifft das Gesetz selbst keine Regelung zur Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit auf die konkrete Maßnahme und ist eine solche auch im Wege der Auslegung insgesamt nicht erkennbar, muss jede einzelne Maßnahme untersucht werden.132 Ohne gesetzliche Regelung sollte es Ziel sein, Auswirkungen der Betriebsverfassungswidrigkeit eher zurückzudrängen, als zu befürworten. Reflexwirkungen sind nur anzunehmen, wenn der Zweck des Mitbestimmungsrechts es erfordert.133 Es bedarf daher einer am Zweck orientierten Auslegung des § 99 BetrVG und seiner Stellung im System der §§ 99 ff BetrVG,134 welche die Vertragsfreiheit der Parteien berücksichtigt. Dabei sind für die einzelnen Maßnahmen unterschiedliche Ergebnisse denkbar. Im Ausgangspunkt ist die Trennung der individualrechtlichen von der kollektivrechtlichen Ebene zu beachten.135 Der Arbeitnehmer hat ein Vertragsverhältnis zum Arbeitgeber und ist nur diesem gegenüber berechtigt und verpflichtet. Der Betriebsrat kann in dieses Verhältnis grundsätzlich nicht eingreifen. Er hat Rechte und Pflichte nur gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Trennung ergibt sich aus der Ausgestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes, welches Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat regelt. Beispielhaft erwähnt sei § 2 Abs. 1 BetrVG, der davon spricht, dass Betriebsrat und Arbeitgeber vertrauens-

131 Vgl. BAG NZA 2001, 893, 896; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 127 m.w. N.; vgl. auch Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 121. 132 Vgl. BAG NZA 1994, 1099, 1100; Misera, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 55 (III.2.a.). 133 Vgl. BAG NZA 2001, 893, 896; Misera, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 54R (III.2.a.). 134 BAG NZA 2001, 893, 896; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 249. 135 Vgl. Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 196 („Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände der § 99 ff regeln kollektivrechtliche und keine individualrechtlichen Rechtsbeziehungen.“)

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voll zusammenarbeiten sollen. Nur wenn ein Durchgriff der kollektivrechtlichen Ebene auf die individualrechtliche ausdrücklich geregelt ist, z. B. bei Betriebsvereinbarungen (§ 77 BetrVG), hat die kollektive Mitbestimmung unmittelbare Auswirkung auf die individualrechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gleiches gilt, wenn eine unmittelbare Auswirkung zwingend notwendig ist, um die Effektivität der Mitbestimmung durch den Betriebsrat zu wahren, z. B. im Falle von Maßnahmen i. S. d. § 87 BetrVG.136 1. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Einstellung Hinsichtlich der Einstellung wurde festgestellt, dass die Mitbestimmung nur die tatsächliche Maßnahme betrifft und die fehlende Zustimmung auf den Arbeitsvertrag keine Auswirkung hat.137 Zu klären bleibt die Folge auf die tatsächliche Zuweisung des Arbeitsplatzes. Ist der Arbeitsvertrag trotz betriebsverfassungsrechtlichem Beschäftigungsverbots wirksam, ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber grundsätzlich auch verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber muss ihn beschäftigen. Die Aussage, der Arbeitnehmer dürfe nicht beschäftigt werden, behält aber seinen Lohnanspruch,138 ist zu pauschal. Vielmehr ist anhand zivilrechtlicher Normen und der Auslegung des Normenkomplexes § 99 ff BetrVG zu untersuchen, ob es tatsächliche oder rechtliche Gründe gibt, die der Erfüllung des Arbeitsvertrags entgegenstehen. In Betracht kommen sowohl die Nichtigkeit nach § 134 BGB (analog), die Unmöglichkeit der Leistung des Arbeitnehmers aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbots, die Unmöglichkeit der Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs durch den Arbeitgeber als auch ein Leistungsverweigerungsrecht sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers. a) „Nichtigkeit“ nach § 134 BGB (analog) Die Zuweisung des Arbeitsbereichs könnte nach § 134 BGB nichtig sein.139 Voraussetzung ist, dass § 99 BetrVG ein Verbotsgesetz und die Zuweisung des Arbeitsbereichs ein Rechtsgeschäft ist. Ein Verbotsgesetz ist jede Rechtsnorm, die die Vornahme eines seiner Natur nach grundsätzlich möglichen Rechtsgeschäfts wegen seines Inhalts oder des mit ihm bezweckten Erfolges untersagt.140 § 99 Abs. 1 BetrVG verbietet nicht die personelle Maßnahme an sich, sondern 136

GK-BetrVG-Wiese, § 87 Rn 98 ff m.w. N. s. o. S. 51. 138 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 250. 139 So das BAG für die Versetzung: BAG NZA 2001, 893, 896; NZA 1994, 615, 617 f; NZA 1988, 476, 478; a. A. Meisel, Mitwirkung und Mitbestimmung, S. 108; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 298. 140 BeckOK-BGB-Wendtland, § 134 BGB Rn 9. 137

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knüpft sie lediglich an die Zustimmung des Betriebsrats.141 § 100 BetrVG zeigt, dass personelle Einzelmaßnahmen sehr wohl auch ohne Zustimmung des Betriebsrats erfolgen können. Und auch § 101 BetrVG, der für den Fall der Mitbestimmungswidrigkeit Maßnahmen gegenüber dem Arbeitgeber vorsieht, geht davon aus, dass die Maßnahme zunächst durchgeführt wird. Somit steht nicht der Erfolg, die personelle Einzelmaßnahme an sich, mit der Rechtsordnung nicht in Einklang, sondern nur die Mitbestimmungswidrigkeit.142 Außerdem ist die tatsächliche Zuweisung kein Rechtsgeschäft, sondern ein Realakt, der von § 134 BGB nicht erfasst wird und per se nicht unwirksam sein kann.143 In Betracht kommt demnach lediglich eine Analogie der Norm. Allerdings ist bereits fraglich, welche Rechtsfolge mit der analogen Anwendung bezweckt werden soll. Da es sich bei der tatsächlichen Zuweisung um einen Realakt handelt, kann die Unwirksamkeit nicht die gewünschte Folge sein. Darüber hinaus käme eine Analogie nur in Betracht, wenn der Regelungskomplex §§ 99 ff BetrVG nicht bereits eigene Vorschriften enthält. § 101 S. 1 BetrVG sieht für diese Fälle aber gerade einen Aufhebungsanspruch des Betriebsrats vor.144 Dass dieser nur die kollektive, nicht aber die individualrechtliche Ebene regelt, steht dem nicht entgegen.145 Die Trennung dieser beiden Ebenen ist gerade Ausgangspunkt dieser Überlegung und kann daher kein Argument gegen ihre Beibehaltung sein. Das Gesetz sieht daher mit der Sanktionsnorm des § 101 BetrVG eine eigene Regelung vor und ist nicht lückenhaft. Demnach scheidet die Nichtigkeit nach § 134 BGB aus. Die Zuweisung des Arbeitsplatzes ist nicht gemäß § 134 BGB (analog) nichtig. b) Unmöglichkeit Die Betriebsverfassungswidrigkeit könnte zur Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung nach § 275 Abs. 1 BGB führen, so dass der Arbeitnehmer zur Arbeit weder berechtigt noch verpflichtet ist.146 Der Schluss vom betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot auf die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer ließe die fehlende Zustimmung im Ergebnis doch 141

GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 130. Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 130. 143 MüKo-BGB-Ernst, § 134 Rn 23; vgl. für die Versetzung v. Hoyningen-Huene/ Boemke, S. 196; v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150; ders., RdA 1992, 355, 359; ders./Linck, KSchG, 14. Aufl., § 2 Rn 199. 144 So auch Stege/Weinspach/Schiefer, § 99 Rn 152a; Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 48; Kraft/Hoehn, SAE 1989, 77, 78; vgl. auch v. Hoyningen-Huene, RdA 1992, 355, 359; krit. Raab, ZfA 1995, 479, 499 (Verfahren nach § 101 BetrVG ist zum Schutz des Arbeitnehmers ineffektiv). 145 So aber Elke Müller, Mitbestimmung, S. 76 f. 146 So ohne Begründung z. B. Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 131. 142

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auf die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchschlagen. Das kollidiert mit der Trennung dieser beiden Ebenen. Allerdings ist diese Trennung zwar Ausgangspunkt der Überlegung, aber kein unumstößlicher Grundsatz, was sich auch in anderen Bereichen zeigt (§§ 77, 87 BetrVG). Anhand des § 275 Abs. 1 BGB sind die rechtliche und tatsächliche Unmöglichkeit zu prüfen. Zu unterscheiden ist außerdem, ob dem Arbeitnehmer die Leistung oder dem Arbeitgeber die Beschäftigung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. aa) Tatsächliche Unmöglichkeit Der Arbeitnehmer ist tatsächlich in der Lage seine Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitgeber kann diese tatsächlich auch annehmen und den Arbeitnehmer beschäftigen. Ob er sie annehmen darf, ist eine andere Frage. Weder dem Arbeitnehmer noch dem Arbeitgeber ist seine Leistung tatsächlich unmöglich. bb) Rechtliche Unmöglichkeit Rechtliche Unmöglichkeit147 liegt beispielsweise vor, wenn eine behördliche Genehmigung fehlt.148 Die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen ist damit aber nicht vergleichbar, da dort kein Hoheitsträger eine Genehmigung erteilen soll, sondern nur ein Gremium des Privatrechts. Außerdem ist rechtliche Unmöglichkeit anzunehmen, wenn der erstrebte Erfolg schon besteht, etwa bei dem Verkauf einer dem Käufer schon gehörenden Sache. Weiterhin spricht man von rechtlicher Unmöglichkeit, wenn die Rechtsordnung den angestrebten Erfolg nicht anerkennt oder dieser Erfolg schlicht nicht eintreten kann, z. B. bei Untergang des zu übertragenden Rechts oder beim Verkauf eines Nießbrauchs.149 Beides kommt hier nicht in Betracht. Auch wenn der Erfolg rechtlich verboten ist, liegt rechtliche Unmöglichkeit vor.150 Zu beachten ist, dass die §§ 99 ff BetrVG Rechte und Pflichten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber regeln und letzteren sanktionieren, wenn er sich mitbestimmungswidrig verhält. Die Rechte des Betriebsrats werden nicht durch die Erbringung der Arbeitsleistung verletzt, sondern durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers.151 Richtiger Anknüpfungspunkt ist daher die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs durch den Arbeitgeber. Dieser könnte von der Rechtsordnung 147 Für rechtliche Unmöglichkeit im Fall der Mitbestimmungswidrigkeit: ErfKomKania, § 99 BetrVG Rn 45; Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 131. 148 BAG NJW 1977, 1023 (Beschäftigungsverbot bei fehlender Arbeitserlaubnis); vgl. auch BAG AP § 18 BSeuchG Nr. 2 Bl. 716R (II.1.) (jedenfalls keine Nichtigkeit des Vertrags bei fehlendem Gesundheitszeugnis). 149 Vgl. MüKo-BGB-Ernst, § 275 Rn 40 ff; Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 36 ff. 150 Vgl. Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 37. 151 Vgl. Rixecker, ArbuR 1983, 238, 240.

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missbilligt und verboten und damit rechtlich unmöglich sein.152 Erst in einem zweiten Schritt ist danach zu fragen, wie sich das auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers auswirkt. (1) Unmöglichkeit der Beschäftigung durch den Arbeitgeber (a) Kollidierende Rechtspflichten Nach dem Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen und der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung erbringen: Der Arbeitnehmer hat einen Beschäftigungsanspruch153 und der Arbeitgeber einen Anspruch auf Arbeitsleistung. Zur Beschäftigung des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber aber dem Betriebsrat gegenüber nicht berechtigt: Er darf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen, ohne sich dem Betriebsrat gegenüber widerrechtlich zu verhalten. Ist der Betriebsrat inzwischen nach § 101 BetrVG vorgegangen, sieht sich der Arbeitgeber evtl. mit zwei Zwangsgeldfestsetzungen konfrontiert. Der Arbeitnehmer kann seinen Beschäftigungsanspruch einklagen und mit Zwangsgeld vollstrecken (vgl. § 888 ZPO).154 Der Betriebsrat kann nach § 101 S. 2 BetrVG Zwangsgeld festsetzen lassen, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch erfüllt. Gleichgültig wie sich der Arbeitgeber verhält, er verstößt gegen eine Rechtspflicht und sieht sich jeweils einer Zwangsgeldfestsetzung gegenüber. Hieraus könnte die rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs folgen. Besteht jedoch ein Konflikt zweier Rechtspflichten dergestalt, dass die eine nur erfüllt werden kann, wenn gleichzeitig die andere verletzt wird, liegt damit nicht rechtliche Unmöglichkeit i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB vor. Hierfür gelten vielmehr die Sonderfälle des § 275 Abs. 2 und 3 BGB.155 Die kollidierenden Pflichten führen daher nicht zur rechtlichen Unmöglichkeit. (b) Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG Aus der Sanktionsnorm des § 101 BetrVG könnte folgen, dass das Gesetz davon ausgeht, dass die Leistung rechtlich möglich ist. Ordnet eine Norm eine Sanktion für ein bestimmtes Verhalten an, impliziert sie zunächst, dass dieses Verhalten möglich ist. Allerdings gilt das in erster Linie auf tatsächlicher Ebene. 152 So offenbar BAG NZA 2001, 893, 897, wenn es davon spricht, dass der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch nicht erfüllen kann; ähnlich Richardi-Thüsing, § 101 Rn 8a. 153 Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 114 f m.w. N. (dort Fn 11, 14). 154 Vgl. LAG Rh-Pf NZA-RR 2005, 550; LAG S-H NZA-RR 2004, 408, 409. 155 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 45; ähnlich noch zum alten Schuldrecht Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 183.

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Dass etwas rechtlich unmöglich ist, heißt nicht, dass es tatsächlich nicht durchgeführt werden kann. Wird eine Maßnahme trotz rechtlicher Unmöglichkeit umgesetzt, sind Sanktionen dafür nötig. Speziell für die vorliegende Konstellation bestätigt das ein historischer Vergleich. Das Betriebsverfassungsgesetz 1952 hat in § 63 angeordnet, dass die Maßnahme als rückgängig gemacht gilt. Dennoch war in § 64 Abs. 2 BetrVG 1952 die Möglichkeit einer Ordnungsstrafe für ein etwaiges Fehlverhalten des Arbeitgebers vorgesehen. Damit gab es eine Sanktion für eine Maßnahme, die schon von der Rechtsordnung als nicht mehr existent angesehen wurde. Dann ist denkbar, dass auch im Falle der mitbestimmungswidrigen Einstellung rechtliche Unmöglichkeit vorliegt, obwohl das Gesetz mit § 101 BetrVG dem Betriebsrat eine Möglichkeit gibt, seine Rechte durchzusetzen. Aus § 101 BetrVG lässt sich daher weder die rechtliche Möglichkeit noch die Unmöglichkeit begründen. (c) Systematik der §§ 99 ff BetrVG Um die Frage zu lösen, ob das Gesetz die tatsächliche Beschäftigung verbietet, ist der Normenkomplex der §§ 99 ff BetrVG zu analysieren. Nach der Gesetzeskonzeption soll die Zustimmung vor der Maßnahme erteilt werden. Das spricht dafür, dass Maßnahmen ohne Zustimmung missbilligt werden. Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, eine Maßnahme vorläufig durchzuführen (§ 100 BetrVG), was auf den ersten Blick gegen rechtliche Unmöglichkeit spricht. Jedoch ist diese vorläufige Maßnahme zeitlich begrenzt. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht innerhalb einer bestimmten Zeit, die Zustimmung einzuholen oder ersetzten zu lassen, „darf die Maßnahme nicht mehr aufrechterhalten werden“ (§ 100 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Darin kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz eine Maßnahme ohne Zustimmung missbilligt und verbietet. Das lässt sich auch auf die endgültigen Maßnahmen übertragen: Ohne Zustimmung oder deren gerichtliche Ersetzung sind sie nicht erwünscht und verboten. Ohne Zustimmung besteht ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot. Die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs ist somit rechtlich unmöglich. (d) Besondere Anforderungen der rechtlichen Unmöglichkeit Problematisch ist, dass eine fehlende Zustimmung vom Betriebsrat nachgeholt werden oder vom Gericht ersetzt werden kann. Die Voraussetzungen für die Möglichkeit der Maßnahme können daher hergestellt werden. Fraglich ist deshalb, wann dieses „Verbot“ ein „Verbot“ i. S. rechtlicher Unmöglichkeit darstellt. (aa) Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG Kommt es auf die Mitwirkung Dritter an, kann man von Unmöglichkeit nur ausgehen, wenn deren Mitwirkung entweder sicher oder aller Voraussicht nach

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ausscheiden wird.156 Gleiches gilt, wenn eine behördliche Genehmigung nötig ist: Rechtliche Unmöglichkeit tritt erst ein, wenn diese endgültig versagt ist.157 Der Schuldner muss jedoch alles tun, um dies zu verhindern. Bei der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist das problematisch: Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. D. h. allein die verweigerte Zustimmung macht die Beschäftigung und Arbeitsleistung nicht rechtlich unmöglich. Aber selbst wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig verneint wurde, ist keinesfalls sicher, dass die Zustimmung nicht doch noch erteilt wird.158 Der Betriebsrat kann die Verweigerung seiner Zustimmung jederzeit zurücknehmen oder die Zustimmung erteilen.159 Der Arbeitgeber kann kann den Betriebsrat erneut um Zustimmung ersuchen. Lehnt der Betriebsrat ab, kann der Arbeitgeber ein weiteres Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Der Abschluss des ersten steht dem nicht entgegen, da sich mit dem neuen Zustimmungsersuchen Antrag und Sachverhalt ändern, so dass ein anderer Streitgegenstand160 vorliegt.161 Allerdings kann allein die abstrakte Möglichkeit der Veränderung zukünftiger Umstände ohne jegliche Anhaltspunkte die Dauerhaftigkeit nicht ausschließen.162 Fraglich ist aber, wann von dieser Dauerhaftigkeit auszugehen ist. Hier bietet es sich an, auf die rechtskräftige Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren abzustellen, sofern diese aus materiellen Gründen erfolgt ist, also ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorlag.163 Darin kommt zum Ausdruck, dass der Betriebsrat die Zustimmung zu Recht verweigert hat. Außerdem hat er während des gesamten Zustimmungsersetzungsverfahrens seine Auffassung nicht geändert und die Verweigerung nicht zurückgenommen oder die Zustimmung erteilt. Liegen keine gegenteiligen Anhaltspunkte vor, ist ab diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass eine Zustimmung nicht mehr erfolgen wird.164 Dafür, dass rechtliche Unmöglichkeit dann eintritt, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wurde, spricht auch, dass ab diesem

156

Vgl. MüKo-BGB-Ernst, § 275 Rn 42. Vgl. Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 40 m.w. N. 158 Mit dieser Argumentation hat BAG NZA 2010, 1235, 1236 ff im Rahmen der Änderungsschutzklage die rechtliche Unmöglichkeit abgelehnt; so auch KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b. 159 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 191; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 174; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 271. 160 Zum Streitgegenstand s. S. 127. 161 v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 203; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b. 162 Kania/Kania, Anm. zu BAG EzA § 2 KSchG Nr. 77 Bl. 12 f (3.a.) = NZA 2010, 1235; Schwarze, JA 2011, 387, 388; im Ergebnis auch v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 203. 163 Vgl. Elke Müller, Mitbestimmung, S. 106. 164 A. A. KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b (Unmöglichkeit nur wenn weiteres Zustimmungsersetzesungsverfahren „schlechterdings keinen Erfolg haben kann“). 157

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Zeitpunkt eine vorläufige Maßnahme nicht mehr möglich ist.165 Mit rechtskräftiger Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich.166 (bb) Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG Fraglich ist, ob auch dann schon von rechtlicher Unmöglichkeit auszugehen ist, wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgeht.167 Denkbar ist die Konstellation, dass keine Zustimmung vorliegt und noch kein Zustimmungsersetzungsverfahren durchgeführt wurde, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber beschäftigt. Hier kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber nach § 101 S. 1 BetrVG aufgeben lassen, die „Maßnahme aufzuheben“. Allerdings spricht schon dieser Wortlaut dafür, dass eine Handlung des Arbeitgebers notwendig ist und keine Unmöglichkeit eintritt. Außerdem wäre die Maßnahme in diesem Fall schon deswegen nicht rechtlich unmöglich, weil die Erteilung der Zustimmung oder Zustimmungsersetzung noch erfolgen kann.168 (e) Zwischenergebnis Die Beschäftigung durch den Arbeitgeber ist rechtlich unmöglich, wenn eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG existiert, die den Zustimmungsersetzungsantrag abweist. Allein die Mitbestimmungswidrigkeit und das daraus folgende betriebsverfassungsrechtliche Beschäftigungsverbot sind jedoch nicht ausreichend. (2) Auswirkungen auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers Mit der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers korrespondiert die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Ist nun die Beschäftigungspflicht rechtlich unmöglich, muss sich das auch auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durchschlagen. Es ist undenkbar, dass es dem Arbeitgeber rechtlich verboten sein soll, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, dem 165

s. o. S. 42. Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 203 (Änderungskündigung); ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 26 (Änderungskündigung: Unmöglichkeit wenn die Zustimmung endgültig nicht mehr erteilt wird). 167 Vgl. BAG NZA 2001, 893, 897 sowie Richardi-Thüsing, § 101 Rn 8a (wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgegangen ist, besteht kein durchsetzbarer Beschäftigungsanspruch mehr); Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 208 f (alleinige Voraussetzung ist ein gerichtliches Aufhebungsgebot nach § 101 BetrVG, eine Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG reiche nicht aus); wohl auch Rixecker, ArbuR 1983, 238, 239 f (berechtigtes Aufhebungsverlangen führt zu einem Verbot der Beschäftigung). 168 s. o. S. 66 f. 166

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Arbeitnehmer aber die rechtliche Möglichkeit bleibt zu arbeiten. Damit ist auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. (3) Folgen der rechtlichen Unmöglichkeit auf den Vertrag des Arbeitnehmers Die Unmöglichkeit führt allerdings nicht dazu, dass der Vertrag unwirksam wird (vgl. §§ 275 Abs. 1, 311a BGB). Der Arbeitsvertrag ist trotz Mitbestimmungswidrigkeit wirksam.169 (4) Lohnanspruch Erbringt der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung, weil sie ihm unmöglich geworden ist, kann er grundsätzlich keinen Lohn verlangen (§ 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB, „Kein Lohn ohne Arbeit“). Etwas anderes gilt im Verzugsfalle (§ 615 S. 1 BGB). Problematisch ist, dass Verzug als Leistungsstörung grundsätzlich die Nachholbarkeit der Leistung voraussetzt.170 Da die Arbeitsleistung aber überwiegend eine Fixschuld ist, führt die Nichterbringung i. d. R. zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung.171 Hält man am diesem „Dogma der Ausschließlichkeit von Annahmeverzug und Unmöglichkeit“ fest, würde nie Annahmeverzug eintreten.172 (a) Annahmeverzug und Unmöglichkeit Daher kann § 615 S. 1 BGB so ausgelegt werden, dass im Dienst- und Arbeitsverhältnis gerade nicht von der Ausschließlichkeit von Annahmeverzug und Unmöglichkeit auszugehen ist.173 Nimmt der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers nicht an, kommt er in Annahmeverzug und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf seinen Arbeitslohn nach § 615 S. 1 BGB. Da der Arbeitgeber aufgrund der rechtlichen Unmöglichkeit der Beschäftigung die Arbeitsleistung nicht annimmt und die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung selbst erst Folge davon ist, würde der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch behalten. (b) Ausschließlichkeit Die Rechtsprechung geht dagegen im Grundsatz von der Ausschließlichkeit von Unmöglichkeit und Annahmeverzug aus. Sie nimmt Annahmeverzug an, 169

s. o. S. 51. ErfKom-Preis, § 615 BGB Rn 4; ders., Individualarbeitsrecht, § 43 II. 171 Vorzugswürdig ist es, nicht prinzipiell von einer Fixschuld auszugehen, sondern nur dann, wenn die Leistung aufgrund der Vertragsgestaltung nicht mehr nachholbar ist; vgl. ErfKom-Preis, § 611 BGB Rn 675 f; MüHB-ArbR-Reichhold, § 39 Rn 8 ff. 172 Vgl. Preis, Individualarbeitsrecht, § 43 II. 173 MüKo-BGB-Henssler, § 615 Rn 8; Picker, FS Kissel, S. 813, 816 ff, 853 f; ders., JZ 1985, 693, 698 ff; ErfKom-Preis, § 615 BGB Rn 7. 170

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wenn der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung verweigert (= Annahmeunwilligkeit). Unmöglichkeit soll vorliegen, wenn die Arbeitsleistung trotz Annahmebreitschaft nicht erbracht werden kann (= Annahmeunfähigkeit).174 Trägt der Arbeitgeber aber das Risiko des Arbeitsausfalls, bleibt es nach § 615 S. 3 BGB bei der Vergütungsspflicht.175 Dem Arbeitgeber ist die Beschäftigung rechtlich unmöglich. Es liegt daher keine Annahmeunwilligkeit, sondern Annahmeunfähigkeit vor. Ob der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch behält, hinge davon ab, ob § 615 S. 3 BGB einschlägig ist. Welcher Auslegung der Vorzug zu gewähren ist, muss daher nur entschieden werden, wenn der Arbeitgeber nicht ohnehin nach § 613 S. 3 BGB das Risiko des Arbeitsausfalls trägt (Betriebsrisikolehre). Das ist dann der Fall, wenn der leistungsfähige und -willige Arbeitnehmer aus Gründen, die nicht in der Person des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen und von keiner Seite zu vertreten sind, nicht beschäftigt werden kann. Die Gründe müssen vielmehr betrieblich veranlasst sein.176 Typisches Beispiel ist die Betriebsstörung.177 Gedanke dieser Regelung ist die Verteilung der Risiken. Der Arbeitgeber soll neben dem Wirtschaftsrisiko auch das Betriebsrisiko tragen.178 Fraglich ist daher, ob den Arbeitgeber das Betriebsrisiko trifft, wenn er den Arbeitnehmer wegen rechtlicher Unmöglichkeit, die auf dem rechtskräftig abgelehnten Zustimmungsersetzungsantrag beruht, nicht beschäftigen kann. Das ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil damit auch dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich wird. Dies ist nur Folge der rechtlichen Unmöglichkeit der Beschäftigung. Im Ausgangspunkt ist es dem Arbeitnehmer möglich zu arbeiten. Der Arbeitgeber hat die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit nicht zu vertreten. Ihm kann lediglich vorgeworfen werden, dass er den Betriebsrat nicht rechtzeitig um Zustimmung ersucht hat. Allerdings hätte das den Eintritt der rechtlichen Unmöglichkeit nicht verhindern können. Bei Vorliegen eines Zustimmungsverweigerungsgrunds wäre dem Arbeitgeber mit Abweisung des Antrags nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Beschäftigung des Arbeitnehmers auch bei ordnungsgemäßer Beteiligung unmöglich geworden. Jedenfalls wenn der Arbeitgeber letztlich den Betriebsrat um Zustimmung ersucht und die gerichtliche Ersetzung beantragt hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden, er habe die Verweigerung der Zustimmung und damit die Unmöglichkeit zu vertreten.

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BAG AP § 615 BGB Nr. 18. Preis, Individualarbeitsrecht, § 43 II. 176 Luke, NZA 2004, 244, 245; ErfKom-Preis, § 615 BGB Rn 120. 177 Vgl. MüKo-BGB-Henssler, § 615 Rn 89. 178 Vgl. ErfKom-Preis, § 615 BGB Rn 122; vgl. Staudinger-Richardi/Fischinger, § 615 Rn 199. 175

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Entfernt lässt sich diese Konstellation mit behördlichen Verboten oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften vergleichen, die Verbote statuieren, welche zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führen. Auch hier wird eine Lösung über § 615 S. 3 BGB gesucht.179 Das ist mit dem vorliegenden Fall deswegen vergleichbar, weil auch hier dem Arbeitgeber etwas untersagt wird, was sich letztlich auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durchschlägt. Typische Fälle des Betriebsrisikos sind allerdings v. a. Konstellationen, die auf Zufall beruhen (Naturereignisse) oder die sich jeglicher Einflussnahme des Arbeitgebers entziehen (Lieferausfall von Vorprodukten).180 Das ist hier nicht der Fall. Allerdings hat der Arbeitgeber das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können, selbst geschaffen: Er hat den Arbeitnehmer eingestellt, ohne zuvor den Betriebsrat zu beteiligen oder ohne den Arbeitsvertrag von dieser Beteiligung abhängig zu machen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, den Arbeitgeber im Falle des Zufalls zu verpflichten, den Lohn zu zahlen, davon aber abzusehen, wenn er das zur Unmöglichkeit führende Risiko geschaffen oder zumindest in Kauf genommen hat. Das Risiko muss darüber hinaus dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sein. Letztlich beruht die Einordnung einer Gefahr in das Betriebsrisiko auf einer Wertung: Soll der Arbeitgeber das Risiko alleine tragen oder handelt es sich um Umstände, die beiden Vertragsparteien zuzuordnen sind?181 Die Unmöglichkeit resultiert aus der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats. Es kann sicher nicht pauschal behauptet werden, jegliche Handlungen oder Unterlassungen des Betriebsrats fallen in den Risikobereich des Arbeitgebers. Allerdings ist zu bedenken, dass im Rahmen von § 99 BetrVG im Ansatz von einer Trennung der individualrechtlichen und der kollektivrechtlichen Ebene auszugehen ist. Die Norm regelt nur die Beziehung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat keinerlei Einblick in dieses Verhältnis. Dagegen hat sich der Arbeitgeber bewusst in diese Situation begeben. Er hätte die kollektivrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme vor Abschluss des Arbeitsvertrags klären können. Daher ist es gerechtfertigt, das Risiko der mangelnden Beschäftigungsmöglichkeit auch alleine dem Arbeitgeber zuzuordnen182 und dieses somit als „Betriebsrisiko“ i. S. d.

179 Dazu MüHB-ArbR-Boewer, § 69 Rn 56; BeckOK-ArbR-Joussen, § 615 BGB Rn 97; ErfKom-Preis, § 615 BGB Rn 133; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 615 Rn 239 f; a. A. MüKo-BGB-Henssler, § 615 Rn 101 (behördliches Verbot grds. nicht von § 615 S. 3 BGB erfasst). 180 Bsp. mit Nachweisen MüHB-ArbR-Boewer, § 69 Rn 56. 181 Vgl. Preis, Individualarbeitsrecht, § 44 I 2; Staudinger-Richardi/Fischinger, § 615 Rn 199. 182 Vgl. Schwerdtner, FS 25 Jahre BAG 1979, S. 555, 580 (zur Versetzung und Umgruppierung durch Änderungskündigung: Nichtdurchführbarkeit von Versetzung und Umgruppierung liegt im Risikobereich des Arbeitgeber); a. A. wohl ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 45.

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§ 615 S. 3 BGB zu qualifizieren. Der Arbeitnehmer behält daher nach § 615 S. 3 BGB seinen Lohnanspruch.183 (c) Ergebnis Ob im Arbeitsverhältnis am Auschließlichkeitsdogma von Annahmeverzug und Unmöglichkeit festzuhalten ist, muss daher nicht entschieden werden. Der Arbeitnehmer behält jedenfalls seinen Lohnanspruch. (5) Kündigung Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, wird er dessen Arbeitsverhältnis beenden wollen. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist von einem Monat gemäß § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB eine Kündigung aussprechen. Sofern eine Probezeit vereinbart ist, beträgt die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 3 BGB nur zwei Wochen. Besteht das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate, sind grundsätzlich die Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes anzuwenden (§ 1 Abs. 1 KSchG), so dass ein Kündigungsgrund vorliegen muss. Bei der Einstellung kann das v. a. relevant werden, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird. Da diese Verlängerung als Einstellung i. S. d. § 99 BetrVG anzusehen184 und bei der Berechnung der Wartefrist die Gesamtdauer der Beschäftigungszeit entscheidend ist,185 kann hier ein die sechs Monate übersteigender Beschäftigungszeitraum entstehen.186 Gleiches gilt, wenn sich der Streit um die Mitbestimmungswidrigkeit so lange hingezogen hat. (a) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Gegen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes spricht jedoch, dass die Kündigung nicht auf freiem Willen des Arbeitgebers beruht, sondern durch das Betriebsverfassungsgesetz erzwungen wird. Will der Arbeitgeber selbst das Arbeitsverhältnis gar nicht beenden, ist es bedenklich, ihm die Restriktionen des 183 So im Ergebnis auch Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 196 (zur Betriebsrisikolehre vor Einführung des § 615 S. 3 BGB); vgl. auch Gimpel, Individualrechtliche Konsequenzen, S. 136; Rixecker, ArbuR 1983, 238, 240; a. A. BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 52R (II.4.e.) (Das BAG geht nicht auf rechtliche Unmöglichkeit ein und wendet § 615 S. 1 BGB an.); ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 45 (nur verschuldensabhängigen Schadensersatz nach § 280 BGB oder § 311 Abs. 2 BGB). 184 GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 27 m.w. N. 185 BAG NZA 2000, 721, 722; NZA 1990, 221 ff; KR-Griebeling, § 1 KSchG Rn 111. 186 Vgl. auch Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 201.

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Kündigungsschutzgesetzes aufzuerlegen.187 Es ist zwar richtig, dass der Arbeitgeber in der Entscheidung zur Kündigung vom Betriebsrat und gesetzlichen Wertungen beeinflusst ist. Allerdings enthält das Kündigungsschutzgesetz keine Einschränkung. Es soll den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen schützen und stellt nicht darauf ab, ob der Arbeitgeber die Kündigung will oder nicht. Vielmehr sind alle Kündigungen am Kündigungsschutzgesetz zu messen, wenn dessen Anwendungsbereich eröffnet ist.188 (b) Rechtfertigung Damit ist aber noch nichts über die Rechtfertigung der Kündigung ausgesagt. Ein personen- und verhaltensbedingter Kündigungsgrund wird bei der Einstellung i. d. R. nicht in Betracht kommen. Allerdings kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen. Es besteht für diesen kein Arbeitsplatz. In Betracht kommt daher ein betriebsbedingter Kündigungsgrund aufgrund fehlender Beschäftigungsmöglichkeit. (c) Verschulden des Arbeitgebers Der Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber diesen Zustand durch sein betriebsverfassungswidriges Verhalten selbst herbeigeführt hat. Auch sonst wird bei betriebsbedingten Kündigungen nicht als Einschränkung geprüft, ob der Arbeitgeber etwa die missliche Lage seines Betriebs selbst zu verantworten hat.189 Die betriebsbedingte Kündigung beurteilt kein Fehlverhalten des Arbeitgebers in der Vergangenheit. Sie soll ihn vielmehr im Interesse des gesamten Betriebs für die Zukunft handlungsfähig machen. Eine Sozialauswahl ist nicht durchzuführen. Sie ist sinnlos, da der Kündigungsgrund nur hinsichtlich des einen Arbeitnehmers vorliegt. (d) Kündigungsgrund Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, gibt es für diesen keinen Arbeitsplatz. Darin liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund.

187 Hueck, KSchG, 10. Aufl, § 1 Rn 54; J. Hahn, Rechtsfolgen mangelnder Beteiligung, S. 158 f. 188 v. Hoyningen-Huene, RdA 1982, 205, 210; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128; ders., ZfA 1995, 479, 492; Richardi, DB 1973, 428, 429; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 296; Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 164 f; vgl. auch Matthes, DB 1974, 2007, 2010; Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 161 ff; Misera, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG Nr. 5 Bl. 57R (II.4.b.); im Ergebnis auch Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 201 f. 189 Matthes, DB 1974, 2007, 2010; Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 167; vgl. auch Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 161 ff.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer daher nur kündigen, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wurde. Denkbar ist aber, dass schon die bloße Betriebsverfassungswidrigkeit einen Kündigungsgrund darstellt. Allerdings muss die hohe Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer beachtet werden. Bejaht man einen Kündigungsgrund, der auf einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot beruht, wirkt sich die fehlende Zustimmung des Betriebsrats trotz der Trennung der individualrechtlichen von der kollektivrechtlichen Ebene auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers aus. Konkret wird der Erwerb des Arbeitsplatzes verhindert. Der Arbeitnehmer hat darauf keinen Einfluss. Daher liegt eine objektive Zulassungsvoraussetzung vor und nicht nur eine Berufsausübungsbeschränkung.190 Damit sind an den Kündigungsgrund erhöhte Anforderungen zu stellen. Es muss sicher sein, dass der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden kann, d.h. dass eine Zustimmung nicht vorliegt und nicht mehr erteilt wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Arbeitsgericht den Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt hat.191 Die bloße Mitbestimmungswidrigkeit kann dagegen nicht ausreichen. In Betracht kommt weiterhin, dass der Arbeitgeber auch schon dann kündigen darf, wenn der Betriebsrat seine Rechte mit einem Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG weiterverfolgt, ohne dass bereits eine Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags erfolgt ist.192 Damit macht der Betriebsrat klar, dass er sich mit dem betriebsverfassungswidrigen Zustand nicht abfinden wird. Ob er noch beseitigt werden kann, steht aber noch nicht fest, da das Gericht die Zustimmung ersetzen kann. Von einer Kündigungsmöglichkeit ohne eine endgültige Klärung dieser Frage wird man nur ausgehen können, wenn das Betriebsverfassungsgesetz den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten vor denen aus dem Arbeitsvertrag Vorrang einräumt.193 Ausdrücklich trifft das Gesetz dazu keine Aussage. Auch aus der Möglichkeit der Zwangsgeldanordnung in § 101 S. 2 BetrVG folgt nicht zwingend der Vorrang betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. Denn auch wenn der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch einklagt, kann nach § 888 ZPO Zwangsgeld festgesetzt werden. Vielmehr muss auch hier die hohe Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt werden. Nur wenn feststeht, dass er nicht beschäftigt werden kann, darf ihm gekündigt werden. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der Betriebsrat nach

190 Vgl. Richardi, NZA 1999, 617, 620; ders., Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 274R (IV.); Dietz/Richardi, 6. Aufl., § 99 Rn 22; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 281; krit. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner; § 99 Rn 247. 191 So im Ergebnis auch Raab, ZfA 1995, 479, 492 (aber personenbedingter Kündigungsgrund). 192 So Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 163 (beurteilt aber die Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit anders). 193 So GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128.

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§ 101 BetrVG vorgeht, sondern erst, wenn rechtliche Unmöglichkeit eingetreten ist. Denkbar ist aber auch, dass eine Kündigung trotz rechtlicher Unmöglichkeit aufgrund einer Abweisung des Antrags nach § 99 Abs. 4 BetrVG erst zulässig ist, wenn der Betriebsrat durch Einleitung des Verfahrens nach § 101 S. 1 BetrVG deutlich macht, dass er die Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht akzeptiert. Damit würde vom Arbeitgeber allerdings verlangt, sich gegen eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung aufzulehnen, die eine bestimmte Streitfrage abschließend klärt. Mit Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens hat der Arbeitgeber alles getan, um eine Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu ermöglichen. Darüber hinaus kann ihm nicht zugemutet werden, sich weiterhin betriebsverfassungswidrig zu verhalten. Ein Vorgehen des Betriebsrats nach § 101 BetrVG ist damit nicht erforderlich. Lässt man eine Kündigung erst bei rechtlicher Unmöglichkeit zu, die eintritt, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wurde, ist es auch nicht mehr nötig, dem Arbeitnehmer systemwidrig ein Antragsrecht im Zustimmungsersetzungsverfahren einzuräumen oder einen Anspruch gegen den Arbeitgeber zu bejahen, dieses Verfahren einzuleiten.194 Vielmehr ist der Arbeitgeber im eigenen Interesse gezwungen, ein solches Verfahren durchzuführen. cc) Zwischenergebnis Hat das Arbeitsgericht rechtskräftig die Zustimmungsersetzung verweigert, wird es dem Arbeitgeber rechtlich unmöglich, den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Damit wird es auch dem Arbeitnehmer unmöglich seine Arbeitsleistung zu erbringen. Gemäß § 615 S. 3 BGB behält der Arbeitnehmer aber seinen Lohnanspruch. Allerdings kann ihm der Arbeitgeber kündigen. Sofern das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden ist, liegt in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit ein betriebsbedingter Kündigungsgrund. Dieser resultiert aus der rechtlichen Unmöglichkeit und tritt mit der rechtskräftigen Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags ein. dd) Situation bis zur rechtlichen Unmöglichkeit Da rechtliche Unmöglichkeit erst mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG eintritt, stellt sich die Frage, wie die Situation bis dahin zu beurteilen ist. Im Ausgangspunkt gilt der Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zu beschäftigen, dieser ist zur Arbeitsleistung verpflichtet.

194

Dazu Hartmann, ZfA 2008, 383 ff; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 279 ff m.w. N.

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(1) Durchsetzbarkeit des Beschäftigungsanspruchs – § 275 Abs. 2 BGB Ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht unmöglich, kommt dennoch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB in Betracht. Danach kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn zwischen seinem Leistungsaufwand und dem Leistungsinteresse des Gläubigers ein grobes Missverhältnis besteht. Diese Frage kann jedoch nicht durch eine dem allgemeinen Schuldrecht unbekannte und von § 275 BGB losgelöste Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an der Beschäftigung und des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung beantwortet werden.195 Vielmehr ist unter § 275 BGB zu subsumieren. (a) Leistungsinteresse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung Zu bestimmen ist demnach zunächst das Leistungsinteresse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung, was sich sowohl in wirtschaftlichen als auch in immateriellen Interessen ausdrücken kann.196 (aa) Lohnzahlung Der Arbeitnehmer hat zunächst ein Interesse an der Lohnfortzahlung. Allerdings kann dieses Interesse bei der Beurteilung des groben Missverhältnisses keine Rolle spielen, wenn er sein Arbeitsentgelt auch ohne Beschäftigung erhält. Gibt man dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs zu verweigern, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass er sich auch der Zahlungspflicht entledigen kann. Verweigert der Arbeitgeber die Beschäftigung, kommt es i. d. R. aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung zur Unmöglichkeit der Leistung des Arbeitnehmers nach § 275 Abs. 1 BGB.197 Nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB erlischt grundsätzlich der Anspruch, wenn die Gegenleistung nicht erbracht wird. Dann könnte der Arbeitnehmer keinen Lohn verlangen. Der Arbeitgeber könnte sich aber in Annahmeverzug befinden, da er die Leistung „Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs“ und damit zugleich die Annahme der Arbeitsleistung abgelehnt hat. Hier ist zwischen Annahmeverzug des Arbeitgebers hinsichtlich der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung und Schludnerverzug des Arbeitsgebers hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs zu unterscheiden. Nur die Pflicht zur Arbeitsleistung und die Pflicht zur Lohnzahlung stehen in einem Synallagma. Für die Folgen für den Lohnanspruch des Arbeitnehmers ist daher entscheidend, ob sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug befindet. 195 So verfährt i. d. R. das BAG: vgl. BAG AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 Bl. 111 f (C.3.); Nr. 6 Bl. 978 (II.4.); Nr. 4 Bl. 382R (I.3.a.). 196 Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 88, 92. 197 s. o. Fn 171.

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Dann muss er nach § 615 S. 1 BGB Lohn zahlen. Auch hier ist wiederum fraglich, ob die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung den Verzug ausschließt.198 Geht man mit der Rechtsprechung im Grundsatz von dieser Ausschließlichkeit aus, ist zwischen Annahmeunwilligkeit und Annahmeunmöglichkeit zu differenzieren. Im Falle der Annahmeunmöglichkeit würde der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch nur behalten, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt (§ 615 S. 3 BGB).199 Der Arbeitgeber hat aber die Annahme der Leistung deswegen verweigert, weil ihm § 275 Abs. 2 BGB bezüglich der Beschäftigungspflicht ein Leistungsverweigerungsrecht einräumt. Auch wenn rechtlich zwischen der „Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs“ und der Annahme der Arbeitsleistung zu trennen ist und der Arbeitgeber Schuldner des Beschäftigungsanspruchs und Gläubiger der Arbeitsleistung ist, können beide Sachen nur zusammen erfolgen. Dann kann dem Arbeitgeber, der nach § 275 Abs. 2 BGB berechtigt ist, die Leistung zu verweigern, keine „Annahmeunwilligkeit“ bezüglich der Arbeitsleistung vorgeworfen werden, die logische Konsequenz daraus ist. Fraglich ist, ob es sich nach dieser Differenzierung um einen Fall der Annahmeunfähigkeit handelt. Faktisch kann die Leistung erbracht werden und der Arbeitgeber ist zur Annahme gerade nicht bereit, was er mit Ausübung seines Leistungsverweigerungsrechts zeigt. Allerdings führt § 275 Abs. 2 BGB zur Unmöglichkeit, wenn der Arbeitgeber von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht. Dann ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber, der eine grundsätzlich mögliche Leistung des Arbeitnehmers annehmen will, dazu nicht in der Lage ist. Es liegt seitens des Arbeitgebers Annahmeunfähigkeit und damit Unmöglichkeit und kein Annahmeverzug vor. Allerdings folgt diese Unmöglichkeit ebenfalls aus einem vom Arbeitgeber geschaffenen und zu verantwortenden Risiko. Es greift auch hier § 615 S. 3 BGB.200 Der Arbeitnehmer erhält also auch dann seinen Lohn, wenn der Arbeitgeber die Leistung verweigern darf. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass Annahmeunmöglichkeit und Annahmeunwilligkeit gleich zu behandeln sind,201 hat der Arbeitnehmer im Ergebnis einen Anspruch auf seinen Arbeitslohn: Tritt Annahmeverzug immer dann ein, wenn der Arbeitgeber die Leistung nicht annimmt, egal aus welchem Grund, behält der Arbeitnehmer nach § 615 S. 1 BGB seinen Lohnanspruch. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeitsentgeld hat, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach § 275 Abs. 2 BGB verweigert. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitnehmers an seinem Entgelt spielt demnach bei der Beurteilung des groben Missverhältnisses keine Rolle. 198 199 200 201

s. o. S. 69 ff. s. o. S. 69. Vgl. S. 69 ff. s. o. S. 69.

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(bb) Beschäftigung Allerdings hat der Arbeitnehmer weiterhin auch ein Interesse an der Beschäftigung, d.h. an der Ausübung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit selbst. Gerade dieses Interesse kommt in dem Beschäftigungsanspruch zum Ausdruck. Mit der tatsächlichen Beschäftigung verwirklicht der Arbeitnehmer sich selbst. Zum einen ist es gesellschaftlich nicht anerkannt, dauerhaft Entgeltfortzahlung trotz Nichtstun zu erhalten. Außerdem kann der Arbeitnehmer ohne tatsächliche Beschäftigung auch seine beruflichen Fertigkeiten nicht weiterentwickeln.202 Beschäftigungslose Zeiten erschweren die Arbeitsfindung in der Zukunft. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 i.V. m. Art. 2 GG prägt diesen Anspruch. Das gilt unerheblich davon, ob er direkt aus diesem abgeleitet wird203 oder ob dessen Grundlage vielmehr im Arbeitsverhältnis i.V. m. § 242 BGB gesucht wird, welches aber durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Wertentscheidung des Grundgesetzes ausgefüllt wird.204 Das für die Beurteilung des groben Missverhältnisses beachtliche Leistungsinteresse des Arbeitnehmers besteht daher in der Beschäftigung selbst. (b) Aufwand des Arbeitgebers zur Erfüllung der Beschäftigung Erfüllt der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch, verhält er sich betriebsverfassungswidrig. Darüber hinaus ist er einer Zwangsgeldfestsetzung ausgesetzt, wenn der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vorgeht und er die Beschäftigung dennoch fortsetzt (§ 101 S. 2 BetrVG). (c) Grobes Missverhältnis Zu bestimmen ist nun, ob das betriebsverfassungswidrige Verhalten sowie die mögliche Zwangsgeldfestsetzung nach § 101 S. 2 BetrVG in einem groben Missverhältnis zum Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung stehen. Hier ist der grundrechtliche Einschlag des Beschäftigungsanspruchs zu bedenken. Allerdings bestehen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nicht nur gegenüber einem einzelnen Rechtssubjekt, sondern auch im kollektiven Interesse. Das spricht zunächst für einen Vorrang der betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht.205 Allerdings verlangt § 275 Abs. 2 BGB ein grobes Missverhältnis. Dabei ist nach § 275 Abs. 2 S. 2 BGB außerdem zu berücksichtigen, ob der Schuldner das 202

Vgl. MüHB-ArbR-Reichold, § 83 Rn 5. So zunächst BAG AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 4 Bl. 382R (I.3.a.). 204 So die neuere Rspr: BAG AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14 Bl. 104R ff (C.I.2.). 205 So die wohl hM, die davon ausgeht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen darf, wenn der Betriebsrat nach § 101 vorgeht: BAG NZA 2001, 893, 897; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 294. 203

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Leistungshindernis zu vertreten hat. Im Falle der mitbestimmungswidrigen Einstellung hat der Arbeitgeber bewusst in Kauf genommen, dass er sich betriebsverfassungswidrig verhält und ihm auch ein Zwangsgeld droht. Dann soll er auch die Konsequenzen tragen. Außerdem hätte er den Konflikt verhindern können, indem er den Arbeitsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der Zustimmung des Betriebsrats206 geschlossen hätte. Etwas anderes könnte sich aber ergeben, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, dauerhaft gegen seine Pflichten gegenüber dem Betriebsrat zu verstoßen und langfristig Zwangsgeld zahlen zu müssen, ohne diesen Zustand selbst beenden zu können. Zwar hat er die Situation immer noch selbst herbeigeführt. Doch dann würde ein langfristiger Konflikt mit dem Betriebsrat drohen, was den Betriebsfrieden ernsthaft gefährden könnte. Außerdem könnte eine dauerhafte Zwangsgeldfestsetzung zu finanziellen Einbußen führen, die im Interesse der übrigen Belegschaft nicht hingenommen werden können. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer aber kündigen, wenn feststeht, dass die Zustimmung nicht mehr erteilt wird. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht die Zustimmungsersetzung rechtskräftig verweigert hat.207 Er ist daher nur bis zu diesem Zeitpunkt kollidierenden Rechtspflichten ausgesetzt und muss ggf. Lohn zahlen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung der Beschäftigung für den Arbeitnehmer und des Arbeitsentgelts als seiner Lebensgrundlage ist darin jedoch kein grobes Missverhältnis zu sehen. (d) Zwischenergebnis Der Arbeitgeber kann die Beschäftigung nicht nach § 275 Abs. 2 BGB verweigern. (2) Durchsetzbarkeit des Beschäftigungsanspruchs – § 275 Abs. 3 BGB Weiterhin könnte dem Arbeitgeber die Beschäftigung als persönlich zu erbringende Leistung nach § 275 Abs. 3 BGB unter Abwägung des der Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zumutbar sein. (a) Persönlich zu erbringende Leistung Voraussetzung ist zunächst, dass die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers eine vom Arbeitgeber persönlich zu erbringende Leistung ist. Persönliche Leistung wird definiert als eine Leistung, die der Schuldner in Person zu erbrin206 207

Vgl. Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 131. s. o. S. 72 ff.

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gen hat, für die er also keine Erfüllungsgehilfen einsetzen kann.208 Typisches Beispiel ist die Arbeitsleistung. Fraglich ist, ob auch der Arbeitgeber die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs persönlich schuldet oder ob er diesen auch durch Erfüllungsgehilfen erbringen lassen kann. Klar ist, dass Vertreter des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz zuweisen können. In diesem Sinne schuldet der Arbeitgeber die Leistung nicht persönlich. Das ändert aber nichts daran, dass der Arbeitnehmer damit die Arbeitsleistung für seinen Vertragspartner, den Arbeitgeber, erbringt und dieser ihm damit den Beschäftigungsanspruch erfüllt (vgl. § 613 S. 2 BGB). Die oben genannte Definition verwirrt im vorliegenden Fall. Daher ist auf die Ratio des § 275 Abs. 3 BGB abzustellen. Dieser will dem Schuldner in einer Konfliktlage helfen, in der er sich einer Rechtspflicht ausgesetzt sieht, die er nicht auf andere „abwälzen“ kann, ihm die Erfüllung aber eben nicht zumutbar ist. Genau diese Konstellation liegt im Falle des Beschäftigungsanspruchs vor. Auch wenn der Arbeitgeber Erfüllungsgehilfen oder Vertreter zwischenschaltet, letztlich nimmt er die Leistung des Arbeitnehmers an und erfüllt dessen Beschäftigungsanspruch. § 275 Abs. 3 BGB ist demnach grundsätzlich anwendbar. (b) Unzumutbarkeit Zu untersuchen ist, ob und ab wann der Arbeitgeber die Leistung verweigern kann und nicht mehr verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Hier sind das Leistungsinteresse des Arbeitnehmers, das in der tatsächlichen Beschäftigung besteht, und das Leistungshindernis abzuwägen. Ein grobes Missverhältnis wie in § 275 Abs. 2 BGB verlangt Abs. 3 nicht. Als Leistungshindernis kommen hier sowohl die „einfache“ Mitbestimmungswidrigkeit in Betracht als auch die Situation nach einem rechtskräftigen Beschluss gemäß § 101 S. 1 BetrVG, der dem Arbeitgeber aufgibt, die Maßnahme aufzuheben. Mit „einfacher“ Mitbestimmungswidrigkeit ist der Fall gemeint, in dem die Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliegt und nicht ersetzt ist, der Betriebsrat aber noch nichts unternommen hat, um seine Rechte durchzusetzen. In beiden Fällen befindet sich der Arbeitgeber in einer Konfliktsituation. Er kann eine Rechtspflicht, die Beschäftigung des Arbeitnehmers oder die Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbots, nur erfüllen, indem er die andere verletzt. Der Konflikt zweier Rechtspflichten kann im Einzelfall die Unzumutbarkeit begründen.209 Da § 275 Abs. 3 BGB aber von Abwägung des Leistungsinteresses mit dem Leistungshindernis spricht, kann dem Schuldner nicht zugebilligt werden, sich beliebig Erfüllungsansprüchen zu entziehen. Er

208 209

MüKo-BGB-Ernst, § 275 Rn 112. Vgl. Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 45.

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darf vielmehr die Leistung nur verweigern, wenn er andernfalls eine höherwertige Pflicht verletzt.210 (aa) „Einfache“ Mitbestimmungswidrigkeit Fraglich ist, ob das schon im Fall der „einfachen Mitbestimmungswidrigkeit“ der Fall ist. Hier kollidieren Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers und betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot seitens des Betriebsrats. Allerdings kann in diesem Falle noch nicht bestimmt werden, wie schwer das Beschäftigungsverbot wiegt. Dem Arbeitgeber droht in dieser Situation eine Zwangsgeldfestsetzung bei tatsächlicher Beschäftigung noch nicht konkret. Vielleicht will der Betriebsrat seine Rechte auch gar nicht durchsetzen und ist nicht bestrebt, ein Verfahren nach § 101 BetrVG einzuleiten und ggf. Zwangsgeld gegen den Arbeitgeber festsetzen zu lassen. Dann ist es nicht gerechtfertigt, den Beschäftigungsanspruch als „mindere“ Rechtspflicht einzuordnen. Die Effektivität der Mitbestimmungsrechte steht noch nicht auf dem Spiel. Der Betriebsrat hat die Möglichkeit nach § 101 S. 1 BetrVG die Aufhebung der Maßnahme zu beantragen und kann das gemäß § 101 S. 2 BetrVG mit einem Zwangsgeld durchsetzen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich der Arbeitgeber der gerichtlichen Entscheidung fügt. Dafür, dass die „einfache“ Betriebsverfassungswidrigkeit die Unzumutbarkeit der Maßnahme noch nicht begründen kann, spricht auch, dass § 101 BetrVG selbst davon ausgeht, dass die tatsächliche Maßnahme, hier die Einstellung, vorher umgesetzt wird.211 (bb) Vorgehen nach § 101 BetrVG Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vorgegangen ist und seiner Rechtsposition damit Nachdruck verliehen hat. Liegt ein rechtskräftiger Beschluss vor, der dem Arbeitgeber aufgibt, die Maßnahme aufzuheben, hat der Betriebsrat gezeigt, dass er sich mit der Betriebsverfassungswidrigkeit nicht abfinden will. Der Arbeitgeber sieht sich der konkreten Gefahr einer Zwangsgeldfestsetzung gegenüber, wenn er seine kollektivrechtliche Pflicht verletzt. Die Effektivität der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats wäre in Gefahr, wenn man von dem Arbeitgeber verlangt, sich gegen einen rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts auflehnen „zu müssen“, um den Beschäftigungsanspruch zu erfüllen. Die rechtskräftig bestätigte betriebsverfas-

210

Staudinger-Löwisch/Caspers, § 275 Rn 104. Vgl. Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 116 (Vorrang der betriebsverfassungsrechtlichen Pflicht gegenüber dem Beschäftigungsanspruch, wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgegangen ist); ähnlich auch Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 188 f. 211

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sungsrechtliche Pflicht muss daher gegenüber dem Beschäftigungsanspruch Vorrang genießen.212 (cc) Zwischenergebnis Es ist dem Arbeitgeber unzumutbar, den Beschäftigungsanspruch zu erfüllen, wenn der Betriebsrat seinen Rechten Nachdruck verliehen und eine rechtskräftige Entscheidung nach § 101 S. 1 BetrVG erwirkt hat. (c) Folgen für den „Lohnanspruch“ des Arbeitnehmers Macht er von diesem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, behält der Arbeitnehmer auch hier nach § 615 S. 3 BGB seinen Lohnanspruch.213 (d) Ergebnis Der Arbeitgeber kann die Leistung nach § 275 Abs. 3 BGB verweigern, wenn der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vorgegangen ist und eine rechtskräftige Entscheidung erwirkt hat. Er schuldet aber weiterhin den Arbeitslohn (§ 615 S. 3 BGB). Macht der Arbeitgeber von seinem Leistungsverweigerungsrecht aber keinen Gebrauch und erfüllt den Beschäftigungsanspruch, verhält er sich weiterhin betriebsverfassungswidrig. Hier ist der Betriebsrat wiederum auf § 101 BetrVG verwiesen. (3) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers Dem Arbeitnehmer könnte ebenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht einzuräumen sein. Es könnte auf der Betriebsverfassungswidrigkeit basieren. Die Folge wäre, dass der Arbeitnehmer bei Mängeln auf der kollektiven Ebene seine Arbeitspflicht auf der individualvertraglichen Ebene nicht erfüllen muss. Damit würde die Betriebsverfassungswidrigkeit letztlich doch auf die individualvertragliche Ebene durchschlagen. Beachtet man den Ausgangspunkt der Trennung der beiden Ebenen, ist klar, dass der Arbeitnehmer keinesfalls Rechte des Betriebsrats durchsetzen kann. Allein die Betriebsverfassungswidrigkeit kann demnach kein Leistungsverweigerungsrecht begründen. Ein solches kann nur bestehen, 212 Im Ergebnis auch Matthes, DB 1974, 2007, 2009; Miersch, Rechtsfolgen mitbestimmungswidriger Maßnahmen, S. 188 ff, 208; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128; Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 116 f; vgl. BAG NZA 2001, 893, 896 f (als Rechtsfolge wird aber ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers angenommen); auch insgesamt geht das BAG davon aus, dass der Beschäftigungsanspruch hinter überwiegenden Interessen des Betriebsrats zurücktreten muss: vgl. BAG AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 6 Bl. 978 (II.4.) sowie Nr. 4 Bl. 382R (I.3.a.). 213 Vgl. S. 69 ff.

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wenn das Mitbestimmungsrecht zum Schutze gerade des betroffenen Arbeitnehmers ausgeübt worden ist.214 Allerdings wird der Arbeitnehmer im Falle der Einstellung an einem Leistungsverweigerungsrecht i. d. R. schon gar nicht interessiert sein. Er begehrt gerade den Arbeitsplatz. Ist das ausnahmsweise doch der Fall, weil er ein besseres Arbeitsangebot erhalten hat, ist ihm ein Verweigerungsrecht dennoch nicht zuzubilligen. Aufgrund des Arbeitsvertrags, der auch ohne Mitbestimmung gültig bleibt, stehen seine Pflichten fest. Selbst wenn man den einzelnen Arbeitnehmer als von § 99 BetrVG geschützt ansieht,215 greift die einzig in Betracht kommende Norm des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG bei der Einstellung nicht. Nr. 4 spricht von Arbeitnehmer, was zeigt, dass die Benachteiligung an ein bestehendes und gelebtes Arbeitsverhältnis anknüpft.216 Auch wenn gegen ein Gesetz verstoßen wird, welches den Arbeitnehmer schützen soll, wie etwa das Mutterschutzgesetz, ist ein Leistungsverweigerungsrecht nicht erforderlich. In diesen Fällen ordnen die entsprechenden Gesetze das Beschäftigungsverbot schon selbst an (§§ 3, 5 MuSchG). § 99 BetrVG schützt bei der Einstellung die Belegschaft, nicht den einzelnen Arbeitnehmer.217 Auch wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgegangen ist, kann der Arbeitnehmer die Leistung nicht verweigern.218 Die Norm regelt nur die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist bis zur Grenze der § 275 BGB unabhängig davon zu betrachten. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zuzubilligen, wenn dem Arbeitgeber nach § 101 S. 1 BetrVG aufgegeben wird, die Maßnahme aufzuheben. Daraus kann nur ein Verweigerungsrecht des Arbeitgebers folgen (vgl. § 275 Abs. 3 BGB).219 Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aufgrund der Betriebsverfassungswidrigkeit scheidet aus. (4) Zwischenergebnis Ist eine rechtskräftige, die Zustimmung nicht ersetzende Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG noch nicht ergangen und damit noch keine rechtliche Unmöglichkeit eingetreten, kann der Arbeitgeber nach § 275 Abs. 3 BGB die Erfüllung der Beschäftigungspflicht verweigern, wenn der Betriebsrat nach § 101 214

GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 129. Dazu s. u. S. 90. 216 GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 6; vgl. auch Richardi-Thüsing, § 99 Rn 298; a. A. Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 83 ff (Schutz des neuen Arbeitnehmers vor der Beschäftigung zu schlechteren Bedingungen). 217 BAG NZA 2001, 893, 896 f; BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 5 Bl. 52 (I.4.c.); GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 128. 218 A. A. BAG NZA 2001, 893, 897; Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 99 Rn 81; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 294. 219 s. o. S. 79 ff. 215

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BetrVG vorgegangen ist. Der Arbeitnehmer behält nach § 615 S. 3 BGB seinen Lohnanspruch. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht nicht. c) Ergebnis Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit bei der Einstellung Bei den Auswirkungen der Betriebsverfassungswidrigkeit auf die tatsächliche Arbeitszuweisung im Falle der Einstellung ist Folgendes zu unterscheiden: Allein die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hat keine Auswirkung auf den tatsächlichen Akt der Einstellung. Wurde aber der Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt, ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Daraus folgt auch die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung. Nach § 615 S. 3 BGB behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer ordentlich kündigen. Ist das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden, liegt in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit ein betriebsbedingter Kündigungsgrund. Eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit liegt aber erst ab dem Eintritt rechtlicher Unmöglichkeit aufgrund des rechtskräftig zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrags nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor. Vor diesem Zeitpunkt kann der Arbeitgeber gemäß § 275 Abs. 3 BGB die Beschäftigung des Arbeitnehmers verweigern, wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgegangen ist. Der Arbeitnehmer ist weiterhin nach § 615 S. 3 BGB zu entlohnen. 2. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Versetzung Auch im Falle der Versetzung gilt es zu untersuchen, wie sich die Mitbestimmungswidrigkeit auf die individualrechtliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auswirkt. Im Grundsatz ist von der Trennung der kollektiven von der individualrechtlichen Maßnahme auszugehen. Die fehlende Mitbestimmung hat jedenfalls die Betriebsverfassungswidrigkeit zur Folge, so dass die Maßnahme dem Betriebsrat gegenüber rechtswidrig ist.220 Da die Versetzung auf Grundlage verschiedener individualrechtlicher Gestaltungen ergehen kann, sind Versetzungen aufgrund eines Änderungsvertrags, der Ausübung des Direktionsrechts und einer Änderungskündigung getrennt zu untersuchen. a) Versetzung durch Änderungskündigung Aus der Betriebsverfassungswidrigkeit an sich folgt nicht die Unwirksamkeit der Änderungskündigung.221 Allerdings liegt wie auch bei der Einstellung ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot vor. Fraglich ist, wie sich 220 221

Raab, ZfA 1995, 472, 482. s. o. S. 53.

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das auf die tatsächliche Maßnahme des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, auf dessen Beschäftigungsanspruch, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung und den Lohnanspruch auswirkt. aa) Rechtliche Unmöglichkeit Zur Einstellung wurde dargelegt, dass mit rechtskräftiger Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags dem Arbeitgeber die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs rechtlich unmöglich wird. Daraus resultiert ebenfalls die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung. Die oben dargestellten Erwägungen222 gelten auch für die Versetzung: Aus §§ 99 ff BetrVG folgt, dass das Gesetz die Beschäftigung des Arbeitnehmers ohne Zustimmung des Betriebsrats verbietet. Mit rechtskräftiger Ablehnung der Zustimmungsersetzung steht fest, dass ein betriebsverfassungsgemäßer Zustand nicht mehr eintreten wird. Dem Arbeitgeber ist die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). bb) Folgen für die Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung Ist dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung auf dem neuen Arbeitsplatz unmöglich, ist fraglich, ob er zu den alten Bedingungen weiterarbeiten kann. Maßgeblich ist die Vertragsgrundlage. Hier ist zu unterscheiden, in welcher Reihenfolge der Eintritt der Unmöglichkeit und der Ausspruch der Änderungskündigung liegen. Wurde der Zustimmungsersetzungsantrag schon vor Ausspruch der Änderungskündigung rechtskräftig zurückgewiesen, fehlte aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit schon zu diesem Zeitpunkt die Beschäftigungsmöglichkeit zu den geänderten Bedingungen. Die Auswirkung auf die Änderungsschutzklage wird in Teil 3 dargestellt.223 Ist sie unwirksam, wurde die Vertragsgrundlage nie geändert und die Rechte und Pflichten bestimmen sich nach dem früheren Arbeitsvertrag. Dann kann der Arbeitnehmer auf seinem alten Arbeitsplatz weiterarbeiten. Ergeht die Entscheidung im Beschlussverfahren erst nach Ausspruch der Änderungskündigung, ist sie unabhängig von der Mitbestimmungswidrigkeit der Versetzung zu beurteilen. Hat der Arbeitnehmer das Änderungsangebot jedenfalls unter Vorbehalt angenommen, ist der Vertrag geändert. Damit bestimmt sich seine Leistungspflicht nach den geänderten Bedingungen. Nach allgemeinen Grundsätzen berührt die Unmöglichkeit einer Leistung nicht die Wirksamkeit der vertraglichen Grundlage (vgl. §§ 311a Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber kann daher

222 223

s. o. S. 64 ff. s. u. S. 263.

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nicht ohne Weiteres auf seinem früheren Arbeitsplatz beschäftigt werden, etwa weil die alten Arbeitsbedingungen wieder aufleben.224 (1) Erweiterung des Direktionsrechts – Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die tatsächliche Zuweisung Die Rechtsprechung löst dieses Problem, indem sie die Änderungskündigung als Instrument zur Überwindung des fehlenden Einverständnisses des Arbeitnehmers ansieht. Daraus folge, dass in der Sache das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitert wird. Könne der Arbeitgeber die neue Tätigkeit wegen der Betriebsverfassungswidrigkeit nicht zuweisen, sei diese „Versetzungsweisung“ dem Arbeitnehmer gegenüber nach § 134 BGB unwirksam. Die neue Tätigkeit wurde somit nicht wirksam zugewiesen und die frühere nie wirksam entzogen, da beides in einem einheitlichen Akt zusammenfällt. Der Arbeitnehmer ist nach den früheren Bedingungen zu beschäftigen. Im Ergebnis ist damit die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für die tatsächliche Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs und den Entzug des früheren.225 Diese Argumentation missachtet die Trennung zwischen kollektiv- und individualrechtlicher Maßnahme. Ist die Änderungskündigung gerade unabhängig von der Zustimmung des Betriebsrats, sind die neuen Arbeitsbedingungen Vertragsinhalt.226 Etwas anderes kann nur gelten, wenn mit der Änderungskündigung im Einzelfall tatsächlich das Direktionsrecht erweitert wurde und es nicht zu einem Austausch der arbeitsvertraglichen Pflichten kam.227 Dass die Zuweisung nicht gegen § 134 BGB verstößt, wurde bereits dargelegt.228 Die Mitbestimmungswidrigkeit erweitert nicht das Direktionsrecht. (2) Vereinbarung „auch“ der früheren Bedingungen Allerdings könnte in der Annahme unter Vorbehalt seitens des Arbeitnehmers ein konkludentes Angebot liegen, auch zu den alten Bedingungen arbeiten zu 224 So auch v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 201; Elke Müller, Mitbestimmung, S. 107; ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 26; krit. auch KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141; a. A. Ascheid/Preis/Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 159; Wlotzke, Anm. zu BAG AP § 2 KSchG 1969 Nr. 33 Bl. 1552 (II.2.b.(3)). 225 BAG NZA 2001, 893, 896; NZA 1994, 615, 617 f; NZA 1988, 476; vgl. auch Fitting, § 99 Rn 122; Ascheid/Preis/Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 150; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger, § 2 KSchG Rn 202; a. A. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 201; Kania, Anm. zu BAG EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 118 S. 23 (3.a.); Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 135; ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 26; Stege/Weinspach/Schiefer, §§ 99–101 Rn 152a; krit. auch Berkowsky, NZA 2010, 250, 251; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 131; vgl. auch Kraft/Hoehn, SAE 1989, 77, 78. 226 v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 201; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141, 141b. 227 KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141, 141b. 228 s. o. S. 62.

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wollen (§§ 133, 157 BGB). Tatsächlich macht er mit diesem Verhalten deutlich, dass er lieber auf dem früheren Arbeitsplatz beschäftigt werden will.229 Um von einer vertraglichen Vereinbarung sowohl der neuen als auch der früheren Arbeitsbedingungen ausgehen zu können, müsste aber auch der Arbeitgeber dieses Angebot annehmen. Eine solche Annahme wäre allerdings reine Fiktion. Der Arbeitgeber will den Arbeitnehmer gerade nicht zu den früheren Bedingungen beschäftigen.230 Außerdem müsste er das Angebot auch entweder sofort oder innerhalb kurzer Zeit annehmen (§ 147 BGB). In solchen Konstellationen will der Arbeitgeber in dem Moment, in dem der Arbeitnehmer die Änderungsvereinbarung unter Vorbehalt annimmt und damit ein Angebot zur Beschäftigung auf dem früheren Arbeitsplatz macht, die Beschäftigung zu früheren Bedingungen gerade nicht. Gestattet man dem Arbeitgeber die Annahme auch später, hätte er es in der Hand, ob der Arbeitnehmer beschäftigt werden kann. Der Arbeitnehmer dagegen hätte keinen Anspruch nach den früheren Bedingungen beschäftigt zu werden, solange der Arbeitgeber nicht annimmt. Das ist mit den allgemeinen Grundsätzen von Angebot und Annahme nicht zu vereinbaren. Abweichendes lässt sich auch nicht mit dem Konstrukt der Erweiterung des Direktionsrechts erreichen. Durch die Änderungsvereinbarung als Teil der Änderungskündigung wurden die Arbeitsbedingungen verändert. Die früheren Bedingungen sind gerade nicht mehr Vertragsinhalt. Somit ist der Arbeitnehmer vertraglich weder berechtigt noch verpflichtet, an seinem früheren Arbeitsplatz zu agieren.231 (3) Nebeneinander der früheren und neuen Bedingungen wegen eines „Schwebezustands“ Fraglich ist, ob durch die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt ein „Schwebezustand“ entsteht, aufgrund dessen die früheren und neuen Bedingungen nebeneinander bestehen. Folge wäre auch hier eine Erweiterung des Direktionsrechts.232 Um diese Frage beantworten zu können, ist zu untersuchen, welche Wirkungen die Annahme unter Vorbehalt auf den Arbeitsvertrag und die Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs hat. Die Annahme unter Vorbehalt ist rechtlich als eine Annahme des Angebots unter einer auflösenden Bedingung zu qualifizieren (§ 158 Abs. 2 BGB).233 Nach § 158 Abs. 2 BGB tritt der frühere Rechtszustand ex nunc mit Eintritt der Bedingung wieder ein. Davon macht § 8 KSchG eine Ausnahme, indem die Rückwir229

Ausführlich Elke Müller, Mitbestimmung, S. 89 f. Elke Müller, Mitbestimmung, S. 90 ff. 231 Hans Hanau, Anm. zu BAG AP § 2 KSchG 1969 Nr. 49 Bl. 781R (C.II.b.); Heinze, Personalplanung, Rn 343 ff; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 201; Kania, Anm. zu BAG EzA 99 BetrVG 1972 Nr. 118 S. 19, 23 (3.a.); Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 135; ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 26. 232 Elke Müller, Mitbestimmung, S. 99 ff, 130. 233 KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 58, § 8 KSchG Rn 3. 230

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kung angeordnet wird: Die früheren Arbeitsbedingungen treten rückwirkend wieder an die Stelle der neuen. Damit ist aber über die Zeit der Bedingung nichts ausgesagt. Besteht ein Rechtsgeschäft unter einer Bedingung, ist dessen Inhalt während des „Schwebezustands“ ohne die Modalität zu beurteilen234, also unter Außerachtlassung der Bedingung. Bei einer auflösenden Bedingung wird der mögliche Bedingungseintritt nicht berücksichtigt. Die Leistung kann vor dem Eintreten der Bedingung verlangt werden. Der Arbeitnehmer muss demnach nach den geänderten Bedingungen beschäftigt werden.235 Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ändert daran nichts.236 Die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt führt nicht dazu, dass dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit nach den früheren und den neuen Arbeitsbedingungen zugewiesen werden kann. Es gelten ausschließlich die geänderten Bedingungen. (4) Zwischenergebnis Ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung und dem Arbeitnehmer damit die Arbeitsleistung auf dem neuen Arbeitsplatz unmöglich, die Änderungskündigung aber dennoch wirksam, kann der Arbeitgeber nicht ohne erneute Änderung der vertraglichen Grundlage auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden. cc) Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers Um diese Situation zu beenden, muss der Arbeitgeber einen Änderungsvertrag abschließen oder eine erneute Änderungskündigung aussprechen und den Arbeitnehmer zurückversetzen.237 dd) Auswirkungen auf den Lohnanspruch Kann der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden, wird damit auch seine Arbeitsleistung unmöglich. Damit verwirklicht sich das vom Arbeitgeber durch die fehlerhafte Beteiligung geschaffene Risiko. Entsprechend § 615 S. 3 BGB behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch nach den Konditionen des neuen Arbeitsvertrags.238 ee) Wiederherstellungsanspruch Die Situation ist für den Arbeitnehmer dennoch unbefriedigend. Er kann zwar Lohn verlangen, hinsichtlich der Beschäftigung ist er aber dem Wohlwollen des 234 235 236 237 238

MüKo-BGB-Westermann, § 158 Rn 38 f. KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 76a, 158. A. A. KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 158c. So auch Elke Müller, Mitbestimmung, S. 107 f. s. o. S. 69 ff.

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Arbeitgebers ausgesetzt. Denkbar ist daher, dem Arbeitnehmer einen Anspruch darauf einzuräumen, dass der Arbeitgeber die vertragliche Grundlage dergestalt wieder ändert, dass der Arbeitnehmer wieder beschäftigt werden kann.239 Ein solcher Anspruch erinnert an den Wiedereinstellungsanspruch. Er wurde von der Rechtsprechung für Fälle entwickelt, in denen die Kündigung zur Zeit ihres Zugangs aufgrund des Prognoseprinzips wirksam ist, sich die maßgeblichen, in der Sphäre des Arbeitgebers liegenden Umstände aber noch während der Kündigungsfrist anders entwickelt haben.240 Er folgt aus einer Nebenpflicht des Arbeitgebers, die Interessen des Arbeitnehmers auch noch nach Ausspruch der Kündigung zu wahren (§ 241 Abs. 2 BGB). Der Arbeitgeber wird verpflichtet die vertraglichen Hauptleistungspflichten wieder zu begründen.241 Die vorliegende Konstellation ist damit vergleichbar: War die Änderungskündigung wirksam, hat der Betriebsrat der Versetzung aber nicht zugestimmt, kann der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden. Die Gründe dafür liegen in der Sphäre des Arbeitgebers. In beiden Fällen soll der Ausgangszustand wiederhergestellt werden. Wird der Arbeitgeber aber sogar verpflichtet, ein beendetes Arbeitsverhältnis wiederherzustellen (Wiedereinstellungsanspruch), ist es ihm erst recht zuzumuten, einen bestehenden Vertrag wieder zu ändern (Wiederherstellungsanspruch). Wie auch der Wiedereinstellungsanspruch kann der Wiederherstellungsanspruch aus einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) des Arbeitgebers hergeleitet werden: Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Beschäftigung entsprechend seines Arbeitsvertrags. Dieser ist unmöglich. Die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers liegt aber nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern auch in dem des Arbeitnehmers. Aus der Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers folgt daher, dass dieser die ursprünglichen Bedingungen wiederherstellen muss.242 Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, schuldet er Ersatz des Verzugsschadens (§§ 280, 286 BGB) in Höhe des Arbeitsentgelts entsprechend der früheren, wiederherzustellenden Arbeitsbedingungen.243 Dieser Anspruch löst den An239 Sog. „Wiederherstellungsanspruch“, umfassend Elke Müller, Mitbestimmung, S. 108 ff, ihr folgend KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b; vgl. auch Bauer/Winzer, BB 2006, 266, 270 („Nachbesserungsanspruch“ bei Änderungskündigung); Stoffels, ZfA 2002, 401, 419. 240 BAG NZA 1998, 254, 255; NZA 1997, 757, 758 ff; Schaub-Linck, § 146 Rn 1. 241 BAG NZA 2000, 1097, 1099; NZA 1997, 757, 758; andere Begründungsansätze: Boewer, NZA 1999, 1121, 1128 (Verbot des venire contra factum proprium); vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 1 Rn 254 (Grundsatz des Vertrauensschutzes); KR-Griebeling, § 1 KSchG Rn 730 sowie Raab, RdA 2000, 147, 151 ff (systemimmanente Rechtsfortbildung); Zwanziger, BB 1997, 42, 43 (erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 3 KSchG). 242 BAG NJW 2010, 3112, 3113 f (Versetzung kraft Direktionsrechts); Elke Müller, Mitbestimmung, S. 114. 243 Vgl. Elke Müller, Mitbestimmung, S. 119.

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spruch aus § 615 S. 3 BGB ab, wenn der Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung zu den früheren Bedingungen geltend macht. Ist inzwischen der frühere Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen und kann er nicht anderweitig beschäftigt werden, ist auch eine Beendigungskündigung möglich.244 Innerhalb der Kündigungsfrist erhält der Arbeitnehmer allerdings nach § 615 S. 3 BGB Lohn. Auch wenn diese Situation für den Arbeitnehmer sehr unbefriedigend ist, muss sie hingenommen werden. Dafür spricht v. a. folgende Überlegung: Selbst wenn man annimmt, die ursprünglich erklärte Änderungskündigung sei unwirksam, könnte der Arbeitgeber erneut kündigen, wenn er für den Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat. ff) Situation bis zur rechtlichen Unmöglichkeit Da die rechtliche Unmöglichkeit erst mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG eintritt, stellt sich die Frage, wie sich die Betriebsverfassungswidrigkeit bis dahin auf die tatsächliche Weisung auswirkt. Sind die Beschäftigung und die Erbringung der Arbeitsleistung nicht unmöglich und hat der Arbeitnehmer eine durch die Änderungskündigung bestimmte arbeitsvertragliche Pflicht, muss er dieser grundsätzlich nachkommen. Eine Arbeitsleistung auf dem früheren Arbeitsplatz scheidet aus.245 (1) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers wegen Betriebsverfassungswidrigkeit In Betracht kommt aber ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers aufgrund der Betriebsverfassungswidrigkeit. Dann wäre er auch zur Leistung auf dem neuen Arbeitsplatz nicht verpflichtet. Ein Leistungsverweigerungsrecht kann aber nur bestehen, wenn das Mitbestimmungsrecht gerade dem betroffenen Arbeitnehmer dient.246 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betriebsrat bereits ein Verfahren nach § 101 S. 1 BetrVG durchgeführt hat. Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist die dennoch erfolgte Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes be244 Berkowsky, NZA 2010, 250, 253 f; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 203; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141b. 245 Dazu s. S. 85 ff. 246 s. o. S. 82; anders die hM, die von der Unwirksamkeit der Zuweisung des Arbeitsplatzes nach § 134 BGB ausgeht und dem Arbeitnehmer daher das Recht zubilligt, die Leistung zu verweigern: BAG NZA 2001, 893, 896; NZA 1999, 33, 35; NZA 1994, 615, 618; NZA 1988, 476, 478; LAG B-W NZA 1985, 326; Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde-Bachner, § 99 Rn 252; Fitting, § 99 Rn 122; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger, § 2 KschG Rn 201; ähnlich MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 26 sowie RichardiThüsing, § 99 Rn 300 und Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 204 ff, 209 (Leistungsverweigerungsrecht wegen Betriebsverfassungswidrigkeit); a. A. Löwisch/ Kaiser, § 99 Rn 137.

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triebsverfassungswidrig.247 Das gilt unabhängig davon, ob der Betriebsrat von der bestehenden Möglichkeit Gebrauch macht, nach § 101 BetrVG seine Rechte zu verteidigen. Kann sich der Arbeitnehmer mit einem Leistungsverweigerungsrecht nur gegen die Verletzung von Normen wehren, die ihn schützen sollen, kann es nicht darauf ankommen, ob der Betriebsrat seine Rechte durchsetzt. Zu klären ist demnach, ob § 99 BetrVG auch den Arbeitnehmer schützen soll. Ein Blick auf die Zustimmungsverweigerungsgründe zeigt, dass diese überwiegend im kollektiven Interesse bestehen: Die Beachtung von Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG (Nr. 2) sowie die Einhaltung einer nach § 93 BetrVG erforderlichen Ausschreibung (Nr. 5) sollen dazu beitragen, Entscheidungen des Arbeitgebers transparent zu machen. Das wiederum liegt im Interesse des Betriebsfriedens und der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer.248 Daraus folgt, dass auch die Beteiligung des Betriebsrats in diesen Fällen im kollektiven Interesse liegt. Gleiches gilt für die Nr. 3 und die Nr. 6 des § 99 Abs. 2 BetrVG, die alle anderen Arbeitnehmer des Betriebs und den Betriebsfrieden vor den Auswirkungen der konkreten personellen Maßnahme schützen wollen. Auch der Verweigerungsgrund im Falle der Verletzung eines Normverstoßes (Nr. 1) kann im kollektiven Interesse aufgefasst werden: Der Betriebsrat soll die Gesetzmäßigkeit der Beschäftigung mitkontrollieren, damit dem Betrieb kein Nachteil erwächst.249 Auch wenn einzelne Normen, deretwegen der Betriebsrat seine Zustimmung nach der Nr. 1 verweigern kann, den Arbeitnehmer schützen sollen, gibt das der Mitbestimmung nicht notwendigerweise einen individuellen Einschlag. Das gilt v. a. deswegen, weil sich der Arbeitnehmer dann ohnehin auf die ihn schützende Vorschrift berufen kann (z. B. MuSchG). Nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG kann der Betriebsrat aber auch dann die Zustimmung verweigern, wenn dem Arbeitnehmer ein nicht gerechtfertigter Nachteil droht. Diese Formulierung spricht dafür, dass zumindest dieser Verweigerungsgrund den Schutz des Arbeitnehmers bezweckt.250 Dann wäre damit ein Leistungsverweigerungsrecht zu rechtfertigen. Bezwecken aber fünf von sechs Zustimmungsverweigerungsgründen den Schutz kollektiver Interessen, spricht die Systematik der Norm dafür, dass auch der andere Verweigerungsgrund im kollektiven Interesse besteht und nicht zu Gunsten des einzelnen Arbeitnehmers.251 Praktische Schwierigkeiten treten auf, 247

GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 126. Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 95 Rn 1, § 93 Rn 3. 249 Vgl. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 184 (Betriebsrat als „Hüter des Rechts“). 250 So die wohl hM: BAG NZA 2001, 893, 896; NZA 1997, 219, 220; NZA 1988, 476, 478; Matthes, DB 1975, 1651; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 162; ders., ZfA 1995, 479, 501 ff; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 227. 251 Vgl. Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 S. 16 (II.3.b.) („Für unterschiedliche Zustimmungsverweigerungsgründe können kaum unterschiedliche Rechtsfolgen greifen.“). 248

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wenn der Betriebsrat mehrere Gründe geltend machen kann, aber auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG verzichtet. Soll dann dennoch ein Leistungsverweigerungsrecht vorliegen? Denkbar ist daher, dass alle Zustimmungsverweigerungsgründe im kollektiven Interesse bestehen. Auch § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG lässt sich in diesem Sinne deuten. Der Betriebsrat soll Nachteile für den einzelnen Arbeitnehmer verhindern können, weil davon eine negative Vorbildwirkung für den Rest der Belegschaft ausgehen kann.252 Diese Auslegung der Norm passt in das Gesamtkonzept, das von einem kollektiven Schutzgedanken beherrscht ist. Dafür spricht auch, dass der Betriebsrat selbst dann die Zustimmung erteilen kann, wenn ein Verweigerungsgrund vorliegt.253 Sollte der Arbeitnehmer geschützt werden, müsste man den Betriebsrat verpflichten, die Zustimmung zu verweigern. Ein Leistungsverweigerungsrecht ist zum Schutze des Arbeitnehmers auch nicht erforderlich, da dieser selbst die Möglichkeit hat, sich gegen die Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs zu wehren. Er kann mit der Änderungsschutzklage die Änderungskündigung und damit die Grundlage für die Versetzungsweisung überprüfen lassen. Obsiegt er, gilt nach § 8 KSchG die Änderungskündigung als unwirksam, so dass ihm keine Nachteile hinsichtlich der Entlohnung entstehen. Auch ein weiteres systematisches Argument spricht für diese Auffassung. § 99 BetrVG regelt Einstellung, Versetzung sowie Ein- und Umgruppierung gemeinsam, obwohl sich diese Maßnahmen jedenfalls aus Sicht des Arbeitnehmers erheblich unterscheiden. Bei der Versetzung geht es um die konkrete Position des Arbeitnehmers im Betrieb, bei der Einstellung darum, ob er überhaupt Teil der Belegschaft wird. Bei diesen Maßnahmen ist die Zustimmung des Betriebsrats Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer in rechtmäßiger Weise dauerhaft beschäftigt werden kann. Bei der Ein- und Umgruppierung liegt dagegen gar kein Mitbestimmungsrecht im eigentlichen Sinne vor. Es handelt sich lediglich um Mitbeurteilung. Der Arbeitnehmer hat in jedem Fall Anspruch auf Lohn nach der richtigen Vergütungsgruppe.254 Gemeinsam ist diesen Maßnahmen aber, dass sich der Status quo innerhalb der Belegschaft zu verändern droht. Darin ist der Grund für das Mitbestimmungs- und Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats zu erblicken. Dann ist bei der Auslegung des § 99 BetrVG auch auf die Sicht des Betriebsrats abzustellen255 und deswegen eine rein kollektive Auslegung geboten. Dass dem Arbeitnehmer im Einzelfall Vorteile aus den Handlungen des Betriebsrats erwachsen können und dieser ggf. auch im Interesse des einzelnen Arbeit252

Heinze, Personalplanung, Rn 326. MüHB-ArbR-Matthes, § 263 Rn 45; vgl. auch BAG NZA 2010, 592, 593 („pflichtgemäßes Ermessen“); a. A. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 183 (Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte ist Pflichtaufgabe; nur Beurteilungsspielraum). 254 s. o. S. 55. 255 Vgl. Heinze, Personalplanung, S. 188 ff. 253

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nehmers handelt, ist damit lediglich ein Reflex einer im kollektiven Interesse vorgenommenen Mitbestimmung.256 Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers kann daraus nicht folgen.257 (2) Vorläufige schwebende Unwirksamkeit der Maßnahme Sieht man alle Zustimmungsverweigerungsgründe im rein kollektiven Interesse, scheidet auch eine vorläufige schwebende Unwirksamkeit der Maßnahme aus. Denn diese ließe sich nur aus Schutzgesichtspunkten zu Gunsten des betroffenen Arbeitnehmers herleiten.258 (3) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers Wie auch bei der Einstellung kommt ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers nach § 275 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgeht und der Arbeitnehmer Beschäftigung nach den neuen Bedingungen verlangt.259 Allerdings will der Arbeitnehmer gerade nicht nach den neuen, sondern nach den früheren Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Der Arbeitgeber kann dem durch Abschluss eines Änderungsvertrags nachkommen. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers wird im Falle der Versetzung durch Änderungskündigung daher nicht relevant. (4) Zwischenergebnis Sind die Beschäftigung und die Erbringung der Arbeitsleistung rechtlich noch nicht unmöglich, ist der Arbeitnehmer verpflichtet der Weisung nachzukommen und auf dem neuen Arbeitsplatz tätig zu werden. Er wird auch entsprechend entlohnt. Allerdings kann er sich auf individualrechtlicher Ebene mit der Änderungsschutzklage wehren.

256

A. A. LAG B-W NZA 1985, 326, 327. Ähnlich v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 2 Rn 200 (Arbeitnehmer habe zunächst zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten); a. A. die hM, die davon ausgeht, dass § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG auch den Arbeitnehmer schützt, vgl. BAG NZA 1997, 219, 220; AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 33 Bl. 1452R (II.1.b.), und ihm mit unterschiedlicher Begründung ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, vgl. BAG NZA 2001, 893, 896; NZA 1994, 615, 618; NZA 1988, 476, 478; LAG B-W NZA 1985, 326; Ehrich, NZA 1992, 731, 734; Gimpel, Individualrechtliche Konsequenzen, S. 159 ff; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 252; v. Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, § 2 Rn 199; MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 26; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 300. 258 So für § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 129 f; ders., ZfA 1995, 479, 507, 513 (Mitbestimmungsrecht ist eine zusätzliche Schranke, die die Unterlegenheit des Arbeitnehmers ausgleichen soll). 259 s. o. S. 79 ff. 257

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gg) Zwischenergebnis Die Mitbestimmungswidrigkeit hat keinen Einfluss auf die Änderungskündigung. Die Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs ist aber betriebsverfassungswidrig. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die tatsächliche Zuweisung des Arbeitsplatzes ist auch im Falle der Versetzung durch Änderungskündigung zu differenzieren: Liegt eine abweisende rechtskräftige Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor, ist dem Arbeitgeber die Erfüllung der Beschäftigungspflicht rechtlich unmöglich. Daraus folgt, dass auch der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbringen kann. Der Lohnanspruch bleibt zunächst nach § 615 S. 3 BGB bestehen und orientiert sich an den neuen Arbeitsbedingungen. Daneben hat der Arbeitnehmer einen Wiederherstellungsanspruch auf Vertragsänderung mit dem Ziel, zu den früheren Bedingungen arbeiten zu können und bezahlt zu werden. Macht er ihn geltend und kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, schuldet er Verzugslohn. Kommt eine Rückversetzung mangels Beschäftigungsmöglichkeit nicht in Betracht, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen. Vor einer abweisenden rechtskräftigen Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist der Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung auf dem neuen Arbeitsplatz verpflichtet. Insbesondere ist er nicht berechtigt, die Leistung zu verweigern. b) Versetzung kraft Änderungsvertrags Erfolgt die Versetzung kraft Änderungsvertrags, ist dieser wirksam.260 Hinsichtlich der tatsächlichen Maßnahme ist auf die zur Einstellung und Versetzung kraft Änderungskündigung erarbeitete Differenzierung zu verweisen: Wurde der Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt, ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung unmöglich.261 Daraus folgt auch die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer kann nicht beschäftigt werden, behält aber nach § 615 S. 3 BGB seinen Lohnanspruch. Allerdings kann der Arbeitgeber aufgrund der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit eine Änderungskündigung aussprechen. Auf der anderen Seite besteht auch hier ein Wiederherstellungsanspruch des Arbeitnehmers, der darauf gerichtet ist, nach den früheren Bedingungen beschäftigt zu werden. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, schuldet er Verzugslohn.262 Ist der frühere Arbeitsplatz weggefallen, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen, schuldet aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Lohn nach § 615 S. 3 BGB.

260 261 262

s. o. S. 52. Vgl. hierzu die Ausführungen zur Einstellung S. 65 ff. s. o. S. 89 f.

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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Bis zu diesem Zeitpunkt liegt keine Unmöglichkeit vor. Der Arbeitnehmer kann die Leistung nicht verweigern, was bei einem Änderungsvertrag i. d. R. auch nicht in seinem Interesse liegt. Geht der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vor und sieht sich der Arbeitgeber dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auf der einen und dem Anspruch des Betriebsrats nach § 101 S. 1 BetrVG auf der anderen Seite ausgesetzt, kann er nach § 275 Abs. 3 BGB die Leistung, also die Erfüllung der Beschäftigungspflicht, verweigern. Der Arbeitnehmer kann nach § 615 S. 3 BGB aber dennoch seinen Lohn entsprechend den neuen Bedingungen verlangen.263 Daneben ist ihm auch in dieser Situation ein Wiederherstellungsanspruch zuzubilligen. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, schuldet er Verzugslohn entsprechend den früheren Bedingungen.264 c) Versetzung kraft Direktionsrechts Ist die Versetzung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, müssen die vertraglichen Grundlagen nicht geändert werden. Die Versetzung erschöpft sich individualrechtlich in der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes. Die Versetzungsweisung ist unabhängig davon zu beurteilen, ob der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt hat. Sein Mitbestimmungsrecht besteht nur hinsichtlich der tatsächlichen Maßnahme.265 aa) Unwirksamkeit der tatsächlichen Zuweisung Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die tatsächliche Zuweisung des Arbeitsplatzes in diesem Fall anders beurteilt werden soll als bei der Einstellung und Versetzung durch Änderungskündigung.266 Es handelt sich ebenfalls um einen Realakt, der nicht unwirksam sein kann.267 Die tatsächliche Zuweisung ist somit nicht unwirksam.268 263

s. o. zur Einstellung S. 79 ff. s. o. S. 89 f. 265 s. o. S. 39 und S. 54. 266 Vgl. Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 16 (II.3.b.). 267 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Boemke, S. 196; v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150; s. o. zur Einstellung S. 62 f. 268 Vgl. Alberty, Fehlende Zustimmung des Betriebsrats, S. 85; Ehrich, NZA 1992, 731, 734; Heinze, Personalplanung, Rn 343 ff; v. Hoyningen-Huene/Boemke, Versetzung, S. 196; v. Hoyningen-Huene, RdA 1982, 205, 212 f; Weber, Individualrechtliche Auswirkungen, S. 81 ff; a. A. die wohl hM, ohne zwischen der Ausübung des Direktionsrechts als Konkretisierung arbeitsvertraglicher Pflichten und dem tatsächlichen Akt der Zuweisung zu trennen: BAG NZA 2001, 893, 896 f; Griese, BB 1995, 458, 463; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 252; MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 26; a. A. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 130 f; ders., ZfA 472, 499 ff, 505 (schwebende Unwirksamkeit im Falle des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). 264

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

bb) Rechtliche Unmöglichkeit Allerdings wird die Beschäftigung auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz und damit verbunden die Arbeitsleistung wiederum dann unmöglich, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wurde.269 Fraglich ist, wie sich das auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers auswirkt. Nach seinem Arbeitsvertrag kann er auch auf dem früheren Arbeitsplatz beschäftigt werden. Denkbar ist daher, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber in Verzug setzen kann, indem er die Leistung auf dem früheren Arbeitsplatz anbietet. Allerdings setzt Verzug voraus, dass die Leistung in der Form angeboten wird, wie sie zu erbringen ist (§ 294 BGB). Indem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung auf dem neuen Arbeitsplatz zugewiesen hat, hat er von seinem Recht, die Leistung nach § 106 GewO zu konkretisieren, Gebrauch gemacht. Nach der Ausübung des Direktionsrechts schuldet der Arbeitnehmer genau diese Leistung. Um den Arbeitgeber in Verzug zu versetzen, müsste er daher auch genau diese Leistung, d. h. die zu den neuen Bedingungen, anbieten.270 Das wird der Arbeitnehmer nicht wollen. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, dem Arbeitnehmer durch erneute Ausübung seines Direktionsrechts einen anderen, ggf. den früheren Arbeitsplatz zuzuweisen.271 Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, schuldet er Schadensersatz in der Höhe des Arbeitslohns gemäß § 280 i.V. m. § 286 BGB.272 Bevor der Arbeitnehmer diesen Anspruch geltend macht, bleibt ihm sein Arbeitsentgelt nach § 615 S. 3 BGB erhalten. Ist der frühere Arbeitsplatz weggefallen und eine Leistungszuweisung entsprechend dem Arbeitsvertrag nicht möglich, kommt eine (Änderungs-)Kündigung in Betracht. Innerhalb der Kündigungsfrist kann der Arbeitnehmer nach § 615 S. 3 BGB Lohn verlangen. cc) Situation vor der rechtlichen Unmöglichkeit Liegt noch keine rechtliche Unmöglichkeit vor, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der Weisung nachzukommen. Da alle Zustimmungsverweigerungsgründe nur kollektive Interessen schützen und ein etwaiger Schutz des Arbeitnehmers im Falle des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nur ein Reflex ist, scheidet ein Leistungsverweigerungsrecht ebenso aus wie die vorläufige schwebende Unwirksamkeit der 269

s. zur Einstellung S. 64 ff. So BAG NZA 2010, 1119, 1120 f („leidensgerechter Arbeitsplatz“). 271 So BAG NZA 2010, 1119, 1121 f; ähnlich Elke Müller, Mitbestimmung, S. 108 f (Wiederherstellungsanspruch nach einer Änderungskündigung). 272 Elke Müller, Mitbestimmung, S. 119; vgl. BAG NZA 2010, 1119, 1121 (§ 280 Abs. 1 BGB). 270

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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Maßnahme.273 Auch bei der Versetzung kraft Direktionsrechts kann sich der Arbeitnehmer selbst wehren und nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzungsweisung vorgehen, so dass ein Leistungsverweigerungsrecht auch unter Schutzgesichtspunkten nicht nötig ist. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer einfach zurückversetzen, so dass auch ein Verweigerungsrecht des Arbeitgebers nach § 275 Abs. 3 BGB ausscheidet. dd) Zwischenergebnis Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hat auch bei der Versetzung infolge Direktionsrechts grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Individualrechtsverhältnis. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet entsprechend den neuen Bedingungen zu arbeiten. Der Arbeitgeber ist aber gegenüber dem Betriebsrat nicht berechtigt, den Arbeitnehmer auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz zu beschäftigen. Sobald der Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, ist die Beschäftigung unmöglich. Dann kann der Arbeitnehmer nicht mehr auf dem neuen Arbeitsplatz beschäftigt werden. Ist die Versetzung individualrechtlich wirksam, hat der Arbeitnehmer vor einer „Rückversetzung“ keinen Anspruch auf Beschäftigung zu den früheren Bedingungen. Jedoch kann er nach § 615 S. 3 BGB auch dann Lohn verlangen, wenn der Arbeitgeber ihn nicht beschäftigt. Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, ihn zurückzuversetzen. Kommt er dem nicht nach, muss er Schadensersatz in der Höhe entsprechend der vertraglich vereinbarten Vergütung zahlen. Solange noch keine rechtliche Unmöglichkeit eingetreten ist, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz zu arbeiten. Der Arbeitgeber verhält sich aber betriebsverfassungswidrig und setzt sich der Gefahr eines Verfahrens nach § 101 BetrVG aus. Allerdings kann er den Arbeitnehmer jederzeit zurückversetzen, so dass ihm kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB zusteht. d) Ergebnis Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit bei der Versetzung Die fehlende Zustimmung wirkt sich nicht auf die tatsächliche Maßnahme der Versetzung aus. Ersetzt das Gericht die Zustimmung nicht und ist die Entscheidung rechtskräftig, ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers 273 s. o. S. 90 ff; a. A. (Leistungsverweigerungsrecht) BAG NZA 2001, 893, 896 f; NZA 1999, 33, 35; Ehrich, NZA 1992, 731, 734; MüHB-ArbR-Matthes, § 265 Rn 26; Matthes, DB 1975, 1651; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 300; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 129 f sowie ders., ZfA 1995, 479, 507, 513 (für § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG: Mitbestimmungsrecht als zusätzliche Schranke, die die Unterlegenheit des Arbeitnehmers ausgleichen soll).

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, der Arbeitnehmer kann nicht arbeiten. Dennoch behält er seinen Lohnanspruch nach § 615 S. 3 BGB entsprechend den neuen Arbeitsbedingungen. Daneben besteht ein Wiederherstellungsanspruch gegen den Arbeitgeber, der darauf abzielt, die Vertragsgrundlage derart zu ändern, dass der Arbeitnehmer wieder nach den früheren Bedingungen arbeiten kann. Macht der Arbeitnehmer diesen Anspruch geltend und kommt der Arbeitgeber ihm nicht nach, schuldet er Verzugslohn entsprechend den früheren Arbeitsbedingungen. Im Falle des Änderungsvertrags kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (ggf. unter Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes) aufgrund der Unmöglichkeit kündigen oder eine Änderungskündigung aussprechen. Innerhalb der Kündigungsfrist bleibt der Lohnanspruch gemäß § 615 S. 3 BGB bestehen. Gleiches gilt im Falle einer Versetzung aufgrund Direktionsrechts und Änderungskündigung, wenn der frühere Arbeitsplatz weggefallen ist. Liegt eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nicht vor, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dem Betriebsrat gegenüber nicht beschäftigen. Dem Arbeitnehmer gegenüber ist er aber dazu verpflichtet. Auch der Arbeitnehmer muss entsprechend dem geänderten Vertrag oder der Weisung tätig werden. Da alle Zustimmungsverweigerungsgründe lediglich im kollektiven Interesse liegen, steht ihm kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Geht der Betriebsrat im Falle der Versetzung kraft Änderungsvertrags aber nach § 101 S. 1 BetrVG vor, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Beschäftigung zu verweigern (§ 275 Abs. 3 BGB). Gleichwohl muss er den Arbeitnehmer aber nach § 615 S. 3 BGB entsprechend den neuen Bedingungen entlohnen. Bei einer Versetzung aufgrund Änderungskündigung und Direktionsrechts wird ein Verweigerungsrecht des Arbeitgebers dagegen nicht relevant. 3. Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die Ein- und Umgruppierung Im Falle der Ein- und Umgruppierung stellt sich das Problem der Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme nicht. Ein- und Umgruppierung sind schlichter Normvollzug. Der Arbeitnehmer hat stets einen Anspruch, entsprechend der richtigen Vergütungsgruppe bezahlt zu werden. Daher ist auch die Zustimmung oder Verweigerung des Betriebsrats ohne Bedeutung.274

274 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 257; Fitting, § 99 Rn 101; Matthes, DB 1975, 1651, 1653 f; BeckOK-ArbR-Mauer, § 99 BetrVG Rn 31; GK-BetrVGRaab, § 99 Rn 132; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 97; Veit, RdA 1990, 325, 329.

§ 3 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG

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4. Sonderfall: vorläufige Maßnahmen Im Fall der vorläufigen Versetzung und Einstellung gilt nichts anderes als bei den endgültigen Maßnahmen. Vielmehr bestätigen § 100 Abs. 3 S. 2 und 3 BetrVG nochmals das oben gefundene Ergebnis: Zunächst darf der Arbeitgeber die vorläufige Maßnahme durchführen. Bestreitet der Betriebsrat die Notwendigkeit der vorläufigen Maßnahme, muss der Arbeitgeber das Arbeitsgericht anrufen und dort beantragen, die Zustimmung zu ersetzen und die Erforderlichkeit ihrer vorläufigen Vornahme festzustellen. Erst wenn letzteres rechtskräftig abgelehnt ist, verbietet S. 3 die Aufrechterhaltung der Maßnahme. Ab diesem Zeitpunkt ist sie untersagt. Zu beachten ist insbesondere, dass das Gesetz in § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG davon ausgeht, dass der Arbeitgeber zugleich Feststellung der Erforderlichkeit hinsichtlich der vorläufigen Maßnahme und Zustimmungsersetzung hinsichtlich der endgültigen Maßnahme beantragt.275 Gegenüber dem Betriebsrat ist die Maßnahme schon dann rechtswidrig, wenn sie nicht dringend erforderlich ist. Verboten i. S. rechtlicher Unmöglichkeit ist sie aber auch hier erst dann, wenn die Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt wurde. Vor diesem Zeitpunkt ist zu unterscheiden: Hat das Gericht die dringende Erforderlichkeit bestätigt, ist der Arbeitgeber bis zur abweisenden Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG zur Beschäftigung des Arbeitnehmers berechtigt. Wird aber die Erforderlichkeit rechtskräftig verneint, ist die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebsrat rechtswidrig. Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten jedoch die geänderten Arbeitsbedingungen. Hinsichtlich der Einzelheiten gilt das zu den endgültigen Maßnahmen Ausgeführte. Ruft der Arbeitgeber das Arbeitsgericht trotz Bedenken des Betriebsrats nicht an, kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgehen.276 Unmittelbare Auswirkung auf die Maßnahme oder rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung treten damit aber nicht ein. 5. Ergebnis Auswirkungen der Mitbestimmungswidrigkeit auf die tatsächliche Maßnahme Insgesamt ist festzuhalten, dass sich alleine die fehlende Zustimmung des Betriebsrats nicht auf die tatsächliche Maßnahme auswirkt. Liegt aber eine rechtskräftige, den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgeber abweisende, Entscheidung des Arbeitsgerichts nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor, ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. Daraus folgt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung.

275 276

s. o. S. 44 f. Vgl. BAG NZA 2010, 592, 594; Richardi-Thüsing, § 100 Rn 32.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

F. Ergebnis Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG Gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber vor einer Versetzung, einer Einstellung und einer Ein- oder Umgruppierung die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Stimmt der Betriebsrat nicht zu, kann der Arbeitgeber die Zustimmung vom Arbeitsgericht ersetzen lassen (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Die fehlende Zustimmung hat keine Auswirkungen auf die individualvertragliche Grundlage. Der Arbeitsvertrag im Falle der Einstellung und die Änderungskündigung bei einer Versetzung oder Umgruppierung sind daher auch dann wirksam, wenn der Betriebsrat nicht zugestimmt hat. Gleiches gilt für die Weisung als Rechtsgeschäft, welche die arbeitsvertraglichen Pflichten im Falle der Versetzung kraft Direktionsrechts konkretisiert. Der Arbeitnehmer ist daher zunächst verpflichtet, gemäß den (neuen) Bedingungen zu arbeiten. Der Arbeitgeber muss ihn beschäftigen. Ohne Zustimmung oder deren Ersetzung besteht jedoch ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot. Wurde der Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt, wird es dem Arbeitgeber rechtlich unmöglich, den Arbeitnehmer zu beschäftigen.

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG Nach § 103 Abs. 1 BetrVG muss der Betriebsrat einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zustimmen. § 103 Abs. 3 S. 1 BetrVG besagt, dass auch die Versetzung eines Amtsträgers, die zum Verlust des Amtes oder Wählbarkeit führen würde, der Zustimmung der Belegschaftsvertretung bedarf.

A. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds Sind von der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers Betriebsratsmitglieder betroffen, bestimmt § 15 S. 1 KSchG, dass ordentliche Kündigungen ausgeschlossen sind. Belegschaftsvertretern kann demnach nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden. I. Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds Nach § 626 Abs. 1 BGB setzt die außerordentliche Kündigung einen wichtigen Grund voraus. Damit stellt die Norm einen unbestimmten Rechtsbegriff 277 in den Mittelpunkt. Außerdem verlangt sie eine Abwägung. Dabei erfolgt die Prüfung des wichtigen Grunds i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB zweistufig. Zunächst muss, unabhängig von der Wertung des Einzelfalls, ein an sich geeigneter Kündigungs277

KR-Fischermeier, § 626 BGB Rn 78.

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG

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grund vorliegen. Hier kommen, wie auch bei der ordentlichen Kündigung, sowohl personen-, verhaltens- als auch betriebsbedingte Gründe in Betracht. Liegt ein an sich geeigneter Kündigungsgrund vor, ist anschließend eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB ist im Ergebnis zu bejahen, wenn es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder im Falle einer Befristung bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortzusetzen.278 Dieser Maßstab gilt im Ausgangspunkt auch für Betriebsratsmitglieder.279 Daher kommt als Anknüpfungspunkt für einen wichtigen Grund nur eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten in Betracht. Wird lediglich eine Amtspflicht verletzt, kann der Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 BetrVG den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds beantragen.280 II. Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG Gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG muss der Betriebsrat einer außerordentlichen Kündigung eines seiner Mitglieder zustimmen. Verweigert er die Zustimmung, kann der Arbeitgeber die Ersetzung beim Arbeitsgericht beantragen. § 103 BetrVG ergänzt damit § 15 KSchG, der bestimmt, dass den Belegschaftsvertretern nur außerordentlich gekündigt werden kann. Damit gewährt das Gesetz den Mitgliedern der Belegschaftsvertretungen einen besonderen Schutz, der über die grundsätzliche Anhörungspflicht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG hinausgeht. Es soll die Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassungsorgane gesichert und der Gefahr vorgebeugt werden, dass der Arbeitgeber durch willkürliche außerordentliche Kündigungen Einfluss auf die personelle Struktur der Belegschaftsvertretung nimmt.281 1. Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich Den besonderen Kündigungsschutz nach §§ 15 KSchG, 103 BetrVG genießen zunächst die ausdrücklich genannten Mitglieder des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats sowie Wahlbewerber. Nicht erfasst von § 103 BetrVG sind die Initiatoren der Wahl, deren ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 3a KSchG unzulässig ist. Außerdem 278

BeckOK-BGB-Fuchs, § 626 Rn 7; ErfKom-Müller-Glöge, § 626 BGB Rn 15 ff. Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner/Deinert, § 15 KSchG Rn 35; Stahlhacke/ Preis/Vossen, Rn 1734. 280 HM, s. nur v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 98. 281 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 1. 279

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

stimmt der persönliche Geltungsbereich nicht mit § 78 BetrVG 282 überein, so dass die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, der Einigungsstelle, einer tariflichen Schlichtungsstelle, einer betrieblichen Beschwerdestelle und die Auskunftsperson nach § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG nicht geschützt sind. Hinsichtlich der in § 3 BetrVG genannten Vertretungen ist zu unterscheiden: Mitgliedern zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Gremien i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, für die auch kein Kündigungsschutz in der Betriebsverfassung besteht, kann auch ohne Zustimmung des Betriebsrats außerordentlich gekündigt werden. Die Mitglieder der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG zu errichtenden Vertretungen der Arbeitnehmer haben allerdings dieselben Befugnisse und Pflichten wie die Mitglieder des Betriebsrats. Somit genießen sie auch den Schutz der § 15 KSchG und § 103 BetrVG.283 Wahlbewerber sind von § 103 BetrVG nur erfasst, wenn es um die Wahl eines Gremiums geht, dessen Mitglieder seinerseits dem besonderen betriebsverfassungsrechtlichen Kündigungsschutz unterfallen. Damit scheiden beispielsweise Wahlbewerber für den Aufsichtsrat aus.284 Bewerber für den Wahlvorstand sind keine Bewerber i. S. d. § 103 Abs. 1 BetrVG und damit auch nicht von der Norm geschützt.285 Ebenfalls nicht erfasst sind nicht nachgerückte Ersatzmitglieder. Etwas anderes gilt nur, wenn sie ein verhindertes Mitglied für den bestimmten Zeitraum vertreten.286 Über den Wortlaut hinaus muss der Betriebsrat auch bei einer außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung zustimmen. Entsprechend sind dann auch Mitglieder des Wahlvorstandes und Wahlbewerber erfasst.287 b) Zeitlicher Anwendungsbereich Das Zustimmungserfordernis beginnt für Mitglieder der Belegschaftsvertretung mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses, für Mitglieder des Wahlvorstandes mit ihrer Bestellung. Gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG ist für Wahlbewerber die Aufstellung des Wahlvorschlags entscheidend. Dafür ist erforderlich, dass der Kandidat dem Wahlvorschlag zustimmt, die nötigen Unterschriften vorliegen und der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingereicht wird.288

282 § 78 BetrVG verbietet die aufgezählten Gruppen der Belegschaftsvertretung zu behindern, zu benachteiligen oder zu begünstigen. 283 Fitting, § 103 Rn 5; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 5. 284 Richardi-Thüsing, § 103 Rn 6 f. 285 LAG B-W NJW 1975, 232; Fitting, § 103 Rn 10. 286 BAG NZA 2006, 1037, 1039; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 10. 287 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 7. 288 Richardi-Thüsing, § 103 Rn 19.

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG

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Der besondere Kündigungsschutz endet mit dem Ende der Amtszeit oder schon eher mit dem Erlöschen der Mitgliedschaft in der jeweiligen Vertretung. Mitglieder des Wahlvorstandes genießen Kündigungsschutz bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder bis zu dem Zeitpunkt, in welchem sie aus dem Wahlvorstand ausscheiden. Für Wahlbewerber besteht der Schutz des § 103 BetrVG bis vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder bis zur Rücknahme der Kandidatur.289 c) Sachlicher Anwendungsbereich Nach § 103 Abs. 1 BetrVG ist nur die außerordentliche Kündigung zustimmungsbedürftig. Ordentliche Kündigungen sind nach § 15 Abs. 1 KSchG grundsätzlich ohnehin unzulässig. Nur in den Fällen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG ist eine ordentliche Kündigung ausnahmsweise möglich. Dann bedarf es auch keiner Zustimmung des Betriebsrats. Er ist lediglich nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG anzuhören.290 2. Verfahren der Mitbestimmung a) Informationspflicht des Arbeitgebers Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht mitteilen und begründen. Nur auf diese Weise kann er das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß einleiten. Andernfalls ist auch eine mit Zustimmung des Betriebsrats erteilte Kündigung unwirksam.291 b) Reaktion des Betriebsrats Um dem Arbeitgeber die termingerechte Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB zu ermöglichen, muss der Betriebsrat analog § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG innerhalb von drei Tagen zustimmen. Andernfalls gilt die Zustimmung als verweigert.292 Der Betriebsrat entscheidet durch Beschluss ohne Beteiligung des betroffenen Mitglieds.293 In welchen Fällen der Betriebsrat die Zustimmung zu erteilen hat, beschreibt das Gesetz allerdings nicht. Nur § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG besagt, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt, wenn die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Da das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt, ist von einem Gleichlauf der Grundlagen für die Beurteilung auszugehen. Der Betriebsrat hat die Zustimmung daher zu ertei-

289 290 291 292 293

Richardi-Thüsing, § 103 Rn 21 ff. BAG NZA 1998, 189, 190 f; NZA 1984, 38; NJW 1977, 2182. BAG DB 1982, 1171 (BPersVG). BAG NJW 1978, 661; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 60. BAG NJW 1976, 2180, 2181.

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len, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigt ist. Ihm steht insoweit kein Ermessen zu.294 c) Form Die Zustimmung kann formlos erfolgen. Sie braucht nicht begründet zu werden. Gleiches gilt für die Verweigerung. Allerdings sind Schriftform und Begründung jedenfalls zweckmäßig.295 Verlangt der Arbeitgeber eine schriftliche Ablehnung muss der Betriebsrat diesem Wunsch nachkommen, weil der Arbeitnehmer die Kündigung u. U. nach § 182 Abs. 3 i.V. m. § 111 S. 2 BGB296 zurückweisen kann.297 d) Rechtswirkungen Die einmal erteilte Zustimmung ist unwiderruflich. Allerdings kann der Betriebsrat seine Ablehnungsentscheidung revidieren und nachträglich zustimmen.298 Die Zustimmung des Betriebsrats bezieht sich ausschließlich auf die vom Arbeitgeber mitgeteilten Tatsachen.299 Möchte der Arbeitgeber die Kündigung auf zusätzliche Tatsachen stützen, muss er erneut den Betriebsrat um Zustimmung ersuchen.300 3. Das Zustimmungsersetzungsverfahren Kann der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats nicht erreichen und will dennoch an seiner Kündigungsabsicht festhalten, muss er beim Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung beantragen (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V. m. §§ 80 ff ArbGG). Antragsgegner ist der Betriebsrat. Der betroffene Arbeitnehmer ist Beteiligter (§ 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG). Die Kündigung darf der Arbeitgeber erst aussprechen, wenn das Gericht die Zustimmung ersetzt hat und die Entscheidung rechtskräftig ist.301 Kommt es zu einem entsprechenden Verfahren, ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen zu kündigen, wie es § 626 Abs. 2 BGB for294

BAG NJW 1976, 2180, 2181. Richardi-Thüsing, § 103 Rn 49 ff. 296 Möglichkeit der unverzüglichen Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts, welches von der Zustimmung eines Dritten abhängt, wenn die Zustimmung nicht schriftlich nachgewiesen wird. 297 Richardi-Thüsing, § 103 Rn 49. 298 Fitting, § 103 Rn 36. 299 Richardi-Thüsing, § 103 Rn 53. 300 Richardi-Thüsing, § 103 Rn 72. 301 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 78. 295

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG

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dert. Um die Kündigungserklärungsfrist nicht gänzlich leerlaufen zu lassen, muss der Arbeitgeber innerhalb dieser Zeit zumindest das Arbeitsgericht anrufen.302 Allerdings ist zu beachten, dass Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung ist. Daher kann der Arbeitgeber den Antrag nicht stellen, bevor der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hat oder diese als verweigert gilt. Die verweigerte Zustimmung ist gewissermaßen Verfahrensvoraussetzung.303 Ein aus diesem Grund unzulässiger Antrag wird auch dann nicht zulässig, wenn der Betriebsrat die Zustimmung verweigert.304 Er kann auch nicht unter der Bedingung der Zustimmungsverweigerung gestellt werden.305 Möchte der Arbeitgeber im Beschlussverfahren Kündigungsgründe nachschieben, ist das grundsätzlich möglich, da Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens eine noch auszusprechende Kündigung ist und das Gericht „alle Umstände“ berücksichtigen soll, die die Kündigung rechtfertigen könnten.306 Allerdings soll nach der gesetzlichen Konzeption das betriebliche Zustimmungsverfahren dem gerichtlichen Ersetzungsverfahren vorausgehen.307 Daher bezieht das Gericht die neuen Gründe nur in seine Entscheidung ein, wenn der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat vergeblich um Zustimmung gebeten hat. Dafür spricht auch, dass Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens die konkrete Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ist, die nur auf den vom Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung mitgeteilten Gründen beruht.308 Diese nachgeschobenen Gründe müssen dem Betriebsrat auch innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB mitgeteilt werden.309 Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist,310 ersetzt es durch Beschluss (§ 84 ArbGG) die Zustimmung. Ermessen steht ihm dabei nicht zu.311 302 BAG NJW 1978, 661, 662 f; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 Rn 22; GKBetrVG-Raab, § 103 Rn 85. 303 BAG NZA 1986, 719, 720; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 Rn 23. 304 BAG NZA 1997, 371, 372; NZA 1986, 719; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 62; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 66; a. A. Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 38; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 127 (wenn Zustimmungsersetzungsantrag rechtzeitig gestellt wurde). 305 BAG NZA 1986, 719; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 62; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 72. 306 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 214 (C.II.1.); v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 134. 307 Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 134. 308 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 4 Bl. 454 (II.2.c.); Nr. 1 Bl. 214 (C.II.2.); GKBetrVG-Raab, § 103 Rn 74. 309 Dabei ist str. ob sie auch innerhalb dieser Frist zusätzlich in das Beschlussverfahren eingeführt werden müssen: bejahend Richardi-Thüsing, § 103 Rn 73 m.w. N.; verneinend GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 74 m.w. N. 310 Zur „Berücksichtigung aller Umstände“ s. S. 221 ff.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

4. Folgen der fehlenden Zustimmung Eine zustimmungswidrige Kündigung ist unheilbar nichtig (vgl. § 15 Abs. 1 KSchG i. V.m § 134 BGB). Die Zustimmung ist demnach Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Sie muss vor Ausspruch der Kündigung erteilt werden.312 Das Gesetz selbst gibt somit die individualrechtliche Auswirkung der Mitbestimmungswidrigkeit vor.

B. Versetzung von Betriebsratsmitgliedern Gemäß § 103 Abs. 3 S. 1 BetrVG bedarf auch die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds vor ihrer Durchführung der Zustimmung des Betriebsrats, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung nicht einverstanden ist. Die Norm ist lex spezialis zu § 99 BetrVG313 und geht in der Schutzwirkung über diesen hinaus. Zum einen darf der Arbeitgeber keine vorläufigen Maßnahmen durchführen.314 Außerdem ist der Betriebsrat bei der Zustimmungsverweigerung im Rahmen des § 99 BetrVG an die abschließend aufgeführten Gründe gebunden. Diese Einschränkung enthält § 103 Abs. 3 BetrVG nicht. I. Anwendungsbereich § 103 Abs. 3 BetrVG Wichtig ist das Zustimmungserfordernis v. a. bei Versetzung kraft Direktionsrechts. Ist dagegen eine außerordentliche Änderungskündigung nötig, muss der Betriebsrat ohnehin zustimmen.315 Schließen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied einen Änderungsvertrag, ist der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden, so dass gemäß S. 1 Hs. 2 das Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Der Betriebsrat muss nämlich dann nicht zustimmen, wenn der Arbeitnehmer einverstanden ist. Der persönliche und zeitliche Anwendungsbereich stimmt mit demjenigen der Kündigung überein.316 Sachlich ergibt sich eine Einschränkung aus dem Schutz311

BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 214R (III.1.). BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 11 Bl. 245R (I.); Nr. 5 Bl. 513 f (2.); Nr. 2 Bl. 440R (II.1.); Nr. 1 Bl. 213 (C.I.1.); Fitting, § 103 Rn 24; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 102; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 48; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 51; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 55. 313 Fitting, § 103 Rn 71; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 46; vgl. auch Richardi-Thüsing, § 103 Rn 37; a. A. LAG Berlin vom 22.12.2004 – Az. 9 TaBV 2175/04 Rn 32 (juris) sowie Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 82 (Nebeneinander der Verfahren). 314 LAG Berlin vom 22.12.2004 – Az. 9 TaBV 2175/04 Rn 32 (juris); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 84; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 46; Stege/Weinspach/Schiefer, § 103 Rn 45; a. A. Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 Rn 43e. 315 Vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 85. 316 s. dazu S. 101 f. 312

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG

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zweck der Norm. Soll § 103 BetrVG die Kontinuität des Amtes sichern, sind nur Versetzungen zustimmungsbedürftig, die zum Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen (Abs. 3 S. 1). Der Begriff der Versetzung i. S. d. § 103 Abs. 3 BetrVG entspricht der Versetzung i. S. d. § 99 BetrVG, so dass Versetzung als Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes im Sinne einer tatsächliche Maßnahme zu verstehen ist.317 II. Verfahren der Mitbestimmung 1. Unterrichtung des Betriebsrats und Zustimmungseinholung Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die geplante Versetzung unterrichten. Außerdem muss die Zustimmung vor Durchführung der Maßnahme eingeholt werden.318 2. Reaktion des Betriebsrats Das Gesetz bestimmt in § 103 Abs. 3 S. 1BetrVG lediglich, dass der Betriebsrat einer Versetzung von Amtsträgern zustimmen muss. Im Gegensatz zu § 99 BetrVG sind keine Zustimmungsverweigerungsgründe aufgeführt. Allerdings besagt § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzen kann, wenn die Versetzung auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist. Da sowohl im Rahmen des § 99 Abs. 4 BetrVG als auch bei § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG das Arbeitsgericht die Entscheidung des Betriebsrats kontrolliert und prüft, ob der Betriebsrat die Zustimmung zu Recht verweigert hat, ist von einem Gleichlauf der Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Betriebsrats auszugehen. Nach § 99 Abs. 2 BetrVG ist der Betriebsrat an die abschließend aufgeführten Gründe gebunden. Das Arbeitsgericht prüft, ob diese Gründe vorlagen. Bindet nun § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG die Zustimmungsersetzung an dringende betriebliche Gründe unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung, folgt daraus, dass der Betriebsrat nicht an die Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG gebunden ist. Vielmehr hat er entsprechend dem Zweck der Norm die Kontinuität des Amtes zu beachten.319 Ist die Versetzung aber aus dringenden betrieblichen Gründen unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung erforderlich, darf er die Zustimmung nicht verweigern (vgl. § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG).

317

GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 31; s. o. S. 39. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 77; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 50. 319 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 58. 318

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

3. Rechtswirkungen der Zustimmung Hat der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt, kann der Arbeitgeber diese durchführen. Eine einmal erteilte Zustimmung ist unwiderruflich.320 Auch wenn die Zustimmung vor der Versetzung vorliegen muss, kann sie noch nachträglich erteilt werden. Anders als die Kündigung ist die Versetzung „kein punktueller rechtsgeschäftlicher Gestaltungsakt“,321 der unwirksam sein kann. Vielmehr geht es um einen tatsächlichen Vorgang, der nur als rechtmäßig oder rechtswidrig eingeordnet werden kann. Die nachträgliche Zustimmung beseitigt den Rechtsverstoß nicht für die Vergangenheit, schafft aber für die Zukunft rechtmäßige Zustände.322 4. Zustimmungsersetzungsverfahren Kann der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats nicht erreichen, muss er das Arbeitsgericht anrufen.323 Gemäß § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG ist die Zustimmung zu ersetzen, wenn die Versetzung auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist. Nach dem Wortlaut sind dringende betriebliche Gründe erforderlich und es ist auch die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Aus dem Wort „auch“ folgt, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Vielmehr ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, in die auch die individualrechtlichen Interessen des Arbeitnehmers einfließen. Danach ist die Versetzung unzulässig, wenn sie individualrechtlich unwirksam ist. In diesem Fall liegt kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Versetzung vor.324 Darüber hinaus scheidet eine Zustimmungsersetzung aus, wenn einer der Gründe des § 99 Abs. 2 BetrVG erfüllt ist, da der Schutz des § 103 Abs. 3 BetrVG nicht hinter dessen Schutz zurückbleiben soll. Ist die Versetzung nach diesen Kriterien nicht unwirksam, ist die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers in die Prüfung miteinzubeziehen und gegen die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers abzuwägen. III. Folgen der zustimmungswidrigen Versetzung Eine Regelung zu den Folgen der fehlenden Zustimmung fehlt. Die Nichtigkeitsfolge wie bei der Kündigung nach § 15 Abs. 1 KSchG i.V. m. § 134 BGB kann nicht übertragen werden. Die Kündigung ist ein Gestaltungsakt, der die Rechtslage verändert. Sie kann nichtig und unwirksam sein. Das ist bei der Ver320

s. o. S. 104 zu Abs. 1. GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 50. 322 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 50. 323 Zum Zustimmungsersetzungsverfahren s. S. 104 f. 324 KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 175a; Fitting, § 103 Rn 72; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 95. 321

§ 4 Mitbestimmung nach § 103 BetrVG

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setzung als tatsächlichem Akt nicht denkbar.325 Lediglich die Versetzungsweisung kann nichtig oder unwirksam sein. Diese ist aber nicht Gegenstand des Zustimmungserfordernisses. Die Versetzungsweisung kann daher nur unwirksam sein, wenn sich die Betriebsverfassungswidrigkeit auf die individualrechtliche Ebene durchschlägt. 1. Rechte des Arbeitnehmers Im Rahmen der Versetzung i. S. d. § 99 BetrVG wurde dargelegt, dass sich die fehlende Zustimmung zunächst nicht auf die individualvertragliche Ebene auswirkt. Dem Arbeitnehmer steht kein Leistungsverweigerungsrecht zu, da die Norm ihn nicht schützt.326 Betriebsratsmitglieder sollen aber gerade einen höheren Schutz vor Versetzungen erhalten. Dafür spricht in systematischer Hinsicht, dass die Mitbestimmung bei der Versetzung von Betriebsratsmitgliedern nicht als Ergänzung in § 99 BetrVG geregelt ist, der zu den Folgen der fehlenden Zustimmung schweigt. Vielmehr ist er in § 103 BetrVG eingefügt worden, der im Zusammenspiel mit § 15 KSchG und § 134 BGB auch individualrechtliche Auswirkungen anordnet.327 Außerdem ist das Schutzbedürfnis bei Amtsträgern höher. Sie sollen ungestört ihr Amt ausüben können und keine Repressalien des Arbeitgebers zu befürchten haben. Auch wenn im Vordergrund der Regelung kollektive Interessen an der Kontinuität des Amtes stehen, besteht stets die Gefahr, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Amtstätigkeit Nachteile erleiden, die immer auch ihre individualrechtliche Stellung berühren. Das spricht dafür, dass das einzelne Betriebsratsmitglied auch auf individualrechtlicher Ebene von § 103 Abs. 3 BetrVG geschützt wird. Darüber hinaus erfordern auch kollektive Interessen, dass die Betriebsverfassungswidrigkeit auf die individualvertragliche Ebene durchschlägt: Die Norm soll die Kontinuität des Amtes schützen und verhindern, dass der einzelne Betriebsrat aus seinem Amt gedrängt wird.328 Hätte die fehlende Zustimmung keinerlei Auswirkung auf die Versetzung, könnte der Arbeitgeber den „ungeliebten“ Betriebsrat zunächst versetzen, ohne dass sich dieser auf die Betriebsverfassungswidrigkeit berufen kann. Es wäre dann Sache des Betriebsrats, die zunächst durchgeführte Maßnahme aufheben zu lassen (vgl. § 101 BetrVG). In dieser Zeit könnte das Betriebsratsmitglied sein Amt nicht ausüben. Der Arbeitgeber hätte zumindest kurzfristig sein Ziel erreicht, den Betriebsrat an der ungestörten Amtsausübung zu hindern. Je nach Fallgestaltung bestünde die Gefahr, dass der Betriebsrat der Belegschaft „entfremdet“ wird. Um das zu verhindern, muss schon die Betriebsverfassungswidrigkeit der Maßnahme in dem Moment eine Auswir325 326 327 328

s. o. zur Einstellung S. 62. s. o. S. 90 ff. Vgl. Wiebauer, Mitbestimmung, Rn 308. s. o. S. 35 f.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

kung haben, in dem die Versetzung vorgenommen wird. Der Zweck der Norm erfordert daher, dass sich die fehlende Zustimmung auf die individualrechtliche Ebene durchschlägt.329 Daher ist die Versetzungsweisung (einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung)330 unwirksam. Kommt es dennoch zur Zuweisung des Arbeitsplatzes (Realakt), kann der Arbeitnehmer die Leistung verweigern.331 Eine betriebsverfassungswidrig durchgeführte Versetzung ist nicht nach billigem Ermessen i. S. d. §§ 315 BGB, 106 GewO erfolgt. Macht der Arbeitnehmer von dem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, kann ihm deswegen nicht gekündigt werden und er behält nach § 615 S. 1 BGB seinen Lohnanspruch.332 2. Rechte des Betriebsrats Im Gegensatz zu § 99 ff BetrVG sind ausdrücklich keine Rechte des Betriebsrats vorgesehen, falls der Arbeitgeber zustimmungswidrig ein Betriebsratsmitglied versetzt. Allerdings soll § 103 Abs. 3 BetrVG gerade über den Schutz des § 99 BetrVG hinausgehen. Die Sanktionen dürfen dann nicht dahinter zurückbleiben.333 Daher ist § 101 BetrVG jedenfalls dann analog anzuwenden, wenn der Betriebsrat aus Gründen des § 99 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung verweigert. Aber auch darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Arbeitgeber mit einer unwirksamen Versetzung den Betriebsrat an der Amtsausübung hindern kann. Könnte der Betriebsrat hier nicht aus eigenem Recht vorgehen, wäre die Effektivität des Zustimmungserfordernisses in gleicher Weise gefährdet wie bei § 99 BetrVG.334 Der Betriebsrat kann daher gegen mitbestimmungswidrige Versetzungen im Rahmen des § 103 Abs. 3 BetrVG nach § 101 BetrVG analog vorgehen.

C. Ergebnis Mitbestimmung nach § 103 BetrVG Der Betriebsrat muss gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zustimmen. Der Arbeitgeber kann beim 329

Vgl. Wiebauer, Mitbestimmung, Rn 309. s. o. S. 54 f. 331 So im Ergebnis auch die hM, die allerdings zum großen Teil auch im Rahmen des § 99 BetrVG ein Durchschlagen der Betriebsverfassungswidrigkeit annimmt: LAG Berlin vom 22.12.2004 – Az. 9 TaBV 2175/04 Rn 32 (juris); Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde-Bachner, § 103 Rn 77; KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 179; Ascheid/Preis/SchmidtLinck, § 103 BetrVG Rn 43d; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 93; Hess/SchlochauerSchlochhauer, § 103 Rn 32. 332 Vgl. ErfKom-Preis, § 611 BGB Rn 690. 333 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 93. 334 LAG Berlin vom 22.12.2004 – Az. 9 TaBV 2175/04 Rn 30 ff (juris); GKBetrVG-Raab, § 103 Rn 50; so auch Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43d; a. A. wohl Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 86 (einstweilige Verfügung); Hess/Schlochauer-Schlochhauer, § 103 Rn 32. 330

§ 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG

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Arbeitsgericht einen Antrag auf Zustimmungsersetzung stellen, wenn der Betriebsrat die Zustimmung nicht erteilt (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Ohne Zustimmung oder deren Ersetzung ist eine dennoch ausgesprochene Kündigung unwirksam. Gemäß § 103 Abs. 3 S. 1 BetrVG bedarf auch die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrats. Die Norm ist v. a. bei Versetzungen kraft Direktionsrechts relevant. Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist die Versetzungsweisung unwirksam und der Arbeitnehmer muss ihr nicht nachkommen.

§ 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG A. Anwendungsbereich des § 104 BetrVG § 104 BetrVG gibt dem Betriebsrat (oder einem dazu ermächtigten Ausschuss nach §§ 27, 28 BetrVG) die Möglichkeit, eine Versetzung oder gar Entlassung eines Arbeitnehmers zu erreichen. Die Norm ist eine Ergänzung zu § 75 Abs. 1335 und § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG.336 Letzterer soll eine Störung von vornherein verhindern, § 104 BetrVG deren Wiederholung.337 Stört ein Arbeitnehmer durch gesetzeswidriges Verhalten oder durch die grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Grundsätze den Betriebsfrieden, kann der Betriebsrat nach § 104 S. 1 BetrVG verlangen, dass der Arbeitnehmer versetzt oder entlassen wird. Hierfür ist ein Beschluss des Betriebsrats nach § 33 BetrVG nötig.338 Eine zusätzliche Beteiligung des Betriebsrats zu der von ihm geforderten Maßnahme nach §§ 99, 102, 103 BetrVG ist nicht erforderlich. Im Falle der Versetzung gilt das allerdings nur, sofern der Arbeitgeber den konkreten Vorschlag des Betriebsrats umsetzt.339 Entlassung meint dabei die Unterbindung jeder Art der Beschäftigung im Betrieb, d.h. insbesondere die Kündigung.340 Der Betriebsrat kann die Entlassung dann fordern, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers eine Kündigung rechtfertigt. Reicht eine Versetzung zur Erreichung des gewünschten Ziels aus, kann der Betriebsrat aber nur diese als milderes Mittel verlangen.341 Das gilt unabhängig davon, ob die Versetzung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist oder eine Änderungskündigung auszusprechen ist.342 335 336

Grundsätze für die Behandlung von Betriebsangehörigen. Störung durch den von der personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitneh-

mer. 337 338 339 340 341 342

Fitting, § 104 Rn 3; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 2. ErfKom-Kania, § 104 BetrVG Rn 4. Fitting, § 104 Rn 9; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 17. Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 17. GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 11. Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 20.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

Das Verlangen des Betriebsrats an sich begründet keinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber.343 Ein Anspruch besteht nur, wenn das Verlangen berechtigt ist. Unabhängig von den konkreten Voraussetzungen ist das nur der Fall, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers die verlangte Maßnahme rechtfertigt, d.h. wenn im Falle des Entlassungsverlangens ein Kündigungsgrund vorliegt.344 Andernfalls würde das Gesetz dem Betriebsrat Rechte einräumen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber nicht umsetzen kann. Die Möglichkeit der in § 104 S. 3 BetrVG vorgesehenen Zwangsgeldanordnung zeigt aber gerade, dass es dem Arbeitgeber möglich sein muss zu handeln.345 Ist das Verlangen des Betriebsrats unberechtigt, muss sich der Arbeitgeber vor den betreffenden Arbeitnehmer stellen und darf dem Verlangen nicht nachkommen.346

B. Mitbestimmungssicherungsverfahren Handelt der Arbeitgeber jedoch nicht entsprechend dem berechtigten Verlangen des Betriebsrats, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber die entsprechende Maßnahme aufzugeben (Mitbestimmungssicherungsverfahren, § 104 S. 2 BetrVG). In diesem Beschlussverfahren ermittelt das Gericht von Amts wegen. Der Betriebsrat muss aber den Sachverhalt darlegen.347 Weigert sich der Arbeitgeber trotz rechtskräftiger Entscheidung, die Maßnahme durchzuführen, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht ein Zwangsgeld festsetzen lassen (§ 104 S. 3 BetrVG).

C. Individualrechtliche Folgen Weder das Verlangen des Betriebsrats an sich noch eine (rechtskräftige) Entscheidung des Arbeitsgerichts haben unmittelbare Auswirkungen auf das Individualrechtsverhältnis. Es bedarf stets der Umsetzung der Maßnahme durch den Arbeitgeber.348

343

Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15. Es wird formuliert „§ 104 BetrVG schafft keinen neuen Kündigungsgrund, sondern setzt einen voraus.“: Fitting, § 104 Rn 10; ErfKom-Kania, § 104 BetrVG Rn 4; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 6, 8; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 23; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 13. 345 Vgl. auch LAG Hamm vom 23.10.2009 – Az. 10 TaBV 39/09. 346 ErfKom-Kania, § 104 BetrVG Rn 4; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 11; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 23; Fitting, § 104 Rn 10. 347 Fitting, § 104 Rn 14; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 31. 348 Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 12 f. 344

§ 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG

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I. Entlassung Da das Verlangen des Betriebsrats nur auf Entlassung gerichtet sein kann, ist der Arbeitgeber nicht zur Kündigung verpflichtet. Er kann auch einen Aufhebungsvertrag schließen oder den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb versetzen.349 Im Regelfall wird ihm aber nur die Kündigung bleiben.350 Nur wenn er einen freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb zur Verfügung hat, ist eine Versetzung im Sinne des ultima-ratio-Prinzips der Kündigung vorzuziehen.351 Ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anzuwenden (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG), kann der Arbeitgeber „grundlos“ kündigen, so dass hier i.d.R. keine Probleme auftreten. Andernfalls stellt sich die Frage, auf welche Kündigungsgründe sich der Arbeitgeber stützen kann. 1. Sachverhalt, auf welchem das Verlangen des Betriebsrats beruht Zunächst kommt der Sachverhalt als Kündigungsgrund in Betracht, auf den der Betriebsrat sein Verlangen zur Entlassung stützt. Dieser muss in jedem Fall einen Kündigungsgrund rechtfertigen.352 2. Anspruch des Betriebsrats auf Entlassung a) Unberechtigtes Verlangen Daneben könnte das Verlangen des Betriebsrats einen (betriebsbedingten) Kündigungsgrund darstellen. Das kann aber in keinem Fall für ein unberechtigtes Verlangen gelten. Andernfalls stünde das Arbeitsverhältnis zur Disposition des Betriebsrats. Ein solcher Fall ist dem Betriebsverfassungsgesetz aber fremd. Er ist weder mit der Stellung des Betriebsrats als Repräsentant der Belegschaft353 noch mit den Rechten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbar. Denkbar ist lediglich, dass auch ein unberechtigtes Verlangen des Betriebsrats im Einzelfall einen solchen Druck auf den Arbeitgeber ausüben kann, dass es diesem nach den Grundsätzen der Druckkündigung möglich ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden.354 349 Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 32; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 13; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15. 350 Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15. 351 GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 13; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15. 352 s. o. S. 111. 353 Vgl. Richardi-Richardi, Einl Rn 84, 101. 354 Mangels Relevanz für das zu bearbeitende Thema kann eine Entscheidung dahinstehen; bejahend Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 32; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15; vgl. auch BAG AP § 626 BGB Nr. 10 und Nr. 12, die sich aber nur mit Druck aus der Belegschaft befassen.

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

b) Berechtigtes Verlangen und gerichtliche Entscheidung Wenn pauschal behauptet wird, „§ 104 schafft keinen neuen Kündigungsgrund, sondern setzt einen voraus“ 355, ist das nur im Ansatz richtig. § 104 BetrVG setzt in jedem Fall einen Kündigungsgrund voraus. Welche Auswirkungen ein berechtigtes Verlangen des Betriebsrats aber darüber hinaus hat, ist gesondert zu untersuchen. Ist das Verlangen des Betriebsrats berechtigt, hat er einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Maßnahme durchführt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer entlassen. Diese Entlassung dient v.a. dem Betriebsfrieden, den § 104 BetrVG als Ergänzung zu § 75 Abs. 1 und § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG stärken soll.356 Darüber hinaus kann der Betriebsrat diesen Anspruch gerichtlich durchsetzen und im Falle der weiteren Untätigkeit des Arbeitgebers Zwangsgeld anordnen lassen (§ 104 S. 2, 3 BetrVG). Hier wird eine Parallele zur mitbestimmungswidrigen Einstellung deutlich, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 BetrVG verweigert hat. In diesen Fällen liegt ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot vor. Hat das Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig abgelehnt, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen.357 Ist das Verlangen des Betriebsrats nach § 104 S. 1 BetrVG für bereits eingetretene Störungen aber das Gegenstück zu § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG, der die Störung von Anfang an verhindern will, liegt auch im Fall des § 104 BetrVG ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot vor. Mit einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG steht fest, der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer auf Dauer nicht mehr (auf dem aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz) beschäftigen. Ihm wird die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. Fraglich ist, ob das berechtigte Verlangen und/oder die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit, die mit der gerichtlichen Entscheidung eintritt, Kündigungsgründe sind. § 104 BetrVG zeigt, dass die betrieblichen Interessen bei einem berechtigten Verlangen des Betriebsrats den Interessen des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz vorgehen. Allerdings ist die hohe Bedeutung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Ihm wird damit ggf. seine Existenzgrundlage entzogen. Stellt man lediglich auf das berechtigte Verlangen des Betriebsrats ab, herrscht Rechtsunsicherheit. Zwar haben sowohl der Betriebsrat als auch der Arbeitgeber

355 Fitting, § 104 Rn 10; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 23; GKBetrVG-Raab, § 104 Rn 13; vgl. auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 8. 356 Vgl. Fitting, § 104 Rn 3. 357 s. o. S. 72 ff.

§ 5 Mitbestimmung nach § 104 BetrVG

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das Verlangen des Betriebsrats zu prüfen. Kündigt der Arbeitgeber aber aufgrund des aus seiner Sicht berechtigten Verlangens, wird darüber letztlich ohnehin in einem Prozess (Kündigungsschutzklage) entschieden werden. Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer ist es für einen Kündigungsgrund, der letztlich aus dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat resultiert, erforderlich, dass absolute Gewissheit darüber herrscht, ob ein solcher tatsächlich vorliegt. Eine Kündigung ist daher nur dann zuzulassen, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn der Betriebsrat zu erkennen gibt, dass er seine Rechte mit § 104 BetrVG gerichtlich durchsetzen will und das Gericht den Anspruch des Betriebsrats rechtskräftig bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt steht fest, der Arbeitnehmer darf nicht mehr beschäftigt werden. Damit tritt auch hier rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung ein. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, muss er in der Lage sein, ihm zu kündigen. Daher folgt aus der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG auf Entlassung des Arbeitnehmers ein betriebsbedingter Kündigungsgrund.358 Die Behauptung „§ 104 schafft keinen Kündigungsgrund, sondern setzt einen voraus“ 359, ist daher nur insofern richtig, als dass das Verhalten des Arbeitnehmers eine Kündigung rechtfertigen muss. Besteht aber der Anspruch des Betriebsrats nach § 104 S. 1 BetrVG und wird er gerichtlich bestätigt, liegt daneben auch ein betrieblicher Kündigungsgrund vor, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Dauer nicht beschäftigen kann. Das bestätigt auch ein Vergleich mit den Fällen des § 99 BetrVG und der Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Bei § 99 BetrVG reicht die bloße Mitbestimmungswidrigkeit nicht aus. Voraussetzung ist vielmehr die rechtliche Unmöglichkeit, die erst mit der für den Arbeitgeber negativen rechtskräftigen Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren vorliegt. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit einen betriebsbedingten Kündigungsgrund darstellt. Sie steht aber erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG fest. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob die Kündigung auch wirksam ist. In Betracht kommt beispielsweise ein Verstoß gegen ein Kündigungsverbot (Bsp. § 9 MuSchG), welches die Kündigung auch bei Vorliegen eines betrieblichen Kündigungsgrunds unwirksam macht.

358

So auch Richardi-Thüsing, § 104 Rn 15, 17; MüHB-ArbR-Matthes, § 267 Rn 22. So Fitting, § 104 Rn 10; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 104 BetrVG Rn 23; GKBetrVG-Raab, § 104 Rn 13; vgl. auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 8. 359

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

3. Zwischenergebnis Macht der Betriebsrat berechtigterweise die Entlassung des Arbeitnehmers geltend, muss der Arbeitgeber dem Verlangen nachkommen. Ein Kündigungsgrund liegt zunächst in dem Sachverhalt, der das Verlangen des Betriebsrats rechtfertigt. Weiterhin stellt aber auch die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit einen eigenen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar. Sie folgt aus der rechtlichen Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers, die mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG eintritt. II. Versetzung Hat das Arbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer versetzen muss, muss der Arbeitgeber den Anspruch des Betriebsrats erfüllen. Mit Rechtskraft der Entscheidung wird ihm die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem früheren Arbeitsplatz rechtlich unmöglich.360 Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts, muss die Versetzung billigem Ermessen entsprechen (§§ 315 BGB, 106 GewO). Das kann der Arbeitnehmer im Individualprozess überprüfen lassen. Bietet der Arbeitsvertrag dafür keine Grundlage, muss der Arbeitgeber einen Änderungsvertrag abschließen oder eine Änderungskündigung aussprechen. Erhebt der Arbeitnehmer in letzterem Fall eine Änderungsschutzklage, kann sich der Arbeitgeber sowohl auf den Sachverhalt, der zu dem Verlangen des Betriebsrats geführt hat, als auch auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit berufen.361

D. Ergebnis Mitbestimmung nach § 104 BetrVG Stört ein Arbeitnehmer durch gesetzeswidriges Verhalten oder durch die grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Grundsätze den Betriebsfrieden, kann der Betriebsrat nach § 104 S. 1 BetrVG verlangen, dass der Arbeitnehmer versetzt oder entlassen wird. Ein Anspruch des Betriebsrats besteht nur bei einem berechtigten Verlangen. Auf das Individualrechtsverhältnis hat das Verlangen des Betriebsrats keine Auswirkungen. Es bedarf vielmehr der Umsetzung durch den Arbeitgeber. Will er beispielsweise dem Arbeitnehmer kündigen, bedarf es ggf. eines Kündigungsgrunds (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG). Dabei kann sich der Arbeitgeber auf den Sachverhalt stützen, den der Betriebsrat vorbringt. Außerdem kommt als Kündigungsgrund eine rechtskräftige Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG in Betracht, die dem Arbeitgeber die Versetzung oder Entlassung aufgibt und die Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich macht. 360 361

s. o. S. 114 f zur Entlassung. s. o. S. 113 ff.

§ 6 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 1

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§ 6 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 1 Im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen hat der Betriebsrat unterschiedliche Mitbestimmungsrechte. Nach § 99 Abs. 1 BetrVG muss er vor einer Versetzung, Einstellung und Ein- und Umgruppierung zustimmen. Auch im Fall der außerordentlichen Kündigung und Versetzung eines Betriebsratsmitglieds besteht gemäß § 103 Abs. 1 bzw. Abs. 3 S. 1 BetrVG ein Zustimmungserfordernis. Gemäß § 104 S. 1 BetrVG kann der Betriebsrat ausnahmsweise auch selbst die Versetzung oder Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen. 1. Im Rahmen des § 99 BetrVG ist zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen und der individualvertraglichen Ebene zu trennen. Die fehlende Zustimmung führt zwar zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot, hat aber keinerlei Auswirkung auf die individualvertragliche Grundlage. Gleiches gilt im Grundsatz hinsichtlich der tatsächlichen Maßnahme, der Zuweisung des Arbeitsplatzes bei Einstellung und Versetzung. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf dem ihm zugewiesenen Arbeitspatz zu arbeiten, der Arbeitgeber muss ihn beschäftigen. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht nicht. 2. Hat das Arbeitsgericht den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers rechtskräftig abgelehnt, wird dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. Der Arbeitnehmer behält seinen Lohnanspruch nach § 615 S. 3 BGB entsprechend den (neuen) Arbeitsbedingungen. Aufgrund der Unmöglichkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, so dass eine Kündigung denkbar ist. Das gilt auch dann, wenn § 1 KSchG Anwendung findet. 3. Der Arbeitnehmer hat im Fall der Versetzung einen Wiederherstellungsanspruch gegen den Arbeitgeber, der darauf abzielt, die Vertragsgrundlage derart zu ändern, dass der Arbeitnehmer wieder nach den früheren Bedingungen arbeiten kann. 4. Bei einer Ein- und Umgruppierung hat die fehlende Zustimmung keinerlei Auswirkungen auf das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Der Arbeitnehmer hat stets einen Anspruch darauf nach der „richtigen“ Vergütungsgruppe entlohnt zu werden. 5. Liegt eine nach § 103 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung oder Versetzung eines Betriebsratsmitglieds nicht vor und wurde sie auch nicht ersetzt, ist die Kündigung bzw. die Versetzungsweisung unwirksam. 6. Ein Anspruch des Betriebsrats auf eine Versetzung oder Entlassung des Arbeitnehmers nach § 104 S. 1 BetrVG besteht nur bei einem berechtigten Verlangen. Auf das Arbeitsverhältnis hat das Verlangen keinen direkten Einfluss, sondern muss vom Arbeitgeber umgesetzt werden. Ist für die Umsetzung ein

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Teil 1: Arbeitsrechtliche Grundlagen

Kündigungsgrund erforderlich (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG), kann sich der Arbeitgeber zum einen auf den Sachverhalt stützen, den der Betriebsrat vorbringt. Zum anderen kommt als Kündigungsgrund die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit in Betracht. Sie beruht auf der rechtlichen Unmöglichkeit aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG, die dem Arbeitgeber die Versetzung oder Entlassung aufgibt.

Teil 2

Verfahrensrechtliche Grundlagen § 7 Arbeitsgerichtliches Urteils- und Beschlussverfahren Die Untersuchung von Entscheidungsbindungswirkungen im Umfeld personeller Einzelmaßnahmen muss sowohl das Urteils- als auch das Beschlussverfahren in den Blick nehmen. Streiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise darüber, ob die Versetzung billigem Ermessen entspricht (§§ 315 BGB, 106 GewO) oder der Arbeitnehmer nach der richtigen Vergütungsgruppe bezahlt wird, handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer Änderungsschutzklage erhebt. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a, b ArbGG ist damit das Urteilsverfahren die richtige Verfahrensart. Beantragt der Arbeitgeber dagegen Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme oder will der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Aufhebung einer solchen Maßnahme aufgeben oder Zwangsgeld festsetzen lassen, liegt eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz vor. Nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG ist damit das Arbeitsgericht im Rahmen des Beschlussverfahrens zu befassen. Beide Verfahrensarten schließen sich gegenseitig aus.1

A. Unterschiede Zwischen dem arbeitsgerichtlichen Urteils- und dem Beschlussverfahren bestehen einige wichtige terminologische sowie strukturelle Unterschiede. Die folgende Darstellung soll nur die offensichtlichen und die für die weitere Bearbeitung wesentlichen Unterschiede aufzeigen und ist nicht abschließend. I. Zulässigkeit und Verfahrenseinleitung Während das Urteilsverfahren mit einer Klage eingeleitet wird (§ 253 ZPO), ist es im Beschlussverfahren ein Antrag (§ 81 ArbGG). Um Popularklagen zu vermeiden, ist die Zulässigkeit einer Klage an die Prozessführungsbefugnis gebunden. Sie liegt (von Ausnahmen der Prozessstand1

Schwab/Weth, § 80 Rn 9.

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

schaft abgesehen) vor, wenn der Kläger ein eigenes Recht im eigenen Namen geltend macht.2 Ob dem Kläger dieses Recht tatsächlich zusteht, ist eine Frage der Begründetheit.3 Im Beschlussverfahren dient die Antragsbefugnis der Vermeidung von Popularklagen.4 Macht der Antragsteller seine Rechte geltend, will etwa der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte durchsetzen, bedarf es keiner besonderen Prüfung der Antragsbefugnis.5 Insoweit besteht kein Unterschied zum Urteilsverfahren. Allerdings sind die Streitgegenstände im Beschlussverfahren vielschichtiger und es sind mehrere Beteiligte möglich. Es geht nicht zwingend um die Durchsetzung eigener Rechte. Daher muss sich die Antragsbefugnis von der Prozessführungsbefugnis unterscheiden. Die Antragsbefugnis liegt vor, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden kann.6 Es reicht daher nicht aus, dass der Antragsteller behauptet, ihm stehe irgendein Recht zu. Entscheidend ist, ob die dem Streitgegenstand zuzuordnende Norm dem Antragsteller eine eigene Rechtsposition einräumt.7 II. Verfahrenssubjekte Die Verfahrenssubjekte im Urteilsverfahren werden als Parteien bezeichnet, die ihre Stellung im Verfahren durch einen besonderen Akt, nämlich die Klage erwerben. Weiterhin kann durch Nebenintervention oder Streitverkündung ein Dritter in den Prozess einbezogen werden, der auf der Seite einer der Parteien steht. Er wird ebenfalls durch einen besonderen Akt, den Beitritt (§ 70 ZPO), am Verfahren beteiligt. Dieser Parteienprozess ist darauf ausgerichtet, dass sich zwei gleichgeordnete Subjekte gegenüberstehen. Das ist im Beschlussverfahren anders. Dort sind in den Rechtsstreitigkeiten häufig mehrere Subjekte involviert. Auch von Gleichordnung kann nicht die Rede sein, da häufig um kollektive Interessen gestritten wird oder diese tangiert sind. Daher gibt es keine Parteien, sondern nur Beteiligte. Diese Stellung wird zum einen ebenfalls durch einen Akt erreicht, etwa indem der Antragsteller ei2 BeckOK-ZPO-Hübsch, § 51 Rn 34; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 Rn 5; Musielak-Weth, § 51 Rn 14 ff. 3 BeckOK-ZPO-Hübsch, § 51 Rn 35; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 46 Rn 3. 4 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 21; MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 18; ErfKomKoch, § 81 ArbGG Rn 10; Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 56; Schwab/Weth, § 81 Rn 50; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 557. 5 BAG NZA 1987, 355; AP § 2a ArbGG 1979 Nr. 4 Bl. 600R (II.2.); GermelmannMatthes/Spinner, § 81 Rn 56. 6 Vgl. BAG NZA 1989, 229 f; Körnich, Beschlußverfahren, S. 51 ff; Schwab/Weth, § 81 Rn 49 ff, 54. 7 ErfKom-Koch, § 81 ArbGG Rn 10; Schwab/Weth, § 81 Rn 61; vgl. auch BAG NZA 1988, 27, 29; MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 18 f.

§ 7 Arbeitsgerichtliches Urteils- und Beschlussverfahren

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nen Antrag stellt oder das Gericht weitere Subjekte zu einem Verfahren hinzuzieht. Hier wird von formell Beteiligten gesprochen.8 Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält keine ausdrücklichen Regelungen, wer Beteiligter am Beschlussverfahren ist. § 10 ArbGG regelt nur die Beteiligtenfähigkeit, d.h. wer überhaupt die Fähigkeit hat, Beteiligter zu sein. Wer aber am konkreten Verfahren im Einzelnen zu beteiligen ist, ergibt sich daraus nicht.9 § 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG besagt, dass die Beteiligten an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken haben. Der Beteiligtenbegriff wird vom Gesetz vorausgesetzt, aber nicht definiert. Weiterhin geht das Gesetz von einer Unterscheidung zwischen Antragsteller und übrigen Beteiligten aus (vgl. §§ 81 Abs. 3, 83 Abs. 3, 87 Abs. 2, 92 Abs. 2 S. 3, 96 Abs. 1 ArbGG). § 83 Abs. 3 ArbGG nennt Personengruppen, die in dem Verfahren „zu hören“ sind. Das Gesetz unterscheidet damit in § 83 ArbGG zwischen den „am Verfahren Beteiligten“ (Abs. 1) und den Personengruppen, die „zu hören“ sind, da sie „im einzelnen Fall beteiligt“ sind (Abs. 3). Unter welchen Voraussetzungen es aber tatsächlich zu einer Beteiligung kommt oder wann jemand am Verfahren zu beteiligen ist, lässt sich der Norm nicht entnehmen.10 Fehlen explizite gesetzliche Anordnungen zur Beteiligung, ist nach materiellem Recht zu entscheiden, ob ein Subjekt zum Verfahren hinzuzuziehen ist. Das ist immer dann der Fall, wenn es vom Verfahrensgegenstand unmittelbar betroffen ist.11 Diese sog. materiell Beteiligten werden auch dann als solche bezeichnet, wenn sie im konkreten Verfahren (fehlerhafterweise) tatsächlich nicht einbezogen werden. Daher kann eine fehlerhafte Beteiligung oder Nichtbeteiligung des Gerichtes dazu führen, dass ein materiell Nichtbeteiligungsbefugter formell beteiligt wird12 und einem materiell Beteiligten die formelle Beteiligung vorenthalten wird.13

8 Für eine Unterscheidung zwischen Antragsgegner und Antragsteller auf der einen und den übrigen Beteiligten auf der anderen Seite: Grunsky, ArbGG, § 83 Rn 9 ff; ders., Anm. zu BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 733R f (2.); Schwab/Weth, § 83 Rn 41 ff; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 587 ff; differenzierend Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 31 ff, 126 ff; vgl. auch GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 34 ff; abl. und nur zwischen Antragsteller und übrigen Beteiligten unterscheidend: MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 13; ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 6; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 14 ff; vgl. auch BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 21. 9 Vgl. Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 26; Weth, Beschlußverfahren, S. 89. 10 So im Ergebnis auch BAG AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 43 Bl. 1425 (II.); Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 8 ff; BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 12. 11 Ob dafür eine betriebsverfassungsrechtliche Betroffenheit erforderlich ist, soll an dieser Stelle nicht entschieden werden, s. dazu ausführlich S. 254 ff. 12 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 20. 13 Vgl. Weth, Beschlußverfahren, S. 217 ff; Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 85 f.

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

III. Verhandlung und Beweisaufnahme Wichtigster Unterschied beider Verfahrensarten ist die Verantwortung für die Sachverhaltsaufklärung. Im Urteilsverfahren gilt der Beibringungsgrundsatz, d. h. die Parteien tragen dem Gericht eine Tatsachengrundlage vor und müssen diese beweisen. Das Gericht entscheidet allein auf dieser Grundlage.14 Allerdings bestehen auch Hinweispflichten des Gerichts (vgl. § 139 ZPO),15 die den Parteien vermeidbare Nachteile ersparen sollen.16 Dagegen herrscht im Beschlussverfahren der Untersuchungsgrundsatz.17 Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Natürlich haben auch in diesem Fall die Beteiligten an der Aufklärung mitzuwirken (§ 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG).18 Allerdings ist das Gericht nicht an deren Vortrag und Beweisangebot gebunden.19 Daher sind § 138 Abs. 3 und § 288 ZPO nicht anzuwenden.20 Außerdem ist das Gericht im Beschlussverfahren im Gegensatz zum Urteilsverfahren an Geständnisse nicht gebunden und auch, wenn ein Beteiligter ausbleibt, gilt der Vortrag der anderen nicht nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden.21 IV. Entscheidung Entsprechend der Bezeichnung ergeht die Entscheidung im Urteilsverfahren hauptsächlich durch ein Urteil (§ 60 ArbGG) und im Beschlussverfahren durch einen Beschluss (§ 84 ArbGG). Die Terminologie soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch ein Urteilsverfahren mit einem Beschluss enden kann, z. B. der Kostenbeschluss im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung nach § 91a ZPO i.V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG.22 Auch die Entscheidung 14 BeckOK-ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn 24; ErfKom-Koch, § 46 ArbGG Rn 5; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 420; vgl. auch Germelmann-Germelmann, § 46 Rn 36, der von einer Verknüpfung von „Mündlichkeitsgrundsatz“ und „Verhandlungsgrundsatz“ spricht. 15 Germelmann-Germelmann, § 46 Rn 42; ErfKom-Koch, § 46 ArbGG Rn 5. 16 Vgl. MüKo-ZPO-Wagner, § 139 Rn 1. 17 Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 82; BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 1; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 706; für einen „eingeschränkten Untersuchungsgrundsatz“: GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 123 sowie MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 25 und Schwab/Weth, § 83 Rn 4; krit. zum Begriff „Untersuchungsgrundsatz“ Weth, Beschlußverfahren, S. 261 ff. 18 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 123 ff; vgl. BAG AP § 20 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 144 (III.3.a.) mit krit., aber im Ergebnis zust. Anm. Dütz, Bl. 177R ff (III.2.), insbes. Bl.179R (III.3.c.); BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 3; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 706; zu Einzelheiten Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 86 ff. 19 Schwab/Weth, § 83 Rn 8. 20 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 148; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 92; BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 7. 21 Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 92. 22 Vgl. Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 285.

§ 7 Arbeitsgerichtliches Urteils- und Beschlussverfahren

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über eine im Urteilsverfahren mögliche Beschwerde (§ 78 ArbGG)23 ergeht durch Beschluss § 572 Abs. 4 ZPO i.V. m. § 78 ArbGG. V. Kosten Erhebliche Unterschiede bestehen auch hinsichtlich der Kosten. Im Urteilsverfahren werden die Gerichtskosten den Parteien per Kostenentscheidung von Amts wegen auferlegt (§ 19 GKG i.V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 4 GKG). Im Beschlussverfahren werden dagegen gemäß § 2 Abs. 2 GKG keine Gerichtskosten erhoben. Auch eine Kostenentscheidung unterbleibt.24 VI. Rechtsbehelfe In beiden Verfahrensarten sind grundsätzlich Rechtsmittel möglich. Im Urteilsverfahren gibt es in zweiter Instanz die Berufung (§§ 64 ff ArbGG) und in dritter Instanz die Revision (§§ 72 ff ArbGG), im Beschlussverfahren die Beschwerde (§ 87 ArbGG) und die Rechtsbeschwerde (§ 92 ArbGG).

B. Gemeinsamkeiten I. Dispositionsmaxime Obwohl Beibringungsgrundsatz und Untersuchungsgrundsatz sehr verschieden sind, gilt in beiden Verfahrensarten die Dispositionsmaxime.25 Der Kläger oder Antragsteller leitet das Verfahren durch eine Klage- bzw. Antragsschrift ein. In erster Instanz kann der Antrag jederzeit zurückgenommen werden (§ 81 Abs. 2 S. 1 ArbGG)26, die Klage ohne Einwilligung des Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung (§ 269 BGB). Außerdem sind Änderungen des Verfahrensgegenstandes möglich. Eine Antrags- oder Klageänderung nach Rechtshängigkeit kann vorgenommen werden, wenn die Beteiligten bzw. der Beklagte zustimmen oder Sachdienlichkeit vorliegt (§ 81 Abs. 3 ArbGG bzw. § 264 ZPO).

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Vgl. Germelmann-Müller-Glöge, § 78 Rn 1. BAG NZA 1999, 1235; Schwab/Weth, § 80 Rn 8 m.w. N. 25 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 118; Germelmann-Prütting, Einl Rn 212; zum Urteilsverfahren: BeckOK-ArbR-Hamacher, § 46 ArbGG Rn 26; MüHB-ArbR-Jacobs, § 343 Rn 2; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 419; zum Beschlussverfahren: Grunsky, ArbGG, § 80 Rn 24; Weth, Beschlußverfahren, S. 233; Wieser, Arbeitsgerichtsverfahren, Rn 702. 26 Vgl. Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 73. 24

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

II. Normen der Zivilprozessordnung Durch eine eigentümliche Verweisungstechnik des Arbeitsgerichtsgesetzes gelten auch weitere Grundsätze und Normen des Zivilprozesses im arbeitsgerichtlichen Urteils- und Beschlussverfahren. § 80 ArbGG verweist auf die Normen des Urteilsverfahren, soweit in den §§ 80 ff ArbGG keine Sonderbestimmungen enthalten sind. Die im Urteilsverfahren geltende Norm § 46 ArbGG verweist ihrerseits auf die Normen der Zivilprozessordnung über das amtsgerichtliche Verfahren (§§ 495 ff ZPO). § 495 ZPO wiederum erklärt die Vorschriften des landgerichtlichen Verfahrens (§§ 253 ff ZPO) für anwendbar. Das Urteilsverfahren (§ 2 ArbGG) ist ein echter Zivilprozess, so dass das erste Buch der Zivilprozessordnung (§§ 1–252 ZPO) auch ohne besondere Verweisung gilt.27 Damit gelten sowohl im arbeitsgerichtlichen Urteils- als auch im Beschlussverfahren viele Normen der Zivilprozessordnung. Problematisch ist, dass nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 2 ArbGG nur einige der in § 46 Abs. 2 ArbGG aufgezählten Vorschriften im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gelten sollen.28 Danach bestünden allerdings erhebliche Lücken.29 Beispielsweise wäre nicht klar, wie im Falle sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit zu entscheiden ist. Mit Ausnahme von § 97 Abs. 5 ArbGG für die Entscheidung zu Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit gäbe es keine Regelung zur Aussetzung des Verfahrens, wie sie § 148 ZPO vorsieht. Auch die Einzelheiten zum Antrag, der nach § 81 Abs. 1 ArbGG das Verfahren einleitet, wären nicht geregelt. Eine Entscheidungsberichtigung nach § 320 ZPO wäre nicht möglich. Damit muss entschieden werden, wie diese Lücken zu schließen sind. Denkbar wäre die Anwendbarkeit anderer Verfahrensordnungen, soweit sie im Einzelfall passend erscheinen. Allerdings verweisen §§ 80 Abs. 2, 83 Abs. 5 und 84 ArbGG auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren und damit über § 46 Abs. 2 ArbGG weitgehend und in § 85 ArbGG direkt auf die Zivilprozessordnung. Damit kommt zum Ausdruck, dass auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren hauptsächlich gerade diese Verfahrensordnung anwendbar sein soll.30 Dann sind

27

Germelmann-Germelmann, § 46 Rn 4. Nach § 80 Abs. 2 ArbGG gelten die für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges maßgebenden Vorschriften über Prozessfähigkeit, die Prozessvertretung, die Ladungen, die Termine und Fristen, die Ablehnung und Ausschließung von Gerichtspersonen, die Zustellungen, das persönliche Erscheinen der Parteien, die Öffentlichkeit, die Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, die Vorbereitung der streitigen Verhandlung, die Verhandlung vor der Kammer, die Beweisaufnahme, die gütliche Erledigung des Verfahrens, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Wiederaufnahme des Verfahrens. 29 Vgl. BAG NZA 1997, 337; umfassend Weth, Beschlußverfahren, S. 33 ff. 30 Vgl. GK-ArbGG-Dörner, § 80 Rn 25. 28

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft

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auch die auftretenden Lücken durch Rückgriff auf die Zivilprozessordnung zu schließen. Im Ergebnis sind daher auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren alle Normen der Zivilprozessordnung anwendbar, wenn das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt.31

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft A. Rechtskraft im Zivilprozess Die Untersuchung von Bindungswirkungen von Gerichtsentscheidungen muss sich maßgeblich an der Rechtskraft als „der“ wichtigsten gesetzlich angeordneten Bindungswirkung orientieren. § 322 ZPO enthält Aussagen zur „materiellen Rechtskraft“ und § 325 ZPO beschreibt „subjektive Rechtskraftwirkungen“. Dennoch sind die Aussagen des Gesetzes über die Einzelheiten der Rechtskraft gering und haben Ausformung durch Rechtsprechung und Wissenschaft erfahren. I. Formelle und materielle Rechtskraft Zunächst ist zwischen formeller und materieller Rechtskraft zu unterscheiden. Die formelle Rechtskraft ist in § 705 ZPO geregelt. Dort ist negativ formuliert, dass die Rechtskraft nicht eintritt, bevor Rechtsmittel- oder Einspruchsfristen abgelaufen sind. Formelle Rechtskraft liegt also vor, wenn ein Urteil weder mit Rechtsmitteln noch mit der Gehörsrüge, der Nichtzulassungsbeschwerde oder dem Einspruch angefochten werden kann.32 Die formelle Rechtskraft kennzeichnet demnach den Punkt, ab dem der Rechtsstreit (vorbehaltlich einer Verfassungsbeschwerde und einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) endgültig entschieden ist. Das Urteil kann nicht mehr beseitigt werden.33 Die formelle Rechtskraft ist Voraussetzung für die materielle Rechtskraft.34 Zur materiellen Rechtskraft heißt es in § 322 Abs. 1 ZPO, dass Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig sind, als über den durch die Klage oder durch Widerklage erhobenen Anspruch entschieden wurde.

31 BAG NZA 1997, 337; AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 63 Bl. 167; GK-ArbGG-Dörner, § 80 Rn 25; Grunsky, ArbGG, § 80 Rn 13; MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 6; ErfKomKoch, § 80 ArbGG Rn 2; Germelmann-Matthes/Spinner, § 80 Rn 42; BeckOK-ArbRPoeche, § 80 ArbGG Rn 1; Germelmann-Prütting, Einl Rn 109; a.A Rewolle, AuR 1959, 174, 175 (nur die aufgezählten Normen). 32 Jauernig/Hess, ZPR, § 61 Rn 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 Rn 1. 33 MüKo-ZPO-Krüger, § 705 Rn 17; Musielak-Lackmann, § 705 Rn 6; BeckOKZPO-Ulrici, § 705 Rn 12. 34 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 24; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 1; Musielak-Lackmann, § 705 Rn 1; BeckOK-ZPO-Ulrici, § 705 Rn 12.

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

II. Umfang der materiellen Rechtskraft 1. Objektive Grenzen der Rechtskraft a) Zweck der Rechtskraft Wäre ein Urteil nur der formellen Rechtskraft fähig, wäre zwar dieser eine Streit entschieden, aber die Parteien könnten mit ein und derselben Sache ohne jegliche Änderungen der Tatsachen nochmals vor Gericht ziehen. Die materielle Rechtskraft soll genau das verhindern.35 Sie soll einen kontradiktorischen Parteienstreit beenden und damit Rechtsfrieden und Rechtssicherheit schaffen.36 Mögliche Fehlentscheidungen werden in Kauf genommen und der Bestandskraft und dem Rechtsfrieden Vorrang eingeräumt.37 Indem beliebige Wiederholungen des Streits über denselben Gegenstand (ne bis in idem38) nicht wiederholt werden können, wird auch gleichzeitig das Ansehen und die Funktionsfähigkeit der Gerichte gestärkt.39 Die Rechtskraft beugt sich widersprechenden Entscheidungen vor und verhindert so einen Autoritätsverlust der Gerichte.40 Nur in wenigen Fällen sieht das Gesetz eine Durchbrechung der Rechtskraft vor.41 Die Rechtssicherheit soll nur dann hinter die Einzelfallgerechtigkeit zurücktreten, wenn ein schwerer, unerträglicher Mangel des Urteils vorliegt.42 Nach §§ 578 ff ZPO kann etwa ein Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn es beispielsweise an einem in § 579 ZPO aufgezählten groben Verfahrensfehler leidet oder nach § 580 Nr. 1–5 ZPO durch eine strafbare Handlung beeinflusst worden ist.43 Wurde ein Vollstreckungstitel sittenwidrig erschlichen, kann nach 35 Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 1; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 1; Musielak-Musielak, § 322 Rn 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 Rn 1. 36 BGH NJW 2004, 1805, 1806; NJW-RR 1987, 831, 832; NJW 1985, 1711, 1712; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 27 ff; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 1; BeckOKZPO-Gruber, § 322 Rn 1; Musielak-Musielak, § 322 Rn 1. 37 Hellwig, ZPR, S. 779; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 207; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 1; Otte, Streitentscheidung, S. 18; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 Rn 2. 38 Zur ne bis in idem-Lehre vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 10. 39 BGH NJW 2004, 1806; NJW 1985, 1711, 1712; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 3; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 27 ff. 40 BGH NJW 2004, 1805, 1806; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 4; Hellwig, ZPR, S. 779; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 Rn 1; Schack, NJW 1988, 865, 872; Schwartz, FG Dernburg, S. 311, 334; vgl. auch Braun, Rechtskraft und Restitution, S. 19 (Rechtskraft auch im öffentlichen Interesse); krit. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 27 (Autorität des Staates und Ansehen der Gericht jedenfalls keine Zwecke der Rechtskraft). 41 Dazu Braun, JuS 1986, 364, 370 f. 42 BGH NJW 1993, 3204, 3205; NJW 1987, 3256, 3257 (§ 826 BGB); vgl. auch Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 264; Musielak-Musielak, § 322 Rn 1. 43 Dazu und zu anderen gesetzlich angeordneten Ausnahmen von der Rechtskraft MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 207 ff.

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft

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§ 826 BGB auf Unterlassung der Vollstreckung oder Schadensersatz geklagt werden.44 Um sich widersprechende Entscheidungen vollständig zu vermeiden oder auf Einzelfälle zu reduzieren, wäre eine weite Regelung der Rechtskraft angebracht,45 die sich auch auf die Urteilsgründe46 und tatsächlichen Feststellungen erstreckt.47 Eine solche weite Rechtskraft birgt jedoch die Gefahr, dass Aussagen des Gerichts rechtskräftig und damit im Grundsatz unabänderlich werden, obwohl die Parteien sich einer so weitreichenden Wirkung gar nicht bewusst waren.48 In der Begründung zum Entwurf der Zivilprozessordnung heißt es dazu: „Das Urteil darf nicht weiter gehen als die Absicht der Parteien gegangen ist, und darf nicht Folgen erzeugen, deren sich die Parteien im Laufe des Prozesses gar nicht bewusst geworden sind.“ 49 Darüber hinaus geht auch die Wirkung im Falle von Fehlentscheidungen viel weiter. Mit der Rechtskraft werden diese zwar in Kauf genommen.50 Eine weite Rechtskraftwirkung, die auch Vorfragen und andere Feststellungen in den Urteilsgründen erfasst, führt aber zu einer „Perpetuierung von Unrecht“.51 Außerdem kann sich eine weite Rechtskraft auch als prozessunökonomisch erweisen: Würden auch die Urteilsgründe und präjudiziellen Rechtsverhältnisse unabänderlich feststehen, würden die Parteien den Prozess auch hinsichtlich der Vorfragen sorgfältiger führen.52 Das Verfahren würde länger dauern. Auch die siegreiche Partei könnte beschwert sein, wenn Vorfragen zu ihren Lasten entschieden werden. Sie würde evtl. ein Rechtsmittel einlegen.53 Daher wurde die Rechtskraft beschränkt. b) Grundsatz: Beschränkung auf Streitgegenstand Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch Widerklage erhobenen Anspruch entschie44 BGH NJW 1987, 3256, 3257; Einzelheiten MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 219 ff sowie Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 268 ff. 45 Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 85; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 67. 46 Savigny, Römisches Recht, S. 257 ff, 271 ff; zur Lehre Savignys und für ein weites Rechtskraftverständnis Reischl, Rechtskraft, S. 58 ff, 77 ff, 114 ff, 140. 47 Windscheid, Pandektenrecht, § 130 5b. 48 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 85; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 69. 49 Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 291 (Begründung des Entwurfs); vgl. auch Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 608 (Protokolle Erste Lesung); Unger, Privatrecht, S. 628. 50 s. o. S. 126 f. 51 Dazu ein Beispiel in Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 608 (Protokolle Erste Lesung); Braun, JuS 1986, 364, 368; Otte, Streitentscheidung, S. 26, 58 f. 52 Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 85; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 68, Zeiss/Schreiber, ZPR, Rn 573. 53 Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 608 (Protokolle Erste Lesung); vgl. MüKoZPO-Gottwald, § 322 Rn 85; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 68.

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

den wurde. Mit dem Begriff des „Anspruchs“ meint das Gesetz nicht den materiellen Anspruch i. S. d. § 194 BGB. Vielmehr bezieht es sich auf den Gegenstand des Prozesses, was sich aus anderen Vorschriften ergibt, z. B. §§ 60, 147, 261 ZPO.54 Damit wird die Rechtskraft im Grundsatz auf den Streitgegenstand beschränkt. Er bestimmt sich nach dem vom Kläger gestellten Antrag und dem Tatsachenvortrag (Sachverhalt), sog. zweigliedriger Streitgegenstand.55 Die Grundlage hierfür ist in § 253 Abs. 2 ZPO zu sehen, der für die Klageschrift die Angabe des Gegenstandes, des Grunds des erhobenen Anspruchs und einen Antrag verlangt.56 Der Streitgegenstand ist demnach die aus einem Lebenssachverhalt abgeleitete Rechtsfolgenbehauptung.57 Antrag und Lebenssachverhalt sind dabei gleichwertige Elemente.58 Daraus folgt, dass ein neuer Streitgegenstand vorliegt, wenn der Antrag oder der Sachverhalt geändert wird.59 Die Parteien können daher über den bereits geurteilten Sachverhalt nicht nochmals mit den gleichen Anträgen streiten. Z. B. kann der abgewiesene Kläger seine Klage nicht erneuern. Von dieser Wirkung ist auch das kontradiktorische Gegenteil erfasst. Erreicht der Kläger im ersten Prozess eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung, steht fest, dass der Anspruch besteht. Dann kann der Beklagte nicht in einem weiteren Prozess das Nichtbestehen der Forderung feststellen lassen.60 Eine Klage, der die Rechtskraft entgegensteht, ist bereits unzulässig.61

54 Vgl. NJW 1965, 689, 690; Brox, JuS 1962, 121, 125; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 89 ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 92 Rn 1. 55 HM: BGH NJW-RR 2006, 1118, 1120; NJW 2004, 1252, 1253; NJW 2003, 2317, 2318; NJW 1992, 1172, 1173; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 20; Habscheid, Streitgegenstand, S. 99 ff, 221 f; ders., FS Schwab, S. 181 ff; Musielak-Musielak, Einl Rn 69 ff, 74; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 92 Rn 10; a. A. (eingliedriger Steitgegenstand ausgehend vom Antrag) Schwab, Streitgegenstand, S. 184 ff; ders., FS Lüke, S. 793 ff; vgl. auch Schlosser, ZPR, Rn 420 ff, der am Erkenntniswert des Streits um den Streitgegenstandsbegriff zweifelt; gegen einen „einheitlichen“ und für einen relativen Streitgegenstandsbegriff, der sich je nach Klageart oder Problemkreisen unterscheidet: Baumgärtel, JuS 1974, 69, 72 f; Wieczorek/Schütze-Prütting, Einl Rn 68; ZöllerVollkommer, Einl Rn 82; vgl. auch Zeiss/Schreiber, ZPR, Rn 312 ff; sehr ausfürlich Stein/Jonas-Schumann, 20. Aufl., Einl Rn 283; ausgehend vom „materiellen Recht“ Nikisch, AcP 154 (1955), 269. 56 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 92 Rn 10. 57 Vgl. A. Blomeyer, ZPR, § 37 II; Braun, JuS 1986, 364, 368; Bruns, ZPR, Rn 139c; Habscheid, Streitgegenstand, S. 151 ff; Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 201; Rosenberg, ZPR, § 87 II 2; Zöller-Vollkommer, Einl Rn 63. 58 Musielak-Musielak, Einl Rn 69. 59 HM: BGH NJW-RR 2006, 1118, 1120; NJW 2004, 1252, 1253; NJW 2003, 2317, 2318; NJW 1992, 1172, 1173; Otte, Streitentscheidung, S. 20; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 92 Rn 11; Habscheid, Streitgegenstand, S. 140, 218. 60 BGH NJW 1995, 967, 968; Jauernig/Hess, ZPR, § 62 Rn 1. 61 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 36; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 Rn 10; s. u. S. 149.

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c) Vorfragen und tatsächliche Feststellungen Aus einer Beschränkung auf den Streitgegenstand folgt auch, dass grundsätzlich nur „der Subsumtionsschluss als Ganzes“ 62 in Rechtskraft erwächst, nicht seine einzelnen Teile.63 Rechtskräftig wird nur die Entscheidung über die konkrete Rechtsfolgenbehauptung.64 Das bedeutet, Ausführungen in den Urteilsgründen zu Vorfragen, vorgreiflichen (präjudiziellen) Rechtsverhältnissen oder tatsächlichen Feststellungen nehmen an der Rechtskraftwirkung nicht teil.65 Vorgreifliche (präjudizielle) Rechtsverhältnisse können die Parteien jedoch mit der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO verbindlich klären lassen.66 d) Bestimmung des Rechtskraftumfangs anhand der Urteilsgründe Erwächst nur der Subsumtionsschluss als Ganzes – die Entscheidung über die behauptete Rechtsfolge – in Rechtskraft, bedeutet dies jedoch nicht, dass die Urteilsgründe zur Bestimmung des Rechtskraftumfangs bedeutungslos sind. Sie sind zur Auslegung des Tenors und Bestimmung des Streitgegenstandes heranzuziehen.67 aa) Abweisende Urteile Das ist v. a. bei Entscheidungen relevant, die den Antrag oder die Klage abweisen. Allein die Aussage „die Klage wird abgewiesen“ ist nicht aussagekräftig in Bezug auf eine erneute Klage aufgrund desselben Sachverhalts.68

62 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 71; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1045; Thomas/PutzoReichhold, § 322 Rn 17; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 7; vgl. BeckOKZPO-Gruber, § 322 Rn 27 (Entscheidungssatz). 63 Musielak-Musielak, § 322 Rn 16. 64 BGH NJW 2010, 2210, 2211; NJW-RR 1999, 376, 377; NJW 1995, 967; NJW 1993, 3204, 3205; NJW 1965, 689, 690; Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 204; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 Rn 70; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 17; s. o. S. 127. 65 BGH NJW 2010, 2210, 2211; NJW 1985, 2481, 2482; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 96 ff, 99; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 28; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 80 ff; Musielak-Musielak, § 322 Rn 16 f; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 12 ff; Unger, Privatrecht, S. 625 f; Wetzell, S. 592 ff; vgl. auch Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 291 (Begründung des Entwurfs); Schwartz, FG Dernburg, S. 311, 343. 66 s. u. S. 132. 67 Vgl. BGH NJW 1995, 967, 968; BGH NJW 1986, 1046; Wieczorek/Schütze-Büscher, § 322 Rn 120, 122; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 169; Musielak-Musielak, § 322 Rn 48; Wetzell, Civilprocess, S. 595 f; Zeiss/Schreiber, ZPR, Rn 570; anders Savigny, Römisches Recht, S. 350 ff, insbes. S. 359, 452 f. 68 Vgl. Bruns, Rn 231b; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 87; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1045; Schlosser, ZPR, Rn 227; Zeiss/Schreiber, ZPR, Rn 570.

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Begehrt beispielsweise der Kläger 100 A Schadensersatz wegen Beschädigung seines Eigentums und wird die Klage abgewiesen, steht damit rechtskräftig fest, ein Zahlungsanspruch i. H. v. 100 A aus diesem Sachverhalt besteht nicht.69 An dieser Wirkung nimmt aber nicht die Begründung für die Abweisung teil.70 Die Formulierung, auch der Abweisungsgrund sei zu berücksichtigen, ist missverständlich.71 Wurde die Klage beispielsweise abgewiesen, weil der Kläger nicht geschädigt wurde, da er nicht Eigentümer der Sache war, ergeht keine rechtskräftige Feststellung über die Eigentumslage.72 Die Eigentumslage ist nur eine Vorfrage für den in Rechtskraft erwachsenden Subsumtionsschluss der Entscheidung. Feststellungen zu Vorfragen nehmen an der Rechtskraftwirkung aber gerade nicht teil, sofern keine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO erhoben wurde.73 Das gilt für stattgebende sowie für abweisende Urteile. „Abweisungsgrund“ in diesem Sinn kann nur meinen, dass aus den Entscheidungsgründen entnommen werden muss, worüber überhaupt entschieden wurde. Der Abweisungsgrund im Beispiel ist daher, dass ein Zahlungsanspruch i. H. v. 100 A aufgrund des Sachverhalts zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht besteht. Aus einem abweisenden Tenor geht auch nicht hervor, ob eine Klage als unzulässig oder unbegründet abgewiesen wurde. Auch hier sind die Urteilsgründe heranzuziehen. Erfolgte die Abweisung nicht aus sachlichen Gründen, kann die Klage wiederholt werden, wenn der Zulässigkeitsmangel behoben wurde.74 Gleiches gilt bei einer Abweisung als „zur Zeit“ unbegründet, weil die bestehende Forderung nicht fällig ist. Auch in diesem Fall kann die Klage nach Eintritt der Fälligkeit erneut eingelegt werden.75 Wird eine positive Feststellungsklage abgewiesen, erwächst die Feststellung, dass ein Rechtsverhältnis nicht besteht, nur dann in Rechtskraft, wenn die Klage aus sachlichen Gründen, d.h. als unbegründet, abgewiesen wird.76

69 BGH NJW 1995, 1757, 1758; NJW 1993, 3204, 3205; Musielak-Musielak, § 322 Rn 48; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 41; vgl. auch Wetzell, Civilprocess, S. 595 f. 70 Musielak-Musielak, § 322 Rn 48. 71 So jeweils, ohne genau heraus zu arbeiten, was darunter zu verstehen ist: MüKoZPO-Gottwald, § 322 Rn 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 25; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 Rn 103. 72 Bsp. aus Musielak-Musielak, § 322 Rn 49. 73 s. o. S. 129. 74 Wieczorek/Schütze-Büscher, § 322 Rn 152; MüKo-Gottwald, § 322 Rn 171; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 127; Musielak-Musielak, § 322 Rn 44; Schlosser, ZPR, Rn 228. 75 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 246; Musielak-Musielak, § 322 Rn 51. 76 Vgl. BGH NJW 1994, 657, 659; NJW 1989, 393, 394; NJW 1969, 2014, 2015; NJW 1966, 688, 692; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 105; Musielak-Musielak, § 322 Rn 58; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 121; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 12.

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bb) Bestimmung des Streitgegenstands und Präklusion Eine weitere Bedeutung der Entscheidungsgründe für die Rechtskraft zeigt sich bei der Bestimmung des Streitgegenstands77 und der Präklusion.78 Stellt beispielsweise der Kläger gegen denselben Beklagten den gleichen Antrag, ist anhand der Entscheidungsgründe zu bestimmen, ob der Streitgegenstand identisch ist. Verklagt K den B auf Zahlung i. H. v. 50 A, obwohl er nicht Inhaber der Forderung ist, wird das Gericht die Klage mangels Aktivlegitimation abweisen. Stellt er ein Jahr später den gleichen Antrag, wurde ihm aber nach der letzten mündlichen Verhandlung des ersten Prozesses die Forderung abgetreten, liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Damit unterscheiden sich die Streitgegenstände.79 Das kann nur unter Rückgriff auf die Urteilsgründe bestimmt werden. Gleichwohl ist im ersten Prozess keine rechtskräftige Entscheidung über die Frage der Aktivlegitimation ergangen, da sie nur eine Vorfrage für die Entscheidung über den Zahlungsanspruch ist. Mit Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz können außerdem Tatsachen, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen, nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO). Sie sind präkludiert.80 Das gilt unabhängig davon, ob sie der betroffenen Partei bekannt waren oder nicht.81 Die Präklusion bezieht sich allerdings nur auf Tatsachen, die zum Streitgegenstand gehörten, d.h. wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise dem Lebenssachverhalt zuzuordnen sind, den der Kläger im ersten Prozess vorgetragen hat.82 Im Zusammenhang mit einem anderen Streitgegenstand können auch Tatsachen geltend gemacht werden, die in anderen Prozessen schon vorgetragen und abweichend bewertet wurden oder präkludiert sind. Welche Tatsachen zu welchem Streitgegenstand gehören ist anhand der Urteilsgründe zu bestimmen. Nach der letzten mündlichen Verhandlung entstandene Tatsachen können grundsätzlich83 in einem neuen Prozess eingeführt werden und zu einer abweichenden Entscheidung des Gerichts führen.84 Das gilt 77 Vgl. BGH NJW 1993, 333; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 245 ff (Umfang der Neuprüfung). 78 Vgl. BGH NJW 1995, 1757; Musielak-Musielak, § 322 Rn 50; zur Präklusion s. auch S. 150. 79 Bsp. vereinfacht angelehnt an BGH NJW 1986, 1046, 1047. 80 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 139; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 218; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 5; zur Präklusion s. auch S. 150. 81 BGH NJW 2004, 1252; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 142; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 230; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 5. 82 BGH NJW 2004, 1252; NJW 1995, 1757 f; Musielak-Musielak, § 322 Rn 32; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 222; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 5. 83 Zur Bestimmung, in welchen Fällen neu eingetretene Tatsachen nicht geltend gemacht werden können, Musielak-Musielak, § 322 Rn 29. 84 BGH NJW 2000, 2022, 2023; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 150 ff; BeckOKZPO-Gruber, § 322 Rn 33; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 233; Musielak-Musielak, § 322 Rn 29; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 14.

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beispielsweise dann, wenn die Klage mangels Fälligkeit, d.h. als „zur Zeit unbegründet“ abgewiesen worden ist.85 e) Exkurs: Zwischenfeststellungsklage Die Zwischenfeststellungsklage wurde in die Zivilprozessordnung eingeführt, um den Parteien trotz der im Grundsatz engen Grenzen der Rechtskraft die Möglichkeit zu geben, auch Vorfragen verbindlich klären zu lassen.86 Voraussetzung ist nach § 256 Abs. 2 ZPO ein streitiges Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtstreits ganz oder zum Teil abhängt. Aus prozessökonomischen Erwägungen und um dem Sinn der Zwischenfeststellungsklage als Korrelat der engen Rechtskraftgrenzen gerecht zu werden, sind die Voraussetzungen der Zwischenfeststellungsklage weit zu interpretieren.87 aa) Vorgreifliches Rechtsverhältnis Ein Rechtsverhältnis ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete, bestimmte rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einem Gegenstand.88 Erfasst werden z. B. subjektive Rechte aller Art,89 wie absolute Rechte,90 der Besitz,91 aber auch Ansprüche.92 Nicht feststellungsfähig sind hingegen abstrakte Rechtsfragen und bloße Elemente oder tatbestandliche Voraussetzungen eines Rechtsverhältnisses.93 Präjudizialität liegt vor, wenn das Rechts85

Musielak-Musielak, § 322 Rn 29. Hahn/Stegemann, Materialien CPO, S. 291 (Begründung des Entwurfs); BGH NJW 2010, 2210, 2211; NJW 1994, 1353, 1354; RGZ 170, 328, 330; vgl. auch MüKoZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 75; Bruns, Rn 238; Musielak-Foerste, § 256 Rn 39; Schumann, FS Georgiades, S. 543, 547 ff, 551; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 96 Rn 35; Schlosser, ZPR, Rn 224. 87 Vgl. BGH NJW 1994, 1353, 1354; NJW 1977, 1637, 1638 (für das Rechtsverhältnis); Musielak-Foerste, § 256 Rn 41 (auch unstreitige Rechtsverhältnisse); Schlosser, ZPR, Rn 224 (für „im Laufe des Prozesses streitig geworden“); krit., aber im Ergebnis zust. MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 76; gegen eine „Ausweitung der Rechtsschutzzone“ und für eine „Rückbesinnung auf das Rechtsverhältnis“ für die Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO, Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 135 ff, 181 ff. 88 BGH NJW 2001, 3789; NJW 1984, 1556; RGZ 144, 54, 56; BeckOK-ZPO-Bacher, § 256 Rn 3; MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 10; Musielak-Foerste, § 256 Rn 2; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 21. 89 Musielak-Musielak, § 256 Rn 3; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 23. 90 MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 11; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 23. 91 MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 11. 92 BGH NJW 1984, 1556; MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 14; MusielakFoerste, § 256 Rn 3. 93 BGH NJW 1995, 1097; MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 22, 24; Musielak-Foerste, § 256 Rn 2; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 22, 29 f. 86

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verhältnis im Rahmen einer Entscheidung zur Sache notwendigerweise geprüft wird.94 bb) Erleichterte Voraussetzungen Da für die Zwischenfeststellungsklage kein neuer Streitstoff eingeführt werden muss und weil sie die engen Rechtskraftgrenzen abmildern soll, kann sie unter erleichterten Voraussetzungen erhoben werden: Sie ist bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung möglich und kann auch als Widerklage und hilfsweise erhoben werden (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO).95 Zusätzliche Kosten entstehen i. d. R. nicht. Zwischen dem Hauptantrag und der Zwischenfeststellungsklage besteht jedenfalls Teilidentität, sodass eine Zusammenrechnung der Streitwerte nach § 5 ZPO unterbleibt. Für den Gebührenstreitwert der Zwischenfeststellungsklage wird das in § 45 Abs. 1 S. 3 GKG klargestellt.96 Ein besonderes Feststellungsinteresse, welches Voraussetzung für eine Feststellungsklage ist (§ 256 Abs. 1 ZPO), ist nicht nötig. Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen muss das festzustellende Rechtsverhältnis lediglich streitig und für die Leistungsklage vorgreiflich, präjudiziell, sein.97 Aus dem Zweck der Zwischenfeststellungsklage folgt,98 dass das Rechtsverhältnis nicht erst im Laufe des Prozesses streitig geworden sein muss. Ausreichend ist, dass es auch schon vor Prozessbeginn streitig gewesen ist.99 f) Erweiterungen der Rechtskraftgrenzen Trotz der Möglichkeit der Zwischenfeststellungsklage ist die enge Interpretation der Rechtskraft nicht frei von Problemen und kann zu Ergebnissen führen, die sinnwidrig erscheinen. Dies gilt v. a. für den Fall, dass gerade keine Zwischenfeststellungsklage erhoben wurde. Klagt z. B. E gegen B auf Herausgabe seines Autos nach § 985 BGB und obsiegt, steht nach den oben dargelegten Grundsätzen nur fest, dass E gegen B einen Anspruch auf Herausgabe hat. Dagegen ist nicht das Eigentum des E fest94 BeckOK-ZPO-Bacher, § 256 Rn 43; MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 80; Musielak-Musielak, § 256 Rn 41; vgl. auch Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 104; ausführlich zur Abhängigkeit Schumann, FS Georgiades, S. 543, 556. 95 BGH NJW 1992, 1897; MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 83; Stein/JonasRoth, § 256 Rn 102. 96 MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 91; Thomas/Putzo-Reichhold, § 3 Rn 189, § 5 Rn 8. 97 MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 75; Schumann, FS Georgiades, S. 543, 571; Thomas/Putzo-Reichhold, § 256 Rn 27 ff; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 102. 98 Zur Notwendigkeit der weiten Auslegung der Voraussetzungen s. o. S. 132. 99 RGZ 126, 234; 237; RGZ 113, 410, 412 f; RGZ 73, 272, 273 f; BGH NJW-RR 1990, 318, 319 f; Musielak-Foerste, § 256 Rn 41; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 9, 102.

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gestellt.100 Erhebt B Klage auf Feststellung seines Eigentums an demselben Auto, steht dem die Rechtskraft des ersten Urteils nicht entgegen. E kann dieses Ergebnis nur vermeiden, indem er schon im ersten Prozess eine Zwischenfeststellungsklage erhebt und sein Eigentum feststellen lässt. Dann steht auch in einem Folgeprozess zwischen B und E das Eigentum des E rechtskräftig fest. Ähnlich liegt es im Fall der Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB. Im Erfolgsfalle steht zu Gunsten des Klägers fest, dass er gegen den Beklagten einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung hat, nicht dagegen sein Eigentum.101 Vergleichen lässt sich die Lage mit dem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB: Dort wird Besitz herausgegeben, hier eine Buchposition.102 In beiden Fällen ist das Eigentum (jedenfalls formal betrachtet) nur Vorfrage.103 Ein anderes Beispiel ist die Leistungsklage auf Grundlage eines gegenseitigen Vertrags. Klagt K gegen V aus § 433 Abs. 1 BGB den Kaufgegenstand ein und obsiegt, steht mit Rechtskraft nur fest, dass K einen Anspruch gegen V auf Besitz- und Eigentumsverschaffung an dem Kaufgegenstand hat. Das Bestehen des Kaufvertrags ist dagegen nur eine Vorfrage, die an der Rechtskraftwirkung nicht teilnimmt. Weigert sich K dann aber den Kaufpreis zu zahlen und klagt V diesen ein, wird das Vorliegen des Kaufvertrags erneut geprüft. Lehnt das Gericht im zweiten Prozess das Bestehen des Kaufvertrags ab, ist V doppelt belastet: Er muss den Kaufgegenstand herausgeben, erhält aber keinen Kaufpreis.104 aa) Rechtskraft kraft Sinnzusammenhängen Um diese dargestellten „Sinnwidrigkeiten“ zu beseitigen, hat Zeuner versucht, die Rechtskraft festgestellter Fragen auf „Sinnzusammenhänge“ zu erweitern.105 Im Rahmen von „Sinnzusammenhängen“ soll nicht nur die Entscheidung über den Anspruch feststehen. Die Wirkung der Rechtskraft soll vielmehr darüber hinausgehen und auch gewisse Feststellungen zu den Vorfragen des ersten Prozesses erfassen. Es soll verhindert werden, dass ein zu formales Verständnis der Rechts-

100 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 82; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 29; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 36. 101 Konstellation in Anlehnung an BGH NJW-RR 2008, 1397. 102 BGH NJW-RR 2008, 1397, 1398 f; NJW-RR 2002, 516, 517. 103 BGH NJW-RR 2002, 516, 517; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 36. 104 Bsp. nach Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 175 (spricht sich auch für eine Rechtskrafterstreckung in diesem Fall aus); vgl. auch MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57, 100; Musielak-Musielak, § 322 Rn 6; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 28. 105 Zeuner, Sinnzusammenhänge, S. 51 f; 75 ff; zust. Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2b; im Ergebnis auch Foerste, ZZP 108 (1995), 167 ff (teleologische Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO und Analogie zu § 322 Abs. 2 ZPO); befürwortend auch Kerameus, AcP 167 (1967), 241, 266; mit Einschränkungen A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 4a; Bruns, ZPR, Rn 233.

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kraft den „Sinnzusammenhang“ zwischen der ersten und den Folgeentscheidungen zerreißt. Beispielhaft soll danach bei einer Herausgabeklage nach § 985 BGB auch das Eigentum oder das Nichtbestehen des Eigentums rechtskräftig feststehen;106 bei der Klage auf Leistung aus einem gegenseitigen Vertrag das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags.107 Mit dem Wortlaut des § 322 ZPO ist das allerdings nicht zu vereinbaren. Auch das System der Zivilprozessordnung spricht dagegen: Entsprechend der Dispositionsmaxime, die auch in § 308 ZPO zum Ausdruck kommt, bestimmen die Parteien den „Umfang“ des Prozesses. Soll dieser über den eigentlichen Klageantrag hinaus erweitert werden, kann Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO erhoben werden.108 Außerdem sind „Sinnzusammenhänge“ als solche zu unbestimmt, um in der wichtigen Frage der Rechtskraft die nötige Rechtssicherheit zu schaffen.109 Auch dem Ziel der Rechtskraft, die Parteien vor Überraschungen zu schützen,110 wird diese Interpretation nicht gerecht.111 Eine Rechtskrafterweiterung auf Sinnzusammenhänge scheidet daher aus. bb) Teleologische Reduktion Das besagt aber nicht, dass eine Erweiterung der Rechtskraft per se ausscheiden muss. Allerdings ist im Grundsatz von einem engen Rechtskraftverständnis auszugehen.112 Dafür spricht auch, dass eine Zweitentscheidung für die Sorgfalt der Gerichte eher als Vorteil bewertet werden kann. Es ist davon auszugehen, dass das Gericht in der Praxis die Akten einsehen wird. Ohne plausiblen Grund wird es auch von der Beurteilung von Vorfragen kaum abweichen. Stellt es aber einen Rechtsfehler fest, kann dieser für den neuen Prozess korrigiert werden.113 Eine Erweiterung kann aber dann im Wege der teleologischen Reduktion des § 322 Abs. 1 ZPO erfolgen, wenn damit die Rechtskraftziele 114 nicht gefährdet werden. Im Interesse von Rechtssicherheit ist es aber nicht möglich, im Einzel106

Zeuner, Sinnzusammenhänge, S. 45. Zeuner, Sinnzusammenhänge, S. 75. 108 Brox, JuS 1962, 121, 123; Musielak-Musielak, § 322 Rn 27; Thomas/PutzoReichhold, § 322 Rn 29; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 36. 109 Vgl. Batschari, NJW 1995, 1650, 1652; Wieczorek/Schütze-Bücher, § 322 Rn 86; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 55; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 73; Reischl, Rechtskraft, S. 188 ff, 194; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 29; Rimmelspacher, Anspruch und Streitgegenstand, S. 184; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 28, 36; gegen eine Rechtskrafterstreckung auf Sinnzusammenhänge auch BGH NJW 2003, 3058. 110 s. o. S. 126 f. 111 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 154 Rn 13; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 36. 112 Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 55 ff; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 73. 113 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 55; Otte, Streitentscheidung, S. 58. 114 s. o. S. 126 f. 107

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fall zu prüfen, ob sich die Parteien einer erweiterten Wirkung bewusst waren.115 Eine teleologische Reduktion ist daher im Interesse der Rechtsklarheit nur denkbar, wenn schon abstrakt bestimmbar ist, dass die Gefahr, die Parteien mit dem Umfang der Rechtskraft zu überraschen, nicht besteht. Lassen sich solche Fälle finden, können ggf. konkrete Kriterien entwickelt werden, an denen sich andere Konstellationen messen lassen. Im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Fällen betrachtet werden. Gewählt werden drei der wohl meist herangezogenen Beispiele: der Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB und die Eigentumsfeststellung (1); eine deliktische oder negatorische Unterlassungs- und Schadensersatzklage wegen derselben Pflichtverletzung (2) sowie eine Leistungsklage auf Erfüllung kaufvertraglicher Hauptleistungspflichten und die Feststellung, dass ein Kaufvertrag besteht (3).116 (1) Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) und Eigentumsfeststellung In Betracht kommt eine Erweiterung beispielsweise im Falle des Grundbuchberichtigungsanspruchs (§ 894 BGB) und der vorgreiflichen Eigentumsfeststellung.117 Ein Argument für eine Erweiterung ist, dass die Eintragung im Grundbuch v. a. dem Zweck dient, das bestehende Eigentum des Klägers publik zu machen. Das Grundbuch dient der Bekundung des Rechts. Es wird demnach im Kern um das umstrittene Recht, das Eigentum, gestritten. Der Grundbuchberichtigungsanspruch wird lediglich als „spezifische Form“ verstanden, „in der der Streit um die Existenz oder Nichtexistenz eines bestimmten dinglichen Rechts, seinen Inhalt oder Rang oder die Person des Rechtsinhabers ausgetragen wird“.118 Darin wird auch der Unterschied zu § 985 BGB und der damit einhergehenden Prüfung des Eigentums gesehen: Im Falle des § 894 BGB sei der Grundbuchberichtigungsanspruch eine besondere Form des Streits um das Recht Eigentum, welches aber im Prinzip alleiniger Kern des Rechtsstreits ist und nicht lediglich die Vorfrage. Dagegen sei bei der Herausgabeklage die Herausgabe Kern des Streits und damit Streitgegenstand. Das Eigentum sei nur eine Vorfrage.119 115

Vgl. Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 177. Vgl. zu den Bsp. nur MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 56 f; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 83, 209. 117 s. zum Ergebnis bei engem Verständnis S. 134. 118 Thüringer OLG ZfIR 2001, 779, 780; inhaltlich auch RGZ 158, 40, 43; RG ZZP 60 (1936/37), 339, 340; OLG Naumburg vom 2.3.2000 – Az. 11 U 142/99 Rn 31 (juris); vom 28.10.1997 – Az. 11 U 1148/97 Rn 28 (juris); A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 4a; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 56, 102; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 83, 209; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 154 Rn 30; a. A. BGH NJW-RR 2008, 1397; NJWRR 2002, 516, 517 mit Anm. Nawroth, NJ 2002, 312 f; BGH MDR 2000, 142; „Zusatz der Schrifttumsleitung“ zu RG ZZP 60 (1936/37), 339, 341 f; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 36. 119 Vgl. Thüringer OLG ZfIR 2001, 779, 780. 116

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Formal betrachtet gilt das aber auch für den Grundbuchberichtigungsanspruch, bei dem der Kläger die Herausgabe einer Buchposition fordert und die dazu nötige Prüfung des Eigentums lediglich Vorfrage ist.120 Der Unterschied zu § 985 BGB besteht v. a. darin, dass sich die Herausgabe des Besitzes besser vorstellen lässt als die einer Buchposition. Allerdings kommt der „Herausgabe“ der Buchposition sehr wohl eine eigenständige Beutung zu: Ohne die „Herausgabe“ der Buchposition besteht für den wahren Eigentümer die Gefahr, dass ein Dritter das Grundstück kraft öffentlichen Glaubens erwibt (§ 892 Abs. 1 S. 1 BGB). Aber auch wenn man auf die sehr formale Betrachtung im Falle des § 894 BGB verzichten will, um die „Unterscheidung Schlussfrage und Vorfrage nicht auf die Spitze“ zu treiben,121 kommt eine teleologische Reduktion des § 322 ZPO nur in Betracht, wenn keine Fälle denkbar sind, die nach Sinn und Zweck der Rechtskraft einer Ausweitung entgegenstehen. Eine teleologische Reduktion ist im Ergebnis abzulehnen.122 Haben beispielsweise die Parteien (etwa in der Abwicklung einer Scheidung) einen Vertrag geschlossen und vereinbart, dass für eine bestimmte Zeit kein Grundbuchberichtigungsanspruch geltend gemacht werden kann, wird das Gericht die Klage schon deswegen abweisen, ohne das Eigentum überhaupt zu prüfen. Hier wären die Parteien von der weitergehenden Wirkung der Rechtskraft überrascht. Genau das sollen die engen Grenzen der Rechtskraft aber gerade verhindern. Gegen eine Erweiterung der Rechtskraftgrenzen spricht auch § 308 ZPO:123 Der Kläger, der einen Anspruch aus § 894 BGB geltend macht, beantragt gerade nicht die Feststellung des Eigentums. Für den Fall, dass er zusätzlich das Eigentum rechtskräftig festgestellt haben möchte, stellt das Gesetz die Zwischenfeststellungsklage zur Verfügung.124 Es ist kein Grund ersichtlich, die Parteien von diesem Erfordernis zu entlasten. Eine teleologische Reduktion scheidet im Falle des Grundbuchberichtigungsanspruchs aus. (2) Unterlassungs- und Schadensersatzklage wegen „der gleichen“ Pflichtverletzung Der Kläger obsiegt mit einer negatorischen Unterlassungsklage, weil der Beklagte eine Schutzrechtsverletzung begangen hat. Wird die Unterlassungspflicht verletzt und nimmt er den Beklagten auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB 120

s. o. S. 134. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 73, 206. 122 So im Ergebnis auch BGH NJW-RR 2008, 1397; NJW-RR 2002, 516, 517 mit Anm. Nawroth, NJ 2002, 312 f; BGH MDR 2000, 142; „Zusatz der Schrifttumsleitung“ zu RG ZZP 60 (1936/37), 339, 341 f; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 36. 123 Vgl. Batschari, NJW 1995, 1650, 1652. 124 Vgl. BGH NJW-RR 2008, 1397; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 36; „Zusatz der Schrifttumsleitung“ zu RG ZZP 60 (1936/37), 339, 341 f. 121

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in Anspruch, ist zu untersuchen, wie sich die Entscheidung auf den Schadensersatzprozess auswirkt.125 Auch umgekehrt ist dieses Beispiel denkbar: Der Kläger macht erfolgreich Schadensersatz wegen einer Schutzrechtsverletzung geltend. Fraglich ist jedoch, ob das Urteil auch eine Bindung für eine mögliche negatorische Unterlassungsklage hat.126 (a) Präjudizielle Wirkung der Unterlassungsklage Hat die Unterlassungsklage Erfolg, steht fest, der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassen. Der rechtskräftigen Entscheidung über eine Unterlassungsklage kommt darüber hinaus, wie bei jeder Leistungsklage, auch eine Feststellungswirkung zu. Wird der Unterlassungsklage stattgegeben, wird rechtskräftig festgestellt, dass eine bestimmte Unterlassungspflicht besteht.127 Im Schadensersatzprozess ist nach § 823 Abs. 1 BGB aber zu prüfen, ob ein absolutes Recht verletzt wurde. Die rechtskräftig festgestellte Unterlassungspflicht ist dagegen kein Tatbestandsmerkmal des § 823 Abs. 1 BGB.128 Auch wenn im Rahmen des Unterlassungsanspruchs bereits geprüft wurde, ob ein Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB verletzt worden ist, war diese Prüfung nur eine Vorfrage und nimmt an der Rechtskraftwirkung nicht teil.129 Steht aber fest, das vom Antrag umschriebene Verhalten ist zu unterlassen und wird gegen diese Pflicht in der Zukunft verstoßen, ist die Entscheidung im Rahmen der Schadensersatzklage gleichwohl zu beachten130: Im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB steht daher fest, ein entsprechendes Verhalten war rechtswidrig. Geht es um einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, steht fest, es bestand eine Unterlassungspflicht.131 Diese präjudizielle Wirkung folgt aus allgemeinen Grundsätzen der Rechtskraft.132 Das gilt allerdings nicht, wenn die schädigende Handlung vor der Entscheidung über die Unterlassungsklage erfolgt ist. Der Schadensersatzanspruch bezieht sich auf eine in der Vergangenheit liegende Handlung, während der Unterlassungsanspruch Handlungen betrifft, die erst in der Zukunft liegen.133 Die Unterlassungsklage 125 Vgl. zu diesem Bsp. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 207; vgl. auch BGH NJW 2012, 3577. 126 Vgl. zu einem ähnlichen Bsp. BGH NJW-RR 2002, 1617, 1618 f. 127 Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 173. 128 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57, 100; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 207; Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2b; vgl. auch Schwab, FS Bötticher, S. 321, 334. 129 s. o S. 129. 130 Vgl. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 207. 131 So für den vertraglichen Unterlassungsanspruch: BGH NJW 1965, 688, 691; vgl. auch MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 100; Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2b. 132 Czerny/Frieling, LAGE Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 92a, S. 42 (D.II.); a. A. (insgesamt gegen eine Rechtskraftwirkung des Unterlassungsurteils) BGH NJW-RR 2002, 1617 mit Anm. Schlosser, JZ 2003, 427; RGZ 160, 163, 165 f; RGZ 49, 33, 36; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 52, 57. 133 BGH NJW 2012, 3577, 3579 f; NJW-RR 2002, 1617, 1618 f.

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entscheidet erst für die Zukunft, ob ein Verhalten zu unterlassen ist. Eine präjudizielle Wirkung für ein in der Vergangenheit liegendes schädigendes Verhalten liegt nicht vor. Für die präjudizielle Wirkung der Entscheidung über die Unterlassungsklage ist festzuhalten: Eine präjudizielle Wirkung scheidet aus, wenn das schädigende Verhalten erfolgt, bevor über die Unterlassungsklage entschieden worden ist. Folgt das schädigende Verhalten der Unterlassungsklage, wird kein Tatbestandsmerkmal des § 823 Abs. 1 BGB präjudiziert, sondern nur, ob das Verhalten rechtswidrig war. Im Fall eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs steht fest, es besteht eine Unterlassungspflicht. (b) Präjudizielle Wirkung der Schadensersatzklage Auch wenn der Schadensersatzprozess der Unterlassungsklage vorausgeht, scheidet nach allgemeinen Grundsätzen eine präjudizielle Wirkung aus: In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung, ob ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe besteht oder nicht. Das ist keine Vorfrage für den Unterlassungsanspruch.134 (c) Teleologische Reduktion Allerdings wird in beiden Fällen relevant, ob überhaupt eine Pflicht oder ein absolutes Recht (§ 823 Abs. 1 BGB) bestand, die bzw. das nicht verletzt werden darf. Dieser Zusammenhang könnte eine teleologische Reduktion erforderlich machen.135 Nach engem Verständnis der Rechtskraft handelt es sich nur um eine Vorfrage, die nicht an der Rechtskraftwirkung teilnimmt. Sie kann daher weder für den Unterlassungsprozess136 noch für den Schadensersatzprozess präjudiziell sein.137 Es ist auch kein zwingender Grund ersichtlich, dieses Ergebnis zu ändern. Schadensersatz und Unterlassung sind verschiedene Begehren. Dass für 134 Vgl. BGH NJW 2012, 3577, 3579 f; NJW-RR 2002, 1617, 1618 f; MüKo-ZPOGottwald, § 322 Rn 52. 135 Für eine präjudizielle Wirkung der negatorischen Unterlassungsklage für den Schadensersatzprozess: Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2b; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 207; a. A. BGH NJW-RR 2002, 1617 mit Anm. Schlosser, JZ 2003, 427; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 52, 57; RGZ 160, 163, 165 (Zulässigkeit von Werbung); RGZ 49, 33, 36 (Patentrechtsverletzung); Schwab, FS Bötticher, S. 321, 333 f; ders., JZ 1959, 786, 787; eine präjudizielle Wirkung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs für den Schadensersatzprozess bejahend: BGH NJW 1965, 688, 691; Schwab, FS Bötticher, S. 321, 334. 136 BGH NJW-RR 2002, 1617, 1618 f mit Anm. Schlosser, JZ 2003, 427; MüKoZPO-Gottwald, § 322 Rn 52, 100. 137 Undifferenziert gegen eine präjudizielle Wirkung: BGH NJW-RR 2002, 1617, 1618 f; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 152 Rn 14.

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beide dieselbe Frage relevant wird, ist Konsequenz des geltenden Rechts (§ 322 Abs. 1 ZPO). Anders als in der Konstellation des Grundbuchberichtigungsanspruchs kann auch nicht argumentiert werden, formal wird ein Anspruch verfolgt, inhaltlich geht es aber primär um dessen Voraussetzung. Hier geht es um zwei verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Daher ist auch denkbar, dass der Beklagte des Schadensersatzprozesses sein Verteidigungsverhalten gerade nur auf die Frage des Schadensersatzes ausrichtet, während er der grundsätzlichen Feststellung einer Unterlassungspflicht mit erhöhten Anstrengungen begegnet wäre.138 Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Es ist nicht fernliegend, dass sich der Beklagte gegen den Unterlassungsanspruch nur mäßig verteidigt, etwa weil er ohnehin die Schutzrechtsverletzung nicht wiederholen will. Das Ergebnis des Urteils tangiert ihn dann nicht unmittelbar. Geht es jedoch um Schadensersatz und soll er erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, ist zu erwarten, dass er der Klage größere Bemühungen entgegensetzt. Die weitgehende Rechtskraft des ersten Prozesses würde ihn dann „überraschen“. Genau das will § 322 ZPO verhindern.139 Warum genau in diesem Fall eine teleologische Reduktion erfolgen soll, ist nicht ersichtlich. Soll die Rechtskraft nur deswegen erweitert werden, weil eine Frage im ersten Prozess schon geprüft wurde, die auch im zweiten Prozess relevant ist, stellt man die enge Wirkung der Rechtskraft wieder in Frage und nähert sich den abgelehnten „Sinnzusammenhängen“ 140 an. Eine teleologische Reduktion scheidet auch hier aus. (3) Leistungsklage auf Erfüllung kaufvertraglicher Hauptleistungspflichten und Feststellung des Vorliegens eines Kaufvertrags Unter Beibehaltung der engen Grenzen der Rechtskraft lässt sich auch das mögliche Problem im Fall des gegenseitigen Vertrags nicht lösen.141 Klagt der Käufer K auf Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstands, steht nur fest, dass dieser Anspruch besteht oder nicht. Ob der Vertrag zustandegekommen ist, ist nur eine Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst. Zahlt der Käufer K nun den Kaufpreis nicht, besteht für Verkäufer V in einem weiteren Prozess die Gefahr, dass die Frage des Bestehens des Vertrags abweichend entschieden wird. Denkbar ist, dass er den Kaufgegenstand herausgeben muss, aber keinen Kaufpreis erhält. Allerdings kann sich V schützen. Zum einen kann er im ersten Prozess die Einrede nach § 320 BGB erheben. Dann muss er nur den Kaufgegenstand her138 139 140 141

BGH NJW-RR 2002, 1617, 1618 f. s. S. 126 f. s. o. S. 134 f. s. o. S. 134.

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ausgeben, wenn K auch den Kaufpreis zahlt.142 Ist aber beispielsweise die Zahlung gestundet, hilft ihm das nicht weiter. In diesem Fall kann er sich nur schützen, indem er im ersten Prozess für den Fall seiner Verurteilung eine Zwischenfeststellungsklage auf Bestehen des Vertrags erhebt.143 Gleiches gilt aber auch für K, sollte er den ersten Prozess verlieren. Dann droht ihm möglicherweise dennoch eine Kaufpreisklage des V. K müsste demnach im ersten Prozess für den Fall seiner Niederlage ebenfalls eine Zwischenfeststellungsklage auf Nichtbestehen des Vertrags erheben. Werden diese prozessualen Möglichkeiten jedoch nicht ausgeschöpft, ist das Ergebnis, dass K den Kaufgegenstand erhält, nicht aber den Kaufpreis zahlen muss, schlicht „ungerecht“. Um Nachteile zu vermeiden, müssen daher beide Parteien für den Fall ihrer Niederlage eine (Hilfs-)Zwischenfeststellungsklage erheben. Hier kann durchaus bezweifelt werden, ob tatsächlich gewollt ist, dass beide Parteien für den Fall eines bestimmten Prozessausgangs eine Zwischenfeststellungsklage erheben. Ggf. machen sich die Parteien hier gar keine Gedanken, dass sie auch den anderen Prozess verlieren könnten.144 Diese „Ungerechtigkeit“ kann mit einer Erweiterung der Rechtskraft beseitigt werden.145 Erstreckt man die Rechtskraft im Falle von Austauschverhältnissen auch auf das den Verpflichtungen zugrunde liegende Rechtsverhältnis, also hier den Kaufvertrag, kann es nicht dazu kommen, dass eine Partei beide Prozesse verliert. Allerdings hätte dieses Vorgehen auch noch weitere Folgen. Steht fest, dass der Vertrag geschlossen wurde, knüpfen sich daran für den Verkäufer auch Pflichten wie beispielsweise Nacherfüllung oder Schadensersatz. Hier müsste der Käufer den Vertragsschluss nicht erneut beweisen, sondern könnte auf die Rechtskraft des ersten Prozesses zurückgreifen. Denkbar ist aber, dass der Verkäufer der Auffassung ist, es wäre nie zu einem Kaufvertrag gekommen. Weil ihm aber der Kaufgegenstand egal ist, hat er sich im ersten Prozess nicht verteidigt. Auch an dem (geringen) Kaufpreis ist ihm nicht viel gelegen, etwa weil es sich um ein altes, für ihn nutzloses Objekt handelt. Erhebt aber nun der Käufer Ansprüche auf Mangelbeseitigung und später Schadensersatz wegen Nichtleistung der Nacherfüllung, ist V keinesfalls bereit diese Ansprüche zu erfüllen. Als er sich im ersten Prozess nicht verteidigt hat, ist er nie auf die Idee gekommen, K könnte solche Forderungen erheben. Diese Folge der Rechtskraft wäre für ihn eine echte „Überraschung“. Genau davor sollen ihn die engen Grenzen der 142

MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57. Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57; Musielak-Musielak, § 322 Rn 27. 144 Vgl. dazu Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 175, 177. 145 So A. Blomeyer, ZPR, § 89 V 4a; Foerste, ZZP 108 (1995), 167, 170 f; im Ergebnis auch Schlosser, ZPR, Rn 225; a. A. BGH NJW 2003, 3058; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 100; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 198 ff; Jauernig/Hess, ZPR, § 63 Rn 20; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 28, 36. 143

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Rechtskraft aber bewahren.146 Um die andere Partei vor dem Verlust zweier Prozesse zu schützen, ist eine Zwischenfeststellungsklage zu erheben.147 Dass daran nicht gedacht wird und auch „Überraschungen“ möglich sind, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Das Verhältnis Rechtskraft, nur bezogen auf den Streitgegenstand, und Zwischenfeststellungsklage, für vorgreifliche Rechtsverhältnisse, ist eine Wertentscheidung des Gesetzgebers, die sich eindeutig aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt.148 Die Parteien sollen vor „bestimmten“ Überraschungen geschützt werden und zwar vor solchen, die sich aus einer weiten Rechtskraft ergeben würden. Sie sollen aber nicht vor jeglicher Art von Überraschungen geschützt werden. Vielmehr haben sie ihre Prozessführung eigenverantwortlich an der geltenden Zivilprozessordnung auszurichten. Eine teleologische Reduktion scheidet daher aus.149 Für die wenigen Fälle, in denen weder die Einrede nach § 320 BGB noch eine Zwischenfeststellungsklage erhoben wurde und der Richter tatsächlich im zweiten Prozess zu einem anderen Ergebnis kommt als im ersten, bleibt damit die „Ungerechtigkeit“, dass eine Kaufvertragspartei doppelt belastet wird.150 In diesen Ausnahmefällen kann der im ersten Prozess unterlegenen Partei aber der Einwand des Rechtsmissbrauches (§ 242 BGB) gestattet werden.151 In diesem Rahmen kann, anders als bei der Rechtskraft, im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Parteien auch tatsächlich um die Wirksamkeit des Vertrags gestritten haben.152 cc) Zwischenergebnis In allen drei Beispielsfällen ist eine teleologische Reduktion abzulehnen. Es ist also nicht möglich, allgemeine Kriterien zu finden, in denen die Rechtskraft ausnahmsweise erweitert werden kann. g) Ergebnis In Rechtskraft erwächst die Entscheidung über den Streitgegenstand. Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse sind nicht erfasst. 146

s. o. S. 126 f. Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 57; Musielak-Musielak, § 322 Rn 27; zur Zwischenfeststellungsklage S. 132. 148 Musielak-Musielak, § 322 Rn 27. 149 So im Ergebnis BGH NJW 2003, 3058; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 100; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, S. 198 ff; Jauernig/Hess, ZPR, § 63 Rn 20; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 28, 36. 150 Vgl. Braun, JuS 1986, 364, 368; Brox, JuS 1962, 121, 124. 151 Vgl. BGH NJW 2003, 3058, 3059; Arens/Lüke, ZPR, Rn 362, 365; Jauernig/ Hess, ZPR, § 63 Rn 21; Musielak-Musielak, § 322 Rn 27; vgl. auch Musielak-Musielak, § 322 Rn 27 (Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht). 152 Jauernig/Hess, ZPR, § 63 Rn 21. 147

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2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft a) Grundsatz: Wirkung inter partes Mit der Rechtskraft werden, soweit ihr Umfang reicht, weitere Rechtsstreitigkeiten über dieselbe Rechtsfrage vermieden. Da dies sehr weitreichende Konsequenzen haben kann, ist es erforderlich, den Umfang der Rechtskraft nicht nur sachlich, sondern auch in personeller Hinsicht einzugrenzen. § 325 Abs. 1 ZPO enthält eine solche Beschränkung. Die Norm bestimmt, dass das rechtskräftige Urteil für und gegen die Parteien sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch für und gegen deren Rechtsnachfolger wirkt. Führen also Kläger K1, K2 und K3 jeweils einen Gewährleistungsprozess über den gleichen Mangel am gleichen Auto und obsiegt Kläger K1, können sich Kläger K2 und K3 nicht auf diese Urteilswirkung berufen. Die Rechtskraft gilt nur „inter partes“.153 b) Erweiterungen Da an Rechtsbeziehungen oft mehrere Rechtssubjekte beteiligt sind, birgt dieses enge Verständnis die Gefahr sich widersprechender Urteile. Zur Illustration der Problematik sollen folgende Beispiele dienen: E und B streiten um das Eigentum an einem Auto. Es wird rechtskräftig festgestellt, dass E Eigentümer ist. Nun möchte K das Eigentum für sich in Anspruch nehmen. Rein „logisch“ kann eine entsprechende Klage keinen Erfolg haben, da bereits gerichtlich geklärt wurde, dass E Eigentümer ist. Da die Rechtskraft dieses Urteils aber grundsätzlich nur zwischen E und B wirkt, ist denkbar, dass im Verfahren zwischen E und K das Eigentum des K festgestellt wird. Für E wäre es wünschenswert, sich auf das zwischen ihm und B ergangene Urteil zu berufen. Der Gläubiger G erlangt gegen den Hauptschuldner H einen Titel. Da H nicht zahlen kann, wendet er sich an den Bürgen B. Rechtskräftig ist zunächst nur gegenüber H festgestellt, dass die Schuld besteht. Kann sich G aber gegenüber B nicht auf das Urteil gegen H berufen, läuft er Gefahr in einem Verfahren gegen B zu unterliegen, obwohl schon rechtskräftig feststeht, dass die Forderung besteht. Auf der anderen Seite war der Bürge nicht am Prozess beteiligt. Wurde die Klage des Gläubigers dagegen rechtskräftig abgewiesen, hat der Bürge ein Interesse sich auf das Urteil zu berufen. Es ist zu untersuchen, ob in subjektiver Hinsicht Erweiterungen der Rechtskraft vorgenommen werden können.

153 Vgl. Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 1 ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 156 Rn 1; Schlosser, ZPR, Rn 229.

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aa) Gesetzliche Regelungen Für einige Konstellationen trifft das Gesetz selbst eine Aussage. In § 325 Abs. 1 ZPO wird die Rechtskraft gegenüber den Rechtsnachfolgern geregelt. Die §§ 326 und 327 ZPO ergänzen diese Regelung für die Nacherbfolge und die Testamentsvollstreckung. Gemäß § 856 Abs. 4 ZPO wirkt eine Entscheidung, die der Vollstreckungsgläubiger gegen den Drittschuldner im Falle der Mehrfachpfändung erwirkt (§§ 853–855 ZPO), auch gegen die übrigen Gläubiger. Auch § 124 Abs. 1 VVG ordnet für die Pflichtversicherung eine Rechtskrafterstreckung an: Ein Urteil, welches zwischen Versicherer und dem Dritten ergeht und feststellt, dass ein Schadensersatzanspruch nicht besteht, wirkt auch zu Gunsten des Versicherungsnehmers. Soweit solche Regelungen bestehen, ergeben sich keine Probleme. Fraglich ist aber, ob die Rechtskraft auch darüber hinaus gegenüber Dritten wirken kann. bb) Drittwirkung der Rechtskraft Denkbar ist eine Erweiterung dergestalt, dass auch der Dritte stets an das Ergebnis des vorherigen Prozesses gebunden ist.154 Im Ergebnis bedeute das, dass die entschiedene Frage in einem weiteren Prozess mit Beteiligung des Dritten präjudiziell wirkt. Gegen eine solche Auslegung spricht der klare Wortlaut des § 325 Abs. 1 ZPO, der die Rechtskraft ausdrücklich auf die Parteien begrenzt, sowie die Gesamtsystematik der Zivilprozessordnung. Die prozessualen Regelungen machen von diesem Grundsatz gerade nur vereinzelt Ausnahmen. Auch kann die Rechtskraft wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) grundsätzlich nur gegenüber Personen eintreten, die ihren Standpunkt vertreten konnten. Eine allgemeine Drittwirkung der Rechtskraft ist daher abzulehnen.155 cc) Rechtskrafterstreckung kraft materieller Abhängigkeit Möglicherweise kann aber in besonderen Konstellationen dennoch eine Erweiterung angenommen werden. Können zwei Parteien beispielsweise auf der Basis des materiellen Rechts auf die Rechtsstellung eines Dritten Einfluss nehmen, könnte der Dritte auch von einer rechtskräftigen Entscheidung zwischen den Parteien beeinflusst werden. Der Einfluss auf materiellrechtlicher Ebene würde sich prozessual fortsetzen. „Aus der Macht der Parteien zur materiellrechtlichen Verschlechterung der Lage des Dritten folgt die Macht zur prozessualen Verschlechterung“.156 154 Schwab, ZZP 77 (1964), 124, 130 ff; im Grundsatz zust. Koussoulis, Rechtskraftlehre, S. 117 ff; J. Martens, ZZP 79 (1966), 404, 428 ff. 155 Wieczorek/Schütze-Büscher, § 325 Rn 2, 3; MüKo-ZPO-Gottwald, § 325 Rn 8; Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 1, 78 ff; Musielak-Musielak, § 322 Rn 3; Schlosser, ZPR, Rn 236; vgl. auch BGH NJW-RR 2005, 338, 339; NJW 1996, 395, 396. 156 Bettermann, Vollstreckung, S. 88.

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Bettermann157 hat mit diesen Erwägungen den Begriff der materiellen Abhängigkeit geprägt. Konkret soll sich die Rechtskraft über präjudizielle Rechtsverhältnisse dann auf einen Dritten erstrecken, wenn die Parteien des präjudiziellen Rechtsverhältnisses eine analoge Wirkung auch durch Rechtsgeschäft herbeiführen können. Der Sieger eines Prozesses soll aus einem Urteil die gleichen Folgen ableiten können wie aus einem rechtsgeschäftlichen Anerkenntnis oder Verzicht.158 Da Urteilswirkungen gegenüber Dritten wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)159 stets problematisch sind, ließe sich diese Wirkung auf Fälle beschränken, in denen sie dem Dritten zumutbar ist.160 Gegen dieses Verständnis sprechen sowohl der Wortlaut als auch die Systematik des Gesetzes. Letztere enthält eine Wertentscheidung des Gesetzgebers mit Abwägung der Interessen: Im Grundsatz bestimmen sich die subjektiven Grenzen der Rechtskraft nach § 325 ZPO. Rechtskrafterstreckungen sind als Ausnahmen selbstständig geregelt.161 Damit räumt das Gesetz dem Interesse Dritter, nicht an die Folgen eines zwischen anderen Parteien geführten Prozesses gebunden zu werden, Vorrang gegenüber dem öffentlichem Interesse ein, zu verhindern, dass die Gerichte mehrfach mit einem Streit befasst werden und dadurch in die Gefahr geraten, sich widersprechende Entscheidungen zu erlassen.162 Außerdem unterscheidet sich eine Verfügung auf Grundlage privater Willensbetätigung schon strukturell von dem Ergebnis richterlicher Erkenntnis.163 Für die vorliegende Bearbeitung braucht das jedoch nicht abschließend entschieden zu werden. Weder bei Versetzung, Einstellung, Ein- oder Umgruppierung noch bei der Kündigung haben es der Betriebsrat und der Arbeitgeber nach materiellem Recht in der Hand, Maßnahmen zu Lasten oder zu Gunsten des Arbeitnehmers zu treffen. Im Rahmen des § 99 BetrVG geht es im Verhältnis Arbeitgeber und Betriebsrat nur um kollektive Rechte und Pflichten, die von dem Individualrechtsverhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber streng zu trennen 157 Bettermann, Vollstreckung, S. 79 ff; ders., FS Baur, S. 273, 284; zust. Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 VI 2c; Huber, JuS 1972, 621, 626; Nottebom, Rechtskrafterstreckung, S. 169 ff, insbes. 180 ff; Olshausen, JZ 1976, 85, 86; Otto, RdA 1989, 247, 254; Schwarze/Hartwig, JuS 2005, 1089, 1093. 158 Huber, JuS 1972, 621, 625 ff. 159 Schack, NJW 1988, 865. 160 A. Blomeyer, ZZP 75 (1962), 1, 10 ff; Bürck, DB 1975, 1829, 1830 f. 161 Vgl. Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 86; MüKo-ZPO-Gottwald, § 325 Rn 3 ff; Musielak-Musielak, § 322 Rn 3; Prütting, RdA 1991, 257, 264 f; abweichend Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 129 ff (Möglichkeit einer analogen Anwendung); vgl. auch Thomas, Bindungswirkung, S. 70 ff, 75 f (keine allgemeinen Grundsätze allgemeiner Drittwirkung, eine Auslegung hinsichtlich einzelner Normen ist aber möglich). 162 Vgl. Wieczorek/Schütze-Büscher, § 325 Rn 4. 163 MüKo-ZPO-Gottwald, § 325 Rn 3; vgl. auch Schlosser, ZPR, Rn 237.

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sind.164 Auch im Falle des § 103 BetrVG wird der Betriebsrat nur unterstützend tätig. Er kann aber mit dem Arbeitgeber keine Regelung treffen, die unmittelbar für und gegen den Arbeitnehmer wirkt. Der Arbeitnehmer kann seine Rechte stets selbst verfolgen. dd) Drittwirkung nur zu Gunsten des Dritten (1) Grundsatz In Betracht kommt weiterhin eine Wirkung der Rechtskraft nur zu Gunsten des Dritten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dadurch nicht verletzt, da dem Dritten keine Nachteile entstehen. Er ist somit nicht schutzwürdig. Dafür spricht auch das Interesse des Staates an der Vermeidung unterschiedlicher Entscheidungen.165 Allerdings lässt sich eine Rechtskraft zu Gunsten des Dritten nicht mit der prozessualen Chancengleichheit vereinbaren.166 Es ist auch nicht einzusehen, warum sich die Urteilsreichweite am Prozessergebnis orientieren soll.167 Dass das Gesetz eine Rechtskraft zu Gunsten des Dritten grundsätzlich nicht vorsieht, ist als Wertentscheidung des Gesetzgebers zu akzeptieren.168 (2) Analogien zu normierten Fällen Allerdings sieht das Gesetz selbst an bestimmten Stellen eine Rechtskraftwirkung zu Gunsten des Dritten vor oder lässt sich so interpretieren, dass sich ein Dritter auf eine Gerichtsentscheidung zu seinen Gunsten berufen kann.169 Diese Regelungen könnten analog angewendet werden. (a) „Einreden“ nach §§ 768 Abs. 1 S. 1, 1137 Abs. 1 S. 1, 1211 Abs. 1 S. 1 BGB Nach § 768 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Daraus folgt auch, dass ein dem Schuldner günstiges Urteil auch zu Gunsten des Bürgen wirkt,170 nicht aber andershe164

s. o. S. 50 ff. Bürck, DB 1975, 1829, 1831. 166 Berger, Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 51 f; Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 88; MüKo-ZPO-Gottwald, § 325 Rn 9; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, ZPR, § 156 Rn 37; vgl. auch BVerfG NJW 1979, 1925 sowie Vollkommer, FS Schwab, S. 503, 508 (gleichmäßige Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang). 167 Berger, Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 51 f. 168 Calavros, Urteilswirkungen zu Lasten Dritter, S. 88; Nottebom, Rechtskrafterstreckung, S. 103 ff, 113 f. 169 Hier sollen nicht abschließend alle normierten Fälle betrachtet werden, sondern nur exemplarisch einige Beispiele. 170 BGH NJW 1970, 279; NJW 1957, 986; Thomas/Putzo-Reichold, § 325 ZPO Rn 5. 165

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rum.171 Diese Wirkung ist dogmatisch aber keine Rechtskraft infolge materieller Abhängigkeit,172 sondern ein Anwendungsfall des § 768 Abs. 1 S. 1 BGB oder folgt aus der Akzessorietät der Bürgschaft.173 Gleiches gilt für § 1137 Abs. 1 S. 1 BGB, der dem Grundstückseigentümer Einreden des Schuldners ermöglicht,174 und § 1211 Abs. 1 S. 1 BGB, der dem Verpfänder selbiges Recht zugesteht.175 Ordnet man die Tatsache, dass sich der Dritte auf die ihm günstige Entscheidung berufen kann, richtigerweise als Folge der ihm zustehenden Einwendungen ein, folgt daraus, dass keine allgemeine Aussage über die Rechtskraft zu Gunsten des Dritten getroffen werden kann. Sollen diese Konstellationen analog angewendet werden, dann nur in Fällen, in denen dem Dritten ebenfalls Einwendungen oder ähnliches zustehen. (b) Rechtskrafterstreckung nach § 124 VVG Nach § 124 VVG wirkt ein Urteil, welches feststellt, dass dem Dritten ein Anspruch gegen den Versicherer oder Versicherungsnehmer nicht zusteht, auch gegenüber Versicherungsnehmer und Versicherer. Darin ist eine wechselseitige Rechtskrafterstreckung in Verfahren mit Beteiligung des Versicherers oder des Versicherungsnehmers zu Gunsten des jeweils anderen zu sehen. Fraglich ist, ob sich aus dieser Norm allgemeine Erwägungen ableiten lassen. Dafür ist ihr Zweck zu hinterfragen. § 124 VVG „reagiert“ auf den Direktanspruch des Dritten gegen den Versicherer nach § 115 VVG. Danach hat der Dritte sowohl die Möglichkeit, gegen den Schädiger zu klagen als auch direkt gegen die Versicherung. Ohne Rechtskrafterstreckung sind beide Klagen hintereinander mit unterschiedlichem Ergebnis möglich. § 124 VVG soll daher verhindern, dass der Versicherer im Wege des Direktanspruchs mehr leisten muss, als der Geschädigte vom Schädiger fordern kann.176 Dem Geschädigten sollen keine zwei Gewinnchancen ermöglicht werden, die aufgrund des Direktanspruchs gegen die Versicherung theoretisch möglich wären. Er könnte erst den einen Prozess betreiben, etwa gegen den Schädiger, und auch im Falle der Niederlage den nächsten, z. B. gegen die 171 BGH NJW 1993, 1594, 1595; NJW 1980, 1460, 1461; Thomas/Putzo-Reichold, § 325 ZPO Rn 5. 172 So aber BGH NJW 1970, 279; Huber, JuS 1972, 621, 624; Thomas/Putzo-Reichold, § 325 ZPO Rn 5. 173 MüKo-BGB-Habersack, § 768 Rn 11; Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 99; Schack, NJW 1988, 865, 870. 174 Palandt-Bassenge, § 1137 Rn 4; Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 99; Erman-Wenzel, § 1137 Rn 4. 175 MüKo-BGB-Damrau, § 1211 Rn 2; Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 99; ErmanMichalski, § 1211 Rn 5. 176 BGH NJW 1982, 999 (zu § 3 Nr. 3 PflVG a. F.); Feyock/Jacobsen/Lemor-Kraftfahrtversicherung-Jacobsen, § 124 VVG Rn 23; Prölss/Martin-VVG-Knappmann, § 124 Rn 2.

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Versicherung.177 Die Norm wurde somit nur geschaffen, um die Übervorteilung einer Partei zu verhindern. Es handelt sich um eine besondere Konstellation, die nicht als grundsätzliche Aussage zur Rechtskraft zu Gunsten Dritter interpretiert werden kann. (c) Rechtskrafterstreckung nach § 407 Abs. 2 BGB § 407 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Rechtskraft eines dem Schuldner günstigen Urteils aus einem Prozess mit dem Zedenten auch gegenüber dem Zessionar wirkt, sofern der Schuldner die Abtretung nicht kannte. Damit soll eine Verschlechterung der Rechtsposition des Schuldners verhindert werden.178 Andernfalls müsste er sich ggf. gegen ein und dieselbe Forderung zweimal verteidigen: erst gegen den Zedenten, dann gegen den Zessionar. Ähnlich wie § 124 VVG trägt auch § 407 Abs. 2 BGB einer besonderen Konstellation Rechnung und kann ebenfalls nicht verallgemeinert werden.179 (d) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass den geregelten Fällen der Rechtskraftwirkung zu Gunsten einer Partei kein allgemeiner Gedanke zugrunde liegt, der es rechtfertigt, die Wirkung auch darüber hinaus zuzulassen. Geregelt sind vielmehr nur Einzelfälle. Insbesondere begünstigen sie nicht „zufällig“ den Dritten, indem sie die eine Wirkung zu seinen Gunsten, aber nicht zu seinen Lasten zulässt und ihm damit die doppelte Gewinnchance einräumt, ihn aber von den Nachteilen verschont. Vielmehr haben der § 407 Abs. 2 BGB und § 124 VVG gemeinsam, dass sie bestehende (prozessuale) „Ungerechtigkeiten“ erst beseitigen. Im Falle des § 124 VVG soll der Dritte gerade nicht die „doppelte Gewinnchance“ erhalten. Bei § 407 Abs. 2 BGB soll der Schuldner davor bewahrt werden, sich in zwei Prozessen gegen dieselbe Forderung verteidigen zu müssen. Diese Normen sprechen daher eher gegen als für eine allgemeine Rechtskrafterstreckung zu Gunsten Dritter. (3) Vergleich mit der Nebenintervention Ein weiteres Rechtsinstitut, das einseitige Bindungswirkungen beschreibt, ist die Interventionswirkung nach § 68 ZPO, die infolge Nebenintervention und Streitverkündung entsteht. Danach wird der Dritte (Nebenintervenient oder Empfänger der Streitverkündung) im Verhältnis zur Hauptpartei mit dem Einwand 177 Vgl. BT-Drs. IV/2252, S. 18 (zu § 3 PfVG Nr. 8 a. F.); vgl. auch zu § 3 Nr. 3 PflVG a. F.: BGH NJW 1982, 999 f; MDR 1979, 835; Schack, NJW 1988, 865, 868. 178 BeckOK-BGB-Rohe, § 407 Rn 1. 179 Vgl. Berger, Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 51 f.

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nicht gehört, der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden. Diese Interventionswirkung180 ist keine Rechtskrafterstreckung.181 Allerdings kann sich der Dritte nicht auf die Unrichtigkeit des Urteils berufen, sondern gerade nur die Hauptpartei. Im Ergebnis führt die Interventionswirkung zu einer Bindungswirkung nur zu Lasten des Dritten.182 Die Nebenintervention zeigt daher nur, dass einseitige Wirkungen möglich sind. Sie liefert aber kein Argument für eine Rechtskraftwirkung gerade zu Gunsten einer Partei. (4) Zwischenergebnis Eine grundsätzliche Rechtskraftwirkung zu Gunsten des Dritten ist abzulehnen. c) Ergebnis Erweiterungen der subjektiven Rechtskraftgrenzen sind teilweise gesetzlich normiert. Über diese Fälle hinaus können keine allgemein gültigen Aussagen zu einer Erweiterung getroffen werden. Vielmehr sind auch hier die engen Grenzen als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu akzeptieren. III. Wirkungen der materiellen Rechtskraft 1. Negative Verfahrensvoraussetzung Die materielle Rechtskraft bewirkt zunächst, dass Klagen mit demselben Streitgegenstand und hinsichtlich des kontradiktorischen Gegenteils als unzulässig abzuweisen sind.183 Das Gericht darf sich nicht nochmals mit der Frage befassen und keine erneute inhaltliche Entscheidung treffen (Wiederholungsverbot).184 Es ergeht lediglich ein Prozessurteil. Die entgegenstehende Rechtskraft ist von Amts wegen zu berücksichtigen.185 180

Dazu s. u. S. 151. Jauernig/Hess, ZPR, § 83 Rn 19; MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 6. 182 BGH NJW 1997, 2385, 2386; NJW 1987, 1894; Jauernig/Hess, ZPR, § 83 Rn 21; Kittner, JuS 1986, 624, 627; K.-P. Martens, ZZP 85 (1972), 77, 82; MüKo-ZPOSchultes, § 68 Rn 10 ff; Wieser, ZZP 79 (1966), 246, 288 ff; a. A. Stein/Jonas-Bork, § 68 Rn 20; Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 198 ff; Lammenett, Drittbeteiligung, S. 157 ff; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 341 ff; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 V 2; Ziegert, Interventionswirkung, S. 182 ff. 183 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 36; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 11; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 151 Rn 10. 184 Berger, Rechtskraft bei der Prozeßstandschaft, S. 2; Bruns, Rn 226a; Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 197; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 14. 185 So schon Hellwig, ZPR, S. 782; Schwartz, FG Dernburg, S. 311, 345 f; ursprünglich wurde von der „Einrede der Rechtskraft“ gesprochen: vgl. Savigny, Römisches Recht, S. 271, 272; Unger, Privatrecht, S. 649; Windscheid, Pandektenrecht, § 130 5b; 181

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2. Präjudizialität Wäre die Wirkung der Rechtskraft aber auf diese unmittelbare Folge beschränkt, könnte – trotz der Klärung einer Rechtsfrage über den Streitgegenstand in Prozess eins – dieselbe Frage als Vorfrage in Prozess zwei erneut entschieden werden. Das soll die Präjudizialität verhindern. Ist einmal eine Entscheidung über einen konkreten Streitgegenstand ergangen, soll diese Frage auch in weiteren Prozessen zwischen den Parteien als feststehend gelten und nicht erneut zur Überprüfung stehen.186 Erreicht der Kläger in Prozess eins die Feststellung, dass er Eigentümer einer Sache ist, steht dessen Eigentümerstellung in einem Schadensersatzprozess des Klägers wegen Beschädigung dieser Sache gegen denselben Beklagten fest. Da die Präjudizialität eine Wirkung der Rechtskraft ist, kann in späteren Prozessen auch nur das als feststehend betrachtet werden, was einmal rechtskräftig geworden ist. Präjudiziell für ein weiteres Verfahren ist daher nur die Aussage über den konkreten Streitgegenstand. Vorfragen oder sonstige Feststellungen in den Urteilsgründen, zu denen sich das Gericht in Prozess eins geäußert hat, nehmen an dieser Bindungswirkung nicht teil. Über sie ist in weiteren Prozessen neu zu entscheiden.187 Wird beispielsweise über eine Mietforderung gestritten und der Beklagte zur Zahlung der Miete verurteilt, wurde inzident das Bestehen eines Mietvertrags geprüft. Dennoch erwächst nur in Rechtskraft, dass dem Kläger ein Anspruch auf diese Forderung zusteht. Das Bestehen des Mietvertrags nimmt an der Rechtskraftwirkung nicht teil.188 3. Präklusion Um den inneren Bestand eines Urteils zu sichern, bewirkt die Rechtskraft außerdem die Präklusion verspäteten Vorbringens zu einem rechtskräftig festgestellten Punkt. Einreden, die sich gegen die bereits festgestellte Rechtsfolge richten, sind ebenso ausgeschlossen, also „präkludiert“, wie Tatsachenbehauptungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits existent waren.189 Da-

ausführlich, aber abl. zu der „Einrede der Rechtskraft“ Gaul, FS Flume, S. 443, 482 ff, 512; grundlegend gegen die „Prozesseinredentheorie“ insgesamt, Bülow, Prozesseinreden und Prozessvoraussetzungen, S. 17 ff, 258. 186 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 51; BeckOK-ZPO-Gruber, § 322 Rn 17; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 Rn 40; Thomas/Putzo-Reichhold, § 322 Rn 9; Zöller-Vollkommer, Vor § 322 Rn 24; vgl. auch BGH NJW 2008, 1227; NJW-RR 2006, 712, 714. 187 BGH NJW-RR 2007, 578, 579; NJW 2003, 3058, 3059; NJW 1965, 693, 694; Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2 a; Jauernig/Hess, ZPR, § 62 Rn 18; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 153 Rn 14; vgl. auch RGZ 144, 54, 61; s. o. S. 129, S. 133 ff. 188 BGH NJW 1965, 693; Jauernig/Hess, ZPR, § 63 Rn 18. 189 Wieczorek/Schütze-Büscher, § 322 Rn 171 f; Jauernig/Hess, ZPR, § 62 Rn 22; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 155 Rn 5.

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bei kommt es nicht darauf an, ob den Parteien die Tatsachen bekannt waren und sie den Sachvortrag vorwerfbar unterlassen haben.190 IV. Abgrenzung Die Rechtskraft ist jedoch nicht die einzige (Bindungs-)Wirkung, die es im Verfahrensrecht gibt. Abzugrenzen ist sie insbesondere von der innerprozessualen Bindungswirkung, von der Tatbestandswirkung sowie von der Gestaltungswirkung und der Interventionswirkung. 1. Innerprozessuale Bindungswirkung Um Widersprüche in einem Gerichtsverfahren zu vermeiden, tritt vor der Rechtskraft eine sog. „innerprozessuale Bindungswirkung“ ein. Diese besagt, dass das Gericht an seine eigene Entscheidung gebunden ist und diese nicht mehr abändern kann (Aufhebungs- und Änderungsverbot191 sowie Abweichungsverbot192), auch bevor die formelle Rechtskraft eintritt (§ 318 ZPO).193 Der Umfang der innerprozessualen Bindungswirkung nach § 318 ZPO entspricht dem Umfang der Rechtskraft. Für das Gericht bindend ist daher der Rechtsfolgenausspruch, nicht die Ausführungen zu Tatbestand und Entscheidungsgründen.194 Im Unterschied zur Rechtskraft besteht die Bindungswirkung nur im Rahmen der konkreten Entscheidung. Andere Gerichte werden nicht gebunden.195 Eine weitere Ausprägung der innerprozessualen Bindungswirkung besteht zwischen den Instanzen. Wird ein Verfahren im Rahmen eines Rechtsmittels an das Ausgangsgericht zurückverwiesen, besteht eine Bindung an die rechtliche Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht (§ 563 Abs. 2 ZPO).196 Im Unterschied zur Rechtskraft ist nicht der konkrete Rechtsfolgenausspruch für das Berufungsgericht bindend, sondern die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts, soweit sie für die Entscheidung tragend war.197

190

Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 230; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 155

Rn 7. 191

BeckOK-ZPO-Elzer, § 318 Rn 2; Musielak-Musielak, § 318 Rn 3. BeckOK-ZPO-Elzer, § 318 Rn 2; Musielak-Musielak, § 318 Rn 4 ff. 193 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 9. 194 G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1043; MüKo-ZPO-Musielak, § 318 Rn 3; Musielak-Musielak, § 318 Rn 2. 195 BeckOK-ZPO-Elzer, § 318 Rn 3. 196 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 10; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1043 (§ 565 Abs. 2 a. F.). 197 BeckOK-ZPO-Kessal-Wulf, § 563 Rn 6; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1043 f; MüKoZPO-Krüger, § 563 Rn 9. 192

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2. Tatbestandswirkung Eine Tatbestandswirkung liegt vor, wenn ein Urteil Tatbestandsmerkmal einer Norm ist und diese Norm bestimmte Rechtsfolgen anordnet.198 Z. B. bestimmt § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass rechtskräftig festgestellte Ansprüche in 30 Jahren verjähren. Für den Eintritt der Verjährung ist das rechtskräftige Urteil damit Tatbestandsvoraussetzung. Nach § 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB hat der Bürge unter gewissen Bedingungen einen Anspruch gegen den Hauptschuldner auf Befreiung, wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erwirkt hat. Hier ist das vollstreckbare (nicht unbedingt rechtskräftige) Urteil Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs.199 Diese Tatbestandswirkung wird nicht vom Gegenstand der Entscheidung umfasst, sondern tritt unabhängig davon automatisch aufgrund der gesetzlichen Anordnung ein.200 Deswegen ist die Tatbestandswirkung kein Problem der Grenzen der Rechtskraft.201 3. Gestaltungswirkung Während die Rechtskraft den inneren und äußeren Bestand eines Urteils sichert, wird mit der Gestaltungswirkung die Rechtslage durch das Urteil für die Zukunft umgestaltet.202 Diese Wirkung tritt gegenüber jedermann, also inter omnes, ein.203 Spricht das Gericht in einem Ehescheidungsverfahren die Scheidung aus, sind die Eheleute geschieden (§ 1564 BGB). Diese „neue“ Rechtslage ist von jedermann zu beachten. Für das Finanzamt oder in einem Erbrechtsstreit sind die Betroffenen keine Eheleute mehr, ohne dass diese Feststellung in einem weiteren Verfahren erneut getroffen werden muss. Aber auch Gestaltungsurteile sind der Rechtskraft fähig.204 Zwar ist deren Bedeutung nicht so hoch wie bei anderen Urteilen, da die Rechtslage selbst schon durch die Gestaltungswirkung geändert wird. Allerdings ist zum einen die formelle Rechtskraft wichtig. Denn erst mit deren Eintritt gilt das Urteil als „endgültig“ und die Gestaltungswirkung tritt ein.205 Zum anderen erlangt auch die materielle Rechtskraft Bedeutung, wenn 198 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 20; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1046; Thomas/ Putzo-Reichhold, § 322 Rn 2. 199 MüKo-ZPO-Gottwald, § 325 Rn 10; Musielak-Musielak, § 325 Rn 4; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 149 Rn 6. 200 Gaul, FS Zeuner, S. 317; Jauernig/Hess, ZPR, § 61 Rn 10; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, ZPR, § 149 Rn 6. 201 Vgl. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 15 f. 202 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 19; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1045; MusielakMusielak, § 322 Rn 63; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 91 Rn 14. 203 Jauernig/Hess, ZPR, § 65 Rn 6; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 58; MusielakMusielak, § 325 Rn 4; Thomas/Putzo-Reichhold, Vor § 263 Rn 6; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 160; umfassend, aber krit. Lakkis, Gestaltungsakte, S. 50 ff. 204 Wieczorek/Schütze-Büscher, § 325 Rn 8; Dölle, ZZP 62 (1941), 281, 283 ff; G. Lüke, JuS 2000, 1042, 1045; Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 58. 205 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 91 Rn 14.

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etwa nach einem Gestaltungsurteil eine Schadensersatzklage erhoben wird. Gleiches gilt, wenn der Unterlegene nach § 812 BGB vorgeht und geltend macht, die Gestaltung sei zu Unrecht erfolgt. Die Gestaltungswirkung schließt diese Klage nicht aus. Hier greift die materielle Rechtskraft ein. Mit dem Gestaltungsurteil steht fest, dass die Berechtigung zur Herbeiführung der Gestaltung besteht.206 4. Interventionswirkung Gemäß § 68 ZPO wird der Nebenintervenient gegenüber der unterstützenden Partei mit der Behauptung nicht gehört, der Prozess sei unrichtig entschieden. Damit wird die Interventionswirkung umschrieben. Sie wird von Amts wegen berücksichtigt.207 Sie ist keine Rechtskraftwirkung oder Drittwirkung der Rechtskraft, sondern eine Entscheidungswirkung eigener Art,208 die sich von dem Umfang der Rechtskraft unterscheidet. Ähnlichkeiten zu einer Rechtskrafterstreckung bestehen aber in subjektiver Hinsicht, da ein Dritter unter bestimmten Voraussetzungen an die Entscheidung gebunden wird.209 Im Gegensatz zur Rechtskraft210 ist die Interventionswirkung nicht auf den Streitgegenstand beschränkt (vgl. § 322 ZPO). Vielmehr erfasst die Interventionswirkung auch sog. tragende Feststellungen. Darunter fallen tatsächliche und rechtliche Feststellungen des Vorprozesses sowie Feststellungen zu präjudiziellen Rechtsverhältnissen, wenn sie für den Streitgegenstand des Erstprozesses erforderlich waren.211 Nicht erfasst sind Hilfserwägungen, obiter dicta212 und abstrakte Rechtsansichten.213

B. Rechtskraft im arbeitsgerichtlichen Verfahren Die oben dargelegten Grundsätze der Rechtskraft gelten zunächst für das zivilrechtliche Urteilsverfahren. Zu untersuchen ist, ob diese Regelungen auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anzuwenden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 206 Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 58 f; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 91 Rn 16; Musielak-Musielak, § 322 Rn 63; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 407 f. 207 Kittner, JuS 1986, 624; Wieczorek/Schütze-Mansel, § 68 Rn 163; Ziegert, Interventionswirkung, S. 209. 208 Jauernig/Hess, ZPR, § 83 Rn 20; MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 6. 209 s. u. S. 290. 210 s. o. S. 126 ff. 211 BGH NJW 1988, 1378, 1379; NJW 1983, 820, 821; BeckOK-ZPO-Dressler, § 68 Rn 9 f; Thomas/Putzo-Hüßtege, § 68 Rn 5; Wieczorek/Schütze-Mansel, § 68 Rn 96, 123, 133; MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 15; Stahl, Beiladung und Nebenintervention, S. 139; Zöller-Vollkommer, § 68 Rn 9; Musielak-Weth, § 68 Rn 4; vgl. auch BGH MDR 2004, 464 („keine Bindung an überschießende Feststellungen“). 212 Wieczorek/Schütze-Mansel, § 72 Rn 4; MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 15; ZöllerVollkommer, § 68 Rn 9; Musielak-Weth, § 68 Rn 4. 213 Zöller-Vollkommer, § 68 Rn 9; Musielak-Weth, § 68 Rn 4; Ziegert, Interventionswirkung, S. 143.

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die Entscheidungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Urteilsverfahren ergehen, während beispielsweise Streitigkeiten des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat im Beschlussverfahren ausgetragen werden. I. Verweis auf die Zivilprozessordnung Das Arbeitsgerichtsgesetz verweist für das arbeitsgerichtliche Verfahren vielfach auf die Zivilprozessordnung, statuiert aber auch gewisse Sonderregelungen. § 46 Abs. 2 ArbGG ordnet für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren die Geltung der Vorschriften der Zivilprozessordnung im amtsgerichtlichen Verfahren an, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz keine Sondervorschriften enthält. Da sich Bestimmungen zur Rechtskraft und sonstigen Urteilswirkungen in den §§ 46 ff ArbGG nicht finden, sind daher die Grundsätze der Zivilprozessordnung anzuwenden. Gleiches gilt für das Beschlussverfahren. § 80 Abs. 2 ArbGG nimmt für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren mit einem Verweis über die Vorschriften zum arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren (§ 46 Abs. 2 ArbGG) ebenfalls die Regelungen der Zivilprozessordnung in Bezug, sofern das Arbeitsgerichtsgesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält.214 Auch für das Beschlussverfahren enthält das Arbeitsgerichtsgesetz keine Sonderbestimmungen, so dass die Vorschriften der Zivilprozessordnung heranzuziehen sind. Die Rechtskraftfähigkeit von Urteilen ergibt sich aus § 322 Abs. 1 ZPO. Beschlüsse sind nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen dann der Rechtskraft fähig, wenn sie rechtskraftfähigen Inhalt haben.215 Für die Rechtskraftfähigkeit arbeitsgerichtlicher Beschlüsse spricht insbesondere, dass § 80 ArbGG die Vorschriften zur Wiederaufnahme anordnet, was aber zunächst materielle Rechtskraft voraussetzt.216 Außerdem spricht § 85 Abs. 1 ArbGG von rechtskräftigen Beschlüssen.217 Arbeitsgerichtliche Urteile und Beschlüsse erwachsen daher mit Ablauf der Rechtsmittel- und Einspruchsfristen in Rechtskraft.218 Mangels Sondervorschriften beschränkt sich die Rechtskraft im Ausgangspunkt entsprechend den zivilprozessualen Grundsätzen in sachlicher Hinsicht auf den Streitgegenstand und personell auf eine Wirkung zwischen den Parteien oder Beteiligten.

214

Zur Auslegung des § 80 Abs. 2 ArbGG s. o. S. 124 f. BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 730R (II.2.) mit Anm. Grunsky, Bl. 732R (1.); AP § 322 ZPO Nr. 14 Bl. 1211 (B.II.1.); Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 II 2; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 Rn 53; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 152 Rn 2. 216 Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 165. 217 Grunsky, Anm. zu BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 732R (1.); Schwarze/ Hartwig, JuS 2005, 1089, 1092. 218 Zur Rechtskraft von Beschlüssen Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 53; speziell im Arbeitsgerichtsverfahren BAG NZA 1996, 1058 m.w. N.; Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 165; Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 22; Schwarze/Hartwig, JuS 2005, 1089, 1092. 215

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft

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II. Wirkungen zwischen Urteils- und Beschlussverfahren Auch wenn Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in Rechtskraft erwachsen, ist zu klären, ob die von der Rechtskraft ausgehenden Wirkungen auch zwischen Urteils- und Beschlussverfahren bestehen. Da das Gesetz selbst nichts zur Rechtskraft von Beschlüssen sagt, ist auch die Suche nach einer Norm hinsichtlich einer Bindungswirkung zwischen den Verfahrensarten vergebens. Der Zweck der Rechtskraft, Schaffung von Rechtsgewissheit für die Parteien sowie die Vermeidung der Doppelentscheidung einer Frage,219 ist ein entscheidendes Argument für eine Rechtskraftwirkung eines Beschlusses für ein Urteilsverfahren und umgekehrt. Dieses Bedürfnis besteht nicht nur innerhalb einer Verfahrensart, sondern besteht allgemein in der deutschen Rechtsordnung. Daher wird überwiegend auch von einer rechtswegübergreifenden Rechtskraft ausgegangen.220 Dann muss aber auch innerhalb eines Rechtswegs die Rechtskraft zwischen verschiedenen Verfahrensarten gelten. III. Besonderheiten im Beschlussverfahren Im Ausgangspunkt gelten die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze der Rechtskraft auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Fraglich ist aber, ob die Besonderheiten des Beschlussverfahrens eine Modifikation, Einschränkung oder Erweiterung erfordern. 1. Beteiligung und Rechtskraft Im Beschlussverfahren gibt es keine Parteien, sondern Beteiligte.221 Dann ist § 325 ZPO entsprechend zu lesen: Die Rechtskraft erstreckt sich im Grundsatz auf die Beteiligten. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob damit alle Beteiligten, d.h. sowohl die formell als auch die materiell Beteiligten, gemeint sind. Dem Rechtsfrieden wäre am meisten mit einer möglichst umfassenden Rechtskraftwirkung gedient. In diesem Sinne könnte die Rechtskraft auf alle, d.h. sowohl die formell als auch die materiell Beteiligten erstreckt werden.222 Dann wären aber auch Subjekte an eine Entscheidung gebunden, die auf diese keinen Einfluss hat-

219

Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 292; vgl. schon o. S. 126 f. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 290 m.w. N. (mit Berufung auf den Zweck der Rechtskraft und der bindenden Wirkung der Entscheidung über den Rechtsweg und entsprechender Verweisungen nach §§ 17, 17a GVG; hierzu Jacobs/Frieling, ZZP 2011, 239 ff). 221 s. o. S. 120. 222 Germelmann-Matthes, 5. Aufl., § 84 Rn 25; anders inzwischen 8. Aufl., § 84 Rn 27 (keine Rechtskraft gegenüber dem fehlerhaft nicht hinzugezogenen materiell Beteiligten). 220

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

ten. Das spricht dafür, eine Rechtskraftwirkung nur für die formell Beteiligten anzunehmen.223 Vor dem Hintergrund, dass die Rechtskraftwirkung in §§ 322, 325 ZPO so eng beschrieben ist, um vor einer Bindung an Feststellungen zu schützen, die nicht im Fokus standen und deren Bindung die Parteien überraschen würde, könnte auch dieses Ergebnis weiter eingeschränkt werden. Denkbar wäre eine Bindung nur des Antragstellers und, wenn man diesen als solchen anerkennt, des Antragsgegners.224 Allerdings enthält das Gesetz für diese Differenzierung keine Anhaltspunkte und würde es von Zufälligkeiten abhängig machen, wer ein Verfahren einleitet.225 Teilweise wird hierin eine unvertretbare Eingrenzung der Rechtskraft gesehen.226 Das letzte Argument ist aber sehr pauschal und wenig aussagekräftig. Daher ist der Blick auf andere Verfahrensordnungen zu richten und zu untersuchen, ob den subjektiven Grundsätzen der Rechtskraft ein gemeinsames System zugrunde liegt. In der Zivilprozessordnung sind nach § 325 Abs. 1 ZPO die Parteien und ihre Rechtsnachfolger an die Entscheidung gebunden. Allerdings kennt der Zivilprozess mit den Nebenintervenienten auch noch andere „Beteiligte“ im untechnischen Sinne. Diese werden zwar nicht von der Rechtskraftwirkung erfasst, unterliegen aber einer sog. Interventionswirkung, die der Rechtskraft ähnelt, teilweise sogar über diese hinausgeht. Die Interventionswirkung soll sich widersprechende Prozessergebnisse in Fällen vermeiden, in denen ein Dritter zu einem Verfahren hinzugezogen wird und auf dessen Verlauf gewissen Einfluss ausüben kann.227 Im Verwaltungsverfahren bestimmt § 121 VwGO, dass sich die Rechtskraft auf die Beteiligten erstreckt. § 63 VwGO regelt diesen Begriff näher. Beteiligte sind danach der Kläger, der Beklagte und der Beigeladene sowie ggf. der Oberbundesanwalt oder die Vertreter des öffentlichen Interesses. Damit werden neben den Parteien auch noch andere Beteiligte an das Urteil gebunden. Rechtlich betrof223 So die wohl hM: ErfKom-Koch, § 84 ArbGG Rn 2; Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 178 ff, 182; Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 31; Prütting, RdA 1991, 257, 260; Weth, Beschlußverfahren, S. 222, 366; vgl. auch BAG NZA 2005, 420, 421; vom 13.12.2005 – Az. 1 ABR 31/03 (B.II.1.); NZA 1996, 1058, 1059; AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 731 (II.2.b.) (Zwar spricht das BAG stets nur von „allen Beteiligten“ ohne auf eine formelle Beteiligung einzugrenzen, die Bedeutung ergibt sich aber aus dem Kontext. In BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 731 (II.2.b.) wird beispielsweise davon ausgegangen, dass die Rechtskraft auch gegenüber dem Betriebsrat wirkt, der am ersten Verfahren nicht als Antragsteller oder -gegner, sondern als sonstiger Beteiligter formell involviert war.). 224 Grunsky, ArbGG, § 80 Rn 50. 225 Vgl. BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 2 Bl. 731 (II.2.b.) (für die Frage, ob die Rechtskraft einer Entscheidung einer abweichenden Beurteilung derselben Frage auch dann entgegensteht, wenn die Art der Beteiligung wechselt). 226 Prütting, RdA 1991, 257, 260, Weth, Beschlußverfahren, S. 366. 227 Vgl. Musielak-Weth, § 66 Rn 1; zur Interventionswirkung s. S. 153, 290.

§ 8 Grundsätze der Rechtskraft

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fene Dritte in die Rechtskraftwirkung einzubeziehen wird als einer der „wesentlichsten Zwecke der Beiladung“ verstanden.228 In der Einbeziehung Dritter kommen sowohl im Zivil- als auch im Verwaltungsprozess zwei Erwägungen zum Ausdruck: Zum einen soll sich die Rechtskraft auf die Subjekte erstrecken, über deren Anliegen entschieden wird.229 Das sind die materiell Beteiligten. Allerdings können nur die Beteiligten gebunden werden, die die Möglichkeit hatten, das Verfahren zu beeinflussen und ihrer Rechtsposition Gehör zu verschaffen.230 Das sind nur die formell Beteiligten. Soll beiden der Erwägungen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Rechnung getragen werden, würde sich die Rechtskraft auf die formell Beteiligten erstrecken, die aufgrund materieller Gesichtspunkte zu Recht beteiligt wurden.231 Dieses Vorgehen würde aber erhebliche Rechtsunsicherheit bewirken, da stets zu untersuchen wäre, ob ein formell Beteiligter materiell tatsächlich betroffen war. Daher bietet es sich an, auf die formell Beteiligten abzustellen.232 Sollte im Einzelfall diese formelle Beteiligung zu Unrecht erfolgt sein, ist die Rechtskrafterstreckung gleichwohl nicht unbillig. Zum einen hat der formell Beteiligte mangels materieller Betroffenheit i. d. R. ohnehin kein Interesse am Verfahren. Auf der anderen Seite hatte er die Möglichkeit sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Rechtskraft erstreckt sich daher im Grundsatz auf die formell Beteiligten. 2. Untersuchungsgrundsatz Weiterhin könnte dem Untersuchungsgrundsatz233 eine erhöhte Richtigkeitsgewähr entnommen werden, die eine erweiterte Rechtskraftwirkung jedenfalls im Beschlussverfahren rechtfertigen könnte. Sie könnte sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht greifen. Da die Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht erfolgt und nicht nur an das Verhalten der Beteiligten gebunden ist, könnte es gerechtfertigt sein, auch Nichtbeteiligte an das Beschlussergebnis zu binden. Außerdem kommt ebenfalls eine Erweiterung der objektiven Rechtskraftgrenzen in Betracht. Die erhöhte Richtigkeitsgewähr könnte ein Argument für eine Bindung der Beteiligten auch an Vorfragen und Tatsachenfeststellungen liefern. Zuzugeben ist diesem Ansatz, dass die Sachverhaltsermittlung durch das Gericht und der Ausschluss gewisser Bestimmungen (z. B. §§ 138 Abs. 3, 288 228

BVerwG NVwZ 1987, 970; Schoch-Clausing, § 121 Rn 97. Vgl. Schoch-Clausing, § 121 Rn 93. 230 Vgl. Schoch-Clausing, § 121 Rn 93; Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 180; Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 31. 231 So wohl GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 23, der unter der Überschrift der „zu Recht Beteiligten“, davon spricht, dass sich die Rechtskraft auf die Beteiligten erstreckt. 232 Wohl hM, s. Teil 2 Fn 223. 233 Zum Untersuchungsgrundsatz s. S. 122. 229

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Teil 2: Verfahrensrechtliche Grundlagen

ZPO)234 zu einer umfassenderen Ermittlung des Geschehens führen.235 Allerdings sollte dieser Effekt nicht überschätzt werden.236 Zum einen führt auch die richterliche Hinweispflicht in Verfahren mit Beibringungsgrundsatz dazu, dass der Sachverhalt so umfassend wie möglich aufgeklärt wird. Auf der anderen Seite ermittelt das Gericht auf Grundlage des Untersuchungsgrundsatzes nicht „ins Blaue hinein“, sondern ist auf die Mitwirkung der Parteien angewiesen (vgl. § 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG).237 Es wird auch nicht über jede Tatsachenbehauptung Beweis erhoben. Tragen die Beteiligten einen Sachverhalt übereinstimmend vor oder wird ein substantiierter Vortrag nicht bestritten, kann eine Beweisaufnahme unterbleiben.238 Außerdem ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber mit der engen Rechtskraft in §§ 322, 325 ZPO eine Grundsatzentscheidung getroffen hat. Ausnahmen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Für die subjektiven Grenzen ist auch der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör zu beachten. Danach ist einem von der Entscheidung unmittelbar Betroffenen grundsätzlich rechtliches Gehör zu gewähren.239 Diese Betroffenheit ist bei Rechtskraftwirkungen zu bejahen.240 Auch wenn zu diesem Grundsatz Ausnahmen durchaus denkbar sind,241 bedürfen sie einer besonderen Rechtfertigung. Im Ergebnis vermag die geringfügig erhöhte Richtigkeitsgewähr aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes eine Rechtskrafterstreckung als Ausnahme von §§ 322, 325 ZPO oder als Besonderheit des Beschlussverfahrens nicht zu rechtfertigen.

§ 9 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 2 1. Eine Besonderheit des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens ist der Untersuchungsgrundsatz. Im Gegensatz zu dem im Urteilsverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz, erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG). In beiden Verfahrensarten gilt jedoch die Dispositionsmaxime. Die Verfahrenssubjekte werden im Urteilsverfahren „Kläger“ und „Beklagter“ und im Beschlussverfahren „Beteiligte“ (§ 83 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 234

ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 1; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 92. Vgl. Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 82. 236 Vgl. Krause, Rechtskrafterstreckung, S. 177. 237 ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 1. 238 BAG NZA 1993, 501; ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 1; Germelmann-Matthes/ Spinner, § 83 Rn 93. 239 BVerfG NJW 1988, 1963; Grunsky, Verfahrensrecht, § 25 II 2b; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 174; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 82 Rn 5; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 Rn 38; Weth, Beschlußverfahren, S. 50. 240 Weth, Beschlußverfahren, S. 61. 241 Dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 82 Rn 5; Weth, Beschlußverfahren, S. 61. 235

§ 9 Zusammenfassung Ergebnisse Teil 2

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ArbGG) genannt. Materiell beteiligt ist, wer vom Verfahrensgegenstand unmittelbar betroffen ist; formell beteiligt ist, wer zum Verfahren tatsächlich hinzugezogen wird. 2. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gelten die Normen der Zivilprozessordnung, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Damit gelten auch die Bestimmungen zur Rechtskraft. Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das Urteil für und gegen die Parteien des Rechtsstreits. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren bedeutet das, dass im Grundsatz die formell Beteiligten des Verfahrens an die Rechtskraft gebunden sind. § 322 Abs. 1 ZPO beschränkt die Rechtskraft auf den „Anspruch“ über den entschieden wurde, d.h. über den Streitgegenstand. Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse sind nicht erfasst. Erweiterungen des Umfangs der Rechtskraft, die nicht gesetzlich vorgesehen sind, sind abzulehnen.

Teil 3

Bindungswirkungen Um zu zeigen, in welchen Fällen eine Bindungswirkung zwischen Entscheidungen aus Beschluss- und Urteilsverfahren relevant werden kann, werden zunächst Rechtsprechung und Literatur zu dieser Thematik dargestellt. Da sich aber weder die Gerichte noch die Literatur zu allen denkbaren Fallgestaltungen geäußert haben, werden im Anschluss alle Konstellationen gezeigt, die mit dieser Arbeit untersucht werden sollen.

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten die allgemeinen zivilprozessualen Regelungen zur Rechtskraft. Auch das Bundesarbeitsgericht verwendet allgemeine, auch im Zivilprozess relevante Begriffe wie „Präklusionswirkung“ 1 oder auch „präjudizielle Wirkung“ 2. In Entscheidungen zu § 103 BetrVG wird daneben aber auch von der „Vorwegnahme“ des Kündigungsschutzprozesses im Zustimmungsersetzungsverfahren3 sowie von „Bindungswirkung“ 4 gesprochen. In anderen Zusammenhängen sind die Begriffe „präjudizielle Bindungswirkung“ 5 und „notwendige materielle Abhängigkeit“ 6 zu lesen. In welchem Kontext diese Begriffe entstanden sind und welche Folgerungen Rechtsprechung und Literatur daraus ziehen, soll hier aufgezeigt werden. Da in der folgenden Untersuchung sowohl die objektiven als auch die subjektiven Grenzen der Rechtskraft eine Rolle spielen, werden hier auch Entscheidungen dargestellt, die die Bindungswirkung zwischen zwei Beschlussverfahren betreffen. Das kann für den objektiven Umfang der Rechtskraft relevant werden.

1 BAG NZA 2000, 1106, 1108 (§ 108 BPerVG); AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 445R ff, insbes. Bl. 449 (II.4.) (§ 103 BetrVG). 2 BAG NZA 1993, 501, 502 f (§ 103 BetrVG). 3 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 215 (B.III.2.); Hess. LAG vom 26.11.2009 – Az. 5 Ta 603/09 Rn 7; LAG B-W NZA-RR 2010, 102, 104 (jeweils § 103 BetrVG). 4 BAG NZA 2000, 1106, 1108 (§ 108 BPerVG); AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448 (II.3.c.) (§ 103 BetrVG). 5 BAG NZA 1988, 287, 288 (§ 113 BetrVG). 6 BAG NZA 1992, 999, 1000 f (§ 112 BetrVG).

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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A. § 103 BetrVG Soll ein Betriebsratsmitglied außerordentlich gekündigt werden, muss der Arbeitgeber gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Da eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung unwirksam ist,7 hat der Arbeitgeber im Falle der Weigerung des Betriebsrats die Möglichkeit beim Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung zu beantragen (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). In diesem Verfahren ist der Arbeitnehmer Beteiligter (§ 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG). Das Gericht wird dem Antrag entsprechen, wenn die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Anschließend kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen.8 I. Rechtsprechung zu § 103 BetrVG 1. Keine entgegenstehende Rechtskraft Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben kann. Schließlich wurde gerichtlich schon geprüft, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG) und im Falle der rechtskräftigen Zustimmungsersetzung vom Gericht bejaht. Das Bundesarbeitsgericht bejaht diese Frage9 und begründet seine Auffassung mit allgemeinen zivilprozessualen Erwägungen. Eine Klage des Arbeitnehmers wegen der „Bindungswirkung“ einer anderen Entscheidung wäre nur dann unzulässig, wenn ihr die Rechtskraft dieser Entscheidung entgegensteht.10 Entgegenstehende Rechtskraft sei zu bejahen, wenn die Kündigungsschutzklage denselben Streitgegenstand betrifft wie die bereits ergangene Entscheidung im Beschlussverfahren. Streitgegenstand im Beschlussverfahren sei die Frage, ob die Zustimmung ersetzt werden kann oder anders ausgedrückt, ob der Betriebsrat die Zustimmung rechtmäßig verweigert hat. Im Urteilsverfahren sei dagegen die Wirksamkeit der Kündigung Streitgegenstand. Damit seien die Streitgegenstände weder identisch noch stünden sie im Verhältnis des kontradiktorischen Gegenteils. Daran ändere die Tatsache nichts, dass im Beschlussverfahren als Vorfrage thematisiert wurde, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist, da Vorfragen grundsätzlich nicht in Rechtskraft erwachsen.11 Der Arbeitnehmer könne daher mangels entgegenstehender Rechtskraft Kündigungsschutzklage erheben. 7

s. o. S. 106. s. o. S. 104. 9 BAG NJW 2003, 1204, 1205; BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 447R (II.2.); BR-Drs. 715/70, S. 53 zu § 103; BT-Drs. VI/1786, S. 53 zu § 103. 10 Dazu S. 149. 11 Dazu S. 129. 8

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Teil 3: Bindungswirkungen

2. Kein fehlendes Rechtsschutzinteresse Der Kündigungsschutzklage fehle auch nicht das Rechtsschutzinteresse, weil im Kündigungsschutzprozess neue für den Arbeitnehmer sprechende Tatsachen denkbar sind.12 3. „Präjudizielle Wirkung“ Dennoch wird in beiden Prozessen die Wirksamkeit der bereits erfolgten oder die Rechtfertigung der angestrebten Kündigung untersucht. In dem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber prüft das Gericht am Maßstab des § 626 Abs. 1 BGB, ob Tatsachen vorliegen, deretwegen dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Im Beschlussverfahren wird im Rahmen der Entscheidung über die rechtmäßige Zustimmungsverweigerung gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG untersucht, ob die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Unabhängig davon, ob beiden Verfahren exakt derselbe Prüfungsmaßstab zugrunde liegt,13 geht es im Kern um die Frage, ob die Kündigung auf einen wichtigen Grund gestützt werden kann. Damit wird dieselbe Rechtsfrage in zwei unterschiedlichen Verfahren geprüft. a) Bindungswirkung der Entscheidung für den Kündigungsschutzprozess Um sich widersprechende Entscheidungen zu verhindern und die Streitigkeit als Ganzes einem Ende zuzuführen, nimmt die Rechtsprechung eine Bindungswirkung der Entscheidung des Beschlussverfahrens für den Kündigungsstreit an.14 Schon im Zustimmungsersetzungsverfahren werde geprüft, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Im Beschlussverfahren werde die für den Kündigungsschutzstreit präjudizielle Feststellung getroffen, dass die Kündigung gerechtfertigt ist. Damit werde der Kündigungsschutzstreit in das Beschlussverfahren „vorverlagert“ 15 und nimmt diesen vorweg.16 Infolgedessen ist der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzstreit ohne Änderung der Tatsachen nicht mehr in der Lage, geltend zu

12

BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 447 (II.1.). Ausführlich s. u. S. 219 ff. 14 BAG NZA 2000, 1106, 1007 f; NZA 1993, 501, 502 f; NZA 1986, 467; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 447R (II.3.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 16 Bl. 1106 (III.2.); Hess. LAG vom 26.11.2009 – Az. 5 Ta 603/09 Rn 7 (juris); LAG B-W NZA-RR 2010, 102, 104; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56c (I.3.). 15 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.). 16 BAG NZA 1986, 467; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.); vgl. auch Hess. LAG vom 26.11.2009 – Az. 5 Ta 603/09 Rn 7 (juris). 13

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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machen, die Kündigung sei in Bezug auf den wichtigen Grund zu Unrecht erfolgt.17 Dabei klärte das Bundesarbeitsgericht zunächst nicht, wie diese Bindungswirkung rechtsdogmatisch einzuordnen ist. Vielmehr erwähnte es in einem die Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG betreffenden Beschluss aus dem Jahr 1974 lediglich, dass der Kündigungsschutzprozess in das Beschlussverfahren „vorverlagert“ wird.18 Ein Jahr später musste sich das Gericht schließlich in einem Urteilsverfahren mit dieser Frage befassen. Im vorangegangenen Beschlussverfahren hatte das Arbeitsgericht die Zustimmung zur Kündigung ersetzt. In einem Kündigungsschutzstreit war nun entscheidend, ob (erneut) zu prüfen war, ob ein wichtiger Grund vorliegt oder ob die Ausführungen im vorangegangenen Beschlussverfahren bindend sind. Mit Berufung auf die Entscheidung aus dem Jahr 1974 nahm das Bundesarbeitsgericht eine Bindungswirkung an. Zur Begründung führte es an, dass durch die rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung im Beschlussverfahren die für den Kündigungsschutzprozess präjudizierende Feststellung getroffen wird, dass eine außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem damaligen Zeitpunkt berechtigt gewesen wäre. Damit nimmt das Bundesarbeitsgericht eine „präjudizielle Wirkung“ an. Diese wirke auch gegenüber dem Arbeitnehmer, da er im Zustimmungsersetzungsverfahren Beteiligter war. In den weiteren Ausführungen kommt zum Ausdruck, dass das Gericht diese Bindungswirkung als Folge der Rechtskraft begreift. Es führt aus: „Die materielle Rechtskraft der im Beschlußverfahren getroffenen Feststellung, daß ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt, wird durch das sog. Präklusionsprinzip ergänzt und abgesichert.“ 19 Demnach kann sich der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzstreit nicht auf Tatsachen stützen, die er in dem vorangegangen Beschlussverfahren erfolglos geltend gemacht hat oder hätte geltend machen können.20 Dieser Linie bleibt das Gericht in späteren Entscheidungen treu. Die angenommene Bindungswirkung wird nicht neu begründet, sondern lediglich die Begrifflichkeiten aus dieser Entscheidung aufgenommen.21 Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts werden damit auch die Interessen des Arbeitnehmers noch stärker gewahrt als im Kündigungsschutzprozess, da im Beschlussverfahren die Offizialmaxime gilt.22 Außerdem werden über die individuellen Belange des Ar17

BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 214r (C.III.1.); Nr. 3 Bl. 447R (II.3.a.). BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.). 19 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 449 (II.3.c.). 20 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448 (II.3.a.). 21 BAG NZA 2000, 1106, 1008 (Präklusionswirkung und Bindungswirkung); BAG NZA 1993, 501, 502 f (präjudizielle Wirkung). 22 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448R (II.3.c.). 18

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Teil 3: Bindungswirkungen

beitnehmers hinaus im Beschlussverfahren auch „die mögl. kollektiven Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft mitberücksichtigt, den betroffenen Arbeitnehmer in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion zu belassen“.23 b) Ausnahmen Die Bindungswirkung soll dann nicht eintreten, wenn der angenommene Gleichlauf zwischen Zustimmungsersetzungsverfahren und Kündigungsschutzstreit nicht besteht. aa) Änderung der Tatsachen Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich die Tatsachen ändern.24 Der Arbeitnehmer kann demnach im Kündigungsschutzprozess Tatsachen vortragen, die im Beschlussverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten. Entscheidend ist hier nicht, ob er diese Tatsachen damals schon vorgetragen hat, sondern ob er sie hätte vortragen können. bb) Noch zu beseitigende Kündigungshindernisse Außerdem kann die präjudizielle Bindungswirkung nicht für solche Kündigungshindernisse gelten, die – wie die fehlende Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung eines Schwerbehinderten – noch nach Abschluss des betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens beseitigt werden können. Auch die erst später mit Rückwirkung festgestellte Schwerbehinderung ist als neue Tatsache im Kündigungsschutzprozess berücksichtigungsfähig.25 c) Erweiterung auf feststellende Beschlüsse Weitergehend soll eine präjudizielle Wirkung auch dann gegeben sein, wenn im Beschlussverfahren festgestellt wird, dass die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nicht nötig ist. Dieser Fall kann eintreten, wenn ein Betriebsratsmitglied zwar nach § 15 Abs. 4 oder Abs. 5 KSchG grundsätzlich ordentlich gekündigt werden kann, wegen einer tarifvertraglichen Klausel eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dennoch nur außerordentlich möglich ist. Zu dieser außerordentlichen Kündigung bedarf es keiner Zustimmung des Betriebsrats.26 Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess könne sich 23 24 25 26

BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448R (II.3.c.); dazu S. 222 ff. BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 35 Bl. 391R (C.II.1.); Nr. 3 Bl. 450 (II.4.). BAG NZA 2000, 1106, 1108. Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 15 KSchG Rn 173, 188.

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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der Arbeitnehmer damit nicht auf eine fehlende Zustimmung des Betriebsrats berufen, weil schon feststehe, dass diese nicht nötig ist. Das soll auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber im Beschlussverfahren zunächst keinen Antrag auf Feststellung der fehlenden Erfoderlichkeit gestellt hat, sondern lediglich die Zustimmung ersetzt haben wollte und entsprechend einem gerichtlichen Hinweis diesen Antrag erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz konkretisiert hat, ohne selbst Beschwerdeführer zu sein.27 II. Literatur zu § 103 BetrVG Die Literatur hat sich zum großen Teil der Rechtsprechung angeschlossen. 1. Kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis Sie teilt zunächst die Einschätzung der Rechtsprechung, dass eine Kündigungsschutzklage auch dann möglich sei, wenn die Zustimmung im Beschlussverfahren ersetzt wurde. Der Kündigungsschutzklage fehle insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis.28 Begründet wird diese Auffassung damit, dass im Zustimmungsersetzungsverfahren beispielsweise noch nicht geprüft werde, ob die Erklärungsfrist und das Schriftformerfordernis gewahrt worden sind, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Kündigung gibt.29 Der Arbeitnehmer habe aber ein Recht auf die Überprüfung der Kündigung.30 2. Keine entgegenstehende Rechtskraft wegen unterschiedlicher Streitgegenstände Auch hinsichtlich der Frage, ob der Kündigungsschutzklage die Rechtskraft des Beschlusses nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG entgegensteht, folgt die Literatur der Rechtsprechung. Mangels identischer Streitgegenstände scheitere die Kündigungsschutzklage nicht an der entgegenstehenden Rechtskraft des Beschlusses.31 27 BAG NZA 1998, 189, 190 mit zust. Anm. Hilbrandt, AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 35 Bl. 1810R ff (IV.); vgl. auch BAG NZA 1997, 607, 608. 28 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 55; Budde, Bindungswirkung, S. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert, § 103 Rn 55; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56a (I.1.); KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 138; ders., DB 1973, 1017, 1022; Fitting, § 103 Rn 47; Heinze, Personalplanung, Rn 676; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 91; Rüthers, SAE 1977, 10, 11 f; Hess/ Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; a. A. Adomeit, DB 1971, 2360, 2364 (Da im Beschlussverfahren der wichtige Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB geprüft werde und der Arbeitnehmer Beteiligter ist, sollte dieses Verfahren abschließend sein. Damit fehlt der Kündigungsschutzklage das Rechtsschutzbedürfnis.). 29 Budde, Bindungswirkung, S. 18; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 54; Etzel, DB 1973, 1017, 1022. 30 Etzel, DB 1973, 1017, 1022.

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Teil 3: Bindungswirkungen

3. Präjudizielle Wirkung a) Präjudizielle Wirkung Inzwischen entspricht es der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, dass die Zustimmungsersetzung für die Kündigungsschutzklage präjudizielle Wirkung entfaltet.32 Es stehe fest, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist33 oder anders ausgedrückt, dass ein wichtiger Grund vorliege.34 Die Kündigungsschutzklage soll daher nur dann Erfolg haben können, wenn Form und Frist der Kündigung nicht eingehalten worden sind oder der Arbeitnehmer neue Tatsachen vorbringt.35 Tatsachen, die schon im

31 Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 695 ff, 702; Budde, Bindungswirkung, S. 21 ff, 37 f; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56b (I.1., 2.); KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 137; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 91; Rüthers, SAE 1977, 10, 12; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34h ff (III.3.c.); Richardi-Thüsing, § 103 Rn 87; vgl. auch v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 151 (wegen unterschiedliche Streitgegenstände kein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis); Hueck, Anm. zu BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 451R; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 40 f sowie Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 103 BetrVG Rn 55 und Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 103 Rn 23 (kann Kündigungsschutzklage erheben); s. auch Peter Hanau, BB 1971, 485, 490 (Beruft sich auf die Gesetzesbegründung, die ausführt, eine Kündigungsschutzklage soll trotz Zustimmungsersetzung weiter möglich sein. Die „Verdoppelung der Verfahren“ sollte aber durch eine Zusammenlegung der Rechtswege vermieden werden.). 32 Boemke, ZfA 1992, 473, 504; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 54; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert, § 103 Rn 55; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56c (I.3.); KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139; ders., § 15 KSchG Rn 43; Fitting, § 103 Rn 47; Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rn 227; Hueck, Anm. zu BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 451R; Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 152; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43; Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 103 BetrVG Rn 55; GK-BetrVGRaab, § 103 Rn 91; Rüthers, SAE 1977, 10, 12; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; Weth, Beschlußverfahren, S. 363; vgl. aber Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 16 f (II.3.c.) (keine präjudizielle Bindungswirkung, sondern echte Rechtskraft, weil das Betriebsratsmitglied Beteiligter mit allen Rechten ist). 33 Boemke, ZfA 1992, 473, 504; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56c (I.3.); KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; Rüthers, SAE 1977, 10, 12; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88; vgl. auch Fitting, § 103 Rn 47. 34 v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 152; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 91. 35 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 54; Kittner/Däubler/ZwanzigerDeinert, § 103 Rn 55, 139; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56c (I.3.), S. 56i (II.); Fitting, § 103 Rn 47; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 153; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 91; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 103 Rn 23; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; Weth, Beschlußverfahren, S. 363.

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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Zustimmungsersetzungsverfahren hätten vorgebracht werden können, seien demgegenüber präkludiert.36 In der präjudiziellen Wirkung wird eine Folge der materiellen Rechtskraft erblickt. Der beteiligte Arbeitnehmer sei an die materielle Rechtskraft des Beschlusses gebunden.37 Wie genau der Umfang der objektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft dabei bestimmt werden soll, wird nur teilweise begründet. Einerseits wird die Natur der Zustimmungsersetzungsentscheidung als Gestaltungsentscheidung herangezogen: „Mit der Zustimmungsersetzungsentscheidung wird zugleich festgestellt, daß für die Ersetzung ein Gestaltungs- und Verpflichtungsgrund bestanden hat, weil die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigt war.“ 38 Es erwachse die Feststellung in Rechtskraft, dass ein Gestaltungsgrund bestand.39 Zum Teil wird dieser Ansatz erweitert und der Gestaltungsgrund als „Berechtigung zur Herbeiführung der Gestaltung überhaupt“ interpretiert, so dass sich die Rechtskraft nicht auf den wichtigen Grund beschränkt, sondern auf die Kündigungsbefugnis überhaupt.40 Andererseits wird die Feststellung im Beschlussverfahren, dass ein wichtiger Grund vorliegt, lediglich als präjudizielle Feststellung qualifiziert, die grundsätzlich nicht an der Rechtskraft des Beschlusses teilnimmt.41 Eine Bindung soll dennoch vorliegen.42 Zwar sei das Kriterium rechtlicher Sinnzusammenhänge43 zu unbestimmt, doch könne eine „normzweckgebundene Einbeziehung präjudizieller Rechtsverhältnisse“ erfolgen.44 Die engen Grenzen der Rechtskraft dürften „nicht hindern, offensichtlich zusammenhängende Streitpunkte zu berücksichtigen“.45 In beiden Verfahren stehe die Befugnis zur Kündigung aus wichtigem Grund im Mittelpunkt.46 Ohne eine Bindung wären widersprüchliche Entschei36 Vgl. Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56i (II.); KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139; Fitting, § 103 Rn 47; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 103 Rn 23; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79. 37 GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 91; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; vgl. auch Boemke, ZfA 1992, 473, 504; Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56 ff (I.3.c.(3)); Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88; a. A. ohne Begründung Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rn 227 (bisher unbekanntes Rechtsinstitut). 38 Boemke, ZfA 1992, 473, 504; ähnlich Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88. 39 Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 135. 40 Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56d (I.3.c.(2)). 41 Vgl. KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139; Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415. 42 Vgl. KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139. 43 Dazu s. o. S. 134. 44 Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415. 45 Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415. 46 Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56f f (I.3.c.(3)); vgl. auch Fitting, § 103 Rn 47.

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Teil 3: Bindungswirkungen

dungen möglich, was als unerträglich empfunden wird.47 Auch die Vermeidung zweier Verfahren wird als Argument angeführt.48 Der Rechtskraftzweck, die Vorhersehbarkeit des Umfangs der Rechtskraft, sei nicht gefährdet.49 Auch würden die Rechte des Arbeitnehmers durch die präjudizielle Wirkung nicht verkürzt, da er im Beschlussverfahren Beteiligter ist.50 Stellt das Gericht im Rahmen der Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags fest, dass die Zustimmung nicht erforderlich war, soll sich die präjudizielle Wirkung auch auf die Frage der Erforderlichkeit erstrecken.51 b) Keine präjudizielle Wirkung Obwohl die präjudizielle Wirkung inzwischen ganz herrschende Meinung ist, hat v. a. das ältere Schrifttum die Rechtsprechung kritisiert und eine präjudizielle Wirkung abgelehnt.52 Zwar wirke die Rechtskraft einer Entscheidung, die auch eine präjudizielle Wirkung entfaltet, gegenüber allen Beteiligten und damit wegen § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG auch gegenüber dem Arbeitnehmer.53 Im Zustimmungsersetzungsverfahren werde rechtskräftig aber nur darüber entschieden, ob die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen ist.54 Nicht in Rechtskraft erwachse die Feststellung, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.55 Darin sei lediglich eine Vorfrage der Zustimmungsersetzung zu erblicken.56 Der Arbeitnehmer kann sich im Individualprozess daher nicht mehr 47

Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56f f (I.3.c.(3)). Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 103 BetrVG Rn 55; vgl. auch Rüthers, SAE 1977, 10, 12. 49 Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56f f (I.3.c.(3)). 50 Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43. 51 KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 127; Hilbrandt, Anm. zu BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 35 Bl. 1810R ff (IV.); Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 103 BetrVG Rn 55; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 92. 52 Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff; Etzel, DB 1973, 1017, 1023; Heinze, Personalplanung, Rn 673 dort Fn 1000; Helm/Müller, AiB 1999, 604; Maurer, BB 1972, 971; Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34f ff (III.3.); vgl. auch Gumpert, BB 1972, 47, 51 (Gericht kann im Urteilsverfahren auch zu dem Ergebnis kommen, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt ist); im Ergebnis auch Peter Hanau, BB 1971, 485, 490 (unterscheidet nicht zwischen entgegenstehender Rechtskraft und präjudizieller Wirkung und beruft sich nur auf die Gesetzesbegründung, die die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage vorsieht); vgl. auch Budde, Bindungswirkung, S. 40, 60 ff, 86 (zwar keine präjudizielle Wirkung, Bindungswirkung aber aufgrund einer Analogie zu §§ 126, 127 InsO). 53 Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff. 54 Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff; Etzel, DB 1973, 1017, 1023. 55 Etzel, DB 1973, 1017, 1023. 56 Etzel, DB 1973, 1017, 1023; Helm/Müller, AiB 1999, 604; Maurer, BB 1972, 971; Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34h (III.3.c.); vgl. auch Budde, Bindungswirkung, S. 40, 60 ff; Heinze, Personalplanung, Rn 673 Fn 1000. 48

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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darauf berufen, die Zustimmung des Betriebsrats sei zu Unrecht ersetzt worden.57 Weitere Wirkungen hat die Rechtskraft nicht.58 Andernfalls wäre auch der Kündigungsschutzprozess überflüssig.59 Auch eine Zwischenfeststellungsklage wäre sinnlos.60

B. § 99 BetrVG – Versetzung Vor einer Versetzung bedarf es nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Erreicht der Arbeitgeber die Zustimmung nicht, muss er das Arbeitsgericht anrufen, um sie ersetzen zu lassen. Daneben ist es denkbar, dass der Arbeitnehmer sich individualrechtlich gegen die Versetzung wehrt und je nach arbeitsvertraglicher Grundlage der Versetzung entweder eine Änderungsschutzklage erhebt oder nach §§ 315 BGB, 106 GewO vorgeht. I. Rechtsprechung zu § 99 BetrVG – Versetzung Im Rahmen der Versetzung hat sich die Rechtsprechung nur sehr vereinzelt zu einer möglichen Wirkung des Beschlussverfahrens auf den Individualprozess geäußert. 1. Keine präjudizielle Wirkung mangels Beteiligung Zunächst haben die Gerichte die Frage nur nebenbei beantwortet, wenn geklärt wurde, ob der Arbeitnehmer an dem entsprechenden Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen ist. Die Rechtsprechung lehnte die Beteiligung des Arbeitnehmers ab, weil er nicht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position betroffen sei.61 Außerdem entfalte die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG keine präjudizielle Wirkung.62 In einer neueren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt, dass jedenfalls zu Lasten des Arbeitnehmers keine präjudizielle Wirkung eintrete.63 Eine Begründung wurde jedoch nicht angeführt. Vielmehr hat das Gericht auf andere, hauptsächlich zur Eingruppierung ergangene Entscheidungen verwiesen.64 57

Etzel, DB 1973, 1017, 1023; Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff. Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff. 59 Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff. 60 Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34h (III.3.c.). 61 Vgl. BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 391 (II.3.); LAG Sachsen NZA-RR 2001, 641 f; zur Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position s. S. 254 ff. 62 Vgl. BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 391R f (II.3.); LAG Sachsen NZA-RR 2001, 641 f. 63 BAG AP § 307 BGB Nr. 26 Bl. 388 (I.). 64 BAG AP § 307 BGB Nr. 26 Bl. 388 (I.) verweist auf BAG NZA 1995, 484 (Eingruppierung: Arbeitnehmer kann sich auf die festgestellte Vergütungsgruppe berufen, kann aber auch eine bessere Vergütungsgruppe geltend machen); BAG AP § 101 58

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Teil 3: Bindungswirkungen

2. Bindung an die Entscheidung Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht auch schon erwähnt, der Arbeitnehmer müsse sich „auf die bestandskräftige Entscheidung eines Beschlussverfahrens verweisen lassen“.65 In dieser Entscheidung ging es jedoch um den Sonderfall der Versetzung eines schwerbehinderten Menschen auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat nach § 81 Abs. 4 SGB IX einen entsprechenden Beschäftigungsanspruch. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats werden davon jedoch nicht berührt.66 Im Gegensatz zu anderen Versetzungen besteht hier die Besonderheit, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den neuen Arbeitsplatz nicht aufgrund freier Entscheidung zuweisen will, sondern der Arbeitnehmer darauf einen Anspruch hat. Im konkreten Fall begehrte der schwerbehinderte Arbeitnehmer eine Versetzung, die der Arbeitgeber nicht durchführen wollte. Er verwies u. a. auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrats. Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ungeachtet § 81 Abs. 4 SGB IX bestehen. Aufgrund des aus dieser Norm folgenden Anspruchs des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber angehalten, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, sofern nicht von vornherein feststeht, dass dieses aussichtslos ist. Wird die Zustimmung nicht ersetzt, ist der Arbeitnehmer an die Entscheidung gebunden. Es wäre dem Arbeitgeber nämlich unzumutbar, eine Maßnahme durchzuführen, von der „gegenüber dem Betriebsrat feststeht, dass sie unzulässig ist“.67 3. Bindung an vorgreifliche Feststellung Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht eine Bindung an die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ergangene Entscheidung sogar dann bejaht, wenn im folgenden Beschlussverfahren streitig war, ob die Zustimmung überhaupt erforderlich war.68 Konkret ging es um die Versetzung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden von einem Werk in W in ein Werk in P. Im Zustimmungsersetzungsverfahren hat der Arbeitgeber beantragt, die Zustimmung zu ersetzen und hilfsweise festzustellen, dass eine Zustimmung nicht erforderlich war. Das Landesarbeitsgericht lehnte den Ersetzungsantrag ab, weil es eine Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG für unnötig befand. Allerdings hat es auch den

BetrVG 1972 Nr. 6 (Eingruppierung: Arbeitnehmer ist nicht Beteiligter; keine präjudizielle Wirkung); LAG Sachsen NZA-RR 2001, 641 f (Versetzung: keine präjudizielle Wirkung; keine Begründung); Rspr. zu Ein- und Umgruppierung s. u. S. 176. 65 BAG NZA 2003, 1215, 1218. 66 Vgl. BAG NZA 2003, 1215 ff. 67 BAG NZA 2003, 1215, 1218. 68 BAG NZA 1990, 314 ff, insbes. 316; krit., aber Zustimmung aus praktischen Gründen Fastrich, SAE 1992, 13; vgl. auch Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415.

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, dass dem Betriebsrat kein Beteiligungsrecht zusteht, abgelehnt. Die Frage sei schon im Rahmen des Hauptantrags geklärt worden. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Daraufhin verweigerte der Arbeitgeber dem Betriebsratsvorsitzenden den Zutritt zu dem Werk in W. In einem weiteren Beschlussverfahren haben Betriebsrat und der (freigestellte) Betriebsratsvorsitzende beantragt, Letzterem Zutritt zum Betriebsgelände in W zu gewähren und ihn seine Betriebsratstätigkeit ausführen zu lassen. Er sei dort noch Arbeitnehmer, weil die Versetzung rechtswidrig war. Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung, eine Prüfung, ob der Betriebsrat in W zu beteiligen war, könne nicht erfolgen. Vielmehr ginge von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eine präjudizielle Wirkung aus. Es stehe mithin fest, dass der Betriebsrat nicht zu beteiligen war. Zur Begründung wird ausgeführt, dass im vorhergehenden Zustimmungsersetzungsverfahren die Zustimmung deswegen nicht ersetzt wurde, weil sie nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht notwendig war. Grundsätzlich sei der Gegenstand der materiellen Rechtskraft die gerichtliche Entscheidung über den prozessualen Anspruch. Da im Tenor einer abweisenden Entscheidung aber nicht erkennbar ist, welches der in Rechtskraft erwachsende Subsumtionsschluss ist, ist auf die tragenden Abweisungsgründe zurückzugreifen. Als tragende Gründe ordnet das Bundesarbeitsgericht hier den Umstand ein, dass der Antrag allein mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass dem Betriebsrat in W kein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zustand. Damit sei auch dieser Subsumtionsschluss in Rechtskraft erwachsen. Im Ergebnis hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, aufgrund des zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrags steht auch für den Folgeprozess fest, dass eine Zustimmung nicht erforderlich war. In einer weiteren Entscheidung greift das Bundesarbeitsgericht dieses Ergebnis auf und begründet eine „Rechtskrafterstreckung“ damit, dass der Betriebsrat im „vorausgegangenen Beschlussverfahren die Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebs zu vertreten hatte“ und beruft sich auf den „Gedanken der Repräsentation, wie er für den Bereich des Tarifrechts in § 9 TVG einen positiv-rechtlichen Ausdruck gefunden hat“.69 In diesem Verfahren wurde aber nicht um eine Zustimmungsersetzung gestritten. Vielmehr wurde im Beschlussverfahren eine Feststellungsentscheidung getroffen, mit der zwischen Arbeitgeber und Belegschaftsvertretung rechtskräftig feststand, dass Letztere kein (weiteres) Mitbestimmungsrecht hat.70 Diese Feststellung soll auch im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich sein. Die Ausführungen im Individualprozess beziehen 69

BAG NZA 1997, 607, 608. Im konkreten Fall stritten die Stadt und der Personalrat. Die Stadt beantragte die Feststellung, dass in den Fällen des § 98 Abs. 4 SachsAnhPersVG der Dienststellenleitung nach Abschluss des Verfahrens vor der Einigungsstelle eine Letztentscheidungskompetenz zusteht. 70

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Teil 3: Bindungswirkungen

sich daher nicht auf eine Bindung an die Erforderlichkeit der Zustimmung bei zurückgewiesenem Zustimmungsersetzungsantrag als objektiven Aspekt der Rechtskraft. Vielmehr soll die Rechtskraftwirkung zwischen Arbeitgeber und Belegschaftsvertretung auf die Arbeitnehmer übertragen werden, was den Bereich der subjektiven Grenzen der Rechtskraft betrifft. 4. Exkurs: Feststellung, dass die Zustimmung nicht erforderlich ist Außerdem geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass der Zustimmungsersetzungsantrag nicht zurückgewiesen werden muss, wenn die Zustimmung bereits nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt. Vielmehr müsse das Gericht auch ohne entsprechenden Antrag feststellen, dass die Zustimmung als erteilt gilt.71 Das folge daraus, dass der Arbeitgeber mit dem Zustimmungsersetzungsantrag nur „seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen will [. . .] und dabei nicht erkennt, daß die Zustimmung des Betriebsrats schon als erteilt gilt“.72 Ihm soll nicht das Risiko auferlegt werden, verkannt zu haben, dass die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG nicht erforderlich ist. Einen Verstoß gegen § 308 ZPO sieht das Gericht darin nicht. Vielmehr wird der Zustimmungsersetzungsantrag als Begehren über „eine dem Betriebsrat gegenüber wirkende Entscheidung über die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten personellen Maßnahme“ verstanden.73 Die ältere Rechtsprechung hatte in diesem Fall noch verlangt, dass der Arbeitgeber die Feststellung, dass die Zustimmung als erteilt gilt, im Hauptantrag und die Ersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG im Hilfsantrag stellt.74 Bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er die Zustimmung nicht für erforderlich hält und will mit dem Zustimmungsersetzungsantrag nur seiner Verpflichtung nachkommen, sollte das Gericht auf eine Antragsänderung hinwirken.75 II. Literatur zu § 99 BetrVG – Versetzung Auch in der Literatur sind die Aussagen und Begründungen zu den Auswirkungen der Zustimmungsersetzungsentscheidung auf den Individualprozess begrenzt.

71 BAG NZA 1989, 355, 357 f; zust. Dütz, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 34 Bl. 794R f (I.3.); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 207; Fitting, § 99 Rn 285; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 286; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 179 (Zustimmung aus Gründen der Prozessökonomie). 72 BAG NZA 1989, 355, 358. 73 BAG NZA 1989, 355, 358. 74 BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 23 Bl. 1431R (II.1.) (Umgruppierung); Nr. 11 Bl. 777 (II.2.). 75 BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 11 Bl. 777 (II.2.).

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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1. Beteiligung a) Keine Beteiligung des Arbeitnehmers Die herrschende Meinung lehnt eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG ab.76 Begründet wird diese Auffassung nur selten. Es wird argumentiert, der Arbeitnehmer sei „nicht Beteiligter des betriebsverfassungsrechtlichen Entscheidungsprozesses“ 77 oder anders ausgedrückt, im Beschlussverfahren werde nicht die Rechtsstellung des Arbeitnehmers – kein Individualanspruch78 – „verhandelt“.79 b) Beteiligung des Arbeitnehmers Vereinzelt wird auf die faktischen Wirkungen des Beschlussverfahrens abgestellt und eine Beteiligung befürwortet.80 Wird etwa der Einstellung nicht zugestimmt, dürfe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen;81 wird die Zustimmung nicht ersetzt, könne der Arbeitgeber ihn nicht versetzen, da er sonst dem Verfahren nach § 101 BetrVG ausgesetzt ist.82 2. Präjudizielle Wirkung a) Keine präjudizielle Wirkung Auch eine präjudizielle Wirkung wird hauptsächlich abgelehnt.83 Eine Begründung erfolgt ebenfalls nur teilweise: Im Zustimmungsersetzungsverfahren gehe es ausschließlich darum, ob der Widerspruch des Betriebsrats begründet ist. Eine Entscheidung über die individualrechtliche Zulässigkeit der konkreten Maßnahme erfolge dagegen nicht. Der Streitgegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens sei weder mit dem des Individualprozesses identisch noch eine Vor76 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 243, 247; GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 81; vgl. auch Fitting, § 99 Rn 288; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 184; Henssler/ Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 98; Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 (II.3.a.); Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 196; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 307. 77 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 243, 247. 78 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 81. 79 Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 (II.3.a.). 80 Grunsky, SAE 1983, 22, 23; ders., ArbGG, § 83 Rn 14; V. Schmidt, Anm. zu BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 397 (A.8.); Schwab/Weth, § 83 Rn 66. 81 Grunsky, SAE 1983, 22, 23. 82 V. Schmidt, Anm. zu BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 397 (A.8.). 83 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 248; Boemke, ZfA 1992, 473, 504 f; Grunsky, SAE 1983, 22, 23; Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 130; Henssler/Willemsen/ Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 92; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 308; Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 ff (II.3.a., b.).

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frage für diesen.84 Teilweise wird gegen eine Bindungswirkung angeführt, der Arbeitnehmer sei nicht Beteiligter des Beschlussverfahrens.85 Vielfach wird einfach auf die Rechtsprechung verwiesen.86 b) Präjudizielle Wirkung Konzen dagegen bejaht eine Präjudizialität hinsichtlich des einen, im Zustimmungsersetzungsverfahren geklärten Merkmals, nämlich, ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliegt.87 Er geht aber entgegen der hier vertretenen Auffassung88 von der Prämisse aus, der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers scheitere allein an der fehlenden Zustimmung.89 Unter Berufung auf die Rechtsprechung zu § 81 Abs. 4 SGB IX wird außerdem behauptet, die Entscheidung des Zustimmungsersetzungsverfahrens sei auch für den Arbeitnehmer verbindlich.90 3. Bindung an vorgreifliche Feststellungen Wird der Zustimmungsersetzungsantrag mangels Erforderlichkeit der Zustimmung abgelehnt, soll sich die Rechtskraft auch auf die Feststellung der fehlenden Erforderlichkeit erstrecken.91 Damit wird wiederum der Rechtsprechung gefolgt: Man „kann dem Senat zustimmen, wenn er aus Gründen der Praktikabilität und Verfahrensökonomie die objektiven Grenzen der Rechtskraft nicht allzu eng sieht.“ 92 Auch die Argumentation der Rechtsprechung93 wird aufgegriffen: Bemüht sich der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht einzuhalten, soll er geschützt werden. Es würde eine unnötige Formalie darstellen, vom Arbeitgeber zu

84 Boemke, ZfA 1992, 473, 504 f (allgemein zu § 99 Abs. 4 BetrVG); vgl auch Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 ff (II.3.a., b.). 85 Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 130. 86 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 248 (zitiert LAG Sachsen NZARR 2001, 641 zur Versetzung); Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 92 (zitiert BAG AP § 307 BGB Nr. 26 zur Versetzung); Richardi-Thüsing, § 99 Rn 308 (zitiert BAG NZA 1995, 484 zur Ein- und Umgruppierung); a. A. Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 ff (II.3.a., b.) (Beteiligung und präjudizielle Wirkung bedingen sich nicht). 87 Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415, 425 ff, 429. 88 s. o. S. 84 ff. 89 Konzen, FS Zeuner, S. 401, 414. 90 Ascheid/Preis/Schmidt-Vossen, § 85 SGB IX Rn 19a (zitiert BAG NZA 2003, 1215, dazu s. o. S. 170). 91 Fastrich, SAE 1992, 13, 16 f; vgl. Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415. 92 Fastrich, SAE 1992, 13, 17. 93 s. o. S. 170 f.

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verlangen, den Antrag, dass die Zustimmung nicht erforderlich ist, als Hauptund den Zustimmungsersetzungsantrag als Hilfsantrag zu stellen.94 Dem wird entgegengehalten, der Streitgegenstand im Zustimmungsersetzungsverfahren sei die Behauptung, die Voraussetzungen der Zustimmungsersetzungsentscheidung lägen vor. Das impliziere, eine zustimmungspflichtige Maßnahme liegt vor. Es drückt gerade nicht aus, dass eine zustimmungspflichtige Maßnahme nicht vorliege.95 4. Exkurs: Feststellung, dass die Zustimmung nicht erforderlich ist Die Literatur folgt der Rechtsprechung auch in dem Punkt, dass der Zustimmungsantrag nicht zurückgewiesen werden dürfe, wenn die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt. Vielmehr sei festzustellen, dass die Zustimmung als erteilt gilt.96 Das soll auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.97 Als Argument wird Prozessökonomie angeführt.98

C. § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ein- oder umgruppieren, hat er die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, § 99 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BetrVG. Wird diese verweigert, muss der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Gleichzeitig ist denkbar, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Urteilsverfahren über die richtige Vergütungsgruppe streiten. Möglich ist z. B. ein Feststellungsantrag des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer entsprechend einer bestimmten Vergütungsgruppe zu entlohnen ist.99 Außerdem kann sich der Arbeitnehmer mit einer Änderungsschutzklage gegen eine Versetzung und damit einhergehende Umgruppierung wehren.100 Daneben kommt eine Leistungsklage des Arbeitnehmers auf Lohnzahlung in Betracht. Da der Arbeitnehmer unabhängig von der Eingruppierung einen Anspruch auf den Lohn nach der für ihn zu94

Fastrich, SAE 1992, 13, 17. Boemke, ZfA 1992, 473, 510 f. 96 Dütz, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 34 Bl. 794 f (I.3.); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 240; Fitting, § 99 Rn 285; ErfKom-Kania, § 99 BetrVG Rn 43; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 179; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 191; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 286. 97 Dütz, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 34 Bl. 794 f (I.3.); GK-BetrVGRaab, § 99 Rn 179; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 286. 98 GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 179. 99 Vgl. BAG AP § 59 HGB Nr. 24 (Arbeitgeber beantragt festzustellen, dass ein bestimmter Tarifvertrag Anwendung findet, in der Sache geht es aber um die Eingruppierung des Arbeitnehmers). 100 Vgl. BAG NZA 2009, 505. 95

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treffenden Vergütungsgruppe hat,101 kann er auf Zahlung klagen, wenn ihn der Arbeitgeber nach einer, seiner Auffassung nach, zu niedrigen Vergütungsgruppe entlohnt. I. Rechtsprechung zu § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung Präjudizielle Bindungswirkung Auch im Rahmen von Eingruppierungsstreitigkeiten spricht die Rechtsprechung von präjudizieller Bindungswirkung. 1. Ursprünglich: Ablehnung einer Bindungswirkung Zunächst wurde eine präjudizielle Wirkung allerdings verneint.102 Konkret hatte das Bundesarbeitsgericht über einen Antrag des Arbeitgebers zu entscheiden, der die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrags auf den Arbeitnehmer festgestellt haben wollte. Bei Anwendung dieses Tarifvertrags wäre der Arbeitnehmer nach einer vom Arbeitgeber favorisierten Vergütungsgruppe zu entlohnen gewesen. Im Vorfeld des Urteilsverfahrens wurde die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zu der damit verbundenen Eingruppierung gerichtlich ersetzt. Das Bundesarbeitsgericht legte seiner Entscheidung im Urteilsverfahren nicht die im Zustimmungsersetzungsverfahren gemachten Ausführungen zugrunde, sondern beurteilte die Frage eigenständig. Zur Begründung wurde angeführt, die rechtskräftige Entscheidung im Beschlussverfahren besage nur, dass der Betriebsrat nicht berechtigt war, die Zustimmung aus einem in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten und von ihm geltend gemachten Grund zu verweigern. Dadurch werde keine unmittelbare Entscheidung über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags, also über die Eingruppierung an sich, getroffen. Das Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG kläre nur Rechte des Betriebsrats. Dieser dürfe die Zustimmung nur aus bestimmten Gründen verweigern und nur darüber dürfe das Gericht entscheiden. Dagegen diene das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht der verbindlichen Festlegung von Rechten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dabei lehnte das Bundesarbeitsgericht auch und gerade wegen der mangelnden präjudiziellen Wirkung die Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren ab.103 101

s. o. S. 40, S. 55. BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 806 (I.); BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 991R (B.I.); BAG AP § 59 HGB Nr. 24 Bl. 919; vgl. auch BAG NZA 1993, 664, 667. 103 BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 991R (B.I.); AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 805 f (I.); a. A. ohne Begründung noch BAG AP Nr. 6 zu § 61 BetrVG; BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 374R (zur Einstellung mit Berufung auf eine unmittelbare Betroffenheit). 102

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2. Später: „Bindungswirkung“ und „Verbindlichkeit“ der Entscheidung Später ging das Bundesarbeitsgericht dann von „rechtlicher Verbindlichkeit“ 104 der Feststellungen im Beschlussverfahren aus, ohne von „präjudizieller Wirkung“ zu sprechen. a) Arbeitnehmer kann Anspruch auf die gerichtliche Entscheidung stützen Wird in einem Zustimmungsersetzungsverfahren eine Entgeltgruppe als zutreffend ermittelt oder als unzutreffend ausgeschlossen, soll der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch unmittelbar auf die gerichtliche Entscheidung stützen können.105 Zwar sei die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen ein Instrument des Interessenausgleichs und habe nicht den Zweck, eine abschließende Klärung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erreichen. Allerdings könnten sich Wirkungen im Verhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber dennoch ergeben. Hierzu vergleicht das Bundesarbeitsgericht die Konstellation mit Fällen der Versetzung und Einstellung.106 b) Keine Wirkungen zum Nachteil des Arbeitnehmers Allerdings soll das Beschlussverfahren keine Bindungswirkung zu Lasten des Arbeitnehmers begründen. Nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber, soll sich auf eine im Beschlussverfahren festgestellte Vergütungsgruppe berufen können. Der Arbeitnehmer soll auch eine günstigere als die ermittelte Vergütungsgruppe geltend machen können.107 Demgegenüber kann der im Beschlussverfahren unterlegene Arbeitgeber im Urteilsverfahren nicht erneut die gerichtlich bereits abgelehnte Vergütungsgruppe überprüfen lassen. Diese „partielle Bindungswirkung“ oder „begrenzte präjudizielle Wirkung“ 108 soll auch in einem dem Beschlussverfahren nachfolgenden Änderungsschutzstreit gelten: Hat wegen der Eingruppierung des Arbeitnehmers ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG stattgefunden, soll sich der Arbeitgeber im Rechtsstreit über eine Änderungskündigung nicht auf die Maßgeblichkeit einer dem Ergebnis des durchgeführten Beschlussverfahrens widersprechenden Eingruppierung berufen können. Dagegen wäre es dem Arbeitnehmer möglich, sich unmittelbar auf das Ergebnis des Beschlussverfahrens zu stützen. Voraussetzung ist, dass die zutreffende Eingruppierung des Arbeitnehmers im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG Gegenstand einer sachlichen Prüfung war und zu tat104 105 106 107 108

BAG NZA 1995, 484, 487. BAG NZA 1995, 484, 487. BAG NZA 1995, 484, 487; krit. Pallasch, SAE 1995, 37 ff. BAG NZA 1995, 484; vgl. auch BAG NZA 2009, 505, 508. So BAG NZA 2009, 505, 508.

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sächlichen Feststellungen hinsichtlich einer bestimmten Vergütungsgruppe geführt hat.109 Im Ergebnis bedeutet das, die Änderungskündigung ist ohne erneute Prüfung der Vergütungsgruppe sozial ungerechtfertigt, wenn die vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe im Beschlussverfahren als unzutreffend eingestuft wurde.110 Dabei betont das Bundesarbeitsgericht, dass nicht die fehlende Zustimmung des Betriebsrats als solche die soziale Rechtfertigung entfallen lässt, sondern die vom Arbeitgeber falsch ermittelte Vergütungsgruppe. Da diese Feststellung im Rahmen des Beschlussverfahrens schon einmal getätigt wurde, muss sie nicht erneut vorgenommen werden. Darüber hinaus kann sich der Arbeitnehmer auf das ihm günstige Ergebnis einer festgestellten Vergütungsgruppe berufen, etwa im Rahmen einer Klage auf Lohnzahlung. II. Literatur zu § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung Auch im Rahmen von Ein- und Umgruppierung fehlt eine ausführliche Auseinandersetzung der Literatur mit einer möglichen Bindungswirkung der Entscheidung des Beschlussverfahrens für den Individualprozess. Vielfach werden Behauptungen aufgestellt oder schlicht die Rechtsprechung zitiert. 1. Unterschiedliche Streitgegenstände Zunächst wird festgestellt, dass das Zustimmungsersetzungsverfahren und der Individualprozess unterschiedliche Streitgegenstände haben.111 2. Präjudizielle Wirkung a) Keine Beteiligung und keine präjudizielle Wirkung Zum Teil wird mit der älteren Rechtsprechung eine präjudizielle Wirkung abgelehnt.112 Begründet wird diese Auffassung teilweise mit der mangelnden Beteiligung des Arbeitnehmers.113 Gegen eine präjudizielle Wirkung wird außerdem 109

BAG NZA 2009, 505, 508. So BAG NZA 2009, 505, 508. 111 Busemann, NZA 1996, 681, 684. 112 Grunsky, SAE 1983, 22, 23 (allgemein zu § 99 Abs. 4 BetrVG); Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rn 227; Konzen, FS Zeuner, S. 401, 429; Pallasch, SAE 1995, 37, 41 f; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 92 (allgemein zu § 99 Abs. 4 BetrVG); Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 192 (unter Berufung auf BAG AP § 59 HGB Nr. 24); vgl. Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 810 (A.II.1.b.). 113 Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rn 227; Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 810 (A.II.1.b.). 110

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argumentiert, dass eine „Präklusionswirkung“ den Individualanspruch in das Beschlussverfahren vorverlagern würde. Nach der Intention des Gesetzes solle die Mitbeurteilung den Individualanspruch aber gerade nicht berühren.114 Zweck des Mitbestimmungsrechts sei nicht „die konstitutive Feststellung der richtigen Vergütungsgruppe, sondern ein präventives Mitbeurteilungsrecht bei der Prüfung der Eingruppierungsvoraussetzungen“.115 Außerdem mache eine „Präklusionswirkung“ nur Sinn, wenn das Beschlussverfahren als erstes stattfindet. Im Unterschied zu § 103 BetrVG müsse das bei Ein- und Umgruppierungsstreitigkeiten aber nicht so sein.116 b) Beteiligung und präjudizielle Bindungswirkung Eine präjudizielle Wirkung wird aber auch befürwortet.117 Es wird ein Vergleich mit der Situation der Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG vorgenommen. Dort sei der außerordentliche Kündigungsgrund sowohl Mittelpunkt der Prüfung im Zustimmungsersetzungs- als auch im Kündigungsschutzverfahren. Entsprechend sei die Frage, ob die Eingruppierung zutreffend sei, ebenfalls Gegenstand sowohl des Beschluss- als auch des Individualverfahrens. Dann müsse die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG auch für den Individualprozess präjudizielle Wirkung entfalten.118 Der Arbeitnehmer sei aber zu beteiligen.119 Daneben werden Verfahrensökonomie und Verhinderung widersprüchlicher Entscheidungen als Argumente für eine präjudizielle Wirkung angeführt.120 c) Arbeitnehmer kann Anspruch auf die Entscheidung stützen Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, der Arbeitnehmer könne seinen Entgeltanspruch unmittelbar auf die gerichtliche Entscheidung stützen, wenn eine Entgeltgruppe ermittelt oder als unzutreffend ausgeschlossen wurde,121 hat auch in der Literatur Zustimmung erfahren.122 Eine Begründung für diese Auf114

Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 810 (A.II.1.b.). Pallasch, SAE 1995, 37, 41 f. 116 Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 810 (A.II.1.b.). 117 Dütz, ArbuR 1993, 33, 38 f; Hey, BB 1995, 1587; Löwisch, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 993R (III., IV.). 118 Dütz, ArbuR 1993, 33, 38 f; Löwisch, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 993R (III., IV.). 119 Dütz, ArbuR 1993, 33, 38 f; Löwisch, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 993R (III., IV.). 120 Hey, BB 1995, 1587. 121 BAG NZA 1995, 484, 487, s. o. S. 177. 122 Busemann, NZA 1996, 681, 683; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 258; Fitting, § 99 Rn 281a; Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 130, 140; Otto, ZfA 2011, 673, 678; Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 17 ff 115

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fassung erfolgt kaum. Rieble sieht die Bindung in dem Zweck des Mitbestimmungsrechts begründet. Entgegen der Mitbestimmung bei Einstellung und Versetzung ist der Betriebsrat bei Ein- und Umgruppierung „dazu eingeschaltet, den aus einem Kollektivvertrag folgenden Individualanspruch des Arbeitnehmers zu sichern“. Der Arbeitgeber soll keine, „dem einzelnen Arbeitnehmer aus dessen Sicht kaum kontrollierbar[e] Entgeltstufe zuweisen dürfen“. „Es mach[e] keinen Sinn, ein und dieselbe Frage nach der für einen konkreten Arbeitnehmer maßgeblichen Vergütungsgruppe zweimal zu beantworten . . .“ 123 Die Wirkung zu Gunsten des Arbeitnehmers wird mit dem „Günstigkeitsprinzip“ erklärt. Die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung sei nicht dazu bestimmt, „dem einzelnen Arbeitnehmer Höchstarbeitsbedingungen vorzuschreiben“. Genau das würde aber geschehen, wenn „Arbeitgeber und Betriebsrat im Beschlussverfahren die Vergütungsgruppe abschließend auch nach oben feststellen lassen“ könnten.124 Zum Nachteil des Arbeitnehmers soll die Entscheidung dagegen keine Bindungswirkung entfalten. Er soll vielmehr auch eine günstigere als die ermittelte Vergütungsgruppe geltend machen können.125 Berkowsky schränkt die Bindung an den Beschluss auch in objektiver Hinsicht ein. Nur die Aussage des Zustimmungsersetzungsverfahrens sei bindend, die zu der konkreten Vergütungsgruppe getroffen wurde, hinsichtlich der der Arbeitgeber Zustimmungsersetzung verlangt hat. Dagegen soll keine Bindungswirkung eintreten, wenn das Gericht bei der Überprüfung der konkret anvisierten Vergütungsgruppe festgestellt hat, eine andere Vergütungsgruppe sei zutreffend. Andere, als die konkret anvisierte Vergütungsgruppe seien nicht vom Streitgegenstand umfasst.126

D. § 99 BetrVG – Einstellung Die Rechtsprechung hat sich noch nicht geäußert, ob die Zustimmungsersetzungsentscheidung hinsichtlich einer Versetzung auf das Individualverfahren eine Bindungswirkung entfalten soll. Das mag daran liegen, dass diese Konstellation sehr selten relevant wird, da es kaum zu einem Individualprozess kommt. Selbst wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats kündigt, kommt es nur zu einem Kündigungsschutzprozess, (II.4.); Richardi-Thüsing, § 99 Rn 303 f; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 142a; Kittner/ Däubler/Zwanziger-Zwanziger, § 2 KSchG Rn 205; a. A. MüHB-ArbR-Peter Hanau, 1. Aufl., § 60 Rn 45 (ohne Begründung und vor der Entscheidung des BAG). 123 Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 17 ff (II.4.). 124 Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 17 ff (II.4.). 125 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 258; vgl. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 308; wohl auch Fitting, § 99 Rn 281a. 126 Berkowsky, NZA 2010, 250, 252.

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wenn das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG).127 Daher sind auch die Stimmen in der Literatur zu dieser Frage vereinzelt geblieben. Es wird nicht direkt zu einer Bindungswirkung im Fall der Einstellung Stellung genommen, sondern allgemein eine präjudizielle Wirkung der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG abgelehnt.128

E. § 104 BetrVG Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Versetzung oder Entlassung einzelner Arbeitnehmer verlangen (§ 104 S. 1 BetrVG). Dieses Ziel kann er im Wege des Beschlussverfahrens verfolgen und dem Arbeitgeber diese Maßnahme aufgeben lassen. Kommt der Arbeitgeber dem nach, kann der Arbeitnehmer gegen die Kündigung oder Änderungskündigung oder die Versetzungsweisung im Urteilsverfahren vorgehen. I. Rechtsprechung zu § 104 BetrVG Das Bundesarbeitsgericht hat sich bisher noch nicht mit einer Bindungswirkung der Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG befasst. Auch sonst gibt es sehr wenige Entscheidungen zu dieser Thematik. Präjudizielle Bindungswirkung Einige Landesarbeitsgerichte sehen die Entscheidung des Beschlussverfahrens in gleicher Weise für das Urteilsverfahren als präjudiziell an, wie es das Bundesarbeitsgericht im Falle des § 103 BetrVG annimmt.129 Zur Begründung wird angeführt, das Verfahren nach § 104 BetrVG sei nur sinnvoll, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer auch effektiv umsetzen könne. Ohne eine entsprechende Bindungswirkung könne der Arbeitgeber das Verlangen des Betriebsrats im Individualrechtsstreit durch eine entsprechende Prozesstaktik auch unterlaufen.130 Wenn eine solche Bindungswirkung bestehe, müsse der Arbeitgeber aber auch entsprechend § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG am Beschlussverfahren beteiligt werden.131 127

s. o. S. 72. Grunsky, SAE 1983, 22, 23; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 92; vgl. Löwisch/Kaiser, § 99 Rn 130 sowie Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 ff (II.3.a., b.) (keine präjudizielle Wirkung, Ausnahme bei Ein- und Umgruppierung); Richardi-Thüsing, § 99 Rn 308 (keine präjudizelle Wirkung, wenn Zustimmung ersetzt wurde). 129 LAG Hamm vom 23.10.2009 – Az. 10 TaBV 39/09; LAG B-W vom 24.1.2002 – Az. 4 TaBV 1/01. 130 LAG B-W vom 24.1.2002 – Az. 4 TaBV 1/01. 131 LAG Hamm vom 23.10.2009 – Az. 10 TaBV 39/09; LAG B-W vom 24.1.2002 – Az. 4 TaBV 1/01. 128

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Teil 3: Bindungswirkungen

II. Literatur zu § 104 BetrVG 1. Keine entgegenstehende Rechtskraft Die Literatur orientiert sich zum großen Teil an der Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG.132 Es wird davon ausgegangen, einem dem Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG folgender Individualprozess steht nicht die Rechtskraft des Beschluss nach § 104 S. 2 BetrVG entgegen.133 2. Präjudizielle Wirkung a) Präjudizielle Wirkung entsprechend § 103 Abs. 2 BetrVG Auch eine präjudizielle Wirkung des Beschlusses hinsichtlich des Kündigungsgrunds134 wird entsprechend der Auffassung zu § 103 Abs. 2 BetrVG angenommen.135 Der Arbeitnehmer könne daher im Individualprozess nur Tatsachen vortragen, die im Beschlussverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten. Mit sonstigen Tatsachen sei er präkludiert.136 Nur so könne verhindert werden, dass der Arbeitgeber individualrechtlich nicht durchführen kann, was betriebsverfassungsrechtlich seine Pflicht ist.137 Wegen dieser präjudiziellen Wirkung wird die Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren gefordert.138 Umgekehrt werden die präjudizielle und die Präklusionswirkung zum Teil mit der Beteiligung des Arbeitnehmers begründet.139 b) Keine präjudizielle Wirkung Zum Teil wird eine präjudizielle Wirkung auch abgelehnt.140 Die Begründungen sind unterschiedlich. Einerseits wird untersucht, was im Beschluss nach 132

So ausdrücklich KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78. Budde, Bindungswirkung, S. 145 ff; KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78; vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 17 („nachfolgende Kündigungsschutzklage“); Fitting, § 104 Rn 17 und GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 25 sowie Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 104 Rn 21 (Arbeitnehmer kann Kündigungsschutzklage erheben); Heinze, Personalplanung, Rn 702 (Arbeitnehmer besitzt alle Rechtsschutzmöglichkeiten im Kündigungsschutzverfahren). 134 Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 104 BetrVG Rn 4. 135 Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 17; KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78; Fitting, § 104 Rn 17; Wlotzke/Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 104 BetrVG Rn 4; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 26; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 104 Rn 21. 136 KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 104 Rn 21. 137 Richardi-Thüsing, § 104 Rn 26. 138 Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 104 BetrVG Rn 11; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 26. 139 Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 104 Rn 18, 21; ohne Stellungnahme, ob die präjudizielle Wirkung die Beteiligung bedingt oder umgekehrt: Däubler/Kittner/Klebe/ Wedde-Bachner, § 104 Rn 13 sowie KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78 und Fitting, § 104 Rn 14. 133

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§ 104 S. 2 BetrVG an der Rechtskraftwirkung teilnimmt. Das sei nur die Feststellung, dass der Arbeitgeber zur Entlassung verpflichtet ist.141 Darin liege aber keine Vorfrage für den Kündigungsschutzprozess.142 Dass im Beschlussverfahren Fragen geprüft werden, die auch im Kündigungsschutzprozess relevant sind, ändere daran nichts.143 Möchte der Arbeitgeber auch den Kündigungsgrund im Verhältnis zum Arbeitnehmer verbindlich geklärt haben, müsse er Zwischenfeststellungsklage erheben.144 Anderseits wird eine Analogie zu § 103 Abs. 2 BetrVG geprüft und mangels Lücke abgelehnt. Der Amtsträger komme nur wegen seines Amts in den Genuss des Schutzes von § 103 BetrVG. Dann sei es auch gerechtfertigt, den Schutz durch seine Verfahrensbeteiligung und eine präjudizielle Wirkung des Beschlusses einzuschränken.145 Außerdem wird die präjudizielle Wirkung abgelehnt, weil der Arbeitnehmer nicht Beteiligter am Beschlussverfahren ist.146

F. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechtsprechung eine entgegenstehende Rechtskraft jeweils ablehnt, weil sie von unterschiedlichen Streitgegenständen im Beschlussverfahren auf der einen und im Urteilsverfahren auf der anderen Seite ausgeht. Allerdings nimmt sie im Falle der §§ 103 Abs. 2, 104 S. 2 BetrVG eine Bindungswirkung der Entscheidung an, die als Folge der Rechtskraft eingeordnet wird. Dabei ist der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren zu beteiligen. Für § 103 BetrVG folgt dies aus dessen Abs. 2 S. 2. Im Rahmen des § 104 BetrVG soll das aufgrund der Parallele zu § 103 BetrVG gelten. Folge dieser Auffassung ist, dass die im Beschlussverfahren bereits geklärten Rechtsfragen im Urteilsverfahren nicht erneut geprüft werden. Eine Bindungswirkung soll aber stets dann ausscheiden, wenn sie zu Nachteilen des Arbeitnehmers führen würde und der Arbeitnehmer nicht beteiligt war. Da der Arbeitnehmer nach Auffassung der Rechtsprechung am Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht zu beteiligen ist, scheidet eine Bindung sowohl bei der Versetzung als auch bei Ein- und Umgruppierung aus, sofern sie zu 140

Heinze, Personalplanung, Rn 702 (dort Fn 1022); Löwisch/Kaiser, § 104 Rn 15; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 25; Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 98 ff; vgl. auch Budde, Bindungswirkung, S. 149 ff, 161 f (auch hier Ablehnung einer präjudiziellen Wirkung und wiederum Annahme einer Analogie zu §§ 126, 127 InsO). 141 Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 98 ff; vgl. auch Heinze, Personalplanung, Rn 702 (dort Fn 1022). 142 Heinze, Personalplanung, Rn 702 Fn 1022; vgl. auch Budde, Bindungswirkung, S. 152 f; Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 98 ff. 143 Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 98 ff. 144 Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 103. 145 Löwisch/Kaiser, § 104 Rn 15. 146 GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 18, 25.

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Teil 3: Bindungswirkungen

einem Nachteil des Arbeitnehmers führen würde. Allerdings kann sich der Arbeitnehmer auf Feststellungen berufen, die im Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich Ein- und Umgruppierung gemacht worden sind. Daher besteht nach Auffassung der Rechtsprechung im Rahmen des § 99 BetrVG eine Bindung nur im Falle von Ein- und Umgruppierung und nur zu Gunsten des Arbeitnehmers. Die Literatur folgt in großen Teilen dieser Rechtsprechung, ohne sich umfassend dogmatisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die eine präjudizielle Wirkung ganz ablehnen. Begründet wird diese Auffassung v. a. damit, dass im Beschlussverfahren nur darüber entschieden wird, ob der Betriebsrat die Zustimmung zu Recht verweigert hat. Für die Verfahren nach § 99 Abs. 4 und § 104 S. 2 BetrVG wird außerdem angeführt, dass eine Bindungswirkung ausscheiden müsse, weil der Arbeitnehmer nicht Beteiligter sei.

G. Bindungswirkung in anderen Konstellationen des Beschluss- und Urteilsverfahrens Neben dem Bereich der personellen Einzelmaßnahmen sind noch andere Fallgestaltungen denkbar, in denen eine Rechtsfrage sowohl im Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Bedeutung erlangt und gleichzeitig in einem Urteilsverfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheidend sein kann.147 Auch dann stellt sich die Frage, ob eine Entscheidung des Beschlussverfahrens die Richter im Urteilsverfahren bindet. Ist sie zu bejahen, könnten die jeweiligen Begründungen auch auf die personellen Einzelmaßnahmen übertragbar sein. I. Betriebsänderung und Nachteilsausgleich Beispielsweise hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 1987 entschieden, dass eine Entscheidung im Beschlussverfahren über die Mitbestimmungspflicht wegen des Vorliegens einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) auch die Gerichte in nachfolgenden Urteilsverfahren bindet, in denen die Arbeitnehmer gemäß § 113 147 Zu den drei folgenden Konstellationen ausführlich Nottebom, Rechtskrafterstreckung präjudizieller Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 189 ff, 207, 245 f (Lösung über eine Rechtskrafterstreckung kraft materieller Abhängigkeit) und Thomas, Materiellrechtliche Bindungswirkung eines arbeitsgerichtlichen Beschlusses auf den Individualprozess im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts, S. 117 ff, 126 ff (Lösung auf materieller und nicht prozessualer Ebene über eine „Koordinierungswirkung“, die vorliegt, wenn die Betriebspartner eine Gestaltungsmöglichkeit haben, dem betroffenen Arbeitnehmer aber jegliche Dispositionsbefugnis fehlt); vgl. auch Dütz, FS Gnade, S. 487 (Lösung über den Gedanken der Repräsentation: der Betriebsrat nimmt „in gebündelter Form die kollektiven Interessen der Belegschaft“ war. Die „kollektivprozessuale[n] Wirkungen [werden] in den Individualprozess mittels einer Rechtskrafterstreckung [verlängert].“, S. 491 ff); ders., Arbeitsrecht der Gegenwart Band 20, S. 33, 53 ff.

§ 10 Darstellung der Rechtsprechung und Literatur

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BetrVG einen Nachteilsausgleich fordern.148 In diesem Zusammenhang spricht das Gericht von „präjudizieller Bindungswirkung“ 149 und setzt diesen Begriff selbst in Klammern. Dabei gehe es nicht um eine Folge der materiellen Rechtskraft, da diese nur zwischen den Beteiligten wirke. Vielmehr ergäbe sich die Bindung aus „dem besonderen Charakter der Ansprüche eines Arbeitnehmers nach § 113 Abs. 3 BetrVG“. Zum einen können nur so sich widersprechende Entscheidungen verhindert werden. Außerdem sei es auch sachgerecht, dem Arbeitgeber keinen Nachteilsausgleich aufzuerlegen, wenn festgestellt wurde, dass er keinen Interessenausgleich durchführen müsse, weil eine Betriebsänderung fehle. Dann liege kein objektiv betriebsverfassungswidriges Verhalten vor, an welches die Norm anknüpfe. Eine Sanktion ist nicht nötig. Des Weiteren gelte eine solche Bindung umgekehrt auch zu Gunsten des Arbeitnehmers und das Beschlussverfahren sei wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes auch ein geeignetes Verfahren. Selbst die fehlende Beteiligung des Arbeitnehmers stehe dem nicht entgegen, weil der Betriebsrat die Interessen aller Arbeitnehmer vertrete. II. Gemeinsamer Betrieb und Nachteilsausgleich Die Entscheidung des Beschlussverfahrens soll auch dann im Urteilsverfahren bindend sein, wenn aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses nach § 18 Abs. 2 BetrVG feststeht, dass zwei Unternehmen keinen gemeinsamen Betrieb bilden.150 In der Begründung wird auf die Entscheidung aus dem Jahr 1987 zu Betriebsänderung und Nachteilsausgleich151 Bezug genommen und diese als eine Erstreckung der Rechtskraft bezeichnet. Anknüpfend an die Ausführungen aus dem Jahr 1987 nimmt das Bundesarbeitsgericht eine Bindungswirkung im Falle des § 18 Abs. 2 BetrVG an, da gerade eine verbindliche Entscheidung darüber herbeigeführt werden solle, ob ein gemeinsamer Betrieb vorliege. Gegenstand und Ziel dieses Verfahrens sei nicht nur, die Voraussetzungen für eine (künftige) ordnungsgemäße Wahl von Betriebsräten zu schaffen. Darüber hinaus sollen auch Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats geklärt werden. Da der durch das Betriebsverfassungsgesetz erfasste Betrieb für das Verhältnis zwischen Arbeitneh148 BAG NZA 1988, 287, 288 f = AP § 113 BetrVG 1972 Nr. 15 Bl. 1508 mit im Ergebnis zust. Anm. Leipold, Bl. 726 ff (Erweiterung der Rechtskraftgrenzen); Däubler/ Kittner/Klebe/Wedde-Däubler, § 111 Rn 188; Hess/Schlochauer-Hess, § 111 Rn 166; vgl. auch Seeberger, Beteiligungsrechte, S. 36 ff (teleologische Reduktion des § 113 BetrVG); a. A. Jox, NZA 1990, 424 ff; krit. auch Zeiss, SAE 1988, 228, 230 (Entscheidung praktikabel, aber mit geltendem Prozessrecht nicht vereinbar). 149 BAG NZA 1988, 287, 288. 150 BAG NZA 1991, 812, 813; vgl. auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Homburg, § 18 Rn 20; Hess/Schlochauer-Nicolai, § 18 Rn 45. 151 BAG NZA 1988, 287; s. o. S. 184.

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mer und Arbeitgeber nicht anders bestimmt werden könne als für das Verhältnis der Betriebspartner zueinander, müsse eine Bindungswirkung existieren. III. Betriebsvereinbarung (Sozialplan) und Abfindungsanspruch Auch eine zwischen den Betriebspartnern ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung wirkt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch gegenüber den Arbeitnehmern, die Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung geltend machen.152 Die Entscheidung bezieht sich ebenfalls auf den Beschluss vom 10.11.1987 zu Betriebsänderung und Nachteilsausgleich153 und überträgt die Argumentation auf den vorliegenden Fall. Ausgangspunkt sei, dass der Sozialplan nach § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG zumindest die Wirkung einer Betriebsvereinbarung hat und seine Regelungen damit nach § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwingend gelten. Den Inhalt der Betriebsvereinbarung und des Sozialplans bestimmen die Betriebspartner durch ihre Einigung. Wird über diesen Inhalt gestritten und ergeht ein rechtskräftiger Beschluss, stehe damit im Verhältnis der Betriebspartner zueinander fest, welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung oder der Sozialplan habe. Dann könne auch im Verhältnis des Arbeitgebers zu seinen Arbeitnehmern nur dieser Inhalt zugrunde gelegt werden. Schließlich seien die Ansprüche der Arbeitnehmer allein von dem Inhalt der unter den Betriebspartnern getroffenen Einigung abhängig. Das Bundesarbeitsgericht spricht von einer „notwendigen materiellen Abhängigkeit“ der individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung von einer zwischen den Betriebspartnern ergangenen rechtskräftigen Entscheidung über den Inhalt der Betriebsvereinbarung. Damit erstrecke sich die Rechtskraft wegen materiellrechtlicher Abhängigkeit auf Dritte. Zur Begründung wird auch und v. a. auf § 9 TVG abgestellt. § 9 TVG ordnet an, dass eine rechtskräftige Entscheidung über den Bestand oder den Inhalt des Tarifvertrags auch gegenüber denjenigen Wirkung entfaltet, die ihren Anspruch gerade auf den Tarifvertrag stützen. Da eine vergleichbare Regelung im Betriebsverfassungsgesetz trotz vergleichbarer Interessenlage fehle, sei eine analoge Anwendung von § 9 TVG geboten.

§ 11 Konstellationen möglicher Bindungswirkungen Die Rechtsprechung hat sich bisher nur zum Teil mit Bindungswirkungen zwischen Beschluss- und Urteilsverfahren beschäftigt. Hier soll dargestellt werden, welche Konstellationen zu analysieren sind. Dabei ist von den oben gefundenen 152 BAG NZA 1992, 999, 1000 f; vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Berg, § 77 Rn 171; Dütz, Arbeitsrecht der Gegenwart, Band 20 (1983), S. 33, 55 f; GK-BetrVGKreutz, § 77 Rn 429; Hess/Schlochauer-Worzolla, § 77 Rn 262. 153 BAG NZA 1988, 287; s. o. S. 184.

§ 11 Konstellationen möglicher Bindungswirkungen

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Ergebnissen auszugehen. Zum einen sind die Fälle von der folgenden Betrachtung auszuschließen, die sich schon auf materieller Ebene lösen lassen, etwa weil die Mitbestimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für die Maßnahme ist. Des Weiteren unterbleibt eine Untersuchung, wenn aufgrund konsequenter Trennung der betriebsverfassungsrechtlichen von der individualrechtlichen Ebene eine Entscheidung des ersten Verfahrens für das zweite nicht relevant sein kann.

A. § 103 Abs. 1, 2 BetrVG – Kündigung eines Betriebsratsmitglieds Steht die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds im Raum und stimmt der Betriebsrat nicht zu, sind drei Konstellationen denkbar. Verhält sich der Arbeitgeber rechtstreu, führt er vor der Kündigung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durch und kündigt dem Arbeitnehmer nur, wenn er eine Entscheidung zu seinen Gunsten erwirkt. Dann stellt sich im Kündigungsschutzprozess die Frage, wie sich die Entscheidung des Beschlussverfahrens auf den Individualrechtsstreit auswirkt. Kündigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber bevor er die Zustimmung des Betriebsrat erreicht hat oder nachdem das Gericht seinen Ersetzungsantrag abgelehnt hat, ist die Kündigung in jedem Fall unwirksam (vgl. § 15 Abs. 1 KSchG i.V. m. § 134 BGB).154 Die Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung hat das Gericht auch im Individualprozess zu berücksichtigen, ohne dass es auf die Problematik der Bindungswirkung ankommt. Allerdings entstehen Probleme, wenn unstreitig keine Zustimmung des Betriebsrats vorliegt, der Arbeitnehmer damit die Kündigung angreift und sich der Arbeitgeber auf eine Entscheidung aus dem Beschlussverfahren beruft, dass eine Zustimmung nicht erforderlich sei. Auch in diesem Fall ist fraglich, ob der Arbeitnehmer an diese Feststellung gebunden ist. Zu untersuchen sind die erste und die letzte Konstellation.

B. § 103 Abs. 3 BetrVG – Versetzung eines Betriebsratsmitglieds Ähnlich ist die Situation bei der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds. Hat der Arbeitgeber eine Zustimmungsersetzungsentscheidung erwirkt, kann der Arbeitnehmer dennoch nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzung vorgehen.155 Denkbar ist, dass im Beschlussverfahren schon Fragen geprüft wur154 155

s. o. S. 106. Dazu, dass Abs. 3 nur im Fall des Direktionsrechts relevant wird, s. o. S. 106.

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den, die nun im Individualprozess erneut eine Rolle spielen. Zu klären ist, wie sich die Entscheidung des Beschlussverfahrens auf den Individualrechtsstreit auswirkt. Insbesondere ist relevant, ob sich der Arbeitgeber auf Feststellungen aus dem Beschlussverfahren berufen kann. Hat der Betriebsrat nicht zugestimmt und auch das Arbeitsgericht diese Zustimmung nicht ersetzt, ist eine gleichwohl vorgenommene Versetzungsweisung unwirksam, da sich die fehlende Zustimmung unmittelbar auf das Individualrechtsverhältnis auswirkt.156 Das ist im Individualprozess zu berücksichtigen. Die Versetzung erfolgte nicht nach billigem Ermessen, wenn der Betriebsrat nicht zugestimmt hat (§§ 315 BGB, 106 GewO). Gleiches gilt, wenn eine rechtskräftige, die Zustimmungsersetzung abweisende Entscheidung vorliegt. Auf die Problematik der Bindungswirkungen kommt es nicht an. Die Untersuchung beschränkt sich auf die erste Konstellation.

C. § 99 BetrVG – Versetzung Die Versetzung ist in verschiedenen Konstellationen denkbar, die getrennt zu betrachten sind: zu Gunsten und zu Lasten des Arbeitnehmers, aufgrund eines Vertrags, einer Änderungskündigung und kraft Direktionsrechts. I. Änderungsvertrag Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Änderungsvertrags, ist die Versetzung i. d. R. für den Arbeitnehmer vorteilhaft. Mit einem Individualprozess aufgrund der Versetzung ist daher nicht zu rechnen. Stimmt der Betriebsrat der Versetzung zu oder hat das Gericht die Zustimmung ersetzt, kann die Maßnahme im Sinne von Arbeitnehmer und Arbeitgeber durchgeführt werden. Weitere gerichtliche Auseinandersetzungen wird es nicht geben. Probleme treten dann auf, wenn der Arbeitgeber die Versetzung durchführt, der Betriebsrat aber nicht zustimmt. Ersetzt auch das Gericht die Zustimmung nicht, tritt mit Rechtskraft der Entscheidung rechtliche Unmöglichkeit wegen dauerhaft fehlender Beschäftigungsmöglichkeit ein.157 Weigert sich der Arbeitnehmer erneut einen Änderungsvertrag abzuschließen, bleibt nur die (Änderungs-)Kündigung. Der Arbeitnehmer kann dagegen eine Änderungs- bzw. Kündigungsschutzklage erheben. Hier stellt sich die Frage, wie sich die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG auf das Individualverfahren auswirkt. Diese Konstellation ist zu untersuchen. Wendet der Arbeitnehmer im Individualrechtsstreit ein, es habe zu einer Zustimmungsersetzungsentscheidung gar nicht kommen dürfen, weil mangels Ver156 157

s. o. S. 109 f. s. o. S. 94.

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setzung i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes die Zustimmung gar nicht erforderlich war, ist dieselbe Frage relevant. II. Änderungskündigung Eine Versetzung kraft Änderungskündigung ist häufig für den Arbeitnehmer nachteilig, so dass mit einem Änderungsschutzprozess zu rechnen ist. 1. Änderungskündigung vor dem Beschlussverfahren a) Auswirkung auf die Änderungskündigung Wurde die Änderungskündigung vor der rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren ausgesprochen, in welchem der Arbeitgeber unterlegen ist, steht fest, dass er den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann. Wie oben dargelegt worden ist, hat das auf die Änderungskündigung an sich noch keine Auswirkungen.158 Im Individualprozess wird daher im Grundsatz unabhängig von der Entscheidung im Beschlussverfahren die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen geprüft. Der Arbeitnehmer wird jedoch auf die Feststellungen aus dem Beschlussverfahren verweisen, wenn sie auch die Änderungskündigung betreffen können. Das ist v. a. dann der Fall, wenn der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG widersprochen hat, weil die Versetzung den Arbeitnehmer benachteiligt. Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG. Ein solcher Verstoß ist nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsgrund und macht gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 KSchG unter gewissen Umständen die Kündigung sozialwidrig. Obsiegt der Arbeitgeber dagegen im Beschlussverfahren, kann die Änderungskündigung aus anderen Gründen unwirksam sein. Gleichwohl kann es auch in dieser Konstellation zu einer Überschneidung von Fragen kommen, etwa hinsichtlich der soeben dargestellten Verweigerungsgründe. Hier kann es für den Arbeitgeber vorteilhaft sein, auf Ergebnisse und Feststellungen des Beschlussverfahrens zurückzugreifen. In beiden Fällen ist daher zu klären, ob die Entscheidung des Beschlussverfahrens Auswirkungen auf den Änderungsschutzprozess hat. b) Auswirkung auf die erneute (Änderungs-)Kündigung Ist nach Ausspruch der Änderungskündigung eine Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ergangen und damit rechtliche Unmöglichkeit eingetreten, kann der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz nicht beschäftigt werden. Der Ar158

s. o. S. 53.

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beitgeber muss die alten Vertragsbedingungen wiederherstellen.159 Das kann i. d. R. durch eine Einigung mit dem Arbeitnehmer erfolgen, der durch Erhebung der Änderungskündigung zum Ausdruck gebracht hat, dass er auf dem alten Arbeitsplatz beschäftigt werden will. Zeigt sich dieser aber unkoorperativ oder ist sein alter Arbeitsplatz inzwischen weggefallen, muss der Arbeitgeber eine (erneute) (Änderungs-)Kündigung aussprechen, da er ihn dauerhaft nicht beschäftigen kann. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit kommt als Kündigungsgrund in Betracht. Auch hier stellt sich die schon bei der Versetzung aufgrund Änderungsvertrags relevante Frage, ob er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen kann. 2. Änderungskündigung nach dem Zustimmungsersetzungsverfahren Wurde die Änderungskündigung aber erst erklärt, nachdem die Zustimmungsersetzung schon rechtskräftig abgelehnt wurde, ist fraglich, ob und wie das den Änderungsschutzprozess beeinflussen kann. Wurde die Zustimmung ersetzt, kann es für den Arbeitgeber sinnvoll sein, sich im Änderungsschutzverfahren auf im Zustimmungsersetzungsverfahren getroffene Feststellungen zu berufen. III. Direktionsrecht Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts versetzt, kann die Versetzung für den Arbeitnehmer vorteilhaft oder nachteilig sein. 1. Direktionsrecht zu Lasten des Arbeitnehmers Denkbar ist, dass der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, das Gericht diese ersetzt und der Arbeitnehmer dennoch nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzung vorgeht. Allein die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit macht die Versetzung nicht wirksam. Sie kann aus anderen Gründen unbillig sein. Allerdings kann es im Individualverfahren auch auf Tatsachen ankommen, die im Beschlussverfahren schon geprüft und zum Nachteil des Arbeitnehmers und Vorteil des Arbeitgebers entschieden wurden. Dann liegt es im Interesse des Arbeitgebers sich auf diese Feststellungen berufen zu können. Relevant ist v. a. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, wenn der Betriebsrat Bedenken wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung hatte, welche das Gericht nicht teilte. Hat umgekehrt das Gericht die Zustimmung nicht ersetzt, ist die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem zugewiesenen Arbeitsplatz rechtlich unmög-

159

s. o. S. 88 f.

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lich. Dies hat jedenfalls dann keinen Einfluss auf die individualrechtliche Wirksamkeit der Versetzungsweisung, wenn die Versetzung vor der rechtskräftigen Entscheidung ergangen ist.160 Wendet sich der Arbeitnehmer aber gegen die Versetzung, stellt sich ebenfalls die Frage, ob Feststellungen aus dem Beschlussverfahren übernommen werden können. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber erst versetzt, nachdem er im Zustimmungsersetzungsverfahren bereits rechtskräftig unterlegen ist, steht schon zu diesem Zeitpunkt fest, dass eine Beschäftigung wegen rechtlicher Unmöglichkeit auf dem neuen Arbeitsplatz ausscheidet. Diese Unmöglichkeit ist Konsequenz der rechtskräftigen Entscheidung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Zu untersuchen ist, wie sich die Entscheidung an sich auf den Individualprozess auswirkt. Alle drei Konstellationen sind zu betrachten. 2. Direktionsrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf eine für diesen vorteilhafte Position, kommt es nur dann zum Konflikt, wenn der Betriebsrat nicht zustimmt. Ersetzt auch das Gericht die Zustimmung nicht, kann der Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht mehr beschäftigt werden. Der Arbeitgeber wird ihn, spätestens wenn der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vorgeht, zurückversetzen. Gegen diese Versetzung kann der Arbeitnehmer nach §§ 315 BGB, 106 GewO vorgehen. Nach der Entscheidung im Beschlussverfahren steht fest, auf dem zunächst zugewiesenen Arbeitsplatz kann der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden. Bei der Frage, ob die Rückversetzung billig ist, möchte sich der Arbeitgeber auf diese Feststellung berufen. Auch hier ist zu untersuchen, welchen Einfluss die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren auf den Individualprozess hat.

D. § 99 BetrVG – Ein- oder Umgruppierung Steht eine Ein- oder Umgruppierung im Raum, hat die Mitbestimmung des Betriebsrats keinerlei Auswirkungen auf den Individualprozess. Ob das Zustimmungsersetzungsverfahren für den Individualprozess Bindungswirkungen entfaltet, spielt daher allein für die Frage eine Rolle, ob sich Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer auf rechtliche und tatsächliche Feststellungen berufen können, die im Beschlussverfahren getätigt wurden.

160

s. o. S. 52 ff.

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E. § 99 BetrVG – Einstellung Möchte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einstellen und hat den erforderlichen Arbeitsvertrag schon geschlossen, hat eine Zustimmung des Betriebsrats aber nicht erreicht, muss er das Arbeitsgericht anrufen. Wird die Zustimmung ersetzt, kommt es zu keinem Konflikt. Hat aber das Arbeitsgericht den Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig zurückgewiesen, steht fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann. Spricht er gegenüber dem Arbeitnehmer eine Kündigung aus und ist ausnahmsweise das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, kommt die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Kündigungsgrund in Betracht. Hier ist zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung aus dem Beschlussverfahren berufen kann.

F. Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer nach § 104 BetrVG War der Betriebsrat im Beschlussverfahren nach § 104 S. 2 BetrVG erfolgreich, steht fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entlassen oder ihn versetzen muss. Die Entlassung wird häufig durch Kündigung erfolgen. I. Kündigung Hier kommen zwei Kündigungsgründe in Betracht. Es kann zum einen auf den Sachverhalt abgestellt werden, auf den der Betriebsrat sein Verlangen gestützt hat. Dieser wurde im Beschlussverfahren schon geprüft. Zum anderen ist auch die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit, die aus der rechtlichen Unmöglichkeit folgt, ein Kündigungsgrund.161 Zu untersuchen ist daher, ob der Sachverhalt und die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit erneut geprüft werden oder ob sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG berufen kann. II. Versetzung Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer versetzen, kann sich der Arbeitnehmer gegen diese Versetzung wehren. Ist sie kraft Direktionsrechts erfolgt, muss sie billigem Ermessen entsprechen, §§ 315 BGB, 106 GewO. Ist die Versetzung für den Arbeitnehmer nachteilig, stellt sich die Frage, welche Auswirkung die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG hat. Bringt sie ihm dagegen einen Vorteil, ist nicht mit einem Individualverfahren zu rechnen. 161

s. o. S. 114 ff.

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Hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung ausgesprochen, kann der Arbeitnehmer eine Änderungsschutzklage erheben. Da aber auch die Änderungskündigung eine Kündigung darstellt, ist diese Konstellation schon abgedeckt.162 Kann sich der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer über eine Änderung seines Arbeitsbereichs einigen, wird es nicht zu einem Individualverfahren kommen. Daher ist lediglich die dem Arbeitnehmer nachteilige Versetzung kraft Direktionsrechts näher zu betrachten.

G. Vorläufige Maßnahmen nach § 100 BetrVG Im Falle vorläufiger Maßnahmen ist es denkbar, dass im Beschlussverfahren nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG entschieden wird, dass die vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Für den Individualprozess spielt die Frage aber keine Rolle. Die in § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG erwähnte Zustimmungsersetzung meint das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG,163 so dass es zu keinen zusätzlichen Problemen kommt. Etwaige Bindungswirkungen zwischen Beschluss- und Individualverfahren scheiden daher aus. Diese Konstellation wird nicht weiter untersucht.

H. Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG Erreicht der Arbeitgeber keine Zustimmung des Betriebsrats und lässt er die Zustimmung auch nicht ersetzen, führt aber dennoch die Maßnahme durch, kann der Betriebsrat nach § 101 S. 1 BetrVG vorgehen. Er kann dem Arbeitgeber aufgeben lassen, die Maßnahme aufzuheben. In diesem Verfahren wird geprüft, ob die Zustimmung erforderlich war und ob sie vorliegt. Werden beide Fragen verneint, wird dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Dagegen werden keine Fragen im Zusammenhang mit den Zustimmungsersetzungsgründen thematisiert. Der Arbeitgeber soll vielmehr gezwungen sein, den Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen und ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, wenn er die Maßnahme in Zukunft erneut vornehmen will.164 I. Antragsstattgabe Wird dem Arbeitgeber aufgeben, die Maßnahme aufzuheben, folgt daraus zwar, dass sie betriebsverfassungswidrig ist. Darauf kann sich der Arbeitnehmer aber nicht berufen.165 162 163 164 165

s. o. S. 192. s. o. S. 44. s. o. S. 45. s. o. S. 82 (Einstellung) und S. 90 (Versetzung).

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Wird der Arbeitnehmer durch die Maßnahme begünstigt und sieht sich der Arbeitgeber gezwungen, der Entscheidung nach § 101 S. 1 BetrVG Folge zu leisten, ist zu klären, ob sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung berufen kann. Er könnte beispielsweise im Falle der Einstellung oder des Änderungsvertrags die Kündigung darauf stützen wollen, dass eine erforderliche Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliegt. Mit den gleichen Erwägungen könnte eine Versetzung kraft Direktionsrechts zu begründen sein. Folgt man aber der Trennung der kollektivrechtlichen von der individualrechtlichen Ebene, kann auch die Erforderlichkeit der Zustimmung keinen Einfluss auf die Kündigung oder das billige Ermessen bei Ausübung des Direktionsrechts haben. Auch die Entscheidung an sich ist kein Kündigungsgrund, sondern erst die rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung aufgrund des rechtskräftig zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrags.166 II. Antragsablehnung Wird der Antrag abgelehnt, weil die Zustimmung nicht erforderlich war oder vorliegt, ist bei einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahme gleichwohl ein Individualprozess denkbar. Allerdings hat das Beschlussverfahren keinerlei Auswirkungen auf das Urteilsverfahren. Selbst wenn in dem Prozess die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme thematisiert wurde, hat das gerade keinen Einfluss auf das Individualrechtsverhältnis. Dann hat die Entscheidung auch keine Bedeutung für den Individualprozess. Ist die Maßnahme zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgt und verliert der Betriebsrat im Zustimmungsersetzungsverfahren, hat der Arbeitgeber keinen Grund, seine Maßnahme rückgängig zu machen, so dass kein weiterer Konflikt mit dem Arbeitnehmer zu befürchten ist. III. Sonderfall Ein- und Umgruppierung Wurde der Betriebsrat bei Ein- und Umgruppierungen nicht ordnungsgemäß beteiligt, gibt es keine Maßnahme, die aufgehoben werden kann. Nach § 101 S. 1 BetrVG kann er aber die Durchführung des Beteiligungsverfahrens verlangen.167 Auch in diesem Fall ist Voraussetzung, dass eine Zustimmung erforderlich war und noch nicht vorliegt. Aussagen zu konkreten Vergütungsgruppen werden in dem Verfahren dagegen nicht getroffen. Da der Arbeitnehmer in jedem Fall einen Anspruch auf richtige Vergütung hat und die Vergütungsgruppen gerade nicht thematisiert werden, kann die Entscheidung im Beschlussverfahren den Individualprozess nicht beeinflussen.

166 167

s. o. zur Einstellung S. 72 ff. s. o. S. 46.

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IV. Ergebnis Unabhängig davon, in welcher Konstellation es zu einem Individualverfahren kommt, haben weder der Anspruch des Betriebsrats auf die Aufhebung der Maßnahme noch die fehlende Zustimmung Einfluss auf den Individualprozess. Das ist die Konsequenz aus der Trennung der kollektivrechtlichen von der individualrechtlichen Ebene. Eine rechtskräftige Entscheidung nach § 101 S. 1 BetrVG kann keinerlei Auswirkungen auf den Individualprozess haben. Diese Konstellationen werden daher nicht weiter betrachtet.

I. Feststellungsanträge I. Allgemeine Feststellung Betriebsrat und Arbeitgeber können mit einem Feststellungsantrag klären lassen, ob ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich einer bestimmten Art von Maßnahme besteht, wenn entsprechende Maßnahmen auch in Zukunft zu erwarten sind.168 Mit der Entscheidung steht fest, Maßnahmen in dem beschriebenen Umfang bedürfen (nicht) der Zustimmung des Betriebsrats. Nimmt der Arbeitgeber nun ohne Beteiligung des Betriebsrats eine solche Maßnahme vor, ist fraglich, ob das rechtskräftige Ergebnis der Entscheidung im Individualverfahren Bedeutung erlangen kann. Ist aber die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit für den Individualprozess ohne jegliche Bedeutung, kann auch die rechtskräftige Feststellung, die Zustimmung ist erforderlich oder nicht erforderlich, keinen Einfluss haben. Diese Konstellationen können daher außer Betracht bleiben. II. Konkrete Feststellung Ein Feststellungsantrag ist auch dann denkbar, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber bereits um eine konkrete personelle Einzelmaßnahme streiten. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, muss der Arbeitgeber nach § 99 Abs. 4 BetrVG einen Zustimmungsersetzungsantrag stellen. Dieser ist aber nur dann erfolgreich, wenn die Zustimmung erforderlich war, noch nicht erteilt wurde, nicht gemäß § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt gilt und der Betriebsrat keinen Verweigerungsgrund hatte. War eine Zustimmung aber nicht erforderlich, kann sie auch nicht ersetzt werden. Ist streitig, ob die Mitbestimmung des Betriebsrats überhaupt erforderlich war, kann es für den Arbeitgeber sinnvoll sein zu beantragen, dass die Zustimmung nicht erforderlich war. Unabhängig davon, ob ein solcher Antrag zulässig ist,169 kann auch hier die rechtskräftige Entscheidung keinen Einfluss auf den 168

s. o. S. 47 f. BAG NZA 1990, 314, 315 sieht diese Feststellung schon von der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG umfasst. Das wirft Probleme auf, weil die Erforderlichkeit 169

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Teil 3: Bindungswirkungen

Individualprozess haben. Ist die individualrechtliche Zulässigkeit unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen zu beurteilen, spielt auch die Erforderlichkeit der Zustimmung keine Rolle. Das gilt auch, wenn man mit der Rechtsprechung der Auffassung ist,170 die Feststellung der Erforderlichkeit sei im Rechtskraftumfang der Zustimmungsersetzungsentscheidung (oder die Feststellung, die Zustimmung sei nicht erforderlich in der Antragsabweisung) enthalten. Entsprechend ist der Fall zu beurteilen, wenn zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber rechtskräftig feststeht, dass die Zustimmung als erteilt gilt. Auch hier steht lediglich die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit fest, auf die es im Individualprozess nicht ankommt. Da etwaige Verweigerungsgründe erst geprüft werden, wenn klar ist, dass die Zustimmung nicht schon vorliegt oder als erteilt gilt, kommt es auch zu keinen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der Zustimmungsverweigerungsgründe. Beide Fälle werden nicht weiter untersucht.

J. Sonderfall: Beschlussverfahren nach dem Urteilsverfahren Die bisherigen Konstellationen gehen davon aus, dass das Urteilsverfahren dem Beschlussverfahren nachgelagert ist. Das folgt der Konzeption der Mitbestimmungsrechte: Der Betriebsrat ist vor Durchführung der Maßnahme zu beteiligen. Für § 103 BetrVG folgt das schon daraus, dass die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung ist. Im Rahmen des § 104 BetrVG ist die Initiative des Betriebsrats der Auslöser für ein Tätigwerden des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. In diesen beiden Fällen ist es nicht denkbar, dass das Individualverfahren dem Beschlussverfahren vorgeht. Auch die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einstellung, Versetzung, Einund Umgruppierung hat vor Umsetzung der Maßnahme gegenüber dem Arbeitgeber zu erfolgen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG „vor jeder . . .“. Unterlässt der Arbeitgeber aber jegliche Beteiligung des Betriebsrats, sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Arbeitnehmer seine Rechte bezüglich der personellen Einzelmaßnahme im Urteilsverfahren geltend macht, bevor es zu einem Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Beschlussverfahren kommt. Wurde der Arbeitnehmer etwa aufgrund einer Änderungskündigung versetzt und will sich dagegen wehren, hält ihn die Präklusionsfrist der §§ 4, 7 KSchG an, innerhalb von drei Wochen das Arbeitsgericht annur eine Vorfrage ist. Unabhängig davon sind aber keine Gründe ersichtlich, einen isolierten Antrag nicht zuzulassen. 170 So BAG NZA 1990, 314, 315; vgl. auch BAG NZA 1989, 355, 357.

§ 11 Konstellationen möglicher Bindungswirkungen

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zurufen. Außerdem sind Streitigkeiten im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren nach der gesetzlichen Konzeption zügiger voranzubringen als sonstige Verfahren,171 da häufig über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, das für den Arbeitnehmer die Lebensgrundlage ist, gestritten wird. Wurde das Individualverfahren rechtskräftig abgeschlossen, stellt sich die Frage, welche Auswirkung die Entscheidung auf das Beschlussverfahren haben kann. Zu dieser Konstellation kommt es freilich nur dann, wenn überhaupt ein Urteilsverfahren durchgeführt wird. Damit scheiden alle dem Arbeitnehmer günstigen Maßnahmen wie Einstellung, Versetzung kraft Änderungsvertrags, vorteilhafte Versetzung kraft Direktionsrechts sowie eine vorteilhafte Ein- und Umgruppierung aus. Zu untersuchen sind die dem Arbeitnehmer nachteiligen Maßnahmen. 1. Nachteilige Versetzung Wird der Arbeitgeber kraft Änderungskündigung oder Direktionsrechts zu seinem Nachteil versetzt, kann er im Wege der Änderungsschutzklage oder nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzung vorgehen. Auch nach Abschluss dieses Verfahrens kann ein Beschlussverfahren noch anhängig sein. a) Abgewiesene Klage des Arbeitnehmers Obsiegt der Arbeitgeber im Individualprozess, kann der Betriebsrat dennoch ein Interesse daran haben, sein Mitbestimmungsrecht durchzusetzen. Da die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Maßnahme unabhängig von der individualrechtlichen zu beurteilen ist,172 ist die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung erforderlich. Im Zustimmungsersetzungsverfahren kann es für den Arbeitgeber von Vorteil sein, sich auf die Entscheidung aus dem Individualverfahren zu berufen. Feststellungen aus dem Individualprozess können insbesondere dann relevant werden, wenn der Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG wegen Benachteiligung des Arbeitnehmers verweigert hat. Es ist denkbar, dass sich die Prüfungen überschneiden, da der Nachteil des Arbeitnehmers dieselben Umstände betreffen kann, die auch im Rahmen des billigen Ermessens oder der Wirksamkeit der Änderungskündigung relevant werden. Hat der Arbeitgeber dagegen noch kein Zustimmungsersetzungsverfahren in die Wege geleitet, kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG sein Mitbestimmungsrecht durchsetzen. Die Entscheidung des Individualprozesses hat darauf keine Auswirkungen, da nur entscheidend ist, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt hat. 171 Vgl. § 57 ArbGG (Verhandlung in einem Termin); § 59 ArbGG (nur eine Woche Einspruchsfrist gegen Versäumnisurteil im Gegensatz zu zwei Wochen nach § 339 ZPO); § 61a ArbGG (besondere Prozessförderung im Kündigungsverfahren). 172 s. o. S. 84 ff.

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Teil 3: Bindungswirkungen

Insgesamt ist festzuhalten: Kommt es zu einem Zustimmungsersetzungsverfahren, kann der Arbeitgeber ein Interesse daran haben, sich auf Feststellungen des Urteilsverfahrens zu berufen. b) Erfolgreiche Klage des Arbeitnehmers Verliert der Arbeitgeber, wird es i. d. R. nicht zu einem Beschlussverfahren kommen, da die konkrete Maßnahme schon individualrechtlich rückgängig zu machen ist. Allerdings sind Konstellationen denkbar, in denen der Betriebsrat zur Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte die Feststellung erstrebt, dass eine konkrete Art der Versetzung betriebsverfassungswidrig ist oder zumindest ein Mitbestimmungsrecht besteht.173 Derartige Fragestellungen werden jedoch im Individualprozess nicht geprüft. Eine Bindungswirkung ist daher sinnlos. 2. Nachteilige Ein- und Umgruppierung Nimmt der Arbeitgeber zu Lasten des Arbeitnehmers eine Ein- oder Umgruppierung vor, kann sich dieser mit einer Lohnklage auf die richtige Vergütung oder einer Feststellungsklage wehren. a) Abgewiesene Klage des Arbeitnehmers Gewinnt der Arbeitgeber, ist ein Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich der konkreten Ein- oder Umgruppierung hinfällig. Der Betriebsrat kann an der gerichtlich bestätigten Ein- oder Umgruppierung des Arbeitnehmers nichts ändern, da sich sein Mitbestimmungsrecht in Fällen der Ein- oder Umgruppierung auf eine Mitbeurteilung beschränkt und der Arbeitnehmer in jedem Fall Anspruch auf die richtige Vergütung hat. Dann ist es sinnlos das Beschlussverfahren mit dem Ziel der „Mitbeurteilung“ nach Abschluss des Urteilsverfahrens noch anzustreben. Gleiches gilt für ein Verfahren nach § 101 BetrVG. Grundsätzlich kann der Betriebsrat auch bei der Ein- und Umgruppierung ein Mitbestimmungssicherungsverfahren einleiten. Der Anspruch ist aber nicht auf die Aufhebung der Maßnahme gerichtet, sondern auf ordnungsgemäße Beteiligung.174 Ziel ist jedoch auch in diesem Fall die Mitbeurteilung, die letztlich bezweckt, eine anderweitige Ein- oder Umgruppierung vorzunehmen. Steht aber schon fest, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohn nach einer bestimmten Vergütungsgruppe hat, ist das Beschlussverfahren mit dem Ziel der „Mitbeurteilung“ nach Abschluss des Urteilsverfahrens überflüssig. Dagegen spricht auch nicht, dass § 99 BetrVG ledig173 174

s. o. S. 47 f. s. o. S. 46.

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen

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lich kollektive Interessen schützt und der Betriebsrat trotz Klärung auf individualrechtlicher Ebene die Verfahren nach §§ 99, 101 BetrVG betreiben will, um seinen Rechten Nachdruck zu verleihen. Diese Normen knüpfen an eine konkrete Maßnahme an und dienen nicht dazu, Verhältnisse für die Zukunft zu klären. Allerdings kann der Betriebsrat feststellen lassen, dass ihm ein solches Mitbestimmungsrecht zustand, wenn Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber dieses erneut verletzt. In diesem Fall helfen die Ergebnisse des Urteilsverfahrens aber nicht weiter, da dort ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht diskutiert wurde. Eine Bindungswirkung ist wiederum sinnlos. b) Erfolgreiche Klage des Arbeitnehmers Verliert der Arbeitgeber, muss er den Arbeitnehmer entsprechend der richtigen Vergütungsgruppe entlohnen. Die Mitbeurteilung des Betriebsrats hat sich auch in diesem Fall erledigt. In Betracht kommt zwar auch hier eine Feststellungsklage, dass ein Mitbeurteilungsrecht in solchen Fällen besteht. Die Ergebnisse des Urteilsverfahrens helfen dafür aber nicht weiter. Denkbar ist darüber hinaus eine Klage, mit der festgestellt werden soll, dass Arbeitnehmer mit bestimmter Tätigkeit entsprechend einer bestimmten Vergütungsgruppe zu entlohnen sind. Diese Feststellungen wurden im Individualprozess durchaus gemacht. Allerdings ist der Betriebsrat nicht berechtigt, einen solchen Antrag zu stellen.175 3. Ergebnis Geht der Individualprozess dem Beschlussverfahren vor, kommt lediglich bei der dem Arbeitnehmer nachteiligen Versetzung eine Bindungswirkung in Betracht. Obsiegt der Arbeitgeber im Urteilsverfahren, kann er Interesse an der Verwertung der dort getroffenen Feststellungen haben. Verliert er, kommt ein Interesse des Betriebsrats in Betracht. Nur dieser Fall ist zu untersuchen.

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen Zu untersuchen ist, ob der Rechtsprechung zuzustimmen ist. Es ist zu klären, ob die angenommenen Bindungswirkungen mit den auch im Arbeitsprozessrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen des Zivil- und Zivilprozessrechts begründet werden können oder ob darüber hinaus anderweitige Bindungswirkungen bestehen. Auch in den Konstellationen, die die Rechtsprechung noch nicht entschie-

175 Vgl. BAG NZA 1987, 28, 29; BAG AP § 63 BetrVG 1952 Nr. 4 Bl. 377 (3.); BVerwGE 50, 176, 186; Busemann, NZA 1996, 681, 682; Fitting, § 99 Rn 97.

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Teil 3: Bindungswirkungen

den hat, ist zu prüfen, ob die Entscheidung des Beschlussverfahrens Einfluss auf die des Urteilsverfahrens hat und umgekehrt.

A. Kein übergreifendes Prinzip I. Keine entgegenstehende Rechtskraft Da die Streitgegenstände des Beschluss- und Urteilsverfahrens nicht identisch sind, scheidet eine entgegenstehende Rechtskraft aus. Für die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds hat die Rechtsprechung dieses Ergebnis zutreffend dargelegt. Streitgegenstand im Beschlussverfahren ist die Frage, ob die Zustimmung ersetzt werden kann oder, anders ausgedrückt, ob der Betriebsrat die Zustimmung rechtmäßig verweigert hat. Im Urteilsverfahren ist dagegen die Wirksamkeit der Kündigung Streitgegenstand.176 Diese Argumentation lässt sich auf die anderen zu analysierenden Konstellationen übertragen. Auch bei der Zustimmung zu der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds (§ 103 Abs. 3 BetrVG) und im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist „Gegenstand des Beschlußverfahrens über die Zustimmungsersetzung [. . .] die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates sowie dessen Zustimmungsverweigerungsrecht, nicht ein mögliches Individualrecht einzelner Arbeitnehmer auf Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung“.177 Streitgegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens ist daher die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung.178 Im Individualverfahren geht es dagegen um Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wehrt sich der Arbeitnehmer gegen eine Umgruppierung, indem er eine höhere Vergütung einklagt, ist Streitgegenstand der Anspruch des Arbeitnehmers auf den geltend gemachten Lohn. Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, weil der Betriebsrat einer Einstellung nicht zugestimmt hat und das Arbeitsgericht die Zustimmung nicht ersetzt hat, ist Streitgegenstand der einer Kündigungsschutzklage, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wurde.179 176

s. o. S. 161. BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 391R f (II.3.) (zu § 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung); vgl. auch BAG AP § 59 HGB Nr. 24 (zu § 99 Abs. 4 BetrVG Eingruppierung); v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 200. 178 Boemke, ZfA 1992, 473, 476, 496; vgl. auch Richardi-Thüsing, § 99 Rn 287 (Streitgegenstand ist die Zustimmungsverweigerung aus den angegebenen Gründen); Fitting, § 99 Rn 277 sowie GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 176 (Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens ist die Zulässigkeit der Maßnahme im Hinblick auf die vom Betriebsrat vorgebrachten Verweigerungsgründe). 179 Sog. punktueller Streitgegenstandsbegriff der hM: BAG NZA 1994, 812, 813 m.w. N. aus der Rspr.; Germelmann-Germelmann, § 46 Rn 110; BeckOK-ArbR-Kerwer, 177

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen

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Setzt der Arbeitgeber eine Versetzung oder Umgruppierung mittels Änderungskündigung um, ist Streitgegenstand im Urteilsverfahren, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist (§ 4 S. 2 KSchG). In der Sache geht es um „den Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen“.180 Greift der Arbeitnehmer eine Versetzung kraft Direktionsrechts mit einer Feststellungsklage an, bestimmt sich der Streitgegenstand nach dem Antrag. Regelmäßig geht es um die Feststellung, ob die Versetzung rechtswirksam ist.181 Auch im Rahmen des § 104 BetrVG sind die Streitgegenstände zwischen Beschluss- und Urteilsverfahren verschieden.182 Streitgegenstand des Beschlussverfahrens ist, ob der Arbeitgeber zur Entlassung oder Versetzung gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet ist. Im Urteilsverfahren dagegen steht die Rechtmäßigkeit dieser einen konkreten Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer in Frage. II. Bindungswirkung als eigenes prozessuales Rechtsinstitut Das Bundesarbeitsgericht versteht die Bindungswirkung als Folge der Rechtskraft und nicht als eigenes prozessuales Rechtsinstitut.183 Das Arbeitsgerichtsgesetz baut auf der Zivilprozessordnung auf und trifft keine eigenen Aussagen zu Rechtskraft und Bindungswirkungen. Dann kann es sich auch nur um Auswirkungen der Rechtskraft handeln, sofern man eine Lösung im Prozessrecht sucht.184 Dem steht auch die Entscheidung aus dem Jahr 1987185 nicht entgegen. § 4 KSchG Rn 72; a. A. (mit der Kündigungsschutzklage wird auch über den Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt entschieden, sog. bestandsrechtliche Auffassung): Bötticher, FS Herschel 1955, 181; G. Lüke, JZ 1960, 203, 205; Zeuner, MDR 1956, 257, 259 ff. 180 BAG NZA 2012, 856, 857; NZA-RR 2009, 300, 301; NZA 1995, 626, 627; Ascheid/Preis/Schmidt-Hesse, § 4 KSchG Rn 119; ErfKom-Oetker, § 2 KSchG Rn 67; BeckOK-ArbR-Rolfs, § 2 KSchG Rn 114; weitergehend MüHB-ArbR-Berkowsky, § 130 Rn 7; Ascheid/Preis/Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 323. 181 Vgl. ErfKom-Oetker, § 106 GewO Rn 7. 182 Vgl. KR-Etzel, § 104 BetrVG Rn 78; Fitting, § 104 Rn 17; Hess/SchlochauerSchlochauer, § 104 Rn 20. 183 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 449 (II.3.c.); vgl. auch BAG NZA 1992, 999, 1000 f; NZA 1991, 812, 813; s. o. S. 162 (§ 103 BetrVG), S. 170 (Versetzung – Erforderlichkeit der Zustimmung). 184 Vgl. zu § 103 BetrVG: BAG AP § 59 HGB Nr. 24 Bl. 919; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 449 (I.4.); Ascheid, KündigungsschutzR, Rn 697 ff; Prütting, RdA 1991, 257, 260; zu §§ 18, 111, 113 BetrVG: BAG AP § 113 BetrVG 1972 Nr. 15 Bl. 1509 (1., 2.) sowie BAG NZA 1991, 812, 814 (begründet die Bindungswirkung mit materiellen Argumenten); Leipold, Anm. zu BAG AP § 113 BetrVG 1972 Nr. 15 Bl. 726, 727 (2. und 4.); Zeiss, SAE 1988, 228, 230; a. A. Herbst/Bertelsmann/Reiter (1998), Rn 227 (bisher unbekanntes Rechtsinstitut); wohl auch KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139 (Präjudizwirkung: Bindung im Kündigungschutzprozess an die im Beschlussverfahren getroffene, allerdings nicht in Rechtskraft erwachsende Feststellung, dass ein wichtiger Grund vorliegt).

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Teil 3: Bindungswirkungen

Zwar deutet das Bundesarbeitsgericht dort an, dass die angenommene „präjudizielle Wirkung“ keine Folge der Rechtskraft sei. Allerdings wird diese Bindungswirkung nicht mit prozessrechtlichen Erwägungen begründet, sondern mit dem Charakter des § 113 BetrVG. Damit wird die Lösung für diesen Einzelfall im materiellen Recht gesucht. Darüber hinaus greift das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung später auf und bezeichnet die Bindungswirkung als Folge der Rechtskraft.186 Ein eigenständiges prozessuales Rechtsinstitut liegt daher nicht vor. III. Bindungswirkung aufgrund der Repräsentation durch den Betriebsrat Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Belegschaft. Er wird als der „Repräsentant“ der Belegschaft bezeichnet. Auch wenn er eigene Rechte wahrnimmt,187 handelt er im kollektiven Interesse. Dieser Repräsentationsgedanke könnte auf prozessualer Ebene fortgesetzt werden.188 Dagegen spricht aber, dass das Betriebsverfassungsgesetz zwischen Individualrechten der Arbeitnehmer und Rechten des Betriebsrats unterscheidet.189 Die Arbeitnehmer nehmen grundsätzlich ihre Rechte selbst war. Aus Sicht der Arbeitnehmer gibt es auch nicht „das“ kollektive Interesse. Vielmehr haben die Arbeitnehmer vielfach unterschiedliche Interessen, etwa wenn sich mehrere Arbeitnehmer auf eine betriebsintern ausgeschriebene Stelle bewerben oder wenn einem Arbeitnehmer gekündigt werden soll und eine Sozialauswahl nötig ist. Gleiches gilt im Rahmen einer Sozialplanverteilung. Ob eine Bindungswirkung mit der Repräsentation durch den Betriebsrat in einzelnen Fällen begründet werden kann,190 muss hier jedoch nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls liegt kein übergreifendes Prinzip in dem Sinne vor, dass sich alle Konstellationen, in denen eine Bindungswirkung der Entscheidung des Beschlussverfahrens für den Individualprozess relevant wird, damit lösen lassen. Außerdem kann die Repräsentation nur die fehlende Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren ausgleichen, nicht aber die Grenzen der objektiven Rechtskraft erweitern.191 185

BAG AP § 113 BetrVG 1972 Nr. 15 Bl. 1508 f; dazu Prütting, RdA 1991, 257,

267. 186

BAG NZA 1991, 812, 813. Jox, NZA 1990, 424, 425. 188 Dütz, FS Gnade, S. 487, 491 ff. 189 Jox, NZA 1990, 424, 425. 190 Dütz, FS Gnade, S. 487, 491 ff, begründet damit bspw. die Verbindlichkeit der Entscheidung über das Vorliegen einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) für den Arbeitnehmer, der nach § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich fordert, s. o. Teil 3 Fn 147. 191 Die Diskussion über die „präjudizielle Wirkung“ der Entscheidung nach § 111 BetrVG für den Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG betrifft ausschließlich die subjektiven Rechtskraftgrenzen, vgl. Dütz, FS Gnade, S. 487, 489 ff; Jox, NZA 1990, 424, 426. 187

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IV. Bindungswirkung aufgrund Besonderheiten des materiellen Rechts Mit Blick auf die Entscheidungen außerhalb der personellen Einzelmaßnahmen könnte sich eine Bindungswirkung auch aus dem materiellen Recht ergeben. 1. Übertragung der Argumentation zum Nachteilsausgleich Für die Fälle des Mitbestimmungsrechts bei einem Nachteilsausgleich192 sieht das Bundesarbeitsgericht eine Bindung im Urteilsverfahren schon aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Normen begründet. Das Beschlussverfahren soll eine verbindliche Entscheidung über eine bestimmte Streitfrage herbeiführen. Liegt diese im kollektivrechtlichen Bereich und kann sich die Frage aufgrund der Struktur der Betriebsverfassung nach Abschluss des Beschlussverfahrens auch in einem Rechtsstreit mit den Arbeitnehmern stellen, soll die Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes eine Bindung an die Entscheidung verlangen.193 Unabhängig davon, ob dem zu folgen ist, kann diese Argumentation nicht auf die Fälle der personellen Einzelmaßnahmen übertragen werden. In den oben dargestellten Fällen wird im Beschlussverfahren eine kollektivrechtliche Frage geklärt, die zwangsläufig eine Vielzahl von Arbeitnehmern betreffen kann und wird: Ob eine Betriebsänderung oder ein gemeinsamer Betrieb vorliegt, betrifft letztlich alle Arbeitnehmer des Betriebs. Die Rechtsprechung will mit ihrer Vorgehensweise verhindern, dass beispielsweise gegenüber einem Arbeitnehmer ein gemeinsamer Betrieb angenommen wird und im Verhältnis zu einem anderen Arbeitnehmer nicht. Der Sachverhalt ist daher nicht nur deswegen als kollektivrechtlich zu beurteilen, weil Arbeitgeber und Betriebsrat über Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz streiten, sondern auch, weil sich die Entscheidung typischerweise auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern auswirken wird. Das ist im Rahmen der §§ 99–103 BetrVG anders. Zwar regeln diese Normen ebenfalls kollektive Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, nämlich ob und inwieweit der Betriebsrat der personellen Einzelmaßnahme zustimmen musste oder nicht. Allerdings ist Anlass dieser Streitigkeit eine konkrete Maßnahme im Individualrechtsverhältnis. Sie betrifft nur den einen Arbeitnehmer. Dass eine Rechtsfrage gegenüber verschiedenen Arbeitnehmern unterschiedlich beantwortet wird, obwohl sie nur einheitlich geklärt werden kann, ist nicht zu befürchten. Der kollektive Aspekt, dass sich die Entscheidung im Beschlussverfahren i. d. R. auf mehrere Arbeitnehmer auswirken wird und die betreffende Frage abschließend geklärt werden soll, liegt nicht vor.

192

s. o. S. 184 zu Betriebsänderung und Vorliegen eines Betriebs. Zu diesem Thema umfassend Krause, Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht. 193

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Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn eine Feststellungsklage erhoben wird. Ist zu erwarten, dass eine Maßnahme mehreren Arbeitnehmern gegenüber erfolgen soll, können Arbeitgeber oder Betriebsrat feststellen lassen, dass eine bestimmte Art von Maßnahmen mitbestimmungspflichtig ist.194 Diese Feststellung kann für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen relevant werden. Der Unterschied zu den Fällen des Nachteilsausgleichs besteht aber darin, dass sich diese „kollektive Wirkung“ nicht aus § 99 BetrVG oder der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes selbst ergibt. Dort ist lediglich das Zustimmungserfordernis hinsichtlich einer konkreten Maßnahme statuiert. Die Mitbestimmung konzentriert sich nur auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Dass Auswirkungen auch auf andere oder mehrere Arbeitsverhältnisse denkbar sind, folgt nicht aus den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern aufgrund prozessualer Gestaltungsmöglichkeiten. Die Argumentation zum Nachteilsausgleich ist somit nicht übertragbar. 2. Materielle Abhängigkeit Auch eine Entscheidung über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung soll im Individualprozess verbindlich sein, da die Arbeitnehmer auch an eine materielle Vereinbarung der Betriebspartner gebunden wären (Rechtskraft infolge materieller Abhängigkeit195).196 Ob dieser Gedanke zutrifft, kann dahinstehen. Er ist jedenfalls nicht auf das Verhältnis von Zustimmungsersetzungsverfahren und Individualprozess im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen übertragbar. Den Betriebspartnern ist es möglich, mit einer Betriebsvereinbarung Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers zu begründen, da die Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend gilt (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Dann ist der Ansatz nachvollziehbar, dass sich diese Verbindlichkeit auch auf prozessualer Ebene fortsetzt. Im Falle personeller Einzelmaßnahmen haben Arbeitgeber und Betriebsrat diese Möglichkeit jedoch nicht.197 Daher kann die Argumentation nicht übertragen werden. 3. § 9 TVG analog Da in den Zustimmungsersetzungsverfahren nach §§ 99 Abs. 4, 103 Abs. 2 BetrVG nicht um eine kollektive Vereinbarung gestritten wird, scheidet auch eine Analogie zu § 9 TVG aus.198 Somit geht auch der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts fehl, eine Rechtskrafterstreckung lasse sich damit rechtfertigen, dass der Betriebsrat Repräsentant und Interessenvertreter aller Arbeitnehmer sei und die194 195 196 197 198

Zur Möglichkeit der Feststellungsklage s. o. S. 47 f. s. o. S. 144 f. s. o. S. 186. s. o. S. 144 f. Vgl. Budde, Bindungswirkung, S. 77 ff, 82.

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ser Gedanke in § 9 TVG zum Ausdruck komme.199 Darüber hinaus ist es auch kaum möglich, dass der Betriebsrat in der besonderen Konstellation des Zustimmungsersetzungsverfahrens alle Arbeitnehmer vertreten kann. Eine konkrete Einzelmaßnahme kann für den Betroffenen vorteilhaft, für die übrige Belegschaft dagegen nachteilig sein und umgekehrt. Dann kann aber nicht davon gesprochen werden, der Betriebsrat vertrete die Interessen aller Arbeitnehmer. 4. Zwischenergebnis Eine Bindungswirkung der Entscheidung aus dem Beschlussverfahren lässt sich im Falle personeller Einzelmaßnahmen nicht aus dem materiellen Recht begründen. V. Ergebnis Eine „präjudizielle Bindungswirkung“ lässt sich jedenfalls nicht für alle Maßnahmen allgemein herleiten, so dass die einzelnen Normen getrennt zu untersuchen sind.

B. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG – Kündigung I. Zustimmungsersetzung Verhält sich der Arbeitgeber rechtstreu, führt er vor der Kündigung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durch und kündigt dem Arbeitnehmer nur, wenn das Gericht die Zustimmung ersetzt. Unabhängig davon, ob die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren für den Individualprozess bindende Wirkung entfaltet, ist eine Kündigungsschutzklage möglich. Ihr fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.200 Im Beschlussverfahren wird allenfalls entschieden, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Die Wirksamkeit der Kündigung hingegen kann noch nicht geprüft werden, da sie zur Zeit des Beschlussverfahrens noch nicht ausgesprochen wurde. Daher kann beispielsweise erst nach der Zustimmungsersetzung geprüft werden, ob das Schriftformerfordernis eingehalten worden ist. Gleiches gilt für neue, für den Arbeitnehmer sprechende Tatsachen.201 Dafür ist der Kündigungsschutzprozess vorgesehen. Folgt auf das Zustimmungsersetzungsverfahren der Kündigungsschutzprozess ist zu untersuchen, 199 So BAG NZA 1997, 607, 608 mit zahlreichen Literaturnachweisen, die sich aber alle nicht speziell mit personellen Einzelmaßnahmen befassen. Zwar will Konzen, FS Zeuner, S. 401, 425 ff, eine präjudizielle Wirkung auch im Fall des § 99 BetrVG annehmen. Er übersieht aber den wichtigen Unterschied zwischen Betriebsänderung usw. als kollektivem Tatbestand und der personellen Einzelmaßnahme, bei der die Auswirkungen für den einzelnen Arbeitnehmer im Vordergrund stehen. 200 So auch die Rspr., s. o. S. 162 und die Lit., s. o. S. 165. 201 So auch die Rspr., s. o. S. 162 und die Lit., s. o. S. 165.

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wie sich die Entscheidung des Beschlussverfahrens auf den Individualrechtsstreit auswirkt. 1. Wirkung der Rechtskraft – Präjudizialität Ist die vom Bundesarbeitsgericht angenommene Bindungswirkung im Rahmen von § 103 BetrVG weder ein eigenes prozessuales Rechtsinstitut noch lässt sie sich im materiellen Recht begründen, ist anhand allgemeiner prozessualer Grundsätze zu klären, ob die Entscheidung des Beschlussverfahrens für das Urteilsverfahren bindend ist. In Betracht kommt eine präjudizielle Wirkung als Folge der Rechtskraft. Dann ließe sich auch die verwendete Begrifflichkeit der Präklusion in diesen Zusammenhang einordnen: Zu dem als feststehend geltenden Teil der Erstentscheidung sind Einwendungen und ein ergänzender Tatsachenvortrag grundsätzlich ausgeschlossen, also präkludiert.202 Nur neu eingetretene Umstände können im Kündigungsschutzstreit noch vorgebracht werden.203 Präjudiziell für einen zweiten Prozess wirkt aber nur eine Entscheidung über den Streitgegenstand des Erstprozesses zwischen den Parteien oder Beteiligten, die an die Rechtskraft der ersten Entscheidung gebunden sind. Eine Bindungswirkung kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil auf diese Weise sich widersprechende Entscheidungen vermieden werden.204 Die Grenzen der Rechtskraft sind vom Gesetzgeber bewusst eng gehalten worden. Dabei wurde in Kauf genommen, dass sich widersprechende Entscheidungen ergehen können.205 a) Objektive Grenzen der Rechtskraft Zu untersuchen ist daher zunächst, was im Beschlussverfahren ganz konkret Streitgegenstand ist, um den Umfang der Rechtskraft der Zustimmungsersetzungsentscheidung zu ermitteln (aa). Die rechtskräftige Entscheidung über den Streitgegenstand kann grundsätzlich in einem weiteren Prozess präjudiziell sein. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob dieser Streitgegenstand tatsächlich Vorfrage im Kündigungsschutzstreit ist (bb). Nur dann kommt es zu einer präjudiziellen Wirkung. Kann die präjudizielle Wirkung bejaht werden, ist der Kündigungsschutzprozess gleichwohl nicht sinnlos. Dort ist zu prüfen, ob die Schriftform der Kündigung eingehalten und die Erklärungsfrist gewahrt wurde. Außerdem kann der Arbeitnehmer neue Tatsachen vorbringen. Dass im Falle der präjudiziellen Wirkung die Zwischenfeststellungsklage nicht relevant wird, steht 202 BAG NZA 2000, 1106, 1008; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 449 (II.3.c.); Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 43; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; zur Präklusion s. o. S. 150. 203 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 450 (II.4.); Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 103 Rn 79; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 89. 204 Vgl. S. 168. 205 s. o. S. 126 f.

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einer präjudiziellen Wirkung ebenfalls nicht entgegen.206 Zwar wurde sie geschaffen, um die engen Grenzen der objektiven Rechtskraft auszugleichen und die verbindliche gerichtliche Feststellung auf bestimmte Vorfragen zu erstrecken.207 Allerdings ist ihr Anwendungsfall nur eröffnet, wenn eine Frage nicht ohnehin von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst ist. aa) Umfang der Rechtskraft im Zustimmungsersetzungsverfahren (1) Streitgegenstand: Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ersetzt das Arbeitsgericht die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber wird im Falle der Zustimmungsverweigerung unter Vorbringen des Sachverhalts beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Streitgegenstand ist daher die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats oder – anders ausgedrückt – die Ersetzung der verweigerten Zustimmung.208 Die Rechtfertigung der Kündigung ist dafür nur eine Vorfrage.209 Danach könnte die Entscheidung im Beschlussverfahren für den Individualprozess nicht präjudiziell wirken.210 (2) Besonderheiten der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung Im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG erstrebt der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung. Kommt das Gericht dem nach und ersetzt es die Zustimmung, hat es eine Gestaltungsentscheidung getroffen.211 Auch der Streitgegenstand einer Gestaltungsklage erwächst in Rechtskraft. Anders als die inter omnes wirkende Gestaltung212 wirkt die Rechtskraft nur zwischen den Parteien.213 Fraglich ist, ob die Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung über die Rechtskraft des gerade dargestellten Streitgegenstands, die Verweigerung der Zustimmung, hinausgeht. 206 So Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34h (III.3.c.) (Zwischenfeststellungsklage sonst sinnlos), s. o. S. 168. 207 s. o. S. 132 ff. 208 Vgl. BAG AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 16 Bl. 1006 (III.2.). 209 Vgl. Budde, Bindungswirkung, S. 37, 60. 210 Vgl. Helm/Müller, AiB 1999, 604; Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34h (III.3.c.); Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 134; vgl. auch Konzen, FS Zeuner, S. 401, 415 (weist auf dieses Problem hin, folgt aber letztlich dennoch der Rspr.). 211 Germelmann-Matthes/Spinner, § 81 Rn 19. 212 s. o. S. 152. 213 s. o. S. 143.

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(a) Rechtskraft des Rechts auf Gestaltung Um sich diesem Problemkreis zu nähern, soll zunächst an anderen Beispielen verdeutlicht werden, was grundsätzlich Streitgegenstand einer Gestaltungsklage ist (aa): das Recht des Klägers auf die begehrte Entscheidung – das „Recht auf Gestaltung“ – der „Anspruch auf Gestaltung“.214 Anschließend ist zu zeigen, welche Konsequenzen es hat, wenn die Entscheidung hinsichtlich dieses Streitgegenstands in Rechtskraft erwächst (bb). (aa) Recht auf Gestaltung Begehrt ein Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft, kann das Gericht nach § 133 Abs. 1 HGB die Gesellschaft auflösen. Streitgegenstand dieser Gestaltungsklage ist das Recht des Gesellschafters auf Auflösung der Gesellschaft. Soll nach § 140 Abs. 1 S. 1 HGB ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ist Streitgegenstand das Recht der Gesellschaft auf Ausschluss dieses Gesellschafters. Streitgegenstand im Falle der Anfechtung eines Verwaltungsakts ist jedenfalls der Anspruch des Anfechtenden auf Aufhebung des Verwaltungsakts.215 Im Fall des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG besteht der Anspruch des Arbeitgebers auf Gestaltung in dem Anspruch auf Zustimmungsersetzung. Darin liegt der Streitgegenstand. Dieses Recht zur Gestaltung darf aber nicht mit dem Recht des Arbeitgebers zur Kündigung verwechselt werden (welches ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers ist). Im Beschlussverfahren steht die Zustimmung des Betriebsrats im Vordergrund. Das Gericht ersetzt diese und gestaltet damit die Rechtslage. Über die Kündigung an sich ergibt sich daraus formal nichts. (bb) Rechtskraft des Streitgegenstands – Recht auf Gestaltung Mit Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung steht fest, dass der Kläger ein Recht auf Gestaltung hat oder ein solches Recht nicht hat. Die Rechtskraft ist neben der Gestaltungswirkung wichtig. Macht der Beklagte in Schadensersatzoder Bereicherungsprozessen geltend, die Gestaltung sei zu Unrecht erfolgt, steht

214 Dölle, FS Bötticher, S. 93, 98; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 185; MusielakMusielak, § 322 Rn 63; Nikisch, AcP 154 (1955), 269, 288 f; vgl. auch Stein/JonasLeipold, § 322 Rn 59; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 91 Rn 16; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 4. 215 Vgl. Schoch-Causing, § 121 Rn 80; BeckOK-VwGO-Lindner, § 121 Rn 39; ob auch die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zum Streitgegenstand gehört, soll hier zunächst nicht entschieden werden, dazu S. 214 ff.

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aufgrund der Rechtskraft des Gestaltungsurteils fest, diese Klage ist unbegründet. Es steht fest, die Gestaltung ist rechtens.216 Beispielsweise steht bei einer rechtskräftigen Ehescheidung fest, dass ein Recht auf Scheidung besteht.217 Anschließend kann der eine Ehegatte vom anderen keinen Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts (§§ 1360 ff BGB) verlangen, weil das Scheidungsurteil unrichtig sei. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils steht gerade fest, die Ehe wurde zu Recht geschieden.218 In den Fällen der §§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB steht bei Stattgabe fest, der Kläger hat ein Recht auf Auflösung der Gesellschaft bzw. Ausschluss eines Gesellschafters. Damit kann beispielsweise kein Schadensersatz mit dem Argument verlangt werden, der Ausschluss sei zu Unrecht erfolgt. Wird die Klage dagegen abgewiesen, steht fest, der Kläger hat kein Recht auf Gestaltung. Eine neue Klage aufgrund desselben Sachverhaltes scheidet aus.219 Steht die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Beschlusses der Aktiengesellschaft im Raum, ist Streitgegenstand nach §§ 241 Nr. 5, 246, 248, 249 AktG der Anspruch auf Nichtigkeitserklärung des Beschlusses. Wird ein Verwaltungsakt erfolgreich angefochten, steht jedenfalls fest, es besteht ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts. Wird nun eine Amtshaftungsklage erhoben, stellt sich die Frage, ob die im Anfechtungsprozess festgestellte Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts auch hier bindend ist. Dies wäre zu erreichen, wenn die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts in dem Streitgegenstand der Anfechtungsklage enthalten wäre.220 Im Falle des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG steht rechtskräftig fest, dass der Arbeitgeber ein Recht auf die Zustimmungsersetzung hat oder nicht hat. Über die Kündigung ist damit noch nichts ausgesagt. Die Rechtfertigung der Kündigung ist für das Recht auf Zustimmungsersetzung nur eine Vorfrage, die grundsätzlich nicht in Rechtskraft erwächst.

216 MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 185; Grunsky, Verfahrensrecht, § 47 IV 2 a; Jauernig/Hess, ZPR, § 65 Rn 8; Nikisch, AcP 154 (1955), 271, 288 f; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, ZPR, § 91 III 2; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 406 ff; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 4; vgl. auch Dölle, FS Bötticher, S. 93, 98; s. o. S. 152. 217 Zum „Scheidungsrecht“ vgl. BGH NJW 1986, 2046 f. 218 Bsp. angelehnt an Jauernig/Hess, ZPR, § 65 Rn 8; zu Ausnahmen wegen Sittenwidrigkeit vgl. BGH NJW 1964, 349. 219 Inhaltlich auch MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 189 (im Zusammenhang mit dem Gestaltungsgrund); Musielak-Musielak, § 322 Rn 63. 220 So die wohl hM mit unterschiedlichen Begründungsansätzen: BGHZ 9, 329, 332; vgl. auch Schoch-Causing, § 121 Rn 80; BeckOK-VwGO-Lindner, § 121 Rn 38 f; Eyermann-Rennert, § 121 Rn 25; a. A. Bettermann, MDR 1954, 7, 9; ders., DVBl 1953, 163 ff, 202 ff.

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(cc) Probleme und Folgen Die formale Beschränkung der Rechtskraft auf das Recht zur Gestaltung führt dazu, dass eine Frage, die Kern der Prüfung des ersten Prozesses war, nicht an der Rechtskraftwirkung teilnimmt. Beispielsweise wäre in einem Amtshaftungsprozess, gestützt auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, diese nochmals neu zu prüfen. Im Falle des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG, der sich im Prinzip ausschließlich mit der Rechtfertigung der Kündigung befasst,221 ist letztere nicht von der Rechtskraft der Entscheidung umfasst. (b) Rechtskraft des Gestaltungsgrunds Teilweise ist zu lesen, die Gestaltungsgründe oder das Bestehen des Gestaltungsgrunds erwachsen in Rechtskraft.222 Fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung angenommene präjudizielle Bindungswirkung im Rahmen des § 103 BetrVG mit der Rechtskraft der Gestaltungsgründe begründet werden kann. Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, was die „Gestaltungsgründe“ sind. (aa) Bestimmung des Gestaltungsgrunds Versteht man als Gestaltungsgrund lediglich den Anspruch oder das Recht auf Gestaltung,223 entspricht das dem soeben festgestellten Streitgegenstand. Die Rechtskraft des „Gestaltungsgrunds“ hätte keinen Mehrwert. Der Gestaltungsgrund könnte aber auch davon verschieden sein. Einen Ansatz für die Bestimmung des Gestaltungsgrunds kann ein Vergleich der Gestaltungsrechte mit dem Anspruch auf Gestaltung, der mit einer Gestaltungsklage umgesetzt wird, bieten. In beiden Fällen wird einer Partei die Möglichkeit eröffnet, gegen den Willen des anderen Teils die Rechtslage zu ändern. Die Gestaltungsklage sieht der Gesetzgeber in Konstellationen vor, in denen das Bedürfnis nach Rechtssicherheit besonders hoch ist.224 Bei den Gestaltungsrechten wie etwa der Anfechtung, der Kündigung oder dem Rücktritt oder Widerruf sind gewisse „Gründe“ Voraussetzung für die wirksame Ausübung des Gestaltungsrechts. In §§ 119, 120, 123 BGB sind verschie221

Vgl. Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56h (I.3.c.(3)). Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 198. 223 So wohl MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 186 und Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 109, 59, die zwar von Rechtskraft der Gestaltungsgründe sprechen, gleichzeitig aber für den Fall des § 133 HGB die einzelnen Auflösungsgründe nicht an dieser Wirkung teilhaben lassen wollen; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 172; vgl. auch K. Schmidt, JuS 1986, 35, 38; anders aber in MüKo-HGB-K. Schmidt, § 133 Rn 61. 224 Bötticher, FS Dölle I, S. 41, 56; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 28 ff; vgl. auch Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274 ff, 283; Lakkis, Gestaltungsakte, S. 31 ff, 41. 222

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dene Anfechtungsgründe, in §§ 312 Abs. 1 S. 1, 312d Abs. 1 BGB Widerrufsgründe – oder anders ausgedrückt – Widerrufsrechte genannt. Auch der Ausspruch einer Kündigung setzt oftmals einen Kündigungsgrund voraus, wie beispielsweise bei der Kündigung eines Arbeitnehmers, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist (§§ 1 Abs. 2, 23 KSchG). Um von einem Vertrag zurücktreten zu können, verlangt § 346 Abs. 1 BGB einen Rücktrittsgrund. Diese „Gründe“ sind jeweils der Anlass, der „Grund“, das „Recht“ zur Gestaltung. Überträgt man den Gedanken auf die Gestaltungsklagen, zeigt sich, dass auch hier von dem oben beschriebenen „Recht auf Gestaltung“ oder dem „Anspruch auf Gestaltung“ ein sog. Gestaltungsgrund abtrennbar ist, der materiellrechtlich den Anlass, den „Grund“, das „Recht“ zur Gestaltung liefert.225 Die Zustimmung im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG wird nur ersetzt, wenn die Kündigung gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigung der Kündigung ist der „Anlass“, der „Grund“ für die Zustimmungsersetzung. Sie ist der Gestaltungsgrund.226 Im Beispiel des § 133 Abs. 1 HGB besteht das Recht des Gesellschafters auf Auflösung der Gesellschaft nur dann, wenn ein Auflösungsgrund vorliegt. Dieser Auflösungsgrund ist daher Anlass für die Gestaltung und daher Gestaltungsgrund. Das Recht auf Ausschluss des Gesellschafters nach § 140 Abs. 1 S. 1 HGB besteht nur dann, wenn ein Ausschlussgrund vorliegt. Dieser Ausschlussgrund ist Anlass für die Gestaltung. Er ist der Gestaltungsgrund. Im Falle der §§ 241 Nr. 5, 246, 248, 249 AktG besteht der Anspruch auf Nichtigkeitserklärung nur dann, wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt. Dieser Anfechtungsgrund ist daher Anlass für die Gestaltung und somit Gestaltungsgrund. Wird ein Verwaltungsakt angefochten, besteht ein Anspruch auf Aufhebung nur dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Die Rechtswidrigkeit ist daher Anlass für die Gestaltung und stellt den Gestaltungsgrund dar.227

225 Verwirrend K. Schmidt, der in JuS 1986, 35, 38 das Rechts des Klägers auf Gestaltung als Gestaltungsgrund ansieht, aber in MüKo-HGB-K. Schmidt, § 133 Rn 61 davon ausgeht, dass die Auflösungsgründe in Rechtskraft erwachsen, was darauf hindeutet, dass er doch eine Differenzierung vornimmt; für eine Differenzierung vgl. Boemke, ZfA 1992, 473, 496; Bötticher, FG Rosenberg, S. 73, 81; vgl. auch Schwab, Streitgegenstand, S. 95 f; anders Nikisch, AcP 154 (1955), 269, 291 ff (geht nicht von mehreren „Gestaltungsgründen“ aus, sondern begreift das Recht auf Gestaltung als Ergebnis, selbst wenn mehrere Gründe vorliegen, die dieses Recht hervorbringen). 226 BAG NZA 1986, 467; Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 135; RichardiThüsing, § 103 Rn 88. 227 Vgl. Eyermann-Rennert, § 121 Rn 25 (Klagegrund wird durch den Verwaltungsakt individualisiert).

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(bb) Rechtskraft der Gestaltungsgründe Werden auch die Gestaltungsgründe rechtskräftig,228 stünde im Falle der Stattgabe der Klage fest, der Gestaltungsgrund liegt vor, bei Abweisung, er liegt nicht vor. Für den Fall des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG würde das bedeuten, auch die Rechtfertigung der Kündigung als Gestaltungsgrund der Zustimmungsersetzung erwächst in Rechtskraft. Abgesehen von neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen wäre sie in einem ggf. stattfindenden Kündigungsschutzprozess nicht nochmals zu prüfen.229 Erwächst im Fall der §§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB der Gestaltungsgrund, d.h. der konkrete Ausschließungsgrund und damit die Pflichtverletzung in Rechtskraft, steht bei Stattgabe fest, dass der Ausschließungsgrund und damit die Pflichtverletzung vorliegt. Will beispielsweise die Gesellschaft gegen den Gesellschafter aufgrund der zum Ausschluss führenden Pflichtverletzung Schadensersatzklage erheben, steht in diesem Prozess fest, dass die Pflichtverletzung vorlag.230 Hat sich der Gesellschafter aber nun gegen den Ausschluss nicht mit aller Kraft verteidigt, weil er seinerseits ohnehin aus der Gesellschaft ausscheiden wollte oder ihm der Ausschluss gleichgültig war, wäre er dennoch im nächsten 228 Vgl. BAG NZA 1994, 70, 72 (Klageabweisung im Fall arbeitsrechtlicher Wiederholungskündigung); NZA 1986, 467 (Rechtfertigung der Kündigung im Rahmen des § 103 BetrVG); BVerwG NJW 1963, 171 ff (Wiederholungsverwaltungsakt); wohl auch Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 274 (Wiederholungskündigung); KR-Friedrich, § 4 KSchG Rn 272 (Kündigungsgründe sind rechtskräftig aberkannt); MüKo-BGB-Hergenröder, § 4 KSchG Rn 80 (Kündigungsgründe erwachsen in Rechtskraft); Henssler/Strohn-GesellschaftsR-Klöhn, § 140 HGB Rn 32 und § 133 HGB Rn 40 (Rechtskraft der Ausschluss- und Auflösungsgründe); MüKo-HGB-K. Schmidt, § 133 Rn 61 (Rechtskraft der Auflösungsgründe); Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88 (in Rechtskraft erwächst die Feststellung des Gestaltungsgrunds, d.h. Rechtfertigung der Kündigung); vgl. auch Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß, S. 286 ff, der allerdings ein Recht auf Gestaltung als nicht vom Streitgegenstand umfasst sieht, vgl. S. 31; gegen die Rechtskraft der Gestaltungsgründe: Ascheid/Preis/Schmidt-Ascheid/Hesse, § 4 KSchG Rn 146 sowie Ascheid, FS Stahlhacke, S. 1, 9 f (Wiederholungskündigung); MüKoZPO-Gottwald, § 322 Rn 186 sowie Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn 109, 59 (Ausschluss aus der Gesellschaft hat keine Wirkung für Schadensersatzansprüche gegen den ausgeschlossenen Gesellschafter); Nikisch, DB 1956, 1133, 1134 (Kündigungsschutzklage – Kündigungsgründe erwachsen nicht in Rechtskraft); diffenzierend Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 396 f. 229 So Boemke, ZfA 1992, 473, 504; Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 135; Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88 (jeweils ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Problem). 230 Diese Konsequenz will MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 189 nicht ziehen. Zwar bejaht er die Rechtskraft der Gestaltungsgründe, meint aber, die Rechtskraft des Gestaltungsgrunds beschränke sich auf den Streitgegenstand. Eine Schadensersatzklage soll nicht auf die Ausschlussgründe des §§ 133, 140 HGB gestützt werden können.

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Prozess an die Feststellung der Pflichtverletzung gebunden. Es ist aber etwas anderes, aus einer Gesellschaft ausgeschlossen zu werden oder sich einer Schadensersatzforderung ausgesetzt zu sehen. Genau solche weitreichenden Bindungen sollen die engen Grenzen der Rechtskraft verhindern.231 (cc) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist daher eine Rechtskraft der Gestaltungsgründe abzulehnen. (c) Ergebnis Die Gestaltungsgründe erwachsen nicht in Rechtskraft. Grundsätzlich umfasst die Rechtskraft der Gestaltungsklage lediglich den Streitgegenstand, d.h. die Ersetzung der Zustimmung und das Recht des Klägers auf die Gestaltung. Im Falle des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG würde die Rechtskraft des Beschlusses keine Wirkung in einem folgenden Kündigungsschutzstreit hinsichtlich der Rechtfertigung der Kündigung haben. (3) Bestimmung der Rechtskraft mit Hilfe der Urteilsgründe Die Rechtfertigung der Kündigung ist lediglich eine Vorfrage für das in Rechtskraft erwachsende Recht des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung. Gleiches gilt für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bei der Anfechtungsklage. Allerdings sind diese Fragen so eng mit dem eigentlichen Streitgegenstand verknüpft, dass eine Unterscheidung sinnwidrig erscheint: Im Fall des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist letztlich die Rechtfertigung der Kündigung hauptsächlicher Prüfungsgegenstand. Wird ein Verwaltungsakt angefochten, ist dessen Rechtmäßigkeit Kern der Prüfung. Fraglich ist daher, ob mit Hilfe der Urteilsgründe eine Bestimmung des Rechtskraftumfangs erreicht werden kann, so dass auch eine Aussage zur Rechtfertigung der Kündigung (bzw. der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts) ergeht. Im Falle des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat das Gericht die Zustimmungsersetzungsentscheidung nur getroffen, wenn es die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände für gerechtfertigt hält.232 Diese Rechtfertigung der Kündigung liegt demnach der Gestaltungsentscheidung zugrunde. Allerdings ist es hier schwierig, eine Abgrenzung zu der abgelehnten Rechtskraft der Gestaltungsgründe zu finden. Warum soll die Vorfrage „Rechtfertigung der Kündigung“ in Rechtskraft erwachsen, nicht aber die konkreten Auflösungs- und Ausscheidungsgründe im Falle der §§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB, die sich auch anhand der Entscheidungsgründe bestimmen lassen? 231 232

s. o. S. 126 f. Richardi-Thüsing, § 103 Rn 88.

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Zwischen beiden Konstellationen besteht allerdings folgender Unterschied: Bei der Auflösung der Gesellschaft und dem Ausscheiden des Gesellschafters nach §§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB sind mehrere Gründe denkbar, die schon einzeln zu dem Ergebnis der Auflösung bzw. des Ausschlusses führen können. Sie sind damit nur Elemente des Subsumtionsschlusses – der Rechtsfolgenbehauptung –, die eben nicht an der Rechtskraft teilhaben.233 Wird die Zustimmung wegen Rechtfertigung der Kündigung ersetzt, hat das Gericht vorher ggf. mehrere Gründe geprüft und eine Abwägung vorgenommen. Dieses Ergebnis stellt die Rechtfertigung der Kündigung dar. Andere Gründe sind nicht denkbar. Das Gericht ersetzt die Zustimmung nur dann, wenn die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigung ist der Subsumtionsschluss – die Rechtsfolgenbehauptung – hinsichtlich der Prüfung der Kündigung. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, die Kündigung ist gerechtfertigt, wird die Zustimmung ersetzt. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Aussage über die Rechtfertigung der Kündigung der Subsumtionsschluss – die Rechtsfolgenbehauptung – der Zustimmungsersetzungsentscheidung ist. Das wird deutlich, wenn der Antrag abgelehnt wird. Zwar wird der Antrag i. d. R. abgelehnt, wenn die Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Denkbar ist aber auch, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht mehr dem Schutz des § 103 BetrVG unterfällt, weil seine Amtszeit abgelaufen ist und darüber Uneinigkeit herrscht. Ein gleichwohl gestellter Zustimmungsersetzungsantrag wird erfolglos bleiben, da die Erforderlichkeit der Zustimmung Voraussetzung für deren Erteilung ist. In Rechtskraft erwächst, dass der Arbeitgeber kein Recht zur Zustimmungsersetzung hat. In diesem Fall ist keine Entscheidung zur Rechtfertigung der Kündigung ergangen. Daran zeigt sich, dass für den Subsumtionsschluss der Zustimmungsersetzungsentscheidung – Anspruch des Arbeitgebers auf Ersetzung – neben der Rechtfertigung der Kündigung noch andere Gründe eine Rolle spielen (können). Die Rechtfertigung der Kündigung stellt daher nicht den Subsumtionsschluss – die Rechtsfolgenbehauptung – der Zustimmungsersetzungsentscheidung dar. Eine Heranziehung der Urteilsgründe ändert daran nichts und kann nicht dazu führen, dass die Rechtfertigung der Kündigung an der Rechtskraftwirkung teilhat. (4) Vergleich von Feststellungsklage und Gestaltungsklage Eine Rechtskraft hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des überprüften „Akts“ oder im Falle des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG der Rechtfertigung der Kündigung könnte mit einem Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsklage begründet werden. 233

Vgl. S. 129 ff.

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen

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(a) Herleitung des Grundsatzes Jedes Urteil hat eine feststellende Wirkung, auf die sich die Rechtskraft ebenfalls bezieht. Beispielsweise enthält ein Leistungsurteil die Feststellung, dass ein Anspruch besteht oder nicht besteht.234 Daher enthält ein Gestaltungsurteil in jedem Fall die Feststellung, dass ein Recht oder ein Anspruch auf Gestaltung besteht oder nicht besteht.235 Dagegen ist damit nicht ohne Weiteres die Feststellung verbunden, die Kündigung sei gerechtfertigt oder der Verwaltungsakt rechtswidrig. Bei vielen Gestaltungsklagen steht jedoch eine Art „Akt“ im Mittelpunkt der Prüfung: die Kündigung, die ausgesprochen werden soll, der Verwaltungsakt, der überprüft wird, der Ausschluss des Gesellschafters, den das Gericht vornehmen soll. Hinsichtlich dieses „Akts“ sind zunächst zwei Konstellationen zu unterscheiden. Einen „Akt“ stellt der bereits erlassene Verwaltungsakt oder der schon ergangene Beschluss der Aktiengesellschaft nach §§ 241 Nr. 5, 246 HGB dar. In diesen Fällen ist Schwerpunkt der Prüfung, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig oder rechtmäßig236 bzw. der Beschluss nichtig oder wirksam ist. Soll dieser „Akt“ angegriffen werden, kann von einer „Gestaltungsabwehrklage“ oder „Gestaltungsgegenklage“ 237 gesprochen werden. Ziel des Rechtsschutzsuchenden ist die Aufhebung des Akts durch gerichtliche Gestaltung und Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage. Ein „Akt“ in diesem Sinne kann aber auch in der Zukunft liegen und eben durch die Gestaltungsentscheidung erst ausgeführt werden. Mit der Gestaltung wird damit die Rechtslage erstmalig verändert. Hier liegt eine „echte“ Gestaltungsklage238 (auch „Gestaltungsklagerecht“ 239) vor. Beispielsweise wird die Gesellschaft aufgelöst, der Gesellschafter ausgeschlossen (§§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB) oder eine Ehe geschieden (§ 1564 BGB). Prüfungsgegenstand der „Gestaltungsgegenklagen“ ist ein „Akt“: ein Verwaltungsakt, ein Beschluss. Sinnvoll wäre daher, dass die Rechtskraft der Entscheidung ebenfalls eine Aussage über diesen Akt trifft. Im Falle der Anfechtungsklage würde das bedeuten, dass zugleich eine Entscheidung darüber getroffen wird, ob der Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Hier kann nun ein Bezug zur Feststellungsklage hergestellt werden. Steht ein „Akt“ zur Überprüfung, könnte das Gesetz anstelle dessen Aufhebung in Form einer Gestaltungsklage auch die Feststellung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrig234

MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 173 f; Schlosser, ZPR, Rn 217. Vgl. MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 185; Schlosser, ZPR, Rn 218. 236 Nach hM erstreckt sich die Rechtskraft auch auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, s. o. Teil 3 Fn 220. 237 Begriff nach Bötticher, FS Dölle I, S. 41. 238 Zum Begriff Becker, AcP 188 (1988), 24, 31, 50. 239 Zum Begriff vgl. Bötticher, FS Dölle I, S. 41. 235

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keit oder Nichtigkeit vorsehen. In beiden Fällen ginge es aber inhaltlich um die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des entsprechenden „Akts“.240 Käme es nur zu einer Feststellung, wäre es dann Aufgabe der Behörde oder Partei, den „Akt“ zurückzunehmen. Alternativ könnte das Gericht zusätzlich eine Verpflichtung zur Rücknahme oder Aufhebung aussprechen. Wählt das Gesetz die Form der gerichtlichen Gestaltung, ist das für den Rechtsschutzsuchenden ein Vorteil.241 Er ist nicht darauf angewiesen, dass das Rechtssubjekt, welches die Gestaltung ausgesprochen oder den „Akt“ erlassen hat, diesen zurücknimmt. Damit ist die Gestaltung ein „Mehr“ gegenüber der Feststellung. Dann sollte aber ihre Rechtskraft nicht hinter der der Feststellung zurückbleiben.242 Konsequenzen hat ein solches Rechtskraftverständnis beispielsweise für Amtshaftungsklagen des Bürgers. Er kann sich auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts berufen. Auf die „echten“ Gestaltungsklagen lässt sich der Gedanke auch übertragen. Schließlich befassen sich diese ebenfalls mit einem „Akt“, auch wenn dieser in der Zukunft liegt. Alternativ zur Gestaltung durch das Gericht könnte das Gesetz dem Kläger nach gerichtlicher Prüfung und Feststellung der Rechtfertigung die Möglichkeit zur Vornahme der Gestaltung eröffnen.243 Im Falle der §§ 133 Abs. 1, 140 Abs. 1 S. 1 HGB liefe das beispielsweise auf die Feststellung hinaus, dass das Ausscheiden des Gesellschafters gerechtfertigt wäre. Die Gesellschaft könnte den Gesellschafter dann selbst ausschließen. Aus welchen Gründen das aber erfolgt, würde an der Rechtskraftwirkung nicht teilnehmen. Darin ist der Unterschied zur abzulehnenden Rechtskraft der Gestaltungsgründe zu sehen.244 Danach könnte auch die Aussage zu dem geprüften „Akt“ in Rechtskraft erwachsen. (b) Probleme im Falle der abweisenden Entscheidung Probleme ergeben sich aber auch hier bei der Abweisung der Gestaltungsentscheidung. Wird der Gestaltungsklage stattgegeben, hat sich das Gericht in jedem Fall mit dem „Akt“ (Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, Nichtigkeit des Be240 Vgl. Becker, AcP 188 (1988), 24, 54 f, insbes. Fn 86; vgl. auch Bruns, ZZP 78 (1965), 264, 283 („Zwischen dem Feststellungsurteil, das eine Kündigung aus wichtigem Grund für wirksam erklärt, und dem Gestaltungsurteil auf die auf wichtigen Grund gestützte Kündigungsklage eines oHG-Gesellschafters hin kann es funktional keinen Unterschied geben.“). 241 Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 31 (für echte Gestaltungsklagen: der Richter könnte auch „nur“ das Bestehen eines Gestaltungsgrunds feststellen und der Partei dann die Ausübung der Gestaltung überlassen). 242 So für den Verwaltungsakt Sodan/Ziekow-Kilian, § 121 Rn 49; a. A. Detterbeck, Streitgegenstand, S. 154 ff, 162 (Streitgegenstand und rechtskraftfähig ist nur der prozessuale Anspruch des Klägers auf Aufhebung von Verwaltungsakten dieser Art). 243 Vgl. Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 31. 244 Dazu s. o. S. 210 ff.

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schlusses, Rechtfertigung des Gesellschafterausschlusses) beschäftigt. Der Umfang der Rechtskraft lässt sich dann sicher bestimmen. Das ist bei einer Abweisung anders. Die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt kann auch deswegen abgewiesen werden, weil der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist. In einem solchen Fall muss sich das Gericht nicht mit der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts auseinandersetzen. Dann kann diese Frage auch an der Rechtskraft nicht teilnehmen. Das Problem stellt sich aber auch bei der Feststellungsklage (§ 256 ZPO). Der Umfang der Rechtskraft lässt sich nur bei Stattgabe eindeutig anhand des Tenors bestimmen. Bleibt die Feststellungsklage erfolglos, ist dem Tenor nicht zu entnehmen, ob das Feststellungsinteresse fehlt oder ob das Rechtsverhältnis nicht besteht. Die Reichweite der Rechtskraft muss daher anhand der Gründe festgestellt werden. Eine abgewiesene Feststellungsklage stellt danach das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses rechtskräftig fest, wenn die Klage aus sachlichen Gründen abgewiesen wird.245 Der Gedanke könnte auch auf die abgewiesene Gestaltungsklage und den zurückgewiesenen Gestaltungsantrag übertragen werden. Zwischen beiden Fällen besteht aber ein Unterschied. Wird die Feststellungsklage aus Sachgründen abgewiesen, besteht das Rechtsverhältnis nicht. An einem anderen Punkt kann die Prüfung der Begründetheit nicht scheitern. Wird beispielsweise die Anfechtungsklage aus Sachgründen abgewiesen, kann auch die fehlende Rechtsverletzung der Grund sein. Dann wurde der Verwaltungsakt nicht geprüft. Allerdings lässt sich aus den Urteilsgründen ebenfalls entnehmen, ob eine Aussage zum Verwaltungsakt getroffen wurde. Probleme treten dann auf, wenn das Gericht sich sowohl zur Rechtsverletzung als auch zum Verwaltungsakt geäußert hat. Dem kann jedoch begegnet werden, indem eine rechtskräftige Feststellung hinsichtlich des „Akts“ nur angenommen wird, wenn die Abweisung gerade darauf beruht, dass beispielsweise der Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Eine solche Aussage wird sich dem Urteil auch dann entnehmen lassen, wenn mehrere Aspekte angesprochen werden. Auf den ersten Blick widerspricht diese Argumentation dem engen Rechtskraftverständnis.246 Beispielsweise wurde eine Rechtskraft kraft Sinnzusammenhangs abgelehnt.247 Auch bei einem Grundbuchberichtigungsanspruch erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf die Feststellung hinsichtlich des Eigentums.248 Ein solcher Widerspruch besteht jedoch nicht. Auszugehen ist von den engen Gren245 BGH NJW-RR 2006, 712, 714; NJW 1994, 657, 659; NJW 1989, 393, 394; NJW 1969, 2014, 2015; NJW 1966, 688, 692; MüKo-ZPO-Gottwald, § 322 Rn 181 f; Stein/ Jonas-Leipold, § 322 Rn 105; Musielak-Musielak, § 322 Rn 58; Stein/Jonas-Roth, § 256 Rn 121; Zöller-Vollkommer, § 322 Rn 12. 246 s. o. S. 126 ff. 247 s. o. S. 134. 248 s. o. S. 135 ff.

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zen der Rechtskraft. Als Ausgleich existiert die Zwischenfeststellungsklage. Eine „Aufweichung“ dieser strengen Maßstäbe wird hier nur deshalb zugelassen, um die Rechtskraftwirkung der Gestaltungsklage nicht hinter der einer Feststellungsklage zurückbleiben zu lassen.249 Darin ist die Rechtfertigung zu erblicken, die nicht auf die Rechtskraft etwaiger Vorfragen übertragen werden kann. Damit kann auch bei einem zurückgewiesenen Gestaltungsantrag eine rechtskräftige Entscheidung über den zugrunde liegenden „Akt“ ergehen. (c) Zwischenergebnis Es lässt sich daher festhalten, dass bei „Gestaltungsgegenklagen“ die Rechtskraft neben dem Recht des Klägers auf Gestaltung eine Aussage über den geprüften „Akt“ enthält. Bei einer abgewiesenen Gestaltungsklage muss anhand der Urteilsgründe bestimmt werden, ob die Entscheidung hinsichtlich des „Akts“ Grund für die Abweisung war. Damit lässt sich auch erklären, warum die Aussage zur Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts von der Rechtskraft umfasst ist. Mit der Rechtskraft von Gestaltungsgründen hat das nichts zu tun. Auch bei „echten“ Gestaltungsklagen kann dem Urteil eine Aussage über den hypothetischen „Akt“ entnommen werden. (d) Übertragung auf § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG Soll dieser Ansatz auf das Zustimmungsersetzungsverfahren und die Rechtfertigung der Kündigung übertragen werden, ist zunächst zu beachten, dass in dem Fall drei Rechtssubjekte beteiligt sind. Das Gericht ersetzt die Zustimmung des Betriebsrats, um dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Kündigung zu eröffnen. In den oben beschrieben Fällen stehen sich nur zwei Rechtssubjekte gegenüber: Bürger gegen Behörde; Gesellschaft gegen Gesellschafter. Der Betriebsrat ist dem eigentlichen Ziel des Arbeitgebers, Kündigung des Arbeitnehmers, quasi „vorgeschaltet“. Daher ist der „Akt“, der Kern der Prüfung im Zustimmungsersetzungsverfahren, nicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber angesiedelt. Die Einteilung in „echte Gestaltungsklage“ und „Gestaltungsgegenklage“ hilft daher nicht weiter. Entscheidend ist vielmehr, dass sich das Gericht mit dem „Akt“, den der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer vornehmen will, beschäftigt. Es prüft die Rechtfertigung der Kündigung. Will man die Zustimmungsersetzungsentscheidung anstelle einer Gestaltungsklage in dem oben beschriebenen Sinn in eine Feststellungsklage „umwandeln“, lautet die Feststellung: „Die Kündigung ist unter Beachtung aller Umstände gerechtfertigt“. Der Betriebsrat müsste im Anschluss an ein solches Urteil die Zustimmung erteilen. Dann kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen, also den „Akt“ ausführen. Um auch 249

s. o. S. 214 ff.

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hier die Rechtskraft der Gestaltungsklage nicht hinter derjenigen einer Feststellungsklage zurückbleiben zu lassen, erwächst auch diese Feststellung in Rechtskraft. Die Rechtfertigung der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG) kann für den Kündigungsschutzstreit präjudiziell sein. (5) Zwischenergebnis Im Falle der Zustimmungsersetzungsentscheidung steht rechtskräftig fest, dass der Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung hat und dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG).250 Diese Fragen können grundsätzlich in einem weiteren Prozess präjudiziell sein. bb) Vorfrage im Kündigungsschutzprozess Für eine präjudizielle Wirkung muss die rechtskräftige Feststellung, dass die Kündigung gerechtfertigt ist, im Kündigungsschutzprozess eine Vorfrage darstellen. Im Kündigungsschutzprozess wird die Wirksamkeit der Kündigung geprüft. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Kündigung unter Einhaltung der Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen wurde. Kern der Prüfung ist aber i. d. R., ob gemäß § 626 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund vorliegt, der dem Arbeitgeber „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht“. Die Rechtfertigung der Kündigung „unter Berücksichtigung aller Umstände“ i. S. d. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG könnte eben diesen wichtigen Grund präjudizieren.251 Voraussetzung dafür ist aber, dass bei der Rechtfertigung der Kündigung i. S. d. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG dasselbe geprüft wird wie im Rahmen des wichtigen Grunds i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. Muss das Gericht im Rahmen des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG andere Überlegungen anstellen als bei der Prüfung der Kündigungsschutzklage für den wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB, ist das Ergebnis der Zustimmungsersetzungsentscheidung für letztere kein präjudizielles Rechtsverhältnis. Die Rechtsprechung und ihr folgend die ganz herrschende Meinung gehen davon aus, dass sich die Prüfung des wichtigen Grunds i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB und die Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung i. S. d. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG entsprechen.252

250 Wird im Folgenden verkürzt von „Rechtfertigung der Kündigung“ gesprochen, ist damit gemeint, dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 BetrVG). 251 So die Rspr., s. o. S. 162 f, und ihr folgend die hM, s. o. S. 166 f. 252 Vgl. S. 162 f, S. 166 f; so auch Budde, Bindungswirkung, S. 72.

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Zweifel an der Übereinstimmung des Prüfungsumfangs ergeben sich zunächst aus dem Wortlaut der Normen, der nicht identisch ist. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, warum zur außerordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ein eigenes Mitbestimmungsverfahren mit Zustimmungserfordernis des Betriebsrats gesetzlich festgeschrieben ist. Darin könnte zum Ausdruck kommen, dass für die Entscheidung, ob eine Kündigung eines Amtsträgers gerechtfertigt ist, auch kollektive Interessen eine Rolle spielen und in die Abwägungsentscheidung einzubeziehen sind.253 Zu vergleichen sind daher die Prüfungsmaßstäbe von § 626 Abs. 1 BGB und von § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG. (1) § 626 Abs. 1 BGB Nach § 626 Abs. 1 BGB kann der Arbeitgeber aus wichtigem Grund kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, die ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Sind „alle Umstände des Einzefalls“ zu berücksichtigen, könnten im Rahmen des § 626 BGB bei der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds auch kollektive Interessen eine Rolle spielen oder zumindest die Stellung des Arbeitnehmers als Belegschaftsvertreter. Dafür spricht, dass es sich bei der Abwägungsentscheidung um eine umfassende Interessenabwägung handelt. (a) Berücksichtigung kollektiver Interessen Allerdings ist zu beachten, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen will. § 626 BGB spricht auch ausdrücklich von den Interessen beider Vertragsteile. Für die Berücksichtigung kollektiver Interessen, etwa dass der Arbeitnehmer als engagiertes Betriebsratsmitglied schwer zu ersetzen ist, ist kein Raum. Das würde auch dem Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG widersprechen. Das Betriebsratsmitglied soll nicht benachteiligt, aber auch nicht begünstigt werden.254 Eine Berücksichtigung kollektiver Interessen im Rahmen des § 626 BGB würde aber im Ergebnis auf eine Begünstigung hinauslaufen. Es wäre ein Abwägungsergebnis denkbar, dass in einem Zwischenschritt festgestellt wird, dass grundsätzlich ein wichtiger Grund vorliegt, die Kündigung aber dennoch wegen 253 Vgl. Ascheid, FS Peter Hanau, S. 696 ff; ders., Kündigungsschutzrecht, Rn 683 ff; Maurer, BB 1972, 971; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 64; vgl. auch Heinze, Personalplanung, Rn 673 (dort Fn 1000) („Im Zustimmungs-Ersetzungs-Verfahren [geht es] um ein Beschlussverfahren auf der kollektiv-rechtlichen Ebene in Wahrnehmung des kollektivrechtlichen Schutzgedankens, während das nachfolgende Kündigungsschutz-Verfahren allein auf den individualrechtlichen Interessenschutz des gekündigten Betriebsratsmitglieds bezogen ist.“). 254 Vgl. Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56i (I.3.c.(3)) (keine Berücksichtigung kollektiver Interessen im Rahmen des § 103 BetrVG).

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kollektiver Interessen ausscheidet. Daher sind kollektive Interessen im Rahmen von § 626 BGB nicht zu berücksichtigen.255 (b) Berücksichtigung der Stellung als Betriebsratsmitglied Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob die Stellung des Arbeitnehmers als Belegschaftsvertreter in die Abwägung einfließen muss. Aber auch hier wäre das Ergebnis eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds. Allerdings sind im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung besondere Konfliktlagen zu berücksichtigen, in die typischerweise nur ein Betriebsratsmitglied kommen kann. Das gilt etwa für grobe Beleidigung des Arbeitgebers im Laufe hitziger Diskussionen durch das Betriebsratsmitglied. Ob das zur Folge hat, dass bei Verletzungen der vertraglichen Pflichten, die zugleich Amtspflichtverletzungen sind, erhöhte Anforderungen zu stellen sind256 oder sich diese Aspekte lediglich im Rahmen der Interessenabwägung auswirken, muss hier nicht entschieden werden. Entscheidend ist, dass die Stellung des Arbeitnehmers als Betriebsratmitglied als solche im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu berücksichtigen ist. (c) Zwischenergebnis Für die Prüfung des Kündigungsgrunds im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber „normalen“ Arbeitnehmern. Es ist das Vorliegen eines an sich geeigneten Kündigungsgrunds zu prüfen und eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Im Rahmen der Abwägung sind ggf. besondere Konfliktsituationen des Betriebsratsmitglieds zu berücksichtigen. Kollektive Interessen und die Stellung als Betriebsratsmitglied bleiben außer Betracht. (2) § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist die Zustimmung zu ersetzen, wenn die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Hier findet demnach ebenfalls eine umfassende Interessenabwägung statt. Damit sind jedenfalls alle Umstände zu berücksichtigen, die auch im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB relevant werden.257 Weiterhin ist es aber denkbar, sowohl die Stellung des Arbeitnehmers als Betriebsratsmitglied zu berücksichtigen als auch kollektive Interessen in die Abwägung miteinzubeziehen. 255 So im Ergebnis auch Kittner/Däubler/Zwanziger-Kittner/Deinert, § 15 KSchG Rn 35; a. A. Bieback, RdA 1978, 83; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 96. 256 So die wohl hM; s. nur BAG AP § 626 BGB Nr. 95 Bl. 203 (II.4.a.); v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 99 f; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rn 1734. 257 Vgl. BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 447R (II.3.a.); Nr. 1 Bl. 214R (C.III.1.).

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(a) Stellung als Betriebsratsmitglied Wie auch im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB kann die Betriebsratszugehörigkeit keine Rolle spielen. Eine Berücksichtigung der Stellung als Betriebsratsmitglied würde dazu führen, dass der Belegschaftsvertreter gegenüber anderen Arbeitnehmern begünstigt wird. Besondere Konfliktlagen werden ggf. berücksichtigt.258 (b) Kollektive Interessen Fraglich ist, ob kollektive Interessen zu berücksichtigen sind.259 (aa) Folgerungen aus dem Wortlaut § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG besagt, die Zustimmung ist zu ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung „unter Berücksichtigung aller Umstände“ gerechtfertigt ist. § 626 Abs. 1 BGB ist dagegen spezieller formuliert und lässt die Kündigung zu, wenn „Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“ § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist somit weiter formuliert und stellt nicht speziell auf die Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien ab. Das schließt eine Berücksichtigung kollektiver Interessen jedenfalls nicht aus. Allerdings kann der Wortlaut „alle Umstände“ auch eine Bedeutung in zeitlicher Hinsicht haben, nämlich dass das Gericht alle Umstände zu berücksichtigen hat, die anfänglich vorgetragenen sowie nachgeschobene.260 Allein aus der weiteren Formulierung kann daher die Berücksichtigung kollektiver Interessen nicht gefolgert werden. (bb) Systematik § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG bestimmt für die Zustimmung zur Versetzung eine Anwendung des Abs. 2 mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu ersetzen hat, „wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsver258

s. o. S. 221. Dafür: BAG NZA 1985, 254, 256; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 28 Bl. 36 (1.b.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 16 Bl. 1106 (III.2.); AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448R (II.3.c.); Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.); Ascheid, FS Hanau, S. 696 ff; ders., Kündigungsschutzrecht, Rn 683 ff; Maurer, BB 1972, 971; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 64; dagegen: Dütz, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 8 S. 56h f (I.3.c.(3)); Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34e (III.2.). 260 Vgl. BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 214 (C.II.2.). 259

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fassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist“. Betriebsverfassungsrechtliche Stellung ist im Sinne einer besonderen Bedeutung für den Betrieb und die Belegschaft zu verstehen.261 Die Stellung als Betriebsratsmitglied an sich ist damit nicht gleichzusetzen. Sie rechtfertigt schon die Zustimmungsbedürftigkeit. Geht es um die besondere Bedeutung für Betrieb und Belegschaft, sind damit kollektive Interessen gemeint. Die Anordnung in Abs. 3 kann nicht ohne Weiteres auch auf Abs. 2 übertragen werden.262 Dort ist die betriebsverfassungsrechtliche Stellung gerade nicht erwähnt. Vielmehr könnte im Umkehrschluss aus Abs. 3 folgen, dass dann im Rahmen des Abs. 2 diese Interessen nicht zu berücksichtigen sind.263 Dabei ist zu beachten, dass Abs. 3 erst im Zuge der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 eingefügt wurde.264 Besondere Bestimmungen in einen Absatz einer Norm aufzunehmen oder nachträglich einzufügen, die für andere Absätze ebenfalls relevant sein können, ist gesetzestechnisch problematisch und macht die Auslegung schwierig. Im Umkehrschluss könnte es bedeuten, die genannten Gründen gelten für die übrigen Absätze nicht. Zwingend ist das aber nicht. V. a. wenn zu den anderen Absätzen eine gefestigte Rechtsprechung vorliegt, ist es denkbar, dass der Gesetzgeber eine Klarstellung für unnötig erachtete. Das zeigt beispielsweise die Neufassung des § 253 BGB im Rahmen der Neuregelung des Schadensrechts im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, für immaterielle Schäden aufgrund von Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Schadensersatz ausdrücklich zu regeln. Damit wollte er allerdings die gängige Praxis, in diesen Fällen Schadensersatz zuzusprechen, nicht in Frage stellen.265 Zu einer Berücksichtigung kollektiver Interessen im Rahmen des Abs. 2 gibt es eine solche Rechtsprechung allerdings nicht. Einige ältere Urteile führen in den Gründen zwar aus, dass auch kollektive Interessen zu berücksichtigen sind.266 Jedoch kam es in den zu entscheidenden Fällen auf dieses Problem nicht an. Diese Rechtsprechung erschöpft sich daher lediglich in abstrakten, wenig begründeten Feststellungen. Neuere Urteile gehen darauf gar nicht mehr ein und beschränken sich in ihren Aussagen zum Prüfungsmaßstab auf Formeln, die dem wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen oder lediglich den Wort261

Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 69; Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 33. Anders Löwisch/Kaiser, § 103 Rn 28 (Berücksichtigung kollektiver Interessen). 263 Anders GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 64. 264 BGBl. I 2001 S. 1852. 265 Vgl. Reg.Begrd. BT-Drs.14/7752, S. 24 f, 49; BeckOK-BGB-Spindler, § 253 Rn 24. 266 Vgl. BAG NZA 1985, 254, 256; AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 28 Bl. 36 (1.b.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 16 Bl. 1106 (III.2.); AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 448R (II.3.c.); Nr. 1 Bl. 215 (C.III.2.). 262

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laut des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG wiederholen. Anschließend wird nur auf § 626 Abs. 1 BGB eingegangen.267 Aber selbst wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen sein sollte, im Rahmen des Abs. 2 S. 1 würden kollektive Interessen nach ständiger Rechtsprechung berücksichtigt, würde das nur den Verzicht der Regelung im Abs. 2 selbst erklären. Keinesfalls aber würde es Anlass geben, Abs. 3 dergestalt zu regeln, dass Abs. 2 „mit der Maßgabe gilt“, dass die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des betroffenen Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist. Die Formulierung „Maßgabe“ spricht dafür, dass in Abs. 3 anders vorgegangen werden soll als in Abs. 2. Der Gesetzgeber nimmt offenbar selbst an, dass kollektive Interessen entweder bei Abs. 2 keine Rolle spielen oder keine Rolle spielen sollen. Das leuchtet auch inhaltlich ein: Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer „nur“ versetzen, geht es um keine schwerwiegende Pflichtverletzung, so dass die kollektiven Interessen im Wege der Abwägung ein Gewicht erlangen können. Das ist im Falle der Kündigung anders. Hier liegen solche gewichtigen Gründe vor, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden. An dieser Stelle ist es dem Arbeitgeber weniger zuzumuten, in Ausübung seiner unternehmerischen Freiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) noch auf kollektive Interessen Rücksicht nehmen zu müssen. Die Regelung des § 103 Abs. 2 und 3 BetrVG spricht daher gegen die Berücksichtigung kollektiver Interessen. Bei einer systematischen Betrachtung sind auch andere Normen des Betriebsverfassungsgesetzes miteinzubeziehen. Um einen Anknüpfungspunkt zu finden, ist zunächst zu hinterfragen, welche kollektiven Interessen an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers überhaupt bestehen können. In Betracht kommt, dass der Arbeitnehmer besonders wichtig für den Betriebsrat ist, weil er sich in seiner Arbeit im Betriebsrat verdient gemacht hat. Im Ergebnis würde der Ausschluss der Kündigung aus diesem Grund aber zu einer Bevorzugung des Betriebsratsmitglieds führen. Es könnte sich durch ausgezeichnete Betriebsratstätigkeit größere Pflichtverstöße erlauben. Das widerspricht aber eindeutig dem Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 BetrVG). Außerdem kann dieses Vorgehen Amt und Ansehen des Betriebsrat an sich schädigen und wäre auch für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht förderlich. Ein anderes Szenario, dass die Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsratsmitglied im kollektiven Interesse wünschenswert ist, ist gegeben, wenn kein Ersatzmitglied mehr zur Verfügung steht, das nach § 25 BetrVG nach-

267 Vgl. BAG NZA 2009, 855, 856 f; NZA 2008, 1081, 1082; LAG Hamm vom 7.8.2009 – Az. 10 TaBV 31/09; vom 20.3.2009 – Az. 10 TaBV 149/08; vom 13.3.2009 – Az. 13 TaBV 94/08; LAG S-A vom 15.1.2009 – Az. 3 TaBV 10/08; LAG B-W vom 22.10.2008 – Az. 18 TaBV 2/08.

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rücken kann. Allerdings berücksichtigt das Betriebsverfassungsgesetz diesen Zustand und sieht Neuwahlen vor (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG). Weiterhin ist zu bedenken, dass durch einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch § 15 KSchG und das Zustimmungserfordernis des § 103 Abs. 1 BetrVG kollektive Interessen bereits berücksichtigt werden.268 Der Schutz des Betriebsratsmitglieds kommt auch dem Betriebsrat selbst und der Belegschaft zugute, indem die Kontinuität der Arbeit gesichert wird. Aus dem Gesamtzusammenhang des Betriebsverfassungsgesetzes folgt daher, dass eine Berücksichtigung kollektiver Interessen im Rahmen des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht nötig und nicht vorgesehen ist. Die Systematik spricht mithin gegen die Berücksichtigung kollektiver Interessen. (cc) Zweck Fraglich ist, welchen Zweck das besondere Verfahren in § 103 BetrVG hat. Soll es nur das Betriebsratsmitglied schützen oder auch den Betriebsrat als Kollektivvertretung? Für einen Schutz kollektiver Interessen spricht die Ausgestaltung des Verfahrens mit einem Zustimmungserfordernis. Formell hat es der Betriebsrat in der Hand, ob die Kündigung ausgesprochen wird. Da ein Verfahren i. d. R. kein Selbstzweck ist, könnte diese Form dafür sprechen, dass der Betriebsrat eigene Interessen berücksichtigen darf.269 Gleicher Maßstab gilt dann auch für das Arbeitsgericht. Laut Gesetzesbegründung soll § 103 BetrVG demgegenüber das Betriebsratsmitglied gegen außerordentliche Kündigung stärker absichern. Dem Arbeitgeber soll es nicht möglich sein, durch willkürliche Kündigungen Betriebsratsmitglieder aus dem Betrieb zu entfernen. Es soll dem Arbeitgeber nicht ermöglicht werden, das Betriebsratsmitglied dem Betrieb zu entfremden270 und seine Wiederwahl zu erschweren, indem er alle Rechtsmittel gegen die Kündigungsschutzklage ausnutzt und so den Prozess in die Länge zieht. Dafür ist das besondere Verfahren in § 103 BetrVG geeignet, da die Kündigung nur mit Zustimmung oder deren Ersetzung wirksam ist. Eine ohne Zustimmung erklärte Kündigung ist unwirksam,271 so dass das Arbeitsverhältnis zunächst fortbesteht. Nicht der Arbeitnehmer muss sich gegen die ggf. willkürliche Kündigung verteidigen, sondern der Arbeitgeber muss die Zustimmung einholen oder ersetzen lassen. Ist das 268

Vgl. Schlüter, Anm. zu BAG EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 6 S. 34e (III.2.). Für die Berücksichtigung der Interessen des Betriebsrats, ohne dass es in den Fällen konkret auf diese Frage ankam und daher nicht begründet wurde, LAG München vom 25.2.2010 – Az. 3 SaGa 4/10; vom 2.9.2008 – Az. 6 Sa 1153/07; anders dagegen LAG Hamm vom 20.11.2009 – Az. 13 TaBV 42/09 sowie vom 20.3.2009 – Az. 10 TaBV 149/08 (nur individuelle Interessen). 270 Vgl. BT-Drs. VI/1786, S. 53 zu § 103. 271 s. o. S. 106. 269

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geschehen, ist sichergestellt, dass es sich nicht um eine Kündigung aus sachfremden Erwägungen handelt. Von einem „Selbstzweck“ des in § 103 BetrVG geregelten Verfahrens kann keine Rede sein. Ob das gleiche Ziel auch durch andere Ausgestaltung des Verfahrens möglich gewesen wäre, ist nicht entscheidend. Insoweit besteht ein Spielraum des Gesetzgebers. Der Zweck der Norm spricht daher für eine individuelle Schutzrichtung des § 103 BetrVG. Das Betriebsratsmitglied soll nicht seinen Arbeitsplatz verlieren, weil der Arbeitgeber seine Betriebsratstätigkeit unterbinden will. Allerdings kann darin auch ein kollektiver Schutzgesichtspunkt liegen. Bestand und Arbeit des Betriebsrats sollen nicht durch willkürliche Entfernung der Mitglieder beeinträchtigt werden. Dieser kollektive Aspekt knüpft aber an die Entfernung des Arbeitnehmers aus sachfremden Erwägungen an und ist schon durch das in § 103 BetrVG vorgeschriebene Verfahren abgesichert. Die Berücksichtigung kollektiver Interessen im Rahmen der Abwägung ist nicht nötig, um den Zielen der Norm zu entsprechen. Das Telos des § 103 BetrVG spricht nicht für eine Einbeziehung kollektiver Interessen. (dd) Historie Laut Gesetzesbegründung soll eine Kündigungsschutzklage trotz des Verfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG möglich sein.272 Das könnte für einen abweichenden Prüfungsumfang der beiden Normen und damit für die Berücksichtigung kollektiver Interessen sprechen. Prozessökonomisch ist es wenig einleuchtend, nach dem Beschlussverfahren, in welchem die Rechtmäßigkeit der Kündigung in gleichem Umfang geprüft wird wie in einem Kündigungsschutzprozess, letzteren noch zusätzlich durchzuführen. Allerdings können im Beschlussverfahren nur Umstände berücksichtigt werden, die bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. Später entstehende Tatsachen können in der Entscheidung über die Zustimmungsersetzung nicht eingebracht werden.273 Diese neuen Tatsachen kann der Arbeitnehmer aber ggf. im Kündigungsschutzstreit geltend machen.274 Außerdem sind im Kündigungsschutzstreit die Formalien der Kündigung wie die Schriftform (§ 623 BGB) und die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) zu prüfen. Auch dabei handelt es sich um Umstände, die im Beschlussverfahren noch keine Berücksichtigung finden können, weil die Kündigung zu dem Zeitpunkt noch nicht erklärt ist.275 Die Aussage, eine Kündigungsschutzklage sei auch weiterhin möglich, lässt somit keinen zwingenden Schluss über den Prüfungsumfang im Rahmen des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG zu. Der Gesetzesbegründung kann keine eindeutige Aussage entnommen werden. 272 273 274 275

BR-Drs. 715/70, S. 53 zu § 103; BT-Drs. VI/1786, S. 53 zu § 103. KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 139. Vgl. S. 205 ff, S. 164, S. 166. Vgl. S. 205 ff, S. 165.

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(ee) Zwischenergebnis Wortlaut und Historie sind nicht eindeutig. Allerdings sprechen sowohl die systematische als auch die teleologische Auslegung gegen die Berücksichtigung kollektiver Interessen. (ff) Verfassungskonforme Auslegung Existieren für eine Norm unter Anwendung der übrigen Auslegungskriterien verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, von denen eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, ist stets diese vorzuziehen (verfassungskonforme Auslegung).276 Die Berücksichtigung kollektiver Interessen könnte gegen die als Teil der Berufsfreiheit von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers277 verstoßen. Die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Ohne sie kommt es nicht zu einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Liegen aber die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB vor, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Soll sich daran etwas ändern, weil betriebliche Belange in die Prüfung einbezogen werden? Im Ergebnis dürfte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht kündigen, obwohl dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Aufgrund der Betriebsratszugehörigkeit würden die Interessen des Arbeitgebers gegenüber den betrieblichen Belangen zurücktreten. Die Belange der Belegschaft und des Betriebsrats würden deutlich über die Interessen des Arbeitgebers gestellt. Dem Arbeitgeber wäre eine außerordentliche Kündigung verwehrt. Die Einschränkung der freien Kündigungsmöglichkeit tangiert die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers.278 Allerdings ist die Berufsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet. Das Bedürfnis des Arbeitgebers eine Kündigung auszusprechen steht v. a. im Spannungsverhältnis zur Berufsfreit des Arbeitnehmers,279 der durch die Kündigung seinen Arbeitsplatz verliert. Zwar gewährt Art. 12 Abs. 1 GG dem Arbeitnehmer keinen umfassenden Bestandsschutz im Hinblick auf seinen Arbeitsplatz.280 Als Kehrseite des geschützten Rechts auf 276 Canaris, FS Kramer, S. 141, 143, 154; Höpfner, Auslegung, S. 171 f; Larenz, Methodenlehre, S. 339. 277 BVerfG NJW 1979, 699, 708; Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 14 (geschützt insbesondere Gründung und Führung des Unternehmens, worunter auch die Vertrags- und Dispositionsfreiheit fallen); ErfKom-Schmidt, Art. 12 GG Rn 14; vgl. auch BVerfG NJW 2009, 2033, 2042 (Vertrags- und Dispositionsfreiheit). 278 Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 3; ErfKom-Schmidt, Art. 12 GG Rn 21. 279 ErfKom-Schmidt, Art. 12 GG Rn 36; vgl. auch BeckOK-GG-Ruffert, Art. 12 Rn 19. 280 Maunz/Düring-GG-Scholz, Art. 12 Rn 59.

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freie Arbeitsplatzwahl, ist er gleichwohl vor der unbeschränkten Ausübung der Kündigungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber zu schützen.281 Der Gesetzgeber kann daher die Kündigungsmöglichkeiten einschränken. Das ist insbesondere durch das Kündigungsschutzgesetz geschehen.282 Auch außerhalb des Kündigungsschutzes müssen die Generalklauseln, wie etwa § 626 Abs. 1 BGB, einen Mindestschutz gewährleisten und verfassungskonform ausgelegt werden.283 Allerdings ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Insbesondere darf der Arbeitgeber durch Kündigungsschutzvorschriften nicht „übermäßig“ belastet werden (Übermaßverbot).284 Es darf ihm nicht unmöglich sein, überhaupt ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Das Recht auf eine außerordentliche Kündigung darf ihm nicht genommen werden.285 Für die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist das durch § 15 KSchG i.V. m. § 626 Abs. 1 BGB gewährleistet, der dem Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung belässt. Das schließt grundsätzlich nicht aus, dass die außerordentliche Kündigung weiteren Anforderungen unterliegt, etwa der Zustimmung durch den Betriebsrat nach § 103 Abs. 1 BetrVG.286 Zu beachten ist jedoch, dass auch dieses Zustimmungserfordernis die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers einschränkt. Es ist aber mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn dem Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten bleibt, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis aufzulösen. Gerade diese Möglichkeit würde er verlieren, wenn der Betriebsrat die Zustimmung auch aus kollektiven, im Einzelfall nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers liegenden, Gründen verweigern darf. Soweit in einzelnen Sonderkonstellationen das Kündigungsrecht vollständig ausgeschlossen ist, müssen dafür verfassungsrechtlich gleichrangige (soziale) Gründe bestehen.287 § 9 MuSchG statuiert ein absolutes Kündigungsverbot, indem dem Arbeitgeber die Kündigung grundsätzlich untersagt wird. Auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB wird davon erfasst. Der künftigen Mutter kann nur „in besonderen Fällen“ (§ 9 Abs. 3 S. 1 MuSchG) mit Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gekündigt werden. Dabei sind an den nötigen Kündigungsgrund höhere Anforderungen zu stellen als an den wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB.288 Damit kommt der Gesetzgeber seinem Schutz-

281 Vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 71; BeckOK-GGRuffert, Art. 12 Rn 19. 282 Vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 71 (Art. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage des Kündigungsschutzes). 283 Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 73 f. 284 ErfKom-Schmidt, Art. 12 GG Rn 22. 285 Vgl. Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 71; ErfKom-Schmidt, Art. 12 GG Rn 36; Maunz/Düring-GG-Scholz, Art. 12 Rn 59. 286 Henssler/Willemsen/Kalb-Hergenröder, Art. 12 GG Rn 13. 287 Maunz/Düring-GG-Scholz, Art. 12 Rn 59. 288 ErfKom-Schlachter, § 9 MuSchG Rn 1, 12.

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auftrag aus Art. 6 Abs. 4 GG nach.289 Für einen Ausschluss der außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds bestehen keine vergleichbaren verfassungsrechtlichen Gründe. Eine so weitreichende Wirkung müsste außerdem schon aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich im Gesetz geregelt sein oder sich eindeutig aus der Gesamtsystematik ergeben (vgl. z. B. § 9 MuSchG). Die Berücksichtigung kollektiver Interessen lässt sich daher nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbaren. Gegen eine Auslegung des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG, die eine Berücksichtigung kollektiver Interessen nicht vornimmt und dem Arbeitgeber bei individualrechtlicher Zulässigkeit das Kündigungsrecht gewährt, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist daher verfassungskonform dahin gehend auszulegen, dass kollektive Interessen nicht zu berücksichtigen sind. (gg) Zwischenergebnis Kollektive Interessen sind in der Abwägung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht zu berücksichtigen. (3) Zwischenergebnis Im Rahmen des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG werden nur Umstände berücksichtigt, die auch im Rahmen des wichtigen Grunds i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB geprüft werden. Damit entspricht sich der Prüfungsumfang. Das Abwägungsergebnis der Entscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG – die Rechtfertigung der Kündigung – gleicht dem wichtigen Grund und der Interessenabwägung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. Damit ist die „Rechtfertigung der Kündigung“ (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG) eine Vorfrage im Kündigungsschutzstreit. cc) Ergebnis Die Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung umfasst neben dem Recht auf die Gestaltung auch eine Feststellung hinsichtlich des zugrunde liegenden „Akts“. Im Rahmen des § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG erwächst daher auch die Feststellung in Rechtskraft, dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dabei handelt es sich um eine im Individualprozess relevante Vorfrage. Das Urteil im Beschlussverfahren kann somit für den Kündigungsschutzstreit präjudizielle Wirkung entfalten.290 289

Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt-Rolfs, § 9 MuSchG Rn 11. Auf eine Analogie zu §§ 126, 127 InsO braucht daher nicht eingegangen werden. So aber Budde, Bindungswirkung, S. 40, 60 ff, 86. Bedenklich an dieser Auffassung ist, dass die Probleme im Rahmen der objektiven Grenzen der Rechtskraft damit gelöst werden, dass der Unterschied, ob eine Frage im Tenor oder nur als Vorfrage geklärt wird, als „nicht so wesentlich“ abgetan wird. 290

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b) Subjektive Grenzen der Rechtskraft Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft bestimmen sich ebenfalls nach allgemeinen Grundsätzen. Danach wirkt gemäß § 325 Abs. 1 ZPO ein Urteil grundsätzlich für und gegen die Parteien; im Beschlussverfahren für und gegen die formell Beteiligten.291 aa) Arbeitnehmer als Beteiligter § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG ordnet an, dass der Arbeitnehmer im Beschlussverfahren zu beteiligen ist. Damit steht einer Bindungswirkung der Entscheidung für das folgende Urteilsverfahren aus subjektiven Gesichtspunkten grundsätzlich nichts im Wege.292 bb) Ausreichender Schutz Allerdings kann der Arbeitnehmer nur an für ihn nachteilige Folgen einer Entscheidung gebunden werden, wenn die Beteiligung an dem Verfahren ihn ausreichenden schützt. (1) Untersuchungsgrundsatz als Nachteil Fraglich ist, ob sich die Tatsache, dass im Beschlussverfahren der Untersuchungsgrundsatz und im Urteilsverfahren der Beibringungsgrundsatz gelten, auf eine etwaige Bindungswirkung der Entscheidung des Beschlussverfahrens auswirkt. Im Kündigungsschutzverfahren sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Vortrag der für sie günstigen Tatsachen selbst verantwortlich. Daher ist es denkbar, dass der Arbeitnehmer obsiegt, weil der Arbeitgeber ihm günstige, den Kündigungsgrund belegende Tatsachen nicht vorträgt oder den Kündigungsgrund nicht substantiiert genug darstellt. Im Beschlussverfahren ermittelt das Gericht im Ausgangspunkt die Tatsachen von Amts wegen. Zwar müssen die Beteiligten dennoch an der Aufklärung mitwirken (§ 83 Abs. 1 S. 2 ArbGG). Allerdings ist das Gericht nicht an deren Vortrag und Beweisangebot gebunden.293 Es ist beispielsweise berechtigt, einen unsubstantiierten Vortrag weiter aufzuklären. Das könnte dazu führen, dass das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren für den Arbeitnehmer ungünstige Tatsachen ermittelt, die der Arbeitgeber nicht vorgetragen hat und die daher im Kündigungsschutzverfahren nicht berücksichtigt worden wären. Diese nicht von der Hand zu weisende Gefahr muss aber nicht dahingehend gelöst werden, dass die Bindungswirkung der Entscheidung verneint wird. 291

s. o. S. 143 ff und S. 155 ff. Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 43 (Rechte des Arbeitnehmers werden nicht verkürzt, da er im Beschlussverfahren Beteiligter ist). 293 s. o. S. 122. 292

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Vielmehr kann der Untersuchungsgrundsatz eingeschränkt werden, wenn Individualinteressen im Vordergrund stehen.294 Dafür spricht auch, dass der Untersuchungsgrundsatz im Beschlussverfahren v. a. deswegen gilt, weil sich die Rechtsstreitigkeiten im kollektivrechtlichen Bereich bewegen und damit i. d. R. nicht nur die unmittelbar Verfahrensbeteiligten, sondern alle oder zumindest eine Vielzahl der Betriebsangehörigen betreffen.295 Er hat daher zurückzutreten, wenn, wie im Fall der Kündigungsschutzklage, hauptsächlich Individualinteressen im Vordergrund stehen.296 Im Ergebnis darf das Arbeitsgericht daher nicht zu Lasten des Arbeitnehmers aufklären. Tatsachen, auf die der Arbeitgeber die Kündigung nicht stützt, bleiben außer Betracht.297 Zu berücksichtigen ist aber dennoch, dass gleichwohl der Untersuchungsgrundsatz gilt. Auch § 103 Abs. 2 BetrVG ist ein Beschlussverfahren, in dem der Untersuchungsgrundsatz bessere Aufklärung bewirken soll. Daher darf das Gericht bei Vortrag des Arbeitgebers den Sachverhalt hinsichtlich des geltend gemachten Kündigungsgrunds näher aufklären.298 Damit kann auch der Arbeitgeber, der den Kündigungsgrund nicht substantiiert genug darlegt und nicht alle nötigen Beweisangebote macht, im Verhältnis zum Kündigungsschutzstreit begünstigt werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die gerichtliche Aufklärung auch zu Gunsten des Arbeitnehmers gilt. Außerdem relativiert sich dieser Unterschied, wenn man die Hinweispflichten des Gerichts auch unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bedenkt.299 Die Unterschiede zwischen Untersuchungsgrundsatz im Zustimmungsersetzungsverfahren und Beibringungsgrundsatz im Kündigungsschutzstreit hindern eine Bindungswirkung der Entscheidung im Beschlussverfahren nicht. (2) Rechtsmittel Da der Arbeitnehmer im Beschlussverfahren Beteiligter ist, hat er auch ein Beschwerderecht. Die Rechtsmittelbefugnis des Arbeitnehmers ist von derjenigen des Betriebsrats unabhängig, so dass der Arbeitnehmer auch dann Rechtsmittel einlegen kann, wenn der Betriebsrat darauf verzichtet.300 Der Arbeitnehmer hat demnach auch die Möglichkeit, die präjudizierende Entscheidung selbstständig anzugreifen. 294

Eylert/Fenski, BB 1990, 2401, 2406. Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 82. 296 Ascheid, FS Peter Hanau, S. 685, 696. 297 BAG AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 828R f (II.2.d.); LAG Düsseldorf BB 1994, 793, 794; Ascheid, FS Peter Hanau, S. 685, 696; KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 116; Eylert/Fenski, BB 1990, 2401, 2406; MüHB-ArbR-Jacobs, § 345 Rn 26; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 46. 298 KR-Etzel, § 103 BetrVG Rn 115; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 15 Rn 133; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 73. 299 s. o. S. 122. 300 BAG NZA 1993, 1052, 1054; NZA 1993, 501; GK-BetrVG-Raab, 103 Rn 82. 295

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(a) Instanzenzug Das Beschlussverfahren kennt genau wie das Urteilsverfahren drei Instanzen. Im Urteilsverfahren besteht der Rechtsweg aus Berufung (§ 64 ArbGG) und Revision (§ 72 ArbGG), im Beschlussverfahren aus Beschwerde (§ 87 ArbGG) und Rechtsbeschwerde (§ 92 ArbGG). Hinsichtlich der anwendbaren Vorschriften verweisen die Regelungen der Beschwerde und Rechtsbeschwerde in §§ 87 Abs. 2 und 92 Abs. 2 ArbGG größtenteils auf die Normen zur Berufung und Revision. Insbesondere ist dem Arbeitnehmer im Beschlussverfahren der Zugang zur Instanz nicht erschwert. Nach § 87 Abs. 1 ArbGG ist die Beschwerde gegen alle das Verfahren beendenden Beschlüsse möglich. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG an die gleichen Zulassungsvoraussetzungen gebunden wie die Revision. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist dem Arbeitnehmer damit in gleichem Rahmen möglich wie im Urteilsverfahren. (b) Doppelbelastung Denkbar ist allerdings, dass der Arbeitnehmer nun zweimal den Instanzenzug beschreiten muss. Ersetzt das Gericht die Zustimmung und will der Arbeitnehmer geltend machen, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt, muss er Beschwerde einlegen. Unterliegt er, wird ihm gekündigt. Bringt er nun Unwirksamkeitsgründe vor, die im Beschlussverfahren nicht zu prüfen waren, etwa einen Formverstoß, muss er Kündigungsschutzklage erheben. Bleibt auch diese in der ersten Instanz erfolglos, bleibt ihm nichts anderes übrig als wiederum ein Rechtsmittel einzulegen. Damit wird er aufgrund der präjudiziellen Wirkung zur Einlegung von Rechtsmitteln in zwei Verfahren gezwungen, während ohne präjudizielle Wirkung alle Fragen zusammen in den Instanzen des Urteilsverfahrens zu klären wären. Allerdings darf dieser Nachteil nicht überbewertet werden. Wenn er obsiegt, erhält der Arbeitnehmer ab der zweiten Instanz in beiden Verfahren Kostenerstattung. Somit bleibt als Nachteil sein „Mehraufwand“. Dieser wird aber mit den Vorteilen, die § 103 BetrVG dem Arbeitnehmer insgesamt bringt, aufgewogen. Für die Kündigung des Betriebsratsmitglieds bestehen hohe Hürden. Kommt es zum Beschlussverfahren, profitiert der Arbeitnehmer von der Unterstützung des Betriebsrats. Obsiegt dieser im Beschlussverfahren, muss der Arbeitnehmer i. d. R. keinen eigenen Prozess anstrengen, weil der Arbeitgeber ihm nicht kündigen wird. Die etwaige Doppelbelastung aufgrund der möglichen Rechtsmittel in beiden Verfahrensarten steht einer präjudiziellen Wirkung nicht entgegen. (3) Kostentragung Problematisch könnte die Bindungswirkung aber dann sein, wenn dem Arbeitnehmer Kostennachteile entstehen. Im Beschlussverfahren werden jedoch keine Gerichtskosten erhoben (§ 2 Abs. 2 GKG). Im Ergebnis ist das sogar ein Vorteil

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für den Arbeitnehmer. Dringt er im Beschlussverfahren mit dem Einwand nicht durch, die Kündigung sei unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt, muss er keine Gerichtskosten zahlen. Im Urteilsverfahren würden entsprechende Kosten aber anfallen. (a) Rechtsanwaltskosten Nachteilig können sich daher nur die den Beteiligten entstehenden Kosten, insbesondere Rechtsanwaltskosten, auswirken. Verteidigt sich der Arbeitnehmer im Beschlussverfahren, kann er seine Kosten nicht nach § 40 BetrVG ersetzt verlangen, da es sich nicht um eine Betriebsratstätigkeit handelt.301 Im Verfahren des ersten Rechtszugs wirft das nur wenige Probleme auf, da der Arbeitnehmer auch im Falle der Kündigungsschutzklage seine Kosten selbst zu tragen hat. Nach § 12a Abs. 1 ArbGG besteht im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. § 91 ZPO ist nicht anzuwenden.302 § 12a ArbGG ist aber ausdrücklich nur auf das Verfahren im ersten Rechtszug beschränkt. In der Rechtsmittelinstanz gilt nach §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 91 ZPO, dass die unterliegende Partei die Kosten des Gegners tragen muss, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Würde der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzstreit obsiegen, müsste er die Kosten seines Rechtsanwaltes daher nicht selbst tragen. Die Kosten würden vielmehr nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 91 ZPO dem Arbeitgeber auferlegt. Wird nun aber im Beschlussverfahren über den Kern des Kündigungsschutzstreits entschieden, würde der Arbeitnehmer im Falle „seines Obsiegens“, d.h. wenn die Kündigung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht gerechtfertigt wäre, schlechter stehen. Damit wäre das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG verletzt, da der Arbeitnehmer, der als Betriebsratsmitglied einen besonderen Kündigungsschutz genießt, schlechter stehen würde als andere Arbeitnehmer. Aber auch dieser Widerspruch muss nicht zwingend dadurch aufgelöst werden, dass eine Bindung an die Entscheidung des Beschlussverfahrens unterbleibt und der Arbeitnehmer sich vollständig im Urteilsverfahren verteidigen kann. Vielmehr sind dem Arbeitnehmer seine Kosten für die Verteidigung im Beschlussverfahren im selben Umfang zu ersetzen wie im Kündigungsschutzstreit. Gelangt der Rechtsstreit daher in die zweite und dritte Instanz, hat der Arbeitnehmer einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber.303 301 BAG NZA 1991, 152; ErfKom-Kania, § 103 BetrVG Rn 16; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 82. 302 Etwas anderes gilt nur für Reisekosten: Germelmann-Germelmann, § 12a Rn 21; BeckOK-ArbR-Poeche, § 12a ArbGG Rn 8. 303 BAG NZA 1991, 152 (für den Fall, dass der Arbeitnehmer Beschwerde eingelegt hat); ErfKom-Kania, § 103 BetrVG Rn 16; Ascheid/Preis/Schmidt-Linck, § 103 BetrVG Rn 48a; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 82.

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(b) Mehrbelastung Eine ungerechtfertigte Mehrbelastung des Arbeitnehmers könnte aber dann entstehen, wenn er sowohl den wichtigen Grund bestreitet als auch Unwirksamkeitsgründe vorbringt, die im Beschlussverfahren noch nicht geprüft wurden (z. B. fehlende Schriftform der Kündigung). Hier muss er sich zunächst im Beschlussverfahren verteidigen und zusätzlich Kündigungsschutzklage erheben. In beiden Verfahren ist es möglich, dass Rechtsanwaltskosten entstehen. Siegt der Betriebsrat im Beschlussverfahren, erhält der Arbeitnehmer keine Kostenerstattung. Zwar ist § 12a ArbGG nicht anwendbar.304 Allerdings darf der Betriebsrat nicht bevorzugt werden (§ 78 S. 2 BetrVG). Daher sind ihm auch im Beschlussverfahren entstandene Kosten nicht zu erstatten. I.d.R. wird es aber zu keinem Individualverfahren kommen. Wurde die Zustimmung nicht ersetzt, wird der Arbeitgeber nicht kündigen, da die Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist. Kündigt er dennoch, werden wegen § 12a ArbGG im Individualprozess keine Kosten erstattet. Der Arbeitnehmer müsste zwei Prozesse führen und würde trotz Obsiegens seine Kosten selbst tragen müssen. Jedoch ist zu bedenken, dass die Kündigungsschutzklage schon wegen der fehlenden Zustimmung oder deren fehlender Ersetzung unwirksam ist. Für diesen Fall ist ein Rechtsanwalt nicht nötig. Im Falle des erfolgreichen Beschlussverfahrens kommt es nicht zu einer doppelten Kostenbelastung des Arbeitnehmers. Unterliegt der Betriebsrat im Beschlussverfahren, entstehen dem Arbeitnehmer ggf. Kosten, die er nicht erstattet bekommt. Unabhängig vom Ausgang der Kündigungsschutzklage muss er auch im Individualprozess seine Kosten selbst tragen. Bei einer Niederlage werden die Kosten ohnehin nicht erstattet. Obsiegt er, gilt § 12a ArbGG. Ohne das Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG müsste der Arbeitnehmer nur einen Prozess führen. Im Ergebnis ist der Arbeitnehmer damit doppelt belastet, wenn der Betriebsrat im Zustimmungsersetzungsverfahren unterliegt. Diesem Nachteil stehen aber gewichtige Vorteile gegenüber. Zunächst wird der Arbeitnehmer im Beschlussverfahren durch den Betriebsrat unterstützt. Auch der Betriebsrat ist daran interessiert, dass es nicht zu einer Kündigung kommt. Andernfalls hätte er die Zustimmung erteilt. Außerdem profitiert der Arbeitnehmer in hohem Maße von § 103 BetrVG. Indem die Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung statuiert wird, behält er seinen Arbeitsplatz, bis die Frage geklärt ist, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Ohne diese Regelung würde er bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weder beschäftigt werden noch Lohn erhalten.

304

Germelmann-Germelmann, § 12a Rn 5.

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Auch § 102 Abs. 5 BetrVG könnte diese Schutzlücke nicht ausgleichen. Danach muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widerspricht und der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt. Die Norm ist aber grundsätzlich nicht analog auf die außerordentliche Kündigung anwendbar. Wenn es dem Arbeitgeber schon nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, dann erst recht nicht bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses.305 Eine Ausnahme gilt nur bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern, wenn sie außerordentlich mit Auslauffrist gekündigt werden. Um eine Schlechterstellung gegenüber ordentlich kündbaren Arbeitnehmern zu vermeiden, kann zwar außerordentlich gekündigt werden, aber mit einer Auslauffrist, die der Kündigungsfrist entspricht. In diesen Fällen ist dann auch § 102 Abs. 5 BetrVG analog anwendbar, da dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung in gleichem Maße zumutbar ist wie bei der ordentlichen Kündigung.306 Für „echte“ außerordentliche Kündigung existiert aber gerade kein Weiterbeschäftigungsanspruch. In diesen Fällen würde auch das Betriebsratsmitglied jedenfalls zeitweise seinen Arbeitsplatz verlieren. Gleiches gilt für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, sofern man diesen anerkennt. Nach gefestigter Rechtsprechung steht dem Arbeitnehmer nach einer Kündigung ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu, sobald das erstinstanzliche Gericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat.307 Auch dann wäre das Betriebsratsmitglied jedenfalls für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens ohne Arbeit. Der Arbeitnehmer profitiert daher in erheblichem Umfang von § 103 BetrVG. Zwar wäre auch eine Ausgestaltung denkbar, die ihn nicht an die Ergebnisse des Beschlussverfahrens bindet. Dann müsste er auch keinen Rechtsanwalt für diesen Prozess hinzuziehen. Allerdings würde die Frage des wichtigen Grunds dann ohne Änderung der Tatsachen in zwei Verfahren geprüft. Das wäre prozessunökonomisch und würde zu einer unnötigen Doppelbelastung der Gerichte führen. Auch der Arbeitgeber wäre von so einer Regelung stark benachteiligt. Neben der Beteiligung des Betriebsrats und dem Zustimmungsverfahren müsste er nochmals das Vorliegen eines wichtigen Grunds beweisen, obwohl das Arbeitsgericht diesen schon bejaht hat. Die bestehenden Nachteile des Arbeitnehmers hinsichtlich der Kosten werden durch Vorteile des § 103 BetrVG ausgeglichen. Damit stehen auch die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der präjudiziellen Wirkung nicht entgegen. 305

Richardi-Thüsing, § 102 Rn 208. Kania/Kramer, RdA 1995, 287, 296; Richardi-Thüsing, § 102 Rn 208; vgl. auch BAG NZA 1998, 771, 775; BAG EzA § 626 nF BGB Nr. 144 (II.2.c.bb.); Däubler/ Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 102 Rn 277; ErfKom-Kania, § 102 BetrVG Rn 32; Ascheid/Preis/Schmidt-Koch, § 102 BetrVG Rn 186; GK-BetrVG-Raab, § 102 Rn 167. 307 Umfassend und m.w. N. Ascheid/Preis/Schmidt-Koch, § 102 BetrVG Rn 235 ff. 306

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(4) Wahrnehmung individueller Interessen im Beschlussverfahren Gegen einen ausreichenden Schutz durch die Beteiligung kann auch nicht eingewendet werden, der Arbeitnehmer werde seine Interessen im „fremden“ Beschlussverfahren stets weniger intensiv vertreten als im „eigenen“ Individualrechtsstreit. Der Arbeitnehmer ist im Beschlussverfahren Beteiligter und hat die Möglichkeit, seine Interessen zu vertreten. Die präjudizielle Wirkung für den Individualprozess ist Folge der Gesetzesanwendung, auf die sich der Arbeitnehmer, ggf. mit Hilfe eines Rechtsbeistandes, einstellen muss. (5) Ergebnis Durch die Beteiligung im Beschlussverfahren entstehen dem Arbeitnehmer keine Nachteile, die einer präjudiziellen Wirkung und damit einer Bindung an die Entscheidung aus dem Beschlussverfahren entgegenstehen. 2. Ergebnis Mit rechtskräftiger Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG steht fest, dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Diese Entscheidung präjudiziert den im Kündigungsschutzprozess maßgeblichen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. II. Zurückgewiesener Zustimmungsersetzungsantrag Stellt das Gericht im Zustimmungsersetzungsverfahren fest, dass die Zustimmung nicht erforderlich war, ist zu unterscheiden, ob die Feststellung im Tenor erfolgte oder ob der Zustimmungsersetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Zustimmung sei nicht erforderlich. 1. Ausspruch im Tenor Spricht das Gericht im Tenor aus, dass die Zustimmung nicht erforderlich war, ist der Arbeitnehmer im Individualprozess auch daran gebunden. Bevor im Kündigungsschutzstreit geprüft wird, ob die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats unwirksam ist, ist als Vorfrage zu klären, ob eine Zustimmung überhaupt erforderlich ist. Genau diese Vorfrage wurde im Beschlussverfahren rechtskräftig entschieden. Wegen § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG ist der Arbeitnehmer an die Feststellung gebunden.308 Das gilt unabhängig davon, ob

308 Vgl. BAG NZA 1998, 189, 190 mit zust. Anm. Hilbrandt, AP § 103 BetrVG 1972 Nr. 35 Bl. 1810r ff (IV.); BAG NZA 1997, 607, 608 (zum SachsAnhPersVG); Wlotzke/ Preis/Kreft-BetrVG-Preis, § 103 Rn 55; GK-BetrVG-Raab, §103 Rn 92.

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das Gericht im Beschlussverfahren diese Feststellung treffen durfte.309 Hatte nämlich der Arbeitgeber nur Zustimmungsersetzung beantragt, ist die Erforderlichkeit der Versetzung nur eine Vorfrage, die von der Rechtskraft grundsätzlich nicht erfasst ist.310 Stellt das Gericht auf diesen Antrag hin fest, dass die Zustimmung nicht erforderlich war, verstößt es gegen § 308 ZPO.311 Gleichwohl erwächst diese Entscheidung in Rechtskraft. Da der Arbeitnehmer nach § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG am Zustimmungsersetzungsverfahren beteiligt ist, erstreckt sich die Rechtskraft auch auf ihn. 2. Teil der Begründung Weist das Gericht jedoch den Zustimmungsersetzungsantrag ab, weil die Zustimmung nicht erforderlich war,312 erwächst grundsätzlich nur in Rechtskraft, dass der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Zustimmungsersetzung hat. Die Erforderlichkeit der Zustimmung ist nur eine Vorfrage. Das Bundesarbeitsgericht hat 1990 zum Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG entschieden, dass die Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit bereits in der Zustimmungsersetzung enthalten sei.313 Die Rechtskraft des Zustimmungsersetzungsantrags sei auch anhand der tragenden Gründe zu bestimmen. Wird der Antrag nur zurückgewiesen, weil die Zustimmung nicht erforderlich war, nimmt auch dies an der Rechtskraft teil.314 Diese Gedanken lassen sich auch auf § 103 Abs. 2 BetrVG übertragen. a) Tragende Gründe zur Auslegung des Tenors Richtig ist, dass die tragenden Gründe zur Auslegung des Tenors herangezogen werden können.315 Einzelne Gründe selbst erwachsen aber nicht in Rechtskraft. Es ist auf den „Subsumtionsschluss als Ganzen“ – die Entscheidung über die behauptete Rechtsfolge – abzustellen.316 In der Zustimmungsersetzungsentscheidung ist damit nicht die rechtskräftige Feststellung enthalten, dass die Zustimmung auch erforderlich war. Die anders lautende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1990317 muss kritisch betrachtet werden. Der Arbeitgeber hatte im ersten Verfah309

So BAG NZA 1998, 189, 190. Zu Recht Boemke, ZfA 1992, 473, 510 (§ 99 Abs. 4 BetrVG). 311 A. A. BAG NZA 1998, 189, 190; NZA 1989, 355, 358 (§ 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung); GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 80; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 286 (§ 99 Abs. 4 BetrVG: Gestaltungsantrag schließt den Feststellungsantrag ein). 312 Zum Parallelproblem im Rahmen des § 99 BetrVG s. u. S. 247 f. 313 BAG NZA 1990, 314 ff; s. o. S. 170 f. 314 BAG NZA 1990, 314, 315. 315 s. o. S. 129. 316 s. o. S. 127 f. 317 BAG NZA 1990, 314 (§ 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung); s. o. S. 170 f. 310

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ren beantragt festzustellen, dass die Zustimmung nicht erforderlich war. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch fehlerhaft den Antrag abgelehnt, weil es der Auffassung war, eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Erforderlichkeit wäre schon im abweisenden Zustimmungsersetzungsantrag enthalten. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Fehler auch erkannt. Es spricht daher viel dafür, dass das Bundesarbeitsgericht das für den Arbeitgeber, der alles getan hat, um seinen Pflichten nachzukommen, nachteilige Ergebnis der Entscheidung ändern wollte. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht diese Entscheidung 1997 im Zusammenhang mit der Rechtskraftwirkung zwischen Beschluss- und Individualverfahren zitiert,318 bestätigt es damit nicht diese Aussage. Während sich die Entscheidung von 1990 mit den objektiven Grenzen der Rechtskraft befasste, beschäftigt sich die Entscheidung aus dem Jahr 1997 mit den subjektiven Grenzen. b) Auswirkung auf die Antragstellung Damit wird der Arbeitgeber auch nicht vor unlösbare Probleme gestellt. Durch eine Kombination von Haupt- und Hilfsantrag kann er auch die Zustimmungsbedürftigkeit feststellen lassen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Feststellungsantrag hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit kein Hilfsantrag zur Zustimmungsersetzung ist. Die Frage, ob die Zustimmung überhaupt erforderlich ist, ist für die Ersetzungsentscheidung eine Vorfrage. Ist der Arbeitgeber der Auffassung, eine Zustimmung ist nicht erforderlich, muss er einen entsprechenden Feststellungsantrag stellen.319 Hilfsweise für den Fall des Unterliegens kann er die Zustimmungsersetzung beantragen.320 Es ist dem Arbeitgeber auch zuzumuten, schon in der Antragstellung deutlich zu machen, was sein Hauptbegehren ist. Das Gericht hat im Rahmen seiner Hinweispflichten auf eine ggf. notwendige Antragsänderung hinzuwirken (§ 139 ZPO) oder den Antrag entsprechend auszulegen.321 c) Auswirkungen auf die Kosten Kombiniert der Arbeitgeber Haupt- und Hilfsantrag in der richtigen Reihenfolge, entstehen ihm dadurch im Vergleich zum bloßen Zustimmungsersetzungsverfahren auch keine höheren Kosten. Gerichtskosten werden nach § 2 Abs. 2 GKG für arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren ohnehin nicht erhoben. Auch die Rechtanwaltsgebühren erhöhen sich nicht. Nach § 23 Abs. 2 i.V. m. Abs. 3 S. 2 RVG werden die Kosten nach billigem Ermessen geschätzt. In diesem Rahmen kann auf den Gedanken des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG zurückgegriffen werden. 318

BAG NZA 1997, 607, 608; s. o. S. 170 f. Vgl. BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 34 Bl. 790R f (B.I.). 320 Vgl. BAG NJW 1990, 314, 315 (§ 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung). 321 Vgl. BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 23 Bl. 1432R (II.1.); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 11 Bl. 777 (II.2.). 319

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Haupt- und Hilfsanspruch werden danach nicht zusammengerechnet, wenn sie denselben Gegenstand betreffen. Vielmehr ist dann der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Da die Erforderlichkeit der Zustimmung Vorfrage für den Zustimmungsersetzungsantrag ist, ist damit letzterer für den Kostenwert entscheidend, sofern über ihn entschieden wird. Unabhängig davon, ob nur die Zustimmungsersetzung beantragt oder Zustimmungsersetzung im Hilfs- und die Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit im Hauptantrag begehrt wird, unterscheiden sich die Rechtsanwaltskosten nicht. d) Rechtsmittelbeschwer des Betriebsrats Diese Reihenfolge (Zustimmungsersetzung im Hilfs- und die Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit im Hauptantrag) führt auch hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis des Betriebsrats und des Arbeitgebers zu schlüssigen Ergebnissen. Begehrt der Arbeitgeber im Hauptantrag festzustellen, dass die Zustimmung nicht erforderlich war und gibt das Gericht dem statt, ist der Betriebsrat formell und materiell beschwert. Folgt man dagegen der Auffassung der Rechtsprechung, dass die Feststellung, die Zustimmung ist erforderlich, im Ersetzungsantrag enthalten ist, treten Probleme auf, wenn der Antrag zurückgewiesen wird. Dann stünde rechtskräftig fest, die Zustimmung ist nicht erforderlich. Der Arbeitgeber könnte die Maßnahme ganz ohne Beteiligung des Betriebsrats durchführen. Der Betriebsrat wäre von dieser Entscheidung materiell beschwert, obwohl seinem Antrag auf Abweisung der Zustimmungsersetzung formell entsprochen wurde. Es ist nach zivilprozessualen Grundsätzen zwar anerkannt, dass eine Beschwer auch dann gegeben ist, wenn eine Klage als unzulässig abgewiesen wurde, der Beklagte aber eine Abweisung als unbegründet erstrebte.322 Allerdings ist der Grund für diese Auffassung fraglich. Er könnte darin gesehen werden, dass der Beklagte jedenfalls nach Beginn der Verhandlung zur Sache ein Recht auf eine Sachentscheidung hat.323 Das folgt aus § 269 Abs. 1 ZPO, wonach der Kläger nach Beginn der mündlichen Verhandlung die Klage nicht mehr ohne Einwilligung des Beklagten zurücknehmen kann.324 Gemäß § 81 Abs. 2 S. 1 ArbGG kann der Antrag im erstinstanzlichen Beschlussverfahren aber jederzeit ohne Einwilligung der Beteiligten zurückgenommen werden. Ein Anspruch auf eine Sachentscheidung der vom Antragsteller verschiedenen Beteiligten besteht daher in erster Instanz nicht. Dann kann auch in Frage gestellt werden, ob die Abweisung als unzulässig eine ausreichende Beschwer darstellt.325 Diese Frage muss indes hier nicht entschie322 BGH NJW 1959, 436; Zöller-Heßler, Vor § 511 Rn 20; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 135 Rn 13. 323 So Kraft, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 24 Bl. 1437R (II.2.). 324 Stein/Jonas-Roth, § 269 Rn 1, 17. 325 So Kraft, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 24 Bl. 1437R (II.2.).

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den werden, da bei richtigem Verständnis der Rechtskraft und der daraus folgenden Reihenfolge der Anträge diese Situation nicht entsteht. e) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der rechtskräftig zurückgewiesene Zustimmungsersetzungsantrag keine rechtskräftige Feststellung hinsichtlich der Frage enthält, ob die Zustimmung erforderlich war. Will der Arbeitgeber eine bindende Entscheidung über die Erforderlichkeit der Zustimmung herbeiführen, muss er im Hauptantrag einen Feststellungsantrag und hilfsweise den Zustimmungsersetzungsantrag stellen. 3. Ergebnis Stellt das Gericht im Tenor fest, dass die Zustimmung nicht erforderlich war, ist das Betriebsratsmitglied daran gebunden. Wird dagegen lediglich der Zustimmungsersetzungsantrag zurückgewiesen, weil die Zustimmung nicht erforderlich war, nimmt die Frage der Erforderlichkeit nicht an der Rechtskraft des Beschlusses teil.

C. § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG – Versetzung Hat das Gericht die Zustimmung zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds ersetzt, steht ihrer Durchführung betriebsverfassungsrechtlich nichts mehr im Wege. Gleichwohl kann das Betriebsratsmitglied als Arbeitnehmer nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzung vorgehen.326 Hier stellt sich die Frage, wie sich das Beschlussverfahren auf den Individualprozess auswirkt. Insbesondere kann es für den Arbeitgeber wünschenswert sein, das Ergebnis oder zumindest Feststellungen, die im Zustimmungsersetzungsverfahren schon getroffen wurden, auch im Individualprozess zu verwerten. I. Wirkung der Rechtskraft – Präjudizialität In Betracht kommt eine präjudizielle Wirkung als Folge der Rechtskraft. 1. Objektive Grenzen der Rechtskraft Das Gericht ersetzt nach § 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG die Zustimmung, wenn die Versetzung auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich ist. Streitgegenstand des Beschlussverfahrens ist daher die Rechtmäßigkeit der Zu326

Abs. 3 wird nur im Falle des Direktionsrechts relevant, s. o. S. 106.

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stimmungsverweigerung des Betriebsrats oder deren Ersetzung. Im Individualprozess wird geprüft, ob die Versetzung nach billigem Ermessen erfolgt ist (§§ 315 BGB, 106 GewO). Die Ersetzung der Zustimmung ist dafür keine Vorfrage. Aber auch hier kann ein Vergleich der Zustimmungsersetzung als Gestaltungsentscheidung mit der Feststellungsentscheidung vorgenommen werden.327 Mit der Zustimmungsersetzungsentscheidung steht fest, dass die Versetzung auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich ist. Auch diese Aussage erwächst in Rechtskraft. Für die individualrechtliche Beurteilung, ob die Versetzung nach billigem Ermessen erfolgt ist, ist dies formal betrachtet allerdings ebenfalls keine Vorfrage. Jedoch ist der Prüfungsmaßstab des Gerichts zu beachten. Die Zustimmung wird dann nicht ersetzt, wenn die Versetzung individualrechtlich nicht nach billigem Ermessen erfolgte, gegen Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG verstößt oder dringende betriebliche Gründe die Versetzung unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers nicht rechtfertigen (§ 103 Abs. 3 S. 2 BetrVG).328 Damit hat das Gericht im Zustimmungsersetzungsverfahren umfassend die Zulässigkeit der Versetzung geprüft. Die Aussage, die Versetzung sei auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich, ist daher gleichbedeutend mit der Zulässigkeit der Versetzung. Genau das ist auch Prüfungsgegenstand des Individualprozesses. Dort wird zunächst unter individualrechtlichem Blickwinkel geprüft, ob die Versetzung billigem Ermessen entspricht. Allerdings müssen alle Umstände beachtet werden, auf die sich der Arbeitnehmer berufen kann. Verweigert der Arbeitnehmer beispielsweise die Leistung auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz und bietet sie gleichwohl auf dem alten an, setzt er den Arbeitgeber in Verzug, wenn sein Verhalten rechtmäßig war. Das ist der Fall, wenn er die Leistung wegen Unwirksamkeit der Versetzung zu Recht verweigert hat. Das Betriebsratsmitglied kann sich dabei auch auf die Betriebsverfassungswidrigkeit der Versetzung berufen.329 Dann muss das Gericht auch diesen Aspekt in seine Prüfung einbeziehen. Im Ergebnis wird daher im Individualprozess auch die betriebsverfassungsrechtliche Seite geprüft. Damit ist der Prüfungsumfang von Urteils- und Beschlussverfahren gleich. Fraglich ist, ob das schon zu einer Identität der Streitgegenstände führt. Dagegen spricht jedoch, dass die Zustimmung des Betriebsrats vor der Durchfüh327 328 329

s. o. zur Kündigung S. 214 ff. s. o. S. 108. s. o. S. 109 f.

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rung der Versetzung erfolgen soll. Nach dem Leitbild des Gesetzes wird eine noch nicht erfolgte Maßnahme beurteilt. Dagegen steht im Individualverfahren die bereits ausgeführte Versetzung im Mittelpunkt der Untersuchung. Auch wenn in beiden Verfahren derselbe Prüfungsmaßstab gilt, ist der Anknüpfungspunkt dennoch ein anderer. Eine Identität der Streitgegenstände liegt daher nicht vor. Gleichwohl sind im Individualprozess alle Umstände relevant, die schon im Beschlussverfahren thematisiert wurden. Letztlich kann das Ergebnis des Urteilsverfahrens nur dann von dem des Beschlussverfahrens abweichen, wenn zwischen Zustimmungsersetzung und Durchführung der Versetzung neue Umstände eingetreten sind. Ob das Ergebnis des Beschlussverfahrens nun als Vorfrage für den Individualprozess bezeichnet wird, ist eine Frage des Blickwinkels. Es stellt in dem Sinne eine Vorfrage dar, dass alle Umstände bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einbezogen werden und die Versetzung danach „zulässig“ ist. Im Individualverfahren sind dann nur noch die neuen Umstände in die Prüfung „zusätzlich einzubeziehen“. Andererseits liegt eine Vorfrage dann nicht vor, wenn die Vorfrage streng als ein „rechtlicher“ Aspekt einer anderen Entscheidung betrachtet wird. Es werden im Individualverfahren gerade keine zusätzlichen Voraussetzungen der Versetzung geprüft, sondern dieselben wie im Beschlussverfahren. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass einmal eine künftige und einmal eine bereits erfolgte Maßnahme untersucht wird. Faktisch liegt der Unterschied daher im Beurteilungszeitpunkt. Unabhängig davon, wie die „Vorfrage“ im Sinne der präjudiziellen Wirkung zu verstehen ist, muss der Zweck der engen Grenzen der Rechtskraft beachtet werden. Die Parteien und Beteiligten sollen nicht an Entscheidungsergebnisse gebunden werden, die überraschend sind. Das wäre auch dann der Fall, wenn sich aus dem Entscheidungsausspruch nicht sicher vorhersehen lässt, wie weit die Bindung reicht, wenn die Entscheidung präjudiziell wirkt. Vorliegend wird im Beschlussverfahren die Versetzung allerdings umfassend geprüft. Wird die Zustimmung ersetzt, steht fest, die Versetzung ist unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Umstände zu Recht erfolgt. Das entspricht auch dem Ergebnis zur Kündigung. Auch dort ist es dem Arbeitnehmer nach der rechtskräftigen Zustimmungsersetzungsentscheidung nur verwehrt, im Kündigungsschutzstreit Tatsachen vorzutragen, die im Beschlussverfahren schon hätten berücksichtigt werden können. Neu eingetretene Umstände können im Individualprozess weiterhin vorgebracht werden.330 Die Bindung an das Prozessergebnis „Zulässigkeit der Versetzung zu diesem Zeitpunkt“ ist daher für keinen der Beteiligten überraschend. Der Zweck der engen Rechtskraftgrenzen steht einer präjudiziellen Wirkung daher nicht entgegen.

330

s. o. S. 164, S. 166 f.

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Die Struktur des Gesetzes spricht sogar für eine solche Wirkung. Die Zustimmungsersetzungsentscheidung bei der Kündigung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat präjudizielle Wirkung auf den Individualprozess. Diese Auffassung entspricht seit 1977 der gefestigten Rechtsprechung und dem ganz herrschenden Schrifttum.331 Abs. 3 S. 2, der erst 2001 eingefügt wurde,332 ordnet die Geltung des Abs. 2 an. Das spricht dafür, dass das Beschlussverfahren hier eine vergleichbare Bedeutung haben und möglichst zur umfassenden Klärung des gesamten Streits führen soll. Die Ergänzung, dass Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass dringende betriebliche Gründe vorliegen müssen und auch die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist, steht dem nicht entgegen. Eine solche Konkretisierung ist erforderlich, da sich Kündigung und Versetzung nicht am selben Maßstab messen lassen. Außerdem ist im Rahmen der Kündigung die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers gerade nicht zu berücksichtigen.333 Das Gesetz will mit dieser Ergänzung nichts über die Bindungswirkung der Entscheidung sagen, sondern nur den Prüfungsmaßstab beschreiben. Daraus folgt, dass die die Zustimmung ersetzende Entscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 2 i.V. m. Abs. 3 S. 2 BetrVG in objektiver Hinsicht präjudizielle Wirkung auf den Individualprozess haben kann.334 Ändern sich die tatsächlichen Umstände bis zur Entscheidung im Individualprozess nicht, steht fest, die Versetzung ist nach billigem Ermessen erfolgt. 2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft Da der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren zu beteiligen ist (§ 103 Abs. 2 S. 2 i.V. m. Abs. 3 S. 2 BetrVG), stehen der präjudiziellen Wirkung auch auf subjektiver Seite keine Gründe entgegen. II. Ergebnis Die Entscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 2 i.V. m. Abs. 3 S. 2 BetrVG, welche die Zustimmung zur Versetzung ersetzt, hat auf den Individualprozess präjudizielle Wirkung. Vorbehaltlich neuer, zwischen Abschluss des Beschlussverfahrens und der Versetzungsweisung eingetretener Umstände steht fest, dass die Versetzung wirksam ist.

331

s. o. S. 162 f, S. 166 f. s. o. S. 36. 333 s. o. S. 222 ff. 334 So im Ergebnis auch Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 103 Rn 78, 55; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 95. 332

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D. § 99 BetrVG – Versetzung Die Versetzung ist in vielen verschiedenen Konstellationen denkbar. Nicht in jedem dieser Fälle wird das Problem der Bindungswirkung relevant. Hier werden daher nur noch die oben beschriebenen Konstellationen untersucht.335 I. Änderungsvertrag Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Änderungsvertrags, erfolgt die Versetzung i. d. R. zu Gunsten des Arbeitnehmers. Probleme entstehen, wenn der Arbeitgeber die Versetzung durchführt, der Betriebsrat aber nicht zustimmt. Ersetzt das Arbeitsgericht die Zustimmung nicht, tritt rechtliche Unmöglichkeit ein. Weigert sich der Arbeitnehmer erneut einen Änderungsvertrag abzuschließen, bleibt nur die (Änderungs-)Kündigung.336 Sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, ist die Kündigung nur wirksam, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Er kann in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit auf dem neuen Arbeitsplatz aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit gesehen werden und ist vom Arbeitgeber zu beweisen (vgl. § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Fraglich ist, ob er sich dabei auf die zur rechtlichen Unmöglichkeit führende Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen kann. Wendet der Arbeitnehmer im Individualrechtsstreit ein, es hätte zu einer Zustimmungsersetzungsentscheidung gar nicht kommen dürfen, weil mangels Versetzung i. S. d. Betriebsverfassungsgesetzes die Zustimmung gar nicht erforderlich war, stellt sich dieselbe Frage. 1. § 99 Abs. 4 BetrVG und die Frage des Kündigungsgrunds Zu untersuchen ist, welche Bedeutung die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG für den Kündigungsgrund hat. a) Präjudizielle Wirkung Denkbar ist zunächst eine präjudizielle Wirkung als Folge der Rechtskraft. Der Streitgegenstand der Zustimmungsersetzungsentscheidung muss dafür eine Vorfrage im Kündigungsschutzstreit sein. Streitgegenstand im Beschlussverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung337 – oder anders ausgedrückt – das Recht des Arbeitgebers auf Gestaltung.338 Das sind keine Vorfragen im 335 336 337 338

s. o. S. 188 ff. s. o. S. 94. Vgl. Richardi-Thüsing, § 99 Rn 287; s. o. S. 200. Vgl. S. 208.

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Individualprozess. Dort wird die Wirksamkeit der Kündigung unabhängig von der Betriebsverfassungswidrigkeit einer Maßnahme geprüft.339 Für die Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG wurde herausgearbeitet, dass die rechtskräftige Entscheidung über den Gestaltungsantrag auch eine rechtskräftige Aussage über den zugrunde liegenden „Akt“ trifft.340 Übertragen auf die Versetzung könnte daher rechtskräftig feststehen, dass sie betriebsverfassungsrechtlich zulässig oder unzulässig ist. Auch das Bundesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Zustimmungsersetzungsentscheidung i. S. d. § 99 Abs. 4 BetrVG in anderem Zusammenhang geäußert, die Entscheidung sei inhaltlich nichts anderes als eine Entscheidung über die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten personellen Maßnahme.341 Im Verfahren nach § 99 Abs. 2 BetrVG wird jedoch nicht die Versetzung als solche überprüft, sondern ob bestimmte Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegen und der Betriebsrat nach den vorgebrachten Gründen zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt war.342 Das Gericht setzt sich auch nur mit diesen Gründen auseinander.343 Das folgt daraus, dass im Zustimmungsersetzungsverfahren lediglich eine Rechtskontrolle der Verweigerung durch den Betriebsrat stattfindet.344 Das spricht gegen eine „Zulässigkeitskontrolle“ der Versetzung durch das Gericht. Macht aber der Betriebsrat innerhalb der Frist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG bestimmte Gründe geltend, sind nur die vorgebrachten Gründe entscheidend. Kommt es nicht zu einer form- und fristgerechten Zustimmungsverweigerung, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Das Zusammenspiel der beiden Sätze spricht dafür, dass andere Gründe nach Ablauf der Frist „präkludiert“ sind. Wenn für die Zustimmungsersetzungsentscheidung aber letztlich nur diese Gründe relevant sind, heißt das mit anderen Worten, dass die Maßnahme zulässig ist, wenn die Gründe nicht vorliegen. Dann kann die Stattgabe des Antrags tatsächlich so interpretiert werden, dass die Maßnahme betriebsverfassungsrechtlich zulässig ist.345 Es können zwar noch andere Verweigerungsgründe vorliegen. Zum einen muss der Betriebsrat aber ohnehin die Zustimmung nicht verweigern. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG spricht von „kann“ und räumt dem Betriebsrat somit ein 339

Vgl. S. 53. s. o. S. 206 ff. 341 BAG NZA 1989, 355, 358 (rechtskräftig abgelehnter Zustimmungsersetzungsantrag enthält die Feststellung, dass die Zustimmung als erteilt gilt). 342 Vgl. Boemke, ZfA 1992, 473, 505; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 283. 343 BAG NZA 1985, 67; vgl. BAG NZA 1986, 755, 757; GK-BetrVG-Raab, § 103 Rn 176; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 287. 344 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 283. 345 So das BAG NZA 1989, 355, 358 im Rahmen der Begründung, dass in dem rechtskräftig abgelehnten Zustimmungsersetzungsantrag auch die Feststellung enthalten ist, dass die Zustimmung als erteilt gilt. 340

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Ermessen ein.346 Die Versetzung ist demnach auch dann betriebsverfassungsrechtlich zulässig, wenn zwar Verweigerungsgründe vorliegen, der Betriebsrat aber dennoch zustimmt. Zum anderen kann der Betriebsrat nach Ablauf der Frist keine Gründe mehr nachschieben. Das Gericht entscheidet damit letztlich über die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Maßnahme. Entsprechend den Ausführungen zu § 103 BetrVG könnte dann die Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen (Un-)Zulässigkeit in Rechtskraft erwachsen. Dem steht aber die Struktur des § 99 BetrVG entgegen. Im Gegensatz zu § 103 BetrVG, der die Rechtfertigung der Kündigung in den Vordergrund stellt, spricht § 99 BetrVG eben nicht von der Zulässigkeit der Maßnahme, sondern zählt nur einzelne Verweigerungsgründe auf. Allerdings kann eine Entscheidung hier dahinstehen. Selbst wenn der Entscheidung die betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Versetzung entnommen werden kann, liegt darin keine Vorfrage für den Kündigungsschutzprozess, da die Kündigung losgelöst von der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit beurteilt wird.347 Nichts anderes gilt, wenn man den Streitgegenstand in der „Berechtigung des Arbeitgebers zur Durchführung der Maßnahme in Anbetracht eines konkreten Zustimmungsersuchens und im Hinblick auf dieses Ersuchen vom Betriebsrat gemachten Verweigerungsgründen“ 348 sehen will. Auch hier kann es nur auf die betriebsverfassungsrechtliche Berechtigung ankommen, die im Individualverfahren keine Rolle spielt. Die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG hat keine präjudizielle Wirkung für die Prüfung der Kündigungsschutzklage. b) „Tatbestandswirkung“ Zu beachten ist aber, dass die Kündigung allein wegen der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit erfolgt. Muss sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzstreit gegenüber dem Arbeitnehmer verteidigen, muss er das Vorliegen eines Kündigungsgrunds beweisen (vgl. § 1 Abs. 2 S. 4 KschG). Der Kündigungsgrund liegt in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit, die aus der rechtlichen Unmöglichkeit resultiert.349 Letztere wiederum ist durch den rechtskräftig abgelehnten Zustimmungsersetzungsantrag entstanden.350 Das Vorliegen dieser Entscheidung ist eine Tatsache, die der Arbeitgeber im Prozess geltend machen und mit dem Urteil beweisen kann. Indem sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG beruft, will er nicht die Wirkungen der Entscheidung aus dem Beschlussverfah346 347 348 349 350

s. o. S. 41. Vgl. zur Änderungskündigung S. 53. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 176. Vgl. zu Einstellung S. 73. Vgl. zu Einstellung S. 66.

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ren im Sinne einer präjudiziellen Wirkung auf den Individualrechtsstreit übertragen. Präjudizielle Wirkung bedeutet, dass eine bereits rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge in einem anderen Verfahren als bindend feststeht.351 Das Ergebnis dieser schon erfolgten rechtlichen Prüfung wird auch im zweiten Verfahren berücksichtigt und nicht nochmals neu entschieden. In der hier beschriebenen Konstellation geht es aber nicht darum, eine entschiedene Rechtsfrage aus einem Verfahren in einem zweiten inhaltlich zu verwerten. Die Entscheidung im Beschlussverfahren schafft als Tatsache vielmehr erst die Voraussetzung für die rechtliche Unmöglichkeit. Dieses Phänomen ist eher mit einer „Tatbestandswirkung“ zu vergleichen: Die Existenz einer Entscheidung ist Tatbestandsvoraussetzung einer Norm (z. B. §§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB).352 Das hat mit der Wirkung der Rechtskraft im engeren Sinn nichts zu tun. Hier ist die Existenz der Entscheidung Voraussetzung der rechtlichen Unmöglichkeit, die zur fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit führt und damit einen Kündigungsgrund schafft.353 Ist die Entscheidung rechtskräftig, liegt ein Kündigungsgrund auch vor, wenn sie zu Unrecht ergangen ist. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn man auf die Betriebsverfassungswidrigkeit als Kündigungsgrund abstellen würde. Kann die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG tatsächlich so gelesen werden, dass die betriebsverfassungsrechtliche (Un-)Zulässigkeit nun feststeht und will sich der Arbeitgeber im Individualprozess darauf berufen, würde er eine in einem anderen Verfahren festgestellte Rechtsfolge geltend machen. Das ist ein Fall der präjudiziellen Wirkung. Betriebsverfassungswidrigkeit kommt aber als Kündigungsgrund nicht in Betracht, sondern die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit.354 Der Arbeitgeber kann somit den Kündigungsgrund (fehlende Beschäftigungsmöglichkeit wegen rechtlicher Unmöglichkeit aufgrund des zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrags) beweisen, indem er sich auf die rechtskräftige Zustimmungsersetzungsentscheidung beruft. Der Arbeitnehmer kann sich daher im Kündigungsschutzprozess nicht erfolgreich darauf berufen, die Zustimmung sei zu Unrecht ersetzt worden. 2. Erforderlichkeit der Zustimmung Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer einwenden kann, die Zustimmung sei nicht erforderlich gewesen. Dann wäre es nie zu einem Mitbestimmungsverfahren ge351

Vgl. zur präjudiziellen Wirkung S. 150. s. o. S. 152. 353 Ähnlich Konzen, FS Zeuner, S. 401, 414; vgl. auch Rixecker, ArbuR 1983, 238, 241 (Aufhebungsanspruch nach § 101 BetrVG führt zu Verbot der Beschäftigung und die gerichtliche Entscheidung besitzt „gewisse Tatbestandswirkung“ für den Kündigungsschutzprozess). 354 Vgl. S. 73. 352

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kommen und die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG, die zum Kündigungsgrund führte, nicht ergangen. Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, sich auf die Zustimmungsersetzungsentscheidung zu berufen. Bevor das Gericht die Zustimmung ersetzt, prüft es als Vorfrage, ob die Zustimmung überhaupt erforderlich war. Über die Frage wurde daher im Zustimmungsersetzungsverfahren schon „entschieden“. Ist aber die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Folge der rechtlichen Unmöglichkeit, die wiederum auf der rechtskräftigen Zustimmungsersetzungsentscheidung beruht, der Kündigungsgrund, kann der Arbeitgeber genau wegen dieser Entscheidung kündigen. Ob sie zu Recht ergangen ist, spielt keine Rolle mehr. Beruft sich der Arbeitnehmer nun auf die fehlende Zustimmungsbedürftigkeit, stellt er in Frage, ob die Entscheidung zu Recht ergangen ist. Das ist mit der Rechtskraft der Entscheidung nicht zu vereinbaren. Das darf aber nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die Erforderlichkeit der Zustimmung an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung teilnimmt. Das ist problematisch,355 da nur der Subsumtionsschluss als Ganzes – die Entscheidung über die behauptete Rechtsfolge – in Rechtskraft erwächst.356 Die Erforderlichkeit ist (jedenfalls formal) nur eine Vorfrage.357 Hier geht es aber eben nicht darum, ob rechtskräftig feststeht, dass die Zustimmung erforderlich war. Das ist keine Vorfrage im Kündigungsschutzprozess. Vielmehr will der Arbeitnehmer den Kündigungsgrund angreifen, indem er behauptet, es hätte nie zu der Zustimmungsersetzungsentscheidung kommen dürfen. Genau den Einwand versagt ihm die Rechtskraft der Entscheidung. Es steht fest, die Entscheidung ist zu Recht ergangen. Der Arbeitnehmer kann nicht einwenden, die Zustimmung sei nicht erforderlich gewesen. 3. Zwischenergebnis Konnte der Arbeitgeber keine Zustimmungsersetzung erreichen, tritt rechtliche Unmöglichkeit ein, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt. Hat er den Arbeitnehmer dennoch auf Grundlage eines Änderungsvertrags versetzt, muss er ihm ggf. kündigen. Will er den Kündigungsgrund beweisen, kann er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen. Diese stellt eine Tatsache dar, die zur rechtlichen Unmöglichkeit führt. Darin ist jedoch keine Wirkung der Rechtskraft im engeren Sinn zu sehen, sondern sie kann vielmehr mit einer „Tatbestandswirkung“ 358 verglichen werden. 355 Dafür BAG NZA 1990, 314, 315; vgl. auch BAG NZA 1989, 355, 358 (rechtskräftig abgelehnter Zustimmungsersetzungsantrag enthält die Feststellung, dass die Zustimmung als erteilt gilt). 356 s. o. S. 127 f. 357 Zu Recht Boemke, ZfA 1992, 473, 510; s. o. zu § 103 BetrVG S. 237 ff. 358 Zur Tatbestandswirkung s. o. S. 152.

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4. Beteiligung des Arbeitnehmers Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer an dem Beschlussverfahren zu beteiligen ist. a) Beteiligung keine Voraussetzung der „Tatbestandswirkung“ Zu klären ist zunächst, ob seine Beteiligung Voraussetzung für eine Bindungswirkung ist oder ob er zu beteiligen ist, weil eine Bindungswirkung vorliegt. Bei Folgen der Rechtskraft müssen deren objektive und subjektive Grenzen gewahrt sein. Da eine Entscheidung grundsätzlich nur zwischen den Parteien oder Verfahrensbeteiligten wirkt, kann eine Bindungswirkung nur eintreten, wenn entweder eine ausreichende Beteiligung vorliegt oder sich aus dem Gesetz ergibt, dass eine Beteiligung ausnahmsweise nicht nötig ist.359 Vorliegend geht es aber nicht um die Wirkungen der Rechtskraft im engeren Sinn. Vielmehr ist die Entscheidung eine Voraussetzung für das Vorliegen der Unmöglichkeit und damit des Kündigungsgrunds. Der Arbeitgeber kann sich auf die Entscheidung als Tatsache berufen. Die Konstellation ähnelt eher einer Tatbestandswirkung.360 Bei der Tatbestandswirkung ist lediglich Voraussetzung, dass ein Urteil vorliegt. Dagegen kommt es auf die subjektiven Grenzen der Rechtskraft nicht an.361 Das führt auch zu überzeugenden Ergebnissen. Andernfalls wäre denkbar, dass gegenüber dem Betriebsrat rechtskräftig feststeht, dass der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden darf, was der Betriebsrat mit Zwangsgeld durchsetzen kann. Im Individualverfahren könnte das Gericht aber zu dem Ergebnis kommen, die Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs sei möglich und den Arbeitgeber entsprechend verurteilen. Der Arbeitgeber wäre in einer Zwangslage, aus der er sich nicht befreien kann. Daher muss er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen können. Die Beteiligung ist dafür keine Voraussetzung, möglicherweise aber eine Folge. b) Anspruch auf rechtliches Gehör Ohne Beteiligung des Arbeitnehmers könnte dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt, dass eine Person in ein Verfahren einbezogen werden muss, wenn der Verfahrensausgang unmittelbar ihre Rechtsstellung betreffen kann.362 Ist die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ergangen, wird der Kündigungsgrund im Individualprozess in jedem Fall bejaht,

359 A. A. wohl Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 14 (II.3.a.). 360 s. o. S. 246 f. 361 Stein/Jonas-Leipold, § 325 Rn 5. 362 BVerfG NJW 1967, 492; BeckOK-GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn 4; Maunz/ Dürig-Schmidt-Aßmann, § 103 Rn 33; Weth, Beschlußverfahren, S. 50.

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so dass sich der Arbeitnehmer dort nicht mehr „verteidigen“ kann. Die Entscheidung wirkt sich somit unmittelbar rechtlich auf ihn aus. Liegt eine solche Betroffenheit vor, kann direkt aus Art. 103 Abs. 1 GG eine Pflicht des Gerichtes zur Beteiligung folgen.363 Allerdings ist der Anspruch auf rechtliches Gehör einfachgesetzlich ausgestaltet.364 Eine direkte Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG kommt daher nur dann in Betracht, wenn die entsprechende Verfahrensordnung einen ausreichenden Schutz nicht gewährleistet.365 Daraus folgt, dass Verfahrensnormen stets im Lichte des Art. 103 Abs. 1 GG ausgelegt werden müssen. Eine Lösung über die einschlägige Verfahrensordnung geht der unmittelbaren Anwendung des Art. 103 Abs. 1 GG vor.366 Zu untersuchen ist daher, ob sich aus den Regelungen des Betriebsverfassungs- und des Arbeitsgerichtsgesetzes eine Notwendigkeit der Beteiligung ergibt oder ob der Arbeitnehmer auch ohne Beteiligung ausreichend geschützt ist oder keines Schutzes bedarf (c.). Ist ein Erfordernis der Beteiligung zu bejahen, ist zu prüfen, ob und wie diese ggf. umgesetzt werden kann (d.). c) Erforderlichkeit der Beteiligung Der Anspruch auf rechtliches Gehör unterliegt Einschränkungen.367 Denkbar ist, dass der Betroffene ausreichend durch bestehende Vorschriften oder Ausgleichsmechanismen geschützt ist. aa) Materielle Abhängigkeit Im Rahmen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft wurde bereits angerissen, dass die Rechtskraft dann gegenüber einem Dritten wirken soll, wenn der Betroffene auch auf eine privatrechtliche Regelung der übrigen Verfahrensbeteiligten keinen Einfluss hätte.368 Die sog. materielle Abhängigkeit führt zu einer Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ob dem zuzustimmen ist, kann hier jedoch dahinstehen. Betriebsrat und Arbeitgeber haben es nicht in der Hand, durch eine Vereinbarung hinsichtlich der Versetzung eine dem Arbeitnehmer nachteilige Rechtslage herbeizuführen. Auch wenn die Versetzung betriebsverfassungsrechtlich zulässig ist, weil der Betriebsrat zugestimmt hat, kann der Arbeitnehmer stets auf individualrechtlicher Ebene Rechtsschutz suchen. Der Arbeitnehmer ist daher schon materiellrechtlich nicht von einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Betriebsrat abhängig. 363 364 365 366 367 368

BVerfG NJW 1982, 1635, 1636; NJW 1967, 492. BeckOK-GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn 6. Vgl. BVerfG NJW 1982, 1635, 1636; NJW 1967, 492. Vgl. BVerfG NJW 1959, 427. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, § 103 Rn 14 ff; Weth, Beschlußverfahren, S. 61 ff. s. o. S. 144 f.

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen

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bb) § 99 BetrVG schützt nicht den Arbeitnehmer Denkbar ist, dass eine Beteiligung auch nicht nötig ist, weil § 99 BetrVG nicht den Arbeitnehmer schützt369 und das System der §§ 99 ff BetrVG vom Vorrang der Rechte des Betriebsrats ausgeht. Dass §§ 99 ff BetrVG nicht den Arbeitnehmer schützt, bedeutet jedoch zunächst nur, dass er sich auf die Betriebsverfassungswidrigkeit nicht berufen und damit Nachteile auf individualrechtlicher Ebene nicht vermeiden kann. Diese Konstellation ist mit der vorliegenden aber nicht vergleichbar. Der Arbeitnehmer soll gerade wegen Umständen, die im Zusammenhang mit der Betriebsverfassung stehen, gekündigt werden. Hier geht es also nicht darum, dass § 99 BetrVG den Arbeitnehmer nicht schützen soll. Es ist vielmehr fraglich, ob er ihn „benachteiligen“ darf. cc) Vorrang der Rechte des Betriebsrats Aus dem Vorrang der Rechte des Betriebsrats, die im Zusammenhang mit § 275 Abs. 3 BGB festgestellt wurden,370 folgt, dass der Arbeitnehmer nachteilige Folgen im Ergebnis hinzunehmen hat. Ist der Arbeitgeber zwei sich widersprechenden rechtlichen Verpflichtungen ausgesetzt, muss er letztlich eine verletzen oder sich von einer Pflicht lösen können. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob und ggf. wie der Arbeitnehmer in das Verfahren eingebunden werden muss, das letztlich den Grundstein für einen Kündigungsgrund legt. Ein Vorrang der Rechte des Betriebsrats kann eine Beteiligung des Arbeitnehmers nicht ausschließen. dd) Rein „kollektive“ Ausrichtung der Zustimmungsverweigerungsgründe Eine Beteiligung könnte ggf. unterbleiben, wenn alle im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG relevanten Zustimmungsverweigerungsgründe dergestalt kollektiv ausgerichtet sind, dass sie nicht an den betroffenen Arbeitnehmer anknüpfen. Hat der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die Zustimmungsverweigerungsgründe und stehen diese nicht im Zusammenhang mit seiner Person, kann er zum Verfahren ohnehin wenig beitragen. Aufgrund des im Beschlussverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes ist auch zu erwarten, dass das Gericht den relevanten Umständen nachgehen wird. Geht es beispielsweise um einen Richtlinienverstoß (§ 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG), liegt die Beurteilung völlig außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers. Allerdings sind nicht alle Zustimmungsverweigerungsgründe derart „kollektiv“ ausgerichtet. Nach Nr. 6 darf der Betriebsrat die Zustimmung nämlich verweigern, wenn die Besorgnis besteht, dass der betrof369 370

Vgl. S. 90 ff. s. o. S. 79 ff.

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fene Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Grundsätze stört. Es besteht daher keine rein „kollektive“ Ausrichtung, die eine Beteiligung verzichtbar macht. ee) Untersuchungsgrundsatz Schließlich könnte eine Beteiligung im verfahrensrechtlichen Sinn entbehrlich sein, weil der Untersuchungsgrundsatz gilt. Gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Allerdings haben nach Abs. 1 S. 2 die am Verfahren Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Gericht „ermittelt“ den Sachverhalt nicht selbst. Vielmehr ist es zu einer Nachforschung erst verpflichtet, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Sachverhalt noch nicht vollständig ist. Eine „Ermittlung“ ins „Blaue hinein“ findet dagegen nicht statt.371 Der Betriebsrat muss seine Zustimmungsverweigerung begründen.372 Das Gericht prüft nur, ob die geltend gemachten Gründe vorliegen.373 In der Regel wird das Gericht den Sachverhalt im Rahmen der geltend gemachten Gründe vollständig aufklären und dazu auch den Arbeitnehmer hören. Der Arbeitnehmer kann dann auch ohne eine formelle Beteiligung i. S. d. Arbeitsgerichtsgesetzes Umstände angeben, die das Gericht verpflichten, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Das spricht auf den ersten Blick gegen eine zwingende Beteiligung. Allerdings sind nur Beteiligte oder irrtümlich nicht am Verfahren Beteiligte befugt Rechtsmittel einzulegen.374 Wirkt sich eine Entscheidung aber auf Rechte des Arbeitnehmers aus und betrifft einen Sachverhalt, in den er involviert ist, muss es ihm möglich sein, unabhängig vom Arbeitgeber Beschwerde einzulegen. Die Möglichkeit von Berufung und Revision im Individualrechtsstreit gleichen dieses Bedürfnis nicht aus, da die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG damit nicht beseitigt werden kann. Der Untersuchungsgrundsatz macht daher eine formelle Beteiligung des Arbeitnehmers nicht entbehrlich.375 ff) Zwischenergebnis Die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG wirkt sich auf den Arbeitnehmer rechtlich unmittelbar aus, da dadurch rechtliche Unmöglichkeit eintritt, was wiederum zur fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers und damit zu 371 Schwab/Weth, § 83 Rn 6; vgl. auch Budde, Bindungswirkung, S. 66; Nottebom, Rechtskrafterstreckung, S. 127 f. 372 Richardi-Thüsing, § 99 Rn 263 ff. 373 s. o. S. 245. 374 Vgl. Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 35; Germelmann-Matthes/Schlewing, § 89 Rn 3. 375 So auch Konzen, FS Zeuner, S. 401, 417; Otto, ZfA 2011, 673, 684 f; wohl a. A. Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 25.

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einem Kündigungsgrund führt. Ohne Beteiligung an dem Verfahren würde er vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ohne seine Interessen angemessen selbst vertreten zu können. Aus dem Betriebsverfassungs- und Arbeitsgerichtsgesetz folgt nicht, dass diese Beteiligung entbehrlich ist. Um dem Anspruch auf rechtliches Gehör gerecht zu werden, muss der Arbeitnehmer am Verfahren beteiligt werden. d) Beteiligung des Arbeitnehmers Zu untersuchen ist, wie der Arbeitnehmer am Verfahren beteiligt werden kann. aa) Keine spezielle Anordnung durch § 99 BetrVG § 99 BetrVG sagt über die Beteiligung des Arbeitnehmers nichts aus. bb) § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG analog Streiten Arbeitgeber und Betriebsrat um die Zustimmungsersetzung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, ordnet § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Beteiligung des Arbeitnehmers ausdrücklich an. Denkbar ist, diese Norm analog heranzuziehen. Für eine vergleichbare Situation spricht, dass die Entscheidung im Beschlussverfahren in beiden Fällen unmittelbare Auswirkungen auf die individualrechtliche Stellung des Arbeitnehmers hat. Allerdings folgt diese Bindungswirkung im Fall des § 103 BetrVG unmittelbar aus der Rechtskraft. Damit deren subjektive Grenzen gewahrt sind, muss der Arbeitnehmer beteiligt werden. Daher ordnet § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Beteiligung des Arbeitnehmers an. Das ist bei § 99 Abs. 4 BetrVG anders. Die Bindungswirkung tritt zunächst unabhängig von der Beteiligung des Arbeitnehmers ein, da die Entscheidung im Beschlussverfahren als Tatsache in den Individualprozess eingeführt wird. Von der dogmatischen Konstellation her sind die beiden Fälle daher nicht vergleichbar, so dass eine Analogie ausscheidet.376 cc) Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG Der Arbeitnehmer könnte aber nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen sein. Die Norm besagt: „In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz [. . .] im einzelnen Fall beteiligt sind.“

376

So im Ergebnis auch Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 46.

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(1) Unmittelbare Betroffenheit Damit definiert die Norm die Beteiligungsbefugnis nicht, sondern setzt sie voraus. Dann kann sie sich nur aus dem materiellen Recht ergeben.377 Beteiligungsbefugnis ist anzunehmen, wenn die Person oder Stelle durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden kann.378 Von unmittelbarer Betroffenheit ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die rechtskräftige Entscheidung in einem anderen Prozess eine Bindungswirkung entfaltet, d.h. das Gericht im Nachfolgeprozess in einer entscheidungserheblichen Frage keine Prüfungskompetenz mehr hat.379 Wie oben dargelegt worden ist, ist das Gericht im Individualverfahren an das Vorliegen eines Kündigungsgrunds gebunden, wenn die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig ist, und hat keine eigene Prüfungskompetenz mehr. Damit ist der Arbeitnehmer unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen. (2) Betroffenheit in betriebsverfassungsrechtlicher Position Fraglich ist aber, ob diese weite Definition der Betroffenheit einzuschränken ist. Die Rechtsprechung380 und ihr folgend ein großer Teil der Literatur381 verlangen eine Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position oder eine Betroffenheit in einer Rechtsstellung nach den von § 83 Abs. 3 ArbGG aufgezählten Gesetzen.382 Dementsprechend müsste der Arbeitnehmer in einer betriebsverfassungsrechtlichen und nicht lediglich individualrechtlichen Stellung betroffen sein. Für ihn geht es um die Beschäftigung auf einem konkreten Arbeitsplatz. Das ist primär eine individualrechtliche Auswirkung. Die Argumenta377

Vgl. Schwab/Weth, § 83 Rn 56; so auch Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 44; Weth, Beschlußverfahren, S. 117. 378 GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 29 f. 379 Schwab/Weth, § 83 Rn 57; ders., Beschlußverfahren, S. 59. 380 BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 118 Bl. 203R f (I.); NZA 1989, 606, 607 f; NZA 1989, 396; AP § 83 ArbGG 1979 Nr. 13 Bl. 287R (B.II.4.c.aa.); NZA 1984, 172 f; AP § 37 BetrVG 1972 Nr. 38 Bl. 405 (III.); AP § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen Nr. 1 Bl. 844 (B.I.2.b.); AP § 111 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 75R (I.2.a.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 14 Bl. 1098 (II.2.b.aa.); AP § 47 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 657 f (II.3.); AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 4 Bl. 547R (1.). 381 Boemke, ZfA 1992, 473, 490; Busemann, NZA 1996, 681, 682; Bader/Creutzfeldt/Friedrich, § 83 Rn 2a; GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 20, 31, 42, 44; ErfKomKoch, § 83 ArbGG Rn 7; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 13; Oetker, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 118 Bl. 865 f (I.1.); Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 83 ArbGG Rn 27; Hess/Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 196; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 278; vgl. auch Schwab/Weth, § 83 Rn 63; a. A. Grunsky, ArbGG, § 83 Rn 14 (Entscheidend ist, dass die Belange des Arbeitnehmers unmittelbar berührt werden. Das ist auch der Fall, wenn Versetzung, Einstellung und Kündigung Verfahrensgegenstand sind.). 382 Dazu Weth, Beschlußverfahren, S. 118.

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tion, davon sei auch seine Stellung im Betrieb betroffen,383 geht zu weit. Das ist zwar eine Folge der durch § 99 Abs. 4 BetrVG veranlassten Änderungskündigung. Allerdings hätte dann jede Kündigung oder Versetzung betriebsverfassungsrechtlichen Bezug. Der Arbeitnehmer wird daher durch die Entscheidung im Beschlussverfahren nicht in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position unmittelbar betroffen.384 Die Einschränkung auf eine Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position würde daher dazu führen, dass der Arbeitnehmer im Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG nicht zu beteiligen ist.385 Damit ist zu klären, ob diese Einschränkung erforderlich ist. (a) Wortlaut Die Einschränkung könnte sich aus dem Wortlaut ergeben, der nach Aufzählung der potentiell zu beteiligenden Subjekte anfügt „die nach dem Betriebsverfassungsgesetz [. . .] im einzelnen Fall beteiligt sind.“ Daraus könnte folgen, dass eine Beteiligung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Betroffenheit nach dem Betriebsverfassungsgesetz und den sonst in § 83 Abs. 3 ArbGG aufgezählten Gesetzen vorliegt. Allerdings lässt sich der letzte Halbsatz auch so lesen, dass er sich nur auf die „Stellen“ bezieht.386 Dafür spricht, dass in § 83 Abs. 3 ArbGG auch der Arbeitgeber genannt ist. Der Arbeitgeber ist aber stets zu beteiligen, da er durch die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung immer betroffen ist.387 Dann

383

Vgl. BAG NJW 1973, 1630 f (Einstellung); vgl. auch Dütz, ArbuR 1993, 33, 39. So auch W. Blomeyer, GS Dietz, S. 147, 173; Boemke, ZfA 1992, 473, 490; MüHB-ArbR-v. Hoyningen-Huene, § 213 Rn 26; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 278. 385 So die wohl hM: BAG NZA 2007, 348; NZA 2004, 800, 801; AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 990R f (B.I.) sowie AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 805 f (I.) (Eingruppierung; das BAG lässt jedoch die Frage offen, ob daran auch für den Fall der Einstellung und Versetzung festzuhalten ist); AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 18 Bl. 982R (B.I.) (Eingruppierung); AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 3 Bl. 391R f (II.3.) (Versetzung); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 99 Rn 247; Boemke, ZfA 1992, 473, 490; Fitting, § 99 Rn 288; Konzen, FS Zeuner, S. 401, 404 f; GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 184; Hess/ Schlochauer-Schlochauer, § 99 Rn 145; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 278; a. A. u. a. die ältere Rspr.: BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 7 Bl. 374R f (B.I.3.) (Einstellung); NJW 1973, 1630 (spricht zwar auch von „betriebsverfassungsrechtliche(r) Rechtsstellung“, will aber alle Stellenbewerber i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG beteiligen); AP § 61 BetrVG Nr. 6 Bl. 56r f (3.) (Umgruppierung); Grunsky, ArbGG, § 83 Rn 14; ders., SAE 1983, 22; Peter Hanau, RdA 1973, 283, 288 (Verweis auf die ältere Rspr.); Maul-Backer, Rechtsfolgen Einstellungen, S. 142 ff, insbes. S. 147 ff; V. Schmidt, Anm. zu BAG AP § 80 ArbGG Nr. 3 Bl. 394 ff; vgl. auch W. Blomeyer, GS Dietz, S. 147, 173; Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 810R (jedenfalls für die Einstellung); unklar Weth, Beschlußverfahren, S. 205 f, der BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 3 (unmittelbare Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position) zitiert, selbst aber nur von „unmittelbar betroffen“ spricht. 386 So Grunsky, SAE 1983, 22. 387 BAG AP § 5 BetrVG 1972 Nr. 9 Bl. 874 (II.2.); Weth, Beschlußverfahren, S. 209. 384

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ist eine Formulierung überflüssig, die seine Beteiligung auf den Fall der Betroffenheit nach bestimmten Gesetzen beschränkt. Einer Ergänzung bedarf es nicht. Grammatikalisch kann dieser Relativsatz sowohl auf alle möglichen Beteiligten bezogen sein, also auch lediglich auf die „Stellen“, die von Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch ein „und“ abgetrennt sind. Eindeutig ist der Wortlaut jedenfalls nicht,388 so dass er nicht als Begründung dafür herangezogen werden kann, dass eine Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position erforderlich ist. (b) Systematik Des Weiteren könnte die Einschränkung aus der Systematik des Gesetzes folgen. (aa) Kollektive Rechte als Gegenstand des Beschlussverfahrens Im Beschlussverfahren werden kollektive Rechte verhandelt,389 die sich aus den in § 83 Abs. 3 ArbGG aufgezählten Gesetzen ergeben. Dann liegt der Schluss nahe, nur Subjekte zu beteiligen, denen diese Rechte zustehen können. Davon geht offenbar das Bundesarbeitsgericht aus. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1955,390 in der es sich erstmalig mit der Beteiligung eines Arbeitnehmers auseinandersetzt, wird wie folgt argumentiert: Aus der Aufzählung in § 83 Abs. 3 ArbGG (Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen . . .) kann nicht gefolgert werden, „daß der einzelne Arbeitnehmer immer Beteiligter eines Beschlußverfahrens ist, wenn dieses den Betrieb betrifft, dem er angehört“. Er sei „vielmehr nur dann beteiligt, wenn es sich um seine Stellung als Mitglied der Belegschaft, d.h. innerhalb der Betriebsverfassung handelt“.391 Diese Ausführungen werden sodann auf Betriebsratsmitglieder übertragen. Ein einzelnes Betriebsratsmitglied sei „nur dann am Beschlußverfahren beteiligt, wenn es um seine Stellung z. B. innerhalb der Geschäftsführung des Betriebsrats geht“.392 Daraus ziehen die Rechtsprechung393 und die sich ihr größtenteils anschließende Literatur seither den Schluss,394 dass die Beteiligung eine Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position voraussetzt. Dabei wird aber

388 Vgl. Oetker, Anm. zu BAG AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 118 Bl. 865 f (I.1.) (Wortlaut verlangt „einschränkungslos“ die Beteiligung des Arbeitnehmers). 389 Vgl. BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 3 Bl. 391R f (II.3.). 390 BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2. 391 BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 Bl. 558 (II.a.). 392 BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 Bl. 558 (II.a.). 393 s. o. Teil 3 Fn 380. 394 s. o. Teil 3 Fn 381.

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weder auf die Begründungsansätze des Bundesarbeitsgerichts eingegangen noch werden eigene Argumente entwickelt.395 Das überzeugt jedoch nicht. In der konkreten Entscheidung ging es um einen Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Eigenschaft des Betriebs als Tendenzbetrieb. Auch ein Betriebsratsmitglied hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, Antragsteller kann nur sein, wer auch Beteiligter sein kann und macht in diesem Rahmen Ausführungen zur Beteiligteneigenschaft. Für das Betriebsratsmitglied wurde das mit der obigen Begründung abgelehnt. Allerdings hat das Gericht direkt nach der oben aufgeführten Passage noch weiter ausgeführt: „Die Eigenschaft, Beteiligter an einem Beschlußverfahren zu sein, muß also aufgrund der konkreten Verhältnisse in Verbindung mit dem materiellen Recht jeweils besonders festgestellt werden.“ Danach liegt die Antragsund Beteiligtenbefugnis nur bei Personen vor, die durch „die begehrte Entscheidung unmittelbar betroffen“ werden. Das gelte z. B. für den „Betriebsrat, wenn seine Stellung Gegenstand der Entscheidung ist oder durch die Entscheidung berührt wird. Das einzelne Betriebsratsmitglied ist nur dann antragsberechtigt, wenn es in dieser seiner Funktion durch die Entscheidung betroffen wird“. Ziel des Bundesarbeitsgerichts war es demnach, die Antrags- und Beteiligtenbefugnis für das Betriebsratsmitglied abzulehnen, da es durch die konkrete Entscheidung nicht unmittelbar betroffen war. Da das einzelne Betriebsratsmitglied in § 83 ArbGG nicht genannt ist, musste die Argumentation bei einem Arbeitnehmer ansetzen, da dieser nach Abs. 3 unter gewissen Voraussetzungen Beteiligter sein kann. Im Ergebnis stellte das Gericht aber nur klar, dass allein die Eigenschaft als Betriebsratsmitglied nicht ausreicht, sondern dass eine Betroffenheit in einer eigenen Rechtsposition erforderlich ist, die sich aus materiellem Recht ergeben muss. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass keinesfalls die Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position ausreicht. Dem steht auch die Aussage, der Arbeitnehmer könne nur Beteiligter sein, „wenn es sich um seine Stellung als Mitglied der Belegschaft, d.h. innerhalb der Betriebsverfassung handelt“, nicht zwingend entgegen. Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fall der 395 Entweder es wird ohne jegliche Begründung BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 (= Ausgangsentscheidung (a)) zitiert oder ein Urteil, welches auf dieses Urteil verweist. Bspw. zitiert die Entscheidung (A) BAG AP § 80 ArbGG 1979 Nr. 3 Bl. 391 (II.3.) die Entscheidung (B) BAG (25.6.1981) AP § 37 BetrVG 1972 Nr. 38 Bl. 405 (III.); diese Entscheidung (B) zitiert z. B. folgende zwei Entscheidungen (1) und (2): Entscheidung (1) BAG AP § 47 BetrVG 1972 Nr. 3 Bl. 657 (II.3.a.) zitiert nun wieder u. a. zwei Entscheidungen (a) und (b): (a) die „Ausgangsentscheidung“ BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 sowie Entscheidung (b) BAG AP § 19 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 733 (2.a.), die sich dann letztlich aber auch auf (a) „Ausgangsentscheidung“ BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 bezieht; die Entscheidung (2) BAG AP § 40 BetrVG 1972 Nr. 14 Bl. 1098 (II.3.a.aa.) zitiert wiederum die Entscheidung (1) BAG AP § 47 BetrVG 1972 Nr. 3, die wie gezeigt auf (a) die „Ausgangsentscheidung“ BAG AP § 81 BetrVG Nr. 2 Bezug nimmt.

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Teil 3: Bindungswirkungen

Betroffenheit in einer individualrechtlichen Stellung nicht zu entscheiden und machte diese Ausführungen nur, um auf die fehlende Beteiligtenbefugnis des Betriebsratsmitglieds im konkreten Fall einzustimmen. Viel gewichtiger sind demgegenüber die Aussagen zu der Betroffenheit an sich, die bezüglich einer eigenen Rechtsposition vorliegen muss.396 Dieses eine Urteil liefert daher keine überzeugende Argumentation gegen eine Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position. Darüber hinaus ist auch der Ansatz der Argumentation, der in die Ausführungen hineingedeutet wird, problematisch. Eine Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position soll nicht ausreichen, da im Beschlussverfahren nur um kollektive Rechte und Rechtsbeziehungen gestritten wird. Das ist aber eher eine Behauptung als ein Argument. Warum genau soll eine individualrechtliche Betroffenheit nicht ausreichen? Dass Gegenstand des Beschlussverfahrens kollektive Rechte sind, ändert nichts daran, dass sich die Entscheidung auf den Arbeitnehmer unmittelbar auswirkt und Einfluss auf seinen konkreten Arbeitsplatz, ggf. auch seine Vergütung und damit seine Lebensgrundlage hat. Dass im Beschlussverfahren kollektive Rechte verhandelt werden, kann im Hinblick auf Art. 103 Abs. 1 GG die Einschränkung der Beteiligtenbefugnis auf eine unmittelbare Betroffenheit nur in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position nicht begründen. (bb) Ausdrückliche Anordnung der Beteiligung in anderen Normen Gegen eine Beteiligtenbefugnis nach § 83 Abs. 3 ArbGG könnte jedoch sprechen, dass es Normen gibt, die eine Beteiligung des Arbeitnehmers bei Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position explizit anordnen: § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG und § 47 Abs. 1 S. 3 BPersVG sowie § 126 Abs. 2 Hs. 2 InsO. Daraus könnte im Umkehrschluss folgen, dass im Grundsatz eine Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG bei individualrechtlicher Betroffenheit nicht möglich ist. Für § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG und § 47 Abs. 1 S. 3 BPersVG trifft diese Annahme jedenfalls nicht zu. Wie oben dargelegt, muss der Arbeitnehmer beteiligt werden, damit wegen der subjektiven Grenzen der Rechtskraft die Entscheidung auch ihm gegenüber überhaupt Wirkung entfalten kann.397 Aus § 83 Abs. 3 BetrVG würde eine Beteiligung nicht folgen. Denn ohne Wahrung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft wäre der Arbeitnehmer nicht unmittelbar betroffen, so dass die Beteiligung nach § 83 Abs. 3 BetrVG schon daran scheitern würde. 396 So auch BAG AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG Bl. 371R (5.) (Berührung unmittelbarer Interessen); AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 345 (II.3.b.) (materielle Betroffenheit ohne Einschränkung auf betriebsverfassungsrechtliche Stellung); BAG AP § 118 BetrVG Nr. 10 Bl. 209 (II.4.) (unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen). 397 s. o. S. 253.

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Hinsichtlich § 126 Abs. 2 InsO greift der Vergleich dagegen auf den ersten Blick. Abs. 1 der Norm ermöglicht dem Insolvenzverwalter unter gewissen Voraussetzungen, beim Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass eine Kündigung bestimmter Arbeitsverhältnisse sozial gerechtfertigt ist. § 127 Abs. 1 InsO ordnet an, dass diese Entscheidung im Kündigungsschutzstreit für den Arbeitnehmer bindend ist. Damit erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidung auf den Arbeitnehmer. Da gemäß § 126 Abs. 2 Hs. 1 InsO die Vorschriften des Beschlussverfahrens entsprechend gelten, würde die Beteiligung des Arbeitnehmers aus § 83 Abs. 3 ArbGG folgen, wenn nur eine unmittelbare (nicht notwendigerweise betriebsverfassungsrechtliche) Betroffenheit erforderlich ist. Allerdings wird sie speziell in § 126 Abs. 2 Hs. 2 InsO angeordnet. Das legt tatsächlich den Schluss nahe, dass eine individualrechtliche Betroffenheit nur dann zu einer Beteiligung im Beschlussverfahren führt, wenn sie ausdrücklich angeordnet ist. Allerdings ist dabei die Historie der Insolvenzordnung zu beachten. Sie gilt erst seit 1999398 und hat das Insolvenzverfahren gegenüber dem nach der Konkursordnung geltenden Konkursverfahren in vielen Teilen neu geregelt und ergänzt. Auch die Vorschriften über das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz, also auch die Inhalte der §§ 126, 127 InsO, sind erst seit diesem Zeitpunkt überhaupt gesetzlich geregelt.399 Die höchstrichterliche Rechtsprechung und ihr folgend der größte Teil des Schrifttums vertreten aber seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1955 die Auffassung, für eine Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist die Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position erforderlich.400 Bei dieser Ausgangslage ist nur verständlich, dass der Gesetzgeber die Beteiligung des Arbeitnehmers ausdrücklich anordnet, um sie sicherzustellen, und nicht auf einen Wandel der Rechtsprechung wartet. § 126 Abs. 2 InsO hat sich somit der „Rechtsprechung angepasst“. Für eine Auslegung des § 83 Abs. 3 ArbGG folgt daraus nichts. Die Anordnung der Beteiligung des Arbeitnehmers bei Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position in § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG und § 47 Abs. 1 S. 3 BPersVG sowie § 126 Abs. 2 Hs. 2 InsO spricht nicht gegen eine Auslegung des § 83 Abs. 3 ArbGG dergestalt, dass die Beteiligung bei unmittelbarer Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position möglich ist. (c) Zwischenergebnis Weder Wortlaut noch Systematik stehen der Auslegung des § 83 Abs. 3 ArbGG entgegen, dass für die Beteiligtenbefugnis eine unmittelbare Betroffenheit in einer individualrechtlichen Position ausreichend ist. 398 399

BGBl. I 1994, S. 2866 ff. Vgl. Braun-InsO-Kießner, Einf Rn 1 i.V. m. Braun-InsO-Wolf, § 126 Rn 1, § 127

Rn 1. 400

s. o. S. 254.

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(d) Verfassungskonforme Auslegung Existieren für eine Norm verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, von denen eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, ist stets diese Auslegungsvariante vorzuziehen (verfassungskonforme Auslegung).401 Damit überhaupt von „Auslegung“ gesprochen werden kann, muss diese Interpretation der Norm auch den übrigen Auslegungskriterien entsprechen.402 Im Hinblick auf die Frage wer „zu hören“ ist, weil er im „einzelnen Fall beteiligt“ ist, gibt es zwei Auslegungsmöglichkeiten des § 83 Abs. 3 ArbGG. Es kann eine unmittelbare Betroffenheit gefordert werden oder sogar die Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position. Schränkt man die Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG ein und fordert die Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position, ist der Arbeitnehmer am Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht zu beteiligen.403 Da er aber von dem Beschlussverfahren unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist, fordert Art. 103 Abs. 1 GG seine Beteiligung.404 Damit entspricht die Auslegung, eine Beteiligung nur bei Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position anzunehmen, nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Lässt man hingegen eine unmittelbare Betroffenheit ohne Beschränkung auf die betriebsverfassungsrechtliche Position genügen, ist der Arbeitnehmer gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu beteiligen.405 Diese Auslegung wahrt den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Damit ist sie vorzuziehen. Erforderlich für eine Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist daher die unmittelbare Betroffenheit in einer eigenen Rechtsposition. Eine Einschränkung auf eine betriebsverfassungsrechtliche Position ist mit Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar. dd) Zwischenergebnis Da der Arbeitnehmer von der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG unmittelbar betroffen ist, ist er am Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen.406

401 Canaris, FS Kramer, S. 141, 143, 154; Höpfner, Auslegung, S. 171 f; Larenz, Methodenlehre, S. 339. 402 Larenz, Methodenlehre, S. 339 f; vgl. auch Canaris, FS Kramer, S. 141, 144, 154; Höpfner, Auslegung, S. 183 f. 403 s. o. S. 255. 404 s. o. S. 249 ff. 405 s. o. S. 254. 406 Zu diesem Ergebnis kommt auch Otto, ZfA 2011, 673, 695; vgl. auch Grunsky, ArbGG, § 83 Rn 14.

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5. Ergebnis Sieht sich der Arbeitgeber veranlasst, im Falle der mitbestimmungswidrigen Versetzung durch Änderungsvertrag gegenüber dem Arbeitnehmer eine (Änderungs-)Kündigung auszusprechen, kann er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG als Tatsache berufen. Die rechtskräftige Entscheidung führt im Falle einer Antragsabweisung zur rechtlichen Unmöglichkeit der Beschäftigung und damit zu einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit, die ein Kündigungsgrund ist. Das ist aber keine Wirkung der Rechtskraft im engeren Sinn, sondern eher mit einer „Tatbestandswirkung“ zu vergleichen. Der Arbeitnehmer ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG an dem Beschlussverfahren zu beteiligen, weil sich die Entscheidung unmittelbar auf ihn auswirkt. II. Änderungskündigung Ist eine für den Arbeitnehmer nachteilige Versetzung nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, muss er eine Änderungskündigung aussprechen. Stimmt der Betriebsrat der Versetzung nicht zu, muss der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Geht der Arbeitnehmer gegen die Änderungskündigung vor, muss er sich außerdem im Individualprozess verteidigen. 1. Relevanz von Bindungswirkungen Unterliegt der Arbeitgeber im Beschlussverfahren, steht fest, er kann den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen. Obsiegt er dagegen, kann die Änderungskündigung aus anderen Gründen unwirksam sein. a) Änderungskündigung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor aa) Auswirkung auf die Änderungskündigung Auch ein rechtskräftig zurückgewiesener Zustimmungsersetzungsantrag führt nicht zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung, wenn diese vor der rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren ausgesprochen wurde.407 Im Individualprozess wird daher im Grundsatz unabhängig von der Entscheidung im Beschlussverfahren die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen geprüft. Der Arbeitnehmer wird jedoch gerne auf die Feststellungen aus dem Beschlussverfahren verweisen, wenn sie auch die Änderungskündigung betreffen können.

407

s. o. S. 54.

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Teil 3: Bindungswirkungen

bb) Auswirkung auf die erneute (Änderungs-)Kündigung Ist aufgrund der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtliche Unmöglichkeit eingetreten und kann der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz nicht beschäftigt werden, muss der Arbeitgeber die alten Vertragsbedingungen wiederherstellen. Sollte das nicht möglich sein oder sich der Arbeitnehmer unkooperativ zeigen, muss der Arbeitgeber eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen, da er ihn dauerhaft nicht beschäftigen kann. Auch hier stellt sich die Frage, ob er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen kann. b) Änderungskündigung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren Folgt die Änderungskündigung dem rechtskräftig zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrag zeitlich nach, stellt sich die Frage, ob sich die Entscheidung als solche auf den Prozess auswirkt. 2. Präjudizielle Wirkung a) Änderungskündigung Im Rahmen der präjudiziellen Wirkung gilt zunächst das oben Gesagte. Streitgegenstand im Beschlussverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung – oder anders ausgedrückt – das Recht des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung. Das ist keine Vorfrage für die Wirksamkeit der Kündigung.408 Selbst wenn man der Gestaltungsentscheidung Rechtskraft auch in dem Sinne zukommen lassen wollte, dass die Versetzung betriebsverfassungsgemäß oder betriebsverfassungswidrig ist,409 würde das nicht helfen. Da sich der Arbeitnehmer auf die Betriebsverfassungswidrigkeit gerade nicht berufen kann, liegt darin keine Vorfrage für den Individualprozess. Das gilt unabhängig davon, ob die Änderungskündigung dem Beschlussverfahren vorausgeht oder nachfolgt. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Aussagen zu einzelnen Zustimmungsverweigerungsgründen ebenfalls in Rechtskraft erwachsen würden. Etwa könnte feststehen, dass die Zustimmungsverweigerung berechtigt war, weil der Arbeitnehmer benachteiligt wird oder gegen eine Auswahlrichtlinie verstoßen wurde. Unabhängig davon, ob darin tatsächlich eine Vorfrage für den Individualprozess zu sehen ist, würde man Vorfragen oder Gestaltungsgründen Rechtskraftwirkung zubilligen. Das ist abzulehnen.410 Dafür spricht auch die Möglichkeit, dass mehrere Zustimmungsersetzungsgründe im Raum stehen können. Entscheidet das Gericht beispielsweise zu Lasten des Arbeitgebers, weil eine nach § 93 408

Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, § 2 Rn 200. Zum Grundsatz s. o. S. 214 ff; zum Änderungsvertrag s. o. S. 244 ff. 410 Vgl. Dütz, FS Gnade, S. 487, 499 (Hinweis auf ein Problem bei den objektiven Grenzen der Rechtskraft); s. o. S. 210 ff. 409

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BetrVG erforderliche Ausschreibung unterblieben ist (Nr. 5) und befasst sich zusätzlich mit der ungerechtfertigten Benachteiligung des Arbeitnehmers (Nr. 4), ist nicht klar, ob diese Feststellungen und Aussagen umfassend und abschließend sind. Solche weitreichenden Wirkungen der Rechtskraft will der enge Ausgangspunkt des § 322 ZPO aber gerade verhindern. Über eine präjudizielle Wirkung lassen sich die im Beschlussverfahren festgestellten Tatsachen und gefundenen Ergebnisse nicht im Individualprozess fruchtbar machen. b) Erneute (Änderungs-)Kündigung Ist die Beschäftigung auf dem neuen Arbeitsplatz rechtlich unmöglich geworden und muss der Arbeitgeber erneut eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen, will er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen. Eine präjudizielle Wirkung hilft jedoch nicht weiter. Weder die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung noch das Recht des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung oder die betriebsverfassungsrechtliche Unzulässigkeit sind Vorfragen im Kündigungsschutzprozess. 3. Andere Bindungswirkung a) Änderungskündigung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor aa) Änderungskündigung Für den Fall, dass die Änderungskündigung ausgesprochen wurde, bevor ein rechtskräftig abgelehnter Zustimmungsersetzungsantrag vorlag, ist kein anderer Ansatz erkennbar, die Feststellungen des Beschlussverfahrens im Individualverfahren zu verwerten. Da im Grundsatz von einer Trennung der kollektiv- und individualrechtlichen Ebene auszugehen ist, kann insbesondere auch keine Bindung im materiellen Recht gesucht werden. Es ist auch nicht denkbar, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt sind, weil die Beschäftigung auf dem neuen Arbeitsplatz rechtlich unmöglich ist. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung, welcher für die Prüfung der Wirksamkeit der einzig relevante ist, lag eine rechtliche Unmöglichkeit noch nicht vor.411 bb) Erneute (Änderungs-)Kündigung Der Arbeitgeber kann sich aber auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen, wenn er dem Arbeitnehmer aufgrund der weggefallenen Beschäftigungsmöglichkeit erneut kündigt.412 411 412

s. o. S. 54. s. o. zum Änderungsvertrag S. 246 f.

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b) Änderungskündigung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren Wurde die Zustimmungsersetzung dagegen bereits rechtskräftig abgelehnt, bevor überhaupt die Änderungskündigung ausgesprochen wurde, stand bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht entsprechend den neuen Arbeitsbedingungen beschäftigen kann. Dass die Entscheidung im Beschlussverfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ergangen ist, ändert daran nichts. Zwar wirkt die Rechtskraft einer Entscheidung grundsätzlich nur zwischen den Parteien oder Beteiligten des Prozesses. Allerdings beruft sich der Arbeitnehmer hier nicht auf die rechtskräftige Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags im Sinne einer Wirkung der Rechtskraft. Er trägt vielmehr die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Tatsache vor, die mit der rechtskräftigen Entscheidung bewiesen werden soll.413 Dass die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf der rechtlichen Wertung der rechtlichen Unmöglichkeit beruht, ändert daran nichts. Hat die Änderungskündigung das Ziel, den Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz zu versetzen, auf dem er nicht beschäftigt werden kann, ist die Änderungskündigung keinesfalls verhältnismäßig, da sie ihr Ziel nicht erreichen kann.414 Zwar würde der Arbeitnehmer zunächst seinen Lohnanspruch behalten.415 Allerdings könnte der Arbeitgeber schließlich erneut eine Kündigung aussprechen, weil er den Arbeitnehmer dauerhaft nicht einsetzen kann. Ist der ursprüngliche Arbeitsplatz weggefallen, kommt auch eine Beendigungskündigung in Betracht. Besteht für den Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit auf dem anvisierten Arbeitsplatz, ist die Änderungskündigung unwirksam. Darin liegt auch kein Widerspruch dazu, dass die Unmöglichkeit die vertragliche Grundlage im Ausgangspunkt nicht berührt. Die Änderungskündigung ist nicht wegen der Unmöglichkeit unwirksam. Sie ist unwirksam, weil es auf dem anvisierten Arbeitsplatz keine Beschäftigungsmöglichkeit gibt. Auch wenn die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit letztlich auf der Unmöglichkeit beruht, kann bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Änderungskündigung nicht außer Betracht bleiben, ob der Arbeitnehmer so beschäftigt werden kann, wie es das Änderungsangebot vorsieht. Außerdem wird dabei nicht verkannt, dass die Rechtswirksamkeit der Änderungskündigung nicht davon abhängt, ob die Versetzung wirksam ist oder nicht.416 Entscheidend ist, ob die geänderten Vertragsbedingungen sozial gerecht413

s. o. zum Änderungsvertrag S. 246 f. So ohne Differenzierung hinsichtlich der Reihenfolge Änderungskündigung – Zustimmungsersetzungsentscheidung v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150; vgl. zum Erfordernis der Verhältnismäßigkeit Ascheid/Preis/Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 115, 235; a. A. BAG NZA 2010, 1235, 1237; Henssler/Willemsen/Kalb-Ricken, § 99 BetrVG Rn 96; KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141a. 415 s. o. S. 69 ff und S. 88. 416 So KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141a. 414

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fertigt sind.417 Gibt es aber den anvisierten Arbeitsplatz nicht oder kann der Arbeitnehmer dort nicht beschäftigt werden, kann davon gerade nicht gesprochen werden. Die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG kann als Tatsache zur Beurteilung der rechtlichen Unmöglichkeit herangezogen werden.418 Der Arbeitgeber, dem die Beweislast hinsichtlich der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen obliegt,419 wird daher nicht beweisen können, dass die Kündigung gerechtfertigt ist. Vielmehr kann sich der Arbeitnehmer auf den rechtskräftigen Beschluss berufen, der letztlich zu der rechtlichen Unmöglichkeit und damit zur fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit geführt hat. Der rechtskräftig abgelehnte Zustimmungsersetzungsantrag führt daher zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung, wenn er ihr zeitlich vorausging. 4. Beteiligung des Arbeitnehmers Hinsichtlich der Beteiligung des Arbeitnehmers gilt das oben Ausgeführte.420 Mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG steht fest, dass der Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden kann und der Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt ist. Ist die Kündigung erst im Anschluss an das Zustimmungsersetzungsverfahren erfolgt, ist sie sogar unwirksam. Damit wirkt sich die Entscheidung unmittelbar auf Rechte des Arbeitnehmers aus und er ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Beschlussverfahren zu beteiligen. 5. Ergebnis Die Entscheidung aus dem Beschlussverfahren hat auf die Änderungsschutzklage nur dann Einfluss, wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren schon vor Ausspruch der Kündigung rechtskräftig zum Nachteil des Arbeitgebers abgeschlossen wurde. Dann steht schon im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, welcher der Beurteilungszeitpunkt für die Prüfung der Wirksamkeit ist, fest, der Arbeitnehmer kann nicht beschäftigt werden. Damit ist die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht gerechtfertigt. Tritt die rechtliche Unmöglichkeit dagegen erst ein, nachdem die Änderungskündigung erfolgt ist, beeinflusst das den Änderungsschutzprozess nicht. Sieht sich der Arbeitgeber in diesem Fall gezwungen, eine erneute (Änderungs-)Kündigung auszusprechen, ist die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund 417 So KR-Rost/Kreft, § 2 KSchG Rn 141a, der deswegen aber annimmt, auf die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren komme es nicht an. 418 Vgl. Ausführungen zum Änderungsvertrag S. 246 f. 419 Ascheid/Preis/Schmidt-Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rn 57. 420 s. o. S. 249 ff.

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rechtlicher Unmöglichkeit der Kündigungsgrund. Diesen kann er beweisen, indem er sich auf die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG beruft. III. Direktionsrecht Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kraft Direktionsrecht auf einen neuen Arbeitsplatz, kann die Versetzung dem Arbeitnehmer nachteilig oder vorteilhaft sein. 1. Direktionsrecht bei der Versetzung zu Lasten des Arbeitnehmers Ersetzt das Gericht die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung, kann der Arbeitnehmer dennoch nach §§ 315 BGB, 106 GewO gegen die Versetzung vorgehen. Allerdings kann es im Individualverfahren auch auf Tatsachen ankommen, die im Beschlussverfahren schon geprüft und zum Nachteil des Arbeitnehmers und zum Vorteil des Arbeitgebers entschieden wurden. Dann liegt es im Interesse des Arbeitgebers sich auf diese Feststellungen berufen zu können. Relevant ist v. a. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG: Der Betriebsrat hatte Bedenken wegen einer ungerechtfertigten Benachteiligung, welche das Gericht nicht geteilt hat. Hat umgekehrt das Gericht die Zustimmung nicht ersetzt, ist die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem zugewiesenen Arbeitsplatz rechtlich unmöglich.421 Wendet sich der Arbeitnehmer auf individualrechtlicher Ebene gegen die Versetzung, ist zu fragen, wie sich die Entscheidung im Beschlussverfahren auswirkt. Ist die Versetzung erst erfolgt, nachdem der Zustimmungsersetzungsantrag schon rechtskräftig abgelehnt wurde, war die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem zugewiesenen Arbeitsplatz bereits unmöglich. Fraglich ist, welchen Einfluss die Entscheidung auf den Individualprozess hat. a) Präjudizielle Wirkung Streitgegenstand im Beschlussverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung – oder anders ausgedrückt – das Recht des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung. Das ist im Individualverfahren keine Vorfrage. Eine präjudizielle Wirkung scheidet daher aus. Darüber hilft auch ein Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsentscheidung nicht weiter. Die betriebsverfassungsrechtliche (Un-)Zulässigkeit ist keine Vorfrage für den Individualprozess. Feststellungen zu den einzelnen Zustimmungsverweigerungsgründen erwachsen nicht in Rechtskraft.422 421 422

s. o. S. 64 ff, S. 96. s. o. S. 262 f.

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b) Andere Bindungswirkung Wie aber in den Fällen von Änderungskündigung und Änderungsvertrag auch hat die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG Auswirkung auf das Individualrechtsverhältnis, wenn das Gericht die Zustimmung nicht ersetzt. Dann steht fest, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz rechtlich unmöglich ist und er nicht mehr beschäftigt werden kann. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer zurückversetzen.423 Der Betriebsrat kann nach § 101 BetrVG vorgehen. aa) Versetzungsweisung geht dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor Auf die ursprüngliche Versetzungsweisung und damit auf den Individualprozess kann sich das aber nicht auswirken, da es für die Beurteilung der Versetzungsweisung auf den Zeitpunkt ihres Ausspruchs ankommt. Nur so kann beispielsweise beurteilt werden, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu Recht verweigert hat. Zu dieser Zeit bestand noch keine rechtliche Unmöglichkeit. bb) Versetzungsweisung folgt dem Zustimmungsersetzungsverfahren nach Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn schon im Zeitpunkt der Versetzung rechtskräftig feststand, dass die Zustimmung nicht ersetzt ist. Dann war die Beschäftigung auch schon zu diesem Zeitpunkt rechtlich unmöglich. Eine Versetzung kann aber nicht billigem Ermessen entsprechen, wenn eine Beschäftigung auf dem gewünschten Arbeitsplatz von vornherein nicht möglich ist. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit und damit die rechtliche Unmöglichkeit können im Individualprozess mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG, die Voraussetzung der Unmöglichkeit ist, als Tatsache bewiesen werden.424 Die Versetzungsweisung war damit unwirksam. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, die Leistung zu verweigern und kann Beschäftigung auf seinem alten Arbeitsplatz verlangen. c) Beteiligung des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Beschlussverfahren zu beteiligen.425

423 424 425

s. o. S. 96. s. o. zum Änderungsvertrag S. 246 f. s. o. S. 249 ff.

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Teil 3: Bindungswirkungen

2. Direktionsrecht bei der Versetzung zu Gunsten des Arbeitnehmers Stimmt der Betriebsrat einer für den Arbeitnehmer vorteilhaften Versetzung nicht zu und wird die Zustimmung auch nicht ersetzt, kann der Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht mehr beschäftigt werden. Der Arbeitgeber wird ihn, spätestens wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vorgeht, zurückversetzen. Gegen die Rückversetzung kann der Arbeitnehmer nach §§ 315 BGB, 106 GewO vorgehen. Bei der Frage, ob die Rückversetzung unbillig ist, möchte sich der Arbeitgeber aber auf die Entscheidung aus dem Beschlussverfahren berufen: Auf dem zunächst zugewiesenen Arbeitsplatz kann der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden. Dann kann es nicht unbillig sein, ihn wieder zurückzuversetzen. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit kann der Arbeitgeber mit der rechtskräftigen Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren beweisen. Dabei handelt es sich nicht um eine präjudizielle Wirkung, sondern der Arbeitgeber beruft sich auf Tatsachen.426 Daher kann der Arbeitnehmer auch nicht einwenden, die Zustimmung sei nicht erforderlich gewesen.427 Da sich die Entscheidung unmittelbar auf den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers (ggf. auch auf dessen Lohn) auswirkt, ist dieser nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen.428 3. Ergebnis Im Falle des Direktionsrechts wirkt sich die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG als Auslöser der rechtlichen Unmöglichkeit auf das Individualrechtsverhältnis aus, wenn die Zustimmung nicht ersetzt wird. Dann kann der Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht beschäftigt werden. Feststellungen aus dem Beschlussverfahren hinsichtlich der Zustimmungsverweigerungsgründe sind für den Individualprozess nicht verbindlich. Greift der Arbeitnehmer eine ihm nachteilige Versetzung an, kann er sich jedoch nicht auf die rechtliche Unmöglichkeit stützen, wenn die Versetzung vor dem rechtskräftig abgelehnten Zustimmungsersetzungsantrag vorgenommen wurde. Bei der Billigkeitsprüfung kommt es nur auf die Umstände an, die zum Zeitpunkt der Weisung schon vorlagen. In diesem Zeitpunkt war das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG aber noch nicht abgeschlossen, so dass auch noch keine rechtliche Unmöglichkeit eingetreten war. Der Arbeitgeber kann und muss den Arbeitnehmer zurückversetzen. Erfolgte die Versetzung jedoch nach dem zurückgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrag, war die Beschäftigung schon im Zeitpunkt der Weisung rechtlich

426 427 428

s. o. zum Änderungsvertrag S. 246 f. s. o. zum Änderungsvertrag S. 247. s. o. zum Änderungsvertrag S. 249 ff.

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unmöglich und damit unbillig. Das kann der Arbeitnehmer beweisen, indem er den rechtskräftig abgewiesenen Zustimmungsersetzungsantrag heranzieht. Will der Arbeitgeber eine zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgte Versetzung rückgängig machen, weil wegen der rechtskräftigen Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags rechtliche Unmöglichkeit eingetreten ist, kann er die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf dem neuen Arbeitsplatz mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG beweisen und sich insofern auf das Beschlussverfahren berufen. Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren zu beteiligen, § 83 Abs. 3 ArbGG. IV. Sonderfall: Anspruch des Arbeitnehmers nach § 81 Abs. 4 SGB IX Auch der Konflikt des Arbeitgebers im Rahmen des § 81 Abs. 4 SGB IX lässt sich mit der dargestellten Auffassung lösen. Gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Versetzung. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bleiben gleichwohl bestehen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf dem anvisierten Arbeitsplatz beschäftigen. Geht man davon aus, dass die rechtskräftige Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich macht,429 muss der Arbeitgeber die Versetzung nicht vornehmen. Es kann von ihm nicht verlangt werden, gegenüber dem Arbeitnehmer dessen Arbeitspflichten in einer Weise zu konkretisieren und sich zu einer Beschäftigung zu verpflichten, die von vornherein nicht zu erfüllen sind. Die rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung steht damit dem Anspruch des Arbeitnehmers entgegen. Auf diese Tatsache kann sich der Arbeitgeber wiederum berufen und sie mit dem Beschluss nach § 99 Abs. 4 BetrVG beweisen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts überein, der Arbeitnehmer müsse sich „auf die bestandskräftige Entscheidung eines Beschlussverfahrens verweisen lassen“.430

E. § 99 BetrVG – Ein- und Umgruppierung Die Mitbestimmung des Betriebsrats hinsichtlich Ein- und Umgruppierung hat keinerlei Auswirkungen auf den Individualprozess. Bindungswirkungen kommen daher allein in Bezug auf rechtliche und tatsächliche Feststellungen in Betracht, die im Beschlussverfahren getätigt wurden.

429 430

s. o. S. 64 ff. s. o. S. 170.

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I. „Verbindlichkeit“ aus Gründen des materiellen Rechts Eine „Verbindlichkeit“ der Entscheidung des Beschlussverfahrens für den Individualrechtsstreit könnte sich aus materiellrechtlichen Erwägungen ergeben. 1. Vergleich mit der Versetzung Das Bundesarbeitsgericht hat für eine „Verbindlichkeit“ zu Gunsten des Arbeitnehmers damit argumentiert, dass §§ 99–101 BetrVG auch Wirkungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien begründen können und auf die Unwirksamkeit der Versetzung kraft Direktionsrechts verwiesen, sofern die Zustimmung des Betriebsrats fehlt.431 Dass der Vergleich nicht trägt, folgt schon daraus, dass nach der hier dargelegten Auffassung die mitbestimmungswidrige Versetzung nicht unwirksam ist.432 Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die mitbestimmungswidrige Versetzung unwirksam ist, können Ein- und Umgruppierung nicht ohne Weiteres mit der Versetzung verglichen werden. Im Gegensatz zur Mitbestimmung bei der Versetzung handelt es sich bei Ein- und Umgruppierung lediglich um Normvollzug. Der Arbeitnehmer hat in jedem Fall einen Anspruch auf „richtige“ Eingruppierung, ganz unabhängig von der Beteiligung des Betriebsrats.433 Das Bundesarbeitsgericht vermengt in ungerechtfertigter Weise die kollektiv- und individualrechtliche Ebene.434 Dafür, dass das auch in Fragen konkreter Vergütungsgruppen einzelner Arbeitnehmer zu unterbleiben hat, spricht auch, dass der Betriebsrat auch sonst kein Recht hat, feststellen zu lassen, in welche Vergütungsgruppe ein Arbeitnehmer einzugruppieren ist.435 Aus einem Vergleich mit der Versetzung kann eine Verbindlichkeit der Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren nicht hergeleitet werden. 2. Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass eine Änderungskündigung schon dann sozialwidrig ist, wenn im Beschlussverfahren die Zustimmung zu der Ein- oder Umgruppierung, die der Arbeitgeber mit der Änderungskündigung erreichen wollte, nicht ersetzt wurde.436 Allerdings geht das Gericht selbst davon aus, dass nicht die fehlende Zustimmung des Betriebsrats als solche die soziale Rechtfertigung entfallen lässt, sondern die vom Arbeitgeber falsch ermittelte Ver431

BAG NZA 1995, 484, 486. s. o. S. 84 ff. 433 Vgl. Konzen, FS Zeuner, S. 401, 429 (Beteiligung des Betriebsrats hat „keine individualrechtliche Relevanz“); s. o. S. 55. 434 So auch Pallasch, SAE 95, 37 ff. 435 BAG NZA 1987, 28, 29; AP § 63 BetrVG 1952 Nr. 4 Bl. 377 (3.); BVerwGE 50, 176, 186; Busemann, NZA 1996, 681, 682; vgl. auch Fitting, § 99 Rn 97. 436 BAG NZA 2009, 505, 508. 432

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gütungsgruppe. Da diese Feststellung im Rahmen des Beschlussverfahrens schon einmal getätigt wurde, müsse sie nicht erneut vorgenommen werden. Das ist auf den ersten Blick aber keine materiellrechtliche, sondern eher eine prozessrechtlich getragene Erwägung: Etwas wurde schon rechtskräftig entschieden, dann soll es nicht noch einmal geprüft werden. Ob diese Auffassung zutrifft, wird sogleich untersucht.437 Allein die fehlende Zustimmung kann sich nach dem oben Dargelegten auch nicht auf die Änderungskündigung auswirken, da bei Ein- oder Umgruppierung die Zustimmung nur Ausdruck einer Mitbeurteilung ist. Der Arbeitnehmer hat stets einen Anspruch auf richtige Vergütung unabhängig vom Verhalten des Betriebsrats. Auf materieller Ebene kann die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht mit dem Ergebnis aus dem Beschlussverfahren begründet werden. 3. Sonstige Gründe Auch darüber hinaus sind keine materiellen Gründe ersichtlich, die eine solche „Verbindlichkeit“ tragen. Vielmehr spricht der Zweck des Zustimmungserfordernisses gegen eine Bindungswirkung. Das Zustimmungserfordernis bei Ein- und Umgruppeirung soll dem Betriebsrat lediglich eine präventive Mitbeurteilung ermöglichen.438 Es dient nicht dazu, dem Arbeitnehmer seinen Individualanspruch zu sichern.439 Der Arbeitnehmer ist auch nicht auf die Feststellungen im Beschlussverfahren angewiesen. Vielmehr hat er einen Anspruch auf richtige Eingruppierung ganz unabhängig von der „Auffassung“ des Betriebsrats. Davon abgesehen, ob allein Schutzaspekte eine den prozessrechtlichen Grundsätzen widersprechende Beurteilung rechtfertigen können, ist der Arbeitnehmer daher nicht schutzbedürftig. Er kann daher seine Rechte selbst durchsetzen. Gleiches gilt für den Betriebsrat. Wurde er fehlerhaft nicht beteiligt, kann er nach § 101 S. 1 BetrVG die Nachholung des Zustimmungsverfahrens verlangen.440 4. Zwischenergebnis Aus materiellrechtlichen Gründen lässt sich eine „Verbindlichkeit“ der Entscheidung im Beschlussverfahren nicht herleiten. II. Präjudizielle Wirkung Die vom Bundesarbeitsgericht angenommene „Verbindlichkeit“ der Entscheidung im Beschlussverfahren zu Gunsten des Arbeitnehmers könnte sich aus einer präjudiziellen Wirkung ergeben. 437

s. u. S. 271 ff. Pallasch, SAE 1995, 37, 41 f, s. o. S. 40. 439 So aber Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 (= NZA 1994, 315) S. 17 ff (II.4.). 440 s. o. S. 45 f. 438

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1. Objektive Wirkung der Rechtskraft a) Grundsatz Dann muss der Streitgegenstand des Beschlussverfahrens eine Vorfrage im Individualprozess sein. Im Zustimmungsersetzungsverfahren ist Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsverweigerung – oder anders ausgedrückt – das Recht des Arbeitgebers auf die Ersetzung. Darin liegt keine Vorfrage für den Individualrechtsstreit. Das gilt unabhängig davon, ob der Streit im Urteilsverfahren in Form einer Feststellung der Vergütungsgruppe oder als Änderungsschutzklage geführt wird.441 Vorfragen sind dort nur, ob die Ein- oder Umgruppierungsentscheidung des Arbeitgebers zutreffend war. Diese Frage wird zwar auch im Beschlussverfahren thematisiert, ist aber auch dort nur eine Vorfrage. Aufgrund der engen Grenzen der Rechtskraft scheidet eine präjudizielle Wirkung daher grundsätzlich aus. b) Besonderheit der Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung Im Rahmen des § 103 BetrVG wurde herausgearbeitet, dass sich die Rechtskraft einer Gestaltungsentscheidung in objektiver Hinsicht auch auf den zugrundeliegenden „Akt“ bezieht.442 Auch die Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG stellt eine Gestaltungsentscheidung dar. aa) Rechtskraft hinsichtlich der konkreten Einund Umgruppierung Ein- und Umgruppierung unterscheiden sich vom „Akt“ der Kündigung dadurch, dass es sich letztlich nur um „Normvollzug“ handelt, da der Arbeitnehmer ohnehin Anspruch auf die richtige Ein- oder Umgruppierung hat. Allerdings steht die konkret vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe genauso im Mittelpunkt der Prüfung des Beschlussverfahrens wie die vom Arbeitgeber gewünschte Kündigung bei § 103 Abs. 1 BetrVG.443 Anders als die Mitbestimmung bei Versetzung und Einstellung ist sie bei Ein- und Umgruppierung aber nur eine Mitbeurteilung bei der Gesetzesanwendung. Das wird auch bei den einzelnen Zustimmungsverweigerungsgründen deutlich. § 99 Abs. 2 Nr. 3, 5 und 6 BetrVG sind bei Ein- und Umgruppierung nicht einschlägig. Weder kann durch die Maßnahme ein anderer Arbeitnehmer benachteiligt werden (Nr. 3), noch spielt eine unterbliebene Ausschreibung (Nr. 5) eine Rolle, noch können Ein- und Umgruppierung als Normvollzug Ursache für ein störendes Verhalten des Arbeitnehmers 441

Vgl. BAG AP § 59 HGB Nr. 24 Bl. 918R (Feststellungsklage). s. o. S. 214 ff. 443 Vgl. Dütz, ArbuR 1993, 33, 38 f; Löwisch, Anm. zu BAG AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 6 Bl. 993R (III., IV.); s. o. S. 214 ff. 442

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sein (Nr. 6).444 Denkbar ist jedoch, dass die Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 BetrVG verstößt (Nr. 2) oder der betroffene Arbeitnehmer benachteiligt wird (Nr. 4). Allerdings werden diese Gründe nur einschlägig sein, wenn gleichzeitig gegen die bestehende Vergütungsordnung verstoßen wird.445 Dann liegt aber stets auch ein Verstoß gegen eine Vorschrift i. S. d. Nr. 1 vor. Daraus folgt, dass letztlich eine Prüfung stattfindet, ob die Ein- oder Umgruppierung gegen ein Entgeltschema verstößt. Damit wird im Zustimmungsersetzungsverfahren geprüft, ob die konkrete, vom Arbeitgeber gewünschte Vergütungsgruppe zutreffend ist. Steht mit rechtskräftiger Entscheidung fest, der Arbeitgeber hat einen Anspruch auf die Zustimmungsersetzung, ist die anvisierte Vergütungsgruppe zutreffend. Eine rechtskräftige Entscheidung hinsichtlich der Vergütungsgruppe könnte im Falle einer erfolgreichen Gestaltungsentscheidung ein Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsklage wie im Fall des § 103 BetrVG liefern. Würde § 99 Abs. 4 BetrVG keine Gestaltungs-, sondern eine Feststellungsklage vorsehen, könnte der Arbeitgeber auf Feststellung klagen, dass die von ihm favorisierte Vergütungsgruppe zutreffend ist. Anschließend hätte der Betriebsrat die Zustimmung zu erteilen. Um die Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung nicht hinter der einer Feststellungsklage zurückbleiben zu lassen, muss auch hier der „Akt“, der der Entscheidung eigentlich zugrunde liegt und Kern der Prüfung war, an der Rechtskraftwirkung teilnehmen. Die rechtskräftige Zustimmungsersetzungsentscheidung trifft somit eine rechtskräftige Entscheidung hinsichtlich der vom Arbeitgeber anvisierten, konkret geprüften Vergütungsgruppe.446 bb) Rechtskraft hinsichtlich getroffener Feststellungen Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine „Verbindlichkeit“ der Entscheidung im Beschlussverfahren schon dann an, wenn „die zutreffende Eingruppierung im Verfahren nach § 99 IV Gegenstand einer sachlichen Prüfung war und zu tatsächlichen Feststellungen des Gerichts im Hinblick auf das Eingreifen einer anderen als der vom Arbeitgeber als maßgeblich erachteten Vergütungsgruppe geführt hat“.447 Eine so weitreichende Wirkung der Rechtskraft lässt sich mit der Präjudizialität der Gestaltungsentscheidung nicht begründen, da sie nur den konkreten „Akt“ erfasst, also nur das Ergebnis hinsichtlich der vom Arbeitgeber anvisierten Vergütungsgruppe. Es ist auch kein Grund ersichtlich, dieses Ergebnis anzuzweifeln: Wird nämlich die vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe vom Ge444

Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 146; Richardi-Thüsing, § 99 Rn 209, 234, 240. Vgl. GK-BetrVG-Raab, § 99 Rn 164; Matthes, DB 1975, 1651, 1653; RichardiThüsing, § 99 Rn 186. 446 So im Ergebnis Berkowsky, NZA 2010, 250, 252; ähnlich auch Veit, RdA 1990, 325, 329 (präjudizielle Wirkung durch analoge Anwendung des § 103 Abs. 2 BetrVG). 447 BAG NZA 2009, 505, 508; krit. Berkowsky, NZA 2010, 250, 252. 445

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richt als unzutreffend beurteilt und äußert es sich im Rahmen der Begründung zu anderen Vergütungsgruppen, kann eine solche Aussage natürlich nur verbindlich sein, wenn sich das Gericht abschließend damit auseinandergesetzt hat. Das ist aber im Nachhinein schwer zu beurteilen, da im Beschlussverfahren primär über die Vergütungsgruppe gestritten wird, zu der der Betriebsrat die Zustimmung konkret verweigert hat. Die Rechtskraft umfasst somit nicht etwaige Feststellungen zu anderen als der vom Arbeitgeber anvisierten Vergütungsgruppe. cc) Zwischenergebnis Aus der präjudiziellen Wirkung der Gestaltungsentscheidung folgt, dass die Entscheidung hinsichtlich der konkret geprüften Vergütungsgruppe rechtskräftig wird, wenn das Gericht die Zustimmung ersetzt. Aussagen zu anderen möglichen Vergütungsgruppen nehmen an dieser Wirkung nicht teil. Weist es dagegen den Antrag ab, steht rechtskräftig fest, die anvisierte Vergütungsgruppe ist unzutreffend, wenn der Antrag aus diesem Grund zurückgewiesen wurde. 2. Subjektive Grenzen der Rechtskraft Wirkungen der Rechtskraft treten grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten oder den Parteien, zwischen denen die Erstentscheidung ergangen ist, ein (§ 325 Abs. 1 ZPO). Im Gegensatz zu § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG ordnet das Gesetz für das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG die Beteiligung des Arbeitnehmers nicht an. Es ist daher zu untersuchen, ob er gleichwohl am Verfahren zu beteiligen ist. Ist eine Beteiligung abzulehnen, ist zu prüfen, ob die Entscheidung auch ohne seine Beteiligung für und gegen ihn wirkt oder ob zumindest eine Wirkung zu seinen Gunsten anzunehmen ist. a) Beteiligung des Arbeitnehmers aa) Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG In diesem Zusammenhang kann die Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG anders als im Fall der Versetzung nicht damit erklärt werden, dass der Arbeitnehmer beteiligt werden muss, da er von der Entscheidung unmittelbar betroffen ist.448 Das ist gerade nicht der Fall, da der Arbeitnehmer unabhängig von der Entscheidung im Beschlussverfahren stets nach der richtigen Vergütungsgruppe entlohnt werden muss.449 Eine Beteiligung ist hier wie auch im Fall des § 103 BetrVG Voraussetzung für eine Bindungswirkung: Nur wenn der Arbeitnehmer Beteiligter ist, sind die subjektiven Grenzen der Rechtskraft gewahrt und eine 448 449

s. o. S. 249 ff. Vgl. Misera, Anm. zu BAG AP § 118 BetrVG 1972 Nr. 27 Bl. 809 ff (A.II.1.a.).

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Rechtskraftwirkung tritt ein. Eine solche ist aber im Fall der Ein- und Umgruppierung nicht vorgesehen. bb) § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG analog Auch eine analoge Anwendung des § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG scheidet aus. § 103 BetrVG verlangt, dass der Betriebsrat einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zustimmt. Eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG). Damit wirkt sich die Mitbestimmung des Betriebsrats direkt auf das Arbeitsverhältnis aus. Das setzt sich auch auf prozessualer Ebene fort: Der Arbeitnehmer wird am Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG beteiligt, damit die Rechtskraft auch ihm gegenüber wirken kann. Im Falle der Ein- und Umgruppierung ist dem Betriebsrat aber nur ein Mitbeurteilungsrecht eingeräumt. Die Beteiligung des Betriebsrats hat gerade keine Auswirkung auf den Anspruch des Arbeitnehmers. § 103 BetrVG und § 99 BetrVG sind daher völlig anders ausgestaltet und nicht vergleichbar. cc) Zwischenergebnis Der Arbeitnehmer ist am Verfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hinsichtlich Ein- und Umgruppierung nicht Beteiligter. b) Erweiterung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft Es wurde oben dargelegt, dass es Fälle gibt, in denen die Rechtskraft auf Dritte erstreckt wird.450 Abgelehnt wurde aber die Ausdehnung der subjektiven Grenzen über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus.451 Auch im vorliegenden Fall ist kein Grund ersichtlich, eine Ausnahme zu machen. Prozessökonomisch ist es zwar sinnvoll, auf die Feststellungen des Beschlussverfahrens zurückzugreifen. Das allein kann aber kein Grund sein, vom Grundsatz des § 325 Abs. 1 ZPO abzuweichen. Das gilt v. a. auch, weil das enge Rechtskraftverständnis das rechtliche Gehör der Betroffenen sichern soll.452 c) Wirkung nur zu Gunsten des Arbeitnehmers Aufgrund der fehlenden Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren hat sich das Bundesarbeitsgericht darauf beschränkt, die Verbindlichkeit der

450 451 452

s. o. S. 144. s. o. S. 144 ff. Vgl. schon o. S. 144.

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Entscheidung nur zu Gunsten des Arbeitnehmers zuzulassen.453 Das ist zumindest im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör konsequent. Allerdings kennt das Prozessrecht eine grundsätzliche Rechtskraftwirkung nur zu Gunsten einer Partei nicht.454 Das würde gegen die prozessuale Chancengleichheit verstoßen. Bindungswirkungen zu Gunsten des Dritten sind grundsätzlich nur anzuerkennen, wenn sie gesetzlich geregelt sind (z. B. §§ 124 VVG, 407 Abs. 2 BGB) oder wenn sie aus dem materiellen Recht folgen (z. B. §§ 768 Abs. 1 S. 1, 1211 Abs. 1 S. 1, 1137 Abs. 1 S. 1 BGB – Folge der Akzessorietät). Die Fälle der Ein- und Umgruppierung ähneln aber weder den gesetzlich angeordneten Erweiterungen der subjektiven Rechtskraftgrenzen noch sind materielle Gründe erkennbar, die eine Bindung fordern. Insbesondere besteht keinerlei Abhängigkeit des Anspruchs des Arbeitnehmers von der Entscheidung im Beschlussverfahren noch ist der Entgeltanspruch in sonst irgendeiner Weise von dem Rechtsverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abhängig. Eine Bindung der Entscheidung nur zu Gunsten des Arbeitnehmers ist daher abzulehnen. Nicht zu verwechseln ist diese Thematik der subjektiven Grenzen der Rechtskraft mit der objektiven Reichweite der Feststellungswirkung hinsichtlich der Vergütungsgruppe. Wurde entschieden, dass der Arbeitnehmer entsprechend einer bestimmten Vergütungsgruppe zu entlohnen ist, hindert die Rechtskraft der Entscheidung den Arbeitnehmer nicht, eine Höhergruppierung geltend zu machen. In diesem Rahmen kann auch die Argumentation Riebles eingeordnet werden. Er versteht es als Ausprägung des „Günstigkeitsvergleichs“, dass der Arbeitnehmer stets eine höhere Vergütungsgruppe geltend machen kann.455 Dieses Ergebnis folgt aber nicht aus einem Günstigkeitsvergleich, sondern aus der Anwendung allgemeiner prozessualer Grundsätze. Streitgegenstand der ersten Entscheidung ist lediglich die Feststellung der konkret geprüften Vergütungsgruppe. Nur darauf bezog sich der Antrag nach § 308 ZPO.456 Darin liegt keine Rechtskrafterstreckung zu Gunsten des Arbeitnehmers. Vielmehr wird der Streitgegenstand nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen bestimmt. d) Zwischenergebnis Die Rechtskraft der Entscheidung des Zustimmungsersetzungsverfahrens wirkt nicht für und gegen den Arbeitnehmer, da die subjektiven Grenzen der Rechtskraft nicht gewahrt sind. Daher scheidet auch eine präjudizielle Wirkung aus. 453

BAG NZA 1995, 484; vgl. auch BAG NZA 2009, 505, 508. s. o. S. 146 ff. 455 Rieble, Anm. zu EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 122 S. 17 ff (II.4.); s. o. S. 179 f. 456 BAG vom 16.6.1993 – Az. 4 AZR 464/92 (I.2.); BAG AP § 322 ZPO Nr. 13 Bl. 100R ff mit zust. Anm. Schlosser, Bl. 102R ff und Zeuner, MDR 1972, 84 ff; Friedrich/Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 318; MüHB-ArbR-Jacobs, § 343 Rn 66; Pohle, Anm. zu BAG AP § 322 ZPO Nr. 10 Bl. 92 ff; anders noch BAG AP § 322 Nr. 10 Bl. 89 ff. 454

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III. Ergebnis Eine im Zustimmungsersetzungsverfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ergangene Entscheidung hinsichtlich einer konkret anvisierten Eingruppierung entfaltet im Individualprozess zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine präjudizielle Wirkung und ist daher nicht „verbindlich“. Der Arbeitnehmer kann sich auch nicht auf die Entscheidung des Beschlussverfahrens „berufen“.

F. § 99 BetrVG – Einstellung Möchte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einstellen und hat den erforderlichen Arbeitsvertrag schon geschlossen, konnte aber eine Zustimmung des Betriebsrats nicht erreichen, muss er das Arbeitsgericht anrufen. Wird die Zustimmung ersetzt, kommt es zu keinem Konflikt. Anders ist es aber, wenn der Zustimmungsersetzungsantrag rechtskräftig abgelehnt wird. Dann ist dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. Nach § 615 S. 3 BGB schuldet er aber dennoch Lohn,457 so dass er dem Arbeitnehmer kündigen wollen wird. Probleme treten ausnahmsweise auf, wenn der Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb beschäftigt war. Dann ist das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden und es bedarf eines Kündigungsgrunds. Dieser liegt in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit, die aus der rechtlichen Unmöglichkeit aufgrund der rechtskräftig abgelehnten Zustimmungsersetzungsentscheidung folgt.458 Den Kündigungsgrund muss der Arbeitgeber beweisen. Dies wird ihm, wie auch im Fall des Änderungsvertrags,459 gelingen, indem er sich auf die Entscheidung im Beschlussverfahren als Tatsache beruft. Der Arbeitnehmer ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Beschlussverfahren zu beteiligen, da er von der dort ergehenden Entscheidung unmittelbar in einer Rechtsposition betroffen ist.460

G. Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer nach § 104 BetrVG Im Fall des § 104 BetrVG ist zu unterscheiden, ob das Gericht dem Arbeitgeber eine Entlassung oder eine Versetzung aufgegeben hat. I. Entlassung War der Betriebsrat im Beschlussverfahren erfolgreich, steht fest, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entlassen muss. I. d. R. wird er eine Kündigung aus457 458 459 460

s. o. S. 69 ff. s. o. S. 72 ff. s. o. S. 246 ff. s. o. zum Änderungsvertrag S. 249 ff.

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sprechen. Fraglich ist, ob sich der Arbeitgeber auf die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG berufen kann oder ob der Sachverhalt und die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit erneut geprüft werden. 1. Präjudizielle Wirkung a) Sachverhalt als Kündigungsgrund Streitgegenstand des Beschlussverfahrens ist, ob der Arbeitgeber zur Entlassung oder Versetzung gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet ist, mithin ein Anspruch des Betriebsrats. Diese Verpflichtung besteht, wenn die Voraussetzungen des § 104 S. 1 BetrVG vorliegen. Verallgemeinernd lässt sich aber festhalten, dass das Verhalten des Arbeitnehmers oder der Sachverhalt, auf den sich der Betriebsrat beruft, eine Entlassung, d. h. i. d. R. eine Kündigung oder Versetzung rechtfertigen muss.461 Daher wird im Beschlussverfahren auch das Vorliegen eines Kündigungsgrunds geprüft. Dieser ist aber nicht Streitgegenstand, sondern nur Vorfrage für den Anspruch des Betriebsrats. Er nimmt daher nicht an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung teil. Eine präjudizielle Prüfung scheidet aus.462 b) Auf rechtlicher Unmöglichkeit beruhende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit Beruft sich der Arbeitgeber auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Kündigungsgrund, knüpft er damit nicht dergestalt an die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG an, dass das Ergebnis einer dort entschiedenen Rechtsfrage auch im Kündigungsschutzprozess gelten soll. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit ist weder eine Vorfrage noch der Subsumtionsschluss des Verfahrens nach § 104 S. 2 BetrVG. Sie ist vielmehr die Folge der Entscheidung. Damit bringt der Arbeitgeber mit der Entscheidung eine Tatsache ein. Das stellt keinen Fall einer möglichen präjudiziellen Wirkung dar. c) Zwischenergebnis Eine präjudizielle Wirkung scheidet aus. 2. „Tatbestandswirkung“ Allerdings lassen sich die zu § 99 BetrVG dargestellten Erwägungen übertragen.463 Der Arbeitgeber, der sich auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als 461

s. o. S. 113. So auch Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 98 ff mit Verweis auf die Möglichkeit einer Zwischenfeststellungsklage. 463 s. o. S. 246 f. 462

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Kündigungsgrund beruft, muss diese beweisen. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit beruht auf der rechtlichen Unmöglichkeit, die wiederum auf der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Damit kann die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Kündigungsgrund mit der gerichtlichen Entscheidung bewiesen werden. 3. Zwischenergebnis Der Arbeitgeber kann sich im Kündigungsschutzprozess auf die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG berufen. Der Arbeitnehmer ist daran gebunden. 4. Beteiligung des Arbeitnehmers § 104 BetrVG ordnet keine Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren an. Allerdings ist der Arbeitnehmer von der Entscheidung unmittelbar betroffen, da sie zu einem Kündigungsgrund führt. Dann ist der Arbeitnehmer aufgrund seines Anspruchs auf rechtliches Gehör am Verfahren zu beteiligen.464 Fraglich ist, woraus sich eine solche Beteiligung vorliegend ergeben kann. a) Analogie zu § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG In Betracht kommt zunächst eine Analogie zu § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG.465 Vorliegend geht es zwar nicht um eine Zustimmungsersetzung. Allerdings wird in einem Mitbestimmungssicherungsverfahren eine Frage geklärt, die im Kündigungsschutzprozess fortwirkt. Im geregelten Fall des § 103 BetrVG wird die Beteiligung des Arbeitnehmers in Abs. 2 S. 2 angeordnet, da die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren für das Kündigungsschutzverfahren bindend sein soll. Die Beteiligung ist im Fall des § 103 Abs. 2 BetrVG Voraussetzung für die Rechtskraft und daher zwingend notwendig. Vorliegend ist sie aber Folge der Bindung, so dass keine vergleichbaren Konstellationen vorliegen.466 b) Beteiligter i. S. d. § 83 Abs. 3 ArbGG Allerdings ist der Arbeitnehmer nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu beteiligen, da er von der Entscheidung unmittelbar betroffen ist.467 464

s. o. S. 249 ff. So LAG B-W AuR 2002, 116; LAG Hamm vom 23.10.2009 – Az. 10 TaBV 39/ 09; Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 91; im Ergebnis auch Fitting, § 104 Rn 14; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde-Bachner, § 104 Rn 17; Hess/ Schlochauer-Schlochauer, § 104 Rn 20; Richardi-Thüsing, § 104 Rn 21; a. A. Löwisch/ Kaiser, § 104 Rn 15; MüHB-ArbR-Matthes, § 267 Rn 17, 22; GK-BetrVG-Raab, Rn 18, 25. 466 Vgl. zur Analogie im Fall § 99 Abs. 4 BetrVG S. 253. 467 s. o. S. 249 ff. 465

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5. Ergebnis Obsiegt der Betriebsrat im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG, wird die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich. Ist der Arbeitgeber gezwungen, dem Arbeitnehmer zu kündigen, kann er als Kündigungsgrund die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit geltend machen und diese mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG beweisen. Der Arbeitnehmer ist daher von der Entscheidung unmittelbar betroffen und nach § 83 Abs. 3 ArbGG an dem Verfahren zu beteiligen. II. Versetzung Ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu versetzen, und ist die Versetzung nur mit einer Änderungskündigung möglich, gilt das zur Entlassung Ausgeführte.468 Erfolgt die Versetzung dagegen kraft Direktionsrechts, muss sie billigem Ermessen entsprechen, §§ 315 BGB, 106 GewO. Hier ist zu klären, welche Auswirkung die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG hat. Eine präjudizielle Wirkung der Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG scheidet aus, da der Streitgegenstand des Beschlussverfahrens, der Anspruch des Betriebsrats auf Versetzung, keine Vorfrage im Individualprozess ist. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit, auf die sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Versetzung berufen möchte, ist nicht Gegenstand des Beschlussverfahrens und kann daher für den Individualprozess ebenfalls nicht präjudiziell wirken. Beruft sich der Arbeitgeber aber auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit, kann er diese mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG beweisen. Damit kann er zumindest darlegen, dass eine Beschäftigung auf dem alten Arbeitsplatz ausscheidet.469 Daran ist der Arbeitnehmer gebunden, so dass er nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Beschlussverfahren zu beteiligen ist.470 Ob die Beschäftigung auf dem neuen Arbeitsplatz billigem Ermessen entspricht, ist damit aber noch nicht abschließend geklärt und im Individualverfahren zu prüfen. III. Ergebnis Die Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG macht die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich, so dass er nicht mehr beschäftigt werden kann. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit stellt einen Kündigungsgrund dar, auf den sich der Arbeitgeber als Tatsache im Kündigungsschutzverfahren berufen kann. Die rechtskräftige Entscheidung dient als Beweis. Gleiches gilt im Fall der Versetzung kraft Direktionsrechts. Im Individualprozess steht im Rahmen der 468 469 470

s. o. S. 277 ff. s. o. S. 246 f. s. o. S. 249 ff.

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Prüfung, ob die Versetzung billigem Ermessen entspricht, jedenfalls fest, dass eine Beschäftigung auf dem alten Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Der Arbeitnehmer ist daran gebunden. Deswegen ist er nach § 83 Abs. 3 ArbGG an dem Beschlussverfahren zu beteiligen.

H. Sonderfall: Beschlussverfahren dem Urteilsverfahren nachgelagert Geht der Individualprozess dem Beschlussverfahren voraus, kommt lediglich bei einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Versetzung eine Bindungswirkung in Betracht.471 Die rechtskräftige Entscheidung im Urteilsverfahren steht einem Zustimmungsersetzungsverfahren nicht entgegen, da unterschiedliche Streitgegenstände bestehen. Auch sind die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen und das billige Ermessen der Versetzung keine Vorfrage für das Beschlussverfahren, so dass eine präjudizielle Wirkung ausscheidet. Feststellungen zu Vorfragen oder Tatsachen, die im Beschlussverfahren ebenfalls Bedeutung erlangen könnten, erwachsen nicht in Rechtskraft. Hinzukommt, dass der Betriebsrat nicht Partei oder Beteiligter am Urteilsverfahren ist, so dass diese Rechtsinstitute auch an der subjektiven Reichweite der Rechtskraft scheitern. Andere Möglichkeiten, die Feststellungen des Individualprozesses für den kollektiven Rechtsstreit fruchtbar zu machen, sind nicht ersichtlich. Eine Bindungswirkung scheidet aus.

I. Gesamtergebnis Bindungswirkung in den relevanten Konstellationen Im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen gibt es nicht die eine Bindungswirkung zwischen der Entscheidung im Beschluss- und Individualverfahren. Vielmehr ist auf der Grundlage des allgemeinen Zivilprozessrechts Folgendes festzuhalten: 1. Die Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat Auswirkungen auf den Individualrechtsstreit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsratsmitglied. Im Kündigungsschutzstreit steht aufgrund präjudizieller Wirkung der Entscheidung im Beschlussverfahren fest, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt war. Das folgt aus einem Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsklage. Anstelle der vorgesehenen Gestaltungsklage könnte das Gesetz auch lediglich feststellen lassen, dass die Kündigung gerechtfertigt ist. Der Betriebsrat müsste dann die Zustimmung erteilen. Die Gestaltungsentscheidung ändert die Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers und bietet ihm ein „Mehr“ im Vergleich zur Feststellung 471

s. o. die beschriebenen Konstellationen S. 196 ff.

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hinsichtlich der Rechtfertigung der Kündigung. Dann darf die Rechtskraft der Gestaltungsentscheidung nicht hinter der einer entsprechenden Feststellungsentscheidung zurückbleiben. Der Arbeitnehmer ist gemäß § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG zu beteiligen, so dass die subjektive Grenze der Rechtskraft gewahrt ist. 2. Auch die Zustimmungsersetzungsentscheidung zu der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds (§ 103 Abs. 3 i.V. m. Abs. 2 S. 1 BetrVG) hat für den Individualprozess präjudizierende Wirkung. Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren zu beteiligen (§ 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG). 3. Auch im Falle der Versetzung und Einstellung hat die Zustimmungsersetzungsentscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG Einfluss auf den Individualprozess. Wird die Zustimmung nicht ersetzt, steht mit Rechtskraft der Entscheidung fest, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich ist. Damit ist die Beschäftigungsmöglichkeit auf dem entsprechenden Arbeitsplatz weggefallen. Der Arbeitnehmer ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen. a) Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund eines Änderungsvertrags versetzt, kann er ihm (im Wege der Änderungskündigung) kündigen. Der Kündigungsgrund liegt in der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit, die mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG als Tatsache bewiesen werden kann. Gleiches gilt für die Einstellung. b) Ist die Versetzung aufgrund Änderungskündigung oder kraft Direktionsrechts erfolgt, ist zu unterscheiden. aa) Wurde die Zustimmung rechtskräftig verweigert, bevor die Änderungskündigung ausgesprochen oder das Direktionsrecht ausgeübt wurde, war die Beschäftigung schon zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Dann können die Änderungskündigung nicht gerechtfertigt und das Direktionsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt worden sein. Änderungskündigung und Versetzungsweisung sind unwirksam. bb) Folgte das Zustimmungsersetzungsverfahren der Änderungskündigung oder der Ausübung des Direktionsrechts zeitlich nach, ist diese Maßnahme zunächst unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit zu beurteilen. Allerdings wird die Beschäftigung mit der rechtskräftigen Entscheidung unmöglich. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Rückversetzung und im Falle der Änderungskündigung auch auf erneute Änderung der Arbeitsbedingungen, da er auf dem neu zugewiesenen Arbeitsplatz nicht beschäftigt werden kann. Zeigt sich der Arbeitnehmer hinsichtlich der Änderungen seiner Arbeitsbedingungen unkooperativ oder ist sein alter Arbeitsplatz weggefallen, kann der Arbeitgeber eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit kann jeweils mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG als Tatsache bewiesen werden.

§ 12 Analyse der Bindungswirkungen in den relevanten Konstellationen

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c) Anderweitige Bindungswirkungen zwischen dem Beschluss- und Urteilsverfahren bestehen nicht. Insbesondere können sich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer bei der Versetzung kraft Änderungskündigung im Änderungsschutzprozess auf Feststellungen berufen, die im Beschlussverfahren gemacht wurden. Gleiches gilt bei der Versetzung kraft Direktionsrechts. 4. Im Falle von Ein- und Umgruppierung hat die Entscheidung im Beschlussverfahren keinerlei Auswirkungen auf den Individualprozess, da der Arbeitnehmer nicht Beteiligter im Beschlussverfahren ist. 5. Hat der Betriebsrat eine rechtskräftige Entscheidung nach § 104 S. 2 BetrVG erwirkt, tritt ebenfalls rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem konkreten Arbeitsplatz ein. Die daraus resultierende fehlende Beschäftigungsmöglichkeit stellt einen Kündigungsgrund dar, auf den sich der Arbeitgeber als Tatsache berufen kann. Der Arbeitnehmer ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Beschlussverfahren zu beteiligen. 6. Geht der Individualprozess dem Beschlussverfahren voraus, bestehen keinerlei Bindungswirkungen. 7. Auch auf prozessualer Ebene hat daher das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Arbeitgeber sich endgültig nicht mehr rechtstreu verhalten kann. Steht fest, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat dauerhaft eine Rechtspflicht verletzt, wenn er die Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt, tritt rechtliche Unmöglichkeit der Beschäftigung ein. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen. Auf diese Tatsache kann sich der Arbeitgeber berufen und sie mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung beweisen. Eine Bindungswirkung besteht aber dort nicht, wo sie lediglich prozessökonomisch sinnvoll ist. Das gilt bei der Ein- und Umgruppierung sowie wenn es nur darum geht, tatsächliche und rechtliche Feststellungen des Beschluss- oder Urteilsverfahrens zu übernehmen.

Teil 4

Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung In einigen Konstellationen können nach der bisherigen Prüfung die Ergebnisse und Feststellungen des einen Verfahrens nicht in dem anderen Verfahren verwertet werden. Prozessökonomisch sinnvoll kann eine Bindung an tatsächliche und rechtliche Feststellungen oder eine Harmonisierung der Verfahren gleichwohl sein. Zu untersuchen ist daher, ob die Nebenintervention und Streitverkündung (§ 13), die Beiladung (§ 14), die Zwischenfeststellungsklage (§ 15) oder die Aussetzung des Verfahrens (§ 16) oder eine Verfahrensverbindung (§ 17) dieses Ziel erreichen können.

§ 13 Lösung über Nebenintervention und Streitverkündung Steht im Zustimmungsersetzungsverfahren die Kündigung oder Versetzung eines Betriebsratsmitglieds im Vordergrund (§ 103 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2 BetrVG), ist das Betriebsratsmitglied nach § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG zu beteiligen. Begehrt der Arbeitgeber eine Zustimmungsersetzung zu einer Einstellung oder Versetzung (§ 99 Abs. 4 BetrVG), folgt die Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers aus § 83 Abs. 3 ArbGG wegen seiner möglichen unmittelbaren Betroffenheit von dem Prozessergebnis.1 Dennoch kann sich beispielsweise der Arbeitnehmer im Individualverfahren nicht darauf berufen, im Zustimmungsersetzungsverfahren sei bereits die Feststellung getroffen worden, dass ihn die Maßnahme benachteiligt (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Bei Ein- und Umgruppierung unterbleibt bereits eine Beteiligung des Arbeitnehmers von Amts wegen. Denkbar ist aber, dass der Arbeitnehmer freiwillig oder aufgrund der Initiative des Arbeitgebers in den Prozess einbezogen wird und so auch an dessen Ergebnisse gebunden werden kann. In Betracht kommen Nebenintervention und Streitverkündung nach §§ 68 ff ZPO. Der Vorteil dieser Rechtsinstitute besteht darin, dass die Interventionswirkung über die Wirkung der Rechtskraft hinausgeht und die sog. tragenden Feststellungen im zweiten Prozess fruchtbar gemacht werden können.2 Gerade im Fall der Versetzung könnte damit ggf. die Bindung des Gerichts im Individualprozess an Feststellung des Beschlussverfahrens erreicht werden. 1 2

s. o. S. 249 ff. s. u. S. 290, s. o. S. 153.

§ 13 Lösung über Nebenintervention und Streitverkündung

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Auch für den Ausnahmefall, dass sich an ein Urteilsverfahren noch ein Beschlussverfahren anschließt, kommen Nebenintervention und Streitverkündung in Betracht. Obsiegt der Arbeitgeber im Urteilsverfahren bezüglich einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Versetzung, hat er ein Interesse daran, ihm günstige Feststellungen in das Beschlussverfahren zu übernehmen. Umgekehrt hat der Betriebsrat ein Interesse, die Ergebnisse des Urteilsverfahrens zu verwerten, wenn der Arbeitgeber verliert und er die Feststellung erstrebt, dass gewisse Arten der Versetzung betriebsverfassungswidrig sind. Dieser Weg setzt voraus, dass die Interessenlagen bei den personellen Einzelmaßnahmen die Voraussetzungen der Nebenintervention und Streitverkündung erfüllen, die Rechtsfolgen passen (B. und C.) und die zivilprozessualen Rechtsinstitute auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbar sind (A.).

A. Nebenintervention und Streitverkündung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Eine Lösung über die Nebenintervention und Streitverkündung ist nur denkbar, wenn die Rechtsinstitute im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbar sind.3 I. Wortlaut Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält zur Geltung von Nebenintervention und Streitverkündung keine direkten Aussagen. § 80 Abs. 1 ArbGG verweist für bestimmte Bereiche auf die Vorschriften zum Urteilsverfahren, wenn sich aus §§ 81 bis 84 ArbGG nichts anderes ergibt. § 46 Abs. 2 ArbGG wiederum ordnet die Geltung der Zivilprozessordnung an, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts Abweichendes regelt. Nebenintervention und Streitverkündung sind kein Teil der Verweisung in § 80 Abs. 1 ArbGG. Über den Wortlaut des § 80 Abs. 1 ArbGG hinaus sind Lücken der verfahrensrechtlichen Regelungen jedoch durch einen Rückgriff auf die Normen zum Urteilsverfahren und somit der Zivilprozessord-

3 Dafür: Boemke, ZfA 1992, 473, 489, 491, 524; Grunsky, SAE 22, 23; MüHBArbR-v. Hoyningen-Huene, § 213 Rn 26; Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 71; GK-BetrVG-Raab, § 104 Rn 25; Weth, Beschlußverfahren, S. 143, 212 ff; Schwab/ders., § 83 Rn 95 ff; vgl. auch Grunsky, Verfahrensrecht, § 30 I 1b (plädiert entweder für Nebenintervention und Streitverkündung oder Beiladung); GK-BetrVGRaab, § 104 Rn 25 (Arbeitgeber kann im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG dem Arbeitnehmer den Streit verkünden); dagegen: BAG NZA 2008, 653, 655; Hess. LAG DB 1990, 2126, 2127; AG Berlin ArbuR 2008, 314 f; GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 52 f; Hauck/Helml/Biebl-Hauck, § 83 Rn 9; ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 6; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 24; BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 16a; offengelassen BAG NZA 1987, 355.

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nung zu schließen.4 Die schlichte Nichterwähnung der §§ 68 ff ZPO spricht daher nicht zwingend gegen deren Anwendung im Beschlussverfahren.5 II. Abweichende Regelung in den §§ 81 bis 84 ArbGG In den §§ 81 bis 84 ArbGG findet sich keine explizite Aussage darüber, dass Nebenintervention und Streitverkündung nicht anwendbar sind. Allerdings könnte sich Entsprechendes aus § 83 Abs. 3 ArbGG ergeben. Gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG sind Arbeitgeber, Arbeitnehmer und bestimmte Stellen zu hören, wenn sie im Einzelfall beteiligt sind. Aus § 83 Abs. 4 S. 2 ArbGG ergibt sich, dass die Beteiligten zu laden sind. Im Zusammenhang mit dem im Beschlussverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz folgt daraus, dass die Beteiligten von Amts wegen zu ermitteln und zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind.6 Wer neben dem Antragsteller im Einzelfall Beteiligter ist, bestimmt sich nach materiellem Recht und setzt jedenfalls eine unmittelbare Betroffenheit in einer Rechtsposition voraus.7 Zieht man aus § 83 Abs. 3 ArbGG und der Tatsache, dass die dort genannten Personen und Stellen im Einzelfall von Amts wegen zum Verfahren hinzuzuziehen sind, den Schluss, damit seien die Subjekte des Beschlussverfahrens abschließend geregelt, wären Nebenintervention und Streitverkündung nicht anwendbar. Zwingend ist diese Schlussfolgerung aber nicht. Vielmehr wird in § 83 Abs. 3 ArbGG gerade nur der Umgang mit den Beteiligten geregelt, die von Amts wegen hinzuzuziehen sind.8 Die Feststellung, die Regelung sei abschließend, weil eine fakultative Möglichkeit der Beteiligung gerade nicht vorgesehen ist und das Arbeitsgerichtsgesetz nur Antragsteller und Beteiligte kennt,9 ist eine bloße Behauptung. Genauso kann argumentiert werden, aus der Verweisung auf die Zivilprozessordnung und dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsgerichtsgesetz folgt, dass die Regelungen der Zivilprozessordnung über Nebenintervention und Streitverkündung anwendbar sind.10 Aus der Regelungssystematik des Arbeitsgerichtsgesetzes lässt sich somit kein eindeutiges Ergebnis ableiten.

4

s. o. S. 124 f. So auch Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 109 f. 6 BAG AP § 13 BetrVG 1972 Nr. 1 Bl. 1088R (II.3.b.); ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 9; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 17. 7 s. o. S. 253 ff. 8 Vgl. Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 110; Weth, Beschlußverfahren, S. 143, 212 ff. 9 So BAG NZA 2008, 653; Hess. LAG DB 1990, 2126, 2127; AG Berlin ArbuR 2008, 314 f; GK-ArbGG-Dörner, § 83 Rn 55; ErfK-Koch, § 83 ArbGG Rn 6; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 24. 10 Vgl. Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 71 ff. 5

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Nach dem Zweck der Beteiligungsregelungen im Arbeitsgerichtsgesetz könnten diese jedenfalls dann als abschließend betrachtet werden, wenn es für die Anwendung der §§ 64 ff ZPO kein Bedürfnis gibt.11 Die Auslegung des § 83 Abs. 3 ArbGG dergestalt, dass Personen und Stellen von Amts wegen zu beteiligen sind, wenn sie unmittelbar rechtlich betroffen sind, verhindert direkte Eingriffe in Rechte Dritter, ohne ihnen rechtliches Gehör zu verschaffen. Beispielsweise ist ein Dritter stets zu beteiligen, wenn sich die Rechtskraft der Entscheidung auf ihn erstreckt.12 Außerdem wurden Nebenintervention und Streitverkündung für den Zivilprozess geschaffen, wo sich zwei gleichgeordnete Parteien gegenüberstehen.13 Das Beschlussverfahren dagegen findet ausschließlich in Streitigkeiten mit kollektivem Bezug statt (§ 80 Abs. 1, 2a ArbGG). Die Entscheidung betrifft daher nicht nur die Beteiligten des Beschlussverfahrens, sondern wirkt sich i. d. R. auf eine Vielzahl von Rechtssubjekten aus.14 Um dem Rechnung zu tragen, ermittelt das Gericht von Amts wegen und hat nach § 83 Abs. 3 ArbGG einen weiten Kreis von Personen und Stellen zu beteiligen. Bei der Möglichkeit der Nebenintervention dagegen besteht die Gefahr, dass der Dritte von dem Prozess gar keine Kenntnis erlangt und sich deswegen aus tatsächlichen Gründen nicht beteiligen kann.15 Außerdem ordnet das Gesetz zusätzlich in bestimmten Fällen eine Beteiligung ausdrücklich an (§§ 78a Abs. 4 S. 2 BetrVG, § 126 Abs. 2 Hs. 2 InsO, § 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG und § 47 Abs. 1 S. 3 BPersVG). Um in diesen wichtigen, eine Vielzahl von Subjekten betreffenden Angelegenheiten Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, sollen Dritte, deren Beteiligung nicht vom Verfahrensgegenstand gefordert wird, keine Einwirkungsmöglichkeiten erhalten.16 Diese Erwägungen sprechen zunächst tatsächlich dafür, dass das Gesetz eine abschließende Regelung treffen wollte. Grundsätzlich reichen die vom Arbeitsgerichtsgesetz vorgesehenen Beteiligungsformen, um das rechtliche

11 So BAG NZA 2008, 653, 655; BeckOK-ArbR-Poeche, § 83 ArbGG Rn 16a sowie Hauck/Helml/Biebl-Hauck, § 83 Rn 9; Germelmann-Matthes/Spinner, § 83 Rn 2. 12 Vgl. Schwab/Weth, § 83 Rn 57; s. o. S. 253 ff. 13 Vgl. Benkel, Verfahrensbeteiligung Dritter, S. 8. 14 Vgl. auch Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 178; Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 72. 15 Vgl. Schultes, Beteiligung Dritter, S. 109 ff. 16 Vgl. BAG NZA 2008, 653, 655 (In dieser Entscheidung ging es um einen Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, ob ein bestimmtes Krankenhaus eine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft i. S. d. § 118 Abs. 2 BetrVG ist. Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche e.V., in dem der Arbeitgeber Mitglied war, berief sich auf das kirchliche Selbstverwaltungsrecht nach Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und wollte als Nebenintervenient beitreten. Das BAG lehnte die Nebenintervention im Beschlussverfahren ab.).

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Gehör Betroffener zu wahren und widerspruchsfreie Lösungen zu erzielen. Nebenintervention und Streitverkündung passen in das System offenbar weder hinein noch sind sie nötig.17 Allerdings hat die Konzeption Lücken. Es gibt auch Streitigkeiten im Beschlussverfahren, die sich zusätzlich ganz gezielt auf ein einzelnes Rechtssubjekt auswirken. Typisch ist das in den Fällen der personellen Einzelmaßnahmen. Die Mitbestimmung und damit auch das Zustimmungsersetzungsverfahren bestehen zwar grundsätzlich im Interesse von Betrieb und Belegschaft.18 Für den betroffenen Arbeitnehmer wirken sich diese Verfahren dennoch ganz individuell aus. V. a. kann der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, der Betriebsrat vertrete seine Interessen. Gerade wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu Maßnahmen zu Gunsten des Arbeitnehmers verweigert, handelt er gerade nicht im Sinne des Betroffenen. Diese Konstellation unterscheidet sich von der üblicher Beschlussverfahren. I.d.R. ist der einzelne Arbeitnehmer nur als Teil des Kollektivs der Belegschaft oder Gewerkschaft betroffen. Dann werden seine Interessen von Betriebsrat und Gewerkschaft verfolgt. Bei personellen Einzelmaßnahmen dagegen ist er die Hauptfigur. Er verfolgt ganz individuelle Interessen, die sich von denen des Betriebsrats unterscheiden können. Damit ist eine Dreieckskonstellation zwischen Betriebsrat, Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffen, die eher dem Zivilprozess ähnelt als dem „typischen“ Beschlussverfahren.19 In diese Struktur fügen sich Streitverkündung und Nebenintervention ein. Unabhängig davon spricht für die Anwendung von Streitverkündung und Nebenintervention auch, dass die Streitigkeiten im Beschlussverfahren umfassend geklärt werden sollen, was sich beispielsweise aus dem Untersuchungsgrundsatz ergibt. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, eine Nebenintervention und Streitverkündung nicht zuzulassen, wenn die Entscheidungswirkungen auf diese Weise sowohl objektiv als auch subjektiv erweitert werden können. Handhabt man die Institute entsprechend ihren Voraussetzungen restriktiv, ist auch die Gefahr der unnötigen Beteiligung Dritter, die ggf. das Verfahren verzögern können, nicht gegeben. Gerade im Fall der personellen Einzelmaßnahmen ist der betroffene Arbeitnehmer als fakultativ Beteiligter auch vom Streitgegenstand vorgegeben, da die Maßnahme ausschließlich ihn betrifft. Gleichzeitig besteht nicht die Gefahr, dass er keine Kenntnis vom Verfahren erlangt, da er auf individualrechtlicher Ebene konkret betroffen ist und stets Kenntnis vom Geschehen haben wird.

17

So Hess. LAG DB 1990, 2126, 2127. Vgl. S. 90 ff. 19 Vgl. auch Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 69 ff, 72 ff, die zunächst untersucht, wie „rechtlich Interessierte“ am Verfahren beteiligt werden können, und dann danach fragt, ob die gleichen Erwägungen auch dann gelten, wenn sich das rechtliche Interesse nur aus individualrechtlichen Beziehungen herleiten lässt. 18

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III. Ergebnis Festzuhalten ist, dass Streitverkündung und Nebenintervention im Beschlussverfahren anwendbar sind, wenn der Streit in der Sache um personelle Einzelmaßnahmen geführt wird.

B. Voraussetzungen und Folgen von Nebenintervention und Streitverkündung Zu untersuchen ist, ob Nebenintervention und Streitverkündung hinsichtlich Voraussetzungen und Rechtsfolgen tatsächlich auf die beschriebenen Konstellationen anwendbar sind. Zunächst sind deren Voraussetzungen und Folgen darzustellen. I. Nebenintervention 1. Voraussetzungen Die Nebenintervention setzt gemäß § 66 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse eines Dritten am Obsiegen einer Partei in einem anhängigen Rechtsstreit voraus. Das rechtliche Interesse am Obsiegen einer Partei wird dabei als Interventionsgrund bezeichnet. Er liegt vor, wenn die Entscheidung durch Inhalt oder Vollstreckung unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf die Rechtsverhältnisse des Dritten hat.20 Wesen der Nebenintervention ist, dass der Dritte einer Partei beitritt und an deren Seite kämpft, um mögliche negative Folgen von sich abzuwenden.21 2. Wirkungen a) Im Erstprozess – Rechtsstellung des Nebenintervenienten Der Nebenintervenient ist Streithelfer einer Partei kraft eigenen Rechts.22 Er kann Angriffs- und Verteidigungsmittel aus dem Recht der Hauptpartei sowie sonstige Prozesshandlungen vornehmen.23 Allerdings ist diese Stellung mit Einschränkungen verbunden. Er muss den Prozess in der Lage des Beitritts annehmen, also so wie er ihn vorgefunden hat (§ 67 Hs. 1 ZPO). Er darf sich mit seinen Handlungen und Erklärungen nicht in Widerspruch zur Hauptpartei setzen

20 BeckOK-ZPO-Dressler, § 66 Rn 7; MüKo-ZPO-Schultes, § 66 Rn 7; MusielakWeth, § 66 Rn 5. 21 Vgl. MüKo-ZPO-Schultes, § 66 Rn 1. 22 BeckOK-ZPO-Dressler, § 67 Rn 1; MüKo-ZPO-Schultes, § 67 Rn 2. 23 BeckOK-ZPO-Dressler, § 67 Rn 10; MüKo-ZPO-Schultes, § 67 Rn 5.

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(§ 67 Hs. 2 ZPO) und ihm steht keine materiellrechtliche Verfügungs- und keine prozessuale Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Streitgegenstands zu.24 b) Wirkungen der Nebenintervention im Folgeprozess Die wichtigste Folge der Nebenintervention kommt erst im Folgeprozess zum Tragen: die Interventionswirkung zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm unterstützten Hauptpartei des Vorprozesses. Sie umfasst in objektiver Hinsicht nicht nur eine Bindung an das Prozessergebnis. Vielmehr nehmen auch tatsächliche Feststellungen sowie Aussagen zu präjudiziellen Rechtsverhältnissen und Vorfragen an der Bindung teil, wenn sie zu den tragenden Feststellungen gehören, d.h. für den Streitgegenstand des Erstprozesses erforderlich waren.25 Die Interventionswirkung geht damit über die Rechtskraft hinaus. Aus dem Wortlaut des § 68 ZPO, „der Nebenintervenient wird mit der Behauptung nicht gehört“, folgt, dass die Interventionswirkung nur zu Lasten, nicht aber zu Gunsten des Nebenintervenienten eintritt.26 Allerdings ist die Interventionswirkung keinesfalls teilbar. Sie kann dem Nebenintervenienten nicht hinsichtlich ungünstiger Umstände unter Vorenthaltung günstiger Umstände entgegengehalten werden.27 Zum Gegner des Vorprozesses bestehen dagegen keinerlei Wirkungen.28 II. Streitverkündung 1. Voraussetzungen Eine Streitverkündung ist nach dem Wortlaut des § 72 Abs. 1 ZPO möglich, wenn eine Partei für den ungünstigen Ausgang eines anhängigen Rechtsstreits entweder einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten zu haben glaubt oder sich einem Anspruch eines Dritten gegenüber sieht.

24 BeckOK-ZPO-Dressler, § 67 Rn 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 Rn 38 ff. 25 s. o. S. 153. 26 So die wohl hM: BGH NJW 1987, 1894, 1895; RGZ 153, 271, 274; BeckOKZPO-Dressler, § 68 Rn 7; Jauernig/Hess, ZPR, § 83 Rn 21; Kittner, JuS 1986, 624, 627; K.-P. Martens, ZZP 85 (1972), 77, 82; MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 9 ff; Wieser, ZZP 79 (1966), 246, 289 ff; a. A. Diedrich, Interventionswirkung, S. 146; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 Rn 59. 27 BGH NJW-RR 1989, 766, 767; RGZ 153, 271, 274; BeckOK-ZPO-Dressler, § 68 Rn 8. 28 MüKo-ZPO-Schultes, § 68 Rn 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 Rn 60; Wirkung zum Gegner kann nur der Gegner selbst erreichen, wenn er dem Nebenintervenienten ebenfalls den Streit verkündet, vgl. Stahl, Beiladung und Nebenintervention, S. 138 f.

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Nach dem Zweck der Norm soll die Partei, also der Streitverkünder, nicht zwei materiellrechtlich verknüpfte Prozesse verlieren, wenn sie denknotwendig zumindest einen gewinnen müsste.29 Die gesetzliche Aufzählung ist somit lediglich beispielhaft zu verstehen. Erfasst sind alle Konstellationen, in denen die Rechtsbeziehungen des Streitverkünders gegenüber dem Gegner und die Rechtsbeziehungen des Streitverkünders gegenüber dem Dritten in einem Alternativverhältnis im Sinne wechselseitiger Ausschließung stehen.30 Bei einheitlicher Feststellung können nur die Rechtsfolgen aus dem einen oder dem anderen Rechtsverhältnis begründet sein, niemals aber beide.31 Typisch sind die Fälle, in denen der Streitverkünder logisch zwingend zumindest einen von zwei möglichen Ansprüchen hat,32 beispielsweise Regressansprüche.33 Außerdem sind Konstellation erfasst, in der sich der Streitverkünder zwei Ansprüchen ausgesetzt sieht, von denen logisch zwingend nur einer bestehen kann, etwa bei möglichen Ansprüchen eines Dritten gegen den Stellvertreter und den Vertretenen, wenn die Vertretungsmacht streitig ist.34 2. Wirkungen a) Wirkungen der Streitverkündung im Erstprozess Im Erstprozess hat die Streitverkündung nur dann Konsequenzen, wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt. Dann gilt er als Nebenintervenient (§ 74 Abs. 1 ZPO). Tritt er nicht bei, wird der Rechtsstreit ohne ihn fortgesetzt (§ 74 Abs. 2 ZPO). b) Wirkungen der Streitverkündung im Folgeprozess Auch im Falle der Streitverkündung tritt die wichtigste Wirkung erst im Folgeprozess zwischen dem Streitverkünder und dem Dritten ein. Unabhängig davon, ob der Dritte beitritt, kommt es zur Interventionswirkung (§ 74 Abs. 3 ZPO).35

29 BGH NJW 1992, 1698, 1699; NJW 1989, 521, 522; NJW 1987, 1894, 1985; Stein/Jonas-Bork, § 72 Rn 4 m.w. N.; Wieczorek/Schütze-Mansel, § 72 Rn 4; Ziegert, Interventionswirkung, S. 116 ff, 120. 30 Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 184; MüKo-ZPO-Schulte, § 72 Rn 9, 12. 31 Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 184. 32 Umfassend Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 184. 33 BeckOK-ZPO-Dressler, § 72 Rn 10. 34 Vgl. BGH NJW 1982, 281. 35 Zur Interventionswirkung s. o. S. 290.

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C. Streitverkündung und Nebenintervention in den relevanten Konstellationen I. Nachteilige Maßnahmen – Nebenintervention des Arbeitnehmers Wurde der Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts oder Änderungskündigung versetzt, kann er im Urteilsverfahren gegen die Maßnahme vorgehen. Dabei kann er ein Interesse daran haben, sich auf Feststellungen zu berufen, die im Zustimmungsersetzungsverfahren gemacht wurden, etwa wenn der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG die Zustimmung wegen Benachteiligung des Arbeitnehmers verweigert hat. Gleiches gilt bei einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Einund Umgruppierung. Hier kann es im Interesse des Arbeitnehmers liegen, Feststellungen zu der vom Arbeitgeber anvisierten Vergütungsgruppe in einen Individualprozess zu übernehmen. Allerdings wird nur der Nebenintervenient im Folgeprozess „mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit [. . .] unrichtig entschieden sei“ (§ 68 ZPO). Der Arbeitnehmer kann die Prozessergebnisse des Beschlussverfahrens daher nicht zu seinen Gunsten geltend machen. Außerdem hat der Arbeitnehmer kein Interesse an einem Sieg, sondern an einer Niederlage des Arbeitgebers, so dass die Voraussetzungen der Nebenintervention nicht vorliegen. Ein Beitritt auf Seiten des Betriebsrats ergibt keinen Sinn, da der Arbeitnehmer ein Interesse an der Bindungswirkung nur gegenüber dem Arbeitgeber hat. II. Nachteilige Maßnahmen – Streitverkündung des Arbeitgebers Auch der Arbeitgeber kann in der geschilderten Situation ein Interesse haben, den Arbeitnehmer an Ergebnisse des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu binden. Das gilt allerdings für den Fall, dass er obsiegt. Dann sind aber die Voraussetzungen der Streitverkündung nicht erfüllt. Verliert er, hat er kein Interesse, den Arbeitnehmer an die Feststellungen zu binden. III. Vorteilhafte Ein- und Umgruppierung Wird der Arbeitnehmer höhergruppiert und verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung und obsiegt im Zustimmungsersetzungsverfahren, ist es denkbar, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Zukunft wieder weniger zahlen will. Dagegen kann der Arbeitnehmer gerichtlich vorgehen. Hier besteht ein Interesse des Arbeitgebers, sich auf die Erkenntnisse des Beschlussverfahrens zu berufen. Es steht fest, dass der Arbeitnehmer eben nicht die Voraussetzungen der konkret geprüften höheren Vergütungsgruppe erfüllt. Ist der Arbeitnehmer an die Entscheidung gebunden, kann er jedenfalls ohne Änderung der Tatsachen nicht mehr einwenden, er sei entsprechend zu vergüten. Da er am Beschlussverfahren nicht

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beteiligt ist, wirkt die Rechtskraft ihm gegenüber nicht.36 In Betracht kommt aber eine Streitverkündung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer im Beschlussverfahren. Unterliegt der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat und hat er dem Arbeitnehmer den Streit verkündet, tritt die Interventionswirkung ein (§ 74 Abs. 1 ZPO) und der Arbeitgeber kann sich gegenüber dem Arbeitnehmer im Individualprozess auf die bereits getroffenen Feststellungen berufen. Macht der Arbeitnehmer im Individualverfahren Lohn nach der im Beschlussverfahren als unzutreffend beurteilten Vergütungsgruppe geltend, ist die Klage unbegründet. Gleichwohl ist die Bedeutung dieses Anwendungsfalls gering. Es wird nicht häufig vorkommen, dass der Betriebsrat einer Höhergruppierung widerspricht. Allerdings ist auch zu beachten, dass die Interventionswirkung in objektiver Hinsicht über die Rechtskraft hinausgeht. Es steht zwar fest, dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen der vom Arbeitgeber anvisierten und im Zustimmungsersetzungsverfahren geprüften Vergütungsgruppe nicht erfüllt. Allerdings steht die Rechtskraft der Entscheidung einer Klage des Arbeitnehmers hinsichtlich einer anderen Vergütungsgruppe nicht entgegen.37 Die Interventionswirkung erfasst aber auch vorgreifliche Feststellungen, wenn sie für die Entscheidung erforderlich waren. Im Einzelfall kann daher zwischen den Parteien feststehen, dass der Arbeitnehmer auch die Voraussetzungen einer anderen Vergütungsgruppe nicht erfüllt oder erfüllt. Da sich der Streitverkünder nicht zum einen auf Feststellungen zum Nachteil des Dritten berufen kann, ihm günstige Ergebnisse aber außer Betracht bleiben sollen, kann auch eine Entscheidung hinsichtlich einer für den Arbeitnehmer günstigen Vergütungsgruppe bindend feststehen. In dieser Konstellation kann die Streitverkündung eine Harmonisierung der Verfahren bewirken. IV. Nachfolgendes Beschlussverfahren – nachteilige Versetzung Obsiegt der Arbeitgeber im Urteilsverfahren bezüglich einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Versetzung, hat er ein Interesse daran, ihm günstige Feststellungen in das Beschlussverfahren zu übernehmen. In Betracht kommt eine Streitverkündung gegenüber dem Betriebsrat. Die Interventionswirkung tritt jedoch nicht ein, wenn der Arbeitgeber den Erstprozess gewinnt. Umgekehrt hat der Betriebsrat ein Interesse die Ergebnisse des Urteilsverfahrens zu verwerten, wenn der Arbeitgeber verliert und er die Feststellung erstrebt, dass eine konkrete Art der Versetzung betriebsverfassungswidrig ist. Eine Nebenintervention scheidet aber aus, da sie voraussetzt, dass der Betriebsrat ein Interesse am Obsiegen des Arbeitgebers hat. Das ist nicht der Fall. Außerdem gilt die Interventionswirkung nur zu Gunsten, nicht zu Lasten der Hauptpartei. 36 37

s. o. S. 274 ff. Vgl. S. 273 f, 276.

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Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

V. Zwischenergebnis Nebenintervention und Streitverkündung können nur in einer der geprüften Konstellationen die Prozessökonomie fördern. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer höhergruppiert und widerspricht der Betriebsrat, ist es sinnvoll dem Arbeitnehmer den Streit zu verkünden. Obsiegt der Arbeitgeber im Beschlussverfahren, ist der Arbeitnehmer aufgrund der Interventionswirkung38 dann an das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens sowie an tatsächliche Feststellungen und präjudizielle Rechtsverhältnisse, die für die Entscheidung erforderlich waren, gebunden.

D. Ausweitung der Voraussetzungen und Folgen Die übrigen Konstellationen lassen sich über die Nebenintervention und Streitverkündung nicht lösen, weil sich entweder die Interventionswirkung auf den Dritten und die unterstützte Partei beschränkt oder der Dritte nur der Partei beitreten kann, an deren Obsiegen er ein Interesse hat. Damit stellt sich die Frage, ob die Voraussetzungen und Folgen von Nebenintervention und Streitverkündung „ausgeweitet“ werden können, um den besonderen Bedürfnissen der vorliegenden Konstellationen besser Rechnung zu tragen. Denkbar wäre es, auf das Interesse am Obsiegen einer Partei zu verzichten, da das Beschlussverfahren nicht wie der Zivilprozess auf Interessen Einzelner ausgerichtet ist und typischerweise viele Beteiligte hat.39 Dem korrespondierend könnte auch das Erfordernis fallen gelassen werden, dass sich der Dritte nicht zu den Handlungen und Erklärungen der unterstützten Partei in Widerspruch setzen darf. Konsequenterweise dürfte dann auch die Interventionswirkung nicht auf die unterstützte Partei beschränkt bleiben und müsste auch zu Gunsten des Dritten eingreifen.40 Mit einer derartigen Erweiterung könnten alle problematischen Konstellationen im Sinne höchstmöglicher Prozessökonomie gelöst werden. Allerdings würde dann nicht die Nebenintervention im Beschlussverfahren angewendet werden, sondern eine eigene Beteiligungsform konstruiert, die so in keiner Verfahrensordnung vorgesehen ist. Es ist aber inkonsequent, die Beteiligung i. S. d. § 83 Abs. 3 ArbGG eng zu halten und eine Anwendung der Beiladung im arbeitsgerichtlichen Verfahren abzulehnen,41 weil es mit geltendem Recht nicht vereinbar ist, um dann „durch die Hintertür“ dennoch alle Vorteile dieser Lösungswege zu erreichen, die ebenso keine Stütze im Gesetz finden. Werden außerdem die Möglichkeiten der Beteiligung so stark ausgeweitet, be38

s. o. S. 290. Vgl. Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 72. 40 Vgl. Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 72 (keine Interventionswirkung, sondern Beteiligung nach § 83 Abs. 3 ArbGG). 41 Dazu s. u. S. 296 f. 39

§ 14 Beiladung

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steht die Gefahr der Verfahrensverzögerung, die aber gerade vermieden werden soll.42 Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist es zwar möglich, Lücken durch Analogien zu schließen. Allerdings wird im Rahmen einer Analogie eine Norm auf eine Konstellation angewendet, in der eine Regelungslücke besteht.43 In dem Rahmen kann es auch notwendig sein, auf einzelne Merkmale oder Folgen der analog angewendeten Norm zu verzichten, weil andernfalls eine Anwendung denknotwendig ausscheiden würde. Eine Analogie dient aber nicht dazu, nur bestimmte Teile einer Norm heranzuziehen, um so das gewünschte Ergebnis „irgendwie“ zu erzielen. Eine Ausweitung der Voraussetzungen und Folgen von Nebenintervention und Streitverkündung ist somit nicht möglich.44

E. Ergebnis Nebenintervention und Streitverkündung können überwiegend nicht zu einer Harmonisierung der Entscheidungen beitragen. Lediglich bei Höhergruppierung und einer Niederlage des Arbeitgebers im Beschlussverfahren sind die Voraussetzungen erfüllt. In diesem Fall ist es für den Arbeitgeber sinnvoll dem Arbeitnehmer den Streit zu verkünden.

§ 14 Beiladung Fraglich ist, ob eine Lösung über das Rechtsinstitut der Beiladung gefunden werden kann.45 Die Beiladung ist sowohl für den Verwaltungsprozess (§ 65 VwGO) als auch für das sozial- (§ 75 SGG) und finanzgerichtliche Verfahren (§ 60 FGO) geregelt. Außerdem wird die Beiladung auch in zivilprozessualen Angelegenheiten vereinzelt angeordnet (§ 856 Abs. 3 ZPO, § 67 Abs. 1 Nr. 3 GWB, § 48 Abs. 1 WEG). Von der Nebenintervention unterscheidet sich die Beiladung v. a. dadurch, dass der Dritte nicht auf Seiten einer Partei kämpft. Seine Beteiligung ist nicht daran gebunden, ob er an Sieg oder Niederlage einer bestimmten Partei interessiert ist. Er kann seine Interessen vertreten und sich zu Handlungen der Partei in Widerspruch setzen.46 42

s. o. S. 287. Zu den Voraussetzungen der Analogie s. o. S. 60. 44 Vgl. auch Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 115, der für andere Konstellationen feststellt, dass die Nebenintervention nicht einschlägig ist und eine Ausweitung nicht in Betracht zieht. 45 Vgl. Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 175 ff (entsprechende Anwendung der Beiladungsregelungen im Beschlussverfahren); gegen eine Beiladung: ErfKom-Koch, § 83 ArbGG Rn 6. 46 HM: Schoch-Bier, § 66 Rn 2 f; Bettermann, DVBl 1951, 39, 40 f; Stahl, Beiladung und Nebenintervention, S. 120; a. A. Lammenett, Drittbeteiligung, S. 55 f, 121 (mit der Begründung, dass es letztlich ohnehin darauf hinausläuft, dass eine Partei unterstützt wird). 43

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Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

Eine Entscheidungsharmonisierung mit Hilfe der Beiladung ist nur denkbar, wenn die Folgen der Beiladung die beschriebenen Konstellationen überhaupt lösen können. Das Gesetz sagt ausdrücklich nichts zur Bindung des Beigeladenen an die Entscheidung. § 121 Nr. 1 VwGO spricht lediglich allgemein davon, dass rechtskräftige Urteile die Beteiligten binden. Da der Beigeladene auch ein Beteiligter im weitesten Sinne ist, erstreckt sich jedenfalls die Rechtskraftwirkung auf ihn.47 Beschränkt sich die Beiladungswirkung auf eine Rechtskrafterstreckung, kann nur der Ausspruch des Tenors im Folgeprozess eingeführt werden. Im Falle der Zustimmungsersetzungsentscheidung bei Ein- und Umgruppierung könnte die Aussage des Gerichts zu der konkret anvisierten Vergütungsgruppe auch für und gegen den Arbeitnehmer wirken.48 In den anderen Konstellationen besteht aber gerade ein Interesse daran, auch bestimmte Feststellungen im Tatbestand des Urteils verwertbar zu machen. Die Beiladung würde nach diesem Verständnis nicht helfen. Eine Entscheidung der Streitfragen kann aber dahinstehen, wenn andere Gründe gegen eine Beiladung bei personellen Einzelmaßnahmen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sprechen.

A. Beiladung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Um die vorliegenden Konstellationen mit Hilfe der Beiladung lösen zu können, müssen die Beiladungsvorschriften in den Fällen der personellen Einzelmaßnahmen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbar sein. Für die grundsätzliche Möglichkeit der Beiladung im Beschlussverfahren spricht, dass das Beschlussverfahren aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes den verwaltungsgerichtlichen Verfahrensordnungen näher steht als dem zivilprozessualen Verfahren, in welchem die Parteien die „Herren des Verfahrens“ sind.49 Insbesondere kann das Gericht – im Gegensatz zu den Drittbeteiligungsregelungen der Zivilprozessordnung – bei der Beiladung den Dritten auch ohne dessen Initiative heranziehen. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann das sinnvoll sein, weil nicht lediglich Individualinteressen betroffen sind, sondern auch öffentliche oder kollektive Interessen.50 In diesem Sinne ähnelt das Beschlussverfahren dem 47 So Nottbusch, Beiladung, S. 44 f; Redeker/v. Oertzen, § 65 Rn 5; Eyermann-Rennert, § 121 Rn 40; Sodan/Ziekow-Czybulka, § 65 Rn 178; für eine Rechtskraftwirkung gegenüber dem Beigeladenen auch Bettermann, ZZP 90 (1977), 121, 127; a. A. (Interventionswirkung, mit der Folge, dass auch präjudizielle Rechtsverhältnisse und tragende Feststellungen in Rechtskraft erwachsen) Grunsky, Verfahrensrecht, § 30 I 2b; Lammenett, Drittbeteiligung, S. 162 ff; anders auch Stahl, Beiladung und Nebenintervention, S. 126 ff, 131 (besondere Beiladungswirkung, die in einer Feststellungswirkung besteht: rechtliche Ansichten und tatsächliche Feststellungen sind im Zweitprozess zwischen dem vormals Beigeladenen und den Hauptbeteiligten bindend). 48 Vgl. S. 272 f. 49 Vgl. Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 177. 50 Vgl. Dunkl, Beteiligte im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, S. 177.

§ 14 Beiladung

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verwaltungsgerichtlichen Verfahren. So einleuchtend diese Argumente auf den ersten Blick auch sind, können sie im Ergebnis jedenfalls für die Konstellationen der personellen Einzelmaßnahmen nicht überzeugen. Geht es um die Beteiligung eines Arbeitnehmers, der von einer personellen Einzelmaßnahme betroffenen ist, entspricht die Konstellation eher einer Dreiecksbeziehung im Zivilprozess als dem typischen Beschlussverfahren.51 Darüber hinaus darf eines nicht vergessen werden: die Entscheidung des Gesetzgebers. Nach §§ 80 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG (sowie durch § 85 ArbGG bestätigt) gelten im Beschlussverfahren die Regelungen der Zivilprozessordnung. Das Beschlussverfahren ist seinem Wesen nach ein (eigenständiges) arbeitsgerichtliches Verfahren und kein Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit.52 Das folgt aus Art. 95 Abs. 1 GG, der die Arbeitsgerichtsbarkeit als eigenen Rechtsweg anerkennt.53 Die Regelungen des Arbeitsgerichtsgesetzes wurden speziell für diesen Rechtsweg geschaffen. Enthält das Arbeitsgerichtsgesetz neben eigenen speziellen Verfahrensregelungen einen Verweis auf die Zivilprozessordnung, hat der Gesetzgeber damit anderen Verfahrensordnungen eine Absage erteilt.54 Das System der Beteiligung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist grundsätzlich abschließend. Bestehen Lücken, können diese allenfalls durch einen Rückgriff auf die Zivilprozessordnung geschlossen werden.55 Gelingt das nicht, ist der Gesetzgeber zu einem Tätigwerden aufgerufen.56 In der Zivilprozessordnung ist die Beiladung nur in Einzelfällen normiert (§ 856 Abs. 3 ZPO). Eine allgemeine Form der Beiladung gibt es nicht.57 Auch wenn die Beiladung im Zivilprozess gefordert wird, dann nur, um das rechtliche Gehör des Dritten zu wahren. Er soll beteiligt werden, weil das Urteil ihm gegenüber Wirkung entfaltet.58 Das ist in den hier zu untersuchenden Fällen anders. Ist der Arbeitnehmer von der Entscheidung unmittelbar betroffen, weil die Rechts51

s. o. S. 286 ff. Germelmann-Prütting, Einl Rn 159; Weth, Beschlußverfahren, S. 23 ff. 53 Umfassend Weth, Beschlußverfahren, S. 23 ff; vgl. auch Germelmann-Prütting, Einl Rn 159. 54 Vgl. Laux, Antrags- und Beteiligungsbefugnis, S. 71, Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 120; Weth, Beschlußverfahren, S. 26. 55 Vgl. auch S. 124 f. 56 Gegen die Möglichkeit der Beiladung im Arbeitsgerichtsprozess auch Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 119 ff. 57 Vgl. Stein/Jonas-Bork, Vor § 64 Rn 3; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 211 („kein homogenes Rechtsinstitut zur Wahrung rechtlichen Gehörs“); Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 51 Rn 35; Zöller-Vollkommer, Vor § 64 Rn 1; so auch Schultes, Beteiligung Dritter, S. 109 ff, der für den Zivilprozess eine „Zuladung“ annimmt, um der Gefahr vorzubeugen, dass der Dritte keine Kenntnis vom Verfahren erhält. 58 Grunsky, Verfahrensrecht, § 25 II 3; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 212 f (Beiladung bei materieller Drittbetroffenheit); vgl. auch Bettermann, Anm. zu BGH vom 2.2.1962 – Vf. 109-VI-61, JZ 1962, 675. 52

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Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

kraft auch ihm gegenüber wirkt oder er an die Tatbestandswirkung des Beschlusses gebunden ist, ist er bereits nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen.59 Eine Beteiligung soll vielmehr erfolgen, damit das Urteil auch ihm gegenüber Wirkung entfaltet.

B. Ergebnis Eine Beiladung in den Fällen der personellen Einzelmaßnahmen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren scheidet aus. Mit dem Rechtsinstitut der Beiladung kann in den beschriebenen Konstellationen eine Entscheidungsharmonisierung nicht erreicht werden.

§ 15 Zwischenfeststellungsklage Fraglich ist, ob es den Beteiligten des Beschlussverfahrens möglich ist, durch eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO die Rechtskraft auf tatsächliche Feststellungen oder Vorfragen auszudehnen. Denkbar ist beispielsweise bei der Versetzung, das Vorliegen der einzelnen Zustimmungsverweigerungsgründe feststellen zu lassen, um die Frage im Individualprozess nicht erneut prüfen zu müssen. Da der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren zu beteiligen ist, würde die Rechtskraft der Zwischenfeststellungsklage auch ihm gegenüber Wirkung entfalten. Problematisch ist bereits, ob die einzelnen Zustimmungsverweigerungsgründe feststellungsfähige Rechtsverhältnisse sind. Darüber hinaus müssen sie Vorfragen im Individualprozess sein. Allerdings ist die Perspektive der gerichtlichen Prüfung im Individualverfahren eine andere als im Beschlussverfahren. Greift der Arbeitnehmer seine Versetzung an, wird im Urteilsverfahren die individualvertragliche Grundlage oder der individualrechtliche Akt der Zuweisung überprüft: Die Änderungskündigung muss sozial gerechtfertigt sein oder der Arbeitgeber muss sein Direktionsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt haben. Im Zustimmungsersetzungsverfahren wird dagegen die (geplante) tatsächliche Zuweisung untersucht. Ist aber der Anknüpfungspunkt für die Prüfung in beiden Verfahren ein anderer, kann die Entscheidung im Beschlussverfahren für die Prüfung im Individualprozess keine Vorfrage sein. Lediglich die Entscheidung, ob die Ein- oder Umgruppierung gegen die Vergütungsordnung, also gegen eine Vorschrift i. S. d. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verstößt, kommt im Individualverfahren als Vorfrage in Betracht. Das folgt daraus, dass sowohl die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine bestehende Vergü59 s. o. S. 253 ff. Aus demselben Grund scheidet auch eine Beteiligung direkt nach Art. 103 GG aus, die angenommen wird, wenn Nebenintervention und Streitverkündung nicht ausreichen, um den Anspruch Betroffener auf rechtliches Gehör zu wahren, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 82 Rn 5; Zöller-Vollkommer, Vor § 64 Rn 1.

§ 16 Aussetzung des Verfahrens

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tungsordnung und seine entsprechende Bezahlung als auch die Zustimmungsentscheidung des Betriebsrats lediglich Rechtsanwendung sind. Im Individualprozess wird daher geprüft, ob die vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe die richtige ist. Die Änderungskündigung kann nur sozial gerechtfertigt sein, wenn die zukünftig vorgesehene Vergütung der richtigen Entgeltgruppe für den neuen Arbeitsplatz entspricht. Die Lohnklage des Arbeitnehmers ist nur erfolgreich, wenn er Lohn nach der richtigen Vergütungsgruppe verlangt. Im Zustimmungsersetzungsverfahren wird ebenfalls geprüft, ob die vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe die richtige ist. Nur dann ist die Zustimmung zu ersetzen. Es wird also nicht die tatsächliche Zuweisung eines Arbeitsplatzes untersucht. Damit ist sowohl für die Entscheidung im Individualprozess als auch für die im Beschlussverfahren maßgeblich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer richtig eingruppiert hat. Dann ist die Entscheidung hinsichtlich der Vergütungsgruppe im Beschlussverfahren eine Vorfrage für den Individualprozess. Gleichwohl hilft eine Zwischenfeststellungsklage in dem Fall nicht weiter. Zum einen ist sie nicht nötig, weil schon durch die Zustimmungsersetzungsentscheidung eine rechtskräftige Aussage zu der anvisierten Vergütungsgruppe getroffen wird.60 Andererseits würde sie nicht zu einer verbindlichen Feststellung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen, da auch die Rechtskraft der Zwischenfeststellungsklage auf die Beteiligten des Verfahrens beschränkt ist und der Arbeitnehmer am Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG im Fall der Eingruppierung nicht zu beteiligen ist.61 Die Zwischenfeststellungsklage kann nicht zu einer Bindungswirkung der Entscheidungen im Beschluss- und Urteilsverfahren führen.

§ 16 Aussetzung des Verfahrens Die hier dargestellte Lösung geht davon aus, dass die Mitbestimmungswidrigkeit keinerlei Auswirkungen auf das Individualrechtsverhältnis hat. Das setzt sich zunächst im Prozess fort, so dass beispielsweise die Änderungskündigung unabhängig von einer etwaigen Verletzung der Mitbestimmungsrechte zu beurteilen ist. Erst wenn der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtskräftig abgelehnt ist, kommt es zu Folgen für das Individualrechtsverhältnis,62 wenn der Arbeitgeber die mitbestimmungswidrige Maßnahme rückgängig machen will oder muss. Fraglich ist, ob eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO (analog) es ermöglicht, Urteils- und Beschlussverfahren besser aufeinander abzustimmen. 60 61 62

s. o. S. 272 f. s. o. S. 274. s. o. S. 66 f.

300

Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

Die Norm gilt nach §§ 46 Abs. 2 S. 1, 64 Abs. 6, 72 Abs. 5 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren und trotz der fehlenden ausdrücklichen Erwähnung in § 80 Abs. 2 ArbGG auch im Beschlussverfahren.63

A. Konstellationen In den Fällen der §§ 103, 104 BetrVG stellt sich die Frage nicht, da der Abschluss des Beschlussverfahrens Voraussetzung für die Handlung des Arbeitgebers ist. Kommt es aber bei nachteiliger Versetzung und Umgruppierung aufgrund Änderungskündigung oder Direktionsrechts sowohl zu einem Individualrechtsstreit als auch zu einem Zustimmungsersetzungsverfahren, werden in beiden Prozessen i. d. R. dieselben Rechtsfragen geprüft. Im Rahmen der Änderungskündigung geht es bei der Frage der sozialen Rechtfertigung der Arbeitsbedingungen häufig um ungerechtfertigte Nachteile des Arbeitnehmers oder ggf. anderer Arbeitnehmer. Diese stellen auch Zustimmungsersetzungsgründe dar (§ 99 Abs. 2 Nr. 3, 4 BetrVG). Gleiches gilt bei der Prüfung der Vergütungsgruppe: In beiden Verfahren wird geprüft, ob der Arbeitgeber die richtige Vergütungsgruppe bestimmt hat. Um eine doppelte Prüfung, ggf. mit unterschiedlichen Ergebnissen, zu vermeiden, kommt daher eine Aussetzung eines der beiden Verfahren in Betracht.64

B. Voraussetzungen der Aussetzung Voraussetzung einer Aussetzung ist nach § 148 ZPO, dass ein Rechtsstreit von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens ist. Unter „Abhängigkeit“ ist dabei Vorgreiflichkeit i. S. v. präjudizieller Wirkung eines Rechtsverhältnisses zu verstehen. Vorfragenidentität und tatsächlicher Einfluss, v. a. in Gestalt der Beweiswürdigung und Beweisaufnahme, sind dagegen grundsätzlich nicht ausreichend.65 Das folgt aus dem Wortlaut der Norm im Zusammenspiel mit der Geset-

63

Vgl. S. 124 f. Für eine Aussetzung des Urteilsverfahrens: v. Hoyningen-Huene/Boemke, Versetzung, S. 200; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 2 Rn 203; Ascheid/ Preis/Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 157; Meisel, BB 1973, 944, 947; GK-BetrVGRaab, § 99 Rn 131; Richardi, DB 1974, 1335, 1337; KR-Rost, 9. Aufl., § 2 KSchG Rn 141; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger, § 2 KSchG Rn 203; a. A. Stege, DB 1975, 1506, 1511. 65 BGH NJW 2005, 1947; OLG München MDR 1997, 196; OLG Köln MDR 1983, 848; Zöller-Greger, § 148 Rn 5; Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 14, 23 f; Schilken, GS Heinze, S. 763 ff; Musielak-Stadler, § 148 Rn 5; a. A. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, § 148 Rn 4; Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 33; MüKo-ZPO-Wagner, § 148 Rn 10. 64

§ 16 Aussetzung des Verfahrens

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zessystematik. Auch in § 256 Abs. 2 ZPO spricht das Gesetz von „abhängt“ und „Rechtsverhältnis“, was einhellig als vorgreiflich, präjudiziell verstanden wird.66 Außerdem unterscheidet sich die Formulierung in § 148 ZPO („abhängt“) gerade von der in § 149 ZPO, die lediglich „Einfluss“ des Rechtstreits verlangt. Auch das Vorhandensein weiterer Aussetzungsvorschriften (§§ 149, 152 ZPO) spricht für ein enges Verständnis der Norm des § 148 ZPO, da diese andernfalls nicht nötig wären.67 Das Erfordernis der präjudiziellen Wirkung sichert dabei auch die subjektive Seite, da die Parteien des ersten Verfahrens nicht beliebig an Ergebnisse und Feststellungen irgendeines anderen Verfahrens gebunden werden können. Rechtskrafterstreckung ist dabei aber nicht erforderlich. Auch eine Gestaltungs- oder Interventionswirkung ist ausreichend, so dass die beiden Verfahren nicht unbedingt zwischen denselben Parteien zu führen sind.68 Da weder die Mitbestimmungswidrigkeit noch die Entscheidung im Beschlussverfahren auf die Änderungskündigung Einfluss hat und umgekehrt, liegt hier aber gerade keine Vorgreiflichkeit vor.69 Die beiden Prozesse sind nur dergestalt verknüpft, dass teilweise derselbe Sachverhalt ermittelt wird.

C. Analoge Anwendung In Betracht kommt daher nur eine analoge Anwendung. Voraussetzung einer Analogie ist eine Lücke im Gesetz.70 § 148 ZPO regelt eine Verfahrensunterbrechung bei präjudizieller Wirkung. Zweck der Norm ist es, die doppelte Prüfung einer Streitfrage zu verhindern. Das erleichtert die Sachentscheidung des Gerichts, fördert die Prozessökonomie und mindert die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.71 Das spricht für eine extensive Anwendung. Die Ausweitung der Norm auf Fälle, in denen eine Rechtsfrage geklärt wird oder Feststellungen getroffen und Ergebnisse von Beweisaufnahmen festgehalten werden, die für den anderen Prozess bedeutsam sind, entspricht dem Zweck. Allerdings kann dem Normzweck nicht ohne Weiteres eine „allgemeine Ermächtigung“ entnom66

MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 256 Rn 80. So insgesamt auch Schilken, GS Heinze, S. 763 ff. 68 Zöller-Greger, § 148 Rn 5; Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 24; vgl. auch Schilken, GS Heinze, S. 763, 767. 69 s. o. S. 262; so auch Elke Müller, Mitbestimmung, S. 123 ff; Ascheid/Preis/ Schmidt-Künzl, § 2 KSchG Rn 157; a. A. v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150 f (Rechtskräftige Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags macht die Änderungskündigung unverhältnismäßig, da sie ihr Ziel, die Umsetzung der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht erreichen kann.). 70 Zur Analogie s. o. S. 60. 71 Zöller-Greger, § 148 Rn 1; Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 3; MüKo-ZPO-Wagner, § 148 Rn 1. 67

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men werden, „die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen“.72 Gegen eine analoge Anwendung der Norm spricht zunächst die Gefahr, dass das Verfahren unangemessen verzögert wird,73 was mit dem Justizgewährungsanspruch nicht in Einklang zu bringen ist.74 Das spricht dafür, die Aussetzung nur in bestimmten eng umgrenzten Fällen zuzulassen. Allerdings kann der Verfahrensverzögerung auch durch eine sinnvolle Handhabung der Aussetzung durch die Gerichte begegnet werden, da die Aussetzung im Ermessen des Gerichts steht.75 Im konkreten Fall wiegt die Gefahr der Verfahrensverzögerung ohnehin nicht so schwer. Zwar hängen nicht die Verfahren voneinander ab, die hinter den Verfahren stehenden Rechtsverhältnisse sind faktisch aber sehr wohl miteinander verknüpft. Wird die Wirksamkeit der Änderungskündigung festgestellt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, nach den neuen Bedingungen zu arbeiten. Verweigert das Gericht aber schließlich die Zustimmungsersetzung, kann der Arbeitnehmer auf dem neuen Arbeitsplatz nicht beschäftigt werden. Die Folge ist rechtliche Unmöglichkeit.76 Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer zurückversetzen. Ist sein alter Arbeitsplatz aber inzwischen weggefallen und kein anderer verfügbar, kann und muss der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen. Dem Arbeitnehmer droht der Arbeitsplatzverlust. Dann ist es jedoch sinnvoll, wenn Urteils- und Beschlussverfahren so gut wie möglich aufeinander abgestimmt sind, um unterschiedliche Beurteilungen der gleichen Fragen zu verhindern. Gegen eine Lücke im Gesetz hinsichtlich Vorfragen, reiner Rechtsfragen und Beweisergebnisse usw. spricht allerdings der Vergleich mit zivilprozessualen Bindungswirkungen wie der Rechtskraft, der Interventions- und Gestaltungswirkung in objektiver und in subjektiver Hinsicht: Kann ein Verfahren ausgesetzt werden, obwohl die Entscheidung des anderen keine rechtlich verbindliche Wirkung für den ausgesetzten Prozess hat, wird damit nicht unbedingt die Arbeit des Gerichts erleichtert.77 Es ist grundsätzlich gehalten, die Frage selbst zu entscheiden und auch Beweise eigenständig zu würdigen. Das führt letztlich zu Mehrarbeit und zusätzlicher Zeitverzögerung. Das spricht dafür, auch bei einer analogen Anwendung des § 148 ZPO die gesetzlich vorgesehenen Bindungswirkungen zu beachten. Eine Aussetzung ist dann nur möglich, wenn die Ergebnisse des betriebenen Prozesses auf den ausgesetzten rechtlich verbindlich sind.78 Nur dann kommt es 72

BGH NJW 2005, 1947; vgl. auch Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 14, 25. Vgl. Stürner, JZ 1978, 499, 501; MüKo-ZPO-Wagner, § 148 Rn 1. 74 Vgl. Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 4. 75 Vgl. MüKo-ZPO-Wagner, § 148 Rn 14. 76 s. o. S. 64 ff. 77 Vgl. dazu umfassend Kähler, NJW 2004, 1132, 1135. 78 BGH NJW 2005, 1947; in diesem Sinne auch Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 23 ff; vgl. auch BGH NJW 2003, 3057 (jedenfalls dann keine Aussetzung nach § 148 ZPO 73

§ 16 Aussetzung des Verfahrens

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tatsächlich zu einer Arbeitserleichterung und Prozessförderung. Würde nämlich der erste Prozess fortgesetzt, der zweite aber vorher entschieden, wäre das Gericht an das Ergebnis gebunden. Bis dahin erfolgte Eigenarbeit wäre umsonst. Das wird mit einer Aussetzung des ersten Verfahrens verhindert. Die im zweiten Verfahren gefundenen Ergebnisse können ohne nochmalige Prüfung durch das aussetzende Gericht übernommen werden. In subjektiver Hinsicht folgt daraus, dass die Parteien infolge Rechtskraft, Interventions- oder Gestaltungswirkung an das Ergebnis des zweiten Verfahrens gebunden sein müssen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die objektive Seite. Bei Rechtskraftbindung und Gestaltungswirkung kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn der Streitgegenstand des zweiten Prozesses für den ausgesetzten bedeutsam ist. Dagegen kommt bei einer Interventionswirkung auch eine Aussetzung bei entscheidungserheblichen Vorfragen in Betracht.79 Eine Lücke im Gesetz liegt daher nur dann vor, wenn die Entscheidung in einem zweiten Verfahren für das auszusetzende rechtlich verbindlich sein kann, ohne dass die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind. Danach kann ein Rechtsstreit dann analog § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn eine Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage anhängig ist, die über ein entscheidungserhebliches Gesetz befinden soll, der Richter selbst aber das Gesetz für verfassungskonform erachtet. Dann muss er nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen. Dennoch ist er an das Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nach § 31 Abs. 2 BVerfGG gebunden.80 Hier hilft § 148 ZPO analog. Eine direkte Anwendung scheidet aus, da es sich bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht um ein Rechtsverhältnis, sondern nur um eine Rechtsfrage handelt.81 Bei bloß tatsächlicher Verknüpfung zweier Verfahren liegt dagegen keine Lücke vor, weil die Situation mit der einer rechtlichen Verbindlichkeit nicht vergleichbar ist. Eine Analogie scheidet daher beispielsweise im Falle eines „Musterprozesses“ aus, wenn ein Revisionsverfahren anhängig ist, in dem über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung auch die Entscheidung eines weiteren Rechtsstreits in tatsächlicher Hinsicht ganz oder teilweise abhängt.82 analog zu Gunsten eines selbständigen Beweisverfahrens, wenn die Parteien nach § 493 ZPO nicht an deren Ergebnisse gebunden sind); Fortführung dieser Gedanken in BGH NJW-RR 2007, 307 (Möglichkeit der Aussetzung aufgrund eines selbständigen Beweisverfahrens, wenn die Parteien an das Ergebnis nach § 493 ZPO gebunden sind). 79 So auch Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 23. 80 Vgl. BGH NJW 2005, 1947; Kähler, NJW 2004, 1132, 1134. 81 Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 15. 82 BGH NJW 2005, 1947; Stein/Jonas-Roth, § 148 Rn 19; Musielak-Stadler, § 148 Rn 5; a. A. LG Freiburg NJW 2003, 3424 (aufgehoben durch BGH vom 25.1.2006 – Az. IV ZB 36/03).

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Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

Im Falle nachteiliger Versetzung und Umgruppierung aufgrund Änderungskündigung oder Direktionsrechts besteht zwischen Beschluss- und Urteilsverfahren keine rechtliche Verbindlichkeit. Vielmehr werden nur dieselben Rechtsfragen geprüft oder sind dieselben Beweisergebnisse erheblich. Eine Aussetzung analog § 148 ZPO scheidet somit aus.

D. Ergebnis Die Entscheidung aus Beschluss- und Urteilsverfahren im Rahmen des § 99 BetrVG können nicht durch eine Aussetzung eines der Prozesse nach § 148 ZPO (analog) harmonisiert werden.

§ 17 Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO Nach § 147 ZPO kann das Gericht Prozesse verbinden. Voraussetzungen sind, dass die Verfahren in derselben Instanz bei demselben Prozessgericht anhängig sind und zwischen den Ansprüchen ein rechtlicher Zusammenhang besteht. Darüber hinaus muss die gleiche Prozessart vorliegen (vgl. § 260 ZPO). Ein Urkundenprozess kann nicht mit dem Nachverfahren und ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz nicht mit der Hauptsache verbunden werden.83 Der Grund für diese dem Wortlaut nicht zu entnehmende Einschränkung liegt darin, dass eine gemeinsame Verhandlung nur möglich oder sinnvoll ist, wenn in beiden Verfahren dieselben prozessualen Grundsätze gelten. Im arbeitsgerichtlichen Urteils- und Beschlussverfahren gelten aber mit dem Beibringungsgrundsatz auf der einen und der Amtsermittlung auf der anderen Seite unterschiedliche Verfahrensmaximen. Beide Verfahren können daher nicht verbunden werden.84

§ 18 Regelungsbedarf Da nicht alle Konstellationen mit den bestehenden materiellrechtlichen und prozessualen Regelungen gelöst werden können, könnte ein gesetzgeberisches Tätigwerden erforderlich sein.

A. Ein- und Umgruppierung Mit der rechtskräftigen Zustimmungsersetzungsentscheidung steht fest, dass der Arbeitnehmer jedenfalls nach der anvisierten Vergütungsgruppe zu entlohnen ist oder eben gerade nicht. Mangels Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren tritt ihm gegenüber keine Rechtskraftwirkung ein. Strebt der 83 84

Stein/Jonas-Leipold, § 147 Rn 9. So auch Tappe, Entscheidungsharmonisierung, S. 52 f.

§ 18 Regelungsbedarf

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Arbeitnehmer eine Entlohnung nach einer höheren Vergütungsgruppe an, würde diese Rechtskraftwirkung eine weitere Prüfung ohnehin nicht entbehrlich machen, da andere Vergütungsgruppen nicht von dem Streitgegenstand des Beschlussverfahrens erfasst sind.85 Ist sein Ziel Lohn genau nach dieser Vergütungsgruppe, wird der Arbeitgeber dem auch nachkommen, da er schließlich den Betriebsrat um Zustimmung ersucht hat, um die Umgruppierung vorzunehmen. Eine Bindung an die Rechtskraft hinsichtlich der Vergütungsgruppe ist daher nicht nötig. Wurde der Zustimmungsersetzungsantrag aber abgelehnt, steht fest, der Arbeitnehmer ist nicht nach der vom Arbeitgeber bevorzugten Vergütungsgruppe zu entlohnen. Vergütet der Arbeitgeber ihn aber dennoch entsprechend, kann sich der Arbeitnehmer wehren. Hier wäre es sinnvoll, wenn die Rechtskraft hinsichtlich der konkret geprüften Vergütungsgruppe auch zwischen den Arbeitsvertragsparteien wirkt. Dann würde im Individualprozess feststehen, dass die vom Arbeitgeber anvisierte Vergütungsgruppe nicht die richtige ist und der Arbeitnehmer in jedem Fall anders zu vergüten ist. Um die Rechtskraft auch auf den Arbeitnehmer zu erstrecken, müsste das Gesetz dessen Beteiligung anordnen.

B. Versetzung Im Falle der Versetzung kann es zu Überschneidungen der gerichtlichen Prüfungen im Urteils- und Beschlussverfahren kommen, etwa wenn der Betriebsrat die Zustimmung wegen Benachteiligung des Arbeitnehmers verweigert (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Allerdings ist eine Verfahrensharmonisierung hier schon deswegen schwierig, weil im Individualprozess die vertragliche Grundlage oder die individualrechtliche Weisung geprüft wird, im Zustimmungsersetzungsverfahren dagegen die tatsächliche Maßnahme. Außerdem wird der Arbeitgeber nicht handlungsunfähig, wenn individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Ebene auseinanderfallen. Ist eine Maßnahme wegen der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG rechtlich unmöglich und lässt sich der Arbeitnehmer nicht auf eine Vertragsänderung ein, kann der Arbeitgeber eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen. Kommt es tatsächlich in beiden Verfahren zur Prüfung derselben Frage, ist dieses Ergebnis als Konsequenz der Trennung der individualrechtlichen von der kollektiven Ebene hinzunehmen.

C. Ergebnis Sinnvoll wäre die Anordnung der Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Im Falle der Ein- und Umgruppie-

85

s. o. S. 273 f, 276.

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Teil 4: Möglichkeiten zur Entscheidungsharmonisierung

rung könnte damit eine weitere Rechtskraftwirkung der beiden Verfahren erreicht werden. Im Übrigen besteht kein Regelungsbedarf. Die Fälle der §§ 103, 104 BetrVG lassen sich nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen lösen. Auch im Rahmen des § 99 BetrVG wird der Arbeitgeber nicht handlungsunfähig. Sofern darüber hinaus eine Frage sowohl im Beschluss- als auch im Urteilsverfahren geprüft wird, ist das eine hinzunehmende Konsequenz der engen Rechtskraftwirkung und der Trennung der kollektiven von der individualrechtlichen Ebene.

§ 19 Ergebnis Eine Entscheidungsharmonisierung kommt bei der derzeitigen gesetzlichen Lage kaum in Betracht. Beiladung, Zwischenfeststellungsklage, Aussetzung und Verfahrensverbindung scheiden aus. Auch Nebenintervention und Streitverkündungen können nur bedingt zu weiteren Bindungswirkungen zwischen Beschluss- und Urteilsverfahren führen. Lediglich wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer höhergruppiert hat, der Betriebsrat widerspricht und im Beschlussverfahren obsiegt, ist es für den Arbeitgeber sinnvoll, dem Arbeitnehmer den Streit zu verkünden. Eine gesetzliche Regelung wäre im Bereich Ein- und Umgruppierung sinnvoll. Durch die Anordnung der Beteiligung des Arbeitnehmers am Beschlussverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG könnte eine weitere Rechtskraftwirkung der beiden Verfahren erreicht werden. Im Übrigen besteht kein Regelungsbedarf.

Teil 5

Gesamtergebnis I. Stimmt der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nicht zu und erreicht der Arbeitgeber auch keine Zustimmungsersetzung (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG), ist die Kündigung schon aus diesem Grund unwirksam (§ 15 Abs. 1 KSchG i.V. m. § 134 BGB). 1. Ersetzt das Gericht die Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, steht damit fest, dass die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren zu beteiligen (§ 103 Abs. 2 S. 2 BetrVG). Die Zustimmungsersetzungsentscheidung hat für den Kündigungsschutzprozess präjudizielle Wirkung, so dass vorbehaltlich neuer Tatsachen nicht erneut geprüft wird, ob ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das folgt aus dem besonderen Charakter der Zustimmungsersetzungsentscheidung als Gestaltungsentscheidung. Zum einen wird dadurch die Rechtslage verändert: Die Zustimmung wird ersetzt. Zum anderen erwächst die Entscheidung in Rechtskraft, so dass feststeht, dass der Arbeitgeber einen Anspruch auf Zustimmungsersetzung hat. Darüber hinaus folgt aus einem Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsentscheidung, dass auch die Aussage zu dem zugrunde liegenden „Akt“ in Rechtskraft erwächst. Der „Akt“ i. S. d. § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist die Rechtfertigung der Kündigung. Anstelle der bloßen Feststellung, dass die Kündigung gerechtfertigt ist und dem daraus resultierenden Anspruch des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat auf Zustimmung, wird die Zustimmung schon durch die Gestaltungsentscheidung des Gerichts ersetzt. Sieht das Gesetz eine Gestaltungsentscheidung vor, stärkt es damit den Rechtsschutz des Klägers und Antragstellers im Verhältnis zu einer Feststellungsklage. Dann darf aber auch die Rechtskraft nicht hinter derjenigen einer Feststellungsentscheidung zurückbleiben, so dass sie sich auch auf den der Entscheidung zugrunde liegenden „Akt“ erstreckt. 2. Auch wenn das Gericht im Beschlussverfahren feststellt, dass eine Zustimmung nicht erforderlich war, liegt darin eine für den Kündigungsschutzprozess präjudizielle Feststellung. Der Arbeitnehmer kann die Kündigung nicht erfolgreich wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats angreifen. Das gilt nicht, wenn das Gericht den Zustimmungsersetzungsantrag mit der Begründung abweist, die Zustimmung ist nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit

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Teil 5: Gesamtergebnis

der Zustimmung ist im Zustimmungsersetzungsverfahren nur eine Vorfrage und nicht von der Rechtskraftwirkung umfasst. Daher kann sie keine für den Individualprozess präjudizielle Feststellung sein. II. Versetzt der Arbeitgeber ein Betriebsratmitglied ohne die erforderliche Zustimmung nach § 103 Abs. 3 S. 1 BetrVG, ist diese Versetzung unwirksam. Sie entspricht nicht billigem Ermessen nach §§ 315 BGB, 106 GewO. Das folgt daraus, dass § 103 Abs. 3 BetrVG das einzelne Betriebsratsmitglied sowie kollektive Interessen schützt und der Schutz nur effektiv ist, wenn sich die Mitbestimmungswidrigkeit auf die individualrechtliche Maßnahme durchschlägt. Eine die Zustimmungsersetzung abweisende Entscheidung im Beschlussverfahren ist für diese Wirkung nicht erforderlich, so dass es auf eine Bindungswirkung für den Indiviualprozess nicht ankommt. Ersetzt das Gericht die Zustimmung, hat die Entscheidung für den Individualprozess präjudizielle Wirkung. Vorbehaltlich neuer, zwischen dem Abschluss des Beschlussverfahrens und der Versetzungsweisung entstandener Tatsachen, steht fest, dass die Versetzung wirksam ist. Das folgt wiederum aus einem Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsklage. Gegenstand der Feststellungsklage wäre, dass die Versetzung unter Berücksichtigung aller Umstände wirksam ist. Da sich der Prüfungsumfang im Beschluss- und Individualverfahren entsprechen, kann diese Feststellung im Individualprozess präjudiziell sein. III. Im Rahmen des § 99 BetrVG ist die individualrechtliche von der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene streng zu trennen. Die bloße Mitbestimmungswidrigkeit führt zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot gegenüber dem Betriebsrat. Sie hat aber keine Auswirkung auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und berührt weder die vertragliche Grundlage noch die tatsächliche Maßnahme. 1. Bei einer Ein- oder Umgruppierung folgt das schon daraus, dass die Mitbestimmung nur Mitbeurteilung ist. Der Arbeitnehmer hat stets einen Anspruch auf „richtige“ Eingruppierung und entsprechende Entlohnung. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf ihm günstige Feststellungen im Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich einer Vergütungsgruppe berufen. Zwar erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidung auch auf die Aussage zu der konkreten, vom Arbeitgeber anvisierten Vergütungsgruppe. Der Grund ist auch hier in dem Vergleich der Gestaltungs- mit der Feststellungsentscheidung zu sehen. Allerdings wirkt die Rechtskraft nicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Er ist nicht am Verfahren beteiligt, da eine gesetzliche Anordnung der Beteiligung fehlt. Er ist auch nicht unmittelbar von der Entscheidung betroffen i. S. d. § 83 Abs. 3 ArbGG, da er in jedem Fall einen Anspruch auf die „richtige“ Vergütung hat. Eine Rechtskrafterstreckung nur zu Gunsten des Arbeitnehmers scheidet aus, weil sie gegen den Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess verstößt.

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Sinnvoll wäre aber eine gesetzliche Anordnung der Beteiligung des Arbeitnehmers. Wird der Zustimmungsersetzungsantrag zurückgewiesen, stünde auch im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fest, dass der Arbeitnehmer nicht nach der anvisierten Vergütungsgruppe zu entlohnen ist. Im Fall der Zustimmungsersetzung wäre zwischen den Arbeitsvertragsparteien verbindlich, dass der Arbeitnehmer jedenfalls nach der vom Arbeitgeber anvisierten Vergütungsgruppe zu bezahlen ist. Darüber hinaus kann er aber weiterhin Lohn nach einer höheren Vergütungsgruppe verlangen, weil diese nicht Gegenstand der Prüfung im Zustimmungsersetzungsverfahren war und sich die Rechtskraft nur auf die konkret geprüfte Vergütungsgruppe beschränkt. 2. Mit rechtskräftiger Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) hinsichtlich einer Einstellung und Versetzung wird dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Arbeitnehmer kann nicht mehr beschäftigt werden. Das folgt aus dem System der §§ 99 ff BetrVG, welches eine Zustimmung der Belegschaftsvertretung zu der tatsächlichen Maßnahme voraussetzt. Dennoch reicht die bloße Mitbestimmungswidrigkeit ebensowenig wie ein Vorgehen des Betriebsrats nach § 101 BetrVG aus, um rechtliche Unmöglichkeit eintreten zu lassen. Die Zustimmung kann noch erteilt oder gerichtlich ersetzt werden. Erst mit rechtskräftiger Ablehnung des Zustimmungsersetzungsantrags steht fest, dass die Zustimmung nicht mehr erreicht wird. a) Der mitbestimmungswidrig eingestellte Arbeitnehmer kann wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit, die aus der rechtlichen Unmöglichkeit resultiert, gekündigt werden. Im Individualprozess wird nicht erneut geprüft, ob dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich ist. Vielmehr kann sich der Arbeitgeber auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit als Tatsache berufen, die er mit der rechtskräftigen Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG beweisen kann. Darin ist aber keine präjudizielle Wirkung der Entscheidung aus dem Beschlussverfahren zu sehen. Aufgrund der Trennung der kollektiven von der individualrechtlichen Ebene spielt die fehlende Zustimmung und die Mitbestimmungswidrigkeit im Individualprozess gerade keine Rolle. Vielmehr kann die Konstellation mit einer „Tatbestandswirkung“ verglichen werden. Die rechtskräftige Abweisung des Zustimmungsersetzungsantrags ist Voraussetzung für den Eintritt der Unmöglichkeit, die wiederum zu der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit führt. Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu beteiligen, da er unmittelbar in einer Rechtsposition betroffen wird. Die Betroffenheit in einer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition ist nicht erforderlich. Diese Einschränkung ist mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.

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b) Ist ein Änderungsvertrag Grundlage der Versetzung und können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf eine erneute Änderung der Vertragsbedingungen einigen, kann der Arbeitgeber ebenfalls eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen. Auch hier stellt die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit den Kündigungsgrund dar. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit wird im Individualprozess nicht erneut geprüft. Der Arbeitgeber kann sich auf die rechtskräftige Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG berufen. Der Arbeitnehmer ist am Zustimmungsersetzungsverfahren zu beteiligen (§ 83 Abs. 3 ArbGG). c) Bei der Versetzung kraft Änderungskündigung und Direktionsrechts ist zu differenzieren, ob die Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor der Änderungskündigung oder der Ausübung des Direktionsrechts erfolgt ist oder danach. aa) Ist schon vor Ausspruch der Änderungskündigung oder der Ausübung des Direktionsrechts der Antrag auf Zustimmungsersetzung rechtskräftig abgelehnt worden, stand schon zu dem Zeitpunkt fest, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem neuen Arbeitsplatz rechtlich unmöglich ist. Damit war sowohl das Ziel der Änderungskündigung als auch das der Ausübung des Direktionsrechts nie erreichbar. Daraus folgt, dass die Änderungskündigung unwirksam ist und das Direktionsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt wurde. Im Individualprozess kann der Arbeitnehmer die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit auf dem neuen Arbeitsplatz anführen und sich zum Beweis auf die rechtskräftig zurückgewiesene Zustimmungsersetzungsentscheidung als Tatsache berufen. bb) Wurde der Zustimmungsersetzungantrag dagegen erst nach Ausspruch der Änderungskündigung oder der Ausübung des Direktionsrechts rechtskräftig zurückgewiesen, berührt das die individualrechtliche Maßnahme nicht. Für die Wirksamkeit der Änderungskündigung oder die Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen können nur Umstände maßgeblich sein, die zu diesem Zeitpunkt schon vorlagen. Damit kommt es zu einem Auseinanderfallen der vertraglichen und individualrechtlichen Grundlage auf der einen und den tatsächlichen Verhältnissen auf der anderen Seite: Der Arbeitsvertrag wurde durch die Änderungskündigung ggf. wirksam geändert oder dem Arbeitnehmer wurde zunächst wirksam ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen. Jedoch kann der Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit nicht mehr beschäftigt werden. Der Arbeitnehmer behält aber nach § 615 S. 3 BGB seinen Lohnanspruch nach Bedingungen des geänderten Vertrags. Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer können sich im Individualprozess auf Ergebnisse des Beschlussverfahrens berufen. Der Streitgegenstand des einen Verfahrens ist keine Vorfrage des jeweils anderen, so dass eine präjudizielle Wirkung ausscheidet. Damit setzt sich die Trennung der individualrechtlichen von der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene fort.

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Um die rechtliche Ebene der tatsächlichen wieder anzupassen, hat der Arbeitnehmer im Fall der Änderungskündigung einen Anspruch auf Vertragsänderung und bei einer Versetzung kraft Direktionsrechts einen Anspruch auf Rückversetzung. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nicht nach, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Vergütung entsprechend den früheren Arbeitsbedingungen (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB). Ist dem Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs nicht möglich oder weigert sich der Arbeitnehmer, im Falle der Änderungskündigung einen entsprechenden Änderungsvertrag abzuschließen, kann der Arbeitgeber eine (Änderungs-)Kündigung aussprechen. Wie auch bei der Einstellung und der Versetzung kraft Änderungsvertrags stellt die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit den Kündigungsgrund dar, den der Arbeitgeber mit der Entscheidung nach § 99 Abs. 4 BetrVG beweisen kann. Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren zu beteiligen (§ 83 Abs. 3 ArbGG). IV. Obsiegt der Betriebsrat im Verfahren nach § 104 S. 2 BetrVG und wird der Arbeitgeber durch rechtskräftigen Beschluss angewiesen, einen Arbeitnehmer zu entlassen, muss der Arbeitgeber die Entscheidung umsetzen. Als Kündigungsgrund kommt zunächst der Sachverhalt in Betracht, der dem Verlangen des Betriebsrats zugrunde liegt. Mit der rechtskräftigen Entscheidung wird dem Arbeitgeber aber auch die Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich. Daher kann die Kündigung auch auf die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit gestützt werden. Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit wird im Kündigungsschutzprozess nicht erneut geprüft. Der Arbeitgeber kann sich auch hier auf die rechtskräftige Entscheidung stützen. Der Arbeitnehmer ist am Beschlussverfahren zu beteiligen (§ 83 Abs. 3 ArbGG). V. Geht ausnahmsweise das Urteilsverfahren dem Beschlussverfahren voraus, hat die im Individualprozess ergangene Entscheidung keine Wirkung auf das Beschlussverfahren. VI. Nebenintervention und Streitverkündungen können nur bedingt zu weiteren Bindungswirkungen zwischen Beschluss- und Urteilsverfahren führen, da deren Voraussetzungen überwiegend nicht erfüllt sind. Lediglich wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer höhergruppiert hat, der Betriebsrat widerspricht und im Beschlussverfahren obsiegt, ist es für den Arbeitgeber sinnvoll, dem Arbeitnehmer den Streit zu verkünden. Der Arbeitnehmer ist dann an das Ergebnis und gewisse Feststellungen des Zustimmungsersetzungsverfahrens gebunden. VII. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren scheidet eine Beiladung aus, da das Arbeitsgerichtsgesetz auf die Zivilprozessordnung verweist. Somit sind auch vorhandene Lücken in der Verweisung durch einen Rückgriff auf diese Verfahrensordnung zu lösen.

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VIII. Auch die Zwischenfeststellungsklage kann nicht zu einer Harmonisierung der Verfahren beitragen. Die Feststellung, ob einzelne Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegen, kann für das Individualverfahren nicht präjudiziell sein, da beide Prüfungen einen anderen Anknüpfungspunkt haben. Im Individualverfahren wird die vertragliche Grundlage, genauer die individualrechtliche Weisung als Rechtsgeschäft, überprüft und im Beschlussverfahren die Zustimmung zu der tatsächliche Maßnahme. IX. Eine Aussetzung eines der beiden Verfahren bis zum Abschluss des anderen nach § 148 ZPO scheidet aus, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Erforderlich für eine direkte Anwendung der Norm ist, dass das Ergebnis eines Verfahrens für das andere präjudiziell ist. Auch für eine analoge Anwendung ist Voraussetzung, dass die Entscheidung für den anderen Prozess rechtlich verbindlich ist. Das ist gerade nicht der Fall. X. Eine Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO scheitert an den unterschiedlichen Prozessmaximen: Untersuchungsgrundsatz im Beschluss- und Verhandlungsgrundsatz im Urteilsverfahren.

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Sachwortverzeichnis Änderungskündigung 52 ff – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 53 f, 84 ff – Ein- und Umgruppierung 49 – Erweiterung des Direktionsrechts 86 – Versetzung 50 Änderungsschutzklage 52 Annahmeverzug 69 ff, 76 ff, 88, 94 Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG – siehe Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG außerordentliche Kündigung Betriebsratsmitglied 100 ff – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 106 – Mitbestimmung 101 ff – Mitbestimmung nach dem BetrVG 1952 35 Beiladung 295 ff Beschäftigungsanspruch 65, 76 ff, 79 ff Beschlussverfahren 119 ff – Zustimmungsersetzungsverfahren 44, 104 f Beteiligter – Beschlussverfahren 120 – Rechtskraft 155 ff – Verfahren nach § 104 BetrVG 181 f – Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG 173, 249 ff, 265 – Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG 104 Betriebsrisikolehre 70 ff Betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot 51, 74, 80 f, 84 Bindungswirkung – § 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung kraft Änderungskündigung 261 ff

– § 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung kraft Änderungsvertrags 244 ff – § 99 Abs. 4 BetrVG Versetzung kraft Direktionsrechts 266 – § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG 205 ff – § 103 Abs. 3 BetrVG 240 ff – § 104 BetrVG 277 ff – Analyse 199 ff – aus materiellem Recht 203 ff – eigenes Rechtsinstitut 201 f – Ein- und Umgruppierung 269 ff – Einstellung 277 – Literatur 165 ff, 172 ff, 178 ff, 182 – materielle Abhängigkeit 204 – Rechtsprechung 161 ff, 169 ff, 176 ff, 181 – relevante Konstellationen 186 ff – Repräsentation 202, 204 f – übergreifendes Prinzip 200 ff Direktionsrecht – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 54, 95 ff – Erweiterung durch Änderungskündigung 86 Eingruppierung – Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung 40 – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 55, 98 – Begriff 40 – Mitbestimmung nach dem BetrVG 1952 36 – Rechte des Arbeitnehmers 49 – Regelungsbedarf 304 f

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Sachwortverzeichnis

Einstellung – Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung 39 – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 51, 62 ff – Begriff 37 f – Mitbestimmung nach dem BetrVG 1952 36 f – Rechte des Arbeitnehmers 50 Einstweilige Verfügung 47 Entlassung 111, 113 ff Feststellungsklage – des Arbeitnehmers 50 – des Betriebsrats 47 ff Gestaltungsentscheidung 272 ff – Rechtskraft 152 f, 207 f, 272 ff – Vergleich mit Feststellungsentscheidung 214 ff Gestaltungswirkung 152 Globalantrag 47 ff Interventionswirkung 153, 290 ff – Abgrenzung Rechtskraft 148 f

– nach dem BetrVG 1952 35 ff – nach § 104 BetrVG 111 ff – Verfahren 41 ff, 101 ff, 107 f – Versetzung – siehe dort – Versetzung Betriebsratsmitglied – siehe dort – vorläufige Maßnahmen 42 ff Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 BetrVG 45 f – Aufhebungsantrag 45 – Auswirkung auf die Unmöglichkeit 65, 68, 95 – Ein- und Umgruppierung 46 – Leistungshindernis bei § 275 Abs. 3 BGB 78 – Verhältnis zum Zustimmungsersetzungsverfahren 45 – Versetzung Betriebsratsmitglied 110 – vorläufige Maßnahmen 49 – Zwangsgeld 46 Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 104 BetrVG 112 – individualrechtliche Folgen 112 ff Mitbestimmungswidrigkeit

Kündigung – Aufgrund der Unmöglichkeit 72 ff, 88, 94 – Betriebsratsmitglied 35 f, 100 Leistungsverweigerungsrecht – des Arbeitgebers 76 ff, 93, 95 – des Arbeitnehmers 82, 90 ff, 95, 109 Lohnanspruch 69 ff, 76, 88, 94, 96, 110

– Auswirkung bei § 99 Abs. 4 BetrVG 51 ff, 56 ff – Auswirkung bei § 103 Abs. 1 BetrVG 106 – Auswirkung bei § 103 Abs. 3 BetrVG 108 ff – Leistungshindernis bei § 275 Abs. 3 BGB 80 ff – Rechte des Betriebsrats 45 ff – Rechte des Arbeitnehmers 49 ff

Mitbestimmungsrechte – außerordentliche Kündigung Betriebsratsmitglied – siehe dort – des Betriebsrats 34 – Ein- und Umgruppierung – siehe dort – Einstellung – siehe dort – Historische Entwicklung 35 ff

– Unmöglichkeit 63 ff, 85, 94, 96 Nebenintervention 284 ff – im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren 285 ff – Voraussetzungen und Folgen 289 ff

Sachwortverzeichnis Personelle Einzelmaßnahmen 33 ff präjudizielle Wirkung – § 99 Abs. 4 BetrVG – Versetzung 169, 173 ff, 244 ff, 262 f, 266 – § 99 Abs. 4 BetrVG – Ein- und Umgruppierung 176 f, 178 f, 271 ff – § 99 Abs. 4 BetrVG – Einstellung 180 – § 103 Abs. 2 BetrVG 162 ff, 166 ff, 206 ff – § 103 Abs. 3 BetrVG 240 ff – § 104 BetrVG 181, 278, 280 – §§ 111, 113 BetrVG 185 – Unterlassungsklage 137 ff – Rechtskraftwirkung 150 Präklusion – § 103 BetrVG 162 ff, 166 ff – § 104 BetrVG 182 – Bestimmung durch Urteilsgründe 131 – Rechtskraftwirkung 150 Rechtskraft – § 99 Abs. 4 BetrVG 200 – § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG 161, 200, 206 – § 104 BetrVG 181 – Abgrenzungen 151 ff – Änderungsschutzklage 201 – Arbeitsgerichtliches Verfahren 155 ff – Bedeutung der Urteilsgründe 129 ff – Bindungswirkung – siehe dort – Drittwirkung 144, 146 ff – Erweiterung 133, 143 ff, 275 – Feststellungsklage 201 – formelle 125 – gegenseitiger Vertrag 135, 140 ff – Gestaltungsentscheidung 207 – Gestaltungsurteil 152 – Grundbuchberichtigungsanspruch 135 ff – im Zivilprozess 125 ff – kraft materieller Abhängigkeit 144, 186, 204, 250 – kraft Sinnzusammenhängen 134 ff

– – – – – – – – – – –

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Kündigungsschutzklage 200 materielle 126 ff objektive Grenzen 126 ff subjektive Grenzen 143 ff, 230 ff, 274 tatsächliche Feststellungen 129 teleologische Reduktion 135 ff Unterlassungsklage 135, 137 ff Untersuchungsgrundsatz 157 Vorfragen 129, 164 ff, 170 ff, 174 Wirkungen 149 ff Zweck 126 f

Schadensersatz 89, 96 Streitgegenstand 127 ff – § 99 Abs. 4 BetrVG – Versetzung 245 ff – § 99 Abs. 4 BetrVG – Ein- und Umgruppierung 178, 276 – § 103 Abs. 2 BetrVG 161 f, 165, 200, 207 ff – § 103 Abs. 3 BetrVG 240 f – § 104 BetrVG 278 – Bestimmung durch Urteilsgründe 129 ff Streitverkündung 284 ff – im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren 285 ff – Voraussetzungen und Folgen 290 ff Tatbestandswirkung 152, 246 f, 249 Umgruppierung – siehe Eingruppierung Unmöglichkeit – § 104 BetrVG 114 – Arbeitsleistung des Arbeitnehmers 64 – Auswirkung auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers 68 – Beschäftigung 64 ff, 85 – Einstellung 63 ff – Folgen für den Lohnanspruch 69 ff – Kündigung 72 ff – Versetzung 85, 94 f, 96 – vorläufige Maßnahmen 99

332

Sachwortverzeichnis

Unterlassungsanspruch – § 23 Abs. 3 BetrVG 46 f – allgemeiner 47 Unterrichtungspflicht – § 99 BetrVG 41 – § 103 BetrVG 103, 107 Untersuchungsgrundsatz 122 – Rechtskraft 157 Urteilsverfahren 119 ff Verfahrensaussetzung 299 ff Verfahrensverbindung 304 Versetzung – Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung 39 f – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 51 ff, 84 ff – Begriff 39 – Betriebsratsmitglied 106 ff – Folge des § 104 BetrVG 116 – kraft Änderungskündigung 52 ff, 84 ff – kraft Änderungsvertrag 52, 94 f – kraft Direktionsrecht 54, 95 ff, 106 – Mitbestimmung nach dem BetrVG 1952 35 – Rechte des Arbeitnehmers 50 – Regelungsbedarf 305

vorläufige Maßnahmen – Auswirkung Mitbestimmungswidrigkeit 56, 57 ff, 99 – Mitbestimmung 42 ff – Mitbestimmungssicherungsverfahren 49 – Zustimmungsersetzungsverfahren 44 Wiederherstellungsanspruch 88 ff, 94 Zustimmungseinholung 41, 103 f Zustimmungsersetzungsverfahren – § 99 Abs. 4 BetrVG 44 – § 103 Abs. 2 BetrVG 104 ff, 108 – Auswirkung auf die Unmöglichkeit 66 ff – Beteiligung des Arbeitnehmers – siehe Beteiligung – Bindungswirkung – siehe dort – Rechtskraft – siehe dort – Verhältnis zum Verfahren nach § 101 BetrVG 45 Zustimmungsverweigerung Folgen 50 ff, 106, 108 f Zustimmungsverweigerungsgründe 90 ff, 96 f Zwangsgeld 46, 65, 78 f, 81, 112 Zwischenfeststellungsklage 132 f, 298