Raumordnung und Private: Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben. Zugleich ein Beitrag zur raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen [1 ed.] 9783428498208, 9783428098200

Die Autorin befaßt sich mit einem der interessantesten Themen des neuen Raumordnungsrechts (ROG 1998): Den direkten Bind

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Raumordnung und Private: Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben. Zugleich ein Beitrag zur raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen [1 ed.]
 9783428498208, 9783428098200

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Margarete Spiecker · Raumordnung und Private

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 788

Raumordnung und Private Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben Zugleich ein Beitrag zur raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen

Von Margarete Spiecker

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Spiecker, Margarete: Raumordnung und Private : die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben ; zugleich ein Beitrag zur raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen / von Margarete Spiecker. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 788) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09820-X

D 355 Alle Rechte vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09820-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1998 bei der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation eingereicht. Sie ist im August 1998 abgeschlossen worden, bis Dezember 1998 erschienene Rechtsprechung und Literatur wurde jedoch in den Fußnoten noch weitgehend berücksichtigt. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle vor allem bei Herrn Prof. Dr. Reinhard Hendler. Er hat die Untersuchung des Themas angeregt und die Entstehung der Dissertation mit fachlichem Rat und persönlichem Verständnis begleitet. Auch beließ er mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl genügend Zeit zur Anfertigung der Arbeit, die infolge der Raumordnungsnovelle 1998 noch einmal grundlegend überarbeitet werden mußte. Gedankt sei auch Herrn Prof. Dr. Udo Steiner für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dankenswerterweise eine Druckbeihilfe für die Veröffentlichung der Dissertation gewährt. Auch bei meinen Eltern möchte ich mich herzlich bedanken. Sie sicherten die finanzielle Basis meines Studiums und leisteten mir auch sonst jegliche Art von Unterstützung. Herrn Micha Schulte-Middelich danke ich für seine wertvolle Hilfe bei der Endredaktion und für die Erststellung der Druckvorlage.

Regensburg, im Januar 1999 Margarete Spiecker

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel

Einführung in die Problemstellung

25

A. Begriffliche Klärungen 25 I. Allgemeines zum Wesen der Raumordnung und zum ROG 1998 25 II. Die Raumordnungsplanung als das wichtigste Handlungsinstrument der Raumordnung 26 1. Raumordnungsplanung 27 a) Raumbezug 28 b) Überörtlichkeit 29 b) Oberflächlichkeit 29 c) Fehlende unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem einzelnen 30 2. Sonstige Handlungsinstrumente der Raumordnung und Abgrenzungen 32 III. Ziele und Grundsätze der Raumordnung als Erfordernisse der Raumordnung.. 33 1. Allgemeine Charakterisierung der Ziele der Raumordnung 33 2. Allgemeine Charakterisierung der Grundsätze der Raumordnung 35 3. Die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung, insbesondere das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens 36 a) Allgemeines zu den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung 36 b) Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens 37 B. Ziele und Grundsätze der Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben.. 40 I. Transformierende außenwirksame Planungen öffentlicher Stellen (mediatisierte Bindungswirkung) 41 II. Direkte Bindungswirkung 42 1. Bedürfnis nach direkten Bindungswirkungen bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen 43 2. Das Umsetzungsdefizit bei der Bauleitplanung 44 3. Die zunehmende Konkretheit der raumordnungsplanerischen Aussagen angesichts gesteigerter Anforderungen an die Raumordnungsplanung 47

8

nsverzeichnis III. Beschränkung der Untersuchung auf die direkten Bindungswirkungen bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen sowie auf die Genehmigung von Vorhaben nach § 35 BauGB

50

C. Die beispielhafte Darstellung anhand der Zulassungsentscheidungen über Kiesabgrabungen 51 D. Gang der Untersuchung

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Zweites Kapitel

Ziele und Grundsätze der Raumordnung A. Die normtheoretische Betrachtung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung I. Ziele der Raumordnung als „Regeln" und Grundsätze der Raumordnung als „Prinzipien" II. Die Qualifizierung der Grundsätze der Raumordnung als einfache Prinzipien oder relative Vorrangregelungen B. Die wichtigsten Anforderungen an Ziele der Raumordnung im einzelnen I. Formelle Anforderungen II. Materielle Anforderungen 1. Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes: Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung a) Raumbezug und Überörtlichkeit, insbesondere zum zulässigen Detaillierungsgrad der Ziele b) Oberflächlichkeit 2. Räumliche und sachliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Ziele der Raumordnung a) Räumliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit b) Sachliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit 3. Vom Träger der Landes- oder Regionalplanung vorgenommene Abwägung und das Abwägungsgebot gem. § 7 Abs. 7 S. 1 ROG a) Ermittlungs- und Feststellungsphase, insbesondere zu den abwägungserheblichen Belangen aa) Erkennbarkeit bb) „Von Bedeutung" cc) Maßgeblichkeit der jeweiligen Planungsebene b) Bewertungsphase

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59 59 62 66 66 67 67 68 72 73 74 76 77 78 79 80 84 85

nsverzeichnis c) Die Abwägung im eigentlichen Sinne 4. „Abschließende" Abwägung und Verbindlichkeitsanspruch a) Zielkonflikte b) Ausnahmeregelungen c) Sollvorschriften d) „In-der-Regel"-Formulierungen 5. Das raumordnungsrechtliche Entwicklungsgebot 6. Begründungspflicht 7. Kennzeichnung als Ziele der Raumordnung

9 85 86 87 88 91 91 93 93 93

C. Die wichtigsten Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung im einzelnen.... 94 I. Formelle Anforderungen 94 1. Grundsätze im ROG und in den Landesplanungsgesetzen 94 2. Grundsätze in Raumordnungsplänen 95 II. Materielle Anforderungen 97 1. Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Raumes: Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung 97 2. Allgemeine Aussagen als Vorgabe für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen 100 3. Kein Widerspruch der landesrechtlichen Grundsätze zu der Aufgabe und den Leitvorstellungen der Raumordnung und den bundesrechtlichen Grundsätzen 103 4. Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG bei Grundsätzen in Raumordnungsplänen 104 D. Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben I. Allgemeines zum System der Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung 1. Rechtsgrundlagen für die Bindungswirkung a) Die Vorschriften des Raumordnungsgesetzes und der Landesplanungsgesetze b) Spezialgesetzliche Regelungen in Fachgesetzen 2. Bindungsgegenstände der Ziele und Grundsätze der Raumordnung a) Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen aa) Planungen, Vorhaben und sonstige Maßnahmen bb) Raumbedeutsamkeit ( 1 ) Raumbeanspruchung (2) Raumbeeinflussung b) Behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen

104 104 104 105 105 106 106 107 108 109 109 113

10

nsverzeichnis

3. Adressatenkreis der Bindung 113 a) Öffentliche Stellen 113 b) Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 3 ROG 114 c) Sonstige Personen des Privatrechts 116 4. Verschiedene Grade der Bindungsintensität: Beachtens- und Berücksichtigungspflichten 117 a) Beachtenspflichten 117 aa) Strikte Negativwirkung 117 bb) Strikte Positivwirkung 118 cc) Aktiv-planerische Wirkung und Anpassungspflicht 120 b) Berücksichtigungspflichten 124 5. Zielabweichungsverfahren 125 II. Direkte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben 127 1. Planfeststellungen und Plangenehmigungen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG).... 127 a) Anwendungsbereich 127 b) Gesetzgebungskompetenzen 129 2. Sonstige behördliche Zulassungsentscheidungen (§ 4 Abs. 4, 5 ROG i.V.m. fachgesetzlichen Zulassungstatbeständen) 131 a) Berücksichtigung der Ziele nach § 4 Abs. 4 ROG i.V.m. fachgesetzlichen Zulassungstatbeständen 131 aa) Zielberücksichtigungsklauseln 132 bb) Gemeinwohlklauseln 133 b) Weitergehende Bindungsintensität der Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 5 ROG i.V.m. dem Fachrecht 134 aa) Erweiterte Negativwirkung der Ziele 134 bb) Erweiterte Positivwirkung der Ziele 136 III. Direkte Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über raumbedeutsame private Vorhaben 137 1. Berücksichtigung nach § 4 Abs. 4 ROG i.V.m. dem Fachrecht 137 2. Keine weitergehende Bindungsintensität der Grundsätze der Raumordnung nach § 4 Abs. 5 i.V.m. dem Fachrecht 139 Drittes Kapitel

Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen A. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen I.Bergrecht II. Wasserrecht

141 141 142 145

nsverzeichnis

11

1. Planfeststellungsverfahren (§ 31 Abs. 2 WHG) 146 a) Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens bei Naßauskiesungen 147 aa) Rechtsprechung und Literatur zu § 31 WHG a.F 147 bb) Die Regelung des § 31 Abs. 2 WHG n. F 148 b) Umfassende Konzentrationswirkung der Planfeststellung 150 2. Plangenehmigung (§ 31 Abs. 3 WHG) 151 a) Voraussetzungen für eine Plangenehmigung bei Naßauskiesungen 152 b) Konzentrationswirkung der Plangenehmigung 154 3. Erlaubnis und Bewilligung (§§ 2, 7, 8 WHG) 156 a) Erfordernis einer Erlaubnis oder Bewilligung bei Kiesabgrabungen 157 aa) Naßauskiesungen 157 bb) Trockenauskiesungen 158 b) Fehlende Konzentrationswirkung 159 III. Bauordnungsrecht 159 IV. Das Abgrabungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen 160 V. Naturschutz- und Landschaftspflegerecht 162 1. Spezielle naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Abgrabungsvorhaben 162 2. Subsidiäre landesrechtliche Genehmigungsverfahren für Eingriffe in Natur und Landschaft 164 VI. Bodenschutzgesetze 165 VII. Immissionsschutzrecht 167 VIII. Sonstige behördliche Zulassungsentscheidungen 168 IX. Zusammenfassung 170 B. Allgemeines zum Entscheidungsprogramm bei der Genehmigung von Kiesabgrabungen nach § 35 BauGB I. Anwendbarkeit des § 35 BauGB auf Kiesabgrabungen nach § 29 Abs. 1 BauGB II. Die Struktur der Genehmigungsentscheidung nach § 35 BauGB 1. Kiesabgrabungen als privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB 2. „Entgegenstehende Belange" i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB und nachvollziehende Abwägung III. Der Anspruch auf Genehmigung und Eigentumsschutz bei Kiesabgrabungen 1. Die Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2. Die Rechtsprechung des BGH nach der Naßauskiesungsentscheidung 3. Stellungnahme

171 172 174 175 179 181 183 185 186

12

nsverzeichnis

C. Allgemeines zum Entscheidungsprogramm bei der Planfeststellung und Plangenehmigung von Kiesabgrabungen 188 I. Planfeststellung 188 1. Die Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung a) Allgemeines b) Naßauskiesungen als privat- oder gemeinnützige Ausbauvorhaben 2. Zwingende gesetzliche Vorgaben 3. Materielle Konzentration baurechtlicher Belange im Rahmen des § 38 BauGB a) Anwendbarkeit des § 38 BauGB auf planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen b) „Von überörtlicher Bedeutung" i.S.d. § 38 BauGB aa) Rechtsprechung und Schrifttum bb) Stellungnahme 4. Die Abwägungsentscheidung a) Bestehen einer planerischen Gestaltungfreiheit der Planfeststellungsbehörde aa) Umfassende planerische Abwägung bb) Fehlen bzw. Beschränkung einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde cc) Stellungnahme im Hinblick auf die Planfeststellung bei Naßauskiesungen ( 1 ) Planfeststellung als vorhabenbezogene Planung (2) Eigentumsschutz bei der planfeststellungsbedürftigen Naßauskiesung und planerische Gestaltungsfreiheit (3) Ergebnis b) Das Abwägungsgebot und relative Vorrangregelungen II. Plangenehmigungen 1. Plangenehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung 2. Sonstige Plangenehmigungen

190 190 194 195 199 200 202 202 204 205 205 206 207 209 209 212 213 214 215 216 217

Viertes Kapitel

Ziele und Grundsätze der Raumordnung mit besonderer Relevanz für den Kiesabbau

220

A. Der allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG

221

B. Allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsätze in den Landesplanungsgesetzen

223

nsverzeichnis

13

C. Wichtige weitere allgemeine Grundsätze der Raumordnung mit Bedeutung für Kiesabbauvorhaben

224

D. Allgemeine Konzentrationsanordnungen ohne konkreten Gebietsbezug

225

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen I. Vorranggebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG 1. Qualifizierung als Ziel der Raumordnung 2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau.... 3. Anforderungen an Vorranggebiete 4. Überlagerung von Vorranggebieten II. Vorbehaltsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG 1. Qualifizierung als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung a) Literatur und Rechtsprechung b) Stellungnahme 2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau.... 3. Anforderungen an Vorbehaltsgebiete III. Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG 1. Qualifizierung als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung a) Außergebietliche Aussage b) Innergebietliche Aussage 2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau.... a) Privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB b) Planfeststellungsbedürftige Vorhaben 3. Anforderungen an die Abwägung a) Die Abwägung im Hinblick auf die außergebietliche Ausschlußwirkung: Das Problem der globalen Abwägung und Ausnahmeregelungen b) Abwägung im Hinblick auf die innergebietliche Eignung, insbesondere zur Größe von Eignungsgebieten 4. Die Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung.... 5. Das Verbot der unzulässigen Negativplanung a) Das Verbot der unzulässigen Negativplanung im Städtebaurecht b) Das Verbot der unzulässigen Negativplanung im Raumordnungsrecht.... 6. Planungssystematische Überlegungen: Die Möglichkeiten der außergebietlichen Transformation durch Bauleitpläne 7. Zusammenfassung IV. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 2 ROG 1. Qualifizierung als Ziel der Raumordnung

227 228 228 229 230 233 235 235 235 237 239 240 241 241 241 242 246 247 248 249 251 257 259 260 261 263 267 269 269 270

14

nsverzeichnis

2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf die Kiesgewinnung 3. Besondere Anforderungen an Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten V. Sicherungsgebiete VI. Sanierungs- und Entwicklungsgebiete VII. Ausgleichsgebiete

270 271 272 274 275

F. Abgrabungsquoten 276 I. Vorgaben zur Schaffung der räumlichen Voraussetzungen zur Erreichung von Mindestgewinnungsquoten 276 II. Obergrenzen für Abbau- und Transportmengen bzw. saisonale Beschränkungen der Bodenschätzegewinnung 278 Fünftes Kapitel

Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei der Genehmigung von Kiesabgrabungen nach § 35 BauGB A. Die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung im Rahmen von § 35 BauGB I. § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB 1. Tatbestandliche Voraussetzungen a) Vorliegen konkreter Ziele der Raumordnung aa) Spezielle Anforderungen an die räumliche Konkretheit bb) Spezielle Anforderungen an die sachliche Konkretheit b) Anwendbarkeit bei Gebietsfestlegungen c) Unterstützung und Fortschreibung tatsächlicher Gegebenheiten bzw. keine Funktionslosigkeit des Raumordnungsziels d) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung und Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung 2. Rechtsfolge a) Grammatische Auslegung b) Historische Auslegung c) Systematische Auslegung d) Teleologische Auslegung e) Eigentumsschutz aa) Zielbindung und Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. bb) Entschädigungsfragen ( 1 ) Rechtsprechung und Literatur

280 281 281 282 282 284 285 287 288 290 292 293 294 294 295 297 297 303 303

nsverzeichnis (2) Bestehen einer verfassungsrechtlich gebotenen Entschädigungspflicht im Hinblick auf eine strikte Zielbindung (3 ) Lösungsmöglichkeiten f) Ergebnis II. § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB 1. Tatbestandliche Voraussetzungen a) Darstellung von Kiesabbauvorhaben als Ziel der Raumordnung b) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung 2. Rechtsfolge a) Abwägungserhebliche öffentliche Belange b) Transparenz der Abwägung c) Bindungsintensität sowie Abschichtung privater Belange III. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB 1. Tatbestandliche Voraussetzungen a) Ausweisung durch Darstellung als Ziel der Raumordnung an anderer Stelle aa) Zielförmiger außergebietlicher Ausschluß bb) Zielförmige innergebietliche Festlegung cc) Ergebnis b) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung aa) Maßgebliche Kriterien für die Raumbedeutsamkeit von Vorhaben in Rechtsprechung und Literatur bb) Stellungnahme 2. Rechtsfolge a) Entgegenstehen öffentlicher Belange b) Die „In-der-Regel-Klausel" aa) Rechtsprechung und Literatur zu atypischen Ausnahmefällen bb) Stellungnahme cc) Ergebnis c) Eigentumsschutz B. Die Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB I. Überörtliche Belange als öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB II. Nachvollziehende Abwägung als Abwägungsentscheidung i.S.d. § 3 Nr. 3 ROG III. Bestimmheitsgrundsatz IV. Ergebnis

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305 312 316 316 317 317 318 320 320 321 322 324 325 325 325 326 331 331 332 334 338 338 340 340 341 343 343

345 346 347 349 349

16

nsverzeichnis Sechstes Kapitel

Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei planfeststellungsbzw. plangenehmigungsbedürftigen Naßauskiesungen A. Planfeststellung

351 351

I. Die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung 1. Allgemeines zur Funktion des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG 2. Gesetzgebungskompetenz a) Rahmengesetzgebung für das Wasserhaushaltsrecht b) Erforderlichkeit der Regelung c) Unmittelbar geltende Regelung 3. Negativwirkung a) Voraussetzungen der Negati vwirkung aa) Erforderliche Konkretheit der Ziele bb) Raumbedeutsamkeit des Kiesabbauvorhabens b) Rechtsfolge aa) Strikte Negativwirkung und Wirkung bei Eignungsgebieten bb) Grundeigentumsschutz 4. Positivwirkung 5. Keine aktiv-planerische Wirkung II. Die Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung B. Plangenehmigungen I. Plangenehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung II. Sonstige Plangenehmigungen

351 351 352 353 353 354 355 355 355 357 358 358 359 360 361 362 363 363 364

Siebtes Kapitel

Überlegungen zu den Landesplanungsgesetzen de lege ferenda im Hinblick auf Zielbeachtenspflichten bei Zulässigkeitsentscheidungen über private Vorhaben A. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung I. Äußerungen in der Literatur zur gesetzlichen Regelung von bestimmten Aussagetypen für Ziele der Raumordnung II. Stellungnahme 1. Allgemeines zum Wesentlichkeitsvorbehalt im Bereich der Raumordnung.. 2. Mehrschichtige gesetzliche Ermächtigung für Raumordnungspläne

365 366 368 372 372 375

nsverzeichnis 3. Konsequenzen für das Erfordernis gesetzlicher Aussagetypen

17 376

4. Veranschaulichung am Beispiel der Zielaussagen mit besonderer Relevanz für den Kiesabbau 382 B. Unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung I. Bürgerbeteiligung im geltenden Raumordnungsrecht und Einführung in die Problemstellung II. Äußerungen in der Literatur III. Kritische Würdigung 1. Kompetenzrechtliche Überlegungen 2. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz durch Planungsverfahren im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung: Kompensation des weiten Gestaltungsspielraums öffentlicher Planung durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren 3. Das Abwägungsgebot und Konsequenzen für die Gestaltung des Planaufstellungsverfahrens 4. Parallelen zum Erfordernis der Beteiligung von Gemeinden bei der Zielaufstellung 5. Praktikabilität und Verfahrensverzögerung 6. Kritische Überlegungen zur Ausweisung konkreter Ziele der Raumordnung im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung 7. Ergebnis IV. Ausblick: Plan-UVP

383 383 386 388 388

389 391 395 396 398 402 403

Literaturverzeichnis

406

Sachwortverzeichnis

424

2 Spiecker

Abkürzungsverzeichnis a.F.

alte Fassung

a.A.

anderer Ansicht

AbfG

Abfallgesetz

AbgrG

Abgrabungsgesetz

Abi. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft

Abs.

Absatz/Absätze

AEG

Allgemeines Eisenbahngesetz

AgrarR

Agrarrecht

A11MB1.

Allgemeine Ministerialblätter

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

ARL

Akademie fur Raumforschung und Landesplanung

Art.

Artikel

AtomG

Atomgesetz

Aufl.

Auflage

BauGB

Baugesetzbuch

BauO LSA

Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt

BauO NW

Bauordnung Nordrhein-Westfalen

BauR

Baurecht (Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht)

BauROG

Bau- und Raumordnungsgesetz

BaWü

Baden-Württemberg

BaWüLplG

Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg

BaWüVGH

Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof

BayBO

Bayerische Bauordnung

BayGTzeitung

Zeitschrift des Bayerischen Gemeindetags

BayLplG

Bayerisches Landesplanungsgesetz

BayVBL

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BayVwVfG

Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz

BayWaldG

Bayerisches Waldgesetz

Abkürzungsverzeichnis BayWG

Bayerisches Wassergesetz

BB

Der Betriebsberater (Zeitschrift)

BBauBl.

Bundesbaublatt (Zeitschrift)

BBauG

Bundesbaugesetz

BBergG

Bundesberggesetz

BBodSchG

Bundes-Bodenschutzgesetz

Bd.

Band

Bdbg LV

Brandenburgische Landesverfassung

BdbgBauO

Brandenburgische Bauordnung

BdbgNatSchG

Brandenburgisches Naturschutzgesetz

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichshofs

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

BImSchV

Bundes-Immissionsschutzverordnung

Bin

Berlin(er)

BNatSchG

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege

BR-Drs.

Bundesratsdrucksache

BremNatSchG

Naturschutzgesetz Bremen

BremVwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz Bremen

BremWG

Wassergesetz Bremen

BT- Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BVwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes

BWaldG

Bundeswaldgesetz

bwLEP

Baden-Württembergisches Landesentwicklungsplan

ders.

derselbe

DÖV

Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

DVO

Durchfuhrungsverordnung

E

Entscheidungen

Einl.

Einleitung

Erl.

Erläuterungen

et al.

et alii, und andere

19

Abkürzungsverzeichnis

20 f.

folgende(r)

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote

FNP

Flächennutzungsplan

FS

Festschrift

FStrG

Bundesfernstraßengesetz

GG

Grundgesetz

GMBl.

Gemeinsames Ministerialblatt

GV. NW

Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

HdbStR

Handbuch des Staatsrechts

HessNatSchG

Hessisches Naturschutzgesetz

HLPIG

Hessisches Landesplanungsgesetz

Hmbg VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz Hamburg

HmbgNatSchG Naturschutzgesetz Hamburg HmbgVwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz Hamburg

Hrsg.

Herausgeber

HS.

Halbsatz

HWG

Hessisches Wassergesetz

i.d.F.

in der Fassung

i.E.

im Ergebnis

i.S.d.

im Sinne des/der

i.S.v.

im Sinne von

i.ü.

im übrigen

i.V.m.

in Verbindung mit

IzR

Informationen zur Raumentwicklung (Zeitschrift)

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

LBauO M.-V.

Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern

LEP eV

Gemeinsamer Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechungsraum Brandenburg-Berlin

LEP

Landesentwicklungsplan

LEPro

Landesentwicklungsprogramm

LG NW

Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen

Abkürzungsverzeichnis LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

LNatSchG SH

Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein

LPflGRP

Landespflegegesetz Rheinland-Pfalz

LP1G M.V.

Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung des Landes Mecklenburg-Vorpommern

LWaG M.-V.

Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern

LWG NW

Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MKRO

Ministerkonferenz für Raumordnung

n.F.

neue Fassung

NatSchG Bin

Naturschutzgesetz Berlin

NatSchG BW

Naturschutzgesetz Baden-Württemberg

NatSchG LSA

Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt

NatSchG SH

Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein

NatSchGMV

Naturschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern

Nds.

Niedersächsisch

NdsNatSchG

Niedersächsisches Naturschutzgesetz

NdsWG

Niedersächsisches Wassergesetz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer(n)

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

NV wZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht

NW

Nordrhein-Westfalen

NW AbgrG

Abgrabungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen

NWLP1G

Landesplanungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen

NWVB1.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

NWVB1.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

OVG

Oberverwaltungsgericht

OVGE

Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

Pis.

Plansatz

RdL

Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift)

RhPfLPIG

Landesplanungsgesetz Rheinland-Pfalz

Rn.

Randnummer

ROG

Raumordnungsgesetz

RoV

Raumordnungsverordnung

21

Abkürzungsverzeichnis

22 RuR

Raumforschung und Raumordnung (Zeitschrift)

S.

Satz, Seite

s.o.

siehe oben

s.u.

siehe unten

SaAnLPlG

Landesplanungsgesetz Sachsen Anhalt

SächsBO

Sächsische Bauordnung

SächsLPlG

Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen

SächsNatSchG Sächsisches Naturschutzgesetz SächsWG

Sächsisches Wassergesetz

SchlHA SH

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

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vgl.

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z.B.

zum Beispiel

Abkürzungsverzeichnis ZfB

Zeitschrift für Bergrecht

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht

ZfW

Zeitschrift für Wasserrecht

zit.

zitiert

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

23

Erstes Kapitel

Einführung in die Problemstellung A. Begriffliche Klärungen I. Allgemeines zum Wesen der Raumordnung und zum ROG 1998 Der Begriff und das System der Raumordnung sind wesentlich durch das Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 19541 geprägt worden. 2 Es ist offensichtlich, daß der Gesetzgeber sich auch bei Erlaß des ROG 1998 an den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in diesem Gutachten orientiert hat. Zum Begriff der Raumordnung stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß unter Raumordnung die zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes falle. Sie sei übergeordnet, weil sie überörtliche Planung sei und weil sie vielfältige Fachplanungen zusammenfasse und aufeinander abstimme. Die Raumordnungsplanung sei dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht unmittelbar die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regele.3 An die Begriffsbestimmung der Raumordnung des Bundesverfassungsgerichts hat sich der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 ROG auch bei der Beschreibung der Aufgabenstellung der Raumordnung angelehnt, wonach der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende, übergeordnete Raumordnungspläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßannahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern sind. Das Bundesverfassungsgericht 4 trifft im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen eine Unterscheidung zwischen der Raumplanung für den Gesamtstaat und der Raumordnung der Länder (Landesplanung). Für erstere 1

BVerfGE Vgl. zur guth!Runkel, 57. 3 BVerfGE 4 BVerfGE 2

3, S. 407 (427, 428). faktischen Verbindlichkeit des Baurechtsgutachtens Bielenberg!ErbRaumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 610 Rn. 53 ff., 3, S. 407 (425). 3, S. 407 (427 f.).

26

Erstes Kapitel: Einfuhrung in die Problemstellung

stehe dem Bund kraft Natur der Sache eine ausschließliche Vollkompetenz zu, während er die Raumordnung der Länder kraft Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG nur in den Grundzügen regeln könne.5 Da die Einpassung der Pläne ineinander zum allgemeinen Rahmen der Raumordnung gehöre, könnten die Fragen der Rechtswirkungen der Pläne verschiedener Stufen oder verschiedenen Inhaltes durchgehend vom Bundesgesetzgeber geregelt werden. Der Gesetzgeber ist beim Erlaß des ROG 1998 von dieser Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Raumordnung ausgegangen.6 Abschnitt 1 des ROG, der die für die Raumordnung in Bund und Ländern gleichermaßen geltenden Aufgabenbeschreibung, Leitvorstellung, Begriffsbestimmungen, Grundsätze und Rechtwirkungen regelt, und Abschnitt 3 „Raumordnung im Bund" sind der Kompetenz der Natur der Sache zuzuordnen. 7 Demgegenüber fallen die §§ 7 bis 16 ROG im Abschnitt 2, der die Raumordnung in den Ländern betrifft, sowie ein Teil der Überleitungs- und Schlußvorschriften des Abschnitts 4 8 unter die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG. 9 Terminologisch verzichtet der Gesetzgeber auf den Begriff der Landesplanung. Er geht vielmehr von dem Oberbegriff der Raumordnung aus, der sowohl die „Raumordnung in den Ländern" als auch die „Raumordnung im Bund" erfaßt. 10

II. Die Raumordnungsplanung als das wichtigste Handlungsinstrument der Raumordnung Raumordnung darf nicht mit Raumordnungsplanung undifferenziert gleichgesetzt werden. 11 Auch das Bundesverfassungsgericht unterscheidet im Baurechtsgutachten zwischen „Planung und Ordnung des Raumes", ohne freilich diese Unterscheidung im einzelnen auszuführen und konsequent durchzuhalten.12 Bei genauerer Betrachtung erweist es sich, daß die Raumordnungsplanung in einem instrumentalen Verhältnis zur Raumordnung steht.13 Die förmliche Raumordnungsplanung ist zwar das wichtigste, aber nicht das einzige 5

Kritisch zur Verengung des Anwendungsbereichs des Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG auf

die Landesplanung, Schmidt-Aßmann, FS Weyreuther, 6

S. 73 ff. (85).

Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 32. 7 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 32 f. 8 Z.B. §§ 22, 23 Abs. 2 ROG. 9 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 32 f. 10 Vgl. die Überschriften zu § 1 ROG sowie zu Abschnitt 2 und 3 des ROG. 11 Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 30. 12 BVerfGE 3, S. 407 (425). 13 Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 32.

Α. Begriffliche Klärungen

27

Handlungsinstrument, das der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz der Raumordnung zur Raumgestaltung bereitstellen kann. 14 Dies ergibt sich auch aus dem bereits erwähnten § 1 Abs. 1 ROG, der neben den Raumordnungsplänen auch die Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen nennt. 15

1. Raumordnungsplanung Planung besteht in der analysierenden Erfassung gegenwärtiger Lagen, in der Prognose künftiger Entwicklungen und im Vorentwurf einer normativen Ordnung. 16 Sie zielt auf den Ausgleich von Interessen und die Koordination von Aktivitäten in einem Gefüge abgestimmter, miteinander zu einem Konzept verflochtender Maßnahmen.17 Komplexität, Konnexität und gestalterische Kreativität kennzeichnen Planung und Plan. 18 Dazu tritt ein spezifischer Situationsbezug, denn Planung und Pläne gehen aus einer konkreten Lage der Dinge hervor und stellen daher keine abstrakte Ordnung dar. 19 Der Plan ergeht angesichts einer konkreten Lage, die er analysierend erfassen und auf die er normativ antworten soll. 20 Das ROG kennt einerseits den Raumordnungsplan für das Landesgebiet i.S.d. § 8 ROG, der für das Gebiet eines jeden Landes als zusammenfassender, übergeordneter Plan aufzustellen ist. Obgleich nach § 8 ROG nur von einem Plan die Rede ist, können die Länder weiterhin auf Landesebene zwei Planarten vorsehen, z.B. das Landesraumordnungsprogramm und das Landesentwicklungsprogramm. 21 Dies ergibt sich aus dem rahmenrechtlichen Charakter der Vorschrift 22 und den Gesetzesmaterialien. 23 Nach § 9 Abs. 1 S. 1 ROG sind 14

Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 7. Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 79, wonach es sich um keine abschließende Aufzählung der Mittel handelt. 15 16

Söflcer,

in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

Baugesetzbuch, § 1 Rn. 19; Schmidt-

Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4); vgl. auch HeigifHosch, Raumordnung und Landesplanung in Bayern, Art. 1 Rn. 48. 17 Schmidt'Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4). 18 Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4). 19 Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (5). 20 Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3(15). Vgl. auch BVerwGE 50, S. 114 (119). 21 Vgl. auch Runkel, in: Bielenberg! Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 278. 22 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, S. 32f. 23 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 85. Die Vorschrift des § 8 ROG soll danach § 5 Abs. 1 S. 1 und 4 ROG a.F. entsprechen. § 5 Abs. 1 S. 1 ROG a.F. regelt, daß die Länder für ihr Gebiet übergeordnete und zusammenfassende Programme und Pläne aufstellen.

28

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

andererseits in den Ländern, deren Gebiet die Verflechtungsbereiche mehrerer Zentraler Orte oberster Stufe umfaßt, Regionalpläne aufzustellen, die nach § 9 Abs. 2 aus dem Raumordnungsplan für das Landesgebiet nach § 8 zu entwickeln sind. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber keine Raumordnungspläne auf Bundesebene vorgesehen hat. Was die nähere Charakterisierung der Raumordnungsplanung anbelangt, können folgende Begriffsmerkmale aus der bundesverfassungsgerichtlichen Charakterisierung der Raumordnungsplanung gewonnen werden, nämlich der Raumbezug, die Merkmale der Übergeordnetheit und Zusammenfassung, bei denen es bei näherer Betrachtung um die Überörtlichkeit und Überfachlichkeit der Planung geht 24 , sowie die fehlende unmittelbare Außenwirkung.

a) Raumbezug Die Raumordnungsplanung ist Planung des Raumes und gehört mithin zu den hoheitlichen Instrumenten der Raumgestaltung.25 Daraus folgt, daß sie in ihren Aussagen auf raumbedeutsame Sachverhalte beschränkt bleiben muß 26 und lediglich die räumliche Dimension von Fachpolitiken betreffen darf. 27 Die Raumordnungsplanung ist daher keine umfassende integrale Entwicklungsplanung, sondern hat ihre Basis in der Planung unmittelbarer Raumbezüge.28 Aus diesem Grund entziehen sich gesellschafis- oder wirtschaftspolitische oder rein naturwissenschaftlich-technische Fragestellungen einer Regelung durch Raumordnungspläne, wenn die Maßnahmen - ohne Raumbezug - nur Selbstzweck sind. 29

24

Vgl. Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 30. 25 Vgl. zum System der Raumplanung, Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht S. 29 ff.; ders., JuS 1979, S. 618 (619). 26 Ρaßlick, Ziele der Raumordnung, S. 100 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60. 27 Wahl, Rechtsfragen I, S. 4; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60. 28 Ρaßlick, Ziele der Raumordnung, S. 100; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 55 f., 60; Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 99 ff. 29 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 100; vgl. auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 55.

Α. Begriffliche Klärungen

29

b) Überörtlichkeit Durch die Überörtlichkeit unterscheidet sich die Raumordnungsplanung von der Planung auf der Ortsebene. 30 Bei der Überörtlichkeit der Planung geht es der Sache nach insbesondere darum, daß es den Trägern der Raumordnungsplanung verwehrt ist, durch Raumordnungspläne die örtliche Planung zu ersetzen oder unzulässig einzuschränken. 31 Die Raumordnungsplanung muß sich auf planerische Rahmensetzung beschränken, womit insbesondere der durch Art. 28 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB verfassungsrechtlich und bundesgesetzlich abgesichterten Eigenverantwortlichkeit der gemeindlichen Bauleitplanung Rechnung getragen wird. 3 2 Das Merkmal der Überörtlichkeit bezieht sich dabei einerseits auf den zu planenden Raum und andererseits auf die Gestaltungsgesichtspunkte der Planung33, wobei sich diese beiden Aspekte nicht scharf voneinander trennen lassen. Die Raumordnungsplanung ist auf den jeweiligen überörtlichen Planungsraum als ganzes gerichtet, d.h. auf das Gebiet eines Landes oder auf die Region. Für diesen Planungsraum ist ein überörtliches Planungskonzept34 aus überörtlicher, raumordnerischer Warte 35 zu erstellen. Aus dem Erfordernis der Überörtlichkeit folgt dabei auch, daß sich die Raumordnungsplanung grundsätzlich in ihrem Detaillierungsgrad auf grobmaschige Festlegungen beschränken muß.

b) Überfachlichkeit Durch den Charakter als zusammenfassende Planung unterscheidet sich die Raumordnungsplanung von der fachlichen Raumgestaltung, d.h. insbesondere von den Fachplanungen, weshalb sie vielfach auch als überfachliche Planung36 bezeichnet wird. 37 Fachplanungen erfolgen primär unter einem besonderen 30

Vgl. BVerfGE 3. S. 407 (424 f.). Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 51, 53. 32 Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 51, 53. 33 Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 29; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 43 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 79. 34 Vgl. auch § 9 Abs. 2 S. 1 ROG. 35 Vgl. zur unterschiedlichen Perpektive der Instrumente der interkommunalen Abstimmung und der Raumordnung Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (349). 36 Vgl· Hendler, in: KoMHendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 29 f. 37 Vgl. demgegenüber allgemeiner Grotefels, in: Hoppe!Grotefels, Öffentliches Baurecht, S. 4 f.: Zusammenfassend meint, daß die Raumordnungsplanung die raumrelevanten Aktivitäten des Staates und der Gemeinden etwa auf dem Gebiet des Städtebaus, 31

30

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

Sachgesichtspunkt, etwa dem der Verkehrsinfrastruktur, der Wasserwirtschaft oder des Naturschutzes 38 und zeichnen sich demgemäß auch durch eine sektorale Ausrichtung der fachplanerischen Abwägung aus39. Anders als die Fachplanungen bezieht sich die Raumordnungsplanung auf die räumliche Gesamtstruktur. 40 Das Merkmal der Überfachlichkeit kennzeichnet die Koordinierungsfunktion der Raumordnung, die insbesondere in der allseitigen planerischen Abwägung sämtlicher fachlicher, überörtlicher Raumansprüche besteht.41 Raumordnung darf nicht nur einen sektoralen Gesichtspunkt, eine einzelne Fachplanung oder eine spezielle Aufgabe der öffentlichen Hand ohne Rücksicht auf räumliche Ansprüche von anderer Seite behandeln.42 Sie darf auch keine fachlichen Detailfragen zum Gegenstand haben und beispielsweise bei der Standortplanung eines Kernkraftwerkes technische projektbezogene Einzelheiten des Betriebes regeln. 43 Die in den Raumordnungsplänen enthaltenen Festsetzungen müssen sich vielmehr als ein Teil eines räumlichen Gesamtkonzepts darstellen, das auf Rahmensetzung angelegt ist. 44 Der Blick des Planers soll umfassend, auf die großen Linien gerichtet, der Planungsakt soll nicht durch isolierende und detaillierende Betrachtung gelenkt oder aus dem Gleichgewicht gebracht sein.45

c) Fehlende unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem einzelnen Indem das Bundesverfassungsgericht bestimmt, daß der Kompetenztitel der Raumordnung keine Regelungen umfaßt, die das rechtliche Verhältnis des Menschen zum Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben, trifft es insbesondere eine Abgrenzung der Raumordnungskompetenz zum Gesetz-

der regionalen Wirtschaftspolitik, der Landwirtschaftpolitik, des Verkehrswesens und der Wasserwirtschaft aufeinander abstimmen und zu einem widerspruchsfreien Konzept zusammenfügen soll. 38 Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 29. 39 Christ, Raumordnungsziele, S. 10. 40 Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 30. 41 Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 56; Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 51 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 97. 42 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (282). 43 Stellvertretend Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 87 a; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 83; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 95 f., S. 101. 44 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 95. 45 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 60.

Α. Begriffliche Klärungen

31

gebungstitel des Bodenrechts i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, der die Grundlage für die Regelungen des Städtebaus darstellt. Am Beispiel der städtebaulichen Planung fuhrt es aus, daß dem Bodenrecht gegenüber der Raumordnung die Funktion vorbehalten bleibe zu bestimmen, in welcher Weise der einzelne Eigentümer sein Grundstück nutzen darf. Nur die städtebauliche Planung, aber nicht die Raumordnung regele daher die rechtliche Qualität des Bodens46. Die Raumordnung sei demgegenüber dadurch gekennzeichnet, daß sie sich nur innerhalb der verschiedenen Stufen der Verwaltung auswirke. 47 Auch im Schrifttum ist dies unumstritten. Ein Durchgriff der Raumordnung auf die Bodennutzung ist daher aufgrund der Raumordnungskompetenz nicht möglich. 48 Raumordnung als überfachliche Planung und Ordnung des Raumes beeinflußt jedoch nicht nur die Bodennutzung, sondern alle raumbedeutsamen Tätigkeiten. 49 Die bauliche Nutzung des Bodens ist nur ein Element der Raumordnungsplanung 50. Dies macht eine Abgrenzung des Raumordnungstitels zu den übrigen raumbezogenen Fachkompetenzen notwendig. Obwohl sich das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich nicht ausdrücklich äußert, ist das Verhältnis von Raumordnung zum Bodenrecht hinsichtlich der fehlenden Außenwirkung auch bezüglich der Fachmaterien verallgemeinerungsfähig, da die gleichen kompetenzrechtlichen Abgrenzungsfragen bestehen.51 Die Kompetenzmaterie der Raumordnung erlaubt folglich auch keine Regelungen, die in Bezug auf andere fachliche raumbezogene Materien eine unmittelbare Außenwirkung der Raumordnung gegenüber dem Menschen entfalten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß das Gebot der fehlenden unmittelbaren materiellrechtlichen Außenwirkung der Raumordnung gegenüber dem einzelnen in erster Linie aus der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes resultiert. 52 Nur der Raumordnungstitel verbietet also entsprechende außenwirksame Regelungen.53 Aufgrund fachgesetzlicher Gesetzgebungskompetenz

46

BVerfGE 3, 407 (424). BVerfGE 3, 407 (425). 48 Vgl. Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 70. 49 Vgl. Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 70. 50 BVerfGE 3, 407 (425). 51 Hendler, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (36). 52 BVerfGE 3, S. 407 (412). 53 Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 610 Rn. 60 ff.; Hendler, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35, 43; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115). 47

32

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

können daher die Wirkungen der Raumordnungsplanung auch auf Private, z.B. im Wege von Raumordnungsklauseln ausgedehnt werden. 54

2. Sonstige Handlungsinstrumente der Raumordnung und Abgrenzungen Was die weiteren Handlungsinstrumente der Raumordnung anbelangt, sind insbesondere die Abstimmung nach § 14 ROG sowie das Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG zu nennen. 55 Die Wesensmerkmale, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich und gewissermaßen nur exemplarisch für die Raumordnungsplanung im Verhältnis zu anderen räumlichen Planungen entwickelt hat, gelten entsprechend für alle raumordnerischen Handlungsinstrumente, die auf der Grundlage der Raumordnung geregelt werden können. 56 Diese soeben beschriebenen raumordnungsrechtlichen Handlungsinstrumente sind im übrigen unter kompetenzrechtlicher Perspektive von anderen Instrumentarien zu unterscheiden, die zwar vom Gesetzgeber bzw. der Verwaltung auch zur Raumgestaltung eingesetzt werden können oder denen zumindest raumordnungspolitische Bedeutung 57 zukommen kann, die aber die obengenannten Wesensmerkmale der Raumordnung nicht erfüllen und folglich aufgrund einer anderen kompetenzrechtlichen Grundlage als der der Raumordnung geregelt werden müssen. Genannt seien neben der bereits erwähnten städtebaulichen Planung und den räumlichen Fachplanungen insbesondere Steuer-, finanz- und subventionsrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Wirtschaftsforderung 58 , der kommunale Finanzausgleich 59 und die Finanzplanungen 60 .

54 Hendler, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 34, 43; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109, 1115; Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11, 27; 55 Vgl. zu weiteren Handlungsinstrumenten der Raumordnung Grotefels, in: Hoppe!Grotefels, Öffentliches Baurecht, S. 81 ff. 56 Vgl. ähnlich zur Verallgemeinerungsfähigkeit der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Raumordnung und Bodenrecht, Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (36). Vgl. zum Prüfungsmaßstab und Aussagegehalt des Raumordnungsverfahrens, stellvertretend Jar ass, BayVBl. 1979, S. 65 (67 ff.); Schoeneberg , Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 119 f.; Wahl, FS Sendler, S. 199 (205); Sandner, NuR 1996, S. 497 (503). 57 Vgl. zum Begriff der Raumordnungspolitik Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 50. 58 Vgl. Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 32; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 100. 59 Vgl. z.B. die Raumordnungsklausel des § 8 Abs. 3 des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes v. 9. Februar 1998 (GVB1. S. 15), wonach sich die Schlüsselzuweisungen der Gemeinden an den in Raumordnungsplänen enthaltenen Festlegungen der Zentralen Orte orientieren. Vgl. zur raumordnungspolitischen Bedeutung des

Α. Begriffliche Klärungen

33

I I I . Ziele und Grundsätze der Raumordnung als Erfordernisse der Raumordnung Unter den Erfordernissen der Raumordnung werden nach § 3 Nr. 1 ROG bestimmte planerische und sonstige raumordnerische Steuerungsinstrumente zusammengefaßt, zu denen auch die Ziele und Grundsätze der Raumordnung zählen.61 Die einzelnen Erfordernisse der Raumordnung sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 2 bis 4 ROG ausdrücklich aufgeführt und müssen begrifflich und funktionell voneinander abgegrenzt werden. Für das Verständnis der Grundsätze und Ziele der Raumordnung ist es notwendig, die Funktionen der einzelnen Erfordernisse der Raumordnung und deren Verhältnis zueinander zu skizzieren.

1. Allgemeine Charakterisierung

der Ziele der Raumordnung

In § 3 Nr. 2 ROG hat der Bundesgesetzgeber aufgrund seiner Vollkompetenz der Raumordnung aus der Natur der Sache62 den Begriff der Ziele der Raumordnung definiert. Danach sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Bei den Zielen handelt es sich um räumlichstrukturelle planerische Festlegungen für bestimmte Orte bzw. großflächige Gebiete.63 Für das Verständnis der Funktionsweise der Ziele ist dabei entscheidend, daß ihre Aufstellung in Raumordnungsplänen nach der Vorschrift des § 7 Abs. 7

kommunalen Finanzausgleichs Erbguth, DÖV 1996, S. 906 ff.; Buchner, Ziele der Raumordnung, S. 7(12). 60 Vgl. dazu Beus, Entwicklungsplanung, S. 79 ff., S. 106 ff., S. 170; Buchner, Ziele der Raumordnung, S. 7(12). 61 Vgl. zur entsprechenden Verwendung des Begriffs der Erfordernisse der Raumordnung im bisherigen Raumordnungsrecht stellvertretend Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 32; Zoubek, Sicherungsinstrumente, S. 91. 62 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 32. Vgl. im übrigen zur Befugnis des Bundes zu grundlegenden Begriffsbestimmungen im Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz bezüglich der bundesrechtlichen Begriffsbestimmungen zur Eingriffsregelung nach § 8 BNatSchG BVerwGE 85, S. 348 (356 f.), sowie Czybulka, NuR 1996, S. 565 (565) bezüglich der bundesrechtlichen detaillierten Definition des Nationalparks. 63 Entsprechend zum bisherigen Recht Hendler, in: Kocht Hendler, Baurecht, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, S. 44; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 24 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 10 ff. 3 Spiecker

34

Erstes Kapitel: Einfuhrung in die Problemstellung

ROG 64 auf der Grundlage einer umfassenden planerischen Abwägung erfolgt, bei der die Grundsätze gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Ferner sind die sonstigen öffentlichen Belange sowie private Belange zu berücksichtigen, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind. Im Hinblick auf die Grundsätze der Raumordnung ist festzustellen, daß die Ziele diese auf der Grundlage einer planerischen Abwägung räumlich und sachlich konkretisieren. 65 Außerdem ist auf die weitreichende rechtliche Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung hinzuweisen.66 Die Ziele der Raumordnung lösen nach § 4 Abs. 1 ROG Beachtenspflichten für die öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen aus. Dies bedeutet, daß die Ziele der Raumordnung insofern strikt einzuhalten sind, als die in ihnen enthaltenen Festlegungen im planerischen Abwägungsprozeß nicht hinter andere Belange zurückgestellt werden dürfen. 67 Da diese Adressaten der Ziele der Raumordnung die Vorgaben der Ziele im nachhinein nicht mehr im Wege einer Abwägung korrigieren können, kommt den Zielen daher Letztentscheidungscharakter zu. 68 Dieser Eigenschaft entspricht es, daß die Ziele der Raumordnung abschließend abgewogen sein müssen. Das Erfordernis der räumlichen und sachlichen Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Ziele nach § 3 Nr. 2 ROG trägt ebenfalls dem Letztenscheidungscharakter der Ziele der Raumordnung Rechnung. Das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und Rechtssicherheit erfordert nämlich, daß für die Adressaten einer mit Verbindlichkeit ausgestatteten Norm erkennbar ist, was im einzelnen Gegenstand der an sie gerichteten Pflicht ist. 69

64

Vgl. zur Aufnahme einer dem § 1 Abs. 6 BauGB nachgebildeten Abwägungsklausel in das ROG Hendler, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (57 f.). 65 Vgl. auch § 7 Abs. 1 ROG; vgl. auch Hendler, in: KoMHendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 44. 66 Vgl. zum Zusammenhang zwischen den §§3 und 4 ROG v.dHeide, in: Cholewa!Dalihammer!Dyonglv.d.HeidelArenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 4 67 BVerwGE 90, S. 329 (334); BVerwG, NuR 1997, S. 397; Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 45; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (682, 687); Erbguth, LKV 1994, S. 89 (91);Vgl. zum Begriff des Beachtens Dreier, Abwägung, S. 96. 68 Stellvertretend BVerwGE 90, S. 329 (334); BVerwG, NuR 1997, S. 397; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681(682); Folkerts, DVB1. 1989, S. 733; Hendler, in: KochlHendler,

Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 45; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 36 f.; Christ, Raumordnungsziele, S. 16; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 23. 69 Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 54; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 112; Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 85; Erbguth, L K V 1994, S. 89 (92); Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (685).

Α. Begriffliche Klärungen

35

Gleichwohl können auch Ziele der Raumordnung als rahmensetzende Festlegungen im erheblichen Maße auf weitere Konkretisierung angelegt sein. 70 Voraussetzung ist jedoch, daß auch in diesen Fällen aus landesplanerischer Sicht alle Konflikte bereinigt sind. 71 Die Raumordnungsziele bieten mithin Lösungen, die auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr bedürfen. 72 Ein Spielraum darf sich nur auf der nachgeschalteten Planungsebene innerhalb des durch die Raumordnungsziele eröffneten Rahmens ergeben.

2. Allgemeine Charakterisierung

der Grundsätze der Raumordnung

Nach der Legaldefmition des § 3 Nr. 3 ROG handelt es sich bei Grundsätzen der Raumordnung um allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums in oder aufgrund von § 2 ROG als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen. Das Wesen der Grundsätze der Raumordnung läßt sich anhand der katalogartigen Zusammenstellung der bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 ROG erläutern. Es handelt sich typischerweise um räumlich-strukturelle Aussagen ohne konkreten Orts- und Flächenbezug.73 Es fällt auf, daß die Grundsätze sehr allgemein und unbestimmt sind. Sie überschneiden sich vielfach gegenseitig und können regelmäßig auch zu Kollisionen untereinander führen. 74 Die Legaldefmition charakterisiert Grundsätze der Raumordnung als Vorgaben für Abwägungs- und Ermessensentscheidungen, womit die Hauptbedeutung der Raumordnungsgrundsätze angesprochen ist 7 5 . Diese Charakterisierung trägt der Bindungswirkung der Grundsätze Rechnung, die aus § 4 Abs. 2 bis 4 ROG hervorgeht. Die Grundsätze sind danach bei bestimmten Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Angesprochen sind dabei die Entscheidungen öffentlicher Stellen 76 bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen i.S.d. 70

Stellvertretend BVerwGE 90, S. 329 (334); Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 37; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 40. 71 Stellvertretend Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 37; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 40. 72 BVerwGE 90, S. 329 (334). 73 Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 41 f. 74 Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 23; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (683); Vgl. zur unbestimmten Formulierung der Grundsätze, Wahl, Rechtsfragen I, S. 210 f. 75 Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 42; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (683); Erbguth, L K V 1994, S. 89 (92); Paßlick,

Ziele der Raumordnung, S. 16 ff. 76 Diesen sind nach § 4 Abs. 3 ROG bestimmte Privatrechtssubjekte gleichgestellt.

36

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

§ 3 Nr. 6 ROG sowie die behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen. Bei der Berücksichtigungspflicht geht es im Kerngehalt der rechtlichen Regelung darum, daß die Grundsätze der Raumordnung in die planerischen Überlegungen einzubeziehen sind, dabei aber im Rahmen des auf den jeweiligen Planungsfall bezogenen Wertungsvorgangs teils höher, teils niedriger gewichtet und demgemäß teils bevorzugt, teils zurückgestellt werden können. 77 Der wichtigste Fall einer Abwägungsentscheidung, bei der die Grundsätze zu berücksichtigen sind, betrifft die Aufstellung von Raumordnungsplänen. Der bereits erwähnte § 7 Abs. 7 S. 1 ROG stellt insofern klar, daß hierbei die Grundsätze der Raumordnung und sonstige öffentliche Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Die Grundsätze der Raumordnung sind daher insbesondere Abwägungsdirektiven 78 für die Raumordnungsplanung. Das Verhältnis von Grundsätzen der Raumordnung und der Raumordnungsplanung ist des weiteren durch § 7 Abs. 1 S. 1 ROG geprägt, wonach die Grundsätze der Raumordnung nach Maßgabe der Leitvorstellung und des Gegenstromprinzips für den jeweiligen Planungsraum durch Raumordnungspläne zu konkretisieren sind. Dies geschieht wie bereits erwähnt in erster Linie durch die Ziele der Raumordnung, die nach § 3 Nr. 2 ROG räumlich und sachlich konkret sind. Diese Konkretisierungsbedürftigkeit und -möglichkeit resultiert dabei insbesondere aus der weiten Fassung der Grundsätze der Raumordnung.

3. Die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung, insbesondere das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens a) Allgemeines zu den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung Bei dem Begriff der sonstigen Erfordernisse der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 4 ROG handelt es sich um einen Sammelbegriff, der die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen erfaßt. 79 Gemeinsam ist diesen sehr unterschiedlichen raumordnerischen Steuerungsinstrumenten, daß sie noch keine verbindlichen raumordnerischen Vorgaben enthalten, sondern lediglich bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu berücksichtigen sind, wie beispielsweise aus § 4 77

Hendler, in: Koch!Hendler,

Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht,

S. 42. 78 Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (683); Erb&ith, LKV 1994, 89 (91); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 34; Weidemann, Staatsaufsicht, S. 70. 79 Vgl. entsprechend zum bisherigen Begriff der Erfordernisse der Raumordnung Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 11 m.w.N.

Α. Begriffliche Klärungen

37

Abs. 2 ROG hervorgeht. Trotz dieser Gemeinsamkeit und der rechtstechnischen Zusammenfassung als sonstige Erfordernisse der Raumordnung, kommen den einzelnen sonstigen Erfordernissen der Raumordnung entsprechend ihrer speziellen Funktion daneben zum Teil auch besondere Rechtswirkungen zu. Die Bedeutung der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung wird vor dem Hintergrund verständlich, daß die Aufstellung von Raumordnungsplänen regelmäßig einen erheblichen Zeitraum erfordert. Obwohl die in den Planentwürfen enthaltenen Ziele der Raumordnung noch nicht rechtskräftig sind und mithin keine Ziele der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 2 ROG darstellen, hat der Gesetzgeber erkannt, daß den Planungen gleichwohl eine gewisse rechtliche Relevanz zukommen muß. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die bereits erwähnte Berücksichtigungspflicht nach § 4 Abs. 2 ROG 80 , sondern auch im Hinblick auf die Sicherung der beabsichtigten Planung durch das Instrument der raumordnungsrechtlichen Untersagung. 81 Anders als die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung, die der Raumordnungsplanung zugeordnet werden können, betreffen die übrigen in § 3 Nr. 4 ROG genannten Erfordernisse der Raumordnung den Bereich der Abstimmungsinstrumente der Raumordnung. Von den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung lassen sich diese Erfordernisse der Raumordnung bereits leicht durch die Art ihres Zustandekommens unterscheiden. 82 Die Ergebnisse der formlichen landesplanerischen Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen sind nämlich weder in den Landesplanungsgesetzen noch in Raumordnungsplänen enthalten. Im übrigen sind die genannten verschiedenen Abstimmungsinstrumente sehr unterschiedlich ausgestaltet.

b) Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens Unter den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung verdient das Ergebnis des Raumordnungsverfahren im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit besonderes Interesse. Das praktisch bedeutsame83 Raumordnungsverfahren steht nämlich in einem besonders engen funktionalen Zusammenhang mit der Raumordnungsplanung einerseits und der Zulassung raumbedeutsamer Vorhaben

80 Vgl. zu den in Aufstellung befindlichen Zielen als „Entscheidungshilfen" Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 10 f. 81 Vgl. z.B. § 12 Abs. 1 Nr. 2 ROG. 82 Vgl. Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 13 83 Vgl. zu letzterem Erbguth! Zoubek, DVB1. 1982, S. 1172.

38

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

andererseits. Ferner wird es auch bei privaten raumbedeutsamen Vorhaben durchgeführt. Das Raumordnungsverfahren stellt nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 1 ROG bzw. der Vorschriften der Landesplanungsgesetze84 ein Verfahren dar, in dem raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen von überörtlicher Bedeutung untereinander und mit den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung abgestimmt werden. Das Raumordnungsverfahren dient dabei nicht der allgemeinen Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, sondern ist ein Instrument der projektbezogenen Einzelkoordination. 85 Es soll bei neuen oder erweiterten Vorhaben eine frühzeitige Erfassung und Bewertung der überörtlichen berührten raumbedeutsamen Belange im Vorfeld der Zulassungsentscheidung86 gewährleisten 87. Die Bedeutung des Raumordnungsverfahrens läßt sich anhand der Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 ROG näher präzisieren. Angesprochen sind die beiden Funktionen des Raumordnungsverfahrens, die gewöhnlich als Feststellungs- und Abstimmungsfunktion des Raumordnungsverfahrens bezeichnet werden. 88 Nach § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG ist es zum einen Aufgabe der Raumordnungsverfahrens festzustellen, ob raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung, d.h. auch mit den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung übereinstimmen. 89 Dabei spielt die Vereinbarkeit des Projektes mit den Zielen der Raumordnung eine besondere Rolle. Da die Ziele auslegungsbedürftig sind, dient das Raumordnungsverfahren der Zielauslegung und -konkretisierung bezogen auf das jeweilige Vorhaben. 90 Das Raum-

84

Z.B. Art. 23 BayLplG; §18 RhPfLPIG; §13 BaWüLplG; Art. 16 Landesplanungsvertrag Berlin/Brandenburg, wonach erstmalig auch in einem Stadtstaat in Berlin Raumordnungsverfahren durchgeführt werden; vgl. zu letzterem Priebs, DÖV 1996, S. 541 (545). 85 Stellvertretend Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 244; Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 165; Hoppe, in: Hoppe!Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 184; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 17 f. 86 Das Raumordnungsverfahren kann allerdings auch parallel zu dem Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 1 (3). 87 Brenken, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, S. 766 (768). 88 Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 22 f. Vgl. auch Erbguth, UPR 1992, S. 287 (291), wonach diese Funktionen nicht strikt voneinander getrennt werden können. 89 Vgl. näher zur Feststellungsfunktion des Raumordnungsverfahrens stellvertretend Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 23 f. 90 Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 2 (7); Brenken, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, S. 766 f.; Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 248 f.; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 25 f.

Α. Begriffliche Klärungen

39

ordnungsverfahren ist dabei um so mehr erforderlich und gefordert, je grobmaschiger und allgemeiner die Ziele der Raumordnung sind. 91 Die Grundsätze sind hingegen nur dann Prüfungsmaßstab, wenn und soweit Ziele der Raumordnung fehlen. 92 Aus § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG ergibt sich zum anderen der Koordinierungs- und Abstimmungsauftrag des Raumordnungsverfahrens in bezug auf die raumbedeutsamen Vorhaben anderer Planungsträger. 93 Für welche raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen dabei regelmäßig ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden soll, ergibt sich aus dem Katalog der von der Bundesregierung auf der Ermächtigung des § 17 Abs. 2 ROG erlassenen Raumordnungsverordnung (RoV) 9 4 , in dem konkrete, gebietsbezogene Projekte 95 aufgezählt sind. 96 Hinzuweisen ist darauf, daß der Katalog der RoV eine ganze Reihe von Vorhaben enthält, die auch oder sogar überwiegend von Privaten durchgeführt werden. 97 Das Raumordnungsverfahren, das historisch betrachtet auf die Koordination von raumbedeutsamen Vorhaben öffentlicher Stellen zugeschnitten war, hat sich von der Sachaufgabe her mithin zur Beurteilung privater Vorhaben erweitert. 98 Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist nach § 4 Abs. 2, 4 ROG ebenso wie die übrigen sonstigen Erfordernisse der Raumordnung nicht strikt verbindlich für nachfolgende Planungs- und Zulassungsentscheidungen, sondern vermag lediglich Berücksichtigungspflichten auszulösen.99 Das Raumord-

91 Wahl, FS Sendler, S. 199 (202); Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 25 f. Vgl. zum Zusammenhang zwischen der Zahl der Raumordnungsverfahren und der Konkretheit der Raumordnungsziele Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 64. 92

Hoppe/Appold/Haneklaus,

DVB1.

1992,

S. 1203

(1204); Schmidt-.Aßmann,

VB1BW 1986, S. 2 (8). 93 Hoppe, in: ders./Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 184; Sandner, NuR 1996, S. 497 (499); Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 37. 94 Raumordnungsverordnung vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2766), zuletzt geändert durch Gesetz v. 18. 8. 1997 (BGBl. I. S. 2081). 95 HoppelAppoldlHaneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 f.; Erfaßt sind keine mittelbar raumrelevanten Projekte, wie z.B. generell-abstrakte Steuer- und Subventionsrichtlinien oder einzelne Subventions- oder Investitionsentscheidungen, Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (3). 96 Vgl. zur Beschränkung des Anwendungsbereichs des Raumordnungsverfahrens Gruber, BayVBl. 1996, S. 326 (327), der daraufhinweist, daß ein Raumordnungsverfahren im konkreten Fall nur zulässig sei, wenn das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens nach dem Tatbestand der Zulassungsentscheidung berücksichtigt werden kann. Das Raumordnungsverfahren dürfe kein bloßer Selbstzweck sein. 97 Z.B. die Errichtung von Feriendörfern und Hotelkomplexen und von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben (§ 1 S. 3 Nr. 15, 18 RoV). 98 Wahl, FS Sendler, S. 199 (203). 99 Vgl. dazu Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 104 ff.

40

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

nungsverfahren ist dementsprechend als ein Instrument des mittleren Weges bezeichnet worden, das zwischen informeller Vorklärung und hartem Entscheidungsverfahren anzusiedeln ist. 1 0 0 Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, daß gleichwohl die faktischen Wirkungen des Ergebnisses des Raumordnungsverfahrens relativ hoch einzuschätzen sind. 1 0 1

B. Ziele und Grundsätze der Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben Es fällt auf, daß die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Raumordnungsplanung dadurch gekennzeichnet sei, daß sie nicht unmittelbar die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regele, zwar auch heute noch als ein zentrales Wesensmerkmal der Raumordnungsplanung betrachtet wird. Raumordnung wird nach wie vor mit den Attributen „nicht unmittelbar bürgerverbindlich" 102 und „lediglich behördenverbindlich" 103 versehen. Das Dogma der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung der Raumordnungsplanung ist allerdings in jüngeren Jahren zunehmend fragwürdig geworden. 104 Die Auflösungstendenzen treten dabei insbesondere bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben zu tage. Der Gesetzgeber hat in § 4 ROG 1998 die ΒindungsWirkungen der Erfordernisse der Raumordnung neu geregelt, bei denen sich auch ausdrückliche Regelungen über die Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben finden. Besonderes Interesse verdienen im hier behandelten Zusammenhang dabei die Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG sowie § 4 Abs. 4 und Abs. 5 ROG.

100 Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 2 (2, 8), der darauf hinweist, daß Art. 3 Abs. 1 GG bindungsfördernd sein kann, wenn ausnahmesweise auch Vertrauensinteressen Privater betroffen sind. Vgl. auch Wahl, FS Sendler, S. 199 (207 f.). 101 Wahl, FS Sendler, S. 199 (215), der daraufhinweist, daß sich die Behörden häufig freiwillig an das Verfahrensergebnis halten. Im übrigen kann das Raumordnungsverfahren aufgrund seiner Feststellungsfunktion einer Vorabklärung der Zulassungschancen auch bei privaten Vorhaben dienen und diesen zu einer relativen Planungssicherheit verhelfen. Vgl. i.ü. zur Praxis des Raumordnungsverfahrens Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 1 (2). 102 Z.B. Halama, FS Schlichter, S. 201 (206). 103 Z.B. Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (631). 104 So schon Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, S. 237 (238); Erbguth, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 193; Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9); ansatzweise Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (765). Vgl. zu dieser Frage auch Bülter, Raumordnungspläne, S. 158 ff.

Β. Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben

41

Anhand der Β indungsWirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, inwieweit das Dogma der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung der Raumordnungsplanung noch aufrecht erhalten werden kann. Dabei ist wesentlich, daß behördliche Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben von den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Weisen beeinflußt werden. 105

I. Transformierende außenwirksame Planungen öffentlicher Stellen (mediatisierte Bindungswirkung) Die erste Form der Bindungswirkung ergibt sich nicht aus den zuvor erwähnten Vorschriften des ROG über Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben, sondern resultiert aus dem für das deutsche Planungsrecht kennzeichnenden mehrstufigen Planungssystem, in dem die Verwirklichung der hochstufigen Planungen in der Regel von der Umsetzung in Planungen niedriger Stufen abhängig ist. 1 0 6 Dieses System ist auf eine fortlaufende Konkretisierung „von oben nach unten" angelegt 107 und liegt auch dem Raumordnungsgesetz zugrunde. Anhand der Vorschriften des Raumordnungsgesetzes lassen sich dessen Auswirkungen auf die Zulässigkeit privater Vorhaben wie folgt beschreiben. Die Zulassung von raumbedeutsamen privaten Vorhaben wird durch zahlreiche raumbedeutsame Planungen öffentlicher Planungsträger gesteuert, die ihrerseits nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG an die Ziele und nach § 4 Abs. 2 ROG nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften an die Grundsätze der Raumordnung gebunden sind. Daraus ergibt sich die traditionelle, gleichsam mediatisierte Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung. 108 Dies gilt jedenfalls dann, wenn den genannten Planungen Außenwirkung gegenüber dem einzelnen zukommt und sie Maßstab für Zulassungsentscheidungen sind. 109 Die Rechtswirkungen der Raumordnungserfordernisse erreichen den einzelnen hierbei erst, wenn die jeweiligen raumordnerischen Aussagen in weiteren

105

Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (19 f.). Vgl. dazu stellvertretend Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (655). 107 Vgl. dazu stellvertretend Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (655). 108 Vgl. zum bisherigen Recht: Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 80 f.; Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (19); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 12; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 2 ff. 109 Hartwig, NVwZ 1985, S. 9. 106

42

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

Planungen umgesetzt und konkretisiert worden sind. 110 In dieser transformierten Form 111 wirken sich die Ziele und Grundsätze der Raumordnung daher auf Private aus, ohne daß daraus kompetenzrechtliche Probleme im Hinblick auf die Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 ROG erwachsen würden, denn dem Raumordnungsgesetzgeber ist nur verwehrt, solche Regelungen zu treffen, nach denen den Erfordernissen der Raumordnung unmittelbare Rechtswirkung gegenüber Privaten zukommt. Die skizzierten mediatisierten Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung lassen sich am besten anhand der qualifizierten Bebauungspläne veranschaulichen. 112 Die Grundsätze und Ziele der Raumordnung stellen dabei Vorgaben für die Bauleitpläne dar. Sie erfahren sowohl in räumlicher als auch in sachlicher Hinsicht im Wege der Bauleitplanung eine Konkretisierung. Im Hinblick auf die Ziele der Raumordnung ergibt sich dabei die Bindung aus § 4 Abs. 1 S. 1 ROG sowie § 1 Abs. 4 BauGB. Die Grundsätze der Raumordnung sind demgegenüber nach § 4 Abs. 2 ROG i.V.m. § 1 Abs. 6 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen. Zwar werden die Grundsätze nicht ausdrücklich in § 1 Abs. 5, 6 BauGB erwähnt. Es bestehen aber keine Zweifel, daß sie zu den „öffentlichen Belangen" i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB gehören. 113 Da der qualifizierte Bebauungsplan seinerseits nach § 30 Abs. 1 BauGB für die Zulässigkeit privater Vorhaben maßgeblich ist, fungiert er als Transformator der Raumordnungserfordernisse. Ein zielkonformer Bebauungsplan gewährleistet daher insbesondere, daß private Vorhaben innerhalb seines Geltungsbereichs ebenfalls zielkonform sind.

II. Direkte Bindungswirkung Die zweite Form der Bindungswirkung, die man als direkte, gleichsam umweglose Bindungswirkung 114 bezeichnen kann 115 , folgt aus den erwähnten 110

Vgl. zum bisherigen Recht: Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 80 f.; Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (19). 111 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 12 m.w.N. 112 Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 f.; weitere Beispiele sind die Konkretisierung der Ziele der Raumordnung durch Landschaftsschutzgebietsverordnungen oder Wasserschutzgebietsverordnungen, vgl. Christ, Raumordnungsziele, S. 87 ff. 113

Kilian!Müllers,

VerwArch 1998, S. 25, 56; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277,

278); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 4; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 17, S. 171. 114 So Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (15,

20).

115 Häufig findet sich auch der Ausdruck der „mittelbaren Wirkung", der allerdings nicht einheitlich verwendet wird und vielfach auch die mediatisierten Wirkungen im hier

Β. Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben

43

differenzierten Regelungen des § 4 ROG, die behördliche Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben betreffen und zum Teil allerdings auch auf die fachgesetzlichen Zulassungstatbestände verweisen. Zu nennen sind die Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG und § 4 Abs. 4,5 ROG. Während § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG die Zielbindung bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen über private Vorhaben betrifft, haben die Vorschriften der § 4 Abs. 4, 5 ROG die sonstige Raumordnungsbindung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben zum Gegenstand, d.h. insbesondere die Zielbindung bei Genehmigungen sowie die Bindung an die Grundsätze der Raumordnung. Die genannten Vorschriften regeln die Wirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung mithin unabhängig von den dargelegten traditionellen mediatisierten Wirkungen. Neben der Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen geht es also vornehmlich um die Problemstellung, ob und inwieweit die Ziele und Grundsätze der Raumordnung dann in die Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben direkt hineinwirken, wenn außenwirksame mediatisierende raumbedeutsame Planungen, insbesondere Bebauungspläne nicht vorhanden sind.

1. Bedürfnis nach direkten Bindungswirkungen bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen Eine Besonderheit der Planfeststellungen und Plangenehmigungen besteht darin, daß diese Fachplanungen nach Maßgabe des § 38 BauGB gegenüber der städtebaulichen Planung privilegiert sind. Wenn Bebauungspläne die Ziele und Grundsätze der Raumordnung konkretisieren und umsetzen, werden diese zwar bei den privilegierten Fachplanungen über private Vorhaben berücksichtigt. Ein direkter Ableitungszusammenhang im Sinne einer strikten Bindung an die Bauleitpläne liegt indes nicht vor. Ohne direkte Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bestünde mithin eine Lücke im Raumplanungssystem im Hinblick auf die Verwirklichung des raumordnerischen Gesamtkonzepts.

gebrauchten Sinne miteinschließt. Vgl. Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (346); Hoppe, DVB1. 1993, 1109 (1115); Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 42 ff.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 13; Christ, Raumordnungsziele, S. 104; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 42, 190; Roer, Privatisierung, S. 28; v.d. Heide, in: CholewalDallhammerlDyong/v. d.Heide!Ar enz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 246; vgl. auch Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 41, der von unmittelbaren Zielbeachtenspflichten spricht, die allerdings durch spezialgesetzliche Regelungen vermittelt werden.

44

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

Zwar gibt es neben der Bauleitplanung auch Fachplanungen öffentlicher Stellen, an die die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über die Zulässigkeit privater Vorhaben gebunden ist. Im Wege dieser Fachplanungen werden die Ziele und Grundsätze mithin auch näher konkretisiert. Insofern gilt es aber zu berücksichtigen, daß diese Fachplanungen zum einen nicht immer strikt verbindlich sind, zum anderen nur bestimmte fachliche Gesichtpunkte betreffen und sich folglich ihrer Zielsetzung nach nicht uneingeschränkt zur Umsetzung raumordnerischer Aussagen eignen. 116 Ferner werden die Fachplanungen in der Praxis nicht immer im ausreichenden Maße aufgestellt. 117 In verschiedenen Bereichen ist überdies ein gesetzgeberisches Defizit im Hinblick auf räumliche Fachpläne zu verzeichnen. 118 Eine umfassende Umsetzung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung wird durch die außenwirksamen Fachpläne mithin nicht erreicht. 119

2. Das Umsetzungsdefizit

bei der Bauleitplanung

Die grundlegende Bedeutung der direkten Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung wird vor allem auch vor dem Hintergrund verständlich, daß in der Praxis ein Umsetzungsdefizit hinsichtlich transformierender Planungen festzustellen ist. Unzulänglich ist vor allem die Umsetzung und Konkretisierung der Ziele der Raumordnung in Flächennutzungs- und Bebauungplänen.120 Die Gründe für dieses Umsetzungsdefizit sind unterschiedlichster Natur. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist die fehlende Verwaltungskraft, insbesondere kleiner Gemeinden, aber auch die generell negative Grundeinstellung der Gemeinden gegenüber überörtlichen Planungsrestriktionen. 121 Als Folge der

116 Vgl. z.B. zu den beschränkten Rechtswirkungen und Zielsetzungen der wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne sowie Bewirtschaftungspläne, Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (988 f.). 117 Christ, Raumordnungsziele, S. 86 im Hinblick auf Schutzgebietsverordnungen. Vgl. entsprechend zu den wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne sowie Bewirtschaftungsplänen, Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (988 f.). 118 Vgl. kritisch zum Fehlen einer räumlichen Fachplanung für die Bodenschätzegewinnung und -Sicherung Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (626); Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 ff. 119 Christ, Raumordnungsziele, S. 87. 120 Vgl. ausführlich dazu Christ, Raumordnungsziele, S. 93 ff.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 4, S. 6; Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290). 121 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 184; vgl. auch Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (117), der darauf hinweist, daß die Raumordnung inneradministrativ vielen Hindernissen und Hemmnissen ausgesetzt sei und sie auch von außen, aus dem gesellschaftlichen Raum, keine nennenswerte Unterschützung erfahre.

Β. Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben

45

chronischen Finanznot der Gemeinden ist ferner in neuerer Zeit ein Bedeutungsverlust der klassischen Angebotsplanung zu verzeichnen. 122 Der Trend geht zu der vom Investor finanzierten vorhabenbezogenen Bebauungsplanung. 123 Die daraus resultierende abwartende Haltung der Gemeinden steht ebenfalls einer zügigen Umsetzung der raumordnungsplanerischen Vorgaben entgegen. Es ist zwar weithin anerkannt, daß die Gemeinden aufgrund des Anpassungsgebotes nach § 1 Abs. 4 BauGB die Ziele der Raumordnung beachten müssen, wenn sie Bebauungspläne aufstellen und bestehende Pläne nachfolgenden Zielen der Raumordnung anpassen müssen. 124 Umstritten ist jedoch, ob die Anpassungspflicht auch ein Gebot der Erstplanung umfaßt. 125 Die Unsicherheiten hinsichtlich einer Erstplanungspflicht der Gemeinden und die Zurückhaltung im Hinblick auf die Einführung und Durchsetzung von raumordnerischen Planungsgeboten 126 tragen daher dazu bei, daß die Raumordnungsziele nicht durchgängig in konkretisierenden Bebauungsplänen ihren Niederschlag gefunden haben. 127 Bei genauerer Betrachtung ist eine unmittelbare Umsetzung von Raumordnungszielen durch Bauleitpläne nicht immer sinnvoll und möglich, weil die Raumordnungsplanung und die Bauleitplanung unterschiedliche Zwecke verfolgen. Diese Problematik tritt zum Teil im Hinblick auf raumordnerische Vorranggebiete zutage. Indem hierdurch bestimmte Gebiete für eine spätere Nutzung freigehalten werden, dienen diese Ausweisungen in erster Linie der

122

Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (767). Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (767). 124 Stellvertretend Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 147; Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 79; Peine, Öffentliches Baurecht, S. 105; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 76; a.A. Gierke, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 429. 125 Vgl. ausführlich zum Streit stellvertretend Gierke, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 433 ff.; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 76; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 17 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 126 ff., S. 134 f.; Koch, in: dersJHendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 147 ff., vgl. dort auch S. 148 Fußnote 21 zum Verhältnis von Erstplanungspflicht und den Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB. 126 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 185; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 30; §13 des Regierungsentwurfes (BT-Drs. 13/6392) enthielt eine Regelung des Planungsgebotes, durch dessen Aufnahme implizit auch das Bestehen einer Erstplanungspflicht klargestellt worden wäre. Vgl. dazu auch Kaune, BBauBl. 1997, S. 87 (92); Kritisch zu landesrechtlichen Planungsgeboten aus kompetenzrechtlichen Gründen Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 148. 127 Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290). 123

46

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

Vorsorge. 128 Bei der Standortvorsorgeplanung durch Vorrangbereiche werden mithin im Plan eine Vielzahl von Flächen ausgewiesen und für bestimmte Nutzungen freigehalten, ohne daß im Zeitpunkt der Planerstellung feststeht, ob diese Flächen jemals in Anspruch genommen werden. 129 Gerade bei Vorrangausweisungen ist eine unmittelbar anschließende parzellenscharfe außenverbindliche Umsetzung über Bebauungspläne oder Schutzgebietsfestlegungen unabhängig von einem konkret ausgestalteten Projekt und ohne ein aktuelles Bedürfiiis nicht immer sinnvoll oder möglich. 1 3 0 Das Umsetzungsdefizit ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, daß an die Raumordnungsplanung angesichts der zunehmenden Probleme hinsichtlich konkurrierender Raumnutzungsansprüche immer größere Erwartungen gestellt werden. Während die Raumordnungsplanung darauf mit der Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung von Zielaussagen reagiert hat, erweist sich das rechtlich stark durchnormierte System der Bauleitplanung als schwerfälliger. Die Gemeinden finden (bisher) für die aus raumordnerischer Sicht gebotenen Aussagetypen nicht immer ein Pendant an Festsetzungs- und Darstellungsarten nach §§ 5, 9 BauGB vor, die zur vollständigen Konkretisierung der raumordnerischen Vorgaben geeignet sind. 1 3 1 Dies gilt jedenfalls zum Teil für solche raumordnerische Aussagearten, die bestimmte negativplanerische Inhalte aufweisen, mithin auf die Beschränkung bestimmter Nutzungsarten in Teilen des Gemeindegebietes abzielen. 132 Ferner spielt eine Rolle, daß die Raumordnungsplanung sich zwar auf das ganze Gemeindegebiet der jeweiligen betroffenen Gemeinden beziehen kann, die Bebauungsplanung aber nicht auf eine flächendeckende Überplanung des Gemeindegebiets zugeschnitten ist. Durch die Einführung direkter Β indungsWirkungen trägt der Gesetzgeber daher dem Umstand Rechnung, daß die vollständige und flächendeckende Umsetzung sämtlicher Raumordnungserfordernisse nicht immer gewährleistet ist 1 3 3 und zum Teil auch nicht gewährleistet werden kann. Da die Raumordnung flächendeckend wirken soll, sollen sich ihre Ordnungsvorstellungen somit grundsätzlich auch auf diejenigen Bereiche beziehen können, in denen trans-

128

Vgl. Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (124); Hoppe!Appold/Haneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 (1204). 129 Vgl. Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (124); Hoppe!Appold/Haneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 (1204). 130 Christ, Raumordnungsziele, S. 47; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (434). 131 Vgl. dazu Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (658) allerdings lediglich im Hinblick auf das Bundesbaugesetz vor 1976. 132 Vgl. zu den beschränkten Möglichkeiten gemeindlicher Umsetzung landesplanerischer Konzentrationsanordnungen Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 110; vgl. auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 92 ff. 133 Vgl. ausführlich dazu Christ, Raumordnungsziele, S. 93 ff.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 4, S. 6.

Β. Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben

47

formierende außenwirksame Planungen fehlen. 134 Plastisch ausgedrückt darf aus Gründen planerischer Effizienz die Wirksamkeit der Raumordnungsplanung insbesondere nicht auf Gedeih und Verderb dem guten Willen der Gemeinde und ihrer Bereitschaft, Bebauungspläne aufzustellen, überantwortet werden. 135 Die Verwirklichung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung über behördliche Zulassungsentscheidungen stellt mithin eine funktionsgerechte Ergänzung zur Umsetzung über eine außenverbindliche planerische Konkretisierung dar. 136 Die direkten Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung führen zudem auch zu einer Entschärfung des Problems der Erstplanungspflicht und der raumordnungsrechtlichen Planungsgebote.137

3. Die zunehmende Konkretheit der raumordnungsplanerischen Aussagen angesichts gesteigerter Anforderungen an die Raumordnungsplanung Die direkte Bindungswirkung der Raumordnungsziele darf nicht losgelöst von der Planungspraxis der Raumordnung betrachtet werden. Diese differiert zwar in den Ländern und Regionen entsprechend der jeweiligen Planungstradition, der „Planungsphilosophie" 138 und der zu bewältigenden Planungsprobleme 139 zum Teil erheblich. 140 Im allgemeinen läßt sich allerdings eine Tendenz zu immer größerer Konkretheit raumordnungsplanerischer Aussagen erkennen, nämlich insbesondere im Hinblick auf konkrete Gebietsausweisungen, z.B. zu ökologischen Zwecken oder bei raumordnerischen Standortvorsorgeplanungen. 141 Dies ist unter anderem auf die stärker steigenden 134

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 6. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 80. 136 Christ, Raumordnungsziele, S. 103; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 186, S. 209. 137 Vgl. Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (631, 632), wonach die Problemstellung der kommunalen Erstplanungspflicht sich aufgrund der Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F. als weitgehend akademisch erweise. Die Problematik bleibt allerdings im Hinblick auf nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben bestehen. So Brohm, DÖV 1989, S. 429 (434). 138 Vgl. dazu Goppel, BayVBl. 1998, S. 291 (292). 139 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 103. 140 Die Raumordnungspläne in Nordrhein-Westfalen zeichnen sich beispielsweise durch einen sehr hohen Konkretisierungsgrad aus, während andere Bundesländer bei der Festlegung gebiets- oder gar parzellenscharfer Gebiete eher zurückhaltend sind. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die unterschiedlichen Planungstraditionen ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Frage sein wird, inwieweit die Länder entsprechend § 9 Abs. 6 ROG in Zukunft eine Verbindung der Flächennutzungsplanung mit der Regionalplanung einführen. 141 Vgl. Uechtritz, VB1BW 1984, S. 5 (6); Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, S. 237 ff.; Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 115; Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910. Eine gegensätzliche Tendenz im Sinne einer Entfeinerung von Raumordnungsplänen, 135

48

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

Ansprüche an die natürlichen Ressourcen zurückzuführen. 142 Gerade in den Ballungsgebieten kommt dem Primat der Freiraumsicherung und mithin dem Bedürfiiis nach detaillierten Festlegungen zunehmende Bedeutung zu. 1 4 3 Konkrete Festlegungen sind im System des deutschen Raumplanungsrechts im Grundsatz der örtlichen Planung vorbehalten. Die zunehmende Detailschärfe der Raumordnungspläne kann somit auch als ein Ausdruck eines schleichenden Entörtlichungsprozesses 144 betrachtet werden. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, daß in einem „Europa der Regionen" die Kriterien der Örtlichkeit und der Überörtlichkeit angesichts veränderter Kooperationsmuster und kürzerer Informationswege nicht nur an Konturenschärfe, sondern auch an Maßstabsfunktion verloren haben. 145 Angesichts immer weitreichenderer Verflechtungen können viele den Raum beanspruchende Planungen und Maßnahmen nicht mehr gemeindeintern, sondern nur noch auf der übergemeindlichen Ebene einer zufriedenstellenden Regelung zugeführt werden. 146 Eine Ausprägung dieser Entwicklung sind die Regionalisierungstendenzen in der Raumplanung, mithin die Stärkung der Regionalplanung, auch gegenüber der gemeindlichen Bauleitplanung. 147 Besonders offensichtlich wird die Annäherung und Überschneidung der örtlichen und überörtlichen Planung bei der neu in § 9 Abs. 6 ROG eröffneten die sich auf eine stärkere Bedeutung der vorhabenbezogenen Abstimmung im Wege von Raumordnungsverfahren auswirke, beobachtet demgegenüber Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (297). 142 Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 111 m.w.N., spricht im Hinblick auf die zunehmende Detailliertheit der Planaussagen von den „Plänen der zweiten Generation"; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 164; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 92. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54. Nach Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (298), beweisen die engmaschigen Zielvorgaben der bayerischen Regionalplanung ein starkes Mißtrauen des regionalen Planungsverbandes gegenüber seinen Mitgliedsgemeinden. 143 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 103, weist daraufhin, daß in den Ballungsgebieten das Primat der Freiraumsicherung und mithin das Bedürfnis nach detaillierten Festlegungen besonders groß sei. Vgl. auch Kilian/Müllers, VerwArch 1998, S. 25 (58, 65 ff.); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 86 f. 144 Vgl. dazu Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (758); ders., zitiert bei Mitschang, NVwZ 1997, S. 876 (877). 145 Vgl. dazu Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (758, 766); ders., zitiert bei Mitschang, NVwZ 1997, S. 876 (877). Vgl. zur zunehmenden Bedeutung der Region im Hinblick auf die Stadtentwicklung unter europäischen Rahmenbedingungen Ritter, DÖV 1995, S. 393 ff. 146 Mitschang, NVwZ 1997, S. 876 (878); Kaune, BBauBl. 1997, S. 87 (90); Ritter, DÖV 1995, S. 393 (399), der davon ausgeht, daß neben der Regionalplanung das Instrument der Städtenetze ein besonders zukunftsträchtiges raumordnerisches Handlungsinstrument sei. 147 Vgl. dazu Ritter, DÖV 1995, S. 393 (399); Runkel, DVB1. 1996, S. 698 (702); Spannowsky, DÖV 1997, S. 557 (758, 763, 766), der allerdings daraufhinweist, daß den Gemeinden gleichwohl genügend Freiraum zur Feinsteuerung verbleiben müsse.

Β. Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben

49

Möglichkeit, in verdichteten Räumen die gemeinsame Flächennutzungsplanung mit der Regionalplanung im Wege eines sogenannten regionalen Flächennutzungsplans - voraussichtlich mit allen Konsequenzen für die Detailschärfe 148 - z u verzahnen. 149 Die dargelegte Entwicklung kann auch für Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben nicht folgenlos sein. Im Gegensatz zu sehr allgemein gehaltenen Aussagen, die sich beispielsweise lediglich an die Gemeinde als ganze richten, nähern sich die konkreten Gebietsfestlegungen ihrer Aussagedichte nach an die konkretisierenden außenverbindlichen Planungen an. Daß sie infolgedessen auch in die Nähe der Zulassungsentscheidungen über raumbedeutsame Vorhaben gerückt werden, verwundert nicht, denn konkreten Gebietsausweisungen kann schließlich vielfach entnommen werden, ob ein bestimmtes Projekt auf den jeweiligen Flächen raumordnerisch erwünscht ist oder nicht. 150 Ein auf Einzelvorhaben zugeschnittener zusätzlicher Konkretisierungsbedarf besteht insofern also häufig nicht.

148

Nach Runkel, zitiert bei Lehners, DVB1. 1998, S. 130 (132), wird der regionale Flächennutzungsplan allerdings nicht an den Konkretisierungsgrad eines normalen Flächennutzungsplans heranreichen können. 149 Vgl. zu den neuen Planungsinstrumenten, z.B. Lüers UPR 1997, S. 348 (353); Runkel, DVB1. 1996, S. 698 (703); ders., zitiert bei Lehners, DVB1. 1998, S. 130 (132); Groß, NuR 1998, S. 123 ff.; Erbguth, DÖV 1998, S. 673 (676 f.); kritisch Steinfort,

der

städtetag 1996, 791 (799). Nach Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (759), bahnt das BauROG 1998 im grundsätzlichen eine Neuverteilung der Entscheidungsgewichte zwischen der Raumordnungsplanung und der örtlichen Bauleitplanung an. Für die kommunale Selbstverwaltung sei die Gefahr des Ausblutens niemals größer als heute. Erfahrungen mit der Verzahnung von Flächennutzungsplanung und Raumordnungsplanung gibt es bereits in Berlin, wo der Flächennutzungsplan die Doppelfunktion als vorbereitender Bauleitplan und Raumordnungsplan übernimmt, vgl. die sogenannte Stadtstaatenklausel des § 8 Abs. 1 S. 2 ROG bzw. § 5 Abs. 1 S. 5 ROG a.F. Vgl. zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten Hoppe, DVB1. 1997, S. 234 (236, 238 f.). In Zukunft soll der Berliner Flächennutzungsplan indes nur noch kommunaler Bauleitplan sein. Vgl. § 1 Abs. 2 S. 2,§ 13 Abs. 1, § 22 Abs. 4 Vertrag über die Aufgaben und Trägerschaft sowie Grundlagen und Verfahren der gemeinsamen Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg (Landesplanungsvertrag), vgl. III Erläuterungsbericht III. Β 2 S. 3 Gemeinsamer Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin (LEP eV) v. 2. März 1998 (Bin GVB1., S. 38), der lautet: Nach Inkrafttreten der gemeinsamen landesplanerischen Ziele des LEPro und des LEP eV verliert der FNP seine Funktion als Landesplan. Er ist dann kommunaler Bauleitplan. 150 Vgl. zum Zusammenhang zwischen konkreter Raumordnungsplanung und der Nähe zum konkreten Projekt und den Bürgern Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113(119). 4 Spiecker

50

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung I I I . Beschränkung der Untersuchung auf die direkten Bindungswirkungen bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen sowie auf die Genehmigung von Vorhaben nach § 35 BauGB

Die Analyse der direkten Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben ist das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit. Anhand der Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG einerseits und der §§ 4 Abs. 4, 5 ROG i.V.m. § 35 BauGB sollen die unterschiedlichen und differenzierten Wirkungsweisen im einzelnen dargestellt werden. Die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG stellt eine Neuerung des ROG 1998 dar. Danach sind die Ziele der Raumordnung erstmalig aufgrund einer Vorschrift im Raumordnungsgesetz im Rahmen von Planfeststellungen und Plangenehmigungen bei privaten Vorhaben zu beachten. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG wirft nicht nur kompetenzrechtliche Probleme auf, sondern es muß auch untersucht werden, wie sich die Ziele der Raumordnung in das Entscheidungsprogramm dieser fachplanerischen Zulassungsentscheidung im einzelnen integrieren lassen. Entsprechendes gilt auch für die Grundsätze der Raumordnung. Die Vorschrift des § 35 BauGB, die die Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich betrifft, ist als Beispiel ausgewählt worden, weil sich an ihr die Diskussion um die Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben entzündet hat. Es liegt auf der Hand, daß sich die Problematik der direkten Bindungswirkung vor allem bei der Genehmigung von Vorhaben im unbeplanten Außenbereich nach § 35 BauGB zuspitzen mußte. 151 Der Außenbereich stellt nicht nur die weitaus größte Fläche der Bundesrepublik dar. Er ist zudem vornehmlich von der erwähnten planerische Untätigkeit der Gemeinden bzw. von den Umsetzungsdefiziten im Hinblick auf die Ziele und Grundsätze der Raumordnung betroffen. Da die räumlichen Nutzungsansprüche überwiegend auf den unbebauten Raum zielen, birgt der Außenbereich zugleich ein gesteigertes räumliches Konfliktpotential, insbesondere auch im Hinblick auf Großprojekte. 152 Der baurechtliche Außenbereich ist folglich ein zentraler Gegenstand raumordnerischer Interessen. 153 Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 BauGB zeichnet sich durch drei verschiedene Raumordnungsklauseln aus. Die Zielgeltung im Rahmen dieser Raum-

151 152 153

Ebenso Hoppe, FS Weyreuther, S. 89 (91). Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 178. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 178.

C. Das Beispiel der Kiesabgrabungen

51

Ordnungsklauseln ist auf unterschiedliche Weise möglich. 154 Raumordnungsziele können negativ zur Unzulässigkeit einer Vorhabens führen, wenn das Vorhaben mit den Zielen nicht im Einklang steht (§ 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB). 155 Andererseits sind sie in der Lage, eine positive, zulassungsfördernde Wirkung zu entfalten, wenn das Vorhaben mit den Zielaussagen übereinstimmt (§ 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB). 1 5 6 Die Ziele können schließlich Vorhaben an bestimmten Stellen konzentrieren und außerhalb von Konzentrationsbereichen ausschließen (§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB). 1 5 7 In keinem anderen fachgesetzlichen Zulassungstatbestand hat der Gesetzgeber die raumordnerischen Bindungen derartig differenziert zum Ausdruck gebracht. Die verschiedenen Facetten der Raumordnungsbindung können daher anhand dieser Vorschrift besonders gut analysiert werden. Indem diese exemplarische Analyse eines fachgesetzlichen Zulassungstatbestandes versucht, die Grundstrukturen der Wirkungsweise der Ziele und Grundsätze der Raumordnung herauszuarbeiten, dürfte sie dabei auch für das Verständnis sonstiger fachgesetzlicher Zulassungstatbestände bzw. Raumordnungsklauseln 158 wertvoll sein.

C. Die beispielhafte Darstellung anhand der Zulassungsentscheidungen über Kiesabgrabungen Es gibt gute Gründe, sich der Problematik der Raumordnungsbindung von Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben gerade am Beispiel von Kiesabgrabungen zu nähern.

154

Vgl. Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (670); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 71 ff. 155 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (670). 156 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (670). 157 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (670). 158 Vgl. zu der verfassungswidrigen Raumordnungsklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 2 NW AbgrG, wonach eine Abgrabungsgenehmigung zu erteilen ist, wenn die Ziele der Raumordnung beachtet sind. Dem Landesgesetzgeber fehlt für diese Vorschrift die Gesetzgebungsbefugnis, da der Bund von seiner Kompetenz des Bodenrechts mit den §§29 bis 37 BauGB abschließend Gebrauch gemacht hat. Vgl. Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 196 ff.; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 15; vgl. zur umstrittenen raumordnerischen Beurteilung der Gemeinwohlklausel des § 6 WHG Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 205 m.w.N. Vgl. zu Raumordnungsklauseln und parallelen Zulassungsentscheidungen, Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 79; Vgl. ausführlich zur Analyse der wichtigsten bundesrechtlichen Raumordnungsklauseln, Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 46 ff.; ders., DVB1. 1990, S. 1024 ff.

52

Erstes Kapitel: Einfuhrung in die Problemstellung

Die raumordnungsplanerische Steuerung von Kiesabgrabungen ist von enormer praktischer und raumordnungspolitischer Relevanz und stellt eine wichtige und aktuelle Herausforderung an die Raumordnung dar. 159 Die Kies- und Sandindustrie in Deutschland besitzt eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung. Sie bestand Ende 1995 aus 1.781 Unternehmen mit rund 32.600 Beschäftigten. 160 Kiese und Sande sind ferner die wichtigsten Massenrohstoffe, von deren Gewinnung die gesamte Bauindustrie abhängig ist. 161 Im Jahr 1995 produzierte die deutsche Baukiesindustrie 415 Millionen Tonnen Baukies und -sand. 162 Die Zahl von 3.480 Gewinnungsstellen163, die zum Teil erhebliche Flächen in Anspruch nehmen 164 , belegt ferner die räumliche Dimension dieses Industriezweiges. 165 Eine Kiesgrube ist im eminenten Sinne raumgestaltendes Verhalten, weil sie die künftige Entwicklung ganzer Stadtteile oder die natürliche Situation im Außenbereich für Jahrzehnte prägt und in mehrerer Hinsicht vorentscheidet. 166 Die Raumordnung sieht sich dabei nicht nur mit der gewissermaßen allgemeinen Problematik steigender konkurrierender Raumnutzungsansprüche konfrontiert, die bei Standortplanungen für Großprojekte auftritt, sondern muß auch den spezifischen Besonderheiten der Bodenschätze- bzw. Kiesgewinnung Rechnung tragen. Ein Spezifikum der Bodenschätzegewinnung ist, daß sie im besonderen Maße standortgebunden ist. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Rohstoffs Kies müssen in ausreichendem Umfang abbaubare Kiesvorkommen vor konkurrierenden Nutzungen gesichert werden, die einen Abbau auf den

159

Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 185 ff.

160

Bundesverband

der Deutschen Kies- und Sandindustrie

e.V., Geschäftsbericht

95/96, S. 5. 161 Vgl. allgemein zur ökonomischen Bedeutung der Bodenschätzegewinnung, Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 1 f.; Fleckenstein, RuR 1998, S. 176 ff. 162 Der Abbau von Spezialsanden betrug 1995 zusätzlich rund 13, 8 Millionen Tonnen. Vgl. Bundesverband der Deutschen Kies- und Sandindustrie

bericht 95/96, S. 6. 163

Bundesverband

der Deutschen Kies- und Sandindustrie

e.V., Geschäfts-

e.V., Geschäftsbericht

95/96, S. 5. Die Angabe bezieht sich auf das Ende des Jahres 1995 und die gesamte Kies- und Sandindustrie. 164 Vgl. Se Ilmann, DVB1. 1987, S. 223 (224) zur Größenordnung von Naßauskiesungen von 20 und mehr Hektar. 165 Vgl. auch Büllesbach, Abgrabungen, S. 31, der von einem jährlichen Bedarf von 10 qm pro Person für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten in der Bundesrepublik ausgeht. Diese Zahl bezieht sich allerdings nicht nur auf Kies- und Sandabbauvorhaben, sondern umfaßt auch die übrige Bodenschätzegewinnung. 166

Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (58).

C. Das Beispiel der Kiesabgrabungen

53

jeweiligen, in manchen Gegenden knappen Flächen verhindern würden. 167 Bei der Projektierung von Kiesgruben müssen ferner die sehr hohen Transportkosten berücksichtigt werden, die zum einen eine gute Verkehrsanbindung, aber auch die Nähe zum Verwendungsort erfordern. 168 Die Abgrabungen stellen regelmäßig massive Eingriffe in die Landschaft dar und lösen Konflikte mit dem Grundwasserschutz aus. Wegen der ökologischen Folgen und des durch den Kiestransport verursachten Schwerlastverkehrs stößt die Ansiedlung von großen Kiesgruben daher häufig auf massiven Protest der Bevölkerung, so daß die raumordnerische Standortplanung für entsprechende Großprojekte unter großem politischen Druck der Öffentlichkeit steht. Nach dem Verständnis vieler Gemeinden gilt der Kiesabbau als städtebaulich hinderlich und im Hinblick auf die häufig nur eingeschränkte Möglichkeit umfassender Rekultivierung als faktisch präjudizierend. 169 Regelmäßig führen Kiesabgrabungen auch nicht zu einer deutlich spürbaren Steigerung von Arbeitsplätzen in der betroffenen Gemeinde. 170 Aus kommunaler Sicht sind Kiesunternehmen mithin ein eher unattraktiver Gewerbezweig. Deshalb sind es häufig gerade die Gemeinden, die den Kiesabbauvorhaben entgegentreten. 171 Der Raumordnung kommt dabei die anspruchsvolle Aufgabe zu, das Abbaugeschehen in dem komplexen Geflecht konkurrierender Raumnutzungsansprüche im Rahmen eines raumordnerischen Gesamtkonzepts räumlich zu steuern. Sie muß sich dabei nach § 1 Abs. 2 S. 1 ROG von der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung leiten lassen, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. Zur Erfüllung dieses Auftrages können sich die Planungsträger insbesondere des gestalterischen Mittels der Raumordnungspläne bedienen. Die gestal-

167

Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 190, der daraufhinweist, daß die Knappheit gewinnbarer heimischer Bodenschätze im politischen Raum zum Teil noch zu wenig erkannt worden sei; ebenso Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (178 ff.); sowie Gaentzsch, NVwZ 1998, S. 889 (897). 168

Vgl. Bundesverband

der Deutschen Kies- und Sandindustrie

e.V., Geschäfts-

bericht 95/96, S. 5, 41. Danach wird Kies und Sand zu 84, 7 % per LKW, zu 11, 3 % per Schiff und zu 4 % per Bahn befördert. Die Transportkosten bei Kies erreichen etwa nach 50 km und bei Sanden bereits nach 30 km die Ab-Werk-Preise. Vgl. auch Sellmann, DVB1. 1987, S. 223 (226) im Hinblick auf die Planung von Kiesabgrabungen in der Nähe von Straßenbauvorhaben. 169 Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (628). 170 Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (628). 171 Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (628) unter Verweis auf die den folgenden Entscheidungen zugrundeliegende Sachverhalte: BVerwG, DVB1. 1983, S. 893; BVerwGE 67, S. 84; E 77, S. 300; E 79, S. 318.

54

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

terischen Möglichkeiten und die Verwirklichung des raumordnerischen Gesamtkonzepts hängen dabei vornehmlich davon ab, welche auf Kiesabbauvorhaben bezogenen raumordnerischen Aussagen in Raumordnungsplänen überhaupt zulässig sind und welche Bindungswirkungen den raumordnerischen Aussagen im einzelnen zukommt. In diesem Bereich bestehen noch erhebliche Unsicherheiten. Ein Ausdruck dessen dürfte die derzeitige Planungspraxis sein, die insofern durchaus uneinheitlich und verwirrend ist. Eine Klärung und Systematisierung der raumordnerischen Aussagearten zur Steuerung des Kiesabbaus könnte mithin auch zur besseren Verwirklichung raumordnungsplanerischer Kiesabbaukonzepte beitragen. Im übrigen sprechen auch eher dogmatische Gründe des Raumordnungsrechts für die Beschäftigung mit der raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen. Kiesabgrabungen gehören nämlich zu den besonders prominenten raumordnungsrechtlichen Beispielen für einige zentrale Fragen des neuen Raumordnungsrechts im Zusammenhang mit Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben. 172 Wie bereits erwähnt, hat das Raumordnungsgesetz die direkten Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben in § 4 ROG geregelt und dabei den allgemeinen Vorschriften nach § 4 Abs. 4, 5 ROG die spezielle Vorschrift des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ROG zur Seite gestellt, die eine Zielbeachtenspflicht für Planfeststellungen und Plangenehmigungen über die Zulässigkeit privater Vorhaben normiert.Eine Besonderheit von Kiesabbauvorhaben besteht darin, daß für sie zwei unterschiedliche Arten von Zulassungsentscheidungen in Betracht kommen. Im Falle einer Naßauskiesung ist dies in der Regel eine Planfeststellung bzw. eine Plangenehmigung nach § 31 WHG, während bei Trockenauskiesungen Genehmigungen einzuholen sind. Kiesabgrabungen gehören mithin zu den wenigen privaten Vorhaben, an deren Beispiel das Regelungssystem des § 4 ROG im Hinblick auf die Zulässigkeit privater Vorhaben umfassend dargestellt werden kann. Ferner verdient die Vorschrift des § 7 Abs. 4 ROG besonderes Interesse, die die raumordnerischen Gebietsfestlegungen der Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete regelt und die zu den wesentlichen Neuerungen des ROG zählt. An diese Arten der Festlegungen in Raumordnungsplänen knüpfen sich zentrale dogmatische Fragen, die für die Bindungswirkungen der Raumordnungsplanung im allgemeinen von erheblicher Bedeutung sind. Die 172 Vgl. auch zu der Beobachtung, daß in der Vergangenheit gerade Abgrabungsfölle in erheblichen Umfang Rechtsprechung und Wissenschaft in zentralen Fragen des Rechts und insbesondere auch des Raumplanungsrechts vorangetrieben und verändert haben Schulte, DVB1. 1988, S. 964 f.; ders., Raumplanung und Genehmigung, S. 2; ebenso Schlichter, AgrarR 1985, S. 248; Büllesbach, Abgrabungen, S. 33.

C. Das Beispiel der Kiesabgrabungen

55

genannten Gebietsfestlegungen können nicht nur ihrer Funktion nach sämtlich zur raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen eingesetzt werden, sondern sind zum Teil sogar im besonderen Maße auf planerische Problemstellungen zugeschnitten, die gerade bei Kiesabgrabungen auftreten. Dies gilt vornehmlich für die neue Festlegungsart der Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG und deren Kombination mit Vorranggebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 2 ROG. Mit dem Instrument der Eignungsgebiete soll insbesondere die raumordnerische Steuerung von solchen privilegierten Vorhaben ermöglicht werden, die im Außenbereich ihrem Wesen nach besonders gehäuft auftreten können und dadurch einen raumordnerischen Planungsbedarf auslösen. Ein solcher raumordnerischer Planungsbedarf ist in der Vergangenheit gerade bei Kiesabgrabungen in verschiedenen Teilen der Bundesrepublik aufgetreten. Aufgrund der großräumigen Kiesvorkommen im Außenbereich vieler Gemeinden und einer Rechtsprechung, die unterschiedslos alle Bodenschätzeabbaubetriebe als standortgebundene gewerbliche Betriebe i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegierte, entwickelte sich ein disperser Abbau, der wegen der damit einhergehenden Verkraterung der Landschaft zunehmend als Mißstand empfunden wurde. Schon frühzeitig wurde daher versucht, dieser Entwicklung durch sogenannte Abgrabungskonzentrationszonen in Flächennutzungsplänen und später auch in Raumordnungsplänen Einhalt zu gebieten. Dies wurde von der Rechtsprechung honoriert 173 und hat in der Literatur einige Aufmerksamkeit erregt 174 . Das neue Instrument der Eignungsgebiete, das auch für weitere Arten von Vorhaben, insbesondere auch für Windkraftanlagen eingesetzt werden kann, muß als eine Fortentwicklung der Rechtsprechung zu diesen sogenannten Abgrabungskonzentrationen angesehen werden. Abgrabungsvorhaben avancieren daher zum Lehrbuchbeispiel, anhand derer die Problematik der Eignungsgebiete besonders gut dargestellt werden kann. Aus den Darlegungen ergibt sich, daß die Analyse der speziellen Frage der raumordnerischen Steuerung von Kiesabbauvorhaben auch für die allgemeine Dogmatik der Ziele und Grundsätze der Raumordnung besonders ertragreich zu sein verspricht.

173

Vgl. zum Flächennutzungsplan BVerwGE 77, S. 300 (302 ff.); BVerwGE 79, S. 318 (323 f.); BVerwG, ZfBR 1998, S. 262; OVG NW, NWVB1. 1998, V; vgl. zum Regionalplan BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 ff.; OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512; vgl. zu Abgrabungskonzentrationszonen im Bebauungsplan VGH München, NVwZ 1991, S. 391 ff. 174 Stellvertretend Berkemann,, DVB1. 1989, S. 625 (632); Schneider, DÖV 1988, S. 858 (865 ff.); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119 ff.; Hoppe, FS Geizer, S. 43 (58 f.), Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 98 ff.; umfassend zum Flächennutzungsplan Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg.

56

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

D. Gang der Untersuchung Die Ziele und Grundsätze der Raumordnung bilden den zentralen Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit. Als Grundlage für die weitere Untersuchung werden daher in Kapitel 2 deren wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzungen und das System der Bindungswirkungen der Raumordnungserfordernisse erörtert. Zu diesen Fragen enthält das Raumordnungsgesetz neben den Legaldefmitionen in § 3 ROG eine ganze Reihe neuer Vorschriften. Im einzelnen verdient dabei besonderes Interesse, ob und inwieweit sich die Rechtslage gegenüber dem ROG a.F. geändert hat. Dabei ist zum Beispiel die zentrale neue Vorschrift des raumordnungsrechtlichen Abwägungsgebotes nach § 7 Abs. 7 ROG zu erörtern, aber auch die Thematik der Grundsätze der Raumordnung in Regionalplänen. Die Bindungswirkungen der Grundsätze und Ziele der Raumordnung nach der Konzeption des Raumordnungsgesetzes werden desweiteren im allgemeinen skizziert. Der eigentlichen Analyse des Gesetzes wird allerdings zunächst eine normtheoretische Betrachtung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung vorangestellt. Der normtheoretische Zugang hat sich schon im Schrifttum zum bisherigen Raumordnungsrecht bewährt und gewissermaßen eingebürgert, um die unterschiedliche Funktion der Ziele und Grundsätze im Planungssystem zu beschreiben. Er erleichtert auch das Verständnis bei einigen raumordnungsrechtlichen Vorschriften. Gegenstand des Kapitels 3 sind die Zulassungsentscheidungen über Kiesabgrabungen. Es wird herausgearbeitet, welche behördlichen Entscheidungen überhaupt eingeholt werden müssen, wenn eine Kiesabgrabung angestrebt wird. Hierbei gilt es auch die Voraussetzungen im einzelnen herauszuarbeiten, unter denen eine Kiesgrube nach der noch relativ neuen Fassung des § 31 WHG planfeststellungsbedürfiig oder plangenehmigungsbedürfiig ist oder lediglich einer sonstigen Genehmigung bedarf. Im Rahmen des Kapitels 3 werden ferner die allgemeinen materiellen Voraussetzungen für eine Genehmigung nach § 35 BauGB und für die wasserrechtliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung dargestellt. Dabei werden insbesondere diejenigen Gesichtspunkte eingehender erörtert, die für die Raumordnungsbindung bei Zulassungsentscheidungen über Kiesabgrabungen im folgenden relevant werden. Es liegt auf der Hand, daß insofern auch gerade die Unterschiede der Entscheidungsstruktur einer Genehmigung nach § 35 BauGB einerseits und der Planfeststellung bzw. Plangenehmigung andererseits besonderes Interesse verdienen. Die für die Entscheidung des § 35 BauGB charakteristische nachvollziehende Abwägung steht der planerischen Abwägung bei der Planfeststellung gegenüber, wobei letztere in jüngerer Zeit zunehmender Kritik ausgesetzt ist. Zur Steuerung des Kiesabbaus können sehr unterschiedliche Grundsätze und Ziele der Raumordnung eingesetzt werden, deren wichtigste im Kapitel 4 untersucht werden. Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Gebietsfestlegungen der Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete, die in § 7 Abs. 4

D. Gang der Untersuchung

57

ROG rahmenrechtlich geregelt sind, sowie die verschiedenen Formen von Abgrabungsquoten. Auf der Grundlage des Kapitels 2 können hier Aussagen über die Zulässigkeit solcher Festlegungen getroffen sowie die Qualifizierung als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung vorgenommen werden. Es wird ferner darauf einzugehen sein, ob und inwieweit sich die Festlegungen nur zur Steuerung genehmigungsbedürftiger oder auch planfeststellungsbedürfliger Kiesabgrabungen eignen. Auf der Grundlage der Kapitel 3 und 4 können die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über Kiesabgrabungen analysiert werden. Diese Analyse setzt in Kapitel 5 bei der städtebaulichen Zulässigkeit nach der Vorschrift § 35 BauGB an, d.h. bei dem gewissermaßen klassischen Anwendungsfall der direkten Β indungsWirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung für die Zulässigkeit privater Vorhaben. Es geht hierbei lediglich um die genehmigungsbedürftigen Kiesabgrabungen. Klärungsbedürftig ist insofern, ob und wie die in Kapitel 4 näher beschriebenen Arten von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung in das Entscheidungsprogramm des § 35 BauGB einwirken. Ausgangspunkt sind dabei die Zielbindungsklauseln des § 35 Abs. 3 S. 2 und 3 ROG. Da nicht jedes Ziel der Raumordnung in diesen Raumordnungsklauseln angesprochen ist, gilt es die besonderen Anforderungen festzustellen, die Raumordnungsziele aufweisen müssen, um einzelentscheidungsbindende Wirkung zu entfalten. Die Bindungsintensität der Raumordnungsziele im Rahmen dieser Raumordnungsklauseln stellt desweiteren eine zentrale Fragestellung dar, die eine detaillierte Analyse der einzelnen Vorschriften auch unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Grundeigentumsschutzes erfordert. Letzteres wirft dabei gerade bei Kiesabgrabungen, die regelmäßig einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedürfen, im Hinblick auf § 1 a Abs. 3 WHG besondere Probleme auf. Darüberhinaus wird auch gefragt, ob und inwieweit die Grundsätze der Raumordnung als öffentliche Belange i.S.d. § 35 BauGB im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung einer Kiesabgrabung entgegenstehen können. Die raumordnerische Steuerung von planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürftigen Kiesabgrabungen ist das Thema des Kapitels 6. Beginnend mit einer kompetenzrechtlichen Beurteilung der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG, werden die Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung bestimmt. Da sich das Entscheidungsprogramm bei der Planfeststellung bzw. der Plangenehmigung insbesondere im Hinblick auf die planerische Abwägung von einer Genehmigung nach § 35 BauGB unterscheidet, ist dabei von Interesse, ob sich dies auch bei den Anforderungen niederschlägt, die an die Ziele der Raumordnung im Hinblick auf eine einzelentscheidungsbindende Wirkung zu stellen sind. Des weiteren ist der Umstand zu würdigen, daß in § 35 Abs. 3 BauGB die Zielbindung in drei Raumordnungsklauseln ausdifferenziert wurde, während sich die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 ROG mit einer einzigen Raumord-

58

Erstes Kapitel: Einfhrung in die Problemstellung

nungsklausel begnügt, die zur Beachtung der Ziele der Raumordnung verpflichtet. Erörtert werden auch die Position der Grundeigentümer, die sich im Rahmen von Planfeststellungen und Plangenehmigungen mit Zielen der Raumordnung konfrontiert sehen, sowie die Bindungswirkungen der Grundsätze der Raumordnung. Die Untersuchung geht von der Prämisse aus, daß der Bundesgesetzgeber die direkten Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung bei Zulässigkeitsentscheidungen über private Vorhaben in den wesentlichen praktischen Anwendungsbereichen durch die Vorschriften des § 4 ROG und die Raumordnungsklauseln des § 35 BauGB vorgegeben hat. Daraus wird die Schlußfolgerung gezogen, daß die Landesgesetzgeber bei der Ausgestaltung der Landesplanungsgesetze die vom Bundesgesetzgeber verfolgte Konzeption der Ziele der Raumordnung und ihrer Bindungswirkungen gegenüber Privaten respektieren müssen. Welche Konsequenzen sich daraus für das Landesrecht ergeben, wird in Kapitel 7 erörtert. Es stellt sich die Frage, ob in den Landesplanungsgesetzen aus Gründen des Gesetzesvorbehaltes die zulässigen Aussagetypen für Ziele der Raumordnung gesetzlich geregelt werden müssen. Dabei wird unter anderem auch geklärt, ob die Arten von Zielaussagen, die im Rahmen des Kapitels 4 bereits diskutiert wurden, auch dann zulässig und einzelentscheidungsbindend sind, wenn sie nicht ausdrücklich in den Landesplanungsgesetzen als zulässige Planinhalte genannt sind bzw. ob die Landesgesetzgeber entsprechende ausdrückliche Ermächtigungen normieren müssen. Den Abschluß der Arbeit bilden Überlegungen zum Erfordernis einer unmittelbaren Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. Die genannten Problembereiche weisen eine besondere Aktualität auf, denn die Länder sind nach § 22 ROG i.V.m. Art. 75 Abs. 3 GG gehalten, die rahmenrechtlichen Vorschriften des Raumordnungsgesetz bis zum 31. Dezember 2001 umzusetzen.

Zweites Kapitel

Ziele und Grundsätze der Raumordnung A. Die normtheoretische Betrachtung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung Die unterschiedliche Art der ΒindungsWirkung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung hat die Literatur dazu veranlaßt, diese einer normtheoretischen Betrachtungsweise zu unterziehen. 1 Eine solche Betrachtungsweise kann zu einem vertiefenden Verständnis darüber beitragen, welche Funktion die Ziele bzw. die Grundsätze der Raumordnung im geltenden Raumplanungssystem jeweils erfüllen. 2 Sie erleichtert außerdem die später vorzunehmende Untersuchung darüber, welche Anforderungen an die Ziele und Grundsätze der Raumordnung im einzelnen zu stellen sind.

I. Ziele der Raumordnung als „Regeln" und Grundsätze der Raumordnung als „Prinzipien" In der Rechtstheorie kommt der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien fundamentale Bedeutung zu. 3 Es handelt sich dabei um zwei sich gegenseitig ausschließende Normkategorien. 4 Der qualitative Unterschied zwischen diesen Kategorien besteht darin, daß Regeln zwingende Normen sind, die stets nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt

1 Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 44; ders., Raumplanung und Genehmigung, S. 9 ff.; Pfeifer, DVB1. 1989, S. 337 (342); Hoppe, DVB1. 1992, 853; ders., DVB1. 1993, S. 681 (684 ff.); ders., DVB1. 1994, 1033; Wahl, Rechtsfragen I, S. 209 ff.; Erbguth, LKV 1994, 89 (92); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 28 ff. 2 Stellvertretend Hoppe!Scheipers, FS Stern, S. 1117 (1118). 3 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 ff.; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (684); ders., in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 19 ff.; Pfeifer, DVB1. 1989, S. 337 (342); ders., Konfliktbewältigung, S. 35 f.; Dreier, Abwägung, S. 96 ff. m.w.N., der auch mit den Begriffen „strikte Normen" und „Abwägungsdirektiven" arbeitet. 4 Hoppe, DVB1. 1992, S. 853; ders., DVB1. 1993, S. 681 (685); Bartlsperger, in: Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 79 (102 ff.).

60

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

werden können.5 Regeln gebieten genau das zu tun, was sie verlangen, nicht mehr und nicht weniger. 6 Wenn zwei Regeln einander entgegenstehen, ist der Konflikt entweder durch eine Ausnahmeklausel zu entschärfen oder er muß dadurch gelöst werden, daß eine Regel nicht anwendbar ist, z.B. weil der für diesen Fall aufgestellte Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" zur Geltung einer der Regeln führt 7 oder weil der Vorrang einer Regel durch Auslegung ermittelt werden kann. 8 Können die Konflikte auf diese Weise nicht beseitigt werden, ist mindestens eine der Regeln ungültig. 9 Prinzipien treten demgegenüber in der Regel in einem Bündel von konfligierenden, konkurrierenden und harmonisierenden Prinzipien auf und fordern eine Abwägung zwischen diesen Prinzipien. 10 Prinzipien sind dabei dadurch charakterisiert, daß sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können. Dies tritt insbesondere bei der Kollision von gegenläufigen Prinzipien zutage, die nicht dazu führt, daß mindestens eines der Prinzipien für ungültig zu behandeln ist. Vielmehr ist für Prinzipien wesentlich, daß im Falle einer Kollision eines dem anderen unter bestimmten konkreten Umständen vorgeht, aber unter anderen konkreten Umständen die Vorrangfrage genau umgekehrt entschieden werden kann. 11 Die normtheoretische Differenzierung knüpft folglich an die Bindungswirkungen einer Norm an. Im Hinblick auf die Grundsätze und Ziele der Raumordnung ist dabei zu bemerken, daß sie der Steuerung von raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen dienen. Diese werden in aller Regel aufgrund einer Ermessens- oder Abwägungsentscheidung vorgenommen. Zu denken ist beispielsweise an die bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB, die Abwägung bei Planfeststellungsverfahren, aber auch die Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG, die bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen vorzunehmen

5

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f.; Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 36; ders., DVB1. 1989, S. 337 (342); Hoppe, DVB1. 1992, 853; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (684). 6 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 76; Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 36; Hoppe, DVB1. 1992, 853; ders., DVB1. 1993, S. 681 (684). 7 Dreier, Abwägung, S. 97; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 77. 8 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 11. 9 Nach Wahl, Rechtsfragen I, S. 210 Fn. 15, sind beide Regeln unwirksam. 10 Vgl. zum Begriff der Prinzipien Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 82; Dreier, Abwägung, S. 98; Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 36; ders., DVB1. 1989, S. 337 (343); Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (684 ff.). 11

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 82; Dreier, Abwägung, S. 98; Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 36; ders., DVB1. 1989, S. 337 (343); Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (684 ff.).

Α. Normtheoretische Betrachtung

61

ist. Grundsätze und Ziele der Raumordnung steuern diese Abwägungs- und Ermessensentscheidungen jeweils auf unterschiedliche Weise. 12 Aufgrund ihrer strikten Verbindlichkeit sind die Ziele der Raumordnung der jeweiligen Abwägungs- oder Ermessensentscheidung vorgelagert. Sie sind ihrerseits nicht abwägungsfähig und schränken daher den Abwägungs- und Ermessensspielraum des Adressaten streng ein. Sie bilden eine äußere Grenze der Abwägung. 13 Eine Abwägung ist daher nur noch zwischen solchen Planungsalternativen zulässig, die mit dem jeweiligen Ziel im Einklang stehen. Aufgrund ihrer strikten Verbindlichkeit können die Ziele der Raumordnung daher als Regeln beschrieben werden. 14 Daran ändert auch ihre Konkretisierungsbedürftigkeit nichts 15 , da die Ziele trotzdem einen strikten äußeren Rahmen aufweisen. Sie sind verbindliche Vorgaben, die jedoch innerhalb des von ihnen gesetzten Rahmens auf Konkretisierung angelegt sind. 16 Die Grundsätze der Raumordnung sind demgegenüber abwägungsfähig. 17 Kollisionen von Grundsätzen sind bereits in dem Katalog der bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 1 ROG angelegt. Es liegt beispielsweise auf der Hand, daß zwischen dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 1 ROG, wonach Natur und Landschaft zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln sind, und dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG, wonach für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen sind, Kollisionen vorprogrammiert sind. Die Grundsätze der Raumordnung sind daher der Abwägung bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen nicht vorgelagert, sondern wirken in den Abwägungsprozeß hinein. 18 Sie entfalten ihre rechtsnormative Wirkung in der Dimension der Gewichtung. 19 Normtheoretisch sind sie folglich als Prinzipien zu qualifizieren. 20

12

Vgl. z.B. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 10 („unterschiedlicher Geltungsmodus"); Wahl, Rechtsfragen I, S. 208 („ je spezifische Verbindlichkeit"); Pfeifer, DVB1. 1989, S. 337 (343). 13 Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (348). Vgl. allgemein zum Verhältnis von strikten Normen und planerischer Abwägung, Dreier Abwägung, S. 98. 14 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 11; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (685); Wahl, Rechtsfragen I, S. 209 f.; Dreier, Abwägung, S. 159. 15 Dreier, Abwägung, S. 159. 16 Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3(18). 17 Stellvertretend Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 10; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (685). 18 Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (685). 19 Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (685). 20 Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 45; Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (s. 685); Wahl, Rechtsfragen I, S. 209 ff.

62

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung I I . Die Qualifizierung der Grundsätze der Raumordnung als einfache Prinzipien oder relative Vorrangregelungen

Mit der Einordnung der Grundsätze als Prinzipien ist zunächst nur gesagt, daß sie überhaupt in nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen als Belange einzustellen und abwägungsfähig sind. Fraglich und auch nach dem bisherigen Recht außerordentlich umstritten ist indes, ob die Grundsätze der Raumordnung gleichwertig nebeneinanderstehen oder ob einzelnen Grundsätzen von gesetzeswegen Priorität eingeräumt worden ist. 21 Damit ist das normtheoretische Problem des Verhältnisses der Grundsätze als Prinzipien untereinander angesprochen. 22 In der Literatur und der Rechtsprechung zum Planungsrecht ist - trotz einiger Unsicherheiten im Detail 2 3 und in der Terminologie 24 - weitgehend anerkannt, daß der Gesetzgeber den Stellenwert und den Rang der abzuwägenden Belange in der Phase der Gewichtung steuern und somit bestimmten Belangen ein besonderes Gewicht und einen relativen Vorrang zuweisen kann. 25 Durch diesen

21

Vgl. dazu z.B. Brummund, Grundsätze, S. 117 ff. m.w.N.; Dreier,

S. 203;

Hoppe!Appold,

DVB1.

1987,

S. 179

Abwägung,

(184); Cholewa!Dalihammer!Dy-

onglv.dHeidelArenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Rn. 16 jeweils m.w.N. 22 Vgl. dazu auch Koch, in: Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 9, 20. Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 36 ff., spricht von Prinzipienrelationen. Ders., DVB1. 1989, S. 337 (343). 23 Noch nicht abschließend geklärt ist beispielsweise, inwieweit innerhalb der relativen Vorrangregelungen (im hier dargelegten Sinne) noch weiter nach der Art der Gewichtungsvorgabe zu differenzieren ist, z.B. zwischen sogenannten Präferenzgeboten einerseits und Optimierungsgeboten andererseits. Vgl. zu letzterem Hoppe, UPR 1995, S. 201 (203); ders., DVB1. 1992, S. 853 (859); ders., in: ders.!Grotefels, Öffentliches Baurecht, S. 243 f.; offenlassend Brummund, Die Grundsätze der Raumordnung, S. 116; kritisch Sendler, UPR 1995, S. 41 (45) sowie Koch, in Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 9 (21 f.) und Dreier, Abwägung, S. 121 ff. Vgl. auch Berkemann, in: FS Schlichter, S. 27 (45 f.) („vager und stark interpretationsbedürfiiger Regelungsgehalt solcher Regelungen"). 24 Vgl. zur Terminologie Hoppe, UPR 1995, S. 201 (203 Fn. 33); ders., DVB1. 1992, S. 853 ff.; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (437 f.) sowie die Nachweise bei Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (45 Rn. 39) und bei Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 11 f. 25 BVerwG, NVwZ 1991, S. 69 (70); BVerwGE 90, S. 329 (331 f.); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, S. 309 f.; Dreier, Abwägung, S. 103, S. 121; Pfeifer, Konfliktbewältigung, S. 38 f.; ders., DVB1. 1989, S. 337 (343); Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (437 f.); Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501 (1502 f.); Hoppe, UPR 1995, S. 201

(203); ders., DVB1. 1992, S. 852 ff.; ders., DVB1. 1994, S. 1033 (1037 ff.); Sendler, UPR 1995, S. 41 (44 ff.); Koch, in Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 9 (20) sowie seinen Diskussionsbeitrag, S. 46 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 12, S. 26 ff.; Berkemann, FS Schlichter, 1995, S. 27 (44); Brummund, Grundsätze, S. 144 ff.; Kritisch aus normtheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht Bartlsperger, in: Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 79 (105 ff.); ders., zitiert bei Stüer, DVB1. 1995, S. 1345; ders., DVB1. 1996, S. 1 (7), wonach Vorrangregelungen für die

Α. Normtheoretische Betrachtung

63

Gewichtungsvorrang unterscheiden sich die relativen Vorrangregelungen von den sonstigen Berücksichtigungsgeboten, die eine derartige Privilegierung nicht aufweisen und als einfache Prinzipien bezeichnet werden können. 26 Relative Vorrangregelungen führen nicht dazu, daß die jeweiligen Belange nicht mehr abwägungsfähig sind, ein Umstand der durch das Attribut „relativ" unterstrichen werden soll. 2 7 Konfligierende Belange müssen aber im Einzelfall besonders gewichtig sein, um eine Zurückstellung des mit relativer Priorität und damit mit erhöhtem Gewicht versehenen Belangs nicht als Fehlgewichtung erscheinen zu lassen.28 Im übrigen sind relative Vorrangregelungen rechtlich grundsätzlich unbedenklich, weil der privilegierte Belang im Einzelfall auch hinter den anderen Belangen zurücktreten kann 29 , so daß das Postulat rechtsstaatlicher Planung gewahrt bleibt, das insbesondere eine verhältnismäßige Berücksichtigung aller Belange verlangt. 30 Die Qualifizierung einer Regelung als einfaches Prinzip oder als relative Vorrangregelung ist durch Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln und kann im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. 31 Bestimmten Formulierungen dürfte dabei eine gewisse indizielle Wirkung zukommen, z.B. wenn einem bestimmten Belang „besonders Rech-

planerische Abwägung ein entscheidungstheoretisches und normstrukturelles Unding seien. 26 Dreier, Abwägung, S. 103, der außerdem den Begriff der Planungsleitlinien verwendet. Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1991, S. 69 (70), wo auch zwischen Berücksichtigung und Optimierung unterschieden wird. 27 Zum Begriff der „relativen Vorrangregelungen", Hoppe, UPR 1995, S. 201, 203, der allerdings das Attribut „relativ" für überflüssig hält. 28 Stellvertretend Sendler, UPR 1995, S. 41 (44); Brummund, Grundsätze, S. 116 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 12. Vgl. zu den differenzierten Wirkungen von Optimierungsgeboten im Hinblick auf verstärkte Ermittlungs- und Begründungspflichten und einer höheren gerichtlichen Kontrolldichte Dreier, Abwägung, S. 270, S. 273. 29

30

Brummund, S. 116; Dreier, Abwägung, S. 90 ff.

A.A. Bartlsperger, in: Erbguth et al., Abwägung im Recht, S. 79 (106 ff.). Im Falle einer individualrechtlichen Planbetroffenheit ließen Optimierungsgebote in verfassungwidriger Weise die grundrechtlichen Schrankenregeln außer acht; die betreffenden Individualrechte seien nicht „verplanbar", sondern verlangten eine Abwägung mit dem Plankonzept unter den Anforderungen konkreter grundrechtlicher Verhältnismäßigkeit. 31 Dreier, Abwägung, S. 91 f. Dies zeigt beispielsweise der heftige Streit um die Bedeutung der Umweltschutzbelange im Rahmen des § 1 Abs. 5, 6 BauGB und § 8 a BNatschG a.F., vgl. dazu Sendler, UPR 1995, S. 41 (42 ff.); Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (45), jeweils m.w.N.; vgl. auch zu weiteren diskutierten Beispielen von Optimierungsgeboten, Hoppe, DVB1. 1992, S. 851 (855); vgl. zur Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 1 BauGB, die sicherstellen soll, daß dem vorsorgenden Bodenschutz bei der Aufstellung von Bauleitplänen das nötige Gewicht zukommt, die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 43.

64

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

nung zu tragen ist" oder eine „möglichst weitgehende Beachtung" bzw. „die bestmögliche Verwirklichung" des jeweiligen Belangs angeordnet wird. 3 2 Bei der Auslegung muß ferner die Problematik berücksichtigt werden, daß sich eine Vielzahl relativer Vorrangregelungen gegenseitig ausspielen können und dies eventuell dem Gesetzeszweck und der spezifischen Wirkungsweise solcher Gebote, die auf ein Ranggefälle zwischen den verschiedenen Belangen angewiesen sind, zuwiderlaufen kann. 33 Das dargelegte Rangverhältnis zwischen einfachen Prinzipien und relativen Vorrangregelungen ist für die Analyse und das Verständnis von Grundsätzen der Raumordnung fruchtbar zu machen. Grundsätzlich gilt, daß auch der Raumordnunggesetzgeber bzw. die Träger der Raumordnungsplanung frei sind, im Wege von relativen Vorrangregelungen die Abwägung der Grundsätze untereinander relativ zu determinieren. 34 Es spricht daher nichts dagegen, wenn die in den Grundsätzen der Raumordnung enthaltenen Belange mit unterschiedlichem Gewicht ausgestattet werden. Wie bereits angedeutet, ist sehr umstritten gewesen, ob und inwieweit der Gesetzgeber dies insbesondere bei der Ausgestaltung der bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 1 ROG a.F. getan h a t . 3 5 Einigkeit bestand lediglich dahingehend, daß sich aus der Reihenfolge der Aufzählung keine Abstufung der einzelnen Grundsätze ergebe 36 , während insbesondere die Formulierungen mancher Grundsätze Anlaß zum Streit gaben. 37 Im Hinblick auf die bundesrechtlichen Grundsätze des ROG n.F. fällt auf, daß der Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 4 S. 3 ROG, wonach die soziale Infrastruktur vorrangig in Zentralen Orten zu bündeln ist, und der Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 7 S. 1 ROG, wonach die Entwicklung in strukturschwachen Räumen bevorzugt zu verbessern sind, Formulierungen aufweisen, die auf relative Vorrangregelungen hindeuten. Ferner könnte man überlegen, ob der Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 3 1. HS. ROG, wonach insbesondere Boden sparsam und schonend in 32 Vgl. zu diesen und ähnlichen Formulierungen, Hoppe, UPR 1995, S. 201 (203); ders., in: ders ./Grotefels, Öffentliches Baurecht, S. 243, Rn. 33 f.; ders., DVB1. 1994, S. 1033 (1044); Sendler, UPR 1995, S. 41 (43). 33 Vgl. zu dieser Problematik, kritisch zur Gesetzgebungspraxis Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (45 f.); Hoppe, DVB1. 1992, S. 853 (860); Sendler, UPR 1995, S. 41 (47). 34 Brummund, Grundsätze, S. 117 ff. 35 Vgl. dazu z.B. Brummund, Grundsätze, S. 117 ff. m.w.N.; Dreier, Abwägung,

S. 203;

Hoppe!Appold,

DVB1.

1987,

S. 179

(184); Cholewa/Dalihammer/Dy-

ong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Rn. 16 jeweils m.w.N. 36 Cholewa/Dallhammer/Dyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Rn. 16; Brummund, Grundsätze, S. 118 m.w.N.; Dreier, Abwägung, S. 203. 37 Vgl. zur Frage in Bezug auf den Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 7 S. 2 ROG a.F., wonach die flächengebundene, bäuerliche Landwirtschaft „Vorrang vor in anderen Formen ausgeübter Landwirtschaft hat" Dreier, Abwägung, S. 123.

Α. Normtheoretische Betrachtung

65

Anspruch zu nehmen ist, ebenso wie die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 1 BauGB als relative Vorrangregelung aufzufassen ist. 38 Denkbar wäre ferner, daß der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 20 a GG die Grundsätze, die vornehmlich ökologische Belange betreffen, mit einem besonderen Gewichtungsvorrang versehen wollte. 39 Aus den Gesetzesmaterialien geht allerdings hervor, daß es sich bei den bundesrechtlichen Grundsätzen der Raumordnung um „abstrakt gleichwertige Handlungsmaximen" handelt, die ihre Gewichtung erst im Einzelfall aufgrund einer Abwägungs- oder Ermessensentscheidung für eine konkrete raumbedeutsame Planung oder Maßnahme erfahren. 40 Die genannten Grundsätze sind folglich als einfache Prinzipien einzustufen. 41 Die Qualifizierung der landesplanungsgesetzlichen Grundsätze, die sich ihrem Wortlaut nach vielfach als relative Vorrangregelungen lesen42, muß bei jeder Vorschrift gesondert ermittelt werden und ist einer anderen Untersuchung zu überlassen.43 Hinzuweisen ist darauf, daß der Hauptanwendungsbereich für relative Vorrangregelungen die Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen darstellen dürften. Sofern diese Grundsätze ihrerseits auf einer konkretisierenden Abwägung beruhen, ist nämlich davon auszugehen, daß der Plangeber diesen Grundsätzen gegenüber den übrigen Grundsätzen ein besonderes Gewicht beimessen wollte.

38

Vgl. zur entsprechenden Fragestellung im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 8 ROG a.F. und § 1 Abs. 5 S. 3 BauGB a.F., i.E. ablehnend Dreier, Abwägung, S. 204, 318 ff. 39 Vgl. entsprechend zu den Umweltbelangen im Rahmen des § 1 Abs. 5 BauGB a.F. andeutungsweise Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (66). 40 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 29. 41 Vgl. ebenso bereits im Hinblick auf § 2 Abs. 1 ROG a.F. Dreier, Abwägung, S. 202 f., S. 205 ff., unter Verweis auf die Systematik der Vorschrift und auf die teleologische Erwägung, daß die Aufgabe der Raumordnung lediglich darin bestehe, eine integrative Größe zu entwickeln. Dazu seien aber konkrete Gewichtungsvorgaben nicht unbedingt notwendig. Vgl. auch v.d. Heide, in: CholewalDalihammerlDyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 30, wonach weder aus der Reihenfolge noch aus der Formulierung der Grundsätze auf ein Rangverhältnis geschlossen werden könne. 42 Vgl. z.B. Art. 2 Nr. 10 BayLplG: „Die natürlichen Ertragsbedingungen der Landund Forstwirtschaft sind zu verbessern. Vorhaben, die der Strukturverbesserung in der Landwirtschaft dienen, sind besonders zu berücksichtigen.". Art. 2 Nr. 12 S. 4 BayLplG: „Gebiete von besonderer Schönheit oder Eigenart und Naturdenkmale sind möglichst unberührt zu erhalten und zu schützen." 43 Vgl. dazu z.B. Menke, in: Hoppe/Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 944 ff. 5 Spiecker

66

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

B. Die wichtigsten Anforderungen an Ziele der Raumordnung im einzelnen I. Formelle Anforderungen Die Ziele der Raumordnung werden nach § 3 Nr. 2 ROG nur in Raumordnungsplänen dargestellt, und zwar in den Raumordnungsplänen für das Landesgebiet nach § 8 ROG oder in Regionalplänen nach § 9 ROG. Die derzeitigen Landesplanungsgesetze sehen Ziele der Raumordnung sowohl in den Raumordnungsplänen auf Landesebene als auch in den Regionalplänen vor. 4 4 Landesplanerische Erfordernisse, die nicht Bestandteil von Raumordnungsplänen sind, haben von vornherein keinen Zielcharakter. 45 Im übrigen gibt es keine bundesweit geltenden Ziele der Raumordnung, da das Raumordnungsgesetz keine Raumordnungspläne für das Bundesgebiet vorsieht. 46 Für die Aufstellung von Raumordnungsplänen gelten jeweils die speziellen und sehr vielfältigen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften für Raumordnungspläne für das Landesgebiet bzw. für die Regionalpläne. 47 Diese sind in § 7 Abs. 5, 6 und 8 ROG, § 9 Abs. 4 ROG rahmenrechtlich 48 und im übrigen in den Landesplanungsgesetzen49 detailliert geregelt. Hinzuweisen ist beispielsweise auf die Anhörungs- und Beteiligungsrechte bestimmter öffentlicher Planungsträger 50, die förmliche Feststellung 51 und die Bekanntgabe 52 . Grundsätzlich gilt, daß Raumordnungspläne nichtig sind, wenn bei ihrer Aufstellung gegen Verfahrens- und Formvorschriften verstoßen wurde. 53 Eine

44

Z.B. Art. 4 Abs. 1 BayLplG; § 11 NWLP1G. Goppel, BayVBl. 1998, S. 289; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 53; Hoppe, in: ders./Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 793. 45

46

v.d. Heide,

in:

Cholewa/Dalihammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz,

Raumordnung,

4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 16. 47 Z.B. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 35 f. 48 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, 5. 32. 49 Z.B. §§ 5 ff., §§ 9 ff. BaWüLplG; Art. 14, 18 BayLplG. Vgl. zu den landesrechtlichen Ausgestaltungen des Planungsverfahren jeweils in den einzelnen Ländern, Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 54 ff. für die Raumordnungsplanung auf Landesebene bzw. S. 74 ff. für die Regionalplanung. 50 Z.B. §§ 5 Abs. 3, 9 Abs. 2 BaWüLplG. 51 Z.B. §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 6 , 10 Abs. 1 BaWüLplG. 52 Z.B. § 6 Abs. 2 BaWüLplG. 53 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 36; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 58; Halama, FS Schlichter, S. 201 (212), der allerdings Einschränkungen im Hinblick auf den Schutzzweck der verletzten Verfahrensvorschrift macht.

. Anforderungen an

e der Raumordnung

67

bundesrechtliche Neuerung bilden allerdings die rahmenrechtlichen 54 Vorschriften des § 10 ROG zur Planerhaltung, die sich inhaltlich an die §§214, 215 BauGB anlehnen.55 Diesen liegt die Überlegung zugrunde, daß mit zunehmender Ausformung der Ziele der Raumordnung die Raumordnungspläne immer häufiger einer inzidenten Rechtskontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterzogen werden 56 , so daß das Problem der Planerhaltung ebenso wie bei den Bauleitplänen virulent wird. Nach § 10 Abs. 1 ROG hängt die Beachtlichkeit der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften von dem Ablauf einer Frist ab, während § 10 Abs. 2 ROG Fälle nennt, in denen Verfahrens-, Formund Abwägungsfehler unbeachtlich sein sollen, wenn sie auf das Abwägungsergebnis ohne Einfluß oder behebbar sind. § 10 ROG bedarf allerdings der landesrechtlichen Ausgestaltung. Einige Landesplanungsgesetze kennen bereits entsprechende Präklusions- und Heilungsregelungen. 57

I I . Materielle Anforderungen 1. Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes: Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung Die Ziele der Raumordnung müssen nach § 3 Nr. 2 ROG Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes enthalten und dürfen mithin den Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung nicht verlassen 58. Sie müssen sich daher in ihrem Aussagegehalt als überörtliche und überfachliche Planung des Raumes darstellen.

54

Begründung zum Regierungentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 32. Vgl. dazu die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 85. 56 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 85. 57 Z.B. § 17 NWLP1G, § 11 BaWüLplG. Vgl. auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 59. 58 Entsprechend zum bisherigen Recht stellvertretend Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 114 b; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 53; Weidemann, Staatsaufsicht, S. 27 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 66; Hoppe, in: dersJSchoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 463, 794. 55

68

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung a) Raumbezug und Überörtlichkeit, insbesondere zum zulässigen Detaillierungsgrad der Ziele

Ziele der Raumordnung sind nur dann zulässig, wenn sie inhaltlich einen spezifischen Raumbezug aufweisen. Sie müssen mithin gerade zur räumlichen Entwicklung eingesetzt werden und dürfen nicht völlig losgelöst davon beispielsweise rein wirtschaftspolitische, soziale, fachliche oder kulturelle Zielsetzungen verfolgen. 59 Der notwendige Raumbezug fehlt beispielsweise häufig bei den in der Planungspraxis anzutreffenden, unzulässigen Aussagen in Raumordnungsplänen, die lediglich bildungspolitische, kulturelle oder soziale Angelegenheiten betreffen. 60 Raumordnungsziele müssen als Instrumente der überörtlichen Raumplanung überörtlichen Charakter haben und dürfen die örtliche Planung weder ersetzen noch unzulässig einzuschränken. 61 Die Ziele müssen im Hinblick auf die durch Art. 28 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB verfassungsrechtlich und bundesgesetzlich abgesichterten Eigenverantwortlichkeit der gemeindlichen Bauleitplanung auf Rahmensetzung beschränkt bleiben. 62 Insbesondere gilt es dabei das Übermaßverbot zu beachten, wenn raumordnerische Gebietsfestlegungen erfolgen. 63 Die Festlegungen erfordern mithin eine Rechtfertigung durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht. 64 Es gilt der Grundsatz, daß nur wenn und soweit den Gemeinden selbst die zu regelnde Materie wegen des Gewichts der überörtlichen Interessen nicht überlassen werden kann, Raum für den raumordnerischen Eingriff besteht.65 Aus dem Übermaßverbot kann dabei hergeleitet werden, daß das überörtliche Interesse umso stärker sein muß, je intensiver die Raumordnungsziele zu einer

59

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 100 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60. Wahl, Rechtsfragen I, S. 4. 60 Vgl. dazu ausführlich Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 81 ff. 61 Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 51; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 70 ff., 92 ff. 62 Stellvertretend BVerwGE 90, S. 329 (332); Erbguth, RuR 1997, S. 270 (272); Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 51, 53; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 70 ff.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 40 ff.; Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (658 f.). 63 Hoppe, in: ders ./Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 479; Hoppe!Scheipers, FS Stern, S. 1117 (1122); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 74 (88); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 41; Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (658 f.); ders., DÖV 1989, S. 429 (431, 433). 64 Vgl. zu Vorranggebieten für großindustrielle Anlagen, die auf Zugang zum seeschifftiefen Fahrwasser angewiesen sind BVerfG, NVwZ 1988, S. 47 (49); Busse, BayVBl. 1998, S. 293 f. 65 BVerfG, NVwZ 1988, S. 47 (49); Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (348); Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294, 299).

. Anforderungen an

e der Raumordnung

69

Beschränkung der Planungshoheit der Gemeinden führen. Dies wirkt sich insbesondere auf den zulässigen räumlichen Konkretisierungsgrad von Raumordnungszielen aus, der sich auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken hat, wobei naturgemäß die Regionalplanung mit dem kleineren Maßstab als die Raumordnungsplanung auf Landesebene regelmäßig mit einer größeren Detailschärfe arbeiten darf. 66 Es muß noch ein substantieller Raum für eine konkretisierende Bauleitplanung verbleiben. 67 Mit Blick auf die Gemeinden kann man den räumlichen Konkretheitsgrad von Raumordnungszielen in vier Stufen einteilen, nämlich übergemeindliche, gemeindescharfe, gebiets- und parzellenscharfe Festsetzungen.68 Während sich übergemeindliche Ziele an mehrere Gemeinden wenden, betreffen gemeindescharfe Ziele eine einzelne Gemeinde als Einheit. 69 Aufgrund der Überörtlichkeit der Raumordnungsplanung müssen sich die Ziele der Raumordnung grundsätzlich in ihrem Detaillierungsgrad auf diese Festlegungen beschränken. 70 Gebietsscharfe Festlegungen, bei denen es sich um Aussagen handelt, die sich auf bestimmte Gemeindegebiete beziehen, können ebenfalls ausnahmsweise zulässig sein, wenn das überörtliche Raumplanungskonzept dies erfordert. 71 Sie sind nur mit der gemeindlichen Planungshoheit vereinbar, wenn sie durch ein überörtliches Interesse von höherem Gewicht erfordert werden und nicht mit willkürlichen Sonderbelastungen verbunden sind. 72 Sie lassen sich beispielsweise durch einen besonderen situationsbedingten Grund, z.B. topographische Sachzwänge rechtfertigen oder wenn es um flächenfreihaltende Standortentscheidungen für Vorhaben mit zumindest regionaler Bedeutung geht

66 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 45. Ansatzweise auch Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (299); Kilian!Müllers, VerwArch 1998, S. 25 (65). 67 BVerwG, DVB1. 1992, S. 1438 (1440). 68 Stellvertretend Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54; ders., DÖV 1981, S. 237 (243); Brohm, DVB1. 1980, S. 653; Bülter, Raumordnungspläne, S. 136 ff. Ausführlich zum Streit der zulässigen räumlichen Konkretisierung der Ziele Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 114 b. 69 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54 ff.; Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 53. 70 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54 ff.; Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 53; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 56; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 78 ff. 71 Stellvertretend Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 54; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54, S. 62 f.; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 57; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen S. 25 f.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 43; Christ, Raumordnungsziele S. 20; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 79 f., S. 86 ff. 72 BVerfGE 76, S. 107 (119 f.); Halama, FS Schlichter, S. 201 (219).

70

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

und ein eindeutiges überörtliches Sachinteresse besteht.73 Ein überörtliches Interesse an gebietsscharfen Aussagen wird häufig bei Standortvorsorgeplanungen für flächenintensive Großvorhaben bestehen.74 Der von diesen ausgelöste raumordnerische Koordinierungsbedarf beispielsweise im Hinblick auf die überörtliche Straßenplanung läßt sich schließlich nicht losgelöst von einem näher bestimmten Standort des Vorhabens bewältigen.75 Ferner ist nicht zu verkennen, daß gerade größere Vorhaben auf eine ganz bestimmte Anbindung an die natürlichen Gegebenheiten angewiesen sind und daß sie bestimmte technische und geophysikalische Anforderungen an den Raum benötigen.76 Parzellenscharfe Ziele der Raumordnung haben einzelne Grundstücksparzellen zum Gegenstand und sind regelmäßig unzulässig.77 Begründet wird dies damit, daß bei parzellenscharfen Festlegungen eine zu starke Annäherung an die Form der Bodennutzungsregelung vorliegt. 78 Bei genauerer Betrachtung geht es allerdings im Kern darum, daß sich ein überörtliches Interesse an der parzellenscharfen Festlegung in aller Regel nicht finden läßt. Unter der Perspektive des überörtlichen Interesses kann aber ausnahmsweise auch eine parzellenscharfe Ausweisung erforderlich und gerechtfertigt sein. 79 Schließlich sind Konstellationen denkbar, in denen ein überörtlich relevantes Großprojekt zwingend auf die Ansiedlung auf einer bestimmten Grundstücksparzelle angewiesen ist. 80

73 Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 54; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54; Halama, FS Schlichter, S. 201 (219 f.). 74 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 26; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 45; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 86; Halama, FS Schlichter, S. 201 (219 f.). 75 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 62. 76 Stellvertretend BVerwGE 90, S. 329 (336); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 89; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 47; Halama, FS Schlichter, S. 201 (219). 77 Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 54; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 56; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 42; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 62; Christ, Raumordnungsziele S. 20; Breuer, Hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 213 jeweils m.w.N. 78 Schmidt-Aßmann, S. 62, der die Zulässigkeit parzellenscharfer Ziele kategorisch ablehnt. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 42 m.w.N. 79 BVerwGE 90, S. 329 (337); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 90; Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (659), der darauf hinweist, daß Planfeststellungen ebenfalls parzellenscharf sein könnten, so daß - im Hinblick auf die Gemeinden - für einzelne raumordnerische Ausweisungen nicht anderes gelten könne; a.A. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 62. 80 BVerwGE 90, S. 329 (336 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 41; ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 136 m.w.N., S. 138 bezüglich

. Anforderungen an

e der Raumordnung

71

Der Grundsatz der Unzulässigkeit gebiets- und parzellenscharfe Zielfestlegungen erfährt dabei durch die folgenden Überlegungen einige Relativierungen. Was den lediglich rahmensetzenden Charakter der Raumordnungsplanung anbelangt, ist darauf abzustellen, daß die Raumordnungsplanungen zwar einen hinreichenden Gestaltungsspielraum für die Bauleitplanung wahren muß. 81 Diese Gebot ist indes kein Diktat für jedes einzelne Raumordnungsziel. 82 Es kommt daher vornehmlich auch darauf an, ob die Raumordnungsplanung in der Summe ihrer Vorgaben rahmenrechtlichen Charakter hat. 83 Bei einzelnen gebiets- oder parzellenscharfe Festsetzungen - sofern sie aus überörtlicher Sicht erforderlich sind - wird die Raumordnungsplanung daher bezogen auf den gesamten Planungsraum und das gesamte Gemeindegebiet gleichwohl lediglich rahmensetzend tätig. 84 Die gebiets- bzw. parzellenscharfe Zielfestlegung ist ferner bei genauerer Betrachtung nur dann für die Gemeinde besonders eingriffsintensiv und problematisch, wenn mit ihr auch eine funktionsscharfe Festlegung verbunden ist. 85 Das Gebot der Rahmensetzung wird bei räumlich konkreten Zielen der Raumordnung mithin auch dann gewahrt, wenn aufgrund der sachlichen Zielaussage der Gemeinde genügend Spielraum für eigene planerische Aktivitäten bleibt. Außerdem wird gegen gebiets- und parzellenscharfe Festlegungen häufig dann nichts sprechen, wenn sich diese an den natürlichen Grenzen und topographischen Gegebenheiten orientieren. 86 Dazu zählen nicht nur Schienenwege,

punktueller einzelner Lagerstätten seltener und wichtiger Rohstoffe; Bielenberg/Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 114 b. 81 BVerwGE 90, S. 329 (335 f.). 82 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 93. Vgl. auch Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (658), wonach die Raumordnungsplanung nur tendenziell Rahmenplanung sein müsse. Vgl. auch die weiteren Nachweise bei Bülter, Raumordnungspläne, S. 141 Fußnote 227. 83 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 93. 84 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 93. A.A. Bülter, Raumordnungspläne, S. 141 f., der den rahmensetzenden Charakter jedes einzelnen Ziels der Raumordnung für erforderlich hält. 85 Vgl. auch Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (654), der daraufhinweist, daß die räumliche Konkretisierung nicht zugleich mit einem entsprechenden Maß an funktionaler Konkretisierung einhergehen muß. 86 BVerwGE 90, S. 329 (335 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 25; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 43; ebenso Christ, Raumordnungsziele S. 20; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 43; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 57 m.w.N.; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54, allerdings lediglich in Bezug auf gebietsscharfe Raumordnungsziele.

72

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Flußläufe und Waldränder 87 , sondern beispielsweise auch die eindeutig festgestellten Grenzen von Lagerstätten von Bodenschätzen88. Die Parzellenschärfe ist in derartigen Fällen nicht zu beanstanden, weil sich die Beschränkungen des Konkretisierungsspielraums der Gemeinde nicht so sehr aus den Zielen der Raumordnung, sondern gleichsam aus den tatsächlichen und naturräumlichen Gegebenheiten ergeben. 89 Die Zulässigkeit gebiets- und parzellenscharfer raumordnerischer Festlegungen ist schließlich auch dort gegeben, wo die Raumordnungsplanung Planfeststellungsplanungen vorformuliert, die nach § 38 BauGB der Bauleitplanung vorgehen, d.h. für Raumordnungsziele, die planfeststellungsbedürfiige Vorhaben mit überörtlicher Bedeutung betreffen. 90

b) Überfachlichkeit Auch bei der Zielaufstellung muß sich die Raumordnungsplanung als überfachliche Querschnittsplanung von ihrem Aufgabenbereich her zwar mit fachplanerischen Problemen, insbesondere Raumansprüchen befassen. 91 Die Raumordnungsziele dürfen daher auch Aussagen zu einem fachlichen Vorgang, einem fachlichem Problem oder einem Einzelprojekt enthalten.92 Entscheidend ist aber, daß die raumordnungsplanerische Entscheidung auf die Einordnung eines Projekts oder der Nutzung einer konkreten Fläche in das Gesamtkonzept zielt bzw. eine jenes Gesamtkonzept störende Planung oder Maßnahme verhindern

87

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 25. Vgl. zu gebietsscharfen Festlegungen Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54. 88 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 138; Vgl. zu gebietsscharfen Festlegungen bezüglich Mineralvorkommen, Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54. Bemerkenswert sind im übrigen die in die Raumordnungsplanung inkorporierten Braunkohlepläne gem. §§ 24 ff. NWLP1G. Die Pläne entsprechen in ihrem Maßstab (§ 24 Abs. 2 S. 4 NWLP1G: 1: 5.000 oder 1: 10.000) dem der Bauleitplanung und ermöglichen daher ohne weiteres Parzellenschärfe. Kritisch dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 90 Fußnote 4 m.w.N. Nach Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (774) m.w.N., ist die Parzellenschärfe im Hinblick auf die Flächenbezogenheit des Braunkohletagebaus unproblematisch. 89 BVerfG, NVwZ 1988, S. 47 (49 f.), BVerwGE 90, S. 329 (336 f.); stellvertretend Bülter, Raumordnungspläne, S. 147, S 152 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 43, spricht von einer faktischen Parzellenschärfe. Christ, Raumordnungsziele, S. 20; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 43. 90 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 54, S. 62. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Basis solcher Festlegungen materiell in den Fachplanungsgesetzen zu suchen sind. 91 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 52. 92 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 26.

. Anforderungen an

e der Raumordnung

73

will. 9 3 Die Zielaussagen müssen also ein raumordnerisches überfachliches Gesamtkonzept verdeutlichen. 94 Die Raumordnungsplanung ist demnach keine Ersatzfachplanung. 95 Aufgrund der ihnen eingeräumten Planungsbefugnis muß den Fachplanungsträgern noch ausreichender Planungsspielraum verbleiben. 96 Es ist mithin eine Zurückhaltung bei den sachlichen Aussagegehalten geboten.97 Die Ziele dürfen daher beispielsweise über die Standortvorsorgeplanung hinaus keine projektbezogenen technischen Einzelheiten oder spezielle fachliche Detailfragen regeln. 98

2. Räumliche und sachliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Ziele der Raumordnung Wie bereits erwähnt, wird durch das Erfordernis der räumlichen und sachlichen Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Ziele dem Umstand Rechnung getragen, daß diese Beachtens- und Anpassungspflichten auslösen und Letztentscheidungscharakter aufweisen. 99 Das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und Rechtssicherheit erfordert nämlich, daß alle mit Verbindlichkeit ausgestatteten Rechtssätze gegenüber ihren Adressaten erkennen lassen, was im einzelnen Gegenstand der an sie gerichteten Pflichten ist. 1 0 0 Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit bedeutet dabei, daß die räumliche und sachliche raumordnerische Entscheidung unter Berücksichtigung der allgemeinen Auslegungsregeln bzw. aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung einer eindeutigen Auslegung zugänglich ist. 1 0 1 Im Hinblick auf die Funktion der Raumordnung als überörtliche Querschnittsplanung kann im übrigen sowohl in

93

Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (282). Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Gruber, DÖV 1995, S. 488 (489). 95 Gruber, DÖV 1995, S. 488 (489). 96 Gruber, DÖV 1995, S. 488 (490). 97 Christ, Raumordnungsziele, S. 21; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 96. 98 Christ, Raumordnungsziele, S. 21 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 101. 99 Stellvertretend Erbguth, RuR 1997, S. 270 (273); Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (336 f.). 100 BVerwGE 6, S. 342 (344); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 61, S. 135 f., der i.ü. insbesondere bei hochstufigen Raumordnungsplänen ein Defizit an Bestimmtheit feststellt; Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, S. 239; Hoppe, Städte- und Gemeindesrat 1994, S. 332 (336), der darauf hinweist, daß es im Hinblick auf die gebotene Bestimmtheit nicht auf die Rechtsform der Raumordnungspläne ankomme, sondern daß dies allein aus dem Anspruch auf Beachtung und Verbindlichkeit der Ziele folge. Hoppe/Scheipers, FS Stern, S. 1117 (1122); Kilian!Müllers, VerwArch, 1998, S. 25 (57); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 109 f., S. 112 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 101 Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (337). 94

74

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

räumlicher als auch in sachlicher Hinsicht kein Höchstmaß an Konkretheit verlangt werden. Schließlich soll den Gemeinden und den Fachplanungsträgern noch ein Gestaltungsspielraum für eigenverantwortliche weitere Planungen verbleiben. 102 Das Spannungsverhältnis zwischen dem gebotenen Mindestmaß an Bestimmtheit einerseits und der Wahrung des rahmensetzenden Charakters der Raumordnungsplanung andererseits macht die Wahl des richtigen Konkretheitsgrades einer Planaussage häufig zu einer Gratwanderung, die in der Planungspraxis nicht immer gemeistert wird. 1 0 3 Es reicht aus, wenn der Inhalt des Ziels bestimmbar ist. 1 0 4

a) Räumliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit Die räumliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit betrifft den geographischen Bezug, der entweder zeichnerisch oder auch textlich 105 gekennzeichnet werden kann. 106 Die Raumordnungsziele müssen sich auf einen ganz bestimmten Raum beziehen. 107 Bei zeichnerischen Gebietsfestlegungen liegt dabei regelmäßig die notwendige Bestimmtheit vor. Die Anforderungen an die räumliche Bestimmbarkeit sollen nach vielfach vertretener Auffassung auch dann erfüllt sein, wenn die Raumordnungsplanung einen häufig auftretenden Nutzungskonflikt generell regelt und sich diese abstrakte Regelung im Anwendungsfall durch die örtlichen Gegebenheiten zu einer bestimmten Planausführung konkretisiert. 108 102

BVerwGE 90, S. 329 (334 f.); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 113; Hoppe, Städte- und Gemeindesrat 1994, S. 332 (336 f.); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 62. 103 Vgl. Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 113 f.; vgl. auch Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 44 ff. 104 BVerwG, NVwZ 1993, S. 167; vgl. Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 41 f., 19, der insofern auf die Perspektive des Zieladressaten abstellt. Im übrigen müsse die Bestimmbarkeit einer raumordnerischen Festlegung für jede Planungsstufe selbständig beurteilt werden. Diese Betrachtungsweise führe dazu, daß eine Festlegung zugleich Ziel und Grundsatz der Raumordnung sein könne, je nach dem, welcher Planungsträger als Adressat der Festlegung in Frage steht. Eine solche Umdeutungsmöglichkeit entspricht aber nicht dem Willen des Gesetzgebers, der die Begriffe der Grundsätze und Ziele der Raumordnung gerade stets unterschieden wissen will, wie sich aus der Kennzeichnungspflicht gem. § 7 Abs. 1 S. 2 ROG ergibt. 105 Vgl. zum notwendigen Konkretheitsgrad verbaler Vorgaben Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 124 ff., 151 f. 106 Stellvertretend Goppel, BayVBl. 1998, S. 289. 107 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 115. 108 Stellvertretend Erbguth, LKV 1994, S. 89 (92); Goppel, BayVBl. 1998, S. 289; Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (337); v.d. Heide, in: Cholewa/Dall-

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Dem kann indes nicht gefolgt werden. Das Wesen der Raumplanung und einer raumplanerischen Abwägung und Letztentscheidung besteht darin, daß sie an eine konkrete räumliche Situation anknüpft und sich auf diese bezieht 109 und folglich einen räumlichen Nutzungskonflikt nicht nur lediglich typisierend und generell löst, wie dies etwa bei Normaussagen denkbar wäre, die sich auf den gesamten Planungsraum beziehen. Die in Bezug genommenen Raumeinheiten müssen daher einer konkreten raumplanerischen Abwägung unterzogen worden sein und müssen kleiner als lediglich das jeweilige Planungsgebiet sein. 110 Anderenfalls hätte der Gesetzgeber auch auf das Merkmal der räumlichen Konkretheit verzichten können. Keine Zustimmung kann daher auch finden, wenn Runkel feststellt, daß eine textliche Festlegung wie „Baumalleen sind zu erhalten" für sich betrachtet ein Ziel der Raumordnung sein könnte 111 oder wenn Schulte folgende Aussage in einem Raumordnungsplan als Ziel der Raumordnung qualifiziert: „Die Regionen des Landes haben die bedarfsgerechte Sicherung und Ordnung der Bodenschätzegewinnung zu gewährleisten." 112 In Ermangelung eines konkreten geographischen Bezuges können diese Aussagen nicht als Ziel, sondern lediglich als Grundsatz der Raumordnung eingeordnet werden. Unter räumlicher Bestimmbarkeit ist vor diesem Hintergrund zu verstehen, daß der Plangeber auch umschreiben kann, auf welchen konkreten Raum sich die Zielaussage beziehen soll, solange dieser Raum nur mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsmethoden ermittelt werden kann. Im Hinblick auf den überörtlichen Charakter der Ziele der Raumordnung darf räumliche Konkretheit auf der anderem Seite nicht mit Parzellenschärfe gleichgesetzt werden. Es reicht aus, wenn Ziele der Raumordnung Aussagen für bestimmte Orte bzw. großflächige Gebiete treffen. 113 Dem Zielcharakter stehen

hämmertDyonglv.d.HeidelArenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 5; Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 31. 109 Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4 f.). 110 Bereits aus diesem Grund sind daher die sogenannten „allgemeinen Ziele der Raumordnung und Landesplanung", die in manchen Raumordnungsplänen (z.B. §§ 24 f. NW LEPro) enthalten sind und die keinen konkreten Gebietsbezug aufweisen, keine Ziele der Raumordnung im rechtstechnischen Sinne. Vgl. zu den allgemeinen Zielen der Raumordnung Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (337); Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 63 ff.; i.E. ebenso Dreier, Abwägung, S. 160; differenzierend Paßlick, S. 126 ff. jeweils m.w.N. 111 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (278); vgl. weitere Beispiele ders., in: Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 31. 112 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 15, S. 70. 113 Vgl. Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 44, Rn. 10.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

auch räumliche Unscharfen von Gebietsfestlegungen nicht entgegen, die durch Schraffuren oder andere nicht randscharfe Darstellungen sowie durch einen großen Kartenmaßstab entstehen.114 Wie bereits angedeutet, ist für die Entwicklung des Raumordnungsrechts im übrigen bemerkenswert, daß das Maß der Konkretheit der Raumordnungsziele, d.h. die Körnigkeit der Planung, in der Planungspraxis der Länder sehr unterschiedlich ist. 115 Dies kommt auch in unterschiedlichen zeichnerischen Maßstäben der Plankarten zum Ausdruck 116 , die sich jedoch jeweils im Rahmen des für Zielaussagen erforderlichen Bestimmtheitsgrades halten.

b) Sachliche Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit Eine Aussage in einem Raumordnungsplan ist sachlich bestimmt bzw. bestimmbar i.S.d. § 3 Nr. 2 ROG, wenn sie eine konkrete raumordnerische Entscheidung trifft. 1 1 7 Den Zielen muß mithin eine strikte Vorgabe zu entnehmen sein. Auch hier gilt es auf den raumordnerischen Charakter von Zielen der Raumordnung hinzuweisen, die keine fachlichen Details enthalten dürfen. Es reicht daher aus, wenn durch Ziele der Raumordnung Funktionen oder Nutzungen von bestimmten Orten bzw. Gebieten festgesetzt werden, die auslegungsbedürftig sind und weiteren Konkretisierungsspielraum enthalten.118 Auch die vor dem Hintergrund der raumordnerischen Aufgabenstellung häufig geübte Praxis, bei der Zielformulierung unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, ist dabei solange unschädlich als der normative Inhalt des Ziels

114

Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 23. Vgl. zum Kartenmaßstab 1:100.000 der Regionalpläne in Bayern: Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (296), der insofern eine parzellenscharfe Ausweisung für unmöglich hält; Goppel, BayVBl. 1984, S. 229 (232), spricht von „gewollter Unschärfe" der Regionalpläne; ähnlich Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 31. 115 Vgl. dazu oben Kap. 1, Β. II. 3. 116 Zum Beispiel beträgt der zeichnerische Maßstab der Zielkarten der Regionalplanung in Bayern 1: 100.000, während nordrhein westfälische Zielkarten der Regionalpläne einen Maßstab von 1: 50.000 aufweisen. Vgl. zu den unterschiedlichen Maßstäben der Raumordnungspläne Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 29 ff. sowie Schema II nach S. 32. 117 Vorgaben, die sich auf die Wiederholung gesetzlicher Aussagen beschränken, ohne eine konkrete darüber hinausgehende umsetzungsfähige Sachentscheidung für den Raum zu treffen, sind hingegen keine Raumordnungsziele. Vgl. dazu Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 127. 118 Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 37 f.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 40.

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anhand der allgemeingültigen Auslegungsmethoden zumindest bestimmbar bleibt. 119

3. Vom Träger der Landes- oder Regionalplanung vorgenommene Abwägung und das Abwägungsgebot gem. § 7 Abs. 7 S. 1 ROG Ziele der Raumordnung sind nach § 3 Nr. 2 ROG dadurch gekennzeichnet, daß sie auf einer vom Träger der Landes- oder Regionalplanung vorgenommenen Abwägung beruhen. Die Definition nimmt damit Bezug auf § 7 Abs. 7 ROG, in dem die raumordnerische Abwägung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen rahmenrechtlich geregelt ist. Danach ist für die Aufstellung der Raumordnungspläne landesrechtlich vorzusehen, daß die Grundsätze der Raumordnung gegeneinander und untereinander abzuwägen sind und daß zum anderen sonstige öffentliche Belange sowie private Belange in der Abwägung zu berücksichtigen sind, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind. 120 Durch die ausdrückliche gesetzliche Normierung des Abwägungsgebotes wird dabei dem ohnehin verfassungsrechtlich gebotenen Wesen rechtstaatlicher Planung Rechnung getragen. 121 Die Beachtung des Abwägungsgebotes gehört zu den Wirksamkeitsvoraussetzung der Raumordnungsziele. 122 Verstöße gegen das Abwägungsgebot führen grundsätzlich zur Nichtigkeit des Raumordnungsziels 123 , es sei denn, daß es sich um Abwägungsmängel handelt, die nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 ROG i.V.m. landesrechtlichen Regeln unbeachtlich sind. Die Vorschrift des § 7 Abs. 7 ROG wird vor dem Hintergrund der zur Bauleitplanung entwickelten Abwägungsdogmatik verständlich, die unter zweckgerechter Modifikation auch auf die landesplanerische Zielfindung anzuwenden ist. 124 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 125 verlangt das Abwägungsgebot, daß überhaupt eine Abwägung stattfindet, daß in die Abwägung an Belangen das eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß und daß weder die Bedeutung der betroffenen

119

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 116. Vgl. § 7 Abs. 7 S. 1 und S. 2 ROG. 121 Vgl. zum verfassungsrechtlichen Ursprung des Abwägungsgebotes SchmidtAßmann,, FS Schlichter, S. 3 (11 f.). 122 Stellvertretend Halama, FS Schlichter, S. 201 (222). 123 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 144. 124 Vgl. zum bisherigen Recht, Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 59; ausführlich Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 60 ff. 125 BVerwGE 48, S. 56 (63 f.). 120

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

öffentlichen und privaten Belange verkannt, noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. Diese Anforderungen beziehen sich nach Auffassung des Gerichts sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das im Plan zum Ausdruck gekommene Abwägungsergebnis. 126 Sieht man einmal von dem mehr oder weniger theoretischen Fall 1 2 7 ab, daß eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet und somit ein sogenannter Abwägungsausfall vorliegt, können aus der erwähnten bundesverwaltungsgerichtlichen Abwägungslehre drei Hauptphasen des Planungsvorgangs hergeleitet werden, nämlich die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials (Ermittlungsund Feststellungsphase), die Bestimmung des objektiven Inhalts und die Gewichtung der einzelnen Belange (Bewertungsphase) sowie die Entscheidung darüber, welchem Belang der Vorrang eingeräumt wird und welcher zurückgestellt wird (Abwägung im eigentlichen Sinne). 128 M i t diesen Phasen korrespondieren zugleich bestimmte Abwägungsfehler. 129

a) Ermittlungs- und Feststellungsphase, insbesondere zu den abwägungserheblichen Belangen In der Ermittlungs- und Feststellungsphase muß der Träger der Raumordnungsplanung das Abwägungsmaterial, d.h. die sogenannten abwägungserheblichen privaten und öffentlichen Belange ermitteln und dann in die Abwägung einstellen und berücksichtigen. 130 Spiegelbildlich liegt ein Abwägungsfehler in Form eines Ermittlungs- bzw. Einstellungsfehlers vor,

126 Vgl. im Hinblick auf die Aufstellung von Raumordnungsplänen, SchmidtAßmann,, DÖV 1981, S. 237 (240 ff.). Vgl. zum Streit, ob die Differenzierung zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis sinnvoll ist, stellvertretend Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (436). 127 So im Hinblick auf die Abwägung bei der Planfeststellung, Zeitler, in:

Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, 128

WHG, § 31 Rn. 228.

Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 241 ff.; Peine, Raumplanungsrecht, S. 108 f. sowie die Nachweise bei Dreier, Abwägung, S. 56 Fußnote 4; Vgl. demgegenüber zu einem Zwei-Phasen-Modell Dreier, Abwägung, S. 59 m.w.N. bzw. zu einem Vier-Phasen-Modell neuerdings Hoppe, DVB1. 1993, S. 573 (575); ders., DVB1. 1994, S. 1033 (1039); ders., in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 36. 129 Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 94. 130 Vgl. Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 242; Dreier, Abwägung, S. 66 ff.

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wenn die im Planungsfall beachtlichen Belange nicht oder nur eingeschränkt ermittelt bzw. eingestellt worden sind. 1 3 1 Zum gebotenen Abwägungsmaterial trifft § 7 Abs. 7 ROG die Aussage, daß neben den Grundsätzen der Raumordnung die sonstigen öffentlichen sowie die privaten Belange abwägungserheblich sind, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar 132 und von Bedeutung sind. 133 Bei der Auslegung dieser Vorgaben können dabei die anerkannten Abwägungsgrundsätze ergänzend herangezogen werden. Unter Belangen sind zum einen Interessen zu verstehen, die auf die Realisierung von öffentlichen oder privaten Rechtsgütern zielen, sowie unabhängig von dem spezifischen Rechtsgüterschutz schutzwürdige Interessen. 134

aa) Erkennbarkeit Durch das Merkmal der Erkennbarkeit wird dabei klargestellt, daß die planende Stelle solche Belange nicht berücksichtigen kann, die sie nicht sieht, und die sie nach den gegebenen Umständen auch nicht zu sehen braucht. 135 Erkennbar sind dabei die den Trägern der Raumordnungsplanung bekannten Tatsachen über Art und Umfang bestimmter Betroffenheiten. 136 Darüber hinaus hat der Träger der Raumordnungsplanung auch eine Prüfungspflicht, wenn erkennbar eine weitere Ermittlung zur Abwägungsbeachtlichkeit von Belangen oder zur Konkretisierung ihres Gewichts führen kann. 137 Des weiteren sind insbesondere solche Belange erkennbar, die der für die Raumordnungsplanung zuständigen Behörde im Beteiligungsverfahren mitgeteilt wurden, sowie

131

Vgl. Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 242 ff.; Dreier, Abwägung, S. 66 ff.; Vgl. zu weiteren Differenzierungen der Abwägungsfehler, Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 95 ff. 132 Das Merkmal der Erkennbarkeit bezieht sich nicht nur auf die privaten, sondern auch auf die öffentlichen Belange. Vgl. entsprechend zur Dogmatik der bauleitplanerischen Abwägung Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 191 ff. 133 Nach § 7 Abs. 7 S. 3 ROG sind desweiteren die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete i.S.d. BNatSchG zu berücksichtigen. 134 Dreier, Abwägung, S. 66 m.w.N. 135 Vgl. zur Dogmatik der bauleitplanerischen Abwägung bezüglich abwägungsbeachtlicher öffentlicher Belange Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 191 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG bezüglich der Abwägungsbeachtlichkeit privater Belange, BVerwGE 59, 87 (103 f.). Dreier, Abwägung, S. 73 f. 136 Vgl. entsprechend zur bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 194. 137 Vgl. entsprechend zur bauleitplanerischen Abwägungsdogmatik, Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 194.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

diejenigen Belange, die sich ihr aufdrängen mußten. 138 Dies gilt grundsätzlich auch für private Belange, die daher zu berücksichtigen sind, wenn sie im Rahmen einer etwaig durch Landesrecht eingeführten Öffentlichkeitsbeteiligung 139 mitgeteilt werden 140 oder sich dem Träger der Raumordnungsplanung aufdrängen mußten.

bb) „ Von Bedeutung " § 7 Abs. 7 S. 2 ROG setzt desweiteren voraus, daß die öffentlichen Belange „von Bedeutung" sind. In diesem Tatbestandsmerkmal sind verschiedene Elemente enthalten. In Anlehnung an die Dogmatik des Abwägungsgebotes im Rahmen der Bauleitplanung dürfte dem Tatbestandsmerkmal „von Bedeutung" zu entnehmen sein, daß die Betroffenheit der Belange mehr als nur geringfügig sein muß und in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich ist. 1 4 1 Mangels Schutzwürdigkeit nicht abwägungsfähig sind ferner solche Interessen, die nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehen, sowie Interessen, deren Träger sich vernünftigerweise auf eine mögliche Entwicklung einstellen mußten. 142 Mit dem Tatbestandsmerkmal „von Bedeutung" ist schließlich auch die Bedeutung für den von der Raumordnungsplanung verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der konkreten Situation gemeint. 143 Die Raumordnungsplanung kann zulässigerweise nur solche Probleme bewältigen, die in ihren Aufgaben- und Funktionsbereich fallen. 144 Da sich das Spektrum und die Dichte der einzubeziehenden Belange nach dem gesetzlichen Planungsauftrag richten 145 , ergibt sich daraus eine Beschränkung des Abwägungsmaterials auf bestimmte, nämlich raumordnerisch relevante Belange 146 . Unerheblich sind solche Belange, die den überörtlichen und überfachlichen Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung überschreiten, d.h. gerade für die

138

Bielenberg,

in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 1 Rn. 87 a ; Dreier,

Abwägung, S. 74. 139 Vgl. § 7 Abs. 6 ROG. Vgl. dazu unten Kap. 7, B. 140 Vgl. Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (57). 141 Vgl. zur bauleitplanerischen Abwägung, Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 192; Dreier, Abwägung, S. 73. 142 Dreier, Abwägung, S. 74. 143 Vgl. zum bisherigen Recht Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 60; Bielenberg, in: Ernst! Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 87 a. 144 145 146

Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 60 f. Allgemein zum Abwägungsgebot Dreier, Abwägung, S. 75. Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 60 f.

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e der Raumordnung

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Aufstellung eines überörtlichen und überfachlichen Gesamtkonzepts irrelevant sind. Zielförmige Standortausweisungen sollen beispielsweise lediglich die raumordnerische Unbedenklichkeit eines Standortes festlegen. Zu unterscheiden sind dabei einerseits Belange, die den Standort als solchen betreffen und raumordnerische Bedeutung haben, und andererseits Belange, die sich erst aus der gewählten Projektvariante ergeben und im Rahmen der raumordnerischen Abwägung unbeachtlich bleiben. 147 Abwägungsunerheblich sind daher projektbezogene Belange, die sich auf die Erschließung baulicher Anlagen, deren Anordnung und Einordnung in die nähere Umgebung sowie auf deren Ausfuhrung beziehen.148 Aus der Charakterisierung der Raumordnungsplanung als überörtliche und überfachliche Planung folgt indes nicht, daß fachliche und ortsbezogene Belange per se aus dem Abwägungsmaterial auszuscheiden sind. 149 Sie sind indes nur dann zu berücksichtigen, wenn die Erstellung des raumordnerischen Gesamtkonzeptes dies erfordert. 150 Was die Belange der Gemeinden anbelangt, geht beispielsweise aus der speziellen Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 ROG hervor, daß auch die Flächennutzungspläne und die Ergebnisse der von Gemeinden beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planungen entsprechend dem Gegenstromprinzip des § 1 Abs. 3 ROG in der Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG bei der Aufstellung von Regionalplänen zu berücksichtigen sind 151 , wobei zu den sonstigen Planungen auch Bebauungspläne zu zählen sind. 152 Auch im übrigen sind ortsbezogene Belange bei einer Standortplanung zu berücksichtigen, wenn sie gewichtig genug sind, um den Standort als solchen in Frage zu stellen. 153

147

S. 64. 148

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Christ, Raumordnungsziele, »Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Bielenberg, in: Ernst/Zink-

ahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 87 a ; Gaentzsch, BauGB, § 35 Rn. 55. 149 Vgl. stellvertretend Christ, Raumordnungsziele, S. 56; Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (763); Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 52. 150 Vgl. anschaulich zur Berücksichtigung fachlicher Gesichtspunkte bei der Festlegung von raumordnerischen Grundwasservorranggebieten Christ, Raumordnungsziele, S. 56. 151 Wegen des Gegenstromprinzips können örtliche Belange der Gemeinde aber auch bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen auf Landesebene von Bedeutung sein. Vgl. dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 136; Vgl. allgemein zur Berücksichtigung der planerischen Belange der Gemeinde BVerwGE 90, S. 329 (333); Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (348). 152 A.A. oder zumindest mißverständlich Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (299). 153 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Christ, Raumordnungsziele, S. 343, jeweils m.w.N. 6 Spiecker

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Auch die Charakterisierung der Raumordnungsplanung als „überfachliche" Planung darf nicht zu der unzutreffenden Vorstellung verleiten, als schlösse dies die Befassung mit fachlichen Fragestellungen per se aus. 154 Als Querschnittsplanung muß sich die Raumordnung von ihrem Aufgabenbereich her zwangsläufig mit fachplanerischen Belangen, Problemen, insbesondere Raumansprüchen befassen. 155 Aussagen der Raumordnungsplanung können daher fachliche Sachgebiete betreffen wie umgekehrt auch fachliche Aussagen auf den Tätigkeitsbereich der Raumordnungsplanung einwirken können. 156 Das Kriterium der Überfachlichkeit betrifft daher nicht den fachlichen Zweck oder Inhalt, sondern weist auf die besonderen Modalitäten der Aufgabenerfüllung und der Funktionsweise der Raumordnung hin. 1 5 7 Überfachlichkeit bedeutet nicht die Abstraktion von allem Besonderen in den Planungsaussagen, sondern im Planungsvorgang: Der Blick des Planers soll umfassend, auf die großen Linien gerichtet, der Planungsakt soll nicht durch isolierende und detaillierende Betrachtung gelenkt oder aus dem Gleichgewicht gebracht sein. 158 Ebenso wie ortsbezogene Belange sind auch fachliche Detailfragen zu berücksichtigen, wenn sie gewichtig genug sind, um den Standort als solchen in Frage zu stellen. 159 § 7 Abs. 7 S. 2 ROG geht davon aus, daß auch private Belange zu berücksichtigen und für die Raumordnungsplanung von Bedeutung sein können. 160 Im Hinblick auf die abwägungserheblichen privaten Belange ist allerdings festzustellen, daß diese noch nicht als individuelle private Belange zu berücksichtigen sind, solange die Raumordnungsplanung lediglich relativ allgemein gehaltene,

154 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 52. 155 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (281 f.); Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 52; vgl. allerdings Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 61 f., der für raumplanerische fachliche Restriktionen allerdings eine Zustimmung der jeweils zuständigen Ressorts verlangt. 156 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (282); Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 52; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 52. Vgl. allerdings Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 177, der darauf hinweist, daß die Raumordnungsplanung zwar fachliche Belange berücksichtige, aber diese nicht selbst aufstelle. 157 Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (282); Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 52; Ähnlich Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 52. 158 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 60. 159 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Christ, Raumordnungsziele, S. 343; Erbguth, NVwZ 1992, S. 209 (218), jeweils m.w.N. 160 Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 65 ff.; vgl. entsprechend auch schon zum bisherigen Recht Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (57).

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z.B. lediglich gemeindescharfe Zielaussagen trifft. 1 6 1 Dies ergibt sich daraus, daß sich das Raumordnungsziel noch nicht auf einzelne Grundstücke und daher nicht auf konkrete Eigentümerinteressen bezieht und bestimmte nachteilige Wirkungen der Raumordnungsziele auf die Umgebung mithin auf der Ebene der Raumordnungsplanung noch nicht umfassend beurteilt werden können. 162 Insoweit können private Belange daher nur als aggregierte und zur quantitativen Größe generalisierte Interessen, die oberhalb der Individualinteressen des einzelnen Bürgers angesiedelt sind, in die Abwägung eingestellt werden. 163 Dies schließt aber nicht aus, daß auch konkrete private Interessen berücksichtigungsfähig und -bedürftig sein können. 164 Dies ist der Fall, wenn die Raumordnungsziele ein solches Maß an Konkretisierung und Individualisierung erreichen, daß sich bestimmte nachteilige Wirkungen einer raumbedeutsamen Maßnahme auf die Umgebung schon auf dieser Planungsstufe beurteilen lassen. 165 Bei gebiets- oder parzellenscharfen Zielen müssen daher grundsätzlich auch die individualisierten Interessen der Grundstückseigentümer ermittelt und in die Abwägung eingestellt werden 166 , sofern sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar sind. 1 6 7 In der Parallele zu den oben bereits erwähnten örtlich und fachlich zu berücksichtigenden Belangen ist eine Abwägungserheblichkeit konkreter privater Belange insbesondere dann anzunehmen, soweit private Belange dazu

161 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 137; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen S. 49 f., Halama, FS Schlichter, S. 201 (221); Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 138 (142); Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (42); Christ, Raumordnungsziele, S. 150. 162 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 49 f. m.w.N. 163 Stellvertretend Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (138, 142); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 137; Halama, FS Schlichter, S. 201 (221); Schmidt, Wirkung von

Raumordnungszielen, S.49; Schoeneberg, UPR 1985, 39 (42); Runkel, in: Bielen-

berg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 65. 164 Stellvertretend Halama, FS Schlichter, S. 201 (221). 165 Stellvertretend Halama, FS Schlichter, S. 201 (221 f.); Blümel, VerwArch 1993, 123 (136 ff.). Vgl. auch BVerwGE 81, S. 128 (133 ff.) zur überörtlichen fachlichen Abfallbeseitungsplanung, wenn ein solcher Plan den Standort einer Abfallbeseitigungsanlage konkret festlegt und zu erwarten ist, daß von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen auf das benachbarte Grundstück ausgehen. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, daß sich ein solcher Plan „ähnlich wie etwa Ziele der Raumordnung und Landesplanung" nur an die Planungsträger und die sonst für die Abfallbeseitigung verantwortlichen Stellen wende, aber problemabschichtende Wirkung habe. 166 Vgl. Blümel, VerwArch .1993, S. 123 (136 ff.); Halama, FS Schlichter, S. 201 (222); Sauer, VBIBW 1995, S. 465 (470); kritisch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50. 167 Nach Runkel, in: Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 73 reicht regelmäßig eine Ermittlung privater Belange nach Betroffenengruppen aus.

84

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

in der Lage sind, den Standort einer Anlage als solchen gänzlich in Frage zu stellen, so daß daher eine Berücksichtigung erst bei der Ausgestaltung des konkreten Projektes, z.B. im Hinblick auf technische Vorkehrungen oder auf die Anordnung der Baukörper nicht ausreicht. Wenn bei konkreten Standortplanungen nicht bereits die entsprechenden privaten Belange berücksichtigt würden, sich der Standort aber später aufgrund der privaten Belange als gänzlich ungeeignet erweisen könnte, würde das raumordnerische Gesamtkonzept insgesamt aus dem Gleichgewicht gebracht. Aus diesem Grund müssen daher die individuellen privaten Belange bereits bei der Standortplanung berücksichtigt werden. Die Prüfung der privaten Belange braucht sich allerdings nur auf die Eignung des Standortes als solches zu erstrecken. 168

cc) Maßgeblichkeit der jeweiligen Planungsebene Durch den Hinweis auf die jeweilige Planungsebene soll im übrigen eine stufenspezifische Berücksichtigung von Belangen ermöglicht werden. 169 Dies entspricht dem regelmäßig unterschiedlichen Konkretisierungsgrad von Raumordnungsplänen auf der Landesebene bzw. von Regionalplänen, der mit einer unterschiedlich detaillierten Abwägung einhergeht. 170 Die Materialsammlung im Rahmen der Raumordnungsplanung auf Landesebene kann daher gröber und weitmaschiger ausfallen als bei der Regionalplanung.171 Bei genauerer Betrachtung ist allerdings nicht die Planungsebene das eigentlich entscheidende Kriterium für die Differenziertheit des Abwägungsmaterials, sondern die Dichte der Planaussage.172 Für die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials bei räumlich und sachlich konkreten Standortausweisungen kann es daher keine Rolle spielen, ob diese in einem Raumordnungsplan für das Landesgebiet oder in einem Regionalplan erfolgt.

168

Vgl. entsprechend zur Abfallbeseitigungsplanung, BVerwGE 81, S. 128 (134). Vgl. entsprechend zu der Berücksichtigung privater Belange die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. 170 Vgl. zum Aufbau des Planungssystems, das auf einer fortschreitenden Verdichtung der Regelungen auf Landes- und Regionalebene fußt, BVerwGE 90, S. 329 (332 ff.). 171 Vgl. entsprechend zum Verhältnis von Regionalplanung und Bauleitplanung, Dreier, Abwägung, S. 69. 172 Dreier, Abwägung, S. 69. 169

Β. Anforderungen an Ziele der Raumordnung

85

b) Bewertungsphase In der zweiten Phase der Abwägung erfolgt die Gewichtung der einzelnen abwägungserheblichen Belange. 173 Jedem Belang ist das ihm nach den konkreten Gegebenheiten und seiner normativen Bewertung zukommende objektive - Gewicht beizumessen.174 Eine insofern falsche Beurteilung führt zu einem Abwägungsfehler in Form eines Gewichtungsfehlers. 175 Abzustellen ist stets auf die konkrete Situation. 176 Maßgeblich ist beispielsweise die Qualität eines Belanges 177 , die Größe oder Situationsgebundenheit178 eines Belanges sowie der Grad der Betroffenheit bzw. die Zahl der Betroffenen jeweils im Einzelfall. 179 Zu den konkreten Gegebenheiten tritt auch das Kriterium der normativen Bewertung hinzu, die der Gesetzgeber durch normative Gewichtungsvorgaben bestimmen kann. 1 8 0 Entsprechende Vorgaben erfüllen die Funktion eines Bewertungsschemas. 181 Beispielsweise führen relative Vorrangregelungen wie bereits erwähnt zu einer Verstärkung der Gewichtigkeit der Belange in der Abwägung. 182

c) Die Abwägung im eigentlichen Sinne Die in der dritten Phase vorzunehmende Abwägung im eigentlichen Sinne verlangt nach einer Entscheidung im Verhältnis der regelmäßig konfligierenden Belange. 183 Der hier zu treffende Ausgleich ist ein schöpferisch-gestaltender Planungsakt, in dem sich der Träger der Raumordnungsplanung in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. 184 Das

173

Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 249. Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 249; Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 119; Dreier, Abwägung, S. 79 ff., S. 88 ff. 174

175

176

Hoppe, in: ders JGrotefels,

Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 119 ff.

Dreier, Abwägung, S. 79. 177 Z.B. muß der Naturschutzbelang umso höher gewichtet werden, je wertvoller ein Biotop ist. Vgl. Dreier, Abwägung, S. 80. 178 Dieser Gesichtspunkt spielt insbesondere bei der standortgebundenen Bodenschätzegewinnung eine Rolle. 179 Vgl. Dreier, Abwägung, S. 82 ff. 180 Dreier, Abwägung, S. 88 ff. 181 Dreier, Abwägung, S. 89, mit zahlreichen Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 182 Entsprechend zu Optimierungsgeboten stellvertretend Dreier, Abwägung, S. 103, 121; vgl. auch oben zu relativen Vorrangregelungen Kap. 2, A II. 183 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 250. 184 Vgl. BVerwGE 34, S. 301 (309).

86

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Gebot gerechter Abwägung setzt insofern allerdings voraus, daß der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. 185 Abwägungsfehler im Rahmen dieser Phase können als Entscheidungsfehler bezeichnet werden. 186 Der Vorgang der Gewichtung und der Vorgang des Ausgleichs sind zwar eng miteinander verknüpft. 187 Bei letzterem geht es im Gegensatz zur Gewichtung allerdings gerade um die verhältnismäßige Berücksichtigung der Belange. 188 Es ist zu prüfen, ob sachgerechte und hinreichend gewichtige Gründe es zu rechtfertigen vermögen, den einen Belang hinter den anderen zurücktreten zu lassen. 189 Gemeint ist ein Verbot eindeutiger Fehlgewichtung im Verhältnis der Belange zueinander, was insbesondere bei relativen Vorrangregelungen relevant werden kann. 1 9 0

4. „Abschließende"

Abwägung und Verbindlichkeitsanspruch

Bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung muß die raumordnungsplanerische Abwägung nach § 3 Nr. 2 ROG aus Sicht des Trägers der Landesbzw. Regionalplanung abschließend sein. 191 Durch diese Anforderung wird der Letztentscheidungscharakter, d.h. der Verbindlichkeitsanspruch, der Ziele der Raumordnung klargestellt. Der Letztentscheidungscharakter kann den Zielen im übrigen auch nicht im Hinblick auf § 4 Abs. 4 ROG abgesprochen werden, wonach die Ziele der Raumordnung bei Genehmigungen, Planfeststellungen und sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen einzelner nach Maßgabe der für diese Entscheidungen geltenden Vorschriften zu berücksichtigen sind. 1 9 2 Zwar ist mit der Berücksichtigungspflicht eine geringere Bindungsintensität der Ziele der Raumordnung angesprochen. § 4 185

BVerwGE 34, S. 301 (309). Vgl. Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 84 ff, 94 ff, dort auch zur weiteren Differenzierung der Entscheidungsfehler in Abwägungsdisproportionalität und Abwägungsdisoptimierung. 187 Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 84; kritisch zur Differenzierung Dreier, Abwägung, S. 59 ff. m.w.N. 188 Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 84. 189 Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 82. 190 Vgl. Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 82 ff Erbguth! Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 250. 191 So schon für das bisherige Recht, BVerwGE 90, 329 (332 ff); BVerwG, NuR 1997, S. 397. 192 Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290). 186

. Anforderungen an

e der Raumordnung

87

Abs. 4 ROG läßt aber die strikte Bindungswirkung der Ziele gegenüber öffentlichen Stellen nach § 4 Abs. 1 ROG unberührt und stellt lediglich klar, daß sich zusätzlich Berücksichtigungspflichten bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben aus den Fachgesetzen ergeben können. Die differenzierten Rechtswirkungen der Ziele der Raumordnung dürften im übrigen auch ein Grund dafür sein, daß der Gesetzgeber das Gebot abschließender Abwägung in die Legaldefinition der Ziele der Raumordnung ausdrücklich aufgenommen hat, um Mißverständnissen vorzubeugen. Dem Erfordernis der abschließenden Abwägung steht dabei nicht entgegen, daß Ziele der Raumordnung ausdeutungsbedürftig sein können und einen Gestaltungsspielraum belassen 193 , so daß sich insbesondere die Tragweite der Zielbeachtenspflicht nach dem Inhalt des Ziels im Einzelfall richtet. 194 Von einer abschließenden Abwägung kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn dem Ziel - auch bei weiten Formulierungen und geringem Detaillierungsgrad eine irgendwie geartete strikte äußerste Grenze für nachfolgende Abwägungsund Ermessenentscheidungen entnommen werden kann. Diese eigentliche Raumordnungsentscheidung kann man auch als den verbindlichen Aussagekern des Raumordnungsziels bezeichnen. 195

a) Zielkonflikte Im Hinblick auf die gebotene abschließende Abwägung ist problematisch, ob die Ziele der Raumordnung untereinander im Konflikt stehen dürfen. Sofern entsprechende Konflikte nicht im Wege der Zielauslegung gelöst werden können 196 , sind die jeweiligen Planaussagen mit der Zielbeachtenspflicht des § 4 Abs. 1 ROG nicht vereinbar 197 und auch nicht das Ergebnis einer 193

BVerwGE 90, S. 329 (334); Hoppe, in: dersJMenke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 153. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 37 ff.; Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290). 194 Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 195.; ders., DVB1. 1998, S. 209 (210 f.). 195 Vgl. auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 33; Runkel, in: Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 74. 196 Vgl. dazu Buchner, Ziele der Raumordnung, S. 7, S. 16 ff. Gruber, DÖV 1995, S. 488; Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 195; Bülter, Raumordnungspläne, S. 111, der insofern von - nur scheinbaren - Zielkonflikten spricht. Vgl. aber Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (682), der fordert, daß bei den Raumordnungszielen eventuell bestehende Zielkonflikte ausgetragen und bereinigt sein müssen; ähnlich Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 36 (41), wonach bei Zielkonflikten keine Zielbeachtenspflicht ausgelöst wird. 197 Vgl. Hoppe, in: ders.!Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 149, 159 m.w.N.; Wahl, Rechtsfragen I, S. 210; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126;

88

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

abschließenden Abwägung. Sie erfüllen nicht die Anforderungen an ein Ziel der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 2 ROG. 1 9 8

b) Ausnahmeregelungen Ziele der Raumordnung können sich selbst inhaltliche Beschränkungen auferlegen 199 und Ausnahmeregelungen enthalten. 200 Dies geschieht häufig durch den Zielen beigefügte textliche Ausnahmeregelungen, die darauf abzielen, bestimmte Fallkonstellationen von der Bindungswirkung der Raumordnungsziele auszuklammern. Bei genauerer Betrachtung können diese Klauseln unterschiedliche Funktionen erfüllen, die mit dem Wesen der Raumordnungsziele als raumordnerische Letztentscheidungen eng verknüpft sind. Zum Teil werden Ausnahmeregelungen formuliert, um Zielkonflikte innerhalb des Raumordnungsplans zu vermeiden. 201 Sie sollen den Planungsträgern einen Abwägungsspielraum einräumen, wenn die zu beachtenden unterschiedlichen Ziele untereinander in Konkurrenz treten und es den Adressaten der Ziele ermöglichen, bei der notwendigen Konkretisierung auf anderen Ebenen der Planung im Rahmen der Abwägung aller Belange eine Entscheidung zu treffen. Derartige Ausnahmeregelungen stehen allerdings grundsätzlich mit dem Letztentscheidungscharakter der Ziele der Raumordnung und dem Gebot einer abschließenden Abwägung im Widerspruch. 202 Etwas anderes muß allerdings dann gelten, wenn durch entsprechende Ausnahmeregelung lediglich auf den Umstand klarstellend hingewiesen werden soll, daß vermeintliche Zielkonflikte durch Auslegung bereinigt werden können.

Bülter, Raumordnungspläne, S. 110; zweifelnd Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel,

Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 79. 198 Hoppe, in: ders ./Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 149, 159 m.w.N; Hoppe/Scheipers, FS Stern, S. 1117 (1120); Wahl, Rechtsfragen I, S. 209 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 24; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 37; Vgl. zu Einzelheiten Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 65 f.; A.A. Gruber, DÖV 1995, S. 488, wonach für eine Abwägung Raum ist, wenn zwei gleichrangige Ziele der Raumordnung miteinander kollidieren. 199 Vgl. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 65 f. 200 Vgl. Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (280); ders., in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 630 Nr. 3.6 am Ende; Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210 f.); kritisch Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 ff., zu Ausnahmeregelungen in Raumordnungszielen, die eingesetzt werden, um Zielkonflikte innerhalb des Plans zu vermeiden. 201 Vgl. zu entsprechenden Ausnahmeregelungen im LEP - Entwurf NRW 1994 Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (333 f.). 202 Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (333 f.).

. Anforderungen an

e der Raumordnung

89

Ausnahmeregelungen können eingesetzt werden, um die Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung, z.B. im Verhältnis zur gemeindlichen Planungshoheit zu gewährleisten. In diesem Fall kommt ihnen ebenfalls in erster Linie klarstellende Bedeutung zu. Die Planungskompetenz der Raumordnung reicht nur so weit, wie überörtliche Interessen eine Beschränkung der Planungshoheit der Gemeinde erforderlich machen. 203 Im Wege von Ausnahmeregelungen kann der Plangeber bestimmte Fallkonstellationen benennen, für die ein überörtliches Steuerungsinteresse nicht besteht und die daher insbesondere der planerischen Steuerung durch die Gemeinde vorbehalten bleiben können und müssen. Denkbar ist beispielsweise eine Beschränkung der Bindungswirkung auf Vorhaben einer bestimmten Größenordnung. 204 Aus Bestimmtheitsgründen können dabei entsprechende klarstellende Ausnahmeregeln sogar geboten sein, wenn nämlich anderenfalls nicht eindeutig der Zielinhalt erkennbar ist. Ausnahmeregelungen können ferner dem Umstand Rechnung tragen, daß die Aufstellung von Raumordnungsplänen zwangsläufig auf eine grobmaschigere Abwägung angewiesen ist und die Träger der Raumordnungsplanung in der Regel beispielsweise die örtlichen Verhältnisse bzw. die konkreten Individualinteressen nicht bis ins Detail kennen. Das Gebot rechtsstaatlicher Planung und das Wesen der Ziele der Raumordnung setzt aber eine umfassende abschließende Abwägung insoweit voraus, als ein Plan Letztentscheidungscharakter hat. Besondere Brisanz erfährt dieses Gebot bei räumlich und sachlich sehr konkreten Raumordnungszielen, die eine Reaktion auf besonders gelagerte Einzelfälle im Rahmen der Konkretisierung nicht zulassen. Sofern der Plangeber sich bei der Aufstellung solcher Raumordnungsziele nicht in der Lage sieht, diesem Gebot hinreichend gerecht zu werden, muß er durch Ausnahmeregelungen deutlich machen, daß er bestimmte Konstellationen noch keiner abschließenden Abwägung zugeführt hat. Diese müssen dementsprechend von der Zielbindung ausgeschlossen bleiben. Durch diese Verkürzung des bindenden Aussagegehalts verliert das Ziel allerdings auch an Steuerungskraft. Dies führt zu einer gewissen Labilität des raumordnerischen Gesamtkonzepts. Wenn aus überörtlicher Sicht indes eine umfassende, ausnahmslose Zielbindung, z.B. Flächensicherung notwendig ist, müssen die Planungsträger daher auf Ausnahmeregelungen verzichten und dafür eine umfassende Abwägung durchführen.

203

Stellvertretend Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (763). Vgl. allerdings zu den Schwierigkeiten einer typisierenden Festlegung bezüglich raumbedeutsamer Vorhaben, Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (764). 204

90

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Durch Ausnahmeregelungen kann sich der Plangeber allerdings nicht der Last der abschließenden Abwägung insgesamt entziehen. Ein Ziel der Raumordnung liegt nur dann vor, wenn die Regelung der Ausnahmefälle ihrerseits den Konkretheitsanforderungen an Ziele der Raumordnung genügt, d.h. wenn die Ausnahmen sachlich und räumlich hinreichend bestimmt oder bestimmbar s i n d . 2 0 5 Der Hinweis „auf besondere Ausnahmefälle" reicht nur aus, wenn im Wege der Auslegung des Raumordnungsplans bestimmbar ist, welche besonderen sachlichen oder räumlichen Konstellationen angesprochen sein sollen, wobei dies regelmäßig zumindest eine Beschreibung im Grundsätzlichen bzw. Exemplarischen erfordert. 206 Gelegentlich wird aber auch die Auslegung des Raumordnungsziels gegebenenfalls unter Hinzuziehung der Planbegründung ergeben, daß sich der Inhalt des Raumordnungsziels nicht auf bestimmte atypische Ausnahmefälle bezieht, wobei die allgemeinen Methoden der Normauslegung anzuwenden sind. Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß die Abgrenzung zwischen zielförmiger Ausnahmeregelung und sonstigen Durchbrechungen der strikten außergebietlichen Ausschlußwirkung im Einzelfall Probleme bereiten kann, wobei die Abgrenzung zwischen Ziel und Grundsatz der Raumordnung bedeutsam ist. Keine abschließende Abwägung liegt vor, wenn ein raumordnerisches Anliegen nur „möglichst" erreicht werden soll. Eine solche Formulierung bringt nämlich die Abwägungsfähigkeit des Belanges zum Ausdruck. 207 Sofern eine Ausnahmeregelungen den dargelegten Anforderungen genügt, markiert sie den Inhalt des Raumordnungsziels. Eine strikte Bindungswirkung entfaltet das Ziel der Raumordnung mithin nur in Bezug auf solche raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, die nicht von der Ausnahmeregelung erfaßt sind. Im Hinblick auf diese zielgebundenen Maßnahmen sind mithin auch für die Zieladressaten, z.B. die Gemeinden keine eigenen Abwägungsspielräume eröffnet. 208

205

Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (280); Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210 f.); vgl. allerdings ders., LKV 1994, S. 89 (92), wonach Abweichungsklauseln mit der strikten Verbindlichkeit von Zielen nicht vereinbar seien. Gänzlich gegen die Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen in Raumordnungszielen Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (335). Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 37, betont zwar die ausnahmslose, strikte Zielbindung im Rahmen der Zielbeachtenspflicht, sagt damit aber nichts über die Möglichkeit ziel immanenter Ausnahmeregelungen aus. 206 Ähnlich Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210). 207 Vgl. allerdings Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (994), der solchen Aussagen Zielcharakter zuspricht, aber einräumt, daß diese nicht dagegen gefeit seien, im Vorgang der Beachtung von Fachplanungsträgern umgeformt zu werden. 208 Ebenso Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210).

Β. Anforderungen an Ziele der Raumordnung

91

c) Sollvorschriften In diesem Zusammenhang ist auch auf die Formulierung raumordnerischer Aussagen als Sollvorschriften hinzuweisen. Sollvorschriften könnten dem Gebot abschließender Abwägung und somit dem Zielcharakter dieser Planinhalte entgegenstehen. Es gilt der Grundsatz, daß Sollvorschriften ebenso verbindlich sind wie Mußvorschriften, solange nicht atypische Umstände vorliegen, die ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen. 209 Sollvorschriften in Raumordnungsplänen erfüllen dabei ähnliche Funktionen wie die Ausnahmeregelungen. 210 Sie dienen insbesondere auch der notwendigen Flexibilität der Raumordnungsziele, da nicht alle einzelnen Fälle vorhergesehen werden können, in denen aus Gründen des speziellen Einzelfalls von der Verwirklichung des Ziels Abstand genommen werden muß. 2 1 1 Der Formulierung von Zielen als Sollvorschriften steht daher nichts entgegen. 212 Dies gilt zumindest, solange durch Auslegung eindeutig ermittelt werden kann, welche atypischen Konstellationen von der Zielbindung ausgeklammert bleiben sollen.

d) „In-der-Regel"-Formulierungen Bezweifelt wird, ob Raumordnungsziele „In-der-Regel"-Formulierungen enthalten dürfen. 213 M i t einer „In-der-Regel"-Regelung verbindet das Verwaltungs209 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 111; Dreier, Abwägung, S. 380 f.; Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (292). 210 Vgl. zur Funktion von Sollvorschriften bei der Formulierung von Raumordnungszielen, Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (292). 211 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 63. 212 I.E. ebenso v.d. Heide, in: Cholewa/Dallhammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 24d; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 63; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 111 m.w.N.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 25 f.; Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (291 f.), vgl. dort auch zu einer gelegentlich geäußerten gegenteiligen Auffassung des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Offenlassend Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (280 Fußnote 74); kritisch Hoppe, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (991), allerdings in Bezug auf eine Kombination aus Sollvorschrift und In-der-Regel-Klausel; a.A. Erbguth, LKV 1994, S. 89 (92); Vgl. auch BVerwGE 90, S. 329 (332): Im Zusammenhang mit der Zielanpassungspflicht der Gemeinden nach § 1 Abs. 4 BauGB unterstreicht das Gericht, daß es sich hier um eine strikte Bindung handele und gerade keine Sollvorschrift gewählt wurde. Die Ziele seien mithin verbindliche Vorgaben für die Bauleitplanung. Ob daraus allerdings der Schluß gezogen werden kann, daß Ziele nicht ihrerseits als Sollvorschriften ausgestaltet sein dürften, muß bezweifelt werden. 213 Vgl. Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Zusammenhang mit der im Regierungsentwurf zum BauROG (vgl. BT-Drs. 13/7588, S. 63) vorgesehenen Legaldefmition von Eignungsgebieten, die eine In-der-Regel-

92

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

recht im allgemeinen eine gesetzliche Vermutung für das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter Tatsachen oder Rechtsfolgen, von der die zuständige Behörde nur bei besonderen Umständen des Einzelfalls absehen darf. 214 Der Gesetzgeber formuliert mit dieser Regelungstechnik signifikante Umstände, an die typischerweise bestimmte Tatsachen oder Regelungen geknüpft werden sollen. 215 Von diesem gesetzlichen Leitbild kann allerdings in atypischen Fällen abgewichen werden. 216 Der dargelegten, allgemeinen Bedeutung von „In-der-Regel"- Regelungen entspricht auch die Funktion solcher Formulierungen im Hinblick auf Raumordnungsziele. Festzustellen ist, daß durch eine „In-der-Regel"-Formulierung ebenso wie bei Ausnahmeregelungen und Sollvorschriften die Möglichkeit der Ausnahme, d.h. des Abweichens von der für den Regelfall gültigen verbindlichen Anordnung begründet wird. 2 1 7 Für diesen Regelfall ist die raumordnerische Aussage strikt und keiner weiteren Abwägung mehr zugänglich 218 , während die nicht von der Regel erfaßten atypischen Ausnahmefälle von der Zielbindung nicht erfaßt sein sollen. Was den Regelfall anbelangt, ist daher auch eine verbindliche und abschließend abgewogene Festlegung getroffen, die keiner weiteren Abwägung zugänglich ist, so daß auch der Zielcharakter vorliegen kann. 2 1 9 Auch insoweit ist allerdings die Einschränkung zu machen, daß der Aussagegehalt des Ziels so präzise sein muß, daß zumindest durch Auslegung ermittelt werden kann, welche Fallkonstellationen der Regel entsprechen und welche nicht.

Formulierung mit einer Soll-Vorschrift enthielt, BT-Drs. 13/7589, S. 24.; kritisch auch Hoppe, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (991). 214 Vgl. BVerwG, DVB1. 1985, S. 1311 (1314); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 92; 215 Vgl. BVerwG, DVB1. 1991, S. 1369; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 92. 216 Hill, Gesetzgebungslehre, S. 112; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 92. 217 Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (292). 218 Vgl. demgegenüber zur Interpretation der „In-der-Regel"-Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB als lediglich relative Vorrangregelung Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 93 f. 219 Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (292); v.d Heide, in: Cholewa!DalihammerlDyonglv.dHeide!Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 24d; kritisch andeutungsweise Hoppe, Städte- und Gemeindesrat 1994, S. 332 (337 f.) sowie ders., zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (991), dort allerdings zu einer Kombination von Sollvorschrift und In-der-Regel-Vorschrift.

. Anforderungen an

e der Raumordnung

5. Das raumordnungsrechtliche

93

Entwicklungsgebot

Das neue, dem baurechtlichen Entwicklungsgebot nach § 8 BauGB nachgebildete 220 , raumordnungsrechtliche Entwicklungsgebot nach § 9 Abs. 2 S. 1 ROG verlangt, daß die Regionalpläne aus dem Raumordnungsplan für das Landesgebiet entwickelt werden müssen. Durch § 9 Abs. 2 S. 1 HS. 2 ROG wird klargestellt, daß durch das Entwicklungsgebot die Zielbeachtenspflicht nicht berührt wird, die Ziele der Raumordnung vielmehr bezogen auf den regionalen Planungsraum zu konkretisieren sind. 221

6. Begründungspflicht Ziele der Raumordnung müssen begründet werden. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 8 ROG i.V.m. der positiv-rechtlichen Normierung in den Landesplanungsgesetzen und im übrigen aus verfassungsrechtlichen Gründen 223 . Da Raumordnungsziele justitiabel sind, muß für die Gerichte nämlich erkennbar sein, welche Motivation der planaufstellenden Behörde zugrunde lag. 224 Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht führt - abgesehen von speziellen landesrechtlichen Planerhaltungsvorschriften i.S.d. § 10 Abs. 2 Nr. 1 ROG 2 2 5 - regelmäßig zur Rechtswidrigkeit des Raumordnungsziels. 226

7. Kennzeichnung als Ziele der Raumordnung In den Raumordnungsplänen sind Ziele der Raumordnung nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 3 ROG als solche zu kennzeichnen. Da sich die Bindungskraft von Raumordnungszielen und Grundsätzen unterscheidet

220

Vgl. Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (348); Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT Drs. 13/6392, S. 85. 221 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 85. 222 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 S. 1 BayLplG. 223 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 145 f.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 74 jeweils m. w. N. 224 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 75; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 146. 225 Vgl. dazu Erbguth, DÖV 1998, S. 673 (676), der daraufhinweist, daß unter einer unvollständigen Begründung i.S.d. § 10 Abs. 2 Nr. 1 ROG nicht der völlige Ausfall der Begründung gefaßt werden könne. 226 Vgl. dazu im einzelnen Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 75; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 148. Vgl. auch allgemein zur Planbegründung Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (51), der Mängel in der begleitenden Begründung auch als indiziell für die Entscheidungsaufbereitung ansieht.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

und die Länder sowohl Grundsätze als auch Ziele in ihre Raumordnungpläne aufnehmen können, wird dadurch Rechtsunsicherheit vermieden. 227

C. Die wichtigsten Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung im einzelnen Das Raumordnungsrecht kennt bundes- und landesrechtliche Grundsätze der Raumordnung, wie sich aus § 3 Nr. 3 ROG i.V.m. § 2 Abs. 2, 3 ROG ergibt. Im folgenden soll untersucht werden, welche formellen und materiellen Anforderungen an die Grundsätze der Raumordnung zu stellen sind, wobei diese Fragestellung insbesondere im Hinblick auf die Regelung landesrechtlicher Grundsätze der Raumordnung Bedeutung erlangt.

I. Formelle Anforderungen 1. Grundsätze im ROG und in den Landesplanungsgesetzen Für die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Aufstellung von Grundsätzen der Raumordnung ist von grundlegender Bedeutung, daß die bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung abschließend228 in § 2 Abs. 2 ROG ziffernmäßig aufgezählt sind. Daraus ergibt sich insbesondere, daß andere bundesrechtliche Vorschriften keine Grundsätze der Raumordnung sind, und zwar auch dann, wenn sie ihrem Inhalt nach einen Bezug zur Raumordnung aufweisen. Aufgrund der Ermächtigung des § 2 Abs. 3 HS. 1 ROG können die landesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung zum einen in Landesplanungsgesetzen229 oder besonderen Gesetzen230 normiert werden, wie dies vielfach 227

Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (347). Vgl. zur bisherigen Rechtslage: Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 4, S. 61; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 110 ff., faßt die Kennzeichnungspflicht als eine formelle Ausprägung des Bestimmtheitsgrundsatzes auf. Wenn das Planwerk aufgrund fehlender Kennzeichnung undurchdringlich oder mißverständlich sei, führe dies mangels Operationalität zur Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit des Gesamtplans wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes. 228 Die Grundsätze enthalten die wichtigsten für den Gesamtraum relevanten räumlichen und fachlichen Belange, ohne insofern auf Vollständigkeit angelegt zu sein. So die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 79. Nicht in den Grundsätzen der Raumordnung enthaltene Belange können daher ebenfalls in Abwägungs- und Ermessensentscheidungen über raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen zu berücksichtigen sein, wie sich aus § 7 Abs. 7 S. 1 ROG ergibt. Vgl. zu den abzuwägenden Belangen, Halama, in: FS Schlichter, S. 201 (221). 229 Z.B. § 3 HLPG, Art. 2 BayLplG. 230 Vgl. z.B. §§ 2 ff. SchlHLEGrG.

C. Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung

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auch geschehen ist. 231 Die Aufstellung dieser Grundsätze unterliegt den allgemeinen Verfahrensanforderungen für den Erlaß von Gesetzen.232

2. Grundsätze in Raumordnungsplänen Desweiteren stellt § 2 Abs. 3 HS. 2 ROG klar, daß landesrechtliche Grundsätze auch in Raumordnungspläne aufgenommen werden können. 233 Aus § 3 Nr. 7 ROG ergibt sich dabei, daß es sich sowohl um Raumordnungspläne für das Landesgebiet nach § 8 ROG als auch um Regionalpläne nach § 9 ROG handeln kann. 234 Die Normierung von Grundsätzen der Raumordnung in Regionalplänen mag auf den ersten Blick überraschen und stellt jedenfalls keine Selbstverständlichkeit dar. 235 Schließlich sind die Grundsätze der Raumordnung nach § 7 Abs. 1 S. 1 ROG durch Raumordnungspläne zu konkretisieren. Diese Konkretisierungsmöglichkeit entfällt aber, wenn die Grundsätze der Raumordnung bereits auf der untersten Stufe der Raumordnungsplanung angesiedelt sind. Die Bedenken lassen sich indes bei näherer Betrachtung ausräumen. Die Rechtswirkungen der Grundsätze beschränken sich nach § 4 Abs. 1 bis 4 ROG nicht auf die Raumordnungsplanung. Sie erstrecken sich vielmehr auf eine Vielzahl von raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, von denen die Raumordnungsplanung nach § 3 Nr. 6 ROG nur einen Unterfall bildet. 236 231 Vgl. die Übersicht in Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 315. 232 Nach Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 177 sind auch Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften zulässig. 233 Nach Folkerts, DVB1. 1989, S. 733, waren Grundsätze der Raumordnung nach dem bisherigem Recht kein zulässiger Inhalt von Raumordnungsplänen, wenngleich die Planungspraxis dies nicht eingehalten habe; ders., Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 2 ff. Α. A. und Überblick über Grundsätze in Raumordnungsplänen Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 322 Rn. 3, M 315. 234 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 80.;

Runkel, UPR 1997, S. 1 (7). 235

In der Literatur zum bisherigen Recht werden ganz überwiegend nur die Grundsätze der Raumordnung in hochstufigen Raumordnungsplänen angesprochen, Cholewa!Dalihammer!Dyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Rn. 34; Vgl. auch die Übersicht bei Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 315; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 34, der nur auf das Parlament und die Regierungen als Normgeber für die Grundsätze abstellt. Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 41; Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 9, Rn. 137. 236 Vgl. zum bisherigen Recht Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 310 Rn. 5.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Die regionalplanerischen Grundsätze der Raumordnung stellen somit für diese anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in dem jeweiligen Planungsraum Abwägungsdirektiven dar. Den regionalen Planungsträgern ist somit die zu begrüßende Möglichkeit gegeben, auch dann Planungsaussagen zu treffen, wenn sie eine Frage noch nicht abschließend als Ziel der Raumordnung entscheiden können oder wollen, insbesondere wenn auf raumordnerischer Ebene die abschließende Konfliktlösung nicht möglich oder erforderlich erscheint. 237 Mit dem Instrument regionaler Grundsätze der Raumordnung kann somit eine Stärkung der Regionalplanung erreicht werden. 238 Die meisten Landesplanungsgesetze sehen - im Gegensatz z.B. zu BadenWürttemberg und Sachsen239 - die Aufstellung von Grundsätzen in Regionalplänen zumindest nicht ausdrücklich vor, sondern erwähnen insoweit nur die Ziele der Raumordnung. 240 Gesetzesänderungen durch den Landesgesetzgeber sind gleichwohl insofern nicht geboten, als es § 2 Abs. 3 ROG den Ländern insgesamt freistellt, weitere landesrechtliche Grundsätze aufzustellen. Es besteht daher kein bundesrechtliches Gebot zur Schaffung von Rechtsgrundlagen, wonach Grundsätze der Raumordnung in Regionalplänen normiert werden können. Bei der Analyse der derzeitigen Regionalpläne ist allerdings festzustellen, daß darin auch Aussagen enthalten sind, die jedenfalls ihrem Aussagegehalt nach als Grundsätze zu qualifizieren sind oder sogar als Grundsätze der Raumordnung bezeichnet werden. 241 Da die landesplanungsgesetzlichen Vorgaben für die Regionalplanung indes nicht im Sinne von Maximalinhalten zu verstehen sind, dürfte diese Planungspraxis gleichwohl zulässig sein. 242 Es erscheint

237

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 132; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 207. 238 Die Stärkung der Regionalplanung ist ein wichtiges Ziel der Raumordnungsnovelle, vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 12/ 6392, S. 40. Vgl. zur Zweckmäßigkeit von Grundsätzen der Raumordnung in Regionalplänen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 207. 239 § 8 Abs. 1 S. 1 BWLP1G; § 6 Abs. 1 S. 1 SächsLPIG; vgl. ausführlich zu regionalplanerischen Grundsätzen der Raumordnung Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 204 ff. 240 Vgl. z.B. § 6 Abs. 1 LP1G M.-V, § 6 Abs. 1 HLP1G, Art. 17 BayLplG. Vgl. ausführlich auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 192 ff.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 3 ff. m.w.N. 241 Z.B. Pis. Β VII 3.1 Regionalplan der Region Regensburg v. 10. 10. 1985 und 4. 11. 1986: „Auf den Ausbau und die Verbesserung von Wegen zum Wandern und Skiwandern soll in der ganzen Region hingewirkt werden." Ausführlich und mit zahlreichen Beispielen zu Grundsätzen der Raumordnung in Regionalplänen, Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 17 f., 196 ff.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 4 ff. 242 Im Ergebnis ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 204.

C. Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung

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dennoch an der Zeit, daß die Landesgesetzgeber in diesem Punkt eindeutig Stellung beziehen und gesetzlich klarstellen, ob Grundsätze der Raumordnung in Regionalplänen geregelt werden dürfen oder nicht. 243 Für die Aufstellung von landesrechtlichen Grundsätzen in Raumordnungsplänen gelten die bereits erwähnten sehr vielfältigen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften für Raumordnungspläne für das Landesgebiet bzw. für die Regionalpläne. 244 Auf die Ausführungen im Zusammenhang mit den Ziele der Raumordnung kann daher verwiesen werden. 245

II. Materielle Anforderungen 1. Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Raumes: Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung § 3 Nr. 3 ROG stellt klar, daß die Grundsätze nur Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes enthalten dürfen. Erst dieser spezifisch raumordnerische Inhalt, der sich auch in der Aufgabenbeschreibung der Raumordnung nach § 1 Abs. 1 ROG wiederfindet, macht sie zu Grundsätzen der Raumordnung. Aus dieser Festlegung auf raumordnerische Aussagen ergibt sich, daß die Grundsätze der Raumordnung ebenso wie das gesamte Raumordnungsrecht auf die überörtliche und überfachliche Steuerung des Raumes beschränken muß. Auch bei der Regelung von Grundsätzen der Raumordnung muß daher der Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung gewahrt bleiben. Was die räumliche und überörtliche Zielrichtung der Grundsätze anbelangt, gilt es zu fragen, ob der jeweils erwähnte Belang überhaupt überörtliche, räumliche Bedeutung haben kann. 246 Der räumliche und überörtliche Bezug steht bei den bundesrechtlichen Grundsätzen außer Frage. In anderen Fällen bereitet freilich die Abgrenzung zu allgemeinpolitischen Äußerungen einige Schwierigkeiten. 247 243 Ebenso Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 132, mit Hinweis auf die Rechtssicherheit. 244 Z.B. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 35 f. 245 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β I. 246 Vgl. zum Raumbezug von Grundsätzen der Raumordnung Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60 f. 247 Problematisch dürfte beispielsweise mangels überörtlichen Raumbezugs die allgemeinpolitisch anmutende Aussage sein: „Das freiwillige 10. Schuljahr, das den qualifizierten Sekundarabschluß I vermittelt, soll an weiteren Hauptschulen angeboten werden." Vgl. zu diesem „Grundsatz" des rheinland-pfälzischen Landesentwicklungsprogramms (Pis. 3.10.1 Abs. 4) Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 58. 7 Spiecker

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Im Hinblick auf die Überfachlichkeit der Grundsätze ist bemerkenswert, daß die bundesrechtlichen Grundsätze entsprechend ihrem Regelungsgehalt in einerseits räumliche, d.h. raumstrukturelle, und andererseits fachliche, d.h. besondere Sachgesichtspunkte betreffende Grundsätze eingeteilt werden können. 248 Die sieben räumlichen Grundsätze des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 ROG betreffen die Raumstruktur, die Siedlungsstruktur, die Freiraumstruktur, die Infrastruktur, verdichtete Räume, ländliche Räume und strukturschwache Räume, während die acht fachlichen Grundsätze des § 2 Abs. 2 Nr. 8 bis 15 ROG Aussagen zu den Naturgütern, der Wirtschaft, der Land- und Forstwirtschaft, dem Wohnen, dem Verkehr, zur Kultur, zu Erholung, Freizeit und Sport sowie zur Verteidigung enthalten. 249 Die Existenz fachlicher Grundsätze, die im übrigen auch das ROG a.F. kannte 250 , steht dabei nicht im Widerspruch zur Raumordnungskompetenz, die wie dargelegt nicht auf überfachliche Aussagen und Gesichtpunkte beschränkt ist. 251 Hervorzuheben ist insofern, daß die Grundsätze der Raumordnung nach der Konzeption des Raumordnungsgesetzes gerade nicht isoliert zur Wirkung kommen sollen, sondern mit den übrigen räumlichen und fachlichen Grundsätzen abgewogen werden. 252 Das Entscheidungsprogramm, daß durch die Summe der Grundsätze der Raumordnung bereitgestellt wird, ist folglich überfachlich, so daß grundsätzlich auch bei der Aufstellung fachlicher Grundsätze der kompetenzrechtliche Rahmen der Raumordnung gewahrt bleibt. 253 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, welche Bedeutung dem Kriterium der Überfachlichkeit für den zulässigen Inhalt von Grundsätzen der Raumordnung überhaupt zukommt. 254 Dabei ist erstens auf den gesamtkonzeptionellen Charakter der Raumordnung abzustellen. Die Raumordnung muß wie dargelegt von fachlichen Detailproblemen abstrahieren. Grundsätze der Raumordnung müssen sich folglich zur Aufstellung eines Gesamtkonzeptes eignen und dürfen

248

Vgl. zu dieser Klassifikation die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/ 6392, S. 79. Runkel, UPR 1997, S. 1 (2); vgl. allgemein zu den verschiedenen Systematisierungsbemühungen für die Grundsätze der Raumordnung Brummund, Grundsätze, S. 21 ff. 249 Vgl. zu dieser Zuordnung die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 79. 250 Z.B. § 2 Abs. 1 Nr. 10 ROG a.F.: Die Erfordernisse der zivilen und militärischen Verteidigung sind zu beachten. 251 Vgl. Erbguth, VerwArch 1996, S. 258. Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. I. 3. a) bb). 252 Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (335). 253 Vgl. ähnlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 59, der diesen Gesichtspunkt allerdings insgesamt offenbar unterschätzt. 254 Vgl. dazu ausführlich, Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 59 ff.

C. Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung

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keine fachlichen Detailforderungen stellen und die Träger der Raumordnungsplanung dadurch verpflichten, sich in fachlichen Detailfragen zu verlieren. 255 Zu bedenken ist zweitens, daß der Gesetzgeber auch aufgrund der Fachgesetzgebungskompetenz gesetzliche Vorgaben für fachliche, räumliche, überörtlich bedeutsame Entscheidungen geregelt hat. Aus kompetenzrechtlichen Gründen müssen diese Entscheidungen und die Grundsätzen der Raumordnung auseinandergehalten werden. Insbesondere für die Materien, in denen der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat, ist eine Beschränkung der landesrechtlichen Grundsätze in Betracht zu ziehen. Insofern ist auf die bloße Koordinierungsfunktion der Raumordnung, auf Art. 31 GG und auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hinzuweisen.256 Die Koordinierungsfunktion der Raumordnung besteht insbesondere darin, die in den Fachgesetzen zum Ausdruck kommenden raumbezogenen Belange aufzugreifen und durch die Formulierung als fachliche Grundsätze der Raumordnung in das Entscheidungsprogramm der Raumordnung aufzunehmen. 257 Aus dem Vorrang des Gesetzes folgt dabei, daß die landesrechtlichen Grundsätze nicht gegen die fachgesetzlichen raumbezogenen Aussagen des Bundes verstoßen dürfen, sondern diese nur sozusagen wiederholend aufgreifen dürfen. 258 Die Länder können daher nicht unter dem Deckmantel der Grundsätze der Raumordnung diese bundesrechtlichen Fachkompetenzen, sofern es um deren überörtliche räumliche Auswirkungen geht, durchkreuzen und gegensätzliche fachliche Grundsätze formulieren. 259 Sie dürfen die in den Fachgesetzen zum Ausdruck kommenden bundesrechtlichen fachlichen Konzeptionen nicht unterlaufen, sondern müssen diese wegen des Gebotes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung respektieren. 260

255

Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 1. 3 a) bb). Vgl. zum Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Schranken für die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz BVerfG, NJW 1998, S. 2341 (2342). 257 Ähnlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60 f. 258 Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 63 f., der aus dem Grundsatz des Gesetzesvorrangs allerdings herleitet, daß Grundsätze der Raumordnung keine Sätze aufstellen oder modifizieren dürfen, die bereits gesetzlich vorformuliert sind. Danach dürften die Grundsätze folglich auch keine fachgesetzlich formulierten Belange wiederholen. Der Gesetzesvorrang verbietet aber nur widersprechende Regelungen. 259 Ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 60 f., S. 70, S. 261 ff., S. 286 ff., wonach die überörtliche Raumplanung beispielsweise nicht dazu ermächtigt sei, abstraktes Umweltrecht und abstraktes Bodenrecht zu setzen. 260 Der kompetenzrechtliche Konflikt zwischen fachgesetzlichen Regeln des Bundesrechts (Art. 7 AtomG) einerseits und diese unterlaufende Aussagen in Raumordnungsplänen (angestrebte raumordnungsplanerische Aussage zur Verhinderung von Atomkraftwerken in fünf Landkreisen) andererseits klingt auch in der Wackersdorfentscheidung des BayVerfGH, NVwZ 1988, S. 242 (244) an; vgl. zu Zielen der Raumordnung auch Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (279). 256

100

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung 2. Allgemeine Aussagen als Vorgabe für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen

Aus § 3 Nr. 3 ROG folgt des weiteren, daß die Grundsätze zum einen allgemein sein und sich zum anderen als Vorgabe für nachfolgende Abwägungsoder Ermessensentscheidungen darstellen müssen. Der Begriff der Allgemeinheit bereitet dabei Schwierigkeiten. Im Schrifttum wurde bisher - freilich in Ermangelung einer Legaldefinition gemeinhin betont, daß die Grundsätze der Raumordnung durch einen abstraktgenerellen Charakter gekennzeichnet seien, wobei allerdings nicht deutlich wurde, ob es sich dabei nur um eine Beschreibung der bestehenden bundesrechtlichen und landesplanungsgesetzlichen Grundsätze oder um ein konstitutives Begriffsmerkmal aller Grundsätze der Raumordnung handelte. 261 Mit der Bezeichnung als „abstrakt-generell" dürfte dabei mehr gemeint sein, als nur die bloße Tatsache, daß sie sich an einen unbestimmten Personenkreis wenden (generell) und eine Vielzahl von Einzelfällen betreffen müssen (abstrakt). 262 Es geht offenbar um eine bestimmte Art des Aussagegehalts von Grundsätzen. 263 Grundsätze werden demnach als materielle Richtlinien für die räumliche Entwicklung bezeichnet, die die grundlegenden Eckpunkte zu typischen und grundlegenden raumordnerischen Problemen enthalten. 264 Sie ermangelten regelmäßig eines greifbaren räumlichen Bezugs. 265 Zum Teil werden sie auch dahingehend beschrieben, daß es sich um die tragenden abstrakten Belange der Raumordnung handele. 266 Da eine wörtliche und historische Auslegung der Formulierung „allgemeine Aussage" bei der Begriffsbestimmung der Grundsätze der Raumordnung nicht weiterhilft, gilt es systematische Überlegungen anzustellen. Bei der Gegenüberstellung der Legaldefinitionen von Grundsätzen und Zielen in § 3 ROG fällt auf, daß der Begriff der Allgemeinheit i.S.d. § 3 Nr. 3 ROG in einem Gegensatzverhältnis zu der sachlichen und räumlichen Bestimmtheit oder

261 Brummund, Grundsätze, S. 7; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 16 f.; Hoppe, Städte- und Gemeinderat 1994, S. 332 (335); Appold, Freiraumschutz, S. 13. Nach Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 42, handelt es sich bei den Grundsätzen der Raumordnung (nur) „typischerweise" um räumlich-strukturelle Planungsdirektiven ohne konkreten Orts- oder Flächenbezug. 262 Vgl. zu den Begriffen abstrakt und generell Hendler, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 24. 263

264

Erbguth, L K V 1994, S. 89 (92).

Hoppe, in: ders ./Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 143; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 34 f.; Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, April 1998, M 310 Rn. 2, 3. 265 Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 2 (8). 266 Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (346).

C. Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung

101

Bestimmbarkeit i.S.d. Legaldefinition für die Ziele der Raumordnung nach § 3 Nr. 2 ROG zu stehen scheint. Die Ziele müssen sachlich eine konkrete raumordnerische Entscheidung treffen und beziehen sich geographisch auf einen bestimmten Raum, wobei mit räumlicher Bestimmtheit eine höhere Konkretisierungsstufe als lediglich das jeweilige Plangebiet gemeint ist. Bei einer solchen Betrachtungsweise könnte eine Aussage nur dann als Grundsatz der Raumordnung qualifiziert werden, wenn sie räumlich und sachlich unbestimmt und auch nicht bestimmbar ist. Daraus ließe sich sozusagen ein Gebot hinreichender räumlicher und sachlicher Unbestimmtheit der Grundsätze der Raumordnung herleiten. Die Grundsätze dürften sich daher beispielsweise nicht auf konkrete Gebiete beziehen. Bemerkenswert ist insoweit, daß die bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung in diesem Sinne unbestimmt sind. Denkbar wäre, daß die weiteren landesrechtlichen Grundsätze diesen in ihrer Aussagedichte daher nachgebildet und ähnlich sein müssen. Auf der anderen Seite ist daraufhinzuweisen, daß Grundsätze zwar nach § 7 Abs. 1 S. 1 ROG durch Raumordnungspläne konkretisiert werden sollen. Der Gesetzgeber fordert aber nicht, daß eine Konkretisierung ausschließlich in Ziele der Raumordnung münden muß. Da er ausdrücklich vorsieht, daß Grundsätze auch in Regionalplänen aufgestellt werden können, schwebt ihm offensichtlich gerade auch eine Konkretisierung der bundesrechtlichen Grundsätze durch konkretere Grundsätze vor. 2 6 7 Dies spricht dafür, daß sich Grundsätze durch das Merkmal der „Allgemeinheit" von den räumlich und sachlich bestimmten bzw. bestimmbaren Zielen in dem Sinne unterscheiden, daß sie nur entweder sachlich oder räumlich unbestimmt sein müssen.268 Da aber eine sachlich konkrete, aber räumlich gänzlich unbestimmte raumplanerische Aussage nicht denkbar ist 2 6 9 , verbleibt für Grundsätze der Raumordnung danach der Bereich der räumlich

267

Vgl. dazu auch Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 131, 173. 268 Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 13 ff., der allerdings im Ergebnis eine Unterscheidung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung nicht an inhaltlichen Kriterien messen will, sondern allein an dem Geltungsmodus der Aussage, der von dem Willen des Plangebers abhänge. Die Legaldefinitionen des § 3 ROG sprechen nunmehr allerdings dafür, daß es auch auf eine inhaltliche Abgrenzung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung ankommt. Zumindest kann festgestellt werden, daß eine räumlich unbestimmte raumordnerische Aussage kein Ziel der Raumordnung sein kann. 269 Raumplanung basiert immer auf bestimmten tatsächlichen Gegebenheiten und muß sich auch auf eine konkrete Situation beziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn konkrete raumplanerische Entscheidungen getroffen werden. Vgl. Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4 f.).

102

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

und sachlich unbestimmten Aussagen und der räumlich konkreten und sachlich unbestimmten Aussagen. 270 Eine solche Auslegung des Begriffs der Allgemeinheit steht auch damit im Einklang, daß der Gesetzgeber mit den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung nur zwei Kategorien von raumordnerischen Aussagen in Raumordnungsplänen vorgesehen hat. 271 Den Grundsätzen der Raumordnung kommt somit eine Auffangfunktion zu. Raumordnerische planerische Aussagen, die nicht als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren sind, stellen demgemäß Grundsätze der Raumordnung dar. 272 Die systematische Auslegung des § 3 Nr. 3 ROG muß ferner den Zusammenhang zwischen Allgemeinheit der Grundsätze und ihrer Funktionsweise als Vorgabe fur nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen im Auge behalten. Es fällt dabei auf, daß sich der Charakter der Grundsätze „als Vorgabe für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen" aus den in § 4 ROG geregelten Rechtswirkungen der Grundsätze der Raumordnung ergibt. Der Gesetzgeber hat folglich nicht streng zwischen den Tatbestandvoraussetzungen und den Rechtswirkungen getrennt. Das Tatbestandsmerkmal der Allgemeinheit dürfte insofern bloß die klarstellende Funktion haben, daß es sich bei dieser Aussage um eine ihrem Aussagegehalt nach abwägungsfähige Vorgabe handeln muß. Eine als Grundsatz zu qualifizierende Aussage in einem Raumordnungsplan muß daher allgemein in dem Sinne sein, daß sie abwägungsfähig bleiben soll. 2 7 3 Hinzuweisen ist darauf, daß bei räumlich konkreten Aussagen in Raumordnungsplänen gelegentlich die Abgrenzung zwischen Zielen und Grundsätzen der Raumordnung Probleme bereiten kann, weil nämlich ermittelt werden muß, inwieweit der Plangeber eine sachlich bestimmte, d.h. abschließende Raumnutzungsentscheidung getroffen hat. Maßgeblich kann dabei nicht allein die Formulierung der raumordnerischen Aussage sein, sondern vielmehr der Wille des Plangebers. 274 Der Gesetzgeber hat im übrigen diese Abgrenzungsproblematik erkannt und daher aus Gründen der Rechtssicherheit nach § 7 Abs. 1

270

Ähnlich Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 173. 271 Davon geht auch Jarass aus, zitiert bei StüerlHönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1334), der allerdings überlegt, ob der Gesetzgeber erneut tätig werden müsse und an der Schnittstelle von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung noch eine weitere Kategorie von „sonstigen Belangen" schaffen solle. 272 Hendler, zitiert bei StüerlHönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1334), geht umgekehrt offenbar von einem Auffangcharakter der Ziele der Raumordnung aus. 273 Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 173. 274 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 13, S. 15 m.w.N.

C. Anforderungen an Grundsätze der Raumordnung

103

S. 3 ROG, wie bereits erwähnt, eine Kennzeichungspflicht für Ziele der Raumordnung eingeführt. 275

3. Kein Widerspruch der landesrechtlichen Grundsätze zu der Aufgabe und den Leitvorstellungen der Raumordnung und den bundesrechtlichen Grundsätzen Aus § 2 Abs. 3 ROG ergibt sich ferner, daß die landesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung inhaltlich nicht mit den bundesrechtlichen Grundsätzen nach § 2 Abs. 2 ROG sowie der Aufgabe und der Leitvorstellung 276 der Raumordnung nach § 1 ROG im Widerspruch stehen dürfen. Diese materiellen Anforderungen haben lediglich klarstellenden Charakter. Sie ergeben sich bereits aus Art. 31 G G 2 7 7 und erweisen sich als eine einfachgesetzliche Ausprägung des bereits erwähnten Rechtsprinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. 278 Wenn man diesen Zweck berücksichtigt, wonach lediglich dem Bundesrecht widersprechendes Landesrecht verhindert werden soll, ist im übrigen nichts gegen eine wortgleiche oder sinnentsprechende Wiederholung bundesrechtlicher Grundsätze in den Landesplanungsgesetzen einzuwenden.279 Wie bereits dargelegt sind Grundsätze der Raumordnung entsprechend ihrem Charakter als Prinzipien auch auf Kollisionen untereinander angelegt. 280 Durch § 2 Abs. 3 ROG soll dabei nicht in Frage gestellt werden, daß entsprechende Kollisionen sich auch zwischen bundesrechtlichen und landesrechtlichen Grundsätzen der Raumordnung ergeben können. Ein Widerspruch zwischen landesrechtlichen und bundesrechtlichen Grundsätzen i.S.d. Vorschrift kann daher nicht allein darin erblickt werden, daß in landesrechtlichen Grundsätzen solche Belange angesprochen werden, die über die bundesrechtlichen Grundsätze hinausgehen und mit diesen bei Abwägungsentscheidungen konfligieren können. Anderenfalls wäre die Ermächtigung zur Aufstellung von landesrechtlichen Raumordnungsgrundsätzen sinnlos. Ausgeschlossen ist vielmehr nur, daß der Landesgesetzgeber Grundsätze aufstellt, die den Sinngehalt der

275

Vgl. zur erforderlichen ausdrücklichen Unterscheidung zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung zumindest in Grenzfällen, Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 92, Rn. 141; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 171. Vgl. zur Kennzeichnungspflicht auch oben Kap. 2, Β. II. 7. 276 Vgl. zur Funktion der Leitvorstellungen im Planungsrecht, Dreier, Abwägung, S. 167 ff. 277 Vgl. dazu zum bisherigen Recht, Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 90, Rn. 137; ders., Probleme, S. 27 ff. 278 Vgl. zu diesem Prinzip als Schranke der Ausübung der Gesetzgebungskompetenzen, BVerfG, NJW 1998, S. 2341 (2342). 279 Vgl. ausführlich dazu, i.E. ebenso, Erbguth, Probleme, S. 27 ff., S. 35 m.w.N. 280 Vgl. dazu oben Kap 2, Α. I.

104

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

bundesrechtlichen Grundsätze umkehren oder entstellen. Er darf mithin seine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung raumordnerischer Grundsätze nicht dazu mißbrauchen, die in §§ 1, 2 Abs. 2 ROG zum Ausdruck kommende bundesrechtliche Konzeption der Raumordnung zu unterlaufen.

4. Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG bei Grundsätzen in Raumordnungsplänen Nach § 7 Abs. 7 S. 1, 2 ROG ist für die Aufstellung der Raumordnungspläne landesrechtlich vorzusehen, daß die Grundsätze der Raumordnung gegeneinander und untereinander abzuwägen sind und daß die auf der jeweiligen Planungsebene erkennbaren öffentlichen und privaten Belange dabei berücksichtigt werden. 281 Diese Vorschrift wird für solche Grundsätze relevant, die in Raumordnungsplänen aufgestellt werden und nicht lediglich deklaratorischen Charakter haben, indem sie beispielsweise bundesrechtliche Grundsätze bloß wiederholen, sondern gegenüber den übrigen Grundsätzen einen räumlich und sachlich konkretisierenden Gehalt aufweisen. 282 Wenn in einem Regionalplan ein solcher Grundsatz aufgestellt wird, erfordert dies eine entsprechende Abwägung, die allerdings - anders als bei den Zielen der Raumordnung - keinen abschließenden Charakter hat und demgemäß globalerer Natur sein kann.

D. Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung und die Zulässigkeit privater Vorhaben I. Allgemeines zum System der Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung 1. Rechtsgrundlagen für die Bindungswirkung Die Bindungswirkung der Erfordernisse der Raumordnung ergibt sich nicht allein aus § 4 ROG, wie die Überschrift zu dieser Vorschrift vermuten lassen könnte. Vielmehr finden sich Rechtsgrundlagen für eine Bindung neben dem Raumordnungsgesetz auch in den Landesplanungsgesetzen und zahlreichen Fachgesetzen.

281

Ebenso Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 18. 282 Vgl. zu landesrechtlichen Grundsätzen, die Bundesgrundsätze konkretisieren Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 131, 173.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

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a) Die Vorschriften des Raumordnungsgesetzes und der Landesplanungsgesetze Die wesentlichen Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung sind indes im Raumordnungsgesetz und in den Landesplanungsgesetzen unmittelbar geregelt. Im Hinblick auf die Ziele gilt dies zum einen für die Beachtenspflichten nach § 4 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 ROG bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen, bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über die Zulässigkeit solcher raumbedeutsamer Maßnahmen sowie bei Planfeststellungen. Nach § 4 Abs. 3 ROG gilt entsprechendes für bestimmte juristische Personen des Privatrechts. § 4 Abs. 1 Nr. 2 ROG regelt die Zielbindung bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen sonstiger Personen des Privatrechts. Unabhängig von Regelungen des Fachrechts sind ferner nach § 4 Abs. 4 S. 2 ROG die Erfordernisse der Raumordnung bei Genehmigungen über die Errichtung und den Betrieb von öffentlich zugänglichen Abfallentsorgungsanlagen einzelner zu berücksichtigen. 283 Zu den Bindungswirkungen der Grundsätze der Raumordnung, die sich unmittelbar aus dem Raumordnungsgesetz ergeben, gehört die Berücksichtigungspflicht bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen nach § 7 Abs. 7 S. 1 ROG. Die Landesplanungsgesetze enthalten vielfach ähnliche Regelungen284, die allerdings lediglich deklaratorischen Charakter aufweisen 285 .

b) Spezialgesetzliche Regelungen in Fachgesetzen Die Vorschriften des § 4 Abs. 2 bis 4 ROG verweisen durch die Formulierung „nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften" und durch § 4 Abs. 5 ROG 2 8 6 maßgeblich auf das Fachrecht. In den Fachgesetzen finden sich vielfältige spezialgesetzliche Regelungen zu den Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung. Sofern sie insbesondere im Hinblick auf § 4

283

Mit dieser Vorschrift soll eine Lücke geschlossen werden, die durch die Aufnahme der öffentlich zugänglichen Abfallentsorgungsanlagen in § 38 BauGB entstanden ist, vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 82. Vgl. zum alten Recht Weidemann, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 62 ff. 284 Vgl. zur Zielbeachtenspflicht, wobei allerdings entsprechend der Vorschrift des § 5 Abs. 4 ROG a.F. noch der Begriff der öffentlichen Planungsträger verwendet wird, z.B. § 6 Abs. 3 S. 2 BaWüLplG. Vgl. zur Berücksichtigung der Grundsätze z.B. § 6 Abs. 3 S. 1 BayLplG. 285 So bezüglich der landesplanungsgesetzlich geregelten Zielbeachtenspflichten, Klein, Ziele, S. 40. 286

Runkel, UPR 1997, S. 1 (4).

106

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Abs. 1 ROG nicht lediglich deklaratorischer Natur sind 287 und nicht verfahrensrechtliche Fragen betreffen 288 , begründen oder erweitern sie die Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung. 289 Sofern dies ausdrücklich geschieht, können diese als fachgesetzliche Raumordnungsklauseln bezeichnet werden. Im übrigen kommt aber auch den sogenannten Gemeinwohlklauseln Bedeutung zu, in denen schlechthin auf „öffentliche Belange abgestellt" wird und bei denen jeweils durch Auslegung ermittelt werden muß, ob die Erfordernisse der Raumordnung dabei mitangesprochen sind oder nicht. 290 Diese spezialgesetzlichen Regelungen der Fachgesetze sind in ihrer Terminologie, hinsichtlich des Maßstabs, der Art und des Umfangs der Bindungswirkung sehr unterschiedlich ausgestaltet.291

2. Bindungsgegenstände der Ziele und Grundsätze der Raumordnung a) Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen Gegenstand der Raumordnungsbindung sind nach § 4 Abs. 1 S. 1, 2, 3 ROG raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen. Dabei handelt es sich nach der Legaldefmition des § 3 Nr. 6 ROG um Planungen einschließlich der Raumordnungspläne, Vorhaben und sonstige Maßnahmen, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflußt wird, einschließlich des Einsatzes der dafür vorgesehenen Investitionen. Im übrigen stellt der Begriff der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen einen raumordnungsrechtlichen Schlüsselbegriff dar, der auch in zahlreichen Rechtsvorschriften der Landesplanungsgesetze vorkommt. 292 Der Begriff der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen293 galt bisher im 287 Vgl. Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, R 100 Rn. 24; Gruber, DÖV 1995, S. 488 (489); vgl. z.B. zum deklaratorischen Charakter der Raumordnungsklausel des § 6 Abs. 2 BWaldG Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 55. 288 Vgl. zu den verfahrensrechtlichen Raumordnungsklauseln, Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 22. 289 Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 167 ff. 290 Vgl. Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 27 (30), der insofern von verkappten Raumordnungsklauseln spricht. 291 Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 27 (29 f.); Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 2. 292 Vgl. dazu David, Raumbedeutsamkeit, S. 43, S. 48; Brummund, DVB1. 1988, S. 77 (79). 293 Eingehend zum Begriff der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen Brummund, DVB1. 1988, S. 77 ff. m.w.N.; Braese, Gegenstromverfahren, S. 59; Jochimsen!Ortmann!Reiche!Luther!Christoff, Zusammenfassende Darstellung, S. 13 ff.; David, Raumbedeutsamkeit, S. 51 ff.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

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einzelnen als außerordentlich unscharf. 294 Er ist durch die Legaldefinition präzisiert und modifiziert worden 2 9 5 und bedarf einer näheren Betrachtung.

aa) Planungen, Vorhaben und sonstige Maßnahmen Aus der Formulierung Planungen, Vorhaben und „sonstige" Maßnahmen wird deutlich 296 , daß der Begriff der Maßnahme als Oberbegriff zu verstehen ist, so daß beispielsweise raumbedeutsame Planungen auch raumbedeutsame Maßnahmen sind. 2 9 7 Unter den weiten Begriff der Maßnahme fallen nicht nur Verwaltungsakte, sondern sämtliche Formen hoheitlichen Handelns 298 , Realakte 299 , aber auch privatrechtliches Handeln 300 . Eine strikte Trennung zwischen den Begriffen „Planung", „Vorhaben" und „sonstige Maßnahmen" ist häufig schwierig und in aller Regel auch nicht erforderlich, da das Raumordnungsgesetz im Hinblick auf die Rechtsfolgen nicht zwischen den verschiedenen Unterfällen der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen differenziert. 301 Die folgenden knappen Beschreibungen und Anhaltspunkte sollen daher genügen. Wie bereits erwähnt, ist Planung die analysierende Erfassung gegenwärtiger Lagen in der Prognose künftiger Entwicklungen und im Vorentwurf einer normativen Ordnung. 302 Zu den raumbedeutsamen Planungen i. S. d. § 3 Nr. 6 294

Vgl. Brummund, DVB1. 1988, S. 78; David, Raumbedeutsamkeit, S. 43; ForsthoffIBlümel, Raumordnungsrecht und Fachplanungsrecht, S. 25. 295 Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (346). 296 Vgl. zu der ähnlichen Formulierung des § 3 Abs. 1 ROG a.F. Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 3 Rn. 7. 297 Vgl. zu der Legaldefinition nach § 3 Rn. 1 ROG, David, Raumbedeutsamkeit S. 43, S. 51; Brummund, DVB1. 1988, S. 77 (80); Jochimsen!Ortmaiin!Reiche!Lu-

ther! Christoff, Zusammenfassende Darstellung, S. 14; Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 3; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 12. 298 Brenken!Schefer, Landesplanungsgesetz, S. 106. 299 Vgl. HeigUHosch, Raumordnung und Landesplanung in Bayern, Art. 1 Rn. 48; Hoppe, in: dersJSchoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 158. 300 Hendler, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 31 f. Daß privatrechtliche Handlungsformen nicht ausgeschlossen sein können, ergibt sich bereits daraus, daß § 4 Abs. 3 ROG auch bestimmte juristische Privatrechtssubjekte als Adressaten der Erfordernisse der Raumordnung erwähnt, die bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben privatrechtlich agieren. 301 Vgl. allerdings die Vorschriften des § 1 S. 1, 2 RoV, in denen lediglich von Vorhaben die Rede ist. 302 Vgl. zum Wesen der Planung stellvertretend Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (4). Vgl. zum Begriff der Planung auch oben Kap. 1, A II 1.

108

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

ROG zählen nicht nur die ausdrücklich erwähnten Raumordnungspläne, sondern insbesondere die Bauleitpläne, sofern diese raumbedeutsame Inhalte aufweisen. 303 Durch die Aufnahme der Vorhaben soll ferner die Verbindung zu § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB hergestellt und verdeutlicht werden, daß raumbedeutsame Vorhaben im Sinne des Baugesetzbuchs zugleich raumbedeutsame Maßnahmen im Sinne des ROG sind 3 0 4 und daß insofern auch ein einheitlicher Begriff der Raumbedeutsamkeit gilt 3 0 5 . Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich schließlich, daß zu den sonstigen Maßnahmen z.B. bestimmte Raumnutzungen wie Aufschüttungen, Abgrabungen, Ausschachtungen sowie Ablagerungen einschließlich Lagerstätten zählen sollen. 306 Richtigerweise sind diese allerdings - entsprechend dem städtebaulichen Vorhabenbegriff nach § 29 Abs. 1 BauGB als Vorhaben zu qualifizieren. 307 Ein besonders wichtiges Beispiel für eine sonstige raumbedeutsame Maßnahme stellt hingegen der vom Gesetzgeber eigens erwähnte Einsatz öffentlicher Finanzmittel für raumbedeutsame Maßnahmen dar.

bb) Raumbedeutsamkeit In der Definition wird der Begriff der Raumbedeutsamkeit dahingehend präzisiert, daß raumbedeutsame Maßnahmen in zwei Formen auftreten können, nämlich als raumbeanspruchende und raumbeeinflussende Maßnahmen.

303

Obwohl § 1 Abs. 4 BauGB eine Anpassungspflicht allgemein für Bauleitpläne formuliert, können damit nur die raumbedeutsamen Bauleitpläne gemeint sein. Schließlich erstrecken sich die Ziele der Raumordnung bereits ihrem Inhalt nach nur auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen. 304 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 81. 305 Ebenso schon zum bisherigen Recht Söfker, in: Ernst!Zinkahn/Bielenberg, BauGB, §35 Rn. 116. Andererseits wurde auch vertreten, daß aufgrund der Verschiedenheit des Regelungsgegenstandes und der Normadressaten von unterschiedlichen Begriffen der Raumbedeutsamkeit auszugehen sei, z.B. nach § 3 Abs. 1 ROG a.F. einerseits bzw. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F. andererseits. Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 20 ff.; Brummund, DVB1. 1988, S. 77 (79); David, Raumbedeutsamkeit, S. 43 (s. 53 ff.). 306 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 81. 307 Vgl. dazu unten näher Kap. 3, Β I. In der RoV wird im übrigen auch der Abbau von oberflächennahen Rohstoffen als Vorhaben bezeichnet, vgl. § 1 Nr. 17 RoV. Vgl. allerdings auch v.d. Heide, in: CholewalDallhammerlDyonglv.dHeidelArenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 46, wonach die Begriffe der Maßnahmen und Vorhaben dicht beieinander lägen. Der Begriff der Maßnahme beziehe sich mehr auf schon konkret in die Wege geleitetes.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

109

(1) Raumbeanspruchung Im Gegensatz zur Legaldefmition der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des § 3 Abs. 1 ROG a. F. stellt § 3 Nr. 6 ROG nicht auf die Inanspruchnahme von Boden, sondern von Raum ab. „Raum" bezeichnet dabei das Gebiet als abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, in dem sich eine Maßnahme auswirken kann oder muß. 308 In der Begründung zum Regierungsentwurf 309 wird dazu angeführt, daß künftig nicht bereits jede Maßnahme, die Grund und Boden in Anspruch nimmt, zugleich eine raumbedeutsame Maßnahme sein solle. Bezweckt ist somit eine Beschränkung des Begriffs der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen gegenüber der früheren Fassung,310 wobei sich die Raumbeanspruchung i.S.d. § 3 Nr. 6 ROG von der Bodenbeanspruchung i.S.d. § 3 Abs. 1 ROG a.F. quantitativ unterscheidet. Jedenfalls sind nur solche Maßnahmen, durch die im größeren Umfang Boden in Anspruch genommen wird, raumbeanspruchend i.S.d. § 3 Nr. 6 ROG. 3 1 1

(2) Raumbeeinflussung Die raumbeeinflussenden Maßnahmen wirken auf andere Weise als durch Raumbeanspruchung auf die räumliche Entwicklung und Funktion eines Gebietes ein. 3 1 2 Es geht hierbei insbesondere um Einflußnahmen auf die

308 309 310

Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 15 m.w.N. Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 81. v.d. Heide,

in:

Cholewa!DallhammerIDyonglv.d.HeidelArenz,

4, Aufl., § 3 ROG, Rn. 48. 311

v.d. Heide,

in:

Cholewa!DalihammerIDyonglv.d.Heide!Arenz,

Raumordnung, Raumordnung,

4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 48; eine Orientierung für die Raumbeanspruchung mag dabei § 2 Abs. 2 der 3. DVO zum NWLP1G v. 17. 1. 1995 (GV. NW 1995, S. 144) liefern, wonach regionalbedeutsame Planungen und Maßnahmen solche raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen von überörtlicher Bedeutung sind, die einen Flächenbedarf von in der Regel mehr als 10 ha ausweisen. Vgl. zur Indizwirkung der Verordnung, WachsIGreiving,

NWVB1. 1998, S. 7. Nach Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel,

Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ §3 Rn. 239 ff., 249 kommt es für das Kriterium der Raumbeanspruchung auf die Maßstäbe des Planungsraums an. Er plädiert somit für einen planungsebenenspezifischen Begriff der Raumbeanspruchung. 312

v.d. Heide,

in:

Cholewa/DallhammerIDyonglv.d.Heide!Arenz,

Raumordnung,

4. Aufl., § 3 ROG, Rn. 48; vgl. entsprechend zum Begriff nach § 3 Abs. 1 ROG a.F. Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 3 Rn. 7. Nach BVerwG, NuR 1997, S. 397, stellt beispielsweise die zivile Umnutzung eines ehemaligen Militärflugplatzes für Kleinflugzeuge der allgemeinen Luftfahrt eine raumbeeinflussende Maßnahme dar, wenn nicht auszuschließen sei, daß mit der zivilen Nutzung ein erhöhter Ziel- und Quellverkehr entstehe, der die Schaffung zusätzlicher Verkehrsverbindungen erfordere. Vgl. zum fehlenden raumgestaltenden Charakter der

110

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Siedlungs-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur 313 sowie auf die Freiraumstruktur. Im Hinblick auf die erwähnte Bedeutungsverschiebung beim Merkmal der Raumbeanspruchung fällt auf, daß auch das Merkmal der Raumbeeinflussung einer geänderten Definition zugeführt worden ist. Während § 3 Abs. 1 ROG a.F. nur die Beeinflussung der räumlichen Entwicklung eines Gebietes nannte, erwähnt § 3 Nr. 6 ROG alternativ dazu auch die Beeinflussung der Funktion eines Gebietes und nimmt damit insbesondere Bezug auf die Gebietsfestlegungen nach § 7 Abs. 4 ROG (Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete). Eine Funktion wird einem Gebiet nämlich überhaupt erst im Rahmen des landesplanerischen Zielsystems zugewiesen.314 Es kommt mithin nicht nur auf den tatsächliche Entwicklungsstand eines Gebietes, sondern auch auf die raumplanerisch vorgesehene Funktion eines Gebietes an. 315 Ein wichtiges Beispiel für raumbeeinflussende Maßnahmen ist dabei der raumwirksame Einsatz von Finanzmitteln, der in § 3 Nr. 6 ROG ausdrücklich erwähnt wird. Zu denken ist dabei insbesondere an Anlageinvestitionen, Förderprogramme, Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen, Gewährung von Darlehen sowie der Erwerb von Beteiligungen, die sich mittelbar auch auf die Entwicklung eines Gebietes auswirken können. 316 Dem Begriff der Raumbeeinflussung kommt aber auch dort besondere Bedeutung zu, wo Maßnahmen in Frage stehen, die nur in geringen Umfang Boden in Anspruch nehmen. Diese können dann raumbedeutsame Maßnahmen sein, wenn sie z.B. aufgrund ihrer besonderen Lage oder Ausstrahlung auf die weitere Umgebung raumbeeinflussend sind, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt. 317 Ausschlaggebend ist dabei die besondere Empfindlichkeit des Standortes, z.B. wenn ein Vorhaben auf einer die weitere Umgebung

Bestimmung des Einzugsbereichs einer Tierkörperbeseitigungsanlage Fertig, LKV 1996, S. 441 (444). 313 Vgl. entsprechend zum bisherigen Begriff der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, Jochimsen/Ortmann/Reiche!Luther/Christoff, Zusammenfassende Darstellung, S. 13 ff.; Braese, Gegenstromverfahren, S. 62, S. 64, der als Beispiele für raumbeeinflussende Maßnahmen die Ausweisung von zentralen Orten, Investitions- und Subventionsprogramme sowie Bestandsänderungen der kommunalen Gebietskörperschaften nennt. 314 Hoppe, in: ders ./Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 94; CholewalDalihammer/Dyong/v.d. Heide/Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., VI. Vorbem. 5. 3,5 Im Ergebnis ebenso Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 251, 256, 258 f. 316 Vgl. Zur raumbeeinflussenden Wirkung von raumwirksamen Investitionen, Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ §3 Rn. 7, 21; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 15 f.; v.d. Heide, in: Chole-

wa/Dallhammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 49. 317 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 81.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

111

prägenden Bergkuppe besonders weit sichtbar ist. 3 1 8 Ferner kann eine einzelne Anlage für sich genommen weder raumbeanspruchend noch raumbeeinflussend sein, sie kann jedoch eine Vorbildwirkung für mehrere weitere, zusammenhängende Anlagen haben, die ihrerseits zusammen raumbeanspruchend bzw. raumbeeinflussend sind. 319 Im übrigen spielt für die Beurteilung kleiner Vorhaben auch der dargelegte Umstand eine Rolle, daß es bei der Raumbeeinflussung nicht allein auf den tatsächlichen räumlichen Entwicklungsstand eines Gebietes ankommt, sondern daß sich die Funktion eines Gebietes auch aus einer raumplanerischen Gebietsfestlegung ergeben kann. Kleine Vorhaben können daher auch wegen ihrer besonderen Lage innerhalb eines solchen Gebietes raumbeeinflussend sein, z.B. wenn ihre Ansiedlung mit der Funktion des Gebietes, etwa einer Standortvorsorgeplanung im Widerspruch steht. Insofern muß allerdings auch die im Schrifttum vertretene Auffassung näher betrachtet werden, wonach es sich bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen im raumordnungsrechtlichen Sinne wegen des überörtlichen Koordinierungsauftrags der Raumordnung immer nur um solche von überörtlicher oder übergeordneter Bedeutung handeln könne. 320 Dies sei aus kompetenzrechtlichen Gründen geboten. 321 Die Auffassung verdient indes nur im Grundsatz Zustimmung. Zutreffend ist zwar einerseits, daß die Raumordnung sich auf überörtliche Planungen beschränken und insbesondere den Kompetenzbereich der gemeindlichen Planung respektieren muß. 322 Die Inhalte der Raumordnungspläne müssen somit überörtlich motiviert sein und werden in aller Regel nur Großprojekte betreffen wie überörtlich bedeutsame Versorgungseinrichtungen oder Vorhaben, die aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung, ihren verkehrlichen und sonstigen Auswirkungen von überörtlicher Bedeutung sind. Ein besonders weitreichendes überörtlichen Interesse besteht indes auch im 318

Vgl. im Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 2, 3 BauGB Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (433); Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht 3. Aufl., Rn. 455 m.w.N. 319 Runkel, in: Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 247; vgl. im Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 2, 3 BauGB: Söflcer,

in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

1998, S. 427 (433). 320

BauGB, § 35 Rn. 123; Stüer/Vildomec,

BauR

Folkerts, DVB1. 1989, S. 733 (735); Brummund, DVB1. 1988, S. 77 (82); Im

Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB a. F.: z.B. Söjker, in: ErnstlZinkahn!Bielenberg, BauGB, § 35, Rn. 123; Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 455. 321 Vgl. auch Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 455 mit Hinweis auf das Baurechtsgutachen des BVerfGE 3, S. 407 (425), das allerdings keine ausdrücklichen Aussagen darüber enthält, ob sich die Raumordnungsplanung nur auf überörtlich bedeutsame Vorhaben beziehen darf. 322 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 22 f.

112

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Bereich des Freiraumschutzes, da Planungen und Maßnahmen in ihrer Bedeutung hier häufig wegen der komplexen und weiträumigen ökologischen Wirkungszusammenhänge über die Interessen einzelner Gemeinden hinausgehen können. 323 Da kleine Projekte, wie bereits dargelegt, gelegentlich auch dazu in der Lage sind, überörtliche Zielfestlegungen zu durchkreuzen, kann der Bindungsgegenstand der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen aber nicht nur auf die genannten Großprojekte beschränkt bleiben. 3 2 4 Raumbedeutsam - und mithin im kompetenzrechtlichen Sinne überörtlich und überfachlich - sind vielmehr auch alle diejenigen Maßnahmen, die sich auf die Verwirklichung des überörtlichen und überfachlichen Gesamtkonzepts der Raumordnung, d.h. insbesondere auf die Gebietsfestlegungen negativ auswirken. 325 Es kommt somit auf die Funktionen insbesondere von Gebietsfestlegungen an, wobei insofern aufwendige Auslegungsoperationen im Hinblick auf die im konkreten Fall bezweckte und zulässige Intention einer Gebietsfestlegung notwendig werden können. 326 Mit dieser Feststellung soll gleichwohl nicht der beliebigen Ausdehnung des Begriffs der Raumbedeutsamkeit durch eine weite Auslegung des Merkmals der Raumbeeinflussung das Wort geredet werden. Schließlich hat der Gesetzgeber deutlich machen wollen, daß nicht jede Maßnahme, die Grund und Boden beansprucht, raumbedeutsam sein soll. 3 2 7 Insofern ist der auch schon bisher vertretenden Auffassung zuzustimmen, daß nicht jede nur geringfügige Beeinflussung der räumlichen Struktur eines Gebietes als raumbedeutsam angesehen werden kann, da der Begriff der Raumbedeutsamkeit dazu dient, unerhebliche, nicht signifikante Raumauswirkungen auszuklammern. 328

323 Vgl. zur problematischen Abgrenzung zwischen regional und nur örtlich bedeutsamen Belangen bei Vorhaben im Bereich des Freiraumschutzes die Nachweise bei Christ, Raumordnungsziele S. 13 Fn. 29. 324 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 23; Christ, Raumordnungsziele

S. 358 f.; Hoppe, FS Weyreuther,

S. 89 (103); Bielenberg, in: ErnstlZinkahn/Bielen-

berg, BauGB, § 1 Rn. 87; Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 455. 325 Ähnlich Christ, Raumordnungsziele, S. 359, im Hinblick auf einen Zielwiderspruch. 326 Christ, Raumordnungsziele, S. 41 Fn. 145, weist im Hinblick auf regionale Grünzüge beispielsweise darauf hin, daß ein kleines Bauvorhaben zwar kleinräumige klimaökologische Ausgleichsleistungen beeinträchtigen kann, aber nicht etwa die Naherholungsfunktion eines Ausgleichgebietes. 327 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs., 13/ 6392, S. 81. 328 Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 252; zu § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F.: David, Raumbedeutsamkeit, S. 54; Eusterbrock, Raumverträglichkeitsprüfung, S. 86 f., S. 90; Schrödter, in: ders., BauGB, § 35 Rn. 78.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

113

b) Behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen Von den raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen zu unterscheiden. Diese können in Form von Genehmigungen, Planfeststellungen, Bewilligungen und Plangenehmigungen erteilt werden. 329 Im Gegensatz zu der nicht eindeutigen Vorschrift des § 3 Abs. 1 ROG a. F . 3 3 0 geht aus § 3 Nr. 6, § 4 Abs. 1 ROG unmißverständlich hervor, daß die behördlichen Zulassungsentscheidungen keinen Unterfall der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, sondern eine eigenständige Kategorie neben diesen bilden. 3 3 1

3. Adressatenkreis

der Bindung

Bei näherer Betrachtung der Bindungsvorschriften des § 4 ROG ergibt sich, daß der Bundesgesetzgeber die jeweiligen Bindungen danach differenziert hat, wer der Träger der jeweiligen raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme ist. Der Adressatenkreis der Erfordernisse der Raumordnung kann dabei in drei Adressatengruppen unterschieden werden: die öffentlichen Stellen i.S.d. § 3 Nr. 5, § 4 Abs. 1, Abs. 2 ROG, die juristischen Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 3 ROG und die sonstigen Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 4 ROG.

a) Öffentliche Stellen § 4 Abs. 1, Abs. 2 ROG betrifft die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen und bezieht sich dabei auf die Legaldefinition des § 3 Nr. 5 ROG. Unter die Adressatengruppe der öffentlichen Stellen fallen danach Behörden des Bundes 332 und der Länder, kommunale Gebietskörper329 Im übrigen dürften auch Anzeigeverfahren darunter fallen, wenn im Rahmen dieser Verfahren die Zulässigkeit des angezeigten Vorhabens zu prüfen ist. 330 Vgl. zum Streit, ob aus dem Begriff der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen i.S.d. § 3 Abs. 1 ROG a. F. behördliche Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben im Wege teleologischer Reduktion auszuklammern sind: zustimmend z.B. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 84; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 85; ders., Raumordnungsklauseln, S. 27, 38; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 187 ff.; Bülter, Raumordnungspläne, S. 159 f.; ablehnend Hartwig, NVwZ 1985, S. 8, 9 f.; Goppel, BayVBl. 1991, S. 266 (267); Evers, Das Recht der Raumordnung, S. 64 f.;

Sandner, NuR 1996, S. 497 (499 Fn. 15). 331 Andeutungsweise Dyong, in: Cholewa/Dalihammer/Dyong/v.d. Heide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 23. 332 Für öffentliche Stellen des Bundes gelten nach § 5 ROG einige Sonderregelungen.

8 Spiecker

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

schatten, bundesunmittelbare und die der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. 333 M i t dem weiten Begriff der öffentlichen Stellen sind alle öffentlichrechtlichen Handlungssubjekte im Bereich der Exekutive angesprochen. 334 Als Unterfall des Begriffs der Behörden gehören dazu ebenso wie im Verwaltungsverfahrensrecht auch beliehene Unternehmen bzw. Unternehmer. 335 Dabei handelt es sich um natürliche und juristische Personen des Privatrechts, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes die Befugnis eingeräumt worden ist, bestimmte öffentliche Aufgaben einschließlich der Ausübung hoheitlicher Befugnisse im eigenen Namen wahrzunehmen. 336

b) Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 3 ROG Durch § 4 Abs. 3 ROG werden (nichtbeliehene) Personen des Privatrechts bei der Durchführung von raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben den öffentlichen Stellen gleichgestellt, wenn öffentliche Stellen an den juristischen Personen mehrheitlich beteiligt sind 3 3 7 oder die Planungen und Maßnahmen überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß öffentliche Aufgaben zunehmend privatisiert werden und daß raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen auch nach der Privatisierung öffentlicher Aufgaben in den genannten Fällen wegen des maßgeblichen tatsächlichen Einflusses der öffentlichen Hand als Allein- oder Mehrheitseigentümer 338 oder als alleiniger bzw. mehrheitlicher Finanzierer wie öffentliche Planungen und Maßnahmen behandelt werden sollen. 339

333 Vgl. ausführlich zum Begriff öffentlicher Stellen v.d. Heide, in: Cholewa/Dallhammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 39 ff. 334 Zum entsprechenden bisherigen Recht: Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (37 f.). 335 Zum entsprechenden bisherigen Recht, Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (38); Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 70, Κ § 3 Rn. 2. 336 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 56. 337 Dyong, in: Cholewa/Dallhammer/Dyong/v.d. Heide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 28 bezeichnet die Formulierung des § 4 Abs. 3 ROG als sicherlich mißglückt. Sie erinnert etwas an das „verrückte Grenzzeichen" in § 919 BGB. Er weist zutreffend darauf hin, daß die Beteiligung an einer juristischen Person gemeint sei. Vgl. dort auch weiter zu den Einzelheiten. 338 Vgl. zu dieser Form der sogenannten Organisationsprivatisierung stellvertretend

Schoch, DVB1. 1994, S. 1 (3, 8). 339 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 82; Runkel, UPR 1997, S. 1 (4). Kaune, BBauBl. 1997, S. 87 (92); Vgl. zum bisherigen Recht Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 153 f., S. 169;

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

115

Kompetenzrechtlich begegnet die Vorschrift im Hinblick auf die Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 ROG Bedenken, da hierbei Privatrechtssubjekte aufgrund einer raumordnungsrechtlichen Regelung unmittelbar an die Raumordnungspläne gebunden werden. Private Kapitalgesellschaften, an der die öffentliche Hand mehrheitlich beteiligt ist und die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sind allerdings nicht grundrechtsfähig 340 , so daß deren Gleichsetzung mit den öffentlichen Stellen auch im Raumordnungsrecht vertretbar erscheint. 341 Sehr zweifelhaft ist indes die entsprechende Behandlung der juristischen Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen und deren raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen nur von der öffentlichen Hand mehrheitlich finanziert werden. 342 Die öffentlichen Hand hat zwar auch in diesem Fall einen bestimmenden Einfluß auf die Planung oder raumbedeutsame ders., DVB1. 1989, S. 733 (734 f.); ausfuhrlich u.a. am Beispiel der Deutschen Bahn AG Roer, Privatisierung, S. 60 ff.; Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (39) mit Hinweis auf die Rechtsfigur des Verwaltungsprivatrechts. Im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung in § 4 Abs. 3 ROG erübrigt sich nunmehr der Rückgriff auf dieses im einzelnen sehr umstrittene und in seiner Reichweite nicht eindeutige Rechtsinstitut. Vgl. kritisch und ausführlich zur Lehre vom Verwaltungsprivatrecht Unruh, DÖV 1997, S. 653 (662 ff.) m.w.N.; kritisch auch zum Verwaltungsprivatrecht im Hinblick auf die Aktivitäten der Telekom Bullinger, zitiert bei Schneider, DVB1. 1995, S. 665 (669). Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 ROG ist gewissermaßen ein Beispiel dafür, daß die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht - soweit man an ihr festhält „normorientiert" zu sein hat. Während dies normalerweise aufwendige Auslegungsoperationen erfordert, hat der Gesetzgeber hier erfreulicherweise eine ausdrückliche Regelung gefunden. Vgl. zum normorientierten Verwaltungsprivatrecht Röhl, VerwArch 1995, S. 531 (575); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 212 ff. 340 Z.B. BVerfGE 45, S. 63 (79 f.); BVerfG, JZ 1990, S. 335; BVerfGE 61, S. 82 (100 ff.); E 68, S. 193 (205); E 70, S. 1 (15 ff.); ablehnend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85 f.; ders., JZ 1990, S. 1089 (1096) sowie Schmidt-Aßmänn, BB 1990 Beilage 34 zu Heft 27, S. 1 (10 ff.), der darauf hinweist, daß bei diesen sogenannten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen die Beteiligungsverhältnisse häufig nur schwer zu bestimmen und außerdem nicht beständig seien; kritisch Roer, Privatisierung, S. 68 ff., die den Begriff der öffentlichen Aufgaben für ein ungeeignetes Abgrenzungskriterium hält. 341 I.E. ebenso Brenken, RuR 1996, S. 450 (452), der allerdings die Regelung des § 4 Abs. 3 ROG nicht für ausreichend hält und eine weitergehende Raumordnungsbindung fordert. Vgl. entsprechend zum bisherigen Recht Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (39); Bülter, Raumordnungspläne, S. 174; Vgl. auch Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 39, der darauf hinweist, daß bei der kompetenzrechtlichen Abgrenzung zwischen Regelungen der Raumordnung und der Bodennutzung entscheidend auf die Grundrechtsfähigkeit der Adressaten der Ziele abzustellen sei. 342 Vgl. zum bisherigen Recht kritisch im Hinblick auf die Zieladressateneigenschaft der Deutschen Bahn AG aufgrund der staatlichen Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur (§§ 8 ff. Bundesschienenwegeausbaugesetz) Roer, Privatisierung, S. 77 ff.; Hoppe, in: dersJKauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 81 (89); ders., DVB1. 1997, S. 234 (239).

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Maßnahme, so daß sie ihr insofern auch weiter zugerechnet werden könnte. 343 Ebenso wie im Grundrechtsbereich sprechen aber auch im Raumordnungsrecht Argumente der Rechtssicherheit gegen eine solche Beurteilung, denn die Feststellung der Mehrheitsfinanzierung dürfte regelmäßig nur schwer zu bestimmen sein. 344 Hinzu kommen die Kalkulationsrisiken, so daß sich die tatsächlichen Finanzierungsanteile häufig erst bei einer ex-post-Betrachtung quantifizieren lassen. Im Hinblick auf die Raumordnungsbindung dieser juristischen Personen des Privatrechts überschreitet die Vorschrift des § 4 Abs. 3 ROG mithin den Kompetenztitel der Raumordnung. Ob eine partielle Wirksamkeit der Vorschrift konstruiert werden kann, indem man für die Raumordnungsbindung im Einzelfall nach einer speziellen Bundeskompetenz sucht, erscheint angesichts des umfassenden Regelungsgehaltes der Vorschrift fraglich. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das berechtigte Anliegen einer möglichst weitreichenden raumordnungsrechtlichen Bindung solcher Vorhaben auch dadurch erreicht werden kann, daß die Vergabe der Finanzierungsmittel z.B. vertraglich an die Einhaltung der raumordnungsrechtlichen Vorgaben geknüpft wird.

c) Sonstige Personen des Privatrechts In § 4 Abs. 4 ROG werden zwar allgemein Personen des Privatrechts angesprochen. Bei genauerer Betrachtung zählen dazu allerdings nur diejenigen Privatrechtssubjekte, die nicht als öffentliche Stellen oder juristische Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 3 ROG zu qualifizieren sind. Zu nennen sind in erster Linie erwerbswirtschaftliche Unternehmen und Unternehmer. Desweiteren sind aber auch solche Privatrechtssubjekte angesprochen, die zwar öffentliche Aufgaben erfüllen, aber keine Beliehenen sind und auch nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 ROG erfüllen. 345

343

Vgl. der Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 22. Vgl. zu den Schwierigkeiten auch Brenken, RuR 1996, S. 450 (452), der allerdings lediglich eine Umgehung der Vorschrift des § 4 Abs. 3 ROG durch eine geschickte Planung und Kostenvoranschläge im maßgeblichen Zeitpunkt befürchtet. 345 Vgl. ähnlich zu den Raumordnungsadressaten nach § 4 Abs. 5 ROG a.F. Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (39 ff.), der allerdings auf die Problematik der Mehrheitsfinanzierung mit öffentlichen Mitteln nicht eingeht. Vgl. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 159 ff., der sämtliche Privatrechtssubjekte, die einen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck verfolgen, hinsichtlich der Raumordnungsbindung den öffentlichen Planungsträgern i.S.d. § 4 Abs. 5 ROG a.F. gleichstellt. 344

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

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4. Verschiedene Grade der Bindungsintensität: Beachtens- und Berücksichtigungspflichten Der Gesetzgeber unterscheidet bei den Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung wie bereits erwähnt zwischen zwei verschiedenen Graden der Bindungsintensität, indem er Beachtenspflichten einerseits und Berücksichtigungspflichten andererseits normiert, z.B. § 4 Abs. 1 S. 1 ROG (Beachtenspflicht) bzw. § 4 Abs. 2 ROG (Berücksichtigungspflicht). 346

a) Beachtenspflichten Die gerade bei Raumordnungszielen relevanten Beachtenspflichten können bei näherer Betrachtungsweise unterschiedliche Wirkungsweisen entfalten, die im folgenden als strikte Negativwirkung, strikte Positivwirkung und aktivplanerische Wirkung bezeichnet und näher untersucht werden sollen.

aa) Strikte Negativwirkung Die Negativwirkung von Raumordnungszielen betrifft deren verhindernde Wirkung im Hinblick auf zielwidrige raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen.347 Diese zentrale Wirkungsweise der Raumordnungsziele wird auch als Abwehrfunktion beschrieben. 348 Von Beachtenspflichten geht eine strenge Bindungsintensität aus, denn sie verlangen eine strikte Befolgung und verbieten die Abwägung mit anderen Belangen. 349 Aus Zielbeachtenspflichten ergibt sich somit, daß zielwidrige raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen strikt verboten sind. 350 Die in den Raumordnungszielen aufgrund einer umfassenden raumordnerischen Abwägung getroffene Planungsentscheidung gegen bestimmte zielwidrige raumbedeutsame Maßnahmen stellt eine Letztentscheidung dar,

346

Vgl. zum Gegensatzpaar „beachten" und „berücksichtigen" Dreier, Abwägung, S. 96; vgl. auch Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ Vorb. §§ 3-5 Rn. 4 ff. Die prinzipielle Unterscheidung zwischen Beachtens- und Berücksichtigungspflichten lehnt Dyong offenbar ab. In: Cholewa!DalihammerlDyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 38. 347 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 71. 348 Stellvertretend Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 15. 349 Z.B. Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (37); Gruber, DÖV 1995, S. 488; Erbguth, L K V 1994, S. 89 (91 f.); Hoppe, DVB1.

1993, S. 681 (682) jeweils m.w.N.; a.A. VGH Bad-Württ, NuR 1994, S. 84 (86); BayVGH, JA 1993, S. 28 (30). 350 Stellvertretend Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 15.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

gegen die sich Belange zugunsten des Vorhabens nicht mehr durchzusetzen vermögen. Hierbei wird die Funktion der Raumordnungsziele als Entscheidungsabschichtung deutlich. 351 Die einmal getroffene Abwägung zulasten zielwidriger raumbedeutsamer Maßnahmen soll nicht wieder in Frage gestellt werden. Die Negativwirkung hängt dabei wesentlich von dem jeweiligen Zielinhalt ab, der mithin sorgfältig auf seine Reichweite untersucht werden muß. 352 Die Ziele der Raumordnung sind tendenziell auf Konkretisierung angelegt.353 Wie groß der Spielraum ist, der den nachgeordneten Planungsträgern bleibt, hängt vom jeweiligen Konkretisierungsgrad ab. 3 5 4 Dies ändert jedoch nichts daran, daß die öffentlichen Stellen an die Ziele als landesplanerische Letztentscheidungen strikt gebunden sind. 355

bb) Strikte Positivwirkung Inzwischen ist anerkannt, daß Raumordnungsziele neben der Negativwirkung auch eine Positivwirkung entfalten können. Darunter ist zu verstehen, daß sich ein Raumordnungsziel für eine beabsichtigte raumbedeutsame Planung oder Maßnahme als förderlich erweist, weil diese mit der jeweiligen zielförmigen raumordnerischen Aussage im Einklang steht. 356 Diese positive Wirkung ist bisher nur bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB ausdrücklich geregelt. Daß der Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG eine solche strikte Positivwirkung ebenfalls immanent sein muß 3 5 7 , ergibt sich dabei aus einem Erst-Recht-Schluß in dem Sinne, daß die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung gegenüber öffentlichen Stellen mindestens ebenso weit gehen muß wie bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben. Soweit bei der raumordnungsplanerischen Entscheidung die abwägungserheblichen raumordnerischen Belange gegeneinander und untereinander abgewogen wurden, sollen diese Belange nicht wieder erneut bei nachfolgenden Planungsentscheidungen zur Disposition stehen. Wenn einem Ziel entnommen

351 Vgl. Stellvertretend Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 30, 69 f.; Sandner, UPR 1997, S. 279. 352 Vgl. zu negativen Zielaussagen Runkel, in: Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs» und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 54. 353 BVerwGE 90, S. 329 (334). 354 BVerwGE 90, S. 329 (334). 355 BVerwGE 90, S. 329 (334) im Hinblick auf die Gemeinden. 356 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 72. 357 Vgl. auch auch Christ, Raumordnungsziele, S. 315, Fußnote 4.

D. indungsirkungen der Ziele und Grundsätze

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werden kann, daß eine bestimmte raumbedeutsame Maßnahme auf einem Gebiet raumordnerisch gewollt oder nicht zu beanstanden ist, sollen die nachfolgenden Entscheidungsträger daher keine bereits abgewogenen, d.h. weggewogenen Belange gegen die raumbedeutsame Maßnahme anführen und somit die getroffene planerische Abwägung unterlaufen dürfen. 358 Ebenso wie die Negativwirkung dient auch die Positivwirkung der Ziele der Raumordnung der Entscheidungsabschichtung.359 Bei genauerer Betrachtung ist die Postivwirkung bei vielen Zielen der Raumordnung die Voraussetzung und mithin die Kehrseite der Negativwirkung der Raumordnungsziele. Würde der positive Aussagegehalt einer raumordnerischen Aussage zugunsten bestimmter Funktionen oder Nutzungen nicht respektiert, hätte dies erhebliche Rückwirkungen auf das Planganze.360 Wenn die Entscheidungsabschichtung jedoch bei der Negativwirkung strikt ist, muß diese auch bei der Positivwirkung strikt sein. Beides ist die Folge des Letztentscheidungscharakter der Raumordnungsziele. 361 Zur Veranschaulichung der strikten Positivwirkung kann folgendes Beispiel angeführt werden: Bei einer konkreten zielförmigen Gebietsfestlegung zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes hat der Träger der Raumordnungsplanung berücksichtigt, daß sich in dem Gebiet RohstoffVorkommen befinden. In der Abwägung hat er allerdings den Belang der Bodenschätzegewinnung zurückgestellt. Die nachfolgenden Planungsträger müssen respektieren, daß dem jeweiligen Gebiet besondere Naturschutzfunktionen zukommen. 358 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 79 f., zur Positivwirkung von Zielen der Raumordnung gegenüber Gemeinden am Beispiel von Eignungsgebieten, die er als Ziele der Raumordnung qualifiziert. Ein Indiz für das Bestehen einer Positivwirkung der Raumordnungsziele ist im übrigen auch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 ROG: Von einem Raumordnungsverfahren kann danach abgesehen werden, wenn die Beurteilung der Raumverträglichkeit der Planung oder Maßnahme bereits auf anderer raumordnerischer Grundlage hinreichend gewährleistet ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Planung oder Maßnahme Zielen der Raumordnung entspricht. Die Vorschrift zielt auf konkrete Ziele der Raumordnung ab, die den Standort des betreffenden Vorhabens festlegen. Durch die positive Festlegung wird dem Vorhaben die Raumverträglichkeit bescheinigt, so daß sich ein erneutes Raumordnungsverfahren und mithin eine erneute Abstimmung erübrigt. Dies erklärt sich aus dem positiven Letztentscheidungscharakter der Raumordnungziele. 359 Vgl. Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (8), wonach Planung allgemein auf eine abschichtende Gemeinwohlkonkretisierung abziele. Vgl. zur abschichtenden Wirkung der Ziel im Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB: Hoppe, in: ders ./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 84; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 151; Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11, S. 23; Hoppe, FS Weyreuther, S. 89 (106); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 54; Christ, Raumordnungsziele, S. 316 f. 360 Vgl. Christ, Raumordnungsziele, S. 316 in Bezug auf Genehmigungen. 361 Vgl. allerdings bezogen auf die Regelung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 72 f.

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Die zuständigen Naturschutzbehörden dürfen daher beispielsweise nicht anführen, daß gegen die Ausweisung eines naturschutzrechtlichen Schutzgebiets raumordnerische Gesichtspunkte der Bodenschätzegewinnung sprechen würden. 362 Bei ihrer Abwägungsentscheidung363 über die Schutzgebietsausweisung müssen sie vielmehr die raumordnerische Letztentscheidung auch in ihrem positiven Aussagegehalt strikt einhalten. Aus den Darlegungen ergibt sich, daß Zielbeachtenspflichten eine strikte Positivwirkung auslösen. Die Adressaten von Zielbeachtenspflichten sind daher an die bei der Zielaufstellung getroffene Abwägung auch in dem Sinne strikt gebunden, als sie solche Belange nicht mehr gegen eine zielgemäße raumbedeutsame Planung oder Maßnahme anführen dürfen, die bereits bei der Zielaufstellung in der Abwägung zu berücksichtigen waren und vom Träger der Raumordnungsplanung zurückgestellt wurden. 364 Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß bei der Positivwirkung eine besonders sorgfältige Analyse der Abwägung und des Zielinhaltes im einzelnen geboten ist. 365

cc) Aktiv-planerische

Wirkung und Anpassungspflicht

Bei der aktiv-planerischen Wirkung der Raumordnungsziele geht es um die Verpflichtung der zielgebundenen Verwaltungsträger, die raumordnerischen Vorgaben in ihre raumbedeutsamen Planungen inhaltlich aufzunehmen und zu integrieren und das in den Zielen verkörperte raumordnerische Gesamtkonzept durch aktive Planungen und Maßnahmen umzusetzen.366 Die Reichweite der aktiv-planerischen Wirkung von Raumordnungszielen infolge der Zielbeachtenspflicht ist noch keineswegs abschließend geklärt. 362

Vgl. zur Bindung der Fachplanungen in Rechtssatzform an die Ziele der Raumordnung Gruber, DÖV 1995, S. 488 (489) m.w.N. auch zur Gegenauffassung. 363 Vgl. zum Wesen der Abwägungsentscheidung bei naturschutzrechtlichen Gebietsausweisungen BVerwG, NVwZ 1988, S. 1020; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (429) m.w.N. 364 Vgl. ansatzweise, allerdings offenbar eher im Sinne einer faktischen Wirkung, Hoppe!AppoldlHaneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 (1204), die im Hinblick auf Standortvorsorgeplanungen in Raumordnungsplänen von einer Angebotsplanung sprechen, die eine Vorstrukturierung des Raumes vornimmt, um konkrete Fachplanungen für die Zukunft zu ermöglichen und durch die vorweggenommene raumplanerische Prüfung einen „Anreiz" für die tatsächliche Flächeninanspruchnahme schaffen. (Hervorhebung nicht im Original). 365 Vgl. Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (125). Die in raumordnerischen Standortplanungen enthaltende Aussage der vorsorgenden Sicherung, z.B. für ein Kraftwerk besage nicht, daß an dem Standort ein Kraftwerk gebaut werden kann und mithin alle Standortprobleme gelöst seien. Es handele sich nicht um eine abschließende Entscheidung über die Standortfrage. 366

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 15 f.; Gierke, in: Brügelmann,

Baugesetzbuch, § 1 Rn. 424.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

121

Eine Problematik ist dabei, ob die Zielbeachtenspflicht nur gegenüber zukünftigen Planungen gilt oder sich auf bereits abgeschlossene auswirkt. 367 Konsequenz der letzteren Auffassung wäre, daß der jeweilige Planungsträger die abgeschlossene, aber nunmehr zielwidrige Planung den Zielen der Raumordnung anpassen muß. 3 6 8 Im Hinblick auf die Bauleitplanung ist eine derartige Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB ausdrücklich geregelt. 369 Da die Zielbeachtenspflicht ihrem Sinn und Zweck nach darauf gerichtet ist, eine Übereinstimmung zwischen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen und den Zielen der Raumordnung herzustellen, ist aber auch im übrigen grundsätzlich eine Zielanpassungspflicht anzunehmen.370 Eine Entwicklung des Gesamtraumes durch die Ziele der Raumordnung kann nämlich nur dann gewährleistet werden, wenn die Raumordnung nicht auf die Reaktion der beachtenspflichtigen Planungsträger aus eigenem Antrieb angewiesen ist, sonderen deren Reaktion selbst veranlassen kann. 371 Der Zielbeachtenspflicht ist daher die Pflicht zur nachträglichen Zielanpassung immanent. 3 7 2 Eine Ausnahme muß indes bei solchen Maßnahmen gelten, die wie beispielsweise Planfeststellungen, auf unmittelbaren Vollzug angelegt und alsbald nach Erlaß nicht mehr bzw. nur beschränkt reversibel sind. 373 Ob aus der Zielbeachtenspflicht auch eine weitergehende aktiv-planerische Wirkung in dem Sinne zu entnehmen ist, daß die Planungsträger erstmalig Planungen aufstellen bzw. Maßnahmen durchführen müssen, wenn dies zur

367

Vgl. Gruber, DÖV 1995, S. 488 m.w.N. Vgl. Gruber, DÖV 1995, S. 488 m.w.N. 369 Stellvertretend Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 101; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18 ff.; Gruber, DÖV 1995, S. 488 f.; Erbguth!Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 368

Rn. 79; Peine, Öffentliches Baurecht, S. 105; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 1 Rn. 76. A.A. Gierke, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 429. 370 Stellvertretend Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 104 f.; Gruber, DÖV 1995, S. 488 f.; Bülter, Raumordnungspläne, S. 89 ff., jeweils m.w.N. 371 Gruber, DÖV 1995, S. 488 (489). 372 Stellvertretend Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 101 ff.; Gruber, DÖV 1995, S. 488 jeweils m.w.N. Vgl. allerdings auch zur Gegenauffassung Halama, FS Schlichter, S. 201 m.w.N.: Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 BauGB gehe insofern weiter als die allgemeine Zielbeachtenspflicht des Raumordnungsgesetzes, als sie neben der Verpflichtung, die Ziele der Raumordnung bei der erstmaligen Aufstellung von Bauleitplänen zu beachten, auch die Verpflichtung umfasse, vorhandene Bauleitpläne an später aufgestellte oder geänderte Ziele anzupassen. 373 Vgl. ebenso Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18. Es gelten insofern die allgemeinen Regeln über die Aufhebung von Verwaltungsakten nach §§ 48, 49 VwVfG, die aber durch eine Zielanpassungspflicht nicht modifiziert werden.

122

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Verwirklichung der Ziele der Raumordnung erforderlich ist, ist umstritten. 374 Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die außerordentlich umstrittene Problematik, inwieweit aus § 1 Abs. 4 BauGB eine derartige Erstplanungspflicht der Gemeinden folgt. 3 7 5 Dabei geht es beispielsweise um die Frage, ob die Gemeinde bei Aufstellung eines konkreten Ziels der Raumordnung, z.B. einer Standortplanung zugunsten eines Kraftwerkes, auf den jeweiligen bisher nicht qualifiziert beplanten Flächen einen Bebauungsplan aufstellen muß, um das Ziel der Raumordnung umzusetzen und näher zu konkretisieren. 376 Zwar könnte man aus der Formulierung des § 1 Abs. 4 BauGB herauslesen, daß nur bestehende Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen sind 3 7 7 , entsprechend der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 4 BauGB ist aber prinzipiell von einer Erstplanungspflicht auszugehen.378 Allerdings muß im Einzelfall genau untersucht werden, ob dem jeweiligen Ziel der Raumordnung auch ein auf eine Erstplanungspflicht gerichteter Aussageinhalt zu entnehmen ist. 3 7 9 Wie bereits angedeutet 380 ist dies bei Standort-

374 Vgl. zum Streit Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 106 ff., 116 ff.; Bielenberg, in: ErnstlZink-

ahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 76; Gierke, Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 433

jeweils m.w.N. 375 Vgl. dazu stellvertretend Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 66 ff; Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290) m.w.N:; Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (298 f.); Koch, in: Koch!Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 147 f.; Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 106 ff. 376 Koch, in: dersJHendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 148. 377 Z.B. Gruber, Kommunalisierte Regionalplanung, S. 33; Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 147 f.; Gierke, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 435; Hoppe, in: ders./[Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 803; Finkelnburg!Ortloff, Öffentliches Baurecht, S. 175; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (434), der allerdings im bestimmten Umfang eine Erstplanungspflicht aus dem der Bundestreue entsprechenden Prinzip der „Gemeindetreue" oder dem daraus abgeleiteten kompetenzrechlichen Grundsatz der Rücksichtnahme herleiten will. 378 Im Ergebnis ebenso v.d. Heide, in: CholewalDallhammerIDyonglv.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 24; vgl. auch Ausschußbericht, BT-Drs. 10/6166, zu III 1 sowie ausführlich zum Streit Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 107 ff.; Erbguth, RuR 1997, S. 270 (274). 379 Vgl. z.B. Christ, Raumordnungsziele, S. 96 ff. Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 27 (37), wonach Voraussetzung für die Erstplanungspflicht sei, daß die Ziele der Raumordnung einen bestimmten Zeithorizont erkennen lassen. Vgl. Kilian!Müllers, VerwArch 1998, S. 25 (67 Fußnote 216) zu den im Hinblick auf die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden kritisch zu bewertenden Möglichkeiten entwicklungsplanerischer Aussagen in Raumordnungsplänen m.w.N. Vgl. aber Gierke, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 1 Rn. 435 f., der den Einsatz der landesplanerischen Durchsetzungsinstrumente zur Voraussetzung einer Erstplanungspflicht macht. 380 Vgl. dazu oben Kap. 1, Β. II. 2.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

123

Vorsorgeplanungen nicht uneingeschränkt anzunehmen, sofern hierbei Flächen auf Vorrat freigehalten werden, ohne daß feststeht, ob die Flächen überhaupt konkret benötigt werden. 381 Von der Frage des Umfangs der Erstplanungspflicht sind ferner auch die formell-verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Druchsetzung der Erstplanungspflicht nach den Landesplanungsgesetzen zu unterscheiden, die statt eines strikten Planungsgebots auch sanftere Instrumentarien vorsehen können, mit deren Hilfe die Träger der Landes- und Regionalplanung auf die Verwirklichung ihrer Pläne hinwirken können. 382 Fraglich ist, ob die Ziele der Raumordnung aufgrund der allgemeinen Zielbeachtenspflicht auch jenseits der Bauleitplanung, d.h. bei sonstigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen eine initiierende Wirkung haben können oder ob § 1 Abs. 4 BauGB insofern einen weitergehenden Regelungsgehalt aufweist. Eine derartige Bindung würde zwar zur Verwirklichung des raumordnungsplanerischen Gesamtkonzepts erheblich beitragen. Wegen der Formulierung und der Funktion der allgemeinen Raumordnungsklausel, die sich auf viele Adressaten und unterschiedliche Verwaltungsvorgänge bezieht, kann § 4 Abs. 1 S. 1 ROG dies allerdings nicht leisten. 383 Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Finanzhoheit anderer Planungsträger. 384 Obwohl somit ein strenger Ableitungszusammenhang zwischen den Zielen und einer fachplanerischen Planungspflicht regelmäßig ausgeschlossen ist 3 8 5 , kann man den Zielen eine initiierende Wirkung allerdings nicht gänzlich absprechen. In bezug

381 Vgl. z.B. Christ, Raumordnungsziele, S. 96 ff., der überzeugend darlegt, daß eine parzellenscharfe bauleitplanerische Umsetzung von Vorsorgeplanungen häufig nicht notwendig und sinnvoll ist, solange sich die Inanspruchnahme der Vorrangfunktion nicht konkret abzeichnet. 382 Vgl. dazu Erbguth, RuR 1997, S. 279 (274). 383 Vgl. entsprechend für § 5 Abs. 4 ROG a.F. Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 27 (37 f.). 384 Vgl. Gruber, DÖV 1995, S. 488 (490); Brenken, Raumordnung und Finanzplanung, S. 155 (163 f.) m.w.N.; Beus, Entwicklungsplanung, S. 23, S. 170; SchmidtAßmann, Raumordnungsklauseln, S. 27 (37 f.). 385 Vgl. Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (290), wonach die in § 4 ROG normierte Beachtenspflicht keine selbständigen Handlungspflichten auslösen; ebenso v.d. Heide, in: Cholewa!DallhammerIDyonglv.d. Heide!Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 24; Beus, Entwicklungsplanung, S. 23; Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (298); vgl. auch Frenz, BayVBl. 1991, S. 673. Vgl. zum Verhältnis von Raumordnungszielen und wasserwirtschaftlichen Rahmenplänen Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (989): Soweit Ziele der Raumordnung vorlägen, seien sie für die wasserwirtschaftlichen Rahmenpläne zu beachten, ohne daß daraus eine Pflicht zur Rahmenplanung erwüchse. Vgl. ders., Raumordnungsklauseln, S. 27 (38), wonach die positive Mitarbeit anderer Behörden an der Zielverwirklichung eine nobile officium sei. Ziele könnten aber dort, wo gesetzliche Pflichtaufgaben bestünden - entsprechend der jeweiligen Tatbestandsstruktur, z.B. bei unbestimmten Gesetzesbegriffen - pflichtverdichtend wirken. Eine weitergehende Bindungswirkung erfordere indes eine Zielanpassungsklausel entsprechend § 1 Abs. 4 BauGB.

124

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

auf einen entwicklungsplanerischen Aussagegehalt eines Ziels ist aus der Zielbeachtenspflicht zumindest eine Verpflichtung des Zieladressaten anzunehmen, das festgesetzte Ziel anzustreben, 386 Zu betonen ist insofern, daß keineswegs alle Ziele der Raumordnung einen derartigen entwicklungsplanerischen Aussagegehalt aufweisen und in diesem Sinne auf Verwirklichung angelegt sind.

b) Berücksichtigungspflichten Die für alle Raumordnungserfordernisse relevanten Berücksichtigungspflichten sind durch einen geringeren Grad der Bindung als Beachtenspflichten gekennzeichnet. Die bloße Berücksichtigung ermöglicht eine Abwägung der Erfordernisse der Raumordnung, so daß sich der Adressat von entsprechenden Berücksichtigungspflichten über das jeweilige Erfordernis der Raumordnung auch hinwegsetzen kann, weil andere öffentliche oder gegebenenfalls auch private Interessen überwiegen. 387 Hinzuweisen ist darauf, daß mit einem Berücksichtigungsgebot noch keine Aussage über eine erhöhte Gewichtung des zu berücksichtigenden Erfordernisses der Raumordnung einhergeht. 388 Normative Gewichtungsvorgaben sind damit also nicht zwangsläufig verbunden, sondern können allenfalls im Einzelfall festgestellt werden. 389 Wie bereits dargelegt, können sich aber aus den Grundsätzen der Raumordnung selbst relative Vorrangregelungen ergeben. Die Adressaten solcher relativen Vorrangregelungen müssen die darin enthaltene Gewichtungsvorgabe innerhalb ihrer Abwägungs- und Ermessensentscheidungen respektieren. Insofern ist erneut zu betonen, daß es sich hierbei nur um eine Form der Berücksichtigung handelt, da die Gewichtungsvorgaben keine strikten Handlungsanweisungen enthalten und daher im konkreten Einzelfall durch Abwägung überwindbar sind. 390

386

Vgl. Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 116; Beus, Entwicklungsplanung, S. 23. Ebenso im Sinne einer abgeschwächten ΒindungsWirkung Gruber, DÖV 1995, S. 488 (490). Vgl. wohl eher im Sinne einer faktischen Wirkung Hoppe!Appold/Haneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 (1204). Vgl. Folkerts, DVB1. 1989, S. 733 (738), der die mangelnde Durchsetzbarkeit der Raumordnungsziele beklagt. Die Planverwirklichung der Regionalplanung beruhe überwiegend auf Überzeugung und Überredung. Es könne nur ein gewisser Rest mit Rechtsverbindlichkeit erstritten werden. 387 Vgl. im Hinblick auf Zielberücksichtigungspflichten Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (50); Dreier, Abwägung, S. 96; a.A. offenbar Dyong, in: Cholewa/Dalihammer/Dyong/vAHeide/Arenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 38. 388 Ebenso Dreier, Abwägung, S. 219. 389 Dreier, Abwägung, S. 220. 390 Ähnlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 12.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

125

Am Beispiel von in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung läßt sich ferner zeigen, daß Berücksichtigungspflichten sowohl eine negative als auch eine positive Wirkungsweise haben und daß ebenfalls eine aktivplanerische Berücksichtigung von Raumordnungserfordernissen zumindest denkbar ist. 391 Gesetzt den Fall, daß ein in Aufstellung befindliches Ziel eine Standortausweisung für ein Kraftwerk enthält, muß die planende Gemeinde diese Planung in die bauleitplanerische Abwägung einbeziehen, wenn es um die Aufstellung eines Bebauungsplans für diese Fläche geht. Nach erfolgter Abwägung kann sie sich dabei aber gleichwohl einerseits für ein zielwidriges Vorhaben entscheiden (beschränkte Negativwirkung). 392 Andererseits kann sie sich auch über die vorhabenfördernde Abwägung hinwegsetzen, die sich im Rahmen der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung zugunsten des Kraftwerkes abzeichnet und den Kraftwerksstandort mit der Begründung verwerfen, er sei raumordnerisch ungeeignet (beschränkte Positivwirkung). Eine strikte Pflicht, aktiv-planerisch tätig zu werden, besteht ebenfalls nicht. Zielwidrige Bebauungspläne muß sie nicht zwangsläufig, gleichsam im Vorgriff auf das rechtskräftige Ziel ändern oder aufheben. Auch muß sie den geplanten Standort nicht durch die Aufstellung eines Bebauungsplans mit einer Festsetzung zugunsten eines Kraftwerkes sichern und ausgestalten. Das in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung ist - wenn überhaupt - bei solchen Entscheidungen nur zu berücksichtigen, so daß die Gemeinde eine entsprechende Bebauungsplanung auch unterlassen kann.

5. Zielabweichungsverfahren Nach §§11, 6 ROG müssen die Länder Rechtsgrundlagen für Zielabweichungsverfahren schaffen. In diesen besonderen Verfahren kann nach § 11 ROG von einem Ziel der Raumordnung abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Mehrzahl der Landesplanungsgesetze enthalten Rechtsgrundlagen für entsprechende Verfahren. 393

391

Vgl. zu diesen unterschiedlichen Wirkungsweisen oben Kap. 2, D. I. 4. a). Vgl. allerdings das Instrument der raumordnerischen Untersagung, über dessen Einsatz die zuständige Raumordnungsbehörde eine Ermessensentscheidung trifft. 393 Z.B. § 6 Abs. 4, § 10 Abs. 3 BaWüLplG; § 19 a NWLP1G; § 11 Abs. 4 S. 3, Abs. 5, § 13 Abs. 6 RhPfLPIG. Ob das in Bayern nach Art. 18 Abs. 8 BayLplG vorgesehene Änderungsverfahren für einen verbindlichen Regionalplan eine ausreichende Umsetzung des § 11 ROG ist, muß bezweifelt werden, da zumindest die Antragsbefugnis nicht entsprechend § 11 S. 2 ROG geregelt wurde. Im übrigen bestehen aber keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, daß Zieländerungsverfahren aus 392

126

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Die praktisch bedeutsamen394 Abweichungsverfahren dienen dazu, die langfristigen Raumordnungspläne flexibel zu halten, um im Einzelfall insbesondere einer veränderten Sachlage oder neuen Erkenntnissen Rechnung tragen zu können 395 , ohne daß dadurch freilich das Erfordernis nach einer ständigen, aktualisierenden Planfortschreibung entbehrlich wird. 3 9 6 Um zu verhindern, daß es auf diesem Weg zu einer Aushöhlung der Ziele der Raumordnung kommt, müssen dabei enge Voraussetzungen erfüllt sein. 397 Es muß ein wichtiger Grund vorliegen. 398 So kann eine Gemeinde beantragen, einen Teil einer als Vorrangfläche für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Fläche in ihrem Bebauungsplan als Wohngebiet auszuweisen, weil aufgrund von unvorhergesehenen Zuwanderungen die ursprünglich geplanten Wohnflächen nicht mehr ausreichen. 399 Es liegt auf der Hand, daß Abweichungsverfahren nur bei Zielbeachtenspflichten erforderlich werden können, da Berücksichtigungspflichten ohnehin eine geringere Bindungsintensität aufweisen und ihnen daher die Abweichungsmöglichkeit immanent ist. Ein Bedürfiiis nach Flexibilisierung durch Zielabweichungsverfahren besteht ferner in erster Linie bei den räumlich und sachlich konkreten Zielen der Raumordnung. 400 Desweiteren erübrigt sich die Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens bei solchen Planungen und Maßnahmen, die von vornherein nach dem Zielinhalt etwa aufgrund einer Ausnahmeregelung nicht von der strikten Bindungswirkung des Ziels erfaßt

konkretem Anlaß, die den Anforderungen des § 11 ROG gerecht werden, zugleich auch die Funktion von Zielabweichungsverfahren übernehmen. Vgl. ansatzweise zur Gleichsetzung von Zielabweichungs- und Zieländerungsverfahren, Dolderer, NVwZ 1998, S. 345, 347. A.A. möglicherweise Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 122 ff. 394 Vgl. Höhnberg, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, S. 511 (513); Ihmels/Köppl, Hessisches Landesplanungsgesetz, § 8 Rn. 38 ff. 395 Scheurer!Angst, Landesplanungsrecht, § 27 Rn. 2 b; vgl. zur Bedeutung von Dispensvorschrifien im Bauplanungsrecht, Hoppe, DVB1. 1983, S. 1077 (1078 f.). 396 Christ, Raumordnungsziele, S. 71; nach Runkel, NuR 1998, S. 449, entspricht das Zielabweichungsverfahren materiell der baurechtlichen Befreiung. Während aber die baurechtliche Befreiung im Rahmen eines anderen Verfahrens mitgeprüft werde, bedürfe die Zielabweichung eines gesonderten Verfahrens. Insofern stehe eine Angleichung zwischen dem Raumordnungsrecht und dem Bauplanungsrecht noch aus. 397 Bauder! Schwartz, Landesplanungsgesetz Thüringen, Erl. zu § 14. 398 Vgl. im Hinblick auf § 14 ThLPIG Bauder! Schwartz, Landesplanungsrecht Thüringen, Erl. zu § 14. 399 Vgl. im Hinblick auf §14 ThLPIG Bauder! Schwartz, Landesplanungsrecht Thüringen, Erl. zu § 14. 400 Vgl. Höhnberg, in: ARL, Handwörterbuch der Raumordnung, S. 511 (513), der auch auf den Zusammenhang der Dichte der Ziele der Raumordnung und der Zahl der Abweichungsverfahren am Beispiel von Hessen hinweist.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

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werden. 401 Festzuhalten bleibt mithin, daß Zielabweichungsverfahren zu einer Durchbrechung von Zielbeachtenspflichten führen können.

I I . Direkte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben 1. Planfeststellungen

und Plangenehmigungen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG) a) Anwendungsbereich

Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG 4 0 2 , die auf eine Anregung des Bundesrates zurückgeht 403 , sind die Ziele der Raumordnung bei Planfeststellungen und Genehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts zu beachten. 404 Gegenstand dieser strikten Bindungswirkung sind dabei einerseits Planfeststellungen und andererseits Genehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung. M i t letzterem sind die immer häufiger im Fachplanungsrecht gesetzlich vorgesehenen Plangenehmigungen angesprochen. 405 Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG betrifft dabei raumbedeutsame Maßnahmen von Personen des Privatrechts. Die klassischen Fälle der Planfeststellung, bei denen öffentliche Stellen Vorhabenträger sind, werden demgegenüber von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG erfaßt. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG zielt auch nicht auf die von § 4 Abs. 3 ROG erfaßten Fälle ab, obgleich hierbei Personen des Privatrechts tätig werden. 406 Für diese gilt nämlich bereits § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG entsprechend, wie § 4 Abs. 3 ROG ausdrücklich klarstellt. 407 Es geht also um Planfeststellungen und Plan401

Vgl. entsprechend zum Verhältnis von Zielabweichungsverfahren und Sollvorschriften, Goppel, BayVBl. 1998, S. 289 (292). Nach Hoppe, Städte- und Gemeindesrat 1994, S. 332 (335), unterlaufen Ausnahmeregelungen zu Zielen der Raumordnung die Vorschriften über Zielabweichungsverfahren und sind daher unzulässig. 402 Die Vorschrift wurde erst auf Empfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufgenommen, vgl. BT-Drs. 13/7588, S. 59. 403 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 635/96 (B), S. 61 ff. sowie den Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 22 f. 404 Kritisch dazu, aber ohne Begründung, Hoppe, DVB1. 1997, S. 234 (239). 405 Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 22 f. 406 Z.B. bei der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung über Vorhaben der Deutschen Bahn AG nach § 18 AEG, vgl. insofern zur Rechtslage nach dem ROGa.F., Roer, Privatisierung, S. 99 ff. 407 Vgl. dazu auch den Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 32. Vgl. allerdings auch Runkel, in: Bielen-

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

genehmigungen, die die Zulässigkeit von raumbedeutsamen Maßnahmen zum Gegenstand haben, die von sonstigen nichtbeliehenen Privatrechtssubjekten durchgeführt werden. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG kommt dabei eine Auffangfunktion für alle raumbedeutsamen Maßnahmen dieser Personen des Privatrechts zu, sofern es um die Zielbindung bei Planfeststellungen oder diesen gleichgestellten Plangenehmigungen geht. Erfaßt sind also einerseits raumbedeutsame Maßnahmen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (gemeinnützige raumbedeutsame Maßnahmen), sofern diese nicht bereits unter § 4 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG fallen, und andererseits privatnützige raumbedeutsame Maßnahmen. Der Gesetzgeber hat folglich insbesondere keine Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung bei Vorhaben privater Vorhabenträger getroffen. 408 Die dargelegte Funktion der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG findet Bestätigung aus den Gesetzesmaterialien. Aus der Stellungnahme des Bundesrates, die die Anregung für die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG gegeben hat, geht nämlich hervor, daß der Bundesrat eine gegenüber § 4 Abs. 3 ROG hinausgehende Zielbindung bezweckte, die gerade nicht auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen in Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben beschränkt bleiben sollte. 409 Wie sich aus § 4 Abs. 4 S. 2 ROG ergibt, stellt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG eine Spezialregelung zu § 4 Abs. 4 S. 1 ROG dar. 410 Während aus § 4 Abs. 4 S. 1 ROG hervorgeht, daß sich bei Genehmigungen, Planfeststellungen und sonstigen behördlichen Zulassungsentscheidungen über Personen des Privatrechts die Bindung an die Raumordnungserfordernisse nach den jeweiligen fachlichen Zulassungstatbeständen richtet, ist § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG demgegenüber in zweifacher Hinsicht spezieller. Die Vorschrift betrifft nämlich aus dem Kreis der verschiedenen Zulassungsentscheidungen nur die beiden besonderen Ausprägungen in Form der Planfeststellungen und die diesen gleichgestellten Plangenehmigungen. Außerdem hat sie nur die Bindung an die Ziele der Raumordnung zum Gegenstand. Im Gegensatz zu § 4 Abs. 4 ROG sieht § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG ferner die erhöhte Bindungsintensität der Zielbeachtenspflicht vor.

bergtErbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ Vorb. §§ 3-5 Rn. 12. 408 I.E. ebenso Runkel, NuR 1998, S. 449 (451). 409 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 635/96 (B), S. 60 ff. Die vorgeschlagene Formulierung lautete: „Ziele der Raumordnung sind zu beachten von Behörden bei Planfeststellungen und sonstigen Entscheidungen in den in § 38 des Baugesetzbuchs genannten Verfahren." Von dieser Vorschrift sollten auch Vorhaben „Einzelner" erfaßt sein, wie aus § 4 Abs. 3 S. 2 des Vorschlags zu entnehmen ist. 410 Der Vorschlag des Bundesrates sah in diesem Sinne noch eine klarstellende Verweisungsvorschrift vor, Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 635/96 (B), S. 61.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

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b) Gesetzgebungskompetenzen Die neuartige Regelung, die im alten ROG nicht ihresgleichen kannte, bedarf einer näheren kompetenzrechtlichen Untersuchung. Durch die Planfeststellung bzw. Plangenehmigung wird über die Zulässigkeit des privaten Vorhabens entschieden. Die in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG normierte Zielbeachtenspflicht, die ebenso wie in § 4 Abs. 1 S. 1 ROG als strikte Bindung zu begreifen ist, führt zu einer Zielbindung im Hinblick auf private Vorhaben und könnte wegen Verstoßes gegen das Erfordernis der fehlenden Außenwirkung der Raumordnung kompetenzwidrig und mithin verfassungswidrig sein. Zwar ließe sich argumentieren, daß die Vorschrift nur die Planfeststellungsbehörde, nicht aber den privaten Vorhabenträger an die Ziele binde. 4 1 1 Im Ergebnis ändert dies indes nichts daran, daß aufgrund der bundesrechtlichen Regelung kein privates planfeststellungspflichtiges Vorhaben verwirklicht werden kann, wenn es den Zielen der Raumordnung widerspricht. Über eine solche Konstruktion können jedoch nicht die Restriktionen des Kompetenztitels der Raumordnung i.S.d. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG umgangen werden. 412 Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG führt daher zu einer direkten Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung gegenüber Privaten. In der raumordnungsrechtlichen Literatur zum bisherigen Raumordnungsrecht wurde eine entsprechende strikte Wirkung der Ziele der Raumordnung bei Planfeststellungsverfahren über private Vorhaben daher ganz überwiegend - zumeist mit Hinweis auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes - abgelehnt. 413 Der Bundesrat, der sich der kompetenzrechtlichen Problematik bewußt war, ging allerdings davon aus, daß sich die Vorschrift auf die jeweiligen fachgesetzlichen Kompetenztitel stützen lasse. 414 Die Vorschrift sei eine gleichsam

411

Vgl. zu Raumordnungsklauseln, die lediglich eine Zielbeachtenspflicht der Zulassungsbehörde normieren am Beispiel von § 8 Abs. 4 PBefG a.F., Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35, 47. 412 Vgl. Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35, 46 f.; Roer, Privatisierung, S. 97 f.; Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9). 413 Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs und Landesplanungsrecht, R 100 RdNr. 40; Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (45 ff.); Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (31 ff.); Vgl. differenzierend Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 92, S. 209, S. 227, S. 231, wonach Ziele der Raumordnung allerdings im Zusammenspiel mit wasserwirtschaftlichen Gründen zwingende Versagungsgründe darstellen könnten; Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (8 f.); Roer, Privatisierung, S. 97 f.; Vgl. Runkel, UPR 1997, S. 1 (3). Vgl.

allerdings Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 100 ff., der zwischen gemeinnützigen und privatnützigen Planfeststellungen über die Zulässigkeit von Vorhaben privater Träger differenziert und bereits nach früherem Recht eine unmittelbare Zielbindung bei der gemeinnützigen Planfeststellung auf raumordnungsrechtlicher Grundlage annahm. 414 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 635/96 (B), S. 64. 9 Spiecker

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Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

vor die Klammer gezogene Raumordnungsklausel, die aufgrund der Kompetenztitel der berührten Fachgesetze des Bundes erlassen werden könne. Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wollte die Vorschrift demgegenüber auf die Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache für die gesamtstaatliche Raumplanung als auch auf die dem jeweiligen Fachrecht zugrundeliegenden Kompetenztitel zurückgeführt wissen. 415 Der Hinweis auf die Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache für die gesamtstaatliche Raumplanung überzeugt indes nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat eine entsprechende Kompetenz zwar anerkannt 416, aber ersichtlich nur auf die Raumordnung für den Gesamtstaat bezogen, d.h. nicht auf die Raumordnung in den Ländern. Zutreffend ist hingegen die Überlegung, wonach es sich bei der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG um keine raumordnungsrechtliche Vorschrift im kompetenzrechtlichen Sinne, sondern um eine Norm handelt, die zwar in einem raumordnungsrechtlichen Gesetzeskontext steht, aber selbst als fachrechtliche Norm zu qualifizieren und aufgrund mehrerer Gesetzgebungstitel erlassen worden ist. 417 Soweit dem Bund entsprechende Kompetenztitel zur Verfügung stehen, kann er eine unmittelbare Außenwirkung der Raumordnung gegenüber dem einzelnen herstellen. Insoweit ist gegen die Vorschrift unter kompetenzrechtlicher Perspektive nichts einzuwenden. Es ist nämlich nur eine Frage der Gesetzestechnik, ob der Bund in Bundesgesetzen einzelne Raumordnungsklauseln aufgrund spezieller Gesetzgebungstitel erläßt oder die Klauseln gleichsam in einer allgemeinen Raumordnungsklausel bündelt. 418 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG allein auf die Kompetenztitel der jeweiligen Fachmaterien zu stützen ist. Die Vorschrift ist also nur insoweit kompetenzgemäß und damit verfassungsmäßig, wie sie auf einem fachgesetzlichen Kompetenztitels des Bundes beruht. Dies muß jeweils im Einzelfall untersucht werden. Soweit dem Bund hierfür allerdings die Gesetzgebungskompetenz fehlt, kann er die Zielbeachtenspflicht nicht auf diese der Länderhoheit vorbehaltene Sachmaterien ausdehnen419, so daß eine teleologisch reduzierende Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG geboten ist.

415

Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 23. 416 BVerfGE 3, S. 407 (427 f.). 417 Vgl. dazu Runkel, UPR 1997, S. 1 (4). 418 Vgl. zu diesem Gedanken Wahl in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (32). 419 Vgl. die ähnlichen Überlegungen zum ROG a.F. von Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (41, 45 ff.).

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

131

2. Sonstige behördliche Zulassungsentscheidungen (§ 4 Abs. 4, 5 ROG i. V.m. fachgesetzlichen Zulassungstatbeständen) Aus § 4 Abs. 4, 5 ROG geht hervor, daß die Erfordernisse der Raumordnung und damit auch die Ziele der Raumordnung nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Zulassungstatbestände in die Zulassungsentscheidung eingehen. 420 Hierbei sind einerseits solche spezialgesetzlichen Regelungen zu erwähnen, die i.S.d. § 4 Abs. 4 S. 1 ROG eine Berücksichtigung der Erfordernisse der Raumordnung anordnen und andererseits die weitergehenden Regelungen i.S.d. § 4 Abs. 5 ROG. Den Zielen kann dabei eine negative oder positive Wirkung zukommen 421 , während eine aktivplanerische Wirkung ausscheidet. Gegenüber Privaten wirken die Ziele bloß verhindernd und regulierend, aber nicht unmittelbar veranlassend. 422 Solange die spezialgesetzlichen Zulassungstatbestände keinerlei Anhaltspunkte dafür bieten, daß die Erfordernisse der Raumordnung in die Zulassungsentscheidung einfließen sollen, muß die Zulassungsbehörde die Erfordernisse der Raumordnung unberücksichtigt lassen.423 Diesen kommt dann allenfalls über die beschriebene mediatisierte Bindungswirkung beim Vorliegen öffentlicher raumbedeutsamer Planungen Bedeutung zu. 4 2 4

a) Berücksichtigung der Ziele nach § 4 Abs. 4 ROG i.V.m. fachgesetzlichen Zulassungstatbeständen Spezialgesetzliche Regelungen können nach § 4 Abs. 4 ROG vorsehen, daß die Ziele der Raumordnung bei der behördlichen Zulassungsentscheidung über private Vorhaben im Rahmen von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen sind. Berücksichtigungspflichten sind dabei, wie bereits erwähnt, durch eine geringe Bindungsintensität gekennzeichnet. Dies bedeutet,

420 Einen Sonderfall bilden allerdings die Genehmigungen über die Errichtung und den Betrieb von öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen von Personen des Privatrechts. Die Erfordernisse der Raumordnung sind hier bereits aufgrund der Vorschrift des § 4 Abs. 4 S. 3 ROG zu berücksichtigen. Nach Runkel, in: Bielenberg! Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 630 Nr. 3.7 handelt es sich hierbei um eine Raumordnungsklausel aus dem Kompetenztitel des Immissionsschutzrechts. 421 Runkel, NuR 1998, S. 449 (451). 422 Folkerts, DVB1. 1989, S. 733 (734). 423 Einen solchen Zulassungstatbestand stellt § 34 BauGB dar. Vgl. BVerwG, ZfBR 1993, S. 191 ff. 424 Im Rahmen des § 34 BauGB sind die Erfordernisse der Raumordnung zwar nicht zu berücksichtigen, eine mediatisierte ΒindungsWirkung ergibt sich aber bei dem Vorliegen eines einfachen Bebauungsplans.

132

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

daß die jeweiligen raumordnerischen Aussagen nicht strikt einzuhalten sind, sondern lediglich im Rahmen von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen einzubeziehen sind. 425 Die Zulassungsbehörde muß sie allerdings in ihre Erwägungen einstellen. Bei dem im Rahmen des auf den jeweiligen Fall bezogenen Wertungsvorgang können sie dabei teils höher, teils niedriger gewichtet und demgemäß teils bevorzugt, teils zurückgestellt werden. 426 Die Ziele der Raumordnung stellen daher insofern lediglich abwägungsfähige Belange dar. Kompetenzrechtlich begegnet eine derartige Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung keinen Bedenken. Zum einen beruht die Berücksichtigungspflicht auf fachgesetzlicher Grundlage und zum anderen wird auch keine strikte Bindung angeordnet 427. Die Berücksichtigungspflicht der Ziele der Raumordnung kann entweder ausdrücklich durch sogenannte Berücksichtigungsklauseln erfolgen oder sich im Wege der Auslegung von sogenannten Gemeinwohlklauseln in Zulassungstatbeständen ergeben. 428

aa) Zielberücksichtigungsklauseln Die Ziele der Raumordnung sind bei Zulassungsentscheidungen zu berücksichtigen, wenn sich dies aus einer Raumordnungsklausel in dem jeweiligen Zulassungstatbestand ergibt. Unter dem Begriff der Raumordnungsklauseln werden alle diejenigen Vorschriften zusammengefaßt, die ausdrücklich auf die Erfordernisse der Raumordnung Bezug nehmen. 429 Sie nennen als Bindungsmaßstab die Grundsätze und Ziele, allgemein die Erfordernisse der Raumordnung und zum Teil auch lediglich die Grundsätze oder die Ziele. 430 Sofern die Raumordnungsklausel eine Berücksichtigung der Raumordnungsziele anordnen, können sie auch als Zielberücksichtigungsklauseln bezeichnet werden. In der Klausel muß dabei nicht notwendig der Begriff der „Berücksichtigung" verwendet werden. 431 Es reicht vielmehr aus, wenn sich aus

425

Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (48 f.). Vgl. allgemein zu Berücksichtigungspflichten im Hinblick auf die Grundsätze der Raumordnung, Hendler, in: Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 42. 427 Vgl. hierzu Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (51). 428 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (16). 429 Ähnlich Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 18 ff., 21, der allerdings auch die Gemeinwohlklauseln in den Begriff der Raumordnungsklauseln einbezieht. Er bezeichnet diese als „verkappte Raumordnungsklauseln". 430 Vgl. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 20; Christ, Raumordnungsziele, S. 105. 431 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 21. 426

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

133

der Norm ersehen läßt, daß die Ziele der Raumordnung abwägungsfähig sein sollen. 432 Hervorzuheben ist, daß es Raumordnungsklauseln gibt, die die Berücksichtigung der Raumordnungsziele nur in ihrer negativen, das Vorhaben verhindernde Wirkung ansprechen. 433 Andere Berücksichtigungsklauseln stellen demgegenüber auf die positive, das Vorhaben begünstigende Wirkung der Raumordnungserfordernisse ab. 4 3 4 Es sind aber auch Berücksichtigungsklauseln denkbar, die sowohl die positive als auch die negative Wirkungsweise der Ziele der Raumordnung zur Geltung bringen.

bb) Gemeinwohlklauseln In den spezialgesetzlichen Zulassungstatbeständen werden die Fachbehörden vielfach nur allgemein dazu verpflichtet, bei Ermessens- und Abwägungsentscheidungen Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen. Diese Vorschriften werden unter dem Begriff der Gemeinwohlklauseln zusammengefaßt. 435 Wenn die Auslegung einer Gemeinwohlklausel ergibt, daß damit auch die Ziele der Raumordnung angesprochen sind, folgt daraus eine entsprechende Berück-

432

Z.B. § 10 Abs. 1 S. 2 BWaldG, wonach die Erstaufforstungsgenehmigung nur versagt werden darf, wenn die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung der Aufforstung entgegenstehen und ihnen nicht durch Auflagen entsprochen werden kann. Da die Genehmigung unter den genannten Voraussetzungen nicht versagt werden muß, liegt eine Ermessensentscheidung vor. Vgl. dazu Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35, 48; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 80 ff. 433 § 10 Abs. 1 S. 2 BWaldG räumt der zuständigen Behörde bei der Erteilung der Erstaufforstungsgenehmigung Versagungsermessen ein, wenn Erfordernisse der Raumordnung (d.h. auch Ziele der Raumordnung) entgegenstehen und ihnen nicht durch Auflagen entsprochen werden kann. Hierbei kommen lediglich solche Aussagen der Raumordnung zum Tragen, die gegen die jeweilige Erstaufforstung sprechen. 434 Eine Raumordnungsklausel dieser Art stellt § 11 Abs. 3 S. 1 NatschG BW dar. Bei dieser Vorschrift geht es um die Zulässigkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft, die unvermeidbar und erheblich beeinträchtigend sind, nicht oder nicht innerhalb angemessener Frist ausgeglichen werden können und denen außerdem wesentliche Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege oder der Erholungsvorsorge entgegenstehen. Solche Eingriffe, die an sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 NatschG BW unzulässig sind, können nach § 11 Abs. 3 S. 1 NatschG BW dennoch zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange, insbesondere Zielsetzungen der Raumordnung und Landesplanung dies erfordern. Unter den Begriff der Zielsetzungen wird man in jedem Fall die Ziele der Raumordnung subsumieren können. Indem durch § 11 Abs. 3 S. 1 BaWüLplG die Ziele die Zulässigkeit des Eingriffs begünstigen, z.B. weil die Maßnahme oder das Vorhaben durch ein Ziel der Raumordnung dargestellt ist, ist hierbei nur die positive Wirkung der Ziele angesprochen. Das der Behörde eingeräumte Ermessen spricht fur eine Abwägungsföhigkeit dieser positiven Wirkung. 435 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 21.

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

134

sichtigungspflicht. 436 Die Berücksichtigung der Raumordnungsziele beruht in diesem Fall mithin darauf, daß sie als Konkretisierung der öffentlichen Belange oder Gemeinwohlinteressen in die Zulassungsentscheidung der Fachbehörden positiv oder negativ einfließen. 437

b) Weitergehende Bindungsintensität der Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 5 ROG i.V.m. dem Fachrecht Nach § 4 Abs. 5 ROG können die Fachgesetze den Erfordernissen der Raumordnung in vielfältiger Weise weitergehende Bindungswirkungen verleihen. 438 Deren Wirkung kann etwa auf weitere Bindungsgegenstände und Adressaten erstreckt werden, z.B. auf die von § 4 Abs. 1 bis 4 ROG nicht erfaßte Vergabe von Subventionen für raumbedeutsame Maßnahmen Privater oder auf Bindungsgegenstände im Bereich des Steuerrechts. Besondere Bedeutung erlangt die Vorschrift indes auch im Hinblick auf die hier interessierenden Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben, wobei vornehmlich die Erweiterung der Bindungsintensität in Betracht kommt. Durch die Statuierung einer Bindungswirkung der Raumordnungsziele, die über eine Berücksichtigungspflicht hinausgeht, soll eine Bindung raumbedeutsamer Maßnahmen einzelner an die Ziele der Raumordnung möglich werden. 439 Dieser gesetzgeberische Wille geht ausdrücklich aus den Gesetzesmaterialien hervor. 440 Eine erweiterte Bindungswirkung im Wege fachgesetzlicher Anordnung ist dabei sowohl im Hinblick auf die Negativwirkungen als auch auf die Positivwirkungen der Ziele der Raumordnung denkbar.

aa) Erweiterte

Negativwirkung

der Ziele

Manche Raumordnungsklauseln verlangen eine strikte Einhaltung der Ziele der Raumordnung in dem Sinne, daß das jeweilige Vorhaben stets zu versagen

436

Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (48 f.). Roer, Privatisierung, S. 29 f. m.w.N. 438 Nach Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ Vorb. §§ 3-5 Rn. 4 ist die Vorschrift des § 4 Abs. 5 ROG als Kollisionsnorm zu qualifizieren, die nicht nur weitergehende Bindungswirkungen in Fachgesetzen für zulässig erkläre, sondern auch materiell hinter den allgemeinen Raumordnungsklauseln bleibende besondere Raumordnungsklauseln für unzulässig ansehe. 439 Vgl. Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 630 Nr. 3.5. 440 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, DT-Drs. 13/6392, S. 82. 437

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

135

ist, wenn es den Zielen der Raumordnung widerspricht. 441 Es handelt sich hierbei um eine in ihrer Bindungsintensität erweiterte, strikte Negativwirkung der Ziele der Raumordnung, denn bei einem Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung verbleibt - anders als bei einer bloßen Berücksichtigungspflicht kein Entscheidungsspielraum für die Zulassungsbehörde, das Vorhaben im Hinblick auf andere gewichtige Belange, die für das Vorhaben sprechen, gleichwohl zuzulassen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 ROG trägt dabei durch den Verweis auf das Fachrecht dem kompetenzrechtlichen Umstand Rechung, daß eine entsprechende Bindung Privater eine Regelung aufgrund eines anderen Kompetenztitels als dem der Raumordnung erfordert 442 . Hinzuweisen ist darauf, daß die dargelegte direkte und strikte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben zu den zentralen Neuerungen des ROG 1998 zählt. Das Schrifttum und die Rechtsprechung zum bisherigen Raumordnungsrecht, das sich der Problemstellung überwiegend im Zusammenhang mit § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB a.F. (entspricht § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB n.F.) auseinandersetzte, hatte nämlich eine entsprechende Wirkung der Raumordnungsziele vielfach abgelehnt.443 Durch die Regelung des § 4 Abs. 5 ROG kann nunmehr allerdings nicht mehr grundsätzlich bezweifelt werden, daß eine strikte Bindung der Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben (auch über Planfeststellungen und Plangenehmigungen hinaus) vom Gesetzgeber beabsichtigt ist. Bereits an dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, daß dadurch ebensowenig eine sorgfältige Auslegung der fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln entbehrlich wird wie die Untersuchung der Anforderungen an Ziele der Raumordnung im einzelnen, die eine entsprechende strikte Bindungswirkung 441

Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch von „echten" Raumordnungsklauseln gesprochen, z.B. Christ, Raumordnungsziele S. 353, S. 355; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 73. 442 Vgl. zu dem Erfordernis eines anderen Kompetenztitels als dem der Raumordnung, Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (43). 443 Z.B. Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 72 c; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 86 b; ansatzweise Cholewa!Dyonglv.d.Heidel Sailer, BauGB, § 35 Nr. 7a; Dürr, in: Brügelmann, Baugesetzbuch, § 35 Rn. 105; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 32 ff.; Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910 (911); Söfker, DVB1. 1987, 597 (600); Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 94; Uechtritz, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 59, 61; Ehebrecht-Stüer, Außenbereichsschutz, S. 152; Büllesbach, Abgrabungen, S. 91 Fn. 97; Wahl, in: Hoppe/Kauch,

Raum-

ordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (21); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 220 ff.; Vgl. auch BVerwG, ZfBR 1993, S. 191 (192); BaWü VGH, VB1BW 1994, S. 280; BayVGH, NVwZ 1990, S. 783 (784); andeutungsweise auch BVerwG, ZfBR 1996, S. 166(168).

136

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

auslösen. Außerdem muß geklärt werden, ob die erweiterten, strikten Negativwirkungen der Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben in jedem Fall ebenso weit reichen wie bei Zielbeachtenspflichten i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 BauGB oder ob hierbei Besonderheiten gelten. 444

bb) Erweiterte

Positivwirkung

der Ziele

Auch die vorhabenfördernden Aussagen der Ziele der Raumordnung können im Wege einer Raumordnungsklausel mit einer weitergehenden Bindungswirkung ausgestattet werden. 445 Entsprechende Raumordnungsklauseln bestimmen, daß einem privilegierten raumbedeutsamen Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen, soweit die Belange bei der Darstellung dieses Vorhabens als Ziele der Raumordnung in Raumordnungsplänen abgewogen worden sind. Indem die Ziele der Raumordnung bestimmte, dem Vorhaben entgegenstehende Belange ausschalten, kommt ihnen eine vorhabenfördernde Bedeutung zu. Gegenüber einer bloßen (vorhabenfördernden) Berücksichtigungspflicht unterscheidet sich die Regelung dadurch, daß die in einem entsprechendem Ziel der Raumordnung vorgenommene raumordnerische Abwägung zugunsten des jeweiligen Vorhabens - jedenfalls bei einer fehlerfreien 446 und nach dem Sachstand aktuellen Abwägung - einen abschließenden, keiner weiteren Abwägung mehr zugänglichen, d.h. strikten Charakter 447 aufweist. In diesem Fall kann die bei der Aufstellung des Zieles der Raumordnung vorgenommene Abwägung daher nicht mehr im Zulassungsverfahren in Frage gestellt werden. Der Effekt einer solchen Vorschrift besteht somit in einer verbindlichen Problemabschichtung zugunsten des Vorhabens im Hinblick auf die in der Abwägung bewältigten raumordnerischen Konflikte. 448 Auch im Hinblick auf die erweiterte

444 Vgl. Runkel, in: Bielenberg!Erbguth/Runkel, J 630 Nr. 3.5, wonach sich eine Zielbeachtenspflicht - auch in eingeschränkter Form - aus fachgesetzlichen Regelungen ergeben könne. 445 Da entsprechende Vorschriften zu einer Bindung Privater an die Raumordnungsziele führen, haben sie nicht lediglich deklaratorischen Charakter. Vgl. zu § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB Christ, Raumordnungsziele, S. 344; Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (600); a.A. Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910 (913), Beschlußempfehlung des Bauausschusses, BT-Drs., 10/6166, S. 133; Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (296). 446 Vgl. dazu Christ, Raumordnungsziele S. 339 ff. 447 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 152. 448 Vgl. zur Abschichtungsfunktion Christ, Raumordnungsziele S. 341 ff.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 54; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 69 f.; Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 84;

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

137

Positivwirkung gilt es etwaige spezielle Anforderungen an die Ziele der Raumordnung sowie sonstige Besonderheiten zu untersuchen, die gerade im Hinblick auf Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben gelten.

I I I . Direkte Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über raumbedeutsame private Vorhaben 1. Berücksichtigung nach § 4 Abs. 4 ROG i. V.m. dem Fachrecht Da die Raumordnungsgrundsätze zu den Erfordernissen der Raumordnung zählen, sind sie nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 4 Abs. 4 ROG bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben zu berücksichtigen, sofern das Fachrecht dies verlangt. 449 Danach stellen sie sich als abwägungs- bzw. ermessenserhebliche Belange dar, wenn entweder fachgesetzliche Raumordnungsklauseln oder Gemeinwohlklausel dies erfordern. 450 Die dargelegte Bindungswirkung der Grundsätze bedarf allerdings einer näheren Überprüfung, zumal in den Gesetzesmaterialien kein ausdrücklicher Hinweis speziell zur Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private raumbedeutsame Vorhaben zu finden ist. Hinzuweisen ist nämlich darauf, daß nach § 3 Abs. 3 ROG a.F. die Grundsätze der Raumordnung gegenüber dem einzelnen keine Rechtswirkungen hatten und im Schrifttum die Geltung der Grundsätze im Rahmen von Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben aus diesem Grund und aus planungssystematischen und rechtsstaatlichen Überlegungen heraus ganz überwiegend abgelehnt wurde. 451 § 3 Abs. 3 ROG a.F. sei nicht nur eine sachliche Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 151 ff; Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (23). 449 So auch Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 630 Nr. 3.7. 450 Vgl. zu den Begriffen der Raumordnungklausel und der Gemeinwohlklausel oben Kap. 2, D II. 2 a) aa), bb). 451 Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 3 Rn. 33 ff., M 312 Rn. 24; Hoppe, in: dersJMenke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 677 ff, 680; ders., in: ders./Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 677 ff.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 79, 96 f.; ders., DVB1. 1990, S. 1024 (1028); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 14 f.; Hartwig, NVwZ 1985, S. 8 f.; i.E. ebenso, allerdings nur für das Baurecht HeigUHosch, Raumordnung und Landesplanung in Bayern, Art. 3 BayLplG Rn. 5, 16, der jedoch im übrigen die Geltung der Grundsätze annimmt, wenn der Behörde bei ihrer Entscheidung planerische Gestaltungsfreiheit oder Ermessen zusteht; differenzierend nach dem Konkretheitsgrad der Grundsätze Schulte, Raumplanung und Genehmigung,

138

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

Kennzeichnung, sondern stelle zugleich auch eine generelle inhaltliche Schranke für die Raumordnung und Landesplanung dar; sie grenze Raumordnung und Landesplanung als verwaltungsverbindliche Richtmaße in funktionaler Hinsicht von der unmittelbar die Nutzungsbefugnisse des Bürgers regelnden, also verwaltungsextern wirkenden Bauleitplanung ab. 452 Ferner sei bei der Anwendung der Grundsätze der Raumordnung im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem einzelnen die rechtliche Überprüfbarkeit und die Einhaltung des Gleichheitssatzes wegen der Weite der Formulierungen der Grundsätze nicht mehr gewährleistet. 453 Sofern die im Schrifttum vorgebrachten Argumente auf kompetenzrechtlichen Erwägungen beruhen, ist zu betonen, daß dabei unberücksichtigt bleibt, daß im Rahmen des § 4 Abs. 4 ROG gerade eine Raumordnungsbindung auf fachgesetzlicher und nicht raumordnungsrechtlicher Rechtsgrundlage und überdies nur eine Berücksichtigungspflicht in Frage steht, so daß kompetenzrechtliche Probleme nicht auftreten. In bezug auf die fehlende Bestimmtheit der Grundsätze ist festzustellen, daß die Grundsätze zwar in erster Linie dazu dienen, als Abwägungsdirektiven die Planungen und Maßnahmen öffentlicher Planungsträger zu leiten, wobei sie in ihrer Formulierungen darauf angelegt sind, einen außerordentlich weiten Planungsspielraum zu belassen. Aufgrund dieser Ergebnisoffenheit der Grundsätze der Raumordnung könnten sie für Entscheidungen über die Nutzungsbefugnisse des einzelnen Bürgers untauglich sein, weil sie den Entscheidungsspielraum der Behörde nicht im nötigen Umfang einzuschränken vermögen. In ihrem Abstraktionsniveau stehen die Grundsätze der Raumordnung den unbestimmten Rechtsbegriffen nahezu gleich, zu deren Konkretisierungen und Verdeutlichung sie möglicherweise heranzuziehen sind, da sie - anders als die Ziele der Raumordnung - in der Regel keinen konkreten räumlichen Bezug aufweisen. 454 Es vermag allerdings nicht zu überzeugen, daß bei der Vielzahl von öffentlichen Belangen, die gewöhnlich bei Ermessens- und Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen sind, die überörtlichen Auswirkungen eines Vorhabens von vornherein nur dann maßgeblich sein sollen, wenn Ziele der Raumordnung aufgestellt wurden. Bei der Bewertung und Gewichtung der über-

S. 18, S. 172 f.; A.A. Cholewa!Dalihammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 3 ROG, Rn. 43. 452 Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 2. Aufl. Rn. 77. 453 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 79, S. 96 f.; ders., DVB1. 1990, S. 1024 (1028); Hoppe, in: ders ./Menke, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 680, 798; Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 3 Rn. 39. 454 Ähnlich Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84.

D. Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze

139

örtlichen Auswirkungen eines Vorhabens spricht grundsätzlich nichts dagegen, die Grundsätze der Raumordnung zumindest ergänzend heranziehen. 455 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Grundsätze der Raumordnung einen gewissen räumlichen Konkretisierungsgrad aufweisen. Wenngleich der Hinweis auf die Unbestimmtheit der Grundsätze der Raumordnung nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist und gegebenenfalls im Einzelfall Differenzierungen im Hinblick auf die Struktur der Zulassungsentscheidungen einerseits und den Konkretheitsgrad der Grundsätze der Raumordnung andererseits erforderlich macht, ist somit festzuhalten, daß gegen eine Berücksichtigung der Grundsätze der Raumordnung entsprechend dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 ROG bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben keine prinzipiellen Bedenken bestehen.

2. Keine weitergehende Bindungsintensität der Grundsätze der Raumordnung nach § 4 Abs. 5 i. V.m. dem Fachrecht Fraglich ist, ob eine fachgesetzliche Erweiterung der Bindungsintensität der Grundsätze bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben nach § 4 Abs. 5 ROG zulässig ist. Die Grundsätze der Raumordnung sind indes ihrem Wesen nach und aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu geeignet. Dies ergibt sich bereits daraus, daß sie anders als die Ziele nach § 3 Nr. 3 ROG nicht das Resultat einer abschließenden Abwägung sind, sondern nur Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen sein können. 456 Zu bedenken ist ferner, daß sie regelmäßig den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz für verbindliche Vorgaben nicht entsprechen. Sie können daher durch das Fachrecht mit keiner weitergehenden Bindungswirkung als einer Berücksichtigungspflicht ausgestattet werden. Anderslautende Raumordnungsklauseln, die eine Beachtung der Grundsätze fordern, sind daher i. S. von Berücksichtigungspflichten auszulegen.457 Nur am Rande sei im übrigen erwähnt, daß es auch sehr zweifelhaft ist, ob sich die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung, z.B. die in Aufstellung

455

Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18, im Hinblick auf die Gleichsetzung konkreter Grundsätze mit Zielen. 456 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 47 f.; Bielenberg!Erbguth/Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, April 1998, R 100 Rn. 24 f. 457 Vgl. allgemein zur Auslegung von Raumordnungsklauseln, die eine Beachtenspflicht bezüglich der Grundsätze der Raumordnung vorsehen; Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht; Vgl. auch Wagner zu der planungsbezogenen Raumordnungsklausel des § 5 Abs. 1 BNatSchG a.F., S. 47.

140

Zweites Kapitel: Ziele und Grundsätze der Raumordnung

befindlichen Ziele 4 5 8 und das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens 459, die nach § 4 Abs. 2 ROG in ihren Bindungswirkungen den Grundsätzen gleichgestellt sind, für eine erweiterte Bindungsintensität im Rahmen von Zulassungsentscheidungen für private Vorhaben eignen. Im übrigen folgt aus dem Dargelegten nicht, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 5 ROG für die Grundsätze (und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung) gänzlich funktionslos ist. Erweiterte Bindungswirkungen können sich zwar nicht hinsichtlich der Bindungsintensität, dafür aber hinsichtlich besonderer Bindungsgegenstände ergeben, z.B. wenn im Subventions- oder Steuerrecht die Berücksichtigung der Grundsätze oder sonstigen Erfordernisse der Raumordnung im Wege von Raumordnungsklauseln angeordnet wird.

458 Für die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung gilt es zu bedenken, daß es sich bei ihnen aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Planaufstellungsverfahrens nur um vorläufige Aussagen handeln kann, so daß sie insofern jedenfalls keine endgültige Rechtsverbindlichkeit beanspruchen können. Vgl. zur gänzlich fehlenden ΒindungsWirkung der in Aufstellung befindlichen Zielen der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB Ehebrecht-Stüer, Außenbereichsschutz, S. 152 f. 459 In bezug auf das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, das aufgrund seines Projektbezugs eine besondere Nähe zu den anschließenden Zulassungsverfahren aufWeist, ist möglicherweise eine differenzierende Betrachtungsweise geboten. Wenn durch das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens auch die Vereinbarkeit des Projektes mit Zielen der Raumordnung festgestellt wird, die ihrerseits mit erweiterter Bindungswirkung ausgestattet sind, erscheint insofern auch eine erweiterte Bindungswirkung für das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens in seinem auf die Ziele bezogenen Teil nicht abwegig. Es fällt allerdings auf, daß in den Gesetzesmaterialien zum Raumordnungsgesetz eine derartig weitreichende Bedeutung des Raumordnungsverfahrens an keiner Stelle zum Ausdruck kommt. An einem entsprechenden gesetzgeberischen Willen muß daher gezweifelt werden. Vgl. insofern auch die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 82, 87, wonach bezüglich der Rechtswirkungen des Raumordnungsverfahrens nur auf § 4 Abs. 2 und 4 ROG Bezug genommen wird. Vgl. zum Streit, ob das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens nach dem ROG a.F. in seinem auf die Ziele der Raumordnung bezogenen Inhalt an den Β indungs Wirkungen der Ziele teilhat bzw. aufgrund spezieller gesetzlicher Anordnung haben kann oder sollte, Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 118 ff., 165 f., 239; Zoubek, Raumordnungsverfahren, S. 154 ff.; Jarass, BayVBl. 1979, S. 65 (69 ff.). Vgl. zur rechtspolitischen Frage einer über eine bloße Berücksichtigungspflicht hinausgehenden Wirkung der UVP im Raumordnungsverfahren, Hoppe/Appold, DVB1. 1987, S. 179 (187). Vgl. auch zu einer eventuell vorzusehenden Beachtenspflicht die Thesen des Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, DVB1. 1985, S. 728 (729).

Drittes Kapitel

Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

A. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen Das deutsche Recht kennt weder eine einheitliche Zulassungsentscheidung für alle Kiesabgrabungen noch ein Gesetz, daß die Zulässigkeit von Kiesabgrabungen umfassend regelt. Es kommen vielmehr verschiedene Zulassungsentscheidungen in Betracht, die sich aus unterschiedlichen Gesetzen ergeben können.1 Welche behördliche Zulassungsentscheidung für ein Kiesabbauvorhaben eingeholt werden muß, richtet sich dabei nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. 2 Eine zusätzliche Problematik stellt dabei der Umstand dar, daß manche Zulassungsentscheidungen eine umfassende oder beschränkte Konzentrationswirkung besitzen und damit andere öffentlichrechtliche Genehmigungen ersetzen.3 Andererseits sind zum Teil auch mehrere Genehmigungen in jeweils eigenständigen Verfahren von verschiedenen Behörden parallel zu erteilen. 4 Insgesamt erweist sich die Rechtslage auch auf Grund der föderalen Vielfalt der maßgeblichen Gesetze als etwas unübersichtlich. Im folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten behördlichen Zulassungsentscheidungen für Kiesabgrabungen gegeben werden. Untersucht wird das Bergrecht, das Wasserrecht, das Abgrabungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das Bauordnungsrecht, das Naturschutz- und Landschaftspflegerecht, das Bodenschutzrecht, das Immissionsschutzrecht und am Rande auch noch sonstige gesetzlich vorgesehene Zulassungsentscheidungen, die im Zusammenhang mit der Abbautätigkeit relevant werden können. Dabei 1 Büllesbach, Abgrabungen, S. 33; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 4, S. 291 f., S. 296 ff, der die Zersplitterung und Kompliziertheit des Genehmigungssystems bei der Bodenschätzegewinnung beklagt; ebenso Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (181 ff); Grupp, AöR 1997, S. 510, macht diesen Umstand mit dafür verantwortlich, daß die Rechtsfragen von Abgrabungen trotz ihrer erheblichen wirtschaftlichen und ökologischer Bedeutung zu wenig erörtert werden. 2 Büllesbach, Abgrabungen, S. 35; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 291 f. 3 Büllesbach, Abgrabungen, S. 35. 4 Büllesbach, Abgrabungen, S. 35; kritisch dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 4 f.

142

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

wird auch geklärt, in welchem Verhältnis die entsprechenden Zulassungsentscheidungen jeweils zueinander stehen, d.h. ob und inwieweit diese mit Konzentrationswirkung ausgestattet sind.

I. Bergrecht Das Bundesberggesetz5 regelt auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) umfassend insbesondere die Aufsuchung und Gewinnung von sogenannten bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen in ihren Voraussetzungen, ihrer Durchführung sowie in der Abwicklung ihrer Auswirkungen auf Rechtsgüter Dritter (vgl. §§ 1 bis 3 BBergG). 6 Die vom BBergG erfaßten bergbaulichen Tätigkeiten bedürfen einer bergrechtlichen Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung (§ 3 Abs. 2, §§ 6 ff. BBergG), auf deren Grundlage ein behördliches Kontrollverfahren durchgeführt wird. Jeder Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetrieb darf entweder nach Maßgabe des § 51 BBergG nur aufgrund eines zugelassenen Betriebsplans errichtet, geführt und eingestellt werden (vgl. §§50 Abs. 1 S. 3, 52, 53 BBergG) oder ist vom Unternehmer jedenfalls rechtzeitig anzuzeigen (§ 50 Abs. 1 S. 1 BBergG). 7 Im Hinblick auf den beschränkten Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes bedürfen die Begriffe der bergfreien und grundeigenen Bodenschätze einer näheren Betrachtung. 8 Bodenschätze sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BBergG mit Ausnahme von Wasser alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde, auf dem Meeresgrund, im Meeresuntergrund oder im Meerwasser vorkommen. 9 Unter den bergrechtlichen

5 Das Bundesberggesetz von 1982 ersetzt die bis dahin gültigen landesrechtlichen Berggesetze und zahlreiche Nebengesetze des Bundes und der Länder. Die außer Kraft getretenen bundes- und landesrechtlichen Rechtsquellen sind in §§ 175, 176 BBergG aufgelistet. Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 38 m.w.N. Zur Zeit bestehen Überlegungen, neue Abgrabungsgesetze in den Ländern, z.B. in Brandenburg einzuführen, vgl. Freytag und Schade, zit. bei Krüger, DVB1. 1997, S. 1371 (1373); kritisch dazu Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (182). 6 BVerwG, DVB1. 1989, S. 663 (664); Büllesbach, Abgrabungen, S. 38. 7 BVerwG, DVB1. 1989, S. 663 (664). 8 Hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit einer Gewinnung werden alle bergrechtlichen Bodenschätze gleich behandelt. Der Unterschied zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen besteht nur in der eigentumsrechtlichen Zuordnung und den damit zusammenhängenden Folgeproblemen. Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 295. 9 Vgl. zu Versteinerungen, die nach der Verkehrsauffassung nicht zu den mineralischen Rohstoffen zu zählen sind, BVerwG, NuR 1997, S. 193 (195).

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

143

Begriff des Bodenschatzes fallen zweifellos auch Kiesvorkommen, da es sich hierbei entgegen der umgangssprachlichen Bedeutung des Ausdrucks „Bodenschatz" nach der Legaldefmition des Bergrechts nicht um besonders exklusive Materialien handeln muß. 10 In § 3 Abs. 3 zählt das BBergG die bergfreien Bodenschätze einzeln auf und bezieht darüberhinaus in den Begriff alle Bodenschätze im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer sowie Erdwärme ein. Kies, der nicht ausdrücklich erwähnt ist, gilt folglich nur dann als bergfreier Bodenschatz, wenn er im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer vorkommt. 11 In § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG sind grundeigene Bodenschätze aufgezählt. Zudem gelten die von § 3 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 BBergG nicht erfaßten Bodenschätze nach der Auffangnorm des § 3 Abs. 4 Nr. 2 BBergG ebenfalls als grundeigene Bodenschätze, wenn sie untertägig abgebaut werden. Da Kies nicht ausdrücklich zum grundeigenen Bodenschatz nominiert worden ist und auch nicht untertägig abgebaut wird, fällt er (jedenfalls sofern er sich nicht im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer befindet) ebensowenig in den Anwendungsbereich des BBergG wie beispielsweise fast alle Sande12, Zementstoffe wie Kalk und Gips 13 und bestimmte andere Festgesteine.14 In den neuen Bundesländern bestand aufgrund des Einigungsvertrages eine abweichende Regelung.15 Danach unterfielen alle Steine- und Erdbodenschätze, insbesondere auch Kiese und Kiessande, dem Geltungsbereich des BBergG, wobei die hochwertigen Kiese zur Kategorie der bergfreien Bodenschätze

10

Vgl. dazu BVerwG, UPR 1991, S. 23 (24). Vgl. zur Berechtigung zum Abbau von Sand und Kies im Jadebusen, BVerwG, UPR 1991, S. 23 (25). 12 Vgl. allerdings § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG in Bezug auf bestimmte Quarzsande; dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 296. Kritisch zu den bergrechtlichen Abgrenzungskriterien, Schwab, AgrarR 1986, S. 303. 13 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 297. 11

14

Berkemann, DVB1. 1989, S. 625; Burckhardt , ZfB

1994, S. 8; Piens/Schul-

te/Vitzthum, BBergG, §3 Rn. 24; Beddies, Einstellung eines Bergwerkes, S. 161; GaentzscK NVwZ 1998, S. 889 (890). Verfehlt daher VGH Kassel, NVwZ 1991, S. 494 (495), der davon ausgeht, daß eine Kiesgrube der Bergaufsicht unterliege. Zur Kritik an der z.T. willkürlich erscheinenden Zuordnung von Rohstoffen, die sich auch nicht mit dem Grad der Bedeutung des Rohstoffes für die Volkswirtschaft begründen lasse, Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 297. Es sei beispielsweise nicht einzusehen, daß Speckstein, den es nur in Südbayern gebe, nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG als grundeigener Bodenschatz unter das Bergrechtsregime falle, aber die für die gesamte Bauindustrie existentiellen Baustoffe wie Kies, Kalk und Gips nicht. 15 Art. 8 i.V.mit Anlage I Kap. V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe a Einigungsvertrag.

144

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

gezählt wurden. 16 Die gespaltene Rechtslage wurde als problematisch empfunden. 17 Inzwischen wurden die Kiese und Kiessande durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen in Angleichung an das westdeutsche Recht dem Bergrecht wieder entzogen.18 In bezug auf Bergbauberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestanden haben, gelten allerdings die bergrechtlichen Regelungen fort 19 , so daß das Bergrecht bei Kiesabbauvorhaben in den neuen Bundesländern auch weiterhin von einiger praktischer Bedeutung sein wird. 2 0 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß der Kiesabbau in der Bundesrepublik in aller Regel nicht unter das Regime des Bergrechts fällt. Auf die Erörterung der Ausnahmen, die den Kiesabbau im Bereich des Festlandssockels und der Küstengewässer betreffen oder sich aus den genannten Übergangsregelungen für die neuen Bundesländer ergeben, soll im folgenden verzichtet werden. Insoweit kann auf die bergrechtliche Literatur verwiesen werden, die sich auch mit dem Verhältnis von Raumordnung und bergrechtlichen Zulassungsverfahren auseinandergesetzt hat. 21

16

Vgl. dazu Burckhardt , ZfB 1994, S. 8; Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (261); Gaentzsch, DVB1. 1993, S. 527 (528); Gaentzsch, NVwZ 1998, S. 889 (890); Büllesbach, Abgrabungen, S. 39; Weller, bergbau 11/90, S. 494; v. Bargen, Neue Justiz 1996, S. 627; umfassend HüfferlTettinger, Sand und Kies; vgl. zur Vereinbarkeit der unterschiedlichen Regelungen mit Art. 3 GG; vgl. auch BVerwG, NuR 1994, S. 28, 29 f. sowie BVerfG, LKV 1998, S. 17 f. 17 Vgl. zur Kritik Weller, bergbau 11/90, S. 494 f. Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen, BT-Drs. 13/3876, abgedruckt auch in ZfB 1996, S. 101 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 295, S. 298 f. 18 § 1 Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen v. 15. April 1996 (BGBl. I S. 602). Kritisch zu diesem Gesetz Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 299. Vgl. zur Würdigung des Gesetzes auch Krüger, DVB1. 1997, S. 1371; Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 ff. 19 § 2 Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen. Durch diese Regelung sollte der Bestandsschutzgarantie (Art. 14 GG) sowie dem Vertrauensschutzprinzip Rechnung getragen werden. Vgl. dazu B, zu § 2 der Begründung zum Entwurf des Gesetzes, BT-Drs. 13/3876; abgedruckt auch in ZfB 1996, S. 101 ff. Nach Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 297 ff., wäre eine Angleichung des westdeutschen Rechts an das Recht der neuen Bundesländer sinnvoller gewesen; Vgl. auch

Dämmert, zit. bei Krüger, DVB1. 1997, S. 1371 (1372). 20 21

Kulimann, zitiert bei Krüger, DVB1. 1997, S. 1371 (1372). Allgemein zum Verhältnis von Raumordnung und Bergrecht: Erbguth, VerwArch

1996, S. 258; Burckhardt, ZfB 1994, S. 8; Rausch, Bergbau, S. 45 ff., 154 ff.; Stiens,

Der bergrechtliche Betriebsplan; Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 ff.; Büllesbach, Abgrabungen S. 73 ff., 89 ff.; Dickschen, Raumordnungs verfahren, S. 190 ff.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 134; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 276 ff.; Krüger, DVB1. 1997, S. 1371 (1374); Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 ff.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

145

IL Wasserrecht Das auf der Grundlage des Art. 75 Abs. 4 GG erlassene rahmengesetzliche Wasserhaushaltsgesetz und die Landeswassergesetze regeln den medialen Schutz und die Nutzung der Gewässer. 22 Die Regelungen dienen der Sicherung der Gewässer und der geordneten, gemeinwohlverträglichen und ökologisch vertretbaren Bewirtschaftung des ober- und unterirdischen Wassers nach Menge und Beschaffenheit. 23 Unter Gewässer sind das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (oberirdische Gewässer), die Küstengewässer sowie das Grundwasser zu verstehen.24 Bei der Aushebung von Kiesgruben, die häufig eine beträchtliche Tiefe erreichen, treten regelmäßig Konflikte mit dem Grundwasser auf, so daß wasserrechtliche Zulassungen notwendig werden. Bei den in Betracht zu ziehenden wasserrechtlichen Regelungen ist dabei zwischen den Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren für Ausbauvorhaben (§ 31 WHG) 2 5 sowie den Erlaubnissen und Bewilligungen für die Gewässerbenutzung (§§ 2, 7, 8 WHG) 2 6 zu differenzieren. Für Kiesabbauvorhaben können im übrigen auch die auf der Grundlage des § 35 WHG erlassenen landeswasserrechtlichen Sondervorschriften über Erdaufschlüsse relevant werden. 27 Da aus diesen indes in erster Linie lediglich zusätzliche Anzeigepflichten für den Kiesabbauunternehmer resultieren können sowie die Möglichkeit der Behörde, Untersagungs- und vielfach auch Beseitigungsanordnungen zu treffen, solange die erforderliche wasserrechtliche Zulassungsentscheidung noch nicht erteilt wurde 28 , sollen sie im folgenden vernachlässigt werden.

22

Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 127. Vgl. § 1 a Abs. 1 WHG. Vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf des Bundesregierung, BT-Drs. 2/2072, S. 17. 24 § 1 Abs. 1 WHG. 25 Vgl. zum Landesrecht z.B. Art. 58 BayWG; § 117 BremWG; §§ 127 f. NdsWG; § 72 SWG; § 120 WG LSA; § 70 LWaG M.-V.; §§ 100 ff. LWG NW; § 80 SächsWG; § 64 WG BaWü. 26 Vgl. zum Landesrecht z.B. § 3 f. NdsWG, Art 15 ff. BayWG; §§ 13 ff. SWG; §§ 4 f. WG LSA; §§ 4 ff. LWaG M.-V.; §§ 11 SächsWG; § 13 ff. WG BaWü. 27 Z.B. Art. 34 BayWG; § 37 WG BaWü; § 139 WG LSA; § 138 NdsWG; § 36 SWG; § 33 LWaG M.-V.; Rausch, Bergbau, S. 76. 28 Vgl. z.B. Art. 34 Abs. 1, 2 BayWG; § 36 SWG; § 139 WG LSA; § 33 LWaG M.V.; § 45 SächsG. Die Vorschrift des § 138 NdsWG betrifft demgegenüber lediglich Erdaufschlüsse, die nicht schon nach anderen Vorschriften genehmigungs- oder überwachungspflichtig sind und somit insbesondere nicht bereits von § 31 WHG bzw. §§2, 7, 8 WHG erfaßt sind. Vgl. allgemein zur Funktion der Vorschriften über Erdaufschlüsse und zum Verhältnis zu anderen wasserrechtlichen Vorschriften Czychowski, WHG, § 35 23

Rn. 1 f.; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, 10 Spiecker

WHG, § 35, Rn. 3 f.

146

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen 1. Planfeststellungsverfahren

(§ 31 Abs. 2 WHG)

Nach §31 Abs. 2 S. 1 WHG bedarf die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Ausbau) eines Planfeststellungsverfahrens, das den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entspricht. Die Planfeststellungsbedürftigkeit besteht indes nach der erst durch die 6. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz29 eingefügte Vorschrift des § 31 Abs. 2 S. 3 WHG nicht, wenn ein Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und dadurch keine erhebliche nachteilige Veränderung des Wasserhaushaltes verursacht wird. Beurteilt man die Vorschrift des § 31 Abs. 2 WHG nach dem möglichen Inhalt einer Rahmenvorschrift im Sinne des Art. 75 GG, ist sie zwar nicht als eine in Einzelheiten gehende Regelung zu qualifizieren, wohl aber als für jedermann unmittelbar geltende Norm. 30 Zwar verbleibt den Ländern ein erheblicher Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Planfeststellungsverfahrens, der Wirkung der Planfeststellung und einer etwaigen Ausbaupflicht 31, durch § 31 WHG soll indes unmittelbar verbindlich für den Bürger der Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens und die Planfeststellungsbedürftigkeit geregelt werden. 32 Die durchzuführenden Planfeststellungsverfahren richten sich allerdings nach den Landeswassergesetzen33 und subsidiär nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder 34 , wobei insofern insbesondere auf den Umstand hinzuweisen ist, daß das WHG durch Landes-

29

Sechstes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 11. Nov. 1996 (BGBl. I S. 1690). Vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 12. Nov. 1996 (BGBl. I. S. 1695). Vgl. auch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT - Drs. 13/4788, S. 21. 30

Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

WHG, §31 Rn. 5. Vgl. auch Reichert,

Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

WHG, § 31 Rn. 5.

NVwZ 1998, S. 17 (19, 20 Fn. 39), der darauf hinweist, daß eine unmittelbar wirkende Vorschrift nicht in Einzelheiten gehen muß, sondern sich auf die Grundsätze beschränken kann. Ungenau Büllesbach, Abgrabungen, S. 126. 31

32

Vgl. allgemein kritisch zur Verfassungsmäßigkeit der 6. WHG-Novelle im Hinblick auf Art. 75 Abs. 2 GG n.F., Reichert, NVwZ 1998, S. 17 ff. Da die 6. WHGNovelle indes nur eine vergleichsweise geringfügige Änderung des § 31 WHG herbeigeführt hat, dürfte die Verfassungsmäßigkeit des neuen § 31 WHG zumindest im Hinblick auf den Rechtsgedanken der Fortgeltungsvorschrift des Art. 125 a Abs. 2 S. 3 GG zu bejahen sein, durch die die Kontinuität bestehender Gesetze gewahrt werden soll. Vgl. zur Anwendbarkeit des Art. 125 a Abs. 2 GG auf Änderungsgesetze, Sommermann, Jura 1995, S. 393 (395), der zu Recht auf die Gefahr der Versteinerung des nicht mehr durch Art. 75 Abs. 2 GG gedeckten Bundesrechts hinweist. 33 Vgl. z.B. § 117 Abs. 3 Brem WG; § 107 HWG. 34

Z.B. Art. 75 BayVwVfG; § 75 VwVfG. NW.; Zeitler, in: Siederl Zeitler/Dah-

me! Knopp, WHG, § 31 Rn. 44; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 412.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

147

behörden ausgeführt wird 3 5 und als Rahmenrecht kein Bundesrecht i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 BVwVfG darstellt. 36

a) Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens bei Naßauskiesungen Wie bereits erwähnt, ist durch die 6. WHG - Novelle die Vorschrift des § 31 Abs. 2 S. 3 WHG in den Tatbestand für die Planfeststellungsbedürftigkeit von Gewässerausbauvorhaben eingefügt worden. Die Bedeutung dieser Regelung für Kiesabgrabungen wird verständlich, wenn man sich insofern den Stand der Rechtsprechung und Literatur zu § 31 WHG a.F. vergegenwärtigt.

aa) Rechtsprechung und Literatur zu § 31 WHG a.F. Bei der Ausbaggerung von Grundstücken zum Zwecke der Kiesgewinnung tritt regelmäßig Wasser zutage, wenn der Grundwasserspiegel unterschritten wird (sogenannte Naßauskiesung37). Es ist lange Zeit umstritten gewesen, ob der entstehende Baggersee ein neues oberirdisches Gewässer bildet und mithin i.S.d. §31 WHG a.F. ein Gewässer hergestellt wird, das planfeststellungsbedürftig ist, oder ob der See als ein Teil des Grundwassers betrachtet werden muß, das bei der Auskiesung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG zutagegefördert oder -geleitet wird, so daß die Ausbaggerung als Gewässerbenutzung nach §§ 2, 7, 8 WHG nur einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf. 38 Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur behandelte bisher die Freilegung von Grundwasser bei Abgrabungen als Herstellung eines Gewässers, wenn die entstehende Wasserfläche auf Dauer erhalten bleiben soll. 39 In diesem Fall gehe es nämlich nicht - wie es für die erlaubnis- oder bewilligungspflichtige Gewässerbenutzung kennzeichnend sei - um die Verleihung einer widerruflichen Befugnis oder eines befristeten Rechts zur Benutzung eines in seinem Bestand und in seiner Beschaffenheit voraus35

Vgl. Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 128.

36

Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

37

WHG, § 31 Rn. 44.

Vgl. Schneider, DÖV 1988, S. 858 (859). 38 Vgl. zu diesem Streit Büllesbach, Abgrabungen S. 44 ff. m.w.N. 39 BVerwGE 55, 220; BVerwGE 85, 155 (156); VGH München, NVwZ 1986, S. 228; VGH Mannheim, NVwZ 1986, S. 234 (235); VGH Münster, NVwZ 1986, S. 231 f.; VG Schleswig, NuR 1994, S. 408; OVG Lüneburg, ZfW 1997, S. 116; VG Freiburg, ZfW 1997, S. 61; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 49, Rn. 665; Schneider, DÖV 1988, S. 858 (859); Gaentzsch, NVwZ 1998, S. 889 (892); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 411 offenbar unter Aufgabe seiner bisherigen kritischen Haltung, vgl. dazu ders., DVB1. 1988, 963; Büllesbach, Abgrabungen S. 44 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung.

1 4 8 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen gesetzten Gewässers.40 Die offen zu Tage liegende Wasserfläche als Grundwasser zu bezeichnen, widerspreche auch dem natürlichen Sprachgebrauch. 41 Im übrigen sei eine Naßauskiesung auch dann planfeststellungsbedürfiig, wenn die Maßnahme sowohl für den Bestand des Gewässers als auch für die Raumordnung eine bedeutsame Maßnahme darstelle. 42

bb) Die Regelung des § 31 Abs. 2 WHG n. F. Die dargelegte herrschende Auffassung hat durch die neue Vorschrift des § 31 Abs. 2 S. 3 WHG zum Teil eine Bestätigung, aber auch eine Präzisierung erfahren. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien 43 ergibt, geht die Vorschrift auf einen Vorschlag der unabhängigen Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (sog. Schlichter Kommission) zurück. 44 Die Kommission hatte angeregt, „§ 31 WHG - und gegebenenfalls andere Genehmigungsvorschriften - durch Regelungen zu ergänzen, die eine eindeutige Zuweisung von Bodenabbauvorhaben zu den jeweils maßgeblichen Genehmigungsverfahren ermöglichen". 45 Ein entsprechendes Klarstellungsinteresse bestehe insbesondere deshalb, weil die Konkurrenzsituation zwischen wasserrechtlichem Planfeststellungsverfahren, immissionsschutzrechtlichen und Baugenehmigungsverfahren, Naturschutzverfahren und bergrechtlichen Betriebszulassungsverfahren zu zeitaufwendigen Untersuchungen über die für das Verfahren zuständige Behörde führe. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Bundesressorts, die Umsetzungsvorschläge für die Empfehlungen der Schlichter - Kommission erarbeiten sollte, formulierte eine dem jetzigen §31 Abs. 2 S. 3 WHG sinngemäß entsprechenden Regelungsvorschlag. 46 Auf diesen Vorschlag wird in den Gesetzesmaterialien zur Begründung der Ergänzung des § 31 Abs. 2 WHG um den Satz 3 Bezug genommen.47

40

Büllesbach, Abgrabungen, S. 44 f. m.w.N. Samper, BayVBl. 1966, S. 363; ders., BayVBl. 1972, S. 562. 42 BayVGH, ZfW 1988, 225 (228) m.w.N.; BVerwGE 55, S. 220 (223 f.); Sahwedel/Nacke, NVwZ 1985, S. 11 (713); Büllesbach, Abgrabungen, S. 45 f. 43 Vgl. die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 13/4788, S. 21. 44 Vgl. Bundesministeriumför Wirtschaft (Hrsg.), Investitionsförderung, S. 221. 45 Vgl. Bundesministerium fur Wirtschaft (Hrsg.), Investitionsförderung, S. 221. 46 Bundesministerium fur Wirtschaft, Empfehlungen, S. 54. 47 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 13/4788, S. 21. 41

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

149

Die neue Vorschrift des § 31 Abs. 2 S. 3 WHG betrifft mithin gerade Bodenabbauvorhaben. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß Naßauskiesungen grundsätzlich als Ausbauvorhaben i.S.d. § 31 Abs. 2 S. 1 WHG zu qualifizieren sind. 48 Nach §31 Abs. 2 S. 3 WHG ist ein Planfeststellungsverfahren allerdings entbehrlich, wenn die dort genannten zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Voraussetzung ist erstens, daß der Baggersee nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht.49 Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn von Anfang an geplant ist, daß die Kiesgrube nach der Ausbeute wieder verfüllt werden soll. Der Unternehmer wird dabei allerdings auch nachweisen müssen, daß er über geeignetes Füllmaterial verfügen wird und die baldige Verfullung gewährleistet ist. 50 Die Planfeststellungsbedürftigkeit entfällt zweitens nur dann, wenn durch die vorübergehende Entstehung des Baggersees keine erheblichen nachteiligen Veränderungen des Wasserhaushalts verursacht werden. Bei den erheblichen nachteiligen Veränderungen des Wasserhaushaltes ist einerseits auf solche Veränderungen abzustellen, die durch die Ausbaggerung und Freilegung des Grundwassers als solches verursacht werden. 51 Diese sind insbesondere mögliche Verschmutzungen durch sog. externe Nährstoffe, die insbesondere bei Düngung landwirtschaftlicher Flächen oder der Anwendung von Pestiziden in den Kiessee gespült werden oder durch Überschwemmungen in den See gelangen. Auch mit dem Niederschlag können Staubpartikel aus der Luft Eingang in das in der Baggergrube befindliche Grundwasser finden. 52 Da das anströmende Grundwasser in einem Kiessee dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, bilden sich ferner Algen, die die Wasserbeschaffenheit, insbesondere den Sauerstoffgehalt nachhaltig verändern. 53 Zu nennen sind ferner Grundwasserspiegelveränderungen sowie Grundwasserverluste durch Mehrverdunstung. 54

48

49

Czychowski, WHG, § 31 Rn. 4 a.

Wenn ein Baggersee einige Jahre bestehen bleiben soll, kann von einem bloß begrenzten Zeitraum nicht mehr die Rede sein. So Cychowski, WHG, § 31 Rn. 4 a. Vgl. OVG Frankfurt/Oder, ZfW 1997, S. 44 zur Planfeststellungsbedürftigkeit, wenn die Wasserfläche für mehr als 6 Jahre bestehen bleiben soll. 50 Vgl. Cychowski, WHG, § 31 Rn. 4 a., der allerdings darauf hinweist, daß wasserunschädliches Füllmaterial in ausreichender Menge erfahrungsgemäß nicht zur Verfügung steht. 51 Vgl. zu den Gefahren der Naßauskiesung für den Wasserhaushalt BVerfGE 58, S. 300 (344); ausführlich und anhand der Untersuchung von Sand- und Kiesabbauvorhaben im Wesertal an der Porta Westfalica Könemann, Sand- und Kiesabbau, S. 123 ff. m.w.N., der allerdings auch daraufhinweist, daß der Einfluß eines Kiesteiches jedenfalls auf den Grundwasserchemismus von einigen Autoren sogar als positiv bewertet wird. 52 Könemann, Sand- und Kiesabbau, S. 127 f. 53 Könemann, Sand- und Kiesabbau, S. 127. 54 Könemann, Sand- und Kiesabbau, S. 123 ff.

1 5 0 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen Bei der Entscheidung über die Planfeststellungsbedürftigkeit eines Vorhabens wurde in der Literatur und Rechtsprechung wie bereits erwähnt dem Kriterium der Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens Bedeutung beigemessen.55 Die Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens sollte danach für das Erfordernis einer Planfeststellung sprechen. Dem ist indes entgegenzuhalten, daß der Gesetzeswortlaut des § 31 Abs. 2 WHG dafür keinerlei Anhaltspunkte liefert. Obgleich die Planfeststellungsbedürftigkeit eines Vorhabens de facto regelmäßig auch mit dessen Raumbedeutsamkeit einhergeht, kann hierin kein zwingenden Zusammenhang erblickt werden. Im geltenden Recht gibt es zahlreiche Fälle, in denen raumbedeutsame Vorhaben lediglich genehmigungsbedürftig sind, z.B. die Genehmigung von Kernkraftwerken 56.Umgekehrt muß ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben keineswegs immer raumbedeutsam sein, wie der Umkehrschluß aus § 1 S. 3 Nr. 7 RoV ergibt. 57 Danach ist ein Raumordnungsverfahren für ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben nach § 31 WHG nur dann durchzuführen, wenn es im Einzelfall raumbedeutsam und von überörtlicher Bedeutung ist. Die Raumbedeutsamkeit des Vorhabens taugt mithin jedenfalls de lege lata nicht als Abgrenzungskriterium zwischen der wasserrechtlichen Planfeststellung und der bloßen Genehmigung für Gewässerbenutzungen.58 Zusammenfassend ergibt sich folglich, daß Naßauskiesungen grundsätzlich planfeststellungsbedürftig sind, gleichviel ob sie raumbedeutsam sind oder nicht. Naßauskiesungen, bei denen ein Baggersee nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht, sind allerdings von der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens freigestellt, wenn dadurch keine erhebliche nachteilige Veränderung des Wasserhaushalts verursacht wird.

b) Umfassende Konzentrationswirkung der Planfeststellung Dem Planfeststellungsbeschluß kommt nach Landesrecht 59 eine umfassende Konzentrationswirkung zu, so daß neben der Planfeststellung andere behörd-

55 BayVGH, ZfW 1988, 225 (228) m.w.N.; BVerwGE 55, S. 220 (223 f.); Salzwedel/Nacke, NVwZ 1985, S. 711 (713); Büllesbach, Abgrabungen, S. 45 f. 56 Die bloße Genehmigungsbedürftigkeit von Kernkraftwerken ist allerdings auch nicht unumstritten; vgl. Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501 (1504) m.w.N. 57 Vgl. zu den Begriffen „raumbedeutsam" und „überörtliche Bedeutung", Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (274). 58 Eine andere Frage ist, ob die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bei allen raumbedeutsamen Abgrabungsvorhaben de lege ferenda sinnvoll wäre. Vgl. zum Zweck des Planfeststellungsverfahrens, Büllesbach, Abgrabungen, S. 46. 59 Vgl. z.B. § 117 Abs. 3 Brem WG; Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG; § 75 Abs. 1 S. 1 HS. 2 VwVfG. NW.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

151

liehe Entscheidungen, insbesondere öfFentlichrechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich sind. 60

2. Plangenehmigung (§ 31 Abs. 3 WHG) Das Wasserhaushaltsrecht kennt von jeher die Plangenehmigung für Gewässerausbauvorhaben als Alternative zur Planfeststellung. 61 Der durch die sechste Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz62 neugefaßte § 31 Abs. 3 WHG bestimmt, daß der Gewässerausbau auch ohne vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens genehmigt werden kann 63 , wenn es sich um einen Ausbau von geringer Bedeutung handelt, das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG genannte Schutzgüter haben kann oder wenn es den Zweck verfolgt, eine wesentliche Verbesserung für diese Schutzgüter herbeizuführen. § 31 Abs. 3 WHG zählt ebenso wie § 31 Abs. 2 WHG zu den unmittelbar geltenden Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes.64 Allerdings verbleibt den Ländern ebenso wie bei der Planfeststellung ein Gestaltungsspielraum, der auch die Ausgestaltung des Verfahrens und die Rechtswirkungen der Plangenehmigung betrifft, da insbesondere auch das VwVfG des Bundes, in dem inzwischen mit § 74 Abs. 6, 7 VwVfG Vorschriften zur Plangenehmigung enthalten sind 65 , auf die wasserrechtliche Plangenehmigung keine Anwendung findet. 66 Die wasserrechtliche Plangenehmigung i.S.d. § 31 Abs. 3 WHG ergeht nach dem Landesrecht in einem einfachen Genehmigungsverfahren und unterliegt wesentlich geringeren Verfahrensanforderungen als das förmliche Plan-

60

Büllesbach, Abgrabungen, S. 46 f. § 34 Abs. 1 S. 3 WHG i.d. Fassung vom 27. Juli 1958 (BGBl. I, 1110, ber. 1386). Vgl. auch Ringel, Plangenehmigung, S. 35, S. 37, der daraufhinweist, daß das Rechtsinstitut der Plangenehmigung seinen Ursprung im wasserrechtlichen Fachplanungsrecht hat; allgemein zur Plangenehmigung Jarass, DVB1. 1997, S. 795 (96 ff.) Schmitz!Wessendorf, NVwZ 1996, 955 (960). Vgl. zum Landesrecht z.B. Art. 58 BayWG; §§ 120, 129 WG LSA. 62 Sechstes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ν. 1. 11. 1996 (BGBl. I, S. 1690). 63 Vgl. zum Auswahlermessen der Behörde zwischen Plangenehmigung und Planfeststellung Jarass, DVB1. 1997, S. 795 (797); Rosenbach, DVB1. 1997, S. 1223 (1225). 61

64

Vgl. Zeitler, in: Siederl Zeitler !Dahme!Knopp, WHG, § 31, Rn. 5 a.

65

Die Vorschriften wurden durch Gesetz v. 12. 9. 1996 (BGBl. I, S. 1354) angefügt. Vgl. zum fehlenden Anwendungsbereich des BVwVfG im Hinblick auf die Ausführung rahmenrechtlicher Regelungen, § 1 Abs. 2 S. 1 BVwVfG. Zeitler, in: 66

SiederIZeitlerlDahme!Knopp,

WHG, § 31 Rn. 44.

152

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

feststellungsverfahren. 67 Es bedarf insbesonderer keiner umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung68, keiner Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände69 und keiner Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung 70. Die Plangenehmigung dient somit der Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren. 71

a) Voraussetzungen für eine Plangenehmigung bei Naßauskiesungen Als Gegenstand einer Plangenehmigung kommen nach § 31 Abs. 3 WHG von vornherein nur Gewässerausbauvorhaben in Betracht, d.h. im Hinblick auf den Kiesabbau nur die von der Vorschrift des § 31 Abs. 2 WHG erfaßten Naßauskiesungen. Diese Vorhaben werden allerdings häufig nicht die zusätzlichen Anforderungen des § 31 Abs. 3 WHG erfüllen, so daß dann auch eine bloße Plangenehmigung als Ersatz für die Planfeststellung ausscheidet. Etwas anderes kann allerdings bei kleinen Baggerseen, bei geringfügigen Erweiterungen oder einer bloßen Vertiefung von bestehenden Baggerseen gelten. 72 Was die geringe Bedeutung eines solchen Vorhabens anbelangt, gibt dabei die beispielhafte,

67

Vgl. z.B. Art. 74 Abs. 6 BayVwVfG; § 74 Abs. 6 Brem VwVfG. Vgl. allgemein zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens durch den Einsatz der Plangenehmigung Ringel, Plangenehmigung, S. 21 ff. 68 Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren finden auf die Plangenehmigung keine Anwendung. Allgemein kritisch dazu Fisahn, ZUR 1996, S. 180 (185 f.), im Hinblick auf den Grundrechtsschutz durch Verfahren. 69 Vgl. dazu die Vorschrift des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG, die sich ihrem Wortlaut entsprechend nur auf Planfeststellungen bezieht; Axer, DÖV 1995, S. 495 (497). Etwas anderes gilt z.T. nach Landesrecht. Zum Beispiel sieht § 51 a Abs. 1 Nr. 6 NatSchG LSA die Beteiligung der Naturschutzverbände bei Plangenehmigungsverfahren vor, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. Vgl. zum verfassungsrechtlichen aus Art. 20 a GG herzuleitenden Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände an Abwägungsentscheidungen Fisahn, ZUR 1996, S. 180 (186). 70 Nach Lübbe-Wolff, ZUR 1997, S. 61 (70) ist die Regelung des § 31 Abs. 3 WHG i.V.m. Nr. 6 der Anlage zu § 3 UVPG insofern europarechtswidrig, als auch Ausbauvorhaben i.S.d. § 31 Abs. 3 Nr. 3 WHG von der Planfeststellungspflicht und damit der UVP-Pflicht freigestellt werden, wenn sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVPG haben können. A.A. Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 31 Rn. 415; Czychowski, WHG, § 31 Rn. 24. Vgl. zur entsprechenden europarechtlichen Problematik bezüglich der Voraussetzungen der Plangenehmigung nach § 74 Abs. 6 VwVfG: Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955 (960 f.); Gassner, NuR 1996, S. 492 (495 ff.) jeweils m.w.N.; Schink, zitiert bei Mitschang, NVwZ 1997, S. 876 (877). 71 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4788, S. 21; Bundesministerium fur Wirtschaft, Investitionsförderung, S. 226.; Ringel, Plangenehmigung, S. 17 ff. m.w.N. 72 Ansatzweise Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (181).

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

153

nicht abschließende Aufzählung in §31 Abs. 3 Nr. 1 WHG einen Anhaltspunkt 73 . Bemerkenswert ist allerdings, daß die Landeswassergesetze auch speziellere Anforderungen an die wasserrechtliche Plangenehmigung normiert haben. Z.B. ist nach § 120 Abs. 1 S. 2 WG LSA eine Plangenehmigung anstelle der Planfeststellung nur zulässig, wenn nach öffentlicher Bekanntmachung festgestellt wurde, daß mit Einwendungen nicht zu rechnen ist. Diese Voraussetzungen müssen zusätzlich zu denjenigen des § 31 Abs. 3 WHG erfüllt sein. Ferner haben manche Länder die Plangenehmigung zum Teil bereichsübergreifend in Anlehnung an den am 19.9.1996 eingeführten § 74 Abs. 6 VwVfG 7 4 in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen geregelt. 75 Anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann danach eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden 76 oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben und mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob zusätzlich zu den in § 31 Abs. 3 WHG genannten Voraussetzungen auch diejenigen der Landesverwaltungsverfahrensgesetze vorliegen müssen, damit eine wasserrechtliche Plangenehmigung durchgeführt werden darf. Dabei fällt auf, daß im Wasserhaushaltsgesetz nichts über die Rechtswirkungen der Plangenehmigung aussagt wird, die sich vielmehr nach den Landeswassergesetzen bzw. den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen richten. 77 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, daß durch § 31 Abs. 3 WHG unabhängig von den Rechtswirkungen die Voraussetzungen der Plangenehmigung abschließend geregelt werden sollten, zumal das Wasserrecht eine andere Zielrichtung hat. 78 Die wasserrechtlichen und die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen der Voraussetzungen der Plangenehmigung stehen insofern nicht zwingend in

73

Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

74

Vgl. Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 12. 9. 1996, BGBl I,

1354.

WHG, § 31 Rn. 416 a.

75 Z.B. Art. 74 Abs. 6 BayVwVfG; § 74 Abs. 6 BremVwVfG; Von der unverzüglichen Anpassung weiterer Landesverwaltungsverfahrensgesetze an § 74 Abs. 6 VwVfG des Bundes ist auszugehen, vgl. dazu Schmitz/Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955, (956, 961). 76 Vgl. zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals Jarass, DVB1. 1997, S. 795

(796 f.); Rosenbach, DVB1. 1997, S. 1223 ff. 77 Vgl. Zeitler, in: Siederl Zeitler/Dahme/Knopp, 78 Vgl. Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

WHG, § 31, Rn. 415. WHG, § 31, Rn. 415.

1 5 4 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen einem Verhältnis ergänzen. 79

der Spezialität/Subsidiarität,

sondern können einander

Die Plangenehmigung ist somit nur zulässig, wenn sowohl die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 WHG als auch diejenigen der Landeswassergesetze bzw. der Landesverwaltungsverfahrensgesetze für Plangenehmigungen gegeben sind. 80

b) Konzentrationswirkung der Plangenehmigung Was das Verhältnis der Plangenehmigung zu den sonstigen Zulassungserfordernissen für Kiesabbauvorhaben anbelangt, ist zunächst von den ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften auszugehen, die sich in den Landeswassergesetzen und den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen finden. Nur wenige Landeswassergesetze enthalten diesbezügliche Regelungen.81 Die entsprechenden Vorschriften statten die wasserrechtliche Plangenehmigung mit Konzentrationswirkung aus, die allerdings unterschiedlich stark ausgestaltet ist. 82 Zum Beispiel ersetzt die Plangenehmigung in Hessen nach § 107 Abs. 3 HWG alle für das Verfahren erforderlichen öffentlich-rechtlichen Entscheidungen. Sie ist folglich durch eine umfassende Konzentrationswirkung gekennzeichnet. Demgegenüber ersetzt beispielsweise die wasserrechtliche Plangenehmigung in Niedersachsen nach § 128 Abs. 1 S. 2 NWG lediglich sonstige nach dem NWG erforderlichen Genehmigungen und enthält die nach dem niedersächsischen Baurecht erforderlichen Genehmigungen, Zustimmungen und dergleichen sowie die nach dem Niedersächsichen Naturschutzgesetz erforderlichen Genehmigungen. Wegen des beschränkten Kreises der eingeschlossenen Zulassungsentscheidungen kann man hierbei von einer nur partiellen Konzentrationswirkung sprechen. Letzteres gilt im übrigen beispielsweise auch für die wasserrechtliche Plangenehmigung in Sachsen - Anhalt. 83

79 Es kommt jeweils darauf an, welche Rechtswirkungen der wasserrechtlichen Plangenehmigung nach dem Landesrecht zukommen soll. Im Ergebnis ebenso Zeitler, in:

SiederlZeitler !Dahme/Knopp, WHG, § 31, Rn. 415. Etwas unklar Schmitzl Wessendorf,

NVwZ 1996, S. 955 (960). 80 Ansatzweise i.E. ebenso Weinreich, NVwZ 1997, S. 949, der von „zusätzlichen Voraussetzungen" in den Fachgesetzen gegenüber dem VwVfG spricht. Wohl auch Stüer, DVB1. 1997, S. 326 (328). 81 Z.B. § 107 Abs. 3 HWG; § 128 Abs. 1 NdsWG; § 129 Abs. 1 WG LSA. 82 Vgl. dazu auch Ringel, Plangenehmigung, S. 180, 189 ff. 83 § 129 Abs. 1 WG LSA lautet: Die Plangenehmigung ersetzt sonstige nach diesem Gesetz notwendige und enthält die nach dem Baurecht erforderlichen Genehmigungen, Zustimmungen und dergleichen.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

155

Sofern die Landeswassergesetze keine spezialgesetzlichen Regelungen zu den Rechtswirkungen der wasserrechtlichen Plangenehmigung enthalten, ist auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zurückzugreifen. Die meisten Landesverwaltungsverfahrensgesetze messen Plangenehmigungen dieselben Rechtswirkungen bei wie der Planfeststellung mit Ausnahme der enteignungsrechtlichen Vorwirkung. 8 4 Der Plangenehmigung kommt in diesen Ländern mithin umfassende Konzentrationswirkung zu. Fraglich ist, ob die Plangenehmigung auch in den Ländern Konzentrationswirkung entfaltet, in denen ausdrückliche Regelungen zu dem Verhältnis von Plangenehmigung zu sonstigen Zulassungsentscheidungen fehlen. 85 Die Plangenehmigung tritt an die Stelle der Planfeststellung und dient der Verfahrensvereinfachung. Aus dieser Funktion könnte man schließen, daß die Zuerkennung der Konzentrationswirkung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, da der Vorhabenträger anderenfalls aufwendige parallele Genehmigungsverfahren durchführen müßte. 86 Dem muß allerdings entgegengehalten werden, daß durch die Konzentrationswirkung in die fachgesetzlich geregelte Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung eingegriffen wird. 8 7 Änderungen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung bedürfen indes ihrerseits einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. 88 Das Beispiel des niedersächsischen und sachsen-anhaltinischen Landeswasserrechts zeigt zudem, daß für die Plangenehmigung grundsätzlich auch eine nur partielle Konzentrationswirkung in Betracht kommt. Angesichts der differenzierten Regelungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber in einem ganzen Spektrum gestufter Konzentrationswirkungen offenstehen, erscheint es anmaßend, ohne gesetzliche Regelung pauschal von einer umfassenden Konzentrationswirkung der Plangenehmigung auszugehen.

84 Z.B. Art. 74 Abs. 6 S. 2 BayVwVfG; § 74 Abs. 6 BremVwVfG; § 74 Abs. 6 HmbgVwVfG. Entsprechendes gilt auch für die Länder, deren Verwaltungsverfahrensgesetze auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes und mithin auf § 74 Abs. 6 VwVfG verweisen. 85 Z.B. in Mecklenburg-Vorpommern und in Nordrhein-Westfalen. 86 So z.B. Axer , DÖV 1995, S. 495 (500); Ronellenfitsck, Die Verwaltung Bd. 23 (1990), S. 323 (354). 87 Ringel, Plangenehmigung, S. 190 ff. 88 Ausführlich dazu Ringel, Plangenehmigung, S. 190 ff.; Müllmann, Plangenehmigung, S. 39 ff.; Czychowski, WHG § 31 Rn. 25 b, jeweils m.w.N.; a.A. RonellenfitscK Die Verwaltung Bd. 23 (1990), S. 323 (354); differenzierend Axer , DÖV 1995, S. 495 (500), der dies nur annimmt, wenn die Konzentrationswirkung - anders als bei der wasserwirtschaftlichen Plangenehmigung i.S.d. § 31 Abs. 1 S. 3 WHG a.F. - einen Eingriff in Grundrechte der vom Vorhaben Betroffenen zur Folge hat. Vgl. auch den Bericht der sog. ScMc/tfer-Kommission, wonach die „herkömmliche Plangenehmigung" Konzentrationswirkung habe, Bundesministerium für Wirtschaft, Investitionsförderung, S. 165.

1 5 6 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen Solange in die Landeswassergesetze bzw. die Landesverwaltungsverfahrensgesetze keine ausdrücklichen Konzentrationsregeln für die Plangenehmigung aufgenommen worden sind - womit freilich auf kurz oder lang in vielen Ländern zu rechnen ist 8 9 -, kommt der wasserrechtlichen Plangenehmigung folglich keine umfassende Konzentrationswirkung zu. 9 0 Die wasserrechtliche Plangenehmigung steht daher in einigen Ländern noch eigenständig neben den übrigen parallelen Zulassungsentscheidungen.91

3. Erlaubnis und Bewilligung (§§2, 7, 8 WHG) Nach § 2 Abs. 1 W H G bedürfen Gewässerbenutzungen grundsätzlich einer behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung. 92 Diese beiden Formen von Zulassungen unterscheiden sich dabei durch die Arten der gewährten Rechtsstellung, wie sie sich im einzelnen aus § 7 WHG für die Erlaubnis und § 8 WHG für die Bewilligung ergeben. 93 Im hier behandelten Zusammenhang kommt es indes darauf an, daß ihnen - von Ausnahmen, z.B. nach § 8 Abs. 2 S. 2 WHG abgesehen - der Gegenstand und der Umfang der ermöglichten Gewässerbenutzung gemeinsam ist 9 4 . Die Einzeltatbestände der Gewässerbenutzung sind in § 3 W H G geregelt. Für eine Kiesabgrabung kommt dabei entweder die Benutzungsmodalität des § 3 Abs. 1 Nr. 6 W H G oder die des § 3 Abs. 2 Nr. 2 W H G in Betracht, je nach dem, ob es sich um eine Naßauskiesung handelt oder nicht.

89

So Schmitz/Wessendorf NVwZ 1996, S. 955, (956). Davon geht auch die sog. Schlichter-Kommission aus, Bundesministerium für Wirtschaft, Investitionsförderung, S. 171. 90 Ringel, Plangenehmigung, S. 195, weist zu Recht darauf hin, daß dadurch der verfahrensvereinfachende Effekt der Plangenehmigung weitestgehend wieder zunichte gemacht wird, so daß gesetzliche Regelungen zu begrüßen sind, die die Konzentrationswirkung der Plangenehmigung anordnen. 91 Ungenau Büllesbach, Abgrabungen, S. 47, der die Konzentrationswirkung der wasserrechtlichen Plangenehmigung pauschal aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensgestaltung ablehnt, ohne indes die gesetzlichen Regelungen zu untersuchen. 92 Vgl. zum Landesrecht z.B. §§ 3 f. LWG NW. 93 Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 133; Büllesbach, Abgrabungen, S. 212. 94 Breuer, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 133.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

157

a) Erfordernis einer Erlaubnis oder Bewilligung bei Kiesabgrabungen aa) Naßauskiesungen Naßauskiesungen können eine Benutzung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG in der Form des ZutagefÖrderns und Zutageleitens von Grundwasser darstellen. 95 Schließlich wird bei Naßbaggerungen das Grundwasser 96 freigelegt. Im Hinblick auf die Funktion von Planfeststellung und Plangenehmigung müssen dabei allerdings von vornherein solche Vorhaben ausgeschieden werden, die als Gewässerausbauvorhaben nach § 31 WHG planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürftig sind. Insofern ist erneut auf § 31 Abs. 2 S. 3 WHG einzugehen. Nach dem bisher Dargelegten sind Naßbaggerungen von der Planfeststellungspflicht freigestellt, wenn der Baggersee nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und durch die vorübergehende Entstehung des Sees und der Verfüllung keine erhebliche nachteilige Veränderung des Wasserhaushalts verursacht wird. 97 Die Funktion der Vorschrift des §31 Abs. 2 S. 3 WHG, die wie bereits erwähnt auf Bodenabbauvorhaben zugeschnitten ist, besteht somit darin, die Grenze zwischen einerseits planfeststellungs- bzw. plangenehmigungsbedürfligen und andererseits erlaubnis- bzw. bewilligungsbedürftigen Naßabgrabungen klarzustellen. 98 Die unglückliche Formulierung „Satz 1 gilt nicht" darf also nicht dahingehend mißverstanden werden, als seien entsprechende Abgrabungen als Gewässerausbauvorhaben von dem Erfordernis einer wasserrechtlichen Zulassungsentscheidung gänzlich freigestellt. Eine derartige Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck, wonach nur auf das verfahrensaufwendige Planfeststellungsverfahren zugunsten des einfachen Genehmigungsverfahrens verzichtet werden sollte. 99 Die von § 31 Abs. 2 S. 3 WHG erfaßten Naßauskiesungen bedürfen folglich einer Erlaubnis bzw. Bewilligung nach §§2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 W H G . 1 0 0

95

Vgl. Büllesbach, Abgrabungen, S. 209. Vgl. zum Streit über den Begriff des Grundwassers in diesem Zusammenhang Büllesbach, Abgrabungen, S. 48. 97 Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II 1. a) bb). 98 Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II 1. a) bb). 99 Die Vorschrift weist nach ihrer Intention und Wirkungsweise zwar Ähnlichkeiten zur Zulassungsfreistellung nach § 74 Abs. 7 VwVfG auf, bei der Zulassungen nach anderen Gesetzen unberührt bleiben bzw. mangels Konzentrationswirkung aufleben. § 31 Abs. 2 S. 3 WHG wirkt im Unterschied dazu jedoch auf Tatbestandsebene, indem es die Grenze zwischen Gewässerausbauvorhaben und Gewässerbenutzungen markiert. Vgl. zur Zulassungsfreistellung Jarass, DVB1. 1997, S. 795 (796); Schmitz!Wessendorf, NVwZ 1996, 960. 96

100

Vgl. Knopp, in: SiederlZeitler!Dahme!Knopp,

1988, S. 225 ff.

WHG, § 3 Rn. 19; BayVGH, ZfW

1 5 8 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen bb) Trockenauskiesungen Trockenauskiesungen, die definitionsgemäß oberhalb des Grundwasserspiegels bleiben 1 0 1 , sowie der Kiesabbau ohne Freilegung des Grundwassers, der im Schwankungsbereich des Grundwassers liegt 1 0 2 , können nach der Auffangnorm 103 des § 3 Abs. 2 Nr. 2 W H G erlaubnispflichtig sein. 104 Eine Bewilligung scheidet nach § 8 Abs. 2 S. 2 W H G hingegen aus. Eine Erlaubnispflicht besteht nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 W H G allerdings nur dann, wenn das Abbauvorhaben geeignet ist, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizuführen. Wenn durch die Abgrabung die Bodendeckschicht wesentlich verringert wird, können durch eine zu dünne und wenig reinigungsfähige Deckschicht verschmutztes Oberflächenwasser, verschmutztes Niederschlagswasser sowie Öl- und Dieselverluste, wie sie an Arbeitsmaschinen beim Abbaubetrieb grundsätzlich nicht auszuschließen sind, in das Grundwasser gelangen. 105 Eine dünne Deckschicht kann ferner zu Verdunstungsverlusten führen. 106 Im übrigen legt die Rechtsprechung und Literatur die Vorschrift zutreffend und ihrem Auffangcharakter entsprechend extensiv aus. § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG erfaßt daher auch solche Maßnahmen, bei denen nach Art und Ausmaß die nicht nur ganz entfernt liegende theoretische Möglichkeit einer schädlichen Veränderung des Wassers besteht. 107 Von der Erlaubnispflicht dürften bei der Anwendung dieses Maßstabes in der Praxis nur wenige Trockenauskiesungen ausgenommen sein. Die wasserrechtliche Erlaubnis ist allerdings entbehrlich, wenn ein nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmendes Mindestmaß an Deckschicht über dem Grundwasser belassen bleibt. 1 0 8

101

Breuer, in Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 136; Büllesbach,

Abgrabungen, S. 49. 102 103

Knopp, in: SiederlZeitler/Dahme/Knopp, Knopp, in: Siederl ZeitlerlDahme/Knopp,

104

WHG, § 3, Rn. 19. WHG, § 3, Rn. 19.

Büllesbach, Abgrabungen, S. 211; Schulte, Raumplanung und Genehmigung,

S. 329. 105 Ausführlich zum Konflikt zwischen Trockenauskiesungen und Trinkwassergewinnung Könemann, Sand- und Kiesabbau, S. 119 ff. Vgl. auch BVerfGE 58, 300 (344); Büllesbach, Abgrabungen, S. 49. 106 Büllesbach, Abgrabungen, S. 49 m.w.N. 107

BGH, ZfW 1983, 22 (24), ZfW 1983, 25 (27); Knopp, in: SiederlZeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 3, Rn. 29 m.w.N; Czychowski, WHG, § 3 Rn. 76; Salzwedel/Nacke,

NVwZ 1985, S. 711 f.; Büllesbach, Abgrabungen S. 49. 108 Z.B. 1 m über dem höchsten Grundwasserspiegel Knopp, in: Siederl Zeitler/Dahme/Knopp, § 3 WHG, Rn. 29.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

159

b) Fehlende Konzentrationswirkung Die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung entfalten grundsätzlich keine Konzentrationswirkung. Der Kiesabbauunternehmer muß daher gegebenenfalls erforderliche Zulassungsentscheidungen nach anderen Fachgesetzen noch zusätzlich einholen. 109 Etwas anderes gilt in manchen Ländern allerdings im Hinblick auf die Baugenehmigung von Abgrabungen. 110

I I I . Bauordnungsrecht Nach den Landesbauordnungen gelten die nicht der Bergaufsicht unterliegenden Abgrabungen und somit auch Abgrabungen zum Zwecke des Kiesabbaus als bauliche Anlagen. 111 Die Länder haben allerdings sehr unterschiedlich geregelt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Abgrabung einer baurechtlichen Genehmigung bedarf. 112 Die Landesbauordnungen enthalten überwiegend differenzierte Lösungen, indem sie von einer grundsätzlich bestehenden Genehmigungspflicht bestimmte Abgrabungen ausnehmen.113 Das häufigste Kriterium für eine Genehmigungsfreiheit sind dabei Höchstmaße der Grundfläche und der Tiefe der Abgrabung. 114 Zum Teil wird dabei auch danach unterschieden, ob die Abgrabung im Außenbereich liegt oder nicht. 115 Manche Bauordnungen bestimmen, daß Abgrabungen genehmigungsfrei sind, wenn eine behördliche Zulassung nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist, z.B. die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung. 116 In den 109

Büllesbach, Abgrabungen, S. 50. Eine derartige partielle Konzentrationswirkung kommt der wasserrechtlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung z.B. in Bayern nach Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayBO im Hinblick auf Abgrabungen zu, die als Gewässerbenutzung gelten; vgl. zu dieser Vorschrift BayVGH, BayVBl. 1988, S. 368. 111 Z.B. Art. 2 S. 2 Nr. 1, Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayBO; § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BdbgBauO; § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBauO M.-V. 112 Ausführlich dazu Büllesbach, Abgrabungen S. 53 ff. 113 Vgl. z.B. Art. 62, 63 Abs. 1 Nr. 8 BayBO; §§ 66, 67 Abs. 10 Nr. 3 BdbgBauO; §§ 62, 65 Nr. 61 LBauO M.-V.; §§ 63, 65 Abs. 1 Nr. 42 BauO NW; §§ 62, 63 Nr. 57 SächsBO. 114 Genehmigungsfrei sind z.B. in Bayern Abgrabungen mit einer Grundfläche bis zu 500 qm und mit einer Tiefe bis zu 2 m (Art. 63 Abs. 1 Nr. 8 BayBO), in Brandenburg Abgrabungen mit nicht mehr als 200 qm Grundfläche und mit nicht mehr als 1,50 m Tiefe (§ 67 Abs. 10 Nr. 3 Bdbg BauO). In Sachsen kommt es nach § 63 Nr. 57 SächsBO bei Abgrabungen im Außenbereich neben der Größe auch darauf an, ob das Vorhaben an öffentliche Verkehrsräume angrenzt (dann nicht genehmigungsfrei). 1,5 Z.B. § 65 Abs. 1 Nr. 42 BauO NW; § 65 Nr. 61 LBauO M - V; § 63 Nr. 57 SächsBO. 116 Z.B. Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Vgl. i.ü. Büllesbach, Abgrabungen S. 54. 110

1 6 0 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen Ländern, in denen für eine Abgrabung eine besondere naturschutzrechtliche Abgrabungsgenehmigung eingeholt werden muß, entfällt zum Teil ebenfalls die Baugenehmigungspflicht. 117 Entsprechendes gilt für Verfahren nach dem nordrhein - westfälischen Abgrabungsgesetz. 118 Eine Baugenehmigung ist ferner entbehrlich, wenn eine Abgrabung planfeststellungsbedürftig ist. Aufgrund der umfassenden Konzentrationswirkung umfaßt dieses Verfahren auch die bauordnungsrechtliche Prüfung. 119 In den meisten Ländern entfällt die Baugenehmigung auch bei einer wasserrechtlichen Plangenehmigung.120 Die Baugenehmigung selbst hat im übrigen keine Konzentrationswirkung. 121 Eine erforderliche Baugenehmigung steht daher eigenständig und gleichrangig neben den anderen notwendigen Genehmigungen.122

IV. Das Abgrabungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen ist die Abgrabungstätigkeit in einem Spezialgesetz geregelt worden. 123 Die Bedeutung des Gesetzes besteht vor allem darin, daß es zum Schutz der Landschaft, der Ökologie und der Umwelt die folgenträchtige Materie einer Abgrabung umfassend regelt und dabei auch die Oberflächengestaltung und Wiedernutzungbarmachung des in Anspruch genommenen Geländes während und nach Abschluß der Abgrabung einbezieht. 124 Nach § 3 Abs. 1 AbgrG bedürfen Abgrabungen einer speziellen Genehmigung, die nach § 7 Abs. 1 AbgrG für ein bestimmtes Gebiet und für bestimmte Bodenschätze zu erteilen ist. Zu erwähnen ist im übrigen § 7 Abs. 5 AbgrG, wonach der

117

§ 19 Abs. 1 S. 2 NdsNatSchG. Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 60. § 7 Abs. 3 NW AbgrG; vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 54. 119 Büllesbach, Abgrabungen, S. 54. 120 Z.B. §128 Abs. 1 NdsWG; §107 Abs. 3 HessWG; Art. 74 Abs. 6 S. 2 Bay VwVfG; § 74 Abs. 6 BremVwVfG; § 74 Abs. 6 Hmbg VwVfG. Vgl. dazu oben Kap. 2, Α. II. 2 a). 121 Vgl. z.B. § 74 Abs. 1 S. 1 BauO LSA; Büllesbach, Abgrabungen, S. 54. 122 Büllesbach, Abgrabungen, S. 54. 123 Vgl. zum übrigen Landesrecht, das entsprechende Gesetze nicht (mehr) kennt, Büllesbach, Abgrabungen, S. 50 Fn. 56. Spezialregelungen für den Bimsabbau enthalten allerdings das rheinland-pfälzische Landesgesetz über den Abbau und die Verwertung von Bimsvorkommen v. 13. 04. 1949 (GVB1. S. 143) und die zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Landesverordnung v. 21. 7. 1952 (GVB1., S. 117, geändert durch Landesgesetz vom 14. 12. 1973, GVB1., S. 417). Vgl. zum Bimsabbau in RheinlandPfalz BGH, BayVBl. 1997, S. 443 f. Vgl. zu den Bestrebungen in manchen Ländern, Abgrabungsgesetze wieder neu einzuführen, Freytag und Schade, zit. bei Krüger, DVB1. 1997, S. 1371 (1373); Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (182). 124 Vgl. insbesondere § 1 Abs. 1 AbgrG; Linke, Abgrabungsgesetz, Einleitung, S. 1; 118

Schneider, DÖV 1988, S. 858 f.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 50, 52; Könemann,

Sand- und Kiesabbau, S. 76 ff.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

161

Antragsteller verpflichtet werden kann, eine bereits begonnene Abgrabung entsprechend der Genehmigung vollständig durchzuführen. Dadurch soll verhindert werden, daß nicht hergerichtete Teilflächen liegenbleiben. 125 Der Gesetzgeber versteht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AbgrG unter Abgrabungen die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, zu denen nach der nicht abschließenden Aufzählung des § 1 Abs. 2 AbgrG insbesondere auch Kies, Sand und Ton zu zählen ist. Der Geltungsbereich des Abgrabungsgesetzes ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AbgrG auf bestimmte Abgrabungen beschränkt. Ausgeschlossen ist die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, die nicht im Verfügungsrecht des Grundeigentümers stehen, sowie die Abgrabungen, die der Aufsicht der Bergbehörde unterliegen. Dadurch werden insbesondere die bergfreien und grundeigenen Bodenschätze iSd. BBergG ausgeschlossen126, zu denen Kies allerdings im Gegensatz etwa zu bestimmten Arten von Sanden und Tonen 1 2 7 wie bereits dargelegt nicht gehört. Für die Anwendbarkeit des Gesetzes spielt im übrigen die Größe der Fläche, die Tiefe des Bodeneingriffs, die Menge der Bodenschätze sowie die voraussichtliche Dauer der Abgrabung keine Rolle. 1 2 8 Nach § 7 Abs. 3 AbgrG schließt die Abgrabungsgenehmigung die aufgrund der Landesbauordnung, des Bundesnaturschutzgesetzes, des Landschaftsgesetzes, des Landesforstgesetzes oder des Landesstraßengesetzes für die Abgrabung und Herrichtung des in Anspruch genommenen Geländes erforderlichen Verwaltungsentscheidungen ein. 1 2 9 Zusätzlich zur Abgrabungsgenehmigung sind aber gegebenenfalls z.B. noch wasser-, abfall- und gewerberechtliche Entscheidungen erforderlich. 130 Der Abgrabungsgenehmigung kommt folglich regelmäßig nur eine beschränkte Konzentrationswirkung zu. 1 3 1 Eine Besonderheit gilt allerdings für solche Naßauskiesungen, für die ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren nach § 31 WHG erforderlich ist. In diesem Fall umfaßt der Planfeststellungsbeschluß aufgrund seiner umfassenden Konzen-

125

Linke, Abgrabungsgesetz, § 7, Anm. VI. Linke, Abgrabungsgesetz, § 1, Anm. I., III; Büllesbach, Abgrabungen S. 51. 127 Vgl. zu den dem Bergrecht unterstellten Spezialsanden und -tone, Linke, Abgrabungsgesetz, § 1, Anm. I. 2.2; III. 1. 128 Schneider, DÖV 1988, S. 858 (859). Eine Ausnahme gilt allerdings bezüglich Abgrabungen geringen Umfangs für den Eigenbedarf eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gem. § 1 Abs. 3 AbgrG. Diese Abgrabungen werden durch das Gesetz nicht berührt. 129 Zu den einzelnen eingeschlossenen Verwaltungsentscheidungen vgl. Linke, Abgrabungsgesetz, § 7, Anm. IV. 2. 130 Vgl. § 7 Abs. 5 AbgrG; vgl. im einzelnen dazu Linke, Abgrabungsgesetz, § 7, Anm. V.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 52 f. 131 Linke, Abgrabungsgesetz, § 7, Anm. IV. 1.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 52 f.; Schneider, DÖV 1988, S. 858 (859). 126

11 Spiecker

1 6 2 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen trationswirkung die Abgrabungsgenehmigung. 132 Die wasserrechtliche Plangenehmigung hat in Nordrhein-Westfalen hingegen keine entsprechend weitreichende Konzentrationswirkung 133 und muß daher neben der Abgrabungsgenehmigung eingeholt werden.

V. Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Das auf der Grundlage des Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG erlassene Bundesnaturschutzgesetz und die Landesnaturschutzgesetze dienen dem Ziel, Natur- und Landschaft im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft nachhaltig gesichert wird. 1 3 4 Daß dieses Ziel gerade auch im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen verfolgt werden soll, geht dabei aus dem Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG hervor.

1. Spezielle naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Abgrabungsvorhaben Manche Landesnaturschutzgesetze kennen spezielle, naturschutzrechtliche Genehmigungs- und Anzeigeverfahren für Abgrabungsvorhaben. 135 In BadenWürttemberg 136 , Niedersachsen 137, Sachsen138, Sachsen-Anhalt139 und Schleswig-Holstein 140 unterliegen Abgrabungen bzw. der Abbau von bestimmten nichtbergrechtlichen Bodenschätzen oder Bodenbestandteilen unter bestimmten Voraussetzungen einer besonderen naturschutzrechtlichen Genehmigung. Die

132 Linke, Abgrabungsgesetz, §7, Anm. V. 2.1.; Schneider, DÖV 1988, S. 859; Büllesbach, Abgrabungen S. 53, der allerdings auf gegenteilige Äußerungen in den Gesetzesmaterialien hinweist. 133 Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II. 2. b). 134 § 1 Abs. 1 BNatschG. 135 Vgl. zu den Regelungen Gassner, Das Recht der Landschaft, S. 74; Büllesbach, Abgrabungen S. 59. 136 Nach §§ 12, 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 NatSchG BW sind Kiesabgrabungen allerdings genehmigungsfrei, soweit es sich um genehmigungsfreie Vorhaben im Sinne des § 50 LBauO BW handelt. Unberührt bleiben weitergehende Vorschriften in Rechtsverordnungen über geschützte Gebiete und Gegenstände. 137 § 17 ff. NdsNatSchG. 138 § 12 SächsNatSchG. 139 § 16 NatSchG LSA. 140 § 13 Abs. 1 NatSchG SH.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

163

Regelungen weisen im Detail einige Unterschiede auf. 141 Die Genehmigung ist beispielsweise regelmäßig nur ab einem jeweils unterschiedlich bestimmten Mindestumfang der Abgrabung erforderlich. 142 Die Regelungen differieren auch bezüglich des Verhältnisses der spezialgesetzlichen Abgrabungsgenehmigung zu anderen Zulassungs- und Anzeigeverfahren. Nach § 12 Abs. 1 SächsNatSchG erstreckt sich die Genehmigungspflicht beispielsweise nur auf solche Abgrabungen, die nicht bereits nach anderen Rechtsvorschriften zulassungspflichtig sind, 143 so daß es insofern von vornherein zu keinen parallelen Genehmigungsverfahren kommt. Von einer möglichen Mehrzahl von Genehmigungen, die von der Naturschutzbehörde neben der naturschutzrechtlichen Abgrabungsgenehmigung erteilt bzw. eingeholt werden muß, geht demgegenüber das baden-württembergische 144, schleswig-holsteinische145 und sachsen-anhaltinische146 Recht aus. In Niedersachsen ergibt sich aus § 19 Abs. 1 S. 2 Nds NatSchG, daß die naturschutzrechtliche Bodenabbaugenehmigung die nach Bauordnungsrecht erforderliche Genehmigung einschließt. Die Regelung ordnet daher die partielle Konzentrationswirkung der Abgrabungsgenehmigung an und macht die Einholung einer Baugenehmigung entbehrlich. 147 Soweit es sich um ein planfeststellungsbedürftiges Naßauskiesungsvorhaben handelt, entfällt in allen Ländern das Erfordernis einer speziellen naturschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund der umfassenden Konzentrationswirkung

141 Vgl. im einzelnen zu den unterschiedlichen Regelungsmodellen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 386. 142 Nach § 17 NdsNatSchG sowie § 16 Abs. 1 NatSchG LSA gilt das Genehmigungserfordernis nur, wenn die abzubauende Fläche größer als 30 qm ist. § 13 Abs. 1 NatSchG SH setzt demgegenüber voraus, daß die betroffene Grundfläche der Abgrabung größer als 1000 qm ist oder die zu verbringende Menge mehr als 30 m 3 beträgt. Die Genehmigungspflicht nach § 12 Abs. 1 SächsNatSchG bezieht sich nur auf Abbauvorhaben im Außenbereich. 143 Vgl. z.B. § 12 Abs. 1 SächsNatSchG. 144 Nach § 13 Abs. 2 NatSchG BW werden die nach anderen Vorschriften erforderlichen Gestattungen von Abgrabungs- bzw. Kiesabbauvorhaben durch die Naturschutzbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde erteilt, soweit nicht Bundesrecht entgegensteht und es sich nicht um ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben handelt. 145 Nach §14 Abs. 3 S. 2,4 NatSchG SH hat die Naturschutzbehörde alle nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Zulassungen anderer Behörden einzuholen und gleichzeitig mit ihrer Genehmigung auszuhändigen. Dies gilt nicht für Baugenehmigungen, Planfeststellungsverfahren und bestimmte abfallrechtliche Genehmigungen. 146 § 16 NatSchG LSA enthält keine Regelung der Konzentrationswirkung der Abgrabungsgenehmigung. 147 Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 60.

1 6 4 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen der Planfeststellung 148. Auch eine wasserrechtliche Plangenehmigung macht in manchen Ländern die naturschutzrechtliche Abgrabungsgenehmigung überflüssig. 149

2. Subsidiäre landesrechtliche Genehmigungsverfahren für Eingriffe in Natur und Landschaft Im übrigen kommen bei Kiesabgrabungen auch noch sogenannte subsidiäre landesnaturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren 150 in Betracht, sofern die Vorhaben als Eingriff in Natur und Landschaft i.S.d. § 8 BNatSchG zu qualifizieren sind und nicht bereits nach anderen Vorschriften einer behördlichen Zulassungsentscheidung bedürfen. 151 In bezug auf den Eingriffscharakter von Kiesabbauvorhaben ist dabei von Bedeutung, daß die Länder auf der Grundlage des § 8 Abs. 8 BNatSchG sogenannte Positivlisten 152 erlassen haben und daß der Trocken- und Naßabbau von Kies von allen diesen Positivlisten erfaßt wird. Daraus ergibt sich die gesetzliche widerlegliche Vermutung 153 , daß

148

Vgl. auch die insofern bloß klarstellenden, ausdrücklichen Regelungen der § 14 Abs. 3 S. 4 NatSchG SH, § 13 Abs. 2 NatSchG BW. 149 Nach § 128 Abs. 1 NdsWG ersetzt die wasserrechtliche Plangenehmigung nicht die naturschutzrechtliche Abgrabungsgenehmigung. 150 Z.B. §1 Abs. 2 S. 2 NatSchG M.-V; §6 Abs. 4 LG NW; §12 Abs. 1 NatSchG BW. 151 Vgl. zur Funktion dieser Genehmigungen z.B. Gassner, Das Recht der Landschaft, S. 75, S. 134 ff.; vgl. auch Büllesbach, Abgrabungen, S. 59 ff. 152 Vgl. §10 Abs. 1 NatSchG BW; §14 Abs. 1 NatSchG Bin; §10 Abs. 2 BdbgNatSchG; §11 Abs. 1 BremNatSchG; §9 Abs. 1 HmbgNatSchG; §5 Abs. 2 HessNatSchG; § 4 Abs. 2 LG NW; § 4 Abs. 1 LPflGRP; § 10 Abs. 2 SNG; § 8 Abs. 2 SächsNatSchG; § 8 Abs. 1 NatSchG LSA; § 7 Abs. 2 NatSchG SH; § 6 Abs. 2 VorlThürNatG; Zum Teil wird bei Abgrabungen auch differenziert. Die Positivliste des § 1 Abs. 1 NatSchG M.-V. erwähnt beispielsweise nur die Gewinnung von Bodenschätzen und Abgrabungen von mehr als 2 m Tiefe oder mit einer Grundfläche von mehr als 300 qm (Nr. 1) sowie den Ausbau von Gewässern i.S.d. §31 WHG und die Benutzung von Gewässern, die den Wasserstand oder den Wasserabfluß wesentlich verändern. In Bayern und Niedersachsen fehlen Positivlisten. Vgl. allgemein zu den Positivlisten Büllesbach, Abgrabungen, S. 57. Nach der ebenfalls auf der Grundlage des § 8 Abs. 8 BNatSchG erlassenen Negativliste des § 4 Abs. 3 Nr. 3 LGNW gelten hingegen Abgrabungen geringen Umfangs für den Eigenbedarf eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nicht als Eingriff. 153

BVerwGE 85, S. 348 (354 f.); Berkemann, NuR 1993, S. 97 (99); Büllesbach,

Abgrabungen, S. 57; Gassner, Das Recht der Landschaft, S. 129 f. m.w.N.; Vgl. auch OVG Hamburg, DVB1. 1997, S. 845 (850). Das Gericht differenziert in der Entscheidung zwischen den Rechtswirkungen der hamburgischen Positivliste, die eine widerlegbare Vermutung enthalte, und der Negativliste. Im Gegensatz zur Positivliste habe der hamburgische Gesetzgeber mit der Negativliste zulässigerweise eine unwiderlegbare Vermutung statuiert.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

165

ein Kiesabbauvorhaben einen Eingriff i.S.d. § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Der Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen subsidiären Genehmigungsverfahren ist gleichwohl angesichts des engmaschigen Netzes an fachgesetzlichen Zulassungsverfahren für Kiesabgrabungen eher gering und in erster Linie bei solchen Vorhaben zu suchen, die die Mindestgrößen nicht erreichen, die für andere Zulassungsverfahren vorausgesetzt sind.

V I . Bodenschutzgesetze Nach jahrelangen Vorarbeiten 154 ist am 17. März 1998 das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) 1 5 5 verkündet worden. Obgleich das Gesetz in wesentlichen Teilen erst am 1. März 1999 in Kraft tritt 1 5 6 , soll seine etwaige zukünftige Bedeutung für die Zulassung von Kiesabgrabungen nicht unberücksichtigt bleiben. Nach § 1 BBodSchG dient das Gesetz dem Zweck, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern. Hierzu sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Bei Einwirkungen auf den Boden sollen Beeinträchtigungen seiner natürlichen Funktionen sowie seiner Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte soweit wie möglich vermieden werden. Der Titel und die Regelung der Zweckbestimmung des BBodSchG lassen auf den ersten Blick vermuten, daß dieses Gesetz auch für die Zulassung von Kiesabbauvorhaben von erheblicher Bedeutung sei. Schließlich erfüllen die für den Abbau vorgesehenen Böden insbesondere wichtige natürliche Bodenfunktionen. 157 Bei näherer Betrachtung ergibt sich aber zum einen, daß der Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 3 BBodSchG erheblich eingeschränkt ist. 1 5 8 Das Gesetz findet beispielsweise keine Anwendung auf schädliche Bodenveränderungen, soweit Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungs-

154

Vgl. dazu die umfangreichen Nachweise bei Peine, UPR 1997, S. 53 Fußnote 1. Art. 1 des Gesetzes zum Schutz des Bodens v. 17. März 1998 (BGBl. I, S. 502). Vgl. zu diesem Gesetz Vierhaus, NJW 1998, S. 1262; Kobes, NVwZ 1998, S. 786. 156 Vgl. Art. 4 des Gesetzes zum Schutz des Bodens. 157 Vgl. zu den natürlichen Bodenfunktionen § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG. Bemerkenswert ist, daß auch nicht-ökologische Bodenfunktionen geschützt werden, z.B. die Nutzungsfunktion als Rohstofflagerstätte nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BBodSchG; kritisch dazu Peine, UPR 1997, S. 53 (57); Erbguth!Stollmann, UPR 1996, S. 281 (285). 158 Kritisch dazu Peine, UPR 1997, S. 53 (56 f.). 155

1 6 6 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen rechts die Einwirkungen regeln. 159 Im hier behandelten Zusammenhang ist zum anderen besonders wichtig, daß das Gesetz kein eigenständiges bodenschutzrechtliches Zulassungserfordernis enthält. 160 Eine zusätzliche behördliche Zulassungsentscheidung für Kiesabbauvorhaben ergibt sich mithin aus dem BBodSchG nicht. In manchen Ländern sind in jüngerer Zeil Landesbodenschutzgesetze erlassen worden. 161 Die Landesgesetzgeber haben dabei allerdings ebenfalls auf die Schaffung eigenständiger bodenschutzrechtlicher Genehmigungen verzichtet, sondern beschränken sich allenfalls darauf, den Bodenschutzbehörden ein Beteiligungsrecht einzuräumen, wenn ein Vorhaben, das zu Bodenbelastungen führen kann, nach anderen Gesetzen eine behördliche Zulassungsentscheidung benötigt. 162 Hinzuweisen ist im übrigen darauf, daß der Spielraum der Landesgesetzgebung mit dem vollständigen Inkrafttreten des BBodSchG eingeschränkt wird. 1 6 3 Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß die Länder, insbesondere im Hinblick auf den beschränkten Anwendungsbereich des BBodSchG eigenständige bodenschutzrechtliche Zulassungsentscheidungen einführen dürfen. 164 Ob dies allerdings sinnvoll ist, muß zumindest dort bezweifelt werden, wo eigenständige bodenschutzrechtliche Genehmigungen zu einer Zunahme paralleler Zulassungsentscheidungen und mithin auch zu allen damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Kompetenzabgrenzung führen würden. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich aus den Bodenschutzgesetzen bisher keine eigenständigen behördlichen Zulassungserfordernisse für Kiesabgrabungen ergeben.

159 § 3 Abs. 1 Nr. 9 BBodSchG. Vgl. auch Lüers, DVB1. 1998, S. 433 (436). Im übrigen kommt dem BBodSchG auch im Hinblick auf wasserechtliche Vorschriften zum Teil nur subsidiärer Charakter zu. Vgl. dazu § 7 S. 6 BBodSchG im Hinblick auf die Vorsorge für das Grundwasser. 160 Kobes, NVwZ 1998, S. 786 (787). 161 Vgl. in Sachsen das „Erste Gesetz zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen" (SächsEGAB) v. 14. 6. 1991; in Baden-Württemberg das „Gesetz zum Schutz des Bodens" (BodSchGBW) v. 12. 8. 1991; in Berlin das „Gesetz zur Vermeidung und Sanierung von Boden Verunreinigungen (BlnBodSchG) v. 10.10. 1995. 162 Vgl. dazu Erbguth!Stollmann, UPR 1996, S. 281 (282); Büllesbach, Abgrabungen, S. 53. 163 Vgl. zum Verhältnis des BBodSchG zum Landesrecht, § 21 BBodSchG. Vgl. allgemein zur umstrittenen Kompetenzverteilung im Bodenschutz- und Altlastenrecht, Czybulka, UPR 1997, S. 15 m.w.N. 164 Vgl. allerdings auch zum abschließenden Charakter des BBodSchG Peine, UPR 1997, S. 53 (60).

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

167

V I I . Immissionsschutzrecht In Betracht zu ziehen ist auch eine immissionschutzrechtliche Genehmigung von Kiesbaggerungen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG bedarf die Errichtung und der Betrieb von Anlagen einer Genehmigung, wenn schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft gefährdet, erheblich benachteiligt oder erheblich belästigt wird. Da der Kiesabbau im Hinblick auf die Staub- und Lärmentwicklung eine emissionsträchtige Tätigkeit ist, erfüllen die Abgrabungsflächen den Anlagebegriff i.S.d. § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG. 165 Welche Anlagen als genehmigungsbedürftige Anlagen einzustufen sind, wird indes nicht unmittelbar durch § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG entschieden, auch wenn die Vorschrift so verstanden werden könnte. 166 Maßgeblich ist vielmehr die aufgrund der Ermächtigung des § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG erlassene 4. BImSchV, die die genehmigungsbedürftigen Arten von Anlagen benennt und insofern konstitutiv wirkt. 1 6 7 Anlagen zur Gewinnung von Kies, d.h. die Abgrabung als solche sind in dieser Verordnung indes nicht aufgeführt. 168 Der Kiesabbau selbst bedarf danach folglich keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und richtet sich somit lediglich nach den Vorschriften der §§22 ff.BImSchG über nicht genehmigungsbedürftige Anlagen 169 , die im übrigen geringere materielle Anforderungen 170 stellen als diejenigen, die für genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 6 BImSchG gelten. In diesem Zusammenhang soll auch § 4 Abs. 2 S. 2 BImSchG nicht unerwähnt bleiben. Danach bedürfen Tagebaue keiner Genehmigung nach § 4 Abs. 1 BImSchG. Für Kiesabbauvorhaben ist diese Vorschrift zwar nicht relevant, weil sich aus den Gesetzesmaterialien 171 und dem systematischen Zusammenhang ergibt, daß es sich dabei nur um Tagebaue des Bergwesens 165 Piens/Schulte/Vitzthum, BBergG, §56 Rn. 310; VG Gelsenkirchen, ZfB 123 (1982), S. 107. 166 Jarass, BImSchG, § 4, Rn. 3. 167 Jarass, BImSchG, § 4, Rn. 3. 168 Vgl. dazu insbesondere Nr. 2 der 4. BImSchV (Steine und Erden, Glas, Keramik, Baustoffe); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 395. 169 Eine Rechtsverordnung i.S.d. § 23 Abs. 1 a BImSchG, die die Genehmigungsfähigkeit von Kiesabbauvorhaben normiert, ist bisher nicht erlassen worden. 170 Vgl. dazu Rausch, Bergbau, S. 100 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 396; Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 19. 171 § 4 Abs. 2 BImSchG dient der materiellrechtlichen Entlastung des Bergrechts und der systemgerechten Abgrenzung zwischen Immissionsschutzrecht und Bergrecht, vgl. die Begründung zum Entwuf eines Bundesberggesetzes (BBergG) sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 8/1315, S. 171 bzw. 197.

168

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

handelt, d.h. um die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen, die nach dem BBergG der Bergaufsicht unterliegen. 172 Sie verdient aber dennoch Interesse, weil in ihr die immissionsschutzrechtliche Privilegierung der Bodenschätzegewinnung vor anderen Anlagen i.S.d. Immissionsschutzgesetzes zum Ausdruck kommt. Während der Tagebau bergrechtlicher Bodenschätze durch § 4 Abs. 2 S. 2 BImSchG privilegiert wird, indem er von der Genehmigungspflicht freigestellt und nur an den geringeren materiellen Anforderung des § 22 BImSchG gemessen wird, erfolgt dies bei den Kiesabbauvorhaben durch die Nichterwähnung in der 4. BImSchVO. Ob diese Privilegierungen im Hinblick auf den Gleichheitssatz und das Rechtsstaatsprinzip gerechtfertigt werden können, erscheint fragwürdig. 173 Jedenfalls dürfte der Hinweis auf die durch die absolute Standortgebundenheit des Bergbaus gekennzeichneten Besonderheiten der bergbaurechtlichen Bodenschätzegewinnung174 nicht ohne weiteres auch auf Kiesabbauvorhaben zu übertragen sein, da Kiesvorkommen in vielen Gebieten in großen Umfang vorhanden sind und daher eine gewisse Variabilität des Standortes gegeben ist. Im übrigen kommt es auch in anderen Wirtschaftszweigen vor, daß nur wenige Standorte zur Allokation einer Anlage geeignet sind, ohne daß deswegen auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen verzichtet werden könnte. Eine gewisse Rechtfertigung der immissionsschutzrechtlichen Privilegierung von Kiesabgrabungen erscheint allenfalls insofern gerechtfertigt, als es sich hierbei um eine vorübergehende Tätigkeit handelt. Wenn man allerdings bedenkt, daß sich Kiesabgrabungen gleichwohl regelmäßig über viele Jahre erstrecken, begegnet auch dieses Argument Zweifeln.

V I I I . Sonstige behördliche Zulassungsentscheidungen Die bisherigen Darlegungen haben die wichtigsten erforderlichen Zulassungsentscheidungen aufgezeigt, die bei Kiesabbauvorhaben typischerweise relevant werden können. Erschöpfend ist die Aufzählung indes bei weitem nicht. Das Abgrabungsvorhaben kann nämlich aufgrund besonderer Konstellationen des Einzelfalles Konflikte hervorrufen, für deren Lösung die

172

Ausführlich Rausch, Bergbau, S. 87 ff.; § 4 Abs. 2 S. 1 BImSchG, Jarass, BImSchG, § 4, Rn. 23; Feldhaus, BImSchG, § 4 Rn. 2. 173 Verfassungsrechtliche und rechtssystematische Bedenken gegenüber § 4 Abs. 2 BImSchG äußert auch Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 24. 174 Vgl. dazu aber die Stellungsnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf eines Bundesberggesetzes (BBergG), BT-Drs. 8/1315, S. 186.

Α. Behördliche Zulassungsentscheidungen bei Kiesabgrabungen

169

Fachgesetze weitere Genehmigungsvorbehalte vorsehen. 175 Von diesen sollen noch folgende wenigstens erwähnt werden. So wird beispielsweise das Wald- und Forstrecht für solche Abgrabungen relevant, für die Wald gerodet werden muß. Ausgehend von dem Grundsatz der Erhaltung des Waldes bestimmen § 9 Abs. 1 BWaldG und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, daß Wald nur mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde gerodet und in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden darf. 176 Kiesabgrabungen können ferner nach den Denkmalschutzgesetzen zulassungsbedürftig sein, wenn die Veränderung und Vernichtung eines Kulturdenkmals oder die Veränderung der Umgebung eines Kulturdenkmals beabsichtigt ist. 1 7 7 Die bisherige Untersuchung der maßgeblichen Zulassungsentscheidungen für Kiesabbauvorhaben beschränkt sich im wesentlichen auf die Kiesbaggerungen als solche. Es liegt auf der Hand, daß die Zahl und Komplexität der Zulassungsentscheidungen noch erheblich ansteigen kann, wenn man zusätzlich solche Vorhaben und Tätigkeiten ins Blickfeld rückt, die mit der Abgrabung in Zusammenhang stehen. Dies gilt beispielsweise für Werksgebäude, Klassier-, Brech- und Mahlanlagen für Kies 1 7 8 , für die Entnahme von Wasser aus dem natürlichen Wasserkreislauf zur Verwendung als Waschwasser für Kies 1 7 9 , die Herstellung von Zufahrtswegen, die Verfüllung einer alten Kiesgrube 180 , aber auch für Rekultivierungsmaßnahmen 181, die genehmigungsbedürftig sein kön-

175

Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 299 f. Z.B. Art. 9 Abs. 1 S. 2 Abs. 2 ff. BayWaldG; vgl. dazu und zum Verhältnis der Rodungsgenehmigung zu anderen Zulassungsentscheidungen Büllesbach, Abgrabungen, S. 55 f. 177 Vgl. z.B. Art. 6 BayDSchG; Büllesbach, Abgrabungen, S. 61, m.w.N. 178 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 395. Anlagen zum Brechen von Kies (sog. Kiesquetschen) bedürfen im Gegensatz zu Klassieranlagen von Kies nach § 4 Abs. 1 BImSchG, § 1 Abs. 1 S. 1 4. BImSchV i.V.m. Nr. 2.2 Anhang zur 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn sie länger als zwölf Monate an demselben Ort betrieben werden. 179 Wasserrechtliche Probleme entstehen dabei nicht nur durch die Wasserentnahme, sondern auch wenn das mit Feinststoffen angereicherte Waschwasser in Absetzteiche geleitet wird. Durch die Anreicherung von Feinststoffen können die grundwasserführenden Schichten verstopft werden, weshalb diese Verfahren häufig von den Wasserbehörden nicht mehr gestattet werden. Die Praxis reagiert darauf mit Waschwasserreinigungsverfahren und der Einführung geschlossener Wasserkreisläufe. Vgl. dazu 176

Bundesverband der Deutschen Kies- und Sandindustrie

e.V., Geschäftsbericht 95/96,

S. 20. Vgl. auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 412. 180 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 395. Vgl. zur wasserrechtlichen Planfeststellung einer späteren, anfangs nicht beabsichtigten Verfüllung eines Baggersees Büllesbach, Abgrabungen, S. 46 m.w.N. 181 Ehemalige Kiesabbaugelände eignen sich im übrigen vielfach als Ausgleichsfläche für andere Vorhaben und können auch im Zusammenhang mit der Zulassung

1 7 0 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen nen, wie das Beispiel der Erstaufforstung 182 zeigt. Für die Praxis ist insbesondere auch die Folgenutzung der Kiesgrube als planfeststellungsbedürftige Abfalldeponie relevant. 183 Hinzuweisen ist auch darauf, daß von der Planfeststellung im Verkehrswegebau auch Flächen erfaßt werden können, auf denen der für den Straßenbau benötigte Kies gewonnen werden soll. 1 8 4 Auf alle diese Besonderheiten kann indes im folgenden nicht näher eingegangen werden.

IX. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich zu den maßgeblichen Zulassungsentscheidungen für Kiesgruben feststellen, daß der Unterscheidung zwischen planfeststellungsbedürftigen Naßauskiesungen nach § 31 Abs. 2 WHG und sonstigen Kiesabbauvorhaben maßgebliche Bedeutung zukommt. 185 Planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen sind solche Naßbaggerungen, bei denen ein Baggersee auf Dauer entsteht oder erweitert wird sowie Naßbaggerungen, bei denen die Grube kurzfristig wieder verfüllt werden soll und die erhebliche nachteilige Veränderungen des Wasserhaushalts verursachen. Diese Vorhaben bedürfen aufgrund der umfassenden Konzentrationswirkung der Planfeststellung keiner weiteren Zulassungsentscheidung. Besonderheiten gelten lediglich für die praktisch wenig bedeutsamen Fälle der Plangenehmigung, die z.B. für sehr kleine Naßbaggerungen bzw. geringfügige Erweiterungen bestehender Baggerseen in Betracht kommen können. Bei diesen können abhängig vom Landesrecht zusätzliche Genehmigungen erforderlich sein. Bei den sonstigen Kiesabbauvorhaben handelt es sich einerseits um Trockenauskiesungen und andererseits um Naßauskiesungen, bei denen der Baggersee innerhalb eines begrenzten Zeitraums wieder verfüllt wird und die keine erheblichen nachteiligen Veränderungen des Wasserhaushaltes verursachen. Bei

dieser Projekte eine Rolle spielen, vgl. entsprechend zu einen Sandabbaugelände den zugrundeliegenden Sachverhalt bei BVerwG, ZfBR 1997, S. 258. 182 Vgl. § 10 BWaldG i.V.m. den Vorschriften der Landeswaldgesetze. 183 Vgl. dazu ausführlich Beddies, Einstellung eines Bergwerkes, S. 160 ff. m.w.N., dort auch zur Abfallqualität (i.S.d. AbfG) von Füllmaterial, das zur Wiedernutzbarmachung eine Tagebaus benötigt wird. Vgl. zur Qualifizierung von Bruchhohlräumen in bergbaulichen Abbaubetrieben als stoffliche Verwertung und nicht Ablagerung von Reststoffen/Abfällen i.S.d. § 1 a Abs. 1 S. 2 AbfG BVerwGE 96, 80 ff.; OVG NW, GewArch 1998, S. 214. 184 Vgl. dazu Steinberg, Fachplanung, S. 31, S. 49, S. 203; Seilmann, DVB1. 1987, S. 223 (225). 185 Vgl. im übrigen auch die Übersicht bei Büllesbach über die erforderlichen Zulassungsentscheidungen von Abgrabungen, vgl. S. 66 ff.

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

171

diesen Kiesabbauvorhaben ist in aller Regel eine wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung erforderlich. 186 Was die übrigen Zulassungserfordernisse für diese Vorhaben anbelangt, läßt sich kein einheitliches Bild zeichnen. Dies hängt vielmehr von zahlreichen landesrechtlichen Besonderheiten ab. Die Analyse des Landesrechts läßt aber zumindest die Feststellung zu, daß für die erwähnten Vorhaben - sieht man einmal von sehr kleinen Projekten ab 1 8 7 - grundsätzlich zusätzlich eine Baugenehmigung188 und/oder eine spezielle naturschutzrechtliche bzw. abgrabungsrechtliche 189 Abgrabungsgenehmigung erforderlich ist.

B. Allgemeines zum Entscheidungsprogramm bei der Genehmigung von Kiesabgrabungen nach § 35 BauGB Im folgenden soll das materielle Entscheidungsprogramm bei der Zulassung von solchen Kiesabbauvorhaben skizziert werden, die keiner Planfeststellung bzw. Plangenehmigung bedürfen, sondern im Wege von einfachen Genehmigungen zugelassen werden. Dies geschieht allerdings lediglich im Hinblick auf die städtebauliche Vorschrift des § 35 BauGB, weil es hierbei wie bereits erwähnt um Zulassungsvoraussetzungen geht, die gerade aus raumordnungsrechtlicher Sicht besonders interessant sind. Die Bedeutung des Zulassungstatbestandes für Kiesabgrabungen wird dabei allerdings zunächst nur im allgemeinen skizziert, wobei solche Aspekte besondere Berücksichtigung finden werden, die im Verlauf der Arbeit an späterer Stelle auch für die Fragen der Raumordnungsbindung relevant werden. Dazu gehören auch allgemeine eigentumsrechtliche Fragen in bezug auf den Genehmigungsanspruch nach § 35 BauGB bei Kiesabgrabungen. Für das Verhältnis der städtebaulichen Zulassungsvoraussetzungen zu den oben angesprochenen fachgesetzlichen Genehmigungstatbeständen für Kiesabgrabungen ist folgendes festzustellen. Die Zulassungstatbestände der Bau-

186

Eine Ausnahme gilt lediglich für Trockenauskiesungen, bei denen die theoretische Möglichkeit einer schädlichen Veränderung des Wassers nach Art und Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die verbleibende Deckschicht über dem Grundwasser nahezu vollständig ausgeschlossen ist. 187 Maßgeblich sind die unterschiedlichen landesrechtlichen Mindestmaße, z.B. der Bauordnungen bzw. der Naturschutzgesetze. Für diese Vorhaben kommen allerdings ein subsidiäres naturschutzrechtliches Genehmigungs- bzw. Anzeigeverfahren in Betracht, wenn sie als Eingriffe in Natur und Landschaft zu qualifizieren sind. 188 Vgl. allerdings zur Konzentrationswirkung der wasserrechtlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung im Hinblick auf die Baugenehmigung von Abgrabungen z.B. Art. 87 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. 189 Vgl. §3 Abs. 1 NW AbgrG

1 7 2 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen genehmigungen verweisen auf „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften". 190 Durch diese Öfifhungsklauseln 191 werden die Zulassungsvoraussetzungen des Bauplanungsrechts nach §§ 29 ff. BauGB zum Prüfungsmaßstab in der Baugenehmigung erklärt. Entsprechendes gilt auch für die abgrabungsrechtlichen bzw. naturschutzrechtlichen Abgrabungsgenehmigungen. 192 Zwar bereitet es gerade bei parallelen Zulassungsentscheidungen häufig Schwierigkeiten, den maßgeblichen materiellen Prüfungsumfang der einzelnen Genehmigung zu bestimmen.193 Daß bei der Zulassung von genehmigungsbedürftigen Kiesabgrabungen die städtebaulichen Anforderungen der §§ 29 ff. BauGB und mithin auch § 35 BauGB zumindest in einem der einschlägigen behördlichen Zulassungsverfahren geprüft werden müssen 194 , steht aber außer Frage, so daß die genannten Spezialprobleme im hier behandelten Zusammenhang dahinstehen können.

I. Anwendbarkeit des § 35 BauGB auf Kiesabgrabungen nach § 29 Abs. 1 BauGB Nach § 29 Abs. 1 BauGB gilt die Vorschrift des § 35 BauGB nicht nur für Vorhaben, die bauliche Anlagen betreffen, sondern auch für Abgrabungen größeren Umfangs, zu denen zweifellos auch Kiesgruben zählen können. 195 Mit

190

Vgl. z.B. Art. 72 Abs. 1 S. 1 BayBO; § 70 Abs. 1 S. 1 SächsBO. Der Rückgriff des Gesetzgebers auf „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" sagt noch nichts über die Durchsetzungsfähigkeit von Grundsätzen und Zielen der Raumordnung gegenüber den zu genehmigenden privaten Vorhaben. Entsprechende Verweise sind also nicht als „verkappte Raumordnungsklauseln" auszulegen. Vgl. dazu Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 174 f. Spezielle Raumordnungsklauseln bei Abgrabungsgenehmigungen stellen allerdings die § 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG NW sowie § 13 Abs. 4 Nr. 2 NatSchG SH dar, auf die jedoch hier nicht näher eingegangen werden kann. Vgl. zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 AbgrG NW Linke, Abgrabungsgesetz, § 3, Nr. 2; Büllesbach, Abgrabungen, S. 290. Die Raumordnungsklauseln sind rechtlich bedenklich, da das Landesrecht in bodenrechtlicher Hinsicht die Zulässigkeit von Abgrabungen größeren Umfangs gegenüber § 35 BauGB weder einengen noch erweitern kann. Vgl. BVerwG, UPR 1983, S. 335, UPR 1988, S. 265. 191 Büllesbach, Abgrabungen, S. 225. 192 Vgl. z.B. die Öffnungsklausel des § 19 Abs. 1 NdsNatSchG: Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn gewährleistet ist, daß das Abbauvorhaben mit dem Naturschutzrecht, dem öffentlichen Baurecht und sonstigem öffentlichen Recht vereinbar ist. Vgl. auch Harbeck,, SchlHA SH 1989, S. 48 (52). Vgl. zu den Abgrabungsgenehmigungen oben Kap. 3, Α. IV., V. 1. 193 Vgl. ausführlich zur Problematik paralleler Genehmigungen, Büllesbach, Abgrabungen, S. 303, S. 311 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 300 ff; Dürr, DÖV 1997, S. 845 (853). 194 Vgl. auch Schneider, DÖV 1988, S. 858 (859). 195 Zinkahn, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 29, Rn. 33.

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

173

der besonderen Erwähnung der Abgrabungen trägt der Gesetzgeber dabei dem Umstand Rechnung, daß Abgrabungen für sich genommen nicht als bauliche Anlagen qualifiziert werden können 196 , auch wenn sie nach Landesrecht den baulichen Anlagen gleichgestellt sind, mithin landesrechtlich als bauliche Anlagen „gelten". 197 Bei Abgrabungen handelt es sich mithin um eine sogenannte sonstige Nutzung eines Grundstückes im Sinne des Baugesetzbuchs. 198 Das Tatbestandsmerkmal des „größeren Umfangs" der Abgrabung macht eine Differenzierung zwischen den Abgrabungen erforderlich. An welchen Merkmalen der Begriff „größerer Umfang" zu orientieren ist, wird im Gesetz nicht gesagt.199 Die sehr unterschiedlich ausgestalteten Landesbauordnungen können hierbei für die Auslegung des BauGB nicht herangezogen werden. 200 Der Begriff des Vorhabens ist von den Genehmigungs-, Zustimmungs- und Anzeigeverfahren der Landesbauordnung vielmehr abgekoppelt.201 Entsprechendes gilt für Mindestmaße in sonstigen Zulassungstatbeständen, z.B. im Hinblick auf naturschutzrechtliche Abgrabungsgenehmigungen. Nach dem Zweck der Vorschrift sollen solche Vorhaben ausgeschlossen werden, die nach ihrem Standort, dem mit ihnen verfolgten Zweck und unter Berücksichtigung ihrer Größe für die rechtliche oder tatsächlich vorhandene städtebauliche Ordnung irrelevant sind. 202 Ausschlaggebend ist somit, ob der 196

Der Begriff der baulichen Anlage ist insbesondere mit der Vorstellung verknüpft, daß Baustoffe und Bauteile künstlich zusammengefügt und mit dem Erdboden verbunden werden, womit der „Abbau" von Bodenschätzen gerade nichts zutun hat. Vgl. Büllesbach, Abgrabungen, S. 229; Vgl. zum Begriff der baulichen Anlagen BVerwGE 44, 59; Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 29 Rn. 2 ff. 197

Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 29 Rn. 35.

198

Das BauGB stellt der baulichen Nutzung die sonstige Nutzung gegenüber. Vgl. die Überschrift des Ersten Kapitels, Dritter Teil BauGB („Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung"); vgl. auch zum Begriff der baulichen und sonstigen Anlagen § 2 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 BauGB. 199

Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

200

Jade, ZfBR 1998, S. 129 (131); Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 29 Rn. 36.

BauGB,

§ 19 Rn. 36; Lüers, ZfBR 1997, S. 275; Büllesbach, Abgrabungen, S. 229 f.; Schulte,

Raumplanung und Genehmigung, S. 385. 201 Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (256); Lüers, ZfBR 1997, S. 275; ausführlich ders., WiVerw 1998, S. 57 (59 ff.), dort auch zur vorläufigen Untersagung nach §15 Abs. 1 S. 2 BauGB bei genehmigungsfreien Vorhaben. Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 55. Diese Abkoppelung bestand im übrigen für Abgrabungen größeren Umfangs - anders als für bauliche Vorhaben auch schon nach dem früheren Recht (§ 29 Abs. 1 S. 3 BauGB a.F.). Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 229; Berkemann, DVB1. 1989, S. 627. 202

Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, §29 Rn. 36; allgemein zum ungeschriebenen Merkmal der städtebaulichen Relevanz im Rahmen des § 29 BauGB Lüers, ZfBR 1997, S. 275; ders., WiVerw 1998, S. 57, (60); BVerwGE 44, 59 (61); Büllesbach, Abgrabungen, S. 230.

1 7 4 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen durch die Maßnahme zu schaffende Zustand planungsrechtliche Bedeutung hat, d.h. die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen. 203 Dies ist bei der Bodenschätzegewinnung fast immer der Fall. 2 0 4 Wenn kleine Kiesabbauvorhaben die Mindestgröße nicht erreichen, die nach den geltenden Landesbauordnung für die Genehmigungs- bzw. Anzeigepflicht erforderlich sind, dürften sie allerdings häufig auch städtebaulich irrelevant und mithin nicht als Abgrabungen „größeren Umfangs" zu qualifizieren sein. 205

II. Die Struktur der Genehmigungsentscheidung nach § 35 BauGB Die Vorschrift des § 35 BauGB bestimmt die Zulässigkeit von Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Der Begriff des Außenbereichs ist im Gesetz nicht positiv durch bestimmte Begriffsmerkmale definiert, sondern ergibt sich negativ aus den von §§30 und 34 BauGB erfaßten Gemeindegebieten. 206 Die Vorschrift des § 35 BauGB ist anwendbar, soweit nicht ein qualifiziert beplantes Gebiet eines Bebauungsplans vorliegt und das Vorhaben auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils angesiedelt werden soll. 2 0 7 Der weitaus größte Teil der Fläche Deutschlands ist in diesem Sinne als Außenbereich zu qualifizieren. 208 Die Kernaussage des § 35 BauGB besteht darin, daß der Außenbereich grundsätzlich vor der Bebauung geschützt sein und mithin überwiegend der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sowie der Erholung vorbehalten bleiben soll. 2 0 9 Trotz dieser Grundtendenz der Vorschrift sind Vorhaben im Außenbereich unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Funktion des §35 BauGB wird dabei dahingehend beschrieben, daß der Gesetzgeber mit

203

Zinkahn, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 29 Rn. 36; Lüers, ZfBR 1997, S. 275; vgl. auch BVerwGE 44, 59 (61). 204 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 385, geht sogar von einer generellen Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB bei Vorhaben zur Bodenschätzegewinnung aus. 205 Vgl. zur Anwendung der §§ 29 ff. BauGB auf Vorhaben bei fehlender bauaufsichtlicher Genehmigungs- und Anzeigepflicht, Lüers, ZfBR 1997, S. 275. 206 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 156. 207 Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 15. 208 Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, S. 367 Rn. 74. 209 Ständige Rechtsprechung, stellvertretend BVerwG, UPR 1985, S. 64 (65).

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

175

dieser Vorschrift im Außenbereich gleichsam generell geplant 210 und einen Ersatzplan 211 geschaffen habe.

1. Kiesabgrabungen als privilegierte

Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB

Der Gesetzgeber differenziert im Rahmen des § 35 BauGB zwischen der Zulässigkeit bestimmter, im Katalog des § 35 Abs. 1 BauGB bezeichneter, sogenannter privilegierter Vorhaben und den sonstigen Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB. Die Unterscheidung ist in unterschiedlichem Grad der Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich begründet. 212 Zwar kann die Zulässigkeit beider Vorhabentypen an hinderlichen öffentlichen Belangen scheitern. Durch die unterschiedlichen Formulierungen der Zulassungsvoraussetzungen bringt das Gesetz aber zum Ausdruck, daß die Vorhaben des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sein sollen („kein Entgegenstehen öffentlicher Belange") und daß sie eine höhere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber hinderlichen öffentlichen Belangen haben als die sonstigen Vorhaben („im Einzelfall", „keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange"). 213 Die privilegierten Vorhaben sind dabei grundsätzlich dem Außenbereich zugewiesen und daher prinzipiell auch dort bauplanungsrechtlich zulässig. 214 Es handelt sich dabei um Vorhaben, die wesensmäßig in den Außenbereich gehören. 215 Demgegenüber sollen die sonstigen Vorhaben grundsätzlich nicht im Außenbereich durchgeführt werden. 216 Fraglich ist mithin, ob Kiesabbauvorhaben zu den privilegierten Vorhaben zählen. Abgrabungsvorhaben zur Gewinnung von Bodenschätzen gehören zu den allgemein anerkannten Fallgruppen der standortgebundenen gewerblichen Betriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. 217 Es besteht dabei Einigkeit, daß das Tatbestandsmerkmal des „gewerblichen Betriebes" anders als im Gewerberecht

210 211

S. 5. 212

213

BVerwGE 28, S. 148 ff. Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 357; Paßlick, Ziele der Raumordnung, Söfker, in: Ernst/Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 21.

Vgl. Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 159, 356; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 165. 214 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 160. 2,5 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 159 f. 216 Hoppe, in: ders ./Grotefels, Öffentliches Baurecht, S. 368 Rn. 75. 217 Z.B. BVerwGE 79, S. 318 (322); E 77, S. 300 (304); E 67, S. 84; Söfker, in: Ernst!Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 53; Hoppe, in: FS Geizer, S. 43, (55); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 114; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 162; Stüer, VR 1985, S. 77 (80); Büllesbach, Abgrabungen, S. 232 ff. m.w.N.

1 7 6 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen auch Unternehmen der Urproduktion mitumfaßt. 218 Ortsgebunden ist ein gewerblicher Betrieb, wenn das betreffende Gewerbe nach seinem Wesen und nach seinem Gegenstand und nicht etwa nur aus Gründen der Rentabilität auf die geographische oder geologische Eigenart der fraglichen Stelle angewiesen ist. 219 Da die strenge Standortgebundenheit die innere Rechtfertigung für die Privilegierung ist, darf der Betrieb nicht nur im allgemeinen auf den Außenbereich angewiesen sein. 220 Abgrabungen zum Zwecke der Bodenschätzegewinnung hängen von Rohstoffvorkommen ab und sind insofern ein besonders einleuchtendes Beispiel für Ortsgebundenheit. Im Hinblick auf die Ortsgebundenheit fragt sich allerdings, ob insofern nicht eine Differenzierung zwischen seltenen Bodenschätzen und Massenrohstoffen wie Kies und Sand geboten ist. Letztere sind nämlich häufig aufgrund der bestehenden geologischen Gegebenheiten in vielen Gemeinden in nahezu dem gesamten Außenbereich zu finden und können dort überspitzt formuliert auch an beliebiger Stelle abgebaut werden. In diesen Fällen von Ortsgebundenheit zu sprechen, bereitet daher Schwierigkeiten. 221 Insofern könnte man einen Vergleich zu Windkraftanlagen ziehen, denen vor ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB 2 2 2 - von der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung 223 die Eigenschaft der Ortsgebundenheit abgesprochen wurde. Das Urteil betraf die Zulässigkeit von Windkraftanlagen im Außenbereich einer Gemeinde auf der Nordseeinsel Föhr. Das Gericht ging dabei davon aus, daß auch Energieversorgungsanlagen i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 2. Alt. BauGB 2 2 4 an dem (insoweit ungeschriebenen) Merkmal der Ortsgebundenheit zu messen seien 225 . Spezifischer Standortbezug

218

BVerwG NVwZ 1984, 303, 304; Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, § 35 Rn. 53; Rausch, Bergbau, S. 69. A.A. BayVGH, BayVBl. 1978, S. 309 (310). 219 BVerwG, BauR 1974, S. 397. 220

221

Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB,

BauGB, § 35 Rn. 53.

Vgl. allerdings Hoppe, in: FS Geizer, S. 43 (56): „Es ist allerdings schwer vorstellbar, daß der Gesetzgeber, als er die ortsgebundenen Betriebe und damit auch Abgrabungsbetriebe in den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG/BauGB aufnahm, nicht bewußt in Kauf genommen hätte, daß sich solche Situationen ergeben können, in denen infolge der geologischen Beschaffenheit des Untergrundes in einer Gemeinde sich eine Vielzahl von Abgrabungsbetreibern auf die Privilegierung berufen kann." 222 Die Vorschrift entspricht § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB a.F. 223 BVerwG, DVB1. 1994, S. 1141 (1143 f.). 224 § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB entspricht § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.F. 225 Vgl. allgemein zur umstrittenen Frage, ob sich das Merkmal der Ortsgebundenheit auch auf die in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB genannten Anlagen des Fernmeldewesens und der öffentlichen Versorgung bezieht, die Nachweise bei BVerwG, DVB1. 1994, S. 1141 ff.; kritisch auch die Urteilsanmerkung von Taegen, DVB1. 1994, S. 1146 (1147) sowie stellvertretend Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 53.

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

177

sei zwar nicht gleichbedeutend mit einer gleichsam quadratmetergenau erfaßbaren Zuordnung des Vorhabens zu der in Anspruch genommenen Örtlichkeit. So sehr es sich verbiete, bei der Auslegung des Merkmals der Ortsgebundenheit engherzig zu verfahren, so sehr verbiete es sich indes auch, von dem Erfordernis abzusehen, daß sich die räumliche Beziehung, auf die das Vorhaben seiner Funktion nach angewiesen sei, nur an einer näher eingrenzbaren Stelle und nicht beliebig anderswo im Außenbereich herstellen ließe. Ortsgebundenheit liege daher nicht mehr vor, wenn der gesamte Außenbereich einer Gemeinde oder einer Vielzahl von Gemeinden als potentiell geeigneter Standort in Betracht komme. 2 2 6 Dies treffe insbesondere für die infrage stehenden Windkraftanlagen zu. Günstige Windverhältnisse herrschten auf nahezu sämtlichen Außenbereichsflächen auf der Insel Föhr, in weiten Teilen Nordfrieslands, überhaupt im gesamten Küstenbereich. Reichte der Gesichtspunkt der Windhöffigkeit aus, um den von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB geforderten Standortbezug herzustellen, so könnten - unter dem Vorbehalt, daß an dem konkreten Standort keine öffentlichen Belange entgegenstünden entsprechende Windkraftanlagen in Deutschland weithin im Außenbereich errichtet werden. Die in ihrer Gesamtkonzeption auf das Ziel größtmöglichster Schonung des Außenbereichs ausgerichtete Privilegierungsregelung des § 35 Abs. 1 BauGB würde bei einem solchen Verständnis aus den Angeln gehoben. 227 So sehr die geschilderte Rechtsprechung von der Grundüberlegung her auch auf Kiesvorkommen übertragbar wäre 2 2 8 , so wenig wird man im Ergebnis allerdings Kiesabgrabungen aus § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB herausnehmen können, selbst wenn Lagerstätten lim gesamten Außenbereich einer Gemeinde oder mehrerer Gemeinden vorhanden sind. Das Urteil hat den Gesetzgeber nämlich veranlaßt, durch die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB auch die nach dem Dargelegten nicht ortsiebundenen - Windkraftanlagen ausdrücklich zu privilegieren und zugleich als Steuerungsinstrument den sogenannten Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB einzuführen. Durch Konzentrationszonen in Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, wie sie bereits bei Kiesabgrabungen bekannt waren, sollte dem unkoordinierten Auftreten privilegierter Außenbereichsvorhaben entgegengetreten werden können. Dabei geht aus den Gesetzesmaterialien hervor, daß der Gesetzgeber gerade die Parallelität der Steuerungsprobleme bei Windkraftanlagen und Kiesabbauvorhaben im Außenbereich vor Augen hatte und gleichsam Windkraftanlagen gerade im Hinblick auf diese Parallelität ebenso wie Kiesabbauvorhaben 226

BVerwG, DVB1. 1994, S. 1141 (1143 f.). Zustimmend auch Dürr, DÖV 1997, S. 845 (848). 228 Vgl. zur Übertragbarkeit des Urteils auf die Privilegierung von Mobilfunkanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, Bad-Württ.VGH, VB1BW 1998, S. 144 (145). 227

12 Spiecker

1 7 8 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen privilegieren wollte. 2 2 9 Aufgrund der insoweit gefestigten Rechtsprechung 230 bezüglich der Privilegierung der Kiesabgrabungen sah er sich offenbar nicht gezwungen, auch für diese eine ausdrückliche Regelung zu schaffen. Daraus ergibt sich, daß dem Merkmal der Ortsgebundenheit i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gerade bei Kiesabgrabungen aus historischen und teleologischen Gründen keine eigenständige Bedeutung (mehr) 2 3 1 zukommt. Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß die weite Auslegung des Begriffs der Ortsgebundenheit bei Kiesabbauvorhaben und mithin ihre ausnahmslose Privilegierung als Ursache dafür gesehen werden muß, daß es in weiten Teilen der Bundesrepublik zu einem dispersen Abbau von Kies gekommen ist. Nur wegen der aus der Privilegierung folgenden grundsätzlichen Zulässigkeit von Kiesabgrabungen im Außenbereich konnten die Unternehmer nämlich die Standorte für Kiesgruben relativ frei unter ökonomischen Gesichtspunkten auswählen. Die Privilegierung hat den ungeordneten und zerstreuten Kiesabbau überhaupt erst ermöglicht und das Bedürfiiis nach raumordnungsplanerischer Abgrabungskonzentration wachgerufen. 232 Es besteht mithin ein enger Zusammenhang zwischen der Privilegierung einerseits und dem Koordinationsbedürfiiis durch Raumordnung andererseits. 233 A m Beispiel der Privilegierung von Kiesabgrabungen wird mithin ebenso wie bei der Privilegierung von Windkraftanlagen deutlich, daß die Privilegierungstatbestände eine zentrale Schaltstelle für das Verhältnis von Bauplanungsrecht und Raumordnungsrecht sind. 2 3 4

229 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/4978, S. 9; dazu eingehend Runkel, DVB1. 1997, S. 275 ff.; vgl. zum Gesetzgebungsverfahren zur Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, Wagner, UPR 1996, S. 370 (371); Dolde, NVwZ 1996, S. 209 (210). 230 Z.B. BVerwGE 79, S. 318 (322); E 77, S. 300 (304); E 67, S. 84. 231 Ob die ausnahmslose Privilegierung von Kiesabgrabungen ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigt war, muß angesichts des auf einen möglichst weitreichenden Schutz des Außenbereichs zielenden Zweckes des § 35 BauGB und dem Wortsinn des Begriffs der Ortsgebundenheit durchaus bezweifelt werden. A.A. Hoppe, FS Geizer, S. 43 (56). 232 Vgl. zu ähnlichen Entwicklungen im Hinblick auf den Wildwuchs von Windkraftanlagen vor der oben genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (82). 233 Vgl. entsprechend in bezug auf Windkraftanlagen, BVerwG, DVB1. 1994, S. 1141 (1145); vgl. zur Bedeutung der Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB anläßlich der Privilegierung von Windkraftanlagen: Wagner, UPR 1996, S. 370 (371); Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (429). 234 Vgl. auch Dolde, NVwZ 1996, S. 209 (210), zu den Überlegungen im Zusammenhang mit Windkraftanlagen, die Privilegierung von vornherein an eine positive Standortaussage in einem Regionalplan oder Flächennutzungsplan zu koppeln. Bei einer solchen Regelungstechnik hätte sich das Problem der raumordnerischen Instrumente zur Konzentrierung entsprechender Vorhaben auf bestimmte Flächen im Außenbereich, wie es nun durch Eignungsgebiete bzw. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten versucht wird, weitgehend erübrigt (vgl. zu

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

179

2. „Entgegenstehende Belange" i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB und nachvollziehende Abwägung Nach § 35 Abs. 1 BauGB kann ein privilegiertes Vorhaben nur zulässig sein, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Die privilegierten Vorhaben sind somit nicht in der Weise generell zulässig, daß sie im Außenbereich gleich an welcher Stelle verwirklicht werden können. Insbesondere hinsichtlich des Standortes steht die Zulässigkeit an sich und gegebenenfalls auch die Art und Weise der Ausführung unter dem Vorbehalt, daß nicht öffentliche Belange entgegenstehen.235 Die Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals erfordert eine nachvollziehende Abwägung. 2 3 6 Mit Abwägung ist dabei gemeint, daß einerseits die Stärke und Abwehrkrafi des jeweiligen negativ betroffenen Belangs und andererseits das private Interesse an der Durchführung des Vorhabens in Beziehung gesetzt wird. 2 3 7 Hierbei muß an die konkreten Umstände des Einzelfalls angeknüpft werden. 238 Zu gewichten ist also das konkrete Vorhaben und der mit ihm kollidierende öffentliche Belang in seiner konkreten Beschaffenheit an dem geplanten Standort. 239 Bei der hier vorzunehmenden Gewichtung und Bewertung der sich gegenüberstehenden Abwägungsbelange muß dabei zugunsten des Vorhabens die ihm vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden. 240 Bei dieser Abwägung sind die Art des Vorhabens und die sich daraus ergebende Privilegierung zu berücksichtigen 241 , so daß sich im Einzelfall ein ortsgebundener Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB mit einem Vorhaben an einem Ort durchsetzen kann, an dem sich ein landwirtschaftlichen Zwecken dienendes Vorhaben nicht durchsetzen könnte. 242 Durch die Privilegierung der Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß ein Vorhaben trotz der Beein-

diesen Planungsinstrumenten Kap. 4, E III., IV). Vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (298 f.). Vgl. auch den Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4978, S. 9. 235

Söfker, in: Ernst/Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60.

236

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 169 f.; Dreier, Abwägung, S. 44 f.; Wagner, UPR 1996, S. 370 (372); Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (429). 237

Söfker,

in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60; Paßlick, Ziele der

Raumordnung, S. 172. 238 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 167. 239

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 167; Söfker,

in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60. 240

Söfker,

in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60; Paßlick, Ziele der

Raumordnung, S. 172. 241 242

Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60. BauGB, § 35 Rn. 60.

1 8 0 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen trächtigung öffentlicher Belange zulässig sein kann. 243 Von einem die Zulässigkeit ausschließenden „Entgegenstehen öffentlicher Belange" kann daher erst die Rede sein, wenn die Belange selbst oder ihre potentielle Betroffenheit ein solches Gewicht aufweisen, daß die Genehmigung des privilegierten Vorhabens trotz seiner prinzipiellen Zuweisung in den Außenbereich als nicht mehr vertretbar erscheint. 244 Der Schutz der Eigenart der Landschaft beispielsweise kann an einer Stelle von einem Rang sein, daß deswegen selbst privilegierte Vorhaben nicht ausgeführt werden dürfen. 245 Die Abwägung zwischen den Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens mit den berührten öffentlichen Interessen ist lediglich nachvollziehend und muß von einer „echten" planerischen Abwägung unterscheiden werden. 246 Bei der planerischen Abwägung sind nämlich alle berührten öffentlichen und privaten Belange gegenüberzustellen, zu gewichten und zuzuordnen. 247 Sie stellt sich als eine Abwägung der Belange „gegeneinander und untereinander" in dem Sinne dar, daß Nachteile des Vorhabens in einem Bereich mit dessen Vorteilen in einem anderen kompensiert werden können und es nur auf eine Gesamtsaldierung aller Belange ankommt. 248 Während also bei einer planerischen Abwägung entgegenstehende Belange weggewogen werden können, ist ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB zwingend unzulässig, wenn öffentliche Belange entgegenstehen. Eine Kompensation entgegenstehender Belange durch positiv berührte öffentliche Belange ist folglich ausgeschlossen.249 Welche öffentlichen Belange bei der Abwägung im Spiel stehen, läßt sich aus § 35 Abs. 1 BauGB nicht entnehmen.250 Anerkanntermaßen sind nicht alle öffentlichen Belange schlechthin, sondern nur die bodenrechtlich beachtlichen Belange umfaßt. 251 Des weiteren kann zur Erläuterung des unbestimmten Rechtsbegriffs der öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB auf den

243 244 245

246

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 168 f. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 169. Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 35 Rn. 60.

Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 169 f.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 235 f.; vgl. zu dieser Differenzierung auch Fisahn, ZUR 1996, S. 180 (182). 247 Z.B. BVerwGE 34, S. 301 (309); E 45, S. 309 (314); E 85, S. 348 (362); Steinberg, Fachplanung, S. 20 f. 248 Z.B. BVerwE 34, S. 301 (309); E 45, S. 309 (314); 85, S. 348 (362); Vgl. Dreier, Abwägung, S. 44 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S.169f.; Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (55 f.); Steinberg, Fachplanung, S. 21; Fisahn, ZuR 1996, S.180 (182). 249 BVerwE 42, 8, (14 ff.); E 85, S. 348 (362); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 169 f. 250 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 172. 251 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 172.

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

181

Katalog des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB zurückgegriffen werden. 252 Dies gilt nach inzwischen ganz überwiegender Meinung trotz des Umstandes, daß in dieser Vorschrift nur von der „Beeinträchtigung öffentlicher Belange" und nicht von „entgegenstehenden Belangen" die Rede ist. 253 Durch diese Formulierung soll also nicht ausgedrückt werden, daß bei der Zulässigkeitsprüfung privilegierter und sonstiger Vorhaben jeweils prinzipiell andersartige hinderliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. 254

I I I . Der Anspruch auf Genehmigung und Eigentumsschutz bei Kiesabgrabungen Im folgenden soll untersucht werden, wie der Anspruch auf Genehmigung nach § 35 Abs. 1 BauGB verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art. 14 GG zu beurteilen ist. Dabei ist auf die Besonderheiten einzugehen, die gerade bei der Kiesgewinnung im Gegensatz zur baulichen Nutzung eines Grundstückes vorliegen können. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährt Eigentumsschutz durch die Instituts- und Bestandsgarantie. Die Institutsgarantie ist in ihrem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers gekennzeichnet.255 Die Bestandsgarantie schützt das konkrete Eigentum in der Hand individueller Eigentümer und vermittelt ein subjektives Recht gegen Eigentumsbeeinträchtigungen. 256 Der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums muß aus der Verfassung selbst gewonnen werden. 257 Das Eigentum als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger bedarf allerdings, um im Rechtsleben praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. 258 Demgemäß hat das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen.259 Solche Normen legen generell und abstrakt die Rechte und

252

§ 35 Abs. 3 S. 1 BauGB betrifft zwar ausdrücklich nur die „Beeinträchtigung öffentlicher Belange". Es ist aber anerkannt, daß die gleichen Belange auch „entgegenstehende Belange" i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB sein können. Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 173 ff. 253 Vgl. dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 173 ff. 254 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 174 m.w.N. 255 Stellvertretend BVerfGE 52, S. 1 (30). 256 Stellvertretend BVerfGE 24, S. 367 (400); E 38, S. 175 (181, 184 f.); E 58, S. 300 (323); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 233. 257 BVerfGE 58, S. 300 (335). 258 BVerfGE 58, S. 300 (330). 259 BVerfGE 58, S. 300 (330).

1 8 2 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen Pflichten des Eigentümers fest. 260 Der Gesetzgeber schafft damit auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Natur sein. 261 Wenn der Gesetzgeber entsprechende Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums normiert, muß er jedoch die Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG beachten.262 Die vom Gesetzgeber geschaffene Eigentumsordnung muß die Privatnützigkeit des Eigentums und die grundsätzliche VerfUgungsbefugnis des Eigentümers respektieren. 263 Inhaltsund Schrankenbestimmungen müssen ferner auch unter Berücksichtigung des Sozialgebotes des Art. 14 Abs. 2 GG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 264 und den Gleichheitssatz wahren. 265 Das nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentum schützt auch die sogenannte Baufreiheit, die somit auch nicht erst durch staatliche Maßnahmen verliehen oder zugeteilt wird. 2 6 6 Unter der Baufreiheit versteht man die Befugnis des Grundeigentümers, sein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen. 267 Mit dem grundrechtlichen Eigentumsverständnis des Bundesverfassungsgerichts, das auf die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfugungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand abstellt, wäre es nicht zu vereinbaren, ausgerechnet die wichtigste Nutzungsart einer Eigentumskategorie aus dem Eigentumsbegriff auszuklammern und die grundsätzliche Verfugungsbefugnis des Grundeigentümers als bloße hoheitlich verliehene Nutzungschance einzustufen. 268 Die konkrete Reichweite der Baufreiheit ergibt sich indes aus der Zusammenschau der einfachgesetzlichen Vorschriften. Die privatrechtlichen Normen des §§ 905, 903 BGB erlauben es grundsätzlich dem Grundeigentümer, sein Grundstücks zur baulichen Nutzung zu verwenden. 269 Die öffentlichrechtlichen Zulässigkeitsvorschrifien des § 35 BauGB konkretisieren den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, indem sie den Inhalt und die Schranken der Baufreiheit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG

260

BVerfGE 58, S. 300 (330). BVerfGE 58, S. 300 (330). 262 BVerfGE 58, S. 300 (338). 263 BVerfGE 58, S. 300 (345). 264 Stellvertretend BVerfGE 58, S. 300 (338); E 87, S. 114 (138); BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 265 Hendler, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 767. 266 Vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Krohn, FS Schlichter, S. 439 (441 mit Fußnote 13). 267 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 47. 268 Vgl. dazu Krohn, FS Schlichter, S. 439 (441 f.) m.w.N. 269 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 293. 261

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

183

näher bestimmen. 270 Ein auf diese Vorschriften gestützter Anspruch des Grundstückseigentümers ist damit grundrechtlich geschützt. 271 Auch wenn es sich bei einer Abgrabung im strengen Sinne nicht um eine bauliche Nutzung handelt, wird man im Ausgangspunkt auch die Abgrabungsfreiheit grundsätzlich als einen Unterfall der Baufreiheit ansehen können. Zwar betraf das Nutzungsrecht des Grundstückseigentümers historisch gesehen in erster Linie die Oberfläche des Grundstücks, während die Berechtigung, auf die im Erdkörper enthaltenen Stoffe zuzugreifen, stets weitgehenden Einschränkungen unterlag. 272 Die grundlegende Vorschrift des § 905 BGB, nach der sich das Recht des Eigentümers eines Grundstücks auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche bezieht und die auch das Eigentumsverständnis des Grundgesetzgebers mitgeprägt haben dürfte, spricht indes dafür, daß auch die Bodenschätzegewinnung - abgesehen von den weitreichenden Beschränkungen im Hinblick auf die bergrechtlichen Bodenschätze 273 - vom verfassungsrechtlichen Grundeigentumsschutz erfaßt sein soll 2 7 4 und auch ein auf § 35 BauGB gestützter Anspruch auf Kiesgewinnung grundrechtlich geschützt ist. Kiesabbauvorhaben bedürfen allerdings neben der baurechtlichen bzw. abgrabungs- oder naturschutzrechtlichen Genehmigung in aller Regel auch einer wasserrechtlichen Bewilligung bzw. Erlaubnis. 275 Da das Grundeigentum nach § 1 a Abs. 3 Nr. 1 W H G zu diesen Gewässerbenutzungen nicht berechtigt, könnte ein durch das Eigentumsrecht geschützter Anspruch des Kiesabbauunternehmers von vornherein ausscheiden.

1. Die Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Naßauskiesungsentscheidung 276 mit der speziellen Frage auseinandergesetzt, welche eigentumsrechtliche Bedeutung dem Kies im Grundstück zukommt, der im Wege einer Naßauskiesung gewonnen werden soll. Das Wasserhaushaltsgesetz schließe Eingriffe in das Grundwasser prinzipiell vom Inhalt des Eigentums aus. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Eingriff die Nutzung des Grundwassers

270

Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 43. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 47. 272 BVerfGE 58, S. 300 (345). 273 Besonderheiten gelten beispielsweise für die bergfreien Bodenschätze, die nach dem BBergG aus dem Grundeigentum ausgenommen wurden. Wie bereits dargelegt, unterfällt Kies aber nicht dem Bergrechtsregime. Vgl. dazu oben Kap. 3. Α. I. 274 I.E. ebenso Brohm, NJW 1980, S. 857 (859). 275 Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II. 3. 276 BVerfGE 58, 300 (337). 271

1 8 4 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen selbst zum Ziel habe oder ob er lediglich eine lästige Begleiterscheinung einer anderen Zwecken dienenden Maßnahme sei. 277 Soweit der Kies im Grundwasser liege, stehe dem Eigentümer nur mit wasserrechtlicher Zulassung das Recht zu, ihn abzubauen.278 Die Rechtsstellung des Grundeigentümers ende in der Tiefe prinzipiell dort, wo er mit dem Grundwasser in Berühung komme. 279 Die Abspaltung des Grundwassers und der Grundwassernutzung zum Zwecke des Kiesabbaus vom Grundeigentum rechtfertigt das Bundesverfassungsgericht dabei mit dem vom Wasserhaushaltsgesetz verfolgten Ziel des geordneten Wasserhaushaltes 280, der sowohl für die Bevölkerung als auch für die Gesamtwirtschaft lebensnotwendig sei. 281 Dem Eigentum fehlten im übrigen auch nicht die Merkmale der Privatnützigkeit und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis, weil der Eigentümer nur mit behördlicher Zustimmung auf das Grundwasser einwirken dürfe. 282 Die Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden, sei in aller Regel auch nicht davon abhängig, daß dort Grundwasser gefördert werden könne oder sich der Eigentümer des Grundwassers erwehren müsse 283 , wie dies etwa bei Naßauskiesungen der Fall sei. Aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Grundeigentums lasse sich ferner nicht ein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeit herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche. 284 Man könnte aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Rückschluß ziehen, daß zwar der Kies im Grundwasser vom Eigentum ausgeklammert ist, aber nicht der in der Deckschicht befindliche Kies. Dies hätte zur Folge, daß Trocken- und Naßauskiesungen aus eigentumsrechtlicher Sicht prinizipiell unterschiedlich behandelt werden müßten. Eine solche Betrachtungsweise entspricht indes nicht dem Wortlaut des § 1 a WHG, der keine Differenzierungen innerhalb der Zulassungstatbestände vornimmt. 285 Die dar277

BVerfGE 58, 300 (337). BVerfGE 58, 300 (337). 279 BVerfGE 58, 300 (329). 280 BVerfGE 58, 300 (339 ff.). 281 BVerfGE 58, 300 (341). 282 BVerfGE 58, 300 (345). 283 BVerfGE 58, 300 (345). 284 BVerfGE 58, 300 (345). 285 Das BVerfG, E 58, S. 300 (326 f.) überprüft im übrigen die wasserrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf die Gewässerbenutzungen bei Naßauskiesungen, läßt aber die Frage offen, ob es sich bei der infragestehenden Abgrabungen um einen Gewässerausbau oder eine Gewässerbenutzung handelt. Vgl. Czychowski, WHG, § la, Rn. 30, wonach die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht auf alle von § 1 a Abs. 3 WHG erfaßten Tatbestände bezogen werden könnten. Vgl. auch Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn.78. 278

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

185

gelegte Rechtsprechung könnte also dahingehend zu verstehen sein, daß jede Trocken- oder Naßauskiesung, die einer wasserrechtlichen Zulassung bedarf, ausnahmslos, d.h. auch in ihrer städtebaulichen Beurteilung nach § 35 BauGB nicht grundrechtlich geschützt sei. 2 8 6 Auch im Hinblick auf Bauvorhaben wird argumentiert, daß der baurechtliche Anspruch dort ende, wo zugleich ein wasserrechtlicher Benutzungstatbestand erfüllt sei. 2 8 7

2. Die Rechtsprechung des BGH nach der Naßauskiesungsentscheidung Der B G H 2 8 8 geht auch nach der Naßauskiesungsentscheidung in mehreren Urteilen davon aus, daß die Kiesbestandteile des Grundstücks nicht aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG ausgegliedert seien. Die Ordnung des Wasserhaushaltsgesetzes belasse dem Grundeigentümer das Eigentum an einem unter der Erdoberfläche seines Grundstücks befindlichen Kiesvorkommens. 289 Wenn das Bundesverfassungsgericht in der Naßauskiesungsentscheidung ausführe, die Rechtsstellung des Grundeigentümers ende in der Tiefe prinzipiell dort, wo er mit dem Grundwasser in Berührung komme, so sei dies nicht räumlich zu verstehen. 290 Dies besage vielmehr nur, daß der Grundeigentümer nur so lange nicht befugt sei, das in seinem Eigentum stehende Kiesvorkommen auszubeuten, als das wegen einer Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung unstatthaft sei. 291 Stünden einer Kiesausbeute wasserwirtschaftliche Gründe nicht entgegen, solle diese Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfaßt sein. 292 Beispielsweise könne das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Grundeigentum berührt sein, wenn einem Auskiesungsvorhaben keine wasserwirtschaftlichen Belange entgegenstehen, jedoch (allein) Belange des Landschaftsschutzes, die den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG

286 Offenlassend im Hinblick auf die naturschutzrechtliche Zulässigkeit einer Kiesabgrabungen innerhalb einer Schutzgebietsausweisung allerdings BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 287

288

So Knopp, in: Siederl Zeitler !Dahme!Knopp, WHG, § 1 a Rn. 27.

Stellvertretend BGH, NVwZ 1984, S. 819; BGH, ZfW 1983, S. 29 (32); andeutungsweise auch BGH, ZfW 1983, S. 19 (22); VGH Mannheim, ZfW 1984, S. 356 (361); vgl. auch die Zusammenfassung der Rechtsprechung des BGH bei SalzwedellNacke, NVwZ 1985, S. 715; kritisch Soell, NuR 1984, S. 185 f. sowie Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 84. 289 Z.B. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820). 290 Z.B. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820). 291 Z.B. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820). 292 Z.B. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820); in diesem Sinne wohl auch Salzwedel, ZfW 1983, S. 13 (16).

1 8 6 D r i t t e s Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen genügen, über die dem Grundeigentum immanente Sozialbindung hinaus eine derartige Nutzung der Bodenbestandteile verbieten. 293 In einem Kammerbeschluß hat das Bundesverfassungsgericht jüngst die Frage offen gelassen, ob diese für die Kiesabbauunternehmer günstige Rechtsprechung des BGH zutreffend sei, weil die Frage in dem konkreten Fall nicht entscheidungserheblich war. 2 9 4

3. Stellungnahme Die vom BGH vorgebrachte Argumentation widerspricht dem Wortlaut des § 1 a Abs. 3 Nr. 1 WHG. Danach kommt es allein darauf an, ob eine Gewässerbenutzung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedarf. Die Vorschrift stellt also gerade nicht darauf ab, ob wasserwirtschaftliche Gründe im konkreten Fall gegen das Vorhaben sprechen. Hinzuweisen ist allerdings auf den historischen Umstand, daß dem Grundstückseigentümer vor Erlaß des WHG die Befugnis zustand, beim Kiesabbau in den Grundwasserbereich einzugreifen, zumindest soweit dies keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hervorrief 295 und daß ferner auch das Bergrecht den Kies nicht aus dem Grundeigentum ausklammerte. 296 Der Bundesgesetzgeber verfolgte bei der Normierung der Vorschrift des § 1 a Abs. 3 WHG auf der Kompetenzgrundlage des Wasserhaushaltsrechts i.S.d. Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG das Ziel, den geordneten Wasserhaushalt zu schützen, wie das Bundesverfassungsgericht zu recht betont. 297 Eine Beschränkung des Grundeigentums über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist, war durch die Regelung nicht bezweckt und wäre auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich zu beanstanden.298 Indem der Gesetzgeber in § 1 a Abs. 3 WHG an das formale Erfordernis einer wasserrechtlichen Zustimmung anknüpft, wollte er lediglich verhindern, daß der Behörde im Hinblick auf ihre wasserwirtschaftlichen Überlegungen

293

Z.B. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820). BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 295 BVerfGE 58, 300 (349) mit Verweis auf die §§ 196 ff. des Preußischen Wassergesetzes von 1913 und das Polizeirecht. 296 Vor Erlaß des BBergG galt dies aufgrund landesrechtlicher Regelungen. 297 BVerfGE 58, S. 300 (339 f.). 298 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 437, geht sogar so weit, daß die wasserhaushaltsrechtlichen Ziele durch präventiv wirkende Erlaubnisvorbehalte mit strengen Erlaubnisanforderungen, aber zugleich mit Erteilungspflichten bei Erfüllung der Anforderungen gewahrt blieben und die Vorschrift des § 1 a Abs. 3 WHG insgesamt verfassungswidrig sei. 294

Β. Allgemeines zur Genehmigung nach § 35 BauGB

187

Rechte aus dem Grundeigentum entgegengehalten werden können und daß sie insofern mit Entschädigungsforderungen konfrontiert wird. Dies erschien insbesondere im Hinblick auf die Festlegung von Wasserschutzgebieten von erheblicher Bedeutung. 299 Ein dariiberhinausgehender Sinngehalt der Vorschrift des § 1 a Abs. 3 WHG, wonach jede Grundstücksnutzung, die einer wasserrechtlichen Zulassung bedarf, auch dann aus dem Grundstückseigentum ausgeklammert wird, wenn keine wasserwirtschaftlichen Gründe gegen das Vorhaben sprechen und die Ziele des Wasserhaushaltsgesetzes erreicht sind, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. 300 Im Ergebnis ist daher dem BGH zu folgen. 301 Die Benutzung eines Grundstückes zur Kiesgewinnung, die eine wasserrechtliche Zulassung erfordert, ist vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG ausgenommen, sofern es um die wasserwirtschaftliche Beurteilung des Vorhabens geht. Sein Eigentumsgrundrecht an dem im Grundwasser oder in der Deckschicht befindlichen Kies ist daher im Falle eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens im Rahmen des § 35 Abs. 1 BauGB 3 0 2 nicht von vornherein unerheblich. Stehen wasserwirtschaftliche Gründe dem Vorhaben nicht entgegen, hat der Eigentümer eines Abgrabungsgeländes einen Anspruch auf Kiesgewinnung, der auf die in Art. 14 Abs. 1 GG und durch §§ 905, 903 BauGB und § 35 BauGB konkretisierte Baufreiheit grundrechtlich geschützt ist.

299

Vgl. zur fehlenden Entschädigungspflicht bei der Festsetzung von Wasserschutzgebieten im Hinblick auf Grundstücksnutzungen, die einer wasserrechtlichen Zulassung bedürfen, z.B. Czychowski, WHG, § 1 a, Rn. 26 f., § 19, Rn. 79 f. m.w.N.; BGH, NuR 1997, S. 257 (258 f.). 300 Vgl. im Ergebnis zumindest in diese Richtung gehend BVerfGE 58, 300 (347 f.). 301 Zustimmend auch Christ, Raumordnungsziele, S. 277 Fußnote 440. Vgl. auch Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 84, Rn. 626, der zwar dem BGH nicht folgt, aber gleichwohl annimmt, daß unter besonderen Umständen des Einzelfalls eine Ausbeutung von Bodenbestandteilen eigentumskräftig verfestigt und damit enteignungsfähig sein könne, so daß deren Verhinderung durch ein Wasserschutzgebiet Entschädigungspflichten auslöse. 302 Vgl. zum Eigentumsrecht, wenn ein Grundstück im Außenbereich nur bebaut werden kann, wenn größere Mengen Grundwasser abgepumpt werden Salzwedel, ZfW 1983, S. 13 (16).

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

C. Allgemeines zum Entscheidungsprogramm bei der Planfeststellung und Plangenehmigung von Kiesabgrabungen I. Planfeststellung Die Planfeststellung stellt die typische Zulassungsform von Anlagen dar, die sich durch einen hohen räumlichen Koordinierungsbedarf auszeichnen.303 Seiner Struktur nach ist das Planfeststellungsverfahren ein besonderes förmliches Genehmigungsverfahren 304, in dem auf Antrag des Vorhabenträgers über den von ihm vorgelegten Plan entschieden wird, der das Vorhaben, seinen Anlaß und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen läßt 305 . Rechtsgrundlage für die Erteilung einer wasserrechtlichen Planfeststellung ist die rahmenrechtliche Vorschrift des § 31 WHG i.V.m. den jeweiligen landeswasserrechtlichen Regelungen zur Planfeststellung. Dies gilt nicht nur für die dort geregelten verfahrensrechtlichen 306, sondern auch für die materiellrechtlichen Regelungen.307 Aus §31 Abs. 5 S. 3 WHG ergibt sich beispielsweise, daß der Planfeststellungsbeschluß zu versagen ist, wenn von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, wobei exemplarisch die Erhöhung der Hochwassergefährdung und die Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern hervorgehoben wird. Auch die Landeswassergesetze308 enthalten eine Vielzahl von materiellen Vorschriften zur wasserrechtlichen Planfeststellung. Diese Regelungen bleiben indes fragmentarisch. 309 Für die Ermittlung des Entscheidungsprogramms bei der wasserwirtschaftlichen Planfeststellung ist daher vornehmlich auch auf allgemeine Grundsätze des Planfeststellungsrechts zurückzugreifen. 310

303

Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501 (1503).

304

Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

305

WHG § 31 Rn. 46, Rn. 334 ff.

Vgl. § 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwVfG. 306 Vgl. z.B. §31 Abs. 2 S. 1 WHG, wonach das Planfeststellungsverfahren den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechen muß. Entsprechend zum Landesrecht, z.B. § 128 Abs. 2 WG LSA; § 70 Abs. 1 LWaG M.-V. 307 Vgl. entsprechend zu §§ 7 und 8 AbfG bei der abfallrechtlichen Planfeststellung BVerwG, DVB1. 1995, S. 238 (240). 308 Z.B. § 124 WG LSA, Art. 58 Abs. 2 BayWG; §§ 68, 70 Abs. 4 LWaG M.-V.; § 100 LWGNW. 309 Vgl. allgemein Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (214). Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 672. 310 Stellvertretend Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501.

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

189

Allgemeine gesetzliche Regelungen für Planfeststellungen ergeben sich aus dem Landesverfahrensrecht 311, die vor allem verfahrensrechtliche Anforderungen betreffen, aber im Hinblick auf die Rechtswirkungen der Planfeststellung auch Rückschlüsse auf das materielle Entscheidungsprogramm bei der Planfeststellung zulassen.312 Hervorzuheben ist insofern die bereits erwähnte Zulassungs- oder Genehmigungswirkung der Planfeststellung. Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt. 313 Die Planfeststellung ist ferner wie bereits erwähnt mit einer umfassenden Konzentrationswirkung 314 ausgestattet, da neben der Planfeststellung keine anderen behördlichen (Zulassungs-) Entscheidungen mehr erforderlich sind. 315 Aus den Vorschriften ergibt sich schließlich, daß die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend regelt. 316 Was insofern die Enteignung von Grundstücken zum Zwecke der Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens anbelangt, gilt nach den Landeswassergesetzen317 und übereinstimmender Ansicht der Grundsatz der sogenannten enteigungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung. 318 Der festgestellte Plan bewirkt danach zwar nicht selbst den Eigentumsentzug oder ermächtigt auch nur dazu, er vermag aber die nachfolgende Enteignung zu rechtfertigen. 319 In den Regelungen kommt der umfassende Regelungsgehalt der Planfeststellung zum Ausdruck. Die Planfeststellung hat mithin den umfassenden Auftrag, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften festzustellen. 320 Durch die Planfeststellung wird nicht nur über die Lage des Vorhabens entschieden, sondern auch über die Zulässigkeit der Errichtung und Nutzung der für das Vorhaben erforderlichen Anlagen, Schutzvorkehrungen zugunsten Betroffener etc. 321

311 Zur Anwendung des Landesverfahrensrecht bei der wasserrechtlichen Planfeststellung bei Abgrabungen, Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 412. 312 Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (213). 313 Z.B. Art. 75 Abs. 1 S. 1 HS. 1 BayVwVfG. 3,4 Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (213). 315 Z.B. Art. 75 Abs. 1 S. 1 HS. 2 BayVwVfG. 316 Z.B. Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG. 317 Vgl. z.B. § 129 NdsWG. 318 § 129 NdsWG; Jackisch, Enteignung zugunsten Privater, S. 124 m.w.N.; Hösch, ZfW 1997, S. 79 (82). 319 Jackisch, Enteignung zugunsten Privater, S. 124 m.w.N.; Hösch, ZfW 1997, S. 79

(82).

320 321

Steinberg, Fachplanung, S. 172. Steinberg, Fachplanung, S. 291 f.

190

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

Diese genannten Regelungen werden außerdem durch die allgemeinen Grundsätze ergänzt, die die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Fachplanungsrecht entwickelt hat, z.B. durch die Differenzierung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung 322 und den Grundsatz der planerischen Abwägung der Planfeststellungsbehörde 323. Erst aus der Summe der unterschiedlichsten materiellen Vorschriften und der durch die Rechtsprechung geprägten Grundsätze der Planfeststellung ergibt sich mithin ein Bild über das komplexe Entscheidungsprogramm, das die Planfeststellungsbehörde bei einer wasserwirtschaftlichen Planfeststellung einzuhalten hat 3 2 4 und das im folgenden in den Grundzügen skizziert werden soll. Vertiefende Betrachtung verdienen dabei solche Fragen, die gerade bei der Planfeststellung über Naßauskiesungen relevant werden oder die - wie insbesondere die Frage der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde - für die spätere Behandlung der Raumordnungsbindung besondere Bedeutung erlangen.

1. Die Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung a) Allgemeines Im Wasserrecht gilt nach ständiger Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen gemeinnützigen und privatnützigen Planfeststellungen. 325 Nach der Rechtsprechung hat diese Unterscheidung zwar keine Auswirkungen auf das planerische Abwägungsgebot, sie sei danach aber im Hinblick auf die dem Abwägen vorausgehenden Denkschritte der Planung von erheblichem rechtlichem und praktischem Gewicht. 3 2 6 Die privatnützige wasserrechtliche Planfeststellung erstrecke sich auf Ausbauvorhaben, die im allein privaten Interesse des Ausbauunternehmers ausgeführt werden. 327 Eine solche Planfeststellung vermöge wegen des Fehlens eines sie tragenden öffentlichen Interesses Eingriffe in Rechte Dritter nicht zu rechtfertigen und sei ihrem wesentlichen Entscheidungsgehalt nach nicht

322

Grundlegend BVerwGE 55, S. 220 (226 ff.). Grundlegend BVerwGE 48, S. 56 (59 ff.). 324 Stellvertretend Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501. 325 Z.B. BVerwGE 48, S. 56 (60 ff.); BVerwGE 55, S. 220 (226); OVG Lüneburg, ZfW 1997, S. 116 ff. m.w.N.; offenlassend BVerwGE 79, S. 318 (322). 326 BVerwGE 55, S. 220 (226 f.). 327 BVerwGE 55, S. 220 (226). 323

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

191

Eingriffsakt, sondern nehme die Funktion einer Genehmigung ein. 3 2 8 Bei ihr sei vor Eintritt in die planerische Abwägung danach zu fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vom Ausbauunternehmer im Sinne einer Genehmigung begehrte Planfeststellung aus Rechtsgründen unzulässig sei und versagt werden müsse. 329 Ein privatnütziger Gewässerausbau, der unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit fuhren würde, muß am Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes scheitern, ohne daß im Planfeststellungsverfahren der Denkschritt der planerischen Abwägung überhaupt erreicht werde. 330 Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sei, beantworte das Wasserhaushaltsgesetz in allein wasserwirtschaftlichem Zusammenhang.331 Von der Beeinträchtigung des Wohl der Allgemeinheit sei ferner immer dann auszugehen, wenn die geplante Ausbaumaßnahme zwingenden Vorschriften des außerhalb des Wasserrechts für sie maßgebenden Rechtsmaterien widerspricht. 332 Gemeinnützige Planfeststellungen sind Planungen zum Gewässerausbau aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit. 3 3 3 Zwar besteht auch bei einer gemeinnützigen Planfeststellung die Pflicht zur Prüfung, ob dem Vorhaben zwingende Versagungsgründe des für die jeweilige Planfeststellung einschlägigen Fachplanungsrechts oder anderer Rechtsgebiete entgegenstehen.334 Im Unterschied zur privatnützigen Planfeststellung dient die gemeinnützige Planfeststellung aber auch der - bis hin zur Zulässigkeit der Enteignung vordringenden - Überwindung von privaten und öffentlichen Belangen, die der Planung entgegenstehen.335 Sie stellt insoweit zumindest auch einen Eingriffsakt dar. 336 Bei der gemeinnützigen Planfeststellung sei dem planerischen Abwägen vorausgesetzt die positive Beantwortung der Frage, ob der Erlaß des Dritte potentiell belastenden Planfeststellungsbeschlusses nach Maßgabe des gesetzlichen Planungszieles und gesetzlicher Planungsleitsätze im konkreten Fall gerechtfertigt sei. 337 Diese sogenannte Planrechtfertigung stellt den charakteristischen

328 329 330 331 332 333 334 335 336 337

BVerwGE 55, S. 220 (227). BVerwGE 55, S. 220 (228). BVerwGE 55, S. 220 (227). BVerwGE 55, S. 220 (228). BVerwGE 55, S. 220 (230). BVerwGE 55, S. 220 (226). BVerwGE 85, S. 155 (156). BVerwGE 55, S. 220 (226). BVerwGE 55, S. 220 (226). BVerwGE 55, S. 220 (226).

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Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

Prüfungsschritt bei der gemeinnützigen Planfeststellung dar, durch den sie sich von der privatnützigen Planfeststellung unterscheidet. 338 Entgegen anderslautenden Äußerungen im Schrifttum 339 hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die prinzipielle Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung inzwischen nicht aufgegeben. 340 Die insbesondere in Bezug genommene Rechtsprechung 341 hat lediglich im Zusammenhang mit der Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen festgestellt, daß es bei der Zulassung dieser Anlagen keine privatnützige Planung gebe. Ein privater Antragsteller strebe zwar mit der Anlage auch eigennützige private Ziele an, dies hindere aber nicht die Annahme, daß der Unternehmer mit seinem Vorhaben zugleich dem Gemeinwohl dienende Interessen verfolge. Mit dieser Feststellung zum Abfallrecht ist aber keineswegs gesagt, daß es auch im übrigen keine Planfeststellungen im „allein privaten Interesse" des Antragstellers gibt. Aus der Rechtsprechung ergibt sich lediglich, daß die Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung nach materiellen Gesichtspunkten zu erfolgen hat und nicht davon abhängig ist, ob der Antragsteller ein öffentlichrechtliches oder privatrechtliches Rechtssubjekt ist. 3 4 2 Im Wasserrecht wird in der Rechtsprechung vielmehr weiterhin zwischen privatnützigen und gemeinnützigen Planfeststellungen unterschieden. 343 Der Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und privatnütziger Planfeststellung ist im Ergebnis auch zu folgen. Wegen des Zwecks des Vorhabens, für den die Planfeststellung erfolgen soll, sind bei der gemeinnützigen Planfeststellung zusätzliche Enteigungsgrundsätze zu beachten, während Enteigungen bei der privatnützigen Planfeststellung „ex defmitione" nicht relevant werden können. 344 Enteigungen sind zwar auch zugunsten Privater zulässig. 345 Nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist eine Enteignung indes nur erlaubt, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert. Der Zugriff auf das Eigentum wird nur unter der Voraussetzung eröflhet, daß er einem besonderen, im öffentlichen Nutzen 338

Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (217 f.). Z.B. Weidemann, DVB1. 1990, S. 592; Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501 (1505); ders., Fachplanung, S. 26 ff. 340 Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 129 ff. Ausdrücklich offenlassend BVerwGE 79, S. 318 (322). 341 BVerwGE 85, S. 44 ff. 342 Vgl. dazu Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 29; Büllesbach, Abgrabungen, S. 128; Seilmann, DVB1. 1987, S. 223 jeweils m.w.N. 343 Vgl. OVG Lüneburg, ZfW 1997, S. 116 m.w.N.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 131 mit dem allerdings zweifelhaften Verweis auf BVerwGE 85, S. 349 (352, 363). 344 Büllesbach, Abgrabungen, S. 131. 345 Vgl. z.B. BVerfGE 66, 248 (257); E 74, S. 264 (279 ff., 285); umfassend Jackisch, Enteignung zugunsten Privater. 339

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

193

liegenden Zweck dient, der seine konkrete Ausformung in gesetzlichen Vorschriften oder auf deren Grundlage gefunden haben muß. 3 4 6 Die für den Prüfungspunkt der Planrechtfertigung maßgeblichen gesetzlichen Planungsziele und -leitsätze dienen bei der gemeinnützigen Planfeststellung der Konkretisierung des Zwecks eines Vorhabens, der etwaig erforderliche Enteignungen rechtfertigt. 347 Gerade im Hinblick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung der gemeinnützigen Planfeststellung kommt daher auch dem Prüfungspunkt der Planrechtfertigung eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt auch dann, wenn man mit der Rechtsprechung davon ausgeht, daß sich die Frage, ob das Gemeinwohl eine Enteignung rechtfertige, sich „abschließend" erst aufgrund der Abwägung ergebe. 348 Zwar ist einzuräumen, daß die Abgrenzung zwischen privatem Nutzen und gemeinem Wohl Schwierigkeiten bereiten kann. 3 4 9 Die Abgrenzung läßt sich indes schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht umgehen. Insofern ist auch darauf hinzuweisen, daß auch die Landeswassergesetze von der Unterscheidung ausgehen und eigens zwingende Versagungsgründe nur für Planfeststellungen normiert haben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen und mithin privatnützig sind. 3 5 0 Auch andere Vorschriften bleiben ausdrücklich lediglich auf Gewässerausbauvorhaben beschränkt, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen. 351 A n der prinzipiellen Unterscheidung zwischen privatnütziger und gemeinnütziger Planfeststellung ist mithin weiterhin festzu-

346

BVerfGE 56, S. 249; BVerwG, NuR 1997, S. 397 (398). Vgl. BVerwGE 71, S. 166 (168 ff.), wonach eine gemeinnützige Planfeststellung den Anforderungen der Planrechtfertigung genügt, wenn die Planung den Zielsetzungen des Fachplanungsgesetzes dient und die mit dem konkreten Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet seien, etwa entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. 348 Vgl. BVerwGE 71, S. 166 (168 ff.); vgl. auch Niehnes, WiVerw 1985, S. 250 (251); a.A. Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (434 f.); Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (231 f.), der die Prüfungsstufe der Planrechtfertigung im Vorfeld der Abwägung auch im Hinblick auf Art. 14 GG für entbehrlich hält. Kritisch auch Hösch, ZfW 1997, S. 79 (83). 349 Vgl. zu dieser Kritik Kühling, FS Sendler, S. 391 (395 f.); Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (232); Czychowski, WHG, § 31 Rn. 1 c. 350 Vgl. dazu z.B. § 58 Abs. 3 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 BayWG; § 70 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 1 LWaG M.-V. sowie die Zusammenstellung der Vorschriften bei Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 31 Rn. 161. Vgl. auch Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 79 ff., 98, die eine Gleichsetzung von Privatnützigkeit und fehlendem Allgemeinwohlzweck ablehnt. Eine selbständige Bedeutung der privatnützigen wasserrechtlichen Planfeststellung, die über die Subsumtion der materiellrechtlichen Normen im konkreten Einzelfall hinausgeht, sei nicht erkennbar. 351 Z.B. § 129 NdsWG; § 130 WG LSA; § 70 Abs. 3 LWaG M.-V.; §§ 102 Abs. 3, 46 LWG NW; § 65 WG BaWü; vgl. dazu Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 79. 347

13 Spiecker

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Drittes Kapitel : Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

halten 352 , auch wenn die Konsequenzen der Unterscheidung im konkreten Einzelfall nicht immer zum Tragen kommen, z.B. wenn für eine Planfeststellung von vornherein keine Enteignung erforderlich ist 3 5 3 .

b) Naßauskiesungen als privat- oder gemeinnützige Ausbauvorhaben Mit der Ausbaggerung einer Kiesgrube verfolgt der Unternehmer allein gewerbliche Interessen. Zwar wird gelegentlich argumentiert, daß für die Gewinnung eines so wichtigen Rohstoffes wie Kies wegen der Bedeutung für die Volkswirtschaft ein öffentliches Interesse bestünde.354 Ein irgendwie geartetes mittelbares öffentliches Interesse ist aber fast jeder gewerblichen Tätigkeit in einer marktwirtschaftlichen Ordnung immanent. 355 Bei der Überlagerung öffentlicher und privater Interessen erscheint indes die Annahme einer gemeinnützigen Planfeststellung nur gerechtfertigt, wenn das öffentliche Interesse im Fachrecht gesetzlich näher konkretisiert ist, so wie dies zum Beispiel hinsichtlich der Gewinnung bergrechtlicher Bodenschätze in § 1 Nr. 1 und § 48 Abs. 1 S. 2 BBergG geschehen ist. 3 5 6 Ein Gewässerausbau ist mithin nur dann gemeinnützig, wenn er einem gesetzlich konkretisierten Vorteil für die Allgemeinheit dient, der sich entweder aus dem Wasserrecht ergibt, z.B. weil er auf eine Pflicht zum Ausbau eines Gewässers zurückzuführen ist 3 5 7 , oder aus 352 I.E. ebenso z.B. Büllesbach, Abgrabungen, S. 131; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 411; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (430); Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 703 ff. Demgegenüber lehnen die selbständige rechtliche Bedeutung der privatnützigen Planfeststellung ab: Kühling, FS Sendler, S. 391 (397, 402); ders., Fachplanungsrecht, Rn. 166, der insbesondere auch im Hinblick auf die Planungsstufe der Planrechtfertigung ein Mißverhältnis zwischen theoretischem Aufwand und praktischen Nutzen konstatiert; Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (231 f.); Steinberg, DVB1. 1992, S. 1501 (1504); wohl auch Hösch, ZfW 1997, S. 79 (87); Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 98. 353 Vgl. dazu Kühling, FS Sendler, S. 391 (397). 354 Kühling, FS Sendler, S. 391 (395); ähnlich Böttcher, ZfW 1983, S. 129 (139 f.), der von einem Interesse des Gemeinwohls am Kiesabbau spricht, wenn - was nicht abwegig erscheine - der für die gesamte Bauwirtschaft noch immer essentielle Kies zu einem knappen Gut werden sollte. 355 Kühling, FS Sendler, S. 391 (395). 356 Vgl. dazu Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (269). 357 Vgl. z.B. Art. 54 BayWG. Nach Thum, Gewässerfunktionen, S. 175 und Büllesbach, Abgrabungen, S. 142, können nur diejenigen Belange zur Qualifizierung eines gemeinnützigen Vorhabens führen, die vom sachlichen Schutzbereich der wasserrechtlichen Gemeinwohlklausel erfaßt sind, d.h. wenn ein Gewässerausbau aus wasserwirtschaftlichen Gründen sowie - wegen der engen Verzahnung von Wasserwirtschaft und Naturschutz - aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege durchgeführt wird. Vgl. auch Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 79 f. Vgl. zur Gemeinnützigkeit eines Gewässerausbaus zum Zweck der Renaturalisierung, VGH Mannheim, ZfW 1989/90, S. 430 (432).

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

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anderen Gesetzen, die für das Vorhaben einschlägig sind. 358 Eine gesetzliche Konkretisierung des Wohls der Allgemeinheit hinsichtlich des Belangs der Grundstücksnutzung zur Kiesgewinnung 359 ist indes nicht ersichtlich. Von einer gemeinnützigen Planfeststellung bei Naßauskiesungen kann man lediglich dann sprechen, wenn zusätzlich zum Zweck der bloßen Kiesgewinnung noch spezifische sonstige öffentliche Interessen, d.h. Gründe des Wohls der Allgemeinheit hinzutreten, die die Kiesabgrabung - auch im Hinblick auf etwaige Enteignungen - zu rechtfertigen vermögen. Dies mag etwa der Fall sein, wenn mit der Naßauskiesung durch einen privaten Unternehmer zugleich ein aus wasserwirtschaftlichen Gründen erforderlicher Trinkwasserspeichersee angelegt wird. Die Schaffung von Kiesgruben kann ferner für den Bau von öffentlichen Straßen oder Bahntrassen notwendig werden. Obgleich hierbei ein enger Zusammenhang zwischen dem Kiesabbau und dem einem Gemeinwohlzweck dienenden öffentlichen Infrastrukturvorhaben besteht, wird man hierbei allerdings keine gemeinnützige Planfeststellung annehmen können, weil weder dem Wasserrecht noch dem Straßenrecht ein so weitreichendes dahingehendes Planungsziel zu entnehmen ist. 3 6 0 Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß für die Planfeststellung bei Naßauskiesungen in aller Regel das Entscheidungsprogramm der privatnützigen Planfeststellung 361 Anwendung findet.

2. Zwingende gesetzliche Vorgaben Vor dem Eintritt in die planerische Abwägung ist bei der privatnützigen wasserrechtlichen Planfeststellung danach zu fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vom Ausbauunternehmer im Sinne einer Genehmigung begehrte Planfeststellung aus Rechtsgründen unzulässig ist und versagt werden muß. Angesprochen ist mithin die Vielzahl zwingender Vorschriften, an die die Planfeststellungsbehörde gebunden ist. Diese zwingenden Vorschriften sind 358

Achenbach, Privatnützige Planfeststellung, S. 80. Vgl. auch den Bewirtschaftungsgrundsatz des § 1 a Abs. 1 S. 2 WHG, der zwischen dem Wohl der Allgemeinheit und dem Nutzen einzelner unterscheidet. 360 I.E. ebenso Büllesbach, Abgrabungen, S. 140 ff., der es nicht für ausreichend hält, wenn eine Naßauskiesung durch einen Privatunternehmer lediglich mittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. A.A. Seilmann, DVB1. 1987, S. 223; möglicherweise auch Czychowski, WHG, §31 Rn. 1; Vgl.in anderem Zusammenhang zum „öffentlichen Interesse" beim Abbau von Sand- und Kies im Meeresboden zum Zweck der Landgewinnung, für die Errichtung von Hafenanlagen und für Maßnahmen des Küstenschutzes nach § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WStrG BVerwG, UPR 1991, S. 23. 361 Z.B. BVerwGE 55, 220 (223 f.); BVerwGE 85, 155 (156); VGH München, NuR 1979, S. 31; OVG Münster, ZfW 1985/86, S. 129 (132); VGH Mannheim, VB1BW 1984, S. 416 (417). 359

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Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht im Rahmen einer planerischen Abwägung überwunden werden können, sondern strikte Beachtung verlangen. 362 Sie sind insbesondere auch von relativen Vorrangregelungen, Berücksichtigungsgeboten363 sowie von Vorschriften zu unterscheiden, die ein Ermessen der Behörde 364 vorsehen. Hinzuweisen ist darauf, daß in der Rechtsprechung und im Schrifttum gelegentlich innerhalb der zwingenden Normen Differenzierungen vorgenommen werden, wobei der Abgrenzung der Planungsleitsätze von sonstigen zwingenden Normen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. 3 6 5 So sollen nach Steinberg nur solche zwingende Vorgaben als Planungsleitsätze bezeichnet werden, die sich auf den Vorgang der Raumplanungsentscheidung als solchen beziehen, sich also erkennbar an den Planer wenden. 366 Aus den Unterscheidungen werden zum Teil verfahrensökonomische Schlüsse im Hinblick auf eine bestimmte, zweckmäßige Prüfungsreihenfolge bei der Planfeststellung gezogen.367 Für die Zulässigkeit des planfeststellungsbedürftigen Vorhabens ist die Prüfungsreihenfolge indes im Ergebnis unerheblich. 3 6 8 Somit haben die Differenzierungsbemühungen lediglich heuristischen Wert. 3 6 9 Ihnen soll im folgenden nicht näher nachgegangen werden. Zwingende Versagungsgründe finden sich im Wasserhaushaltsgesetz und den Landeswassergesetzen. Bereits erwähnt wurde der insofern besonders bedeutsame zwingende Versagungsgrund des § 31 Abs. 5 S. 3 WHG, wonach ein Planfeststellungsbeschluß zu versagen ist, soweit von dem Ausbau eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Entsprechendes

362

BVerwGE 71, S. 163 (165). BVerwGE 71, S. 163 (165); Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 31, Rn. 221 m.w.N. 364 Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (228, 237 f.). 365 BVerwGE 48, 56; BVerwGE 71, 163 (165); Vgl. ausführlich zum Begriff der Planungsleitsätze Steinberg, Fachplanung, S. 187 ff. m.w.N.; Vgl. auch Büllesbach, Abgrabungen S. 151 ff.; Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (232). 366 Steinberg, Fachplanung, S. 187 ff. m.w.N.; ders., DVB1. 1992, S. 1501 f., der allerdings einräumt, daß der Anwendungsbereich von „echten Planungsleitsätzen" gering sei. 367 Steinberg, Fachplanung, S. 172. 368 Vgl. BVerwGE 85, 155 (156 f.), wonach die Behörde nicht an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge gebunden ist, sondern befugt ist, von der Prüfung etwa entgegenstehender zwingender Versagungsgründe abzusehen und das Vorhaben ausschließlich aufgrund einer planerischen Abwägung zu beurteilen. Vgl. auch Fouquet, VerwArch 1996, S. 212, (225, 232). 369 Vgl. auch zur Kritik an der Kategorie der Planungsleitsätze Laubinger, in: Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41 Rn. 6; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (435) m.w.N.; vgl. auch Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (232), der terminologische Unsicherheiten feststellt. 363

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

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gilt für die zwingenden Versagungsgründe der Landeswassergesetze.370 Auch im übrigen ist die wasserrechtliche Planfeststellung zu versagen, wenn sie den materiellen Grundentscheidungen des Wasserhaushaltsgesetzes widerspricht. 371 Es ist inzwischen anerkannt, daß sich der umfassende Regelungsgehalt der Planfeststellung auf das maßgebliche Entscheidungsprogramm insbesondere in der Weise auswirkt, daß die Planfeststellungsbehörde auch diejenigen materiellrechtlichen Vorschriften prüft, die bei den wegen der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses verdrängten behördlichen Entscheidungen anzuwenden wären. 372 Es gilt mithin der Grundsatz der bloß formellen, d.h. nicht materiellen Konzentrationswirkung der Planfeststellung, da die Planfeststellung zwar formell die sonstigen fachgesetzlichen Zulassungsentscheidungen ersetzt, die Planfeststellungsbehörde aber von der Einhaltung des materiellen Fachrechts nicht entbunden ist. 373 Auch die aufgrund der Konzentrationswirkung eingeschlossenen Zulassungstatbestände enthalten strikte Zulassungsvoraussetzungen, an die die Planfeststellungsbehörde ohne Einschränkung gebunden ist. 3 7 4 Da die Planfeststellungsbehörde wie bereits erwähnt den umfassenden Auftrag besitzt, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften festzustellen 375, sind mithin bei der Planfeststellung im übrigen auch solche Vorschriften anzuwenden, die wie z. B. § 22 f. BImSchG 376 oder die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung 377 bestimmte Pflichten normieren, ohne daß ihre Prüfung grundsätzlich in einem gesonderten Genehmigungsverfahren erfolgte. 378 Zu den zwingenden Anforderungen zählen auch vorgelagerte Planungsentscheidungen, sofern das jeweilige Fachplanungsgesetz eine entsprechende Bindung auch im Außenverhältnis anordnet. 379 Hinzuweisen ist insofern darauf, daß die wasserrechtlichen vorbereitenden Fachplanungen wie die wasserwirt-

370

Z.B. Art. 58 Abs. 2 Bay WG; § 124 WG LSA. Büllesbach, Abgrabungen, S. 170. 372 Steinberg, Fachplanung, S. 173. 373 Vgl. z.B. Steiner, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, V Rn. 74 m.w.N. 374 Fouquet, VerwArch S. 212 (238); Ringel, Plangenehmigung, S. 187; Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 31, Rn. 217, der daraufhinweist, daß auch die zwingenden Versagungsgründen nach den Maßstäben anderer Rechtsbereiche sich aus einer Abwägung ergeben können. 375 Steinberg, Fachplanung, S. 172. 376 Steinberg, Fachplanung, S. 173. 377 Büllesbach, Abgrabungen, S. 179 ff. m.w.N. 378 Steinberg, Fachplanung, S. 173. 379 Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (231). 371

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Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

schaftlichen Rahmenpläne und die Bewirtschaftungspläne 380 nur mit einer beschränkten Bindungswirkung ausgestattet sind und somit nicht zu den zwingenden außenwirksamen Planungen zählen. Zwingende außenwirksame Abgrabungsverbote können sich demgegenüber gegebenenfalls aus Rechtsverordnungen oder Satzungen ergeben, durch die Naturschutzgebiete, Nationalparks, Landschaftsschutzgebiete oder Naturparks festgesetzt werden 381 oder aus Anordnungen der Wasserschutzgebiete 382. Relative Vorrangregelungen, Berücksichtigungsgebote und Ermessensnormen sind demgegenüber wie bereits erwähnt nicht den strikten Vorgaben für die Planfeststellungsbehörde zuzuordnen. 383 Diese Anforderungen gehen vielmehr in die Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde ein. 3 8 4 Wenn für eine Entscheidung durch fachgesetzliche Vorschriften ein Ermessensspielraum eröffnet wird, kann die Behörde diesen im übrigen nur einheitlich durch die Planfeststellungsentscheidung erfüllen. 385 Dogmatisch relevant wird dies bei Naßauskiesungen insbesondere im Hinblick auf den im Wasserrecht geltenden Grundsatz des Bewirtschaftungsermessens. 386 Im Gegensatz zur bloßen Gefahrenabwehr, die z.B. im Rahmen der Allgemeinwohlklausel des § 6 WHG bzw. § 31 Abs. 5 S. 3 WHG sowie im Rahmen des § 34 WHG im Vordergrund steht 387 , dient das Bewirtschaftungsermessen dem Aspekt der vorsorgenden Optimierung. 388 Die Bewirtschaftung umfaßt vor allem die Ermittlung oder Abschätzung des Wasserdargebots, die Ermittlung oder Abschätzung des gegenwärtigen und künftigen Nutzungsbedarfs, die Notwendigkeit zur Sicherung des Wasserdargebotes, die Veranschlagung von Vorrats- und Pufferkapazitäten, die Festlegung von Prioritäten für gegenwärtige und künftige Nutzungsansprüche und schließlich die zeitliche Staffelung der verschiedenen Inanspruchnahmen, woraus sich die

380

Vgl. § 36, § 36 b WHG. Vgl. SiederlZeitler!Dahme!Knopp,

WHG, § 36, Rn. 4 f.

m.w.N., wonach wasserwirtschaftliche Rahmenpläne lediglich die Bedeutung einer Verwaltungsanweisung an die Behörden haben. Vgl. zur lediglich verwaltungsinternen Verbindlichkeit von Bewirtschaftungsplänen, Czychowski, WHG, § 36 Rn. 32 m.w.N. 381 Vgl. dazu Büllesbach, Abgrabungen, S. 179, S. 194 ff. 382 Vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG; vgl. zur Außenwirksamkeit z.B. Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (986 f.), dort auch zur Frage, inwieweit Wasserschutzgebiete als planerische Instrumente einzuordnen sind. 383 Vgl. zum normtheoretischen Hintergrund oben Kap. 2, A. 384 Vgl. Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (237, 240). 385 Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (237 f.). 386 Vgl. im Hinblick auf Gewässerbenutzungen Czychowski, WHG, § 6 Rn. 2. Zum Landesrecht im Hinblick auf die Bewirtschaftung des Grundwassers z.B. ausdrücklich § 44 LWG NW. 387 Vgl. dazu ausführlich Büllesbach, Abgrabungen, S. 103 ff. m.w.N. 388 Büllesbach, Abgrabungen, S. 203.

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

199

künftige Verfügbarkeit von Fördermengen und Belastungskapazitäten ablesen läßt. 389 Das Bewirtschaftungsermessen findet nach dem Dargelegten in die Abwägungsentscheidung über die Planfeststellung Eingang. 390

3. Materielle Konzentration baurechtlicher Belange im Rahmen des § 38 BauGB § 38 BauGB stellt eine Vorschrift dar, in der der oben angesprochene Grundsatz der bloß formellen Konzentration durchbrochen wird. 3 9 1 Die Regelung des § 38 BauGB ordnet an, daß auf Planfeststellungen für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden sind, wenn die Gemeinde beteiligt wird. Die städtebaulichen Belange sind in diesem Fall nach § 38 S. 1 HS. 2 BauGB bei der Planfeststellung nur zu berücksichtigen, d.h. daß die städtebaulichen Probleme als abwägungserhebliche Belange von der planfeststellenden Behörde sachgerecht bewältigt werden müssen.392 Die zu berücksichtigenden städtebaulichen Belange ergeben sich insbesondere aus der konkreten örtlichen Situation und aus den jeweiligen planerischen Vorstellungen der Gemeinde, wie sie insbesondere in der Bauleitplanung zum Ausdruck kommen. 393 Den §§ 30 ff BauGB fallen im Abwägungsvorgang die Funktion von Orientierungshilfen für den Fachplaner zu, sie stellen aber keinesfalls zwingende Versagungsgründe dar. 394 Die dergestalt privilegierte Fachplanung hat somit gegenüber der sonst maßgebenden örtlichen Gesamtplanung im Sinne einer materiellen Konzentration grundsätzlich Vorrang. 395 Die dargelegte materielle Konzentration gilt indes nach § 38 BauGB nicht für alle planfeststellungsbedürfiigen Vorhaben. Die Vorschrift läßt vielmehr den Umkehrschluß zu, daß auf Planfeststellungen für Vorhaben mit lediglich örtlicher Bedeutung das Bauplanungsrecht - entsprechend dem allgemein geltenden Grundsatz der bloß formellen Konzentration - anzuwenden ist. In 389

Salzwedel, in: ders., Grundzüge des Umweltrechts, S. 579. Vgl. allgemein Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (237 f.). Nach der Gegenauffassung stellt das Bewirtschaftungsermessen einen selbständigen Prüfungspunkt dar, der der Abwägungsentscheidung vorgelagert ist: vgl. dazu Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (58); Büllesbach, Abgrabungen, S. 173. 391 Vgl. zum Grundsatz der bloß formellen Konzentrationswirkung der Planfeststellung oben Kap. 3, C. I. 2. 392 Diese erst durch die BauGB-Novelle eingeführte Vorschrift entspricht der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BVerwGE 79, 318 (324 ff.) m.w.N.; Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (260); Lüers, ZfBR 1997, S. 275 (278). Vgl. auch die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 61. 393 Lüers, WiVerw 1998, S. 57 (76). 394 BVerwGE 79,318(322). 395 Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173). 390

200

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

diesem Fall kann die Gemeinde die Fläche und die städtebauliche Einbindung durch Festsetzungen im Bebauungsplan bestimmen. Die Entscheidung über das „Ob" und „Wie" der Vorhabenverwirklichung bleibt zwar dem Fachplanungsträger und der Planfeststellung vorbehalten 396 , die Planfeststellungen müssen aber die städtebaurechtlichen Zulässigkeitsvorschriften beachten.397 Widersprechende Festsetzungen eines Bebauungsplans stellen daher zwingende Versagungsgründe gegen ein Vorhaben mit nur örtlicher Bedeutung dar. 398 In Bezug auf die wasserrechtliche Planfeststellung über Naßauskiesungen hat die ähnliche Regelung des § 38 BauGB a.F. besondere Schwierigkeiten bereitet bzw. Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es bestanden insofern Zweifel an der Anwendbarkeit der Vorschrift auf privatnützige Planfeststellungen über Naßauskiesungen sowie Unsicherheiten bei der Auslegung des Merkmals der überörtlichen Bedeutung einer Kiesbaggerung.

a) Anwendbarkeit des § 38 BauGB auf planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatte angenommen, daß die städtebaulichen Vorschriften über die Zulässigkeit von Vorhaben nach §§ 29 ff BauGB dem planfeststellungsbedürfiigen Kiesabbau aufgrund seiner Privatnützigkeit stets als zwingendes Recht entgegenstünden.399 Inzwischen hat sich das Bundesverwaltungsgericht 400 indes von dieser Auffassung zumindest vorsichtig distanziert. Es deutet an, daß die in § 38 BauGB vorgesehene Freistellung bestimmter fachplanerischer Vorhaben von der unmittelbaren Geltung der §§ 29 ff BauGB auch einem rein privatnützigen Vorhaben zugutekommen könne. 401 Ob sich für das wasserrechtliche Planfest-

396 Brohm, Öffentliches Baurecht, S. 193 ff.; Vgl. ErbguthMiMier, BauR 1997, S. 568 (573 f.), die es nicht von vornherein ausschließen wollen, daß die bauplanerische Festsetzungen bereits die Rechtfertigung der wasserrechtlichen Planfeststellung in sich tragen. Vgl. dazu auch Thum, Gewässerfunktionen, S. 175 f. 397

398

Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 38 Rn. 38.

BayVGH, NVwZ 1991, S. 391. 399 BVerwGE 55, S. 220 ff. (Naßauskiesung); i.E. auch BVerwG, ZfW 1987, S. 121 (Sandgewinnung im Naßabbau); BVerwG, NuR 1984, S. 242 (Fischteich); BayVGH NuR 1986, 123 (Fischteich). Vgl. VG Freiburg, ZfW 1997, S. 60 (64), das die Vorschrift des § 35 BauGB auf eine Naßauskiesung anwendet, ohne § 38 BauGB überhaupt zu erwähnen. 400 BVerwGE 79,318(220). 401 BVerwGE 79, S.318 (322); E 85, S. 155 (160); Christ, Raumordnungsziele S. 352 Fn. 127; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 229 m.w.N.; a.A. Schwab, AgrarR 1986, S. 304 f.

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

201

stellungsverfahren überhaupt Besonderheiten ergäben, bedürfe keiner abschließenden Erörterung. 402 Der Wortlaut des § 38 BauGB macht keine Differenzierung zwischen privatnützigen und gemeinnützigen Planfeststellungen, so daß die Vorschrift zwingend auch bei privatnützigen Planfeststellungen anzuwenden ist. 403 Dem steht auch nicht die Planungshoheit der Gemeinde entgegen, die durch Fachplanungen beeinträchtigt werden kann. Aus Art. 28 Abs. 2 GG läßt sich nämlich kein Rechtssatz dahingehend herleiten, daß in die gemeindliche Planungshoheit nur zugunsten gemeinnütziger Vorhaben eingegriffen werden kann. 404 Auch die Ziele der Raumordnung dienen schließlich häufig der Standortfestlegung von privaten Großprojekten und sind gleichwohl für die Gemeinden verbindlich. Die gemeindliche Planungshoheit und die städtebaulichen Belange müssen daher nur bei der planerischen Abwägung von der Planfeststellungsbehörde berücksichtigt werden. 405 Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß der planfeststellenden Wasserbehörde durch die Pflicht nach § 38 S. 1 HS. 2 BauGB, auch die Belange des Städtebaus abwägend zu bewältigen, nicht etwa eine eigenständige städtebauliche Planungs- und Gestaltungsbefugnis eingeräumt i s t . 4 0 6 Sie muß vielmehr von der städtebaulichen Situation ausgehen, wie sie in den Bauleitplänen oder aufgrund anderer hinreichend verfestigter Planungsabsichten der Gemeinde konkretisiert ist. 407 Fehlt eine solche Konkretisierung, darf die Wasserbehörde nicht eigene,

402

BVerwGE 79, S. 318 (322). Vgl. ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 95; VGH München, NVwZ 1986, S. 228 (229); Uechtritz, NVwZ 1988, S.316 (317 f.); Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 38 Rn. 9; wohl auch Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (69). 404 Vgl. allerdings Sandner, DÖV 1998, S. 886 (587): Ratio der Regelung des § 38 BauGB sei, die Fachplanung von einer strikten Bindung an die kleinräumigen Vorgaben der gemeindlichen Bauleitplanung freizustellen, da eine solche Bindung dem überörtlichen Charakter der Fachplanungsmaßnahme nicht gerecht würde und die Realisierung der Fachplanungsmaßnahme überdies regelmäßig im öffentlichen Interesse liegt, das jedenfalls tendenziell - schutzwürdiger sei als die lokalen Partikularinteressen der betroffenen Gemeinden. Daneben lasse sich ein gewisser pragmatischer Aspekt der Regelung nicht leugnen. Da das Fachplanungsprivileg ausnahmslos größere, raumbedeutsame Infrastrukturmaßnahmen umfasse und daher regelmäßig Widerstände in den betroffenen Standortgemeinden nach dem St.-Florians-Prinzip hervorrufe, habe § 38 BauGB nicht zuletzt den Zweck, gerade gemeindliche Verhinderungsplanung ins Leere laufen zu lassen. Sandner setzt sich allerdings mit der Spezialfrage der privatnützigen Planfeststellung nicht auseinander. Seine allgemeinen Überlegungen erhellen aber auch die Funktion der Planfeststellung bei Naßauskiesungen. 405 Vgl. BVerwGE 85, S. 155 (161); vgl. zur Frage der Beteiligung der Gemeinde bei der Fachplanung auch Lasotta, DVB1. 1998, S. 255 ff. 406 Vgl. BVerwGE 85, S. 155 (161). 407 Vgl. BVerwGE 85, S. 155 (161). 403

202

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

insbesondere von den Vorstellungen der Gemeinde abweichende bauplanerische Vorstellungen ohne Bezug zu dem ihr eingeräumten wasserwirtschaftlichen Gestaltungsfreiraum entwickeln und in die Abwägung einbringen. 408 Gleichwohl ist im Ergebnis festzuhalten, daß bei planfeststellungsbedürfiigen Kiesabgrabungen mit überörtlicher Bedeutung die §§29 f f BauGB nicht unmittelbar anwendbar sind. 4 0 9 Der Widerspruch zu einem Bebauungsplan führt andererseits bei einer Naßauskiesung mit lediglich örtlicher Bedeutung zwingend zur Versagung des Planfeststellungsbeschlusses. 410

b) „ V o n überörtlicher Bedeutung" i.S.d. § 38 BauGB aa) Rechtsprechung und Schrifttum § 38 BauGB erfordert eine Unterscheidung zwischen Vorhaben mit überörtlicher und Vorhaben mit lediglich örtlicher Bedeutung. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG ist dies für jedes planfeststellungsbedürftige Vorhaben konkret festzustellen. 411 Dabei genüge es nicht, für die Annahme einer überörtlichen wasserrechtlichen Planfeststellung allein auf die fast stets bestehenden gemeindeübergreifenden wasserwirtschaftlichen Zusammenhänge zu verweisen. 412 Ausgangspunkt der Überlegung ist, daß der Gemeinde die nach dem Baugesetzbuch mögliche gesamträumliche materielle Planungskompetenz nach § 38 BauGB nur genommen werden und durch eine einfache Beteiligung und Berücksichtigung ersetzt werden soll, wenn eine Planung entwickelt werden

408

Vgl. BVerwGE 85, S. 155 (161). Büllesbach, Abgrabungen, S. 200, S. 203 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 709; Schneider, DÖV 1988, S. 858 (860 f.). 410 VGH München, UPR 1990, S. 350; Büllesbach, Abgrabungen, S. 203; Nach Lasotta, DVB1. 1998, S. 255 (260 f.) ist bei den nichtprivilegierten Fachplanungen nunmehr auch ein gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB erforderlich. Vgl. auch Gaentzsch, NVwZ 1998, S. 889 (894). 411 Vgl. zu diesem Vorgehen, das im übrigen auch dem Wortlaut des § 38 BauGB am meisten entspricht, da sich das Attribut der Überörtlichkeit auf das Vorhaben bezieht: BVerwG 79, 318 (320 ff.); VGH München, NVwZ 1991, S. 391 (392); Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 38 Rn. 33; Lüers, WiVerw 1998, S. 57, (76); Schulte, DVB1. 1988, S. 963; Büllesbach, Abgrabungen, S. 200 ff. Vgl. zur Gegenauffassung im Hinblick auf § 38 BauGB a.F., wonach es auf die überörtliche Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde ankomme. Zumindest die dafür vorgetragenen systematischen Argumenten treffen nach der Neufassung des § 38 BauGB durch das BauROG nicht mehr zu. Jade, BayVBl. 1989, S. 459 ff; Gaentzsch, BauGB, § 38 Rn. 21; ders, NVwZ 1998, S. 889 (896); Lohr, in: Battisi Krautzberger!Lohr, BauGB, § 38 Rn. 30; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 707, 709. 412 BVerwGE 79, S. 318(320). 409

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

203

muß, welche die städtebauliche Steuerungsfunktion der Gemeinde angesichts überörtlicher und damit raumbedeutsamer Bezüge voraussichtlich überfordert 4 1 3 Dies sei vor allem der Fall, wenn ein Vorhaben einen Koordinierungsbedarf im Hinblick auf die Belange anderer Planungsträger mit überörtlicher Zielsetzung auslöse, den zu bewältigen die planerische Kraft der einzelnen Gemeinde mutmaßlich übersteige. 414 Für die Überörtlichkeit einer Planung spreche indiziell, wenn sich das planfestzustellende Vorhaben auf das Gebiet (mindestens) zweier Gemeinden erstrecke oder sich hierauf auswirke. 415 Indiziell maßgeblich sei somit zum einen, ob die Planung als förmliche Maßnahme selbst räumlich das Gebiet zweier Gemeinden tatsächlich berühre, z.B. wenn der durch die Naßauskiesung entstehende Baggersee auf dem Gebiet von mindestens zwei Gemeinden liege. 416 Bei Lage des Vorhabens auf dem Gebiet nur einer Gemeinde wird ferner die Überörtlichkeit bejaht, wenn von dem Vorhaben Auswirkungen auf Nachbargemeinden oder den darüber hinausreichenden Raum ausgehen und hierdurch ein weitergehender Koordinierungsbedarf, d.h. ein überörtlich wirkendes Planungserfordernis ausgelöst werde. 417 Die Rechtsprechung 418 verneinte beispielsweise einen entsprechenden überörtlichen Koordinierungsbedarf und mithin die Überörtlichkeit eines planfeststellungsbedürftigen Torfabbauvorhabens, das sich nur auf das Gebiet einer Gemeinde erstreckte, weil keine Anhaltspunkte vorlägen, daß die aufgrund des Abbaus auf Dauer entstehenden Gewässer in der Nachfolgenutzung einem überörtlichen Erholungszweck dienen sollten. Ferner könne keine Beeinträchtigung des überörtlichen Wasserhaushalts angenommen werden. Ebenso sei ein Koordinierungsbedarf mit überörtlichen Zielen ersichtlich.

413 BVerwGE 79, 318 (321); zustimmend Schulte DVB1. 1988, S. 963; kritisch Erbguth, NVwZ 1995, S. 243 (244), der die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als wenig überzeugend und wankelmütig bezeichnet, ohne allerdings eine eigene Begriffsbestimmung vorzuschlagen. 414 BVerwGE 79, 318 (321); VGH München, NVwZ 1991, S. 391 (392) jeweils zur wasserrechtlichen Planfeststellung. In diese Richtung gehend auch Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (260), demzufolge ein Planfeststellungsverfahren überörtliche Bedeutung hat, wenn es die Leistungskraft einer Gemeinde übersteigt. 415 BVerwGE 79, 318 (321 f.); Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 38 Rn. 33, 36; Steinberg, Fachplanung, S. 208; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 106; Birk, NVwZ 1989, S. 905 (909); Schulte, DVB1. 1988, S. 963; Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (260). 416 BVerwGE 79, 318 (321 f.); Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB,

§ 38 Rn. 36; Steinberg, S. 208. 417 Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, 418

VGH München, NVwZ 1991, S. 391 (392).

BauGB, § 38 Rn. 33, 36.

204

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

bb) Stellungnahme Es fällt auf, daß sich die Rechtsprechung - freilich nur in einem Nebensatz auf die „überörtlichen und damit raumbedeutsamen Bezüge" des Vorhabens beruft, angesichts derer die städtebauliche Steuerungsfunktion der Gemeinde überfordert seien. 419 Es liegt daher nahe, einen Zusammenhang zwischen dem von der neueren Rechtsprechung geforderten überörtlichen Koordinierungsbedarf und der Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens zu erblicken. 420 Man könnte daher argumentieren, daß es gerade raumbedeutsame Vorhaben seien, die wegen ihrer räumlichen Auswirkungen zugleich auch die räumliche Steuerungskraft der Gemeinden übersteigen würden. In der Konsequenz müßte dann aber etwas anderes gelten, wenn durch Raumordnungspläne bereits die Standortentscheidungen für entsprechende Vorhaben getroffen worden sind, da durch die raumordnerische Standortplanungen gerade die überörtlichen und überfachlichen Konflikte bereits bereinigt sind. In diesem Fall käme der Gemeinde lediglich die Aufgabe der konkretisierenden Planung zu. Worin dabei die planerische Überforderung der Gemeinde liegen sollte, ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar. Die in der Rechtsprechung anklingende Gleichsetzung von Raumbedeutsamkeit und Überörtlichkeit i.S.d. § 38 BauGB überzeugt allerdings bereits deshalb nicht, weil der Gesetzgeber den Begriff der Raumbedeutsamkeit gerade nicht gewählt hat und zwischen den Begriffen der Raumbedeutsamkeit und der überörtlichen Bedeutung eines Vorhabens differenziert. 421 Dafür dürfte er auch gute Gründe haben. Bei dem Begriff der Überörtlichkeit i.S.d. § 38 BauGB 4 2 2 kann es bei näherer Betrachtung nämlich nur um einen spezifisch fachlichen überörtlichen Koordinierungsbedarf gehen. Bei der wasserwirtschaftlichen Planfeststellung wären dies gerade der Koordinierungsbedarf im Hinblick auf die überörtliche Wasserwirtschaft. 423 Dieser spezifisch fachliche Koordinierungsbedarf kann nicht durch die Raumordnung bewältigt werden, sondern erfordert gerade eine vorhabenbezogene überörtliche und fachliche Abstim419

BVerwGE 79, 318 (320). Schulte, DVB1. 1988, S. 963, der in seiner Kritik an der Planfeststellungspflichtigkeit von Baggerseen anmerkt, daß diese Planfeststellungsverfahren nur als ein Notbehelf angesehen werden müßten, solange überörtliche Raumordnungsplanung fehle oder diese gravierende Defizite aufweise. 421 Vgl. Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (274); vgl. auch Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (758 mit Fußnote 4, 764): Im Verhältnis der Raumordnungsplanung lasse sich räumlich und funktional kaum mehr abgrenzen, was „örtlich" und „überörtlich" sei. Dies sei grundsätzlich anders im Verhältnis zwischen der überörtlichen Fachplanung im Sinne des § 38 BauGB und der kommunalen Bauleitplanung. 422 Ob der Begriff der Überörtlichkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 ROG i.V.m. § 1 S. 1 RoV entsprechend auszulegen ist, ist zumindest zweifelhaft. 423 Vgl. auch Jade, BayVBl. 1989, S. 459 (460). 420

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

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mung des infrage stehenden Standortes und Vorhabens, den die Gemeinde mit den Mitteln der Bauleitplanung nicht bewältigen könnte. 424 Im Ergebnis ist der Rechtsprechung allerdings insoweit zu folgen, als die von ihr genannten Kriterien, die indiziell für die Überörtlichkeit eines Kiesabbauvorhabens sprechen, zutreffend sind. Die entsprechenden Vorhaben lösen nämlich regelmäßig einen überörtlichen und spezifisch fachlichen Koordinierungsbedarf im Hinblick auf die überörtliche Wasserwirtschaft aus. 425

4. Die Abwägungsentscheidung a) Bestehen einer planerischen Gestaltungfreiheit der Planfeststellungsbehörde Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit der Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Naßauskiesung planerische Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist. Eine ausdrückliche Regelung findet sich dazu ebensowenig wie ein allgemeiner Grundsatz des Planfeststellungsrechts, der allseits Anerkennung gefunden hat.

424

Wenn Jade, BayVBl. 1989, S. 459 (460) die Rechtsprechung mit dem Argument kritisiert, daß der Gemeinde zur Bewältigung eines überörtlichen Koordinierungsbedarfs die Instrumente der interkommunalen Abstimmung zur Verfügung stünden, übersieht er, daß diese Instrumente nicht auf eine vorhabenbezogene Abstimmung zugeschnitten sind. Im Hinblick auf die bauleitplanerische Steuerung von wasserrechtlichen Planfeststellungen ist im übrigen bemerkenswert, daß erst seit der BauGB-Novelle 1998 die Festsetzung von Wasserflächen im Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB nicht mehr unter dem Vorbehalt stehen, daß diese nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden können. Die Gemeinde ist bei entsprechenden Festsetzungen gleichwohl aus planungssystematischen Gründen auf städtebauliche Aufgaben beschränkt. Durch die Streichung des Vorbehaltes sollte lediglich einer zu restriktiven Anwendung der Festsetzungsmöglichkeiten insbesondere im Hinblick auf die Regelungen von Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft entgegengewirkt werden, vgl. dazu die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 48 sowie Lüers, ZfBR 1997, S. 231 (235). Vgl. zum Verhältnis von Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB n.F. zu Planfeststellungen über Vorhaben von nur örtlicher Bedeutung , Erbguth/MiMÌQr, BauR 1997, S. 568 (573 ff.); Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (69). 425 Vgl. kritisch Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 106, der davon ausgeht, daß wasserrechtliche Planungen wegen der überörtlichen Verantwortung der Wasserbehörden stets als überörtlich einzustufen seien. Ob dies der Vorstellung des Gesetzgebers entspreche, sei zu bezweifeln.

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Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

aa) Umfassende planerische Abwägung Nach der ständigen Rechtsprechung 426 und Teilen der Literatur 427 ist von der der Planfeststellungsbehörde mit der materiellen Ermächtigung zur Fachplanung eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit auszugehen. Diese ergebe sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung im jeweiligen Fachplanungsgesetz aus der Übertragung der Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde. 428 Dem liege die Erkenntnis zu Grunde, daß die Befugnis zur Planung einen mehr oder weniger ausgedehnten Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließe und einschließen müsse, weil Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre. 4 2 9 Der planerische Gestaltungsspielraum bestehe bei allen Vorhaben unabhängig davon, ob es sich um ein örtliches Vorhaben i.S.d. § 38 BauGB handele oder nicht. 4 3 0 Das Planfeststellungsverfahren habe die Einfügung eines komplexen Vorhabens in eine vorgegebene Umweltsituation zum Gegenstand und stehe aus diesem Grund vor der Aufgabe, einen sachgerechten Ausgleich zwischen sämtlichen vom Vorhaben betroffenen und regelmäßig konfligierenden Belangen herzustellen. 431 Diese Interessenausgleichsfunktion der Planfeststellung sei es letztlich, die nach einer unabhängigen planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde verlange. 432 Insbesondere die weitreichenden das Eigentum regelnden Wirkungen der Planfeststellung als Raumnutzungsentscheidungen erforderten ebenso wie bei der Bauleitplanung eine umfassende Interessenabwägung und bedürften mithin einer Legitimation durch eine Abwägung. 433 426

Vgl. zum Fernstraßenrecht BVerwGE 48, 56 (59) unter Berufung auf BVerwGE 34 (301); zum Wasserrecht BVerwGE 55, S. 220, 225 f.; zum Luftverkehrsrecht BVerwGE 56, 110 (116); zum Abfallrecht BVerwG, DVB1. 1995, S. 238, (240). 427 Stellvertretend Sandner, UPR 1997, S. 279 (281 f.); Forquet, VerwArch 1996, S. 212, (230); Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (55, 57 f.); ders., NVwZ 1990, S. 426 (429); Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173); Gassner, NuR 1996, S. 492 (494); Fisahn, ZUR 1996, S. 180 (182); Ramsauer, NuR 1997, S. 419 (423 f.); Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 91; Büllesbach, Abgrabungen, S. 168, S. 206; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 693 ff.; Sendler, FS Schlichter, S. 55 (81 ff.); Jarass, DVB1. 1998, S. 1202 (1207); Hösch, ZfW 1997, S. 79 (80), spricht von einem planerischen und gestalterischen Ermessen jedenfalls bei der Versagung bzw. Auflagenerteilung. 428 BVerwGE 48, S. 56 (59). 429 BVerwGE 48, S. 56 (59). 430 BVerwGE 85, S. 155 (160). 431 Z.B. Sandner, UPR 1997, S. 279 (281 f.) m.w.N.; Büllesbach, Abgrabungen, S. 168, S. 206; Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (55, 58); Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173); Fisahn, ZUR 1996, S. 180 (182). 432 Sandner, UPR 1997, S. 279 (282) m.w.N. 433 Vgl. allgemein dazu Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (s. 173).

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

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Für die privatnützige Planfeststellung bedeute dies beispielsweise, daß ein einzelner mit dem Anspruch auf Ausübung seines Eigentumsgrundrechts auftrete, daß aber das dadurch zunächst nahegelegte Regelungsmodell der Kontrollerlaubnis überlagert werde durch eine planerische Entscheidung. 434 Im übrigen müsse die Planfeststellungsbehörde bei der Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit den Anforderungen des Abwägungsgebotes nachkommen. 435

bb) Fehlen bzw. Beschränkung einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde Im neueren Schrifttum wird gelegentlich an der Prämisse gezweifelt, daß eine Planfeststellung immer mit einer umfassenden planerischen Abwägung der Planfeststellungsbehörde einhergehe. 436 Man müsse sich insbesondere vergegenwärtigen, daß die Planfeststellung antragsgebunden sei und die zur Entscheidung berufene Behörde in der Regel nicht von dem Antrag des Vorhabenträgers abweichen dürfe. 437 Die originäre Planung liege mithin beim Projektträger und nicht bei der Planfeststellungsbehörde. 438

434

Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (57).

435

BVerwG, NVwZ 1990, 1165, 1166.

436

Hoppe, DVB1. 1997, S. 789 (792); Laubinger, in: UlefLaubinger,

Verwaltungs-

verfahrensrecht, § 39, Rn. 8, § 41 Rn. 16; Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (s. 208 f., insb. Fußnote 126); ders., DVB1. 1992, S. 398 ff.; ders., NVwZ 1995, S. 243 f.; Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3, S. 14 f. m.w.N.; vgl. zur abfallrechtlichen Planfeststellung, Burgi, JZ 1994, S. 654 (661 f.); Steinberg, Fachplanung, S. 22, spricht von einer kombinierten Planungsbefugnis des Vorhabenträgers und der Planfeststellungsbehörde. Paetow, FS Schlichter, S. 499 (503 f.) bejaht grundsätzlich den planerischen Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde, legt sich aber bei der Frage des Umfangs dieses Gestaltungspielraums nicht endgültig fest. Der private Träger eines Gewässerausbauvorhabens habe einen Rechtsanspruch auf die Zulassung seines Vorhabens, wenn unter Raumnutzungsgesichtspunkten keine Bedenken gegen das Vorhaben bestünden. Insofern übersieht Paetow allerdings zumindest das wasserrechtliche Bewirtschaftungsermessen der Planfeststellungsbehörde. Nach Gaentzsch, FS Schlichter, S. 517 (519, 525) hängt die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde Ermessens- oder planerische Gestaltungsfreiräume hat und den zur Feststellung vorgelegten Plan aufgrund eigener planerischer Wertungen und Abwägungen ändern, ergänzen oder ganz ablehnen darf, von dem für das jeweilige Vorhaben einschlägigen Fachrecht ab. Bei Planfeststellungen mit enteigungsrechtlicher Vorwirkung ergebe sich das Gebot planerischer Abwägung allerdings aus der Verpflichtung zur Prüfung des Allgemeinwohls i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG. 437

Hoppe, DVB1. 1997, S. 789 (792); Laubinger, in: Ulei Laubinger, Verwaltungs-

verfahrensrecht, § 39, Rn. 8, § 41 Rn. 16. 438 Stellvertretend Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (208); Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 13.

208

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

Nach Laubinger 439 hat die Planfeststellungsbehörde daher gar keine planerische Gestaltungsfreiheit. Da die Planfeststellungsbehörde lediglich die Möglichkeit habe, auf den Vorhabenträger einzuwirken, damit dieser den Plan den Erkenntnissen aus dem Planfeststellungsverfahren, insbesondere dem Anhörungsverfahren anpasse, unterscheide sich die Situation der Planfeststellungsbehörde nicht von der Behörde, die eine kontrollierende Genehmigung erteile. Die planerische Gestaltungsfreiheit stehe daher dem Vorhabenträger zu. Die Planfeststellungsbehörde treffe eine Ermessensentscheidung. Hoppe 440 nimmt demgegenüber einen differenzierenden Standpunkt ein. Die Planfeststellungsbehörde dürfe zwar grundsätzlich nur kontrollieren, ob die vom Vorhabenträger getroffene Entscheidung rechtmäßig ist, d.h. ob die vorgenommene Abwägung den Anforderungen des Abwägungsgebotes entspricht. Da die Behörde dabei die Entwicklungsvorstellungen des Vorhabenträgers aber respektieren müsse und somit keine eigene Gewichtung der Belange durchführen könne, handele es sich folglich um eine bloß nachvollziehende Abwägung. Wenn die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere die zwingenden gesetzlichen Vorgaben und das Abwägungsgebot eingehalten seien, bestehe ein Feststellungsgebot mit der Folge, daß der Planfeststellungsbehörde kein Entscheidungsspielraum zustehe. Dies gelte unabhängig davon, ob der Vorhabenträger ein Privater oder ein Träger öffentlicher Gewalt sei. Eine eigenständige, originäre Abwägung könne die Behörde lediglich bei der Auflagenerteilung treffen und wenn während des Planfeststellungsverfahrens eingebrachte neue abwägungsrelevante Gesichtspunkte bei der Entscheidung zu berücksichtigen seien. Auch Schmidt-Aßmann 441 relativiert den Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde. Deren Entscheidung sei durch eine verengte Abwägungsdimension gekennzeichnet. Planfeststellungen seien eher der Vollzugsstufe als dem konzeptionellen Entscheiden zuzurechnen. Nach Erbguth 442 ergibt sich aus einer funktionalen Betrachtung der Handlungsform der Planfeststellung, daß es sich hierbei nur um eine Ermessensbetätigung, aber nicht um planerische Gestaltungsfreiheit handele. Eine planerische Abwägung sei durch ein eigenes Programm gekennzeichnet. Diesem Moment der eigenständigen und originär-konzeptionellen Gestaltung widerstreite die bloße Beschlußfassung über ein nicht selbst, sondern von Dritten erarbeitetes Konzept.

439

16.

Laubinger, in: UlefLaubinger,

Verwaltungsverfahrensrecht, § 39 Rn. 8, § 41 Rn.

440

Hoppe, DVB1. 1997, S. 789 (792 f.).

441

Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (14 f.) m.w.N. Erbguth, DVB1. 1992, S. 398 (402 f.); VerwArch 1998, S. 189 (208 f.).

442

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

209

In einem jüngeren Urteil des Bundesverwaltungsgericht 443 findet sich ebenfalls eine Passage, die im Sinne einer Beschränkung der planerischen Abwägung der Planfeststellungsbehörde gedeutet werden kann. Das Gericht räumt ein, daß die Planfeststellungsbehörde zwar eine in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Zweckentscheidung treffe, aber häufig nicht selbst originär plane, sondern die entsprechenden Vorstellungen des Vorhabenträgers abwägend nachvollziehe und dadurch die rechtliche Verantwortung für die Planung übernehme.

cc) Stellungnahme im Hinblick auf die Planfeststellung

bei Naßauskiesungen

(1) Planfeststellung als vorhabenbezogene Planung Das Bestehen oder Nichtbestehen einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde bei der wasserrechtlichen Planfeststellung über Naßauskiesungen korrespondiert mit der Bewertung der Position, die der Vorhabenträger im Planfeststellungsverfahren einnimmt. Bei näherer Betrachtung hängt die herausgehobene Stellung des Vorhabenträgers bei der privatnützigen Planfeststellung mit der Projektbezogenheit der Planfeststellung zusammen, durch die die Planung von den Vorstellungen und dem Durchführungswillen des Projektträgers besonders abhängig ist. Die detaillierte Planung von Großanlagen mit allen räumlichen Konsequenzen ist ohne einen Vorhabenträger regelmäßig nicht sinnvoll. Der Planfeststellung kommt daher gerade nicht die Funktion einer „detaillierten Angebotsplanung" zu. Vielmehr soll die Planung dieser Projekte, die einen erheblichen räumlichen und fachlichen Koordinierungsbedarf auslösen, erst dann im einzelnen verfolgt werden, wenn dazu ein aktuelles Bedürfiiis besteht. Die Tatsache, daß der Vorhabenträger den Plan ausarbeitet und die Planfeststellungsbehörde ohne Einverständnis mit dem Vorhabenträger keinen Alternativplan feststellen darf, sondern allenfalls nach § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG und § 31 Abs. 5 WHG Auflagen über Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen auferlegen kann, widerspricht dabei nicht grundsätzlich einer planerischen Gestaltungsfreiheit. Informellen Abstimmungen

443 BVerwG, DVB1. 1995, S. 238, 240; BVerwGE 72, 365, 367; Vgl. zumindest mehrdeutig auch zur wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung BVerwG, ZfW 1998, S. 354 (355), in dem das Gericht die Anwendbarkeit des Abwägungsgebotes „hier unterstellt". Vgl. auch Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 15 m.w.N., wonach die Rechtsprechung unbeschadet der verfehlten Betonung der planerischen Gestaltungsfreiheit dem verengten Ausgestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde längst Rechnung trage. 14 Spiecker

210

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

zwischen Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde steht nämlich nichts 444

entgegen. Trotz erheblicher Funktionsunterschiede können insofern Parallelen zwischen der Planfeststellung und dem Instrument des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB gezogen werden. 445 Bei diesem Instrument liegt ebenfalls die Planungsinitiative bei dem Vorhabenträger, der regelmäßig den erforderlichen Vorhaben- und Erschließungsplan detailliert ausarbeitet, wobei dieser Plan sodann nicht ohne Einverständnis des Vorhabenträgers abgeändert werden kann. Dieser Umstand führt aber gleichwohl nicht zu einer Beschränkung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde bei der Aufstellung des sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplans, der für die Zulässigkeit des Vorhabens maßgeblich ist. 4 4 6 Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan gelten nämlich auch die für Bebauungspläne allgemein geltenden Vorschriften des § 1 BauGB, d.h. auch das Abwägungsgebot, wie sich aus der Bezeichung als Bebauungsplan und aus den Gesetzesmaterialien zum BauROG ergibt. 447 Auch eine vorhabenbezogene raumplanerische Entscheidung kann mithin trotz der Anlehnung an den Plan des Investors durch eine planerische Abwägung geprägt sein. 448 Anders als beim vorhabenbezogenen Bebauungplan, bei dem für die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 2 BauGB noch eine gesonderte Genehmigung erteilt wird, enthält die fachplanerische Entscheidung auch die Zulassungsentscheidung. Dies ist aber lediglich dahingehend zu verstehen, daß in diesem einstufigen Verfahren sowohl die Planungs- als auch die Zulassungsentscheidung enthalten ist. Privilegierte Fachplanungen haben gegenüber der sonst maßgeblichen örtlichen Gesamtplanung im Sinne einer materiellen Konzentration wie bereits dargelegt aufgrund des § 38 BauGB grundsätzlich Vorrang. 449 Diese Besonderheit verlangt eine in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Entscheidung der Planfeststellungsbehörde, die in ihrer Eigenschaft

444

In diese Richtung gehend auch Sendler, FS Schlichter, S. 81 ff.; vgl. zu informalen Verfahrensschritten bei der Planfeststellung im Hinblick auf die Alternativenprüfung Erbguth, NVwZ 1992, S. 209 (212), der dies jedoch nicht als Ausdruck der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde auffaßt. 445 Vgl. zur Parallelität dieser beiden Instrumente Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (208). 446 A.A. Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (203 ff, 208 ff.). 447 Begründung zum BauROG BT-Drs. 13/6392, S. 51; Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (253); vgl. allerdings Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (203 ff, 209), der die gesetzgeberische Einordnung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans in den Bereich der durch originäre Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB gekennzeichneten Bauleitplanung für verfehlt hält. 448 Vgl. Wahl, DVB1. 1993, S. 517 (520). 449 Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173).

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

211

als Planerin mithin an die Stelle der sonst zuständigen planenden Gemeinde tritt 4 5 0 , wenngleich sie auch die kommunalen städtebaulichen Vorstellungen zumindest soweit zu respektieren hat, als diese keinen Bezug zu dem der Behörde eingeräumten wasserrechtlichen Gestaltungsfreiraum aufweisen 451 . Ähnlich wie nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben, die in der Regel auch nur zulässig werden können, wenn die Gemeinde im Wege einer planerischen Entscheidung durch einen Bebauungsplan ein Baurecht schafft, hängt die Zulässigkeit eines planfeststellungsbedürftigen Vorhabens ebenfalls von einer planerischen Entscheidung ab. 4 5 2 Wenn ferner eingewandt wird, daß die Planfeststellungsbehörde nur geringe Möglichkeiten zum programmatischen, gesamtkonzeptionellen Handeln habe und insbesondere keine flächendeckende Planung betreiben könne, ihr also die wesensmäßigen Mittel für eine planerische Abwägung fehlten 453 , wird zwar eine bestehende Schwäche des Planfeststellungsverfahrens erkannt. Diese ist aber nicht grundlegender Natur. In aller Regel ist die Planungsentscheidung nämlich in zahlreiche flächendeckende Planungen eingebunden, die zwar mit unterschiedlicher Bindungswirkung ausgestattet, aber gleichwohl einer gewissen Gefahr der bloßen Inselplanung 454 vorbeugen. Zu nennen sind beispielsweise die vorbereitenden Fachplanungen, wie insbesondere die Wasserrahmenpläne gem. § 36 W H G sowie die Bewirtschaftungspläne i.S.d. § 36 b WHG, die zwar nur eine beschränkte Bindungswirkung aufweisen, aber als Orientierung dienen können, sowie außenverbindliche Fachplanungen. 455 Auch die erforderliche Berücksichtigung der gesamtplanerischen städtebaulichen Planungen in der Abwägung nach § 38 S. 1 HS. 2 BauGB verzahnt die Fachplanung mit der Gesamtplanung. Vor diesem Hintergrund gewinnt ferner die - später noch näher zu behandelnde - Einbindung der Planfeststellung in das System der Raumordnungsplanung Bedeutung 456 . Der Entscheidungsspielraum der Planfeststellungsbehörde ist mithin durch die dichter werdende Raumplanung ohnehin verkürzt. 457 Beim Fehlen ausreichender genereller 450

Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173). Vgl. zu letzterem BVerwGE 85, S. 155 (161). 452 Stüer, NWVB1. 1998, S. 169 (173). 453 Erbguth, VerwArch 1998, S. 189 (208); Gaentzsch, FS Schlicher, S. 517 (525); Schmidt-Aßmann,, FS Schlichter, S. 3 (14 f.). 454 Vgl. entsprechend zur Gefahr einer bloßen Inselplanung beim vorhabenbezogenen Bebauungsplan Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 5 Rn. 190. 455 Vgl. dazu SiederIZeitlerlDahmelKnopp, WHG § 36 Rn. 4 f.; Czychowski, WHG, § 36 Rn. 32 m.w.N.; Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (69f.). 456 Vgl. dazu auch Erbguth, NVwZ 1992, S. 209 (213, 217); Vgl. zur Verzahnung der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung mit den Erfordernissen der Raumordnung 451

§ 36 Abs. 2 S. 2 WHG; Sieder/Zeitler/Dahme!Knopp, 457

§ 36 WHG, Rn. 19.

Vgl. auch Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (230).

212

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

Fachplanungen ist die Planfeststellungsbehörde schließlich nicht gehindert, auf das gesamte Gebiet bezogene informelle Planungen vorzunehmen, an denen sie sich bei Planfeststellungsverfahren und bei den informellen Absprachen mit dem Vorhabenträger orientiert. 458

(2) Eigentumsschutz bei der planfeststellungsbedürftigen Naßauskiesung und planerische Gestaltungsfreiheit Fraglich ist, ob die Annahme einer planerischen Gestaltungsfreiheit auch mit dem Grundeigentumsschutz vereinbar ist. Für den Grundeigentumsschutz bei der wasserrechtlichen Planfeststellung von Kiesabgrabungen gilt es zunächst festzustellen, daß § 1 a Abs. 3 Nr. 2 WHG zwar regelt, daß das Grundeigentum nicht zum Ausbau eines oberirdischen Gewässers berechtigt. Diese Vorschrift ist indes nicht dahingehend zu verstehen, daß planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen von vornherein und vollständig aus dem Grundeigentumsschutz herausfallen. Wie oben dargelegt, ist das Eigentum an dem im Grundwasser liegenden Kies jedenfalls dann vom Eigentumsschutz erfaßt, wenn gegen das Vorhaben keine wasserwirtschaftlichen Belange sprechen. 459 Daran ändert auch nichts, daß das Wasserhaushaltsgesetz dem Eigentümer keinen Rechtsanspruch auf Planfeststellung gewährt. 460 Wenn die Planfeststellung nicht bereits aus wasserwirtschaftlichen Erwägungen versagt wird, müssen daher die Eigentümerinteressen der Kiesunternehmer im Rahmen der raumplanerischen Abwägung berücksichtigt werden. Der Kiesunternehmer hat insofern einen Anspruch auf eine abwägungsfehlerfreie Ausübung des Planungsermessen.461 Allerdings fällt auf, daß der Vorhabenträger bei einer nichtplanfeststellungsbedürfiigen Kiesabgrabung aufgrund der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB regelmäßig einen Anspruch auf Baugenehmigung hat, d.h. nicht von einer vorgelagerten planerischen Abwägung abhängig ist. Im Hinblick auf die Gemeinsamkeiten, durch die alle Kiesabbauvorhaben z.B. im Hinblick auf die 458 A.A. Erbguth, NVwZ 1992, S. 209 (213) im Hinblick auf die Standortplanung von Abfallentsorgungsanlagen. 459 Vgl. BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820) = UPR 1984, S. 195 (196) auch im Hinblick auf eine Planfeststellung. Vgl. ausfuhrlich dazu Kap. 3, Β III. 460 BGH, NVwZ 1984, S. 819 (820) = UPR 1984, S. 195 (196). 461

A.A. Czychowski,

WHG, § 31, Rn. 28; Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,

WHG, § 1 a, Rn. 27; Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 15: Auch wenn die wasserrechtliche Genehmigung im Ermessen der Behörde steht, kann man den Anspruch auf ermessensrichtige Entscheidung dem Grundeigentum zurechnen, jedenfalls wenn sie zur sonstigen Nutzung des Grundeigentums (Kiesabbau) erforderlich ist. Vgl. zum Rechtsanspruch des privaten Vorhabenträgers auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens bei der Planfeststellung über eine Abfallentsorgungsanlage BVerwG, ZfW 1995, S. 145 (148).

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

213

Standortgebundenheit gekennzeichnet sind, könnte die Einräumung eines Planungsvorbehaltes gerade bei der planfeststellungsbedürfiigen Naßauskiesung unverhältnismäßig sein. Soweit private Vorhabenträger von einem Planungsvorbehalt betroffen sind, ist nämlich zu prüfen, ob die Beschränkungen ihrer Handlungsfreiheit und anderer Grundrechte sich im Rahmen zulässiger Schrankenbestimmungen hält. 4 6 2 Planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen sind dadurch gekennzeichnet, daß ein Baggersee auf Dauer bestehen bleibt. Es handelt sich hierbei um ein eminent raumgestaltendes Verhalten, nämlich um eine Betätigung, die die künftige städtebauliche Situation ganzer Stadtteile oder die natürliche Situation im Außenbereich für Jahrzehnte prägt und vorentscheidet. 463 Da eine Verfüllung großer Baggerseen regelmäßig schon wegen des Fehlens geeigneten Füllmaterials in ausreichender Menge ausscheidet, handelt es sich um eine die weitere räumliche Planung erheblich vorherbestimmende Tätigkeit. Demgegenüber kann über die Flächen einer Trockenauskiesung nach dem Abbau erneut disponiert werden Entsprechendes gilt für die nichtplanfeststellungsbedürfiigen Naßauskiesungen nach ihrer Verfüllung. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen einerseits genehmigungsbedürftigen und andererseits einem Planvorbehalt unterliegenden planfeststellungsbedürfiigen Kiesabgrabungen erscheint daher sachlich gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls für große Vorhaben. Wenn es sich allerdings um kleine planfeststellungsbedürftige Vorhaben handelt, die nur geringere Raumrelevanz haben und folglich nur ein geringeres Bedürfiiis nach einer umfassenden raumplanerischen Abwägung auslösen, kann den privaten Interessen auch innerhalb des Planungsermessens Rechnung getragen werden, so daß insofern die planerische Gestaltungsfreiheit eingeschränkt werden muß. Der Gesichtspunkt des Grundeigentumsschutzes steht daher der Annahme einer planerischen Gestaltungsfreiheit nicht entgegen.

(3) Ergebnis Festzustellen ist mithin, daß der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses in dem Sinne hat, daß bei Erfüllung

462

Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 17. Vgl. auch BVerwG E 85, S. 348 (363), wonach nicht alle behördlichen Entscheidungen, die aufgrund einer Planfeststellung ergehen, im gleichen Maße von planerischer Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde gekennzeichnet sind. Vielmehr seien insoweit wesentliche Einschränkungen etwa dann angebracht, wenn - wie im zugrundliegenden Sachverhalt bei einer wasserrechtlichen Planfeststellung für Fischteiche - die Planfeststellung sich auf ein privates Vorhaben eines Gewässerausbaus beziehe und für den Antragsteller und Begünstigten die Funktion einer Genehmigung habe. 463

Wahl, DVB1. 1982, S. 51 (58).

214

Drittes Kapitel : Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen dem Antrag zwingend stattgegeben werden muß und daß die Behörde auch nicht lediglich nachvollziehend abwägt. Der Anspruch des Vorhabenträgers beschränkt sich lediglich auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens. 464 Wenn in der Rechtsprechung eingeräumt wird, daß die Planfeststellungsbehörde zwar eine in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Zweckentscheidung trifft, aber häufig nicht selbst originär plane, sondern die entsprechenden Vorstellungen des Vorhabenträgers abwägend nachvollziehe und dadurch die rechtliche Verantwortung für die Planung übernehme 465 , wird nur ein Hinweis auf die Entscheidungsvorgänge in der Praxis gegeben. 466 Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß die Planfeststellungsbehörde sich insgesamt auf eine nachvollziehende Abwägung beschränken muß 4 6 7 und darf. Zusammenfassend ergibt sich, daß von einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde bei der wasserrechtlichen Planfeststellung auszugehen ist. 4 6 8

b) Das Abwägungsgebot und relative Vorrangregelungen Für die planerische Abwägung bei der Planfeststellung gelten die allgemeinen Anforderungen an eine rechtmäßige Abwägung 4 6 9 : Erstens muß überhaupt eine Abwägung stattgefunden haben. Zweitens muß in die Abwägung an Belangen das eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Drittens darf weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen werden, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung

464

BVerwG, DVB1. 1995, S. 238, 241. BVerwG, DVB1. 1995, S. 238, 240. 466 Vgl. zur Planungspraxis instruktiv Sendler, FS Schlichter, S. 55 (81 ff.); Vgl. Steiner, in: ders. Besonderes Verwaltungsrecht, V Rn. 68 Fußnote 98, wonach der „praktische Kern" des Planungsermessens die Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers sei, der der Planfeststellungsbehörde den Plan vorlegt. (Hervorhebung nicht im Original). 467 So aber Hoppe, DVB1. 1997, S. 789 (791). 468 BVerwGE 55, S. 220 (225 f.). 469 Stellvertretend Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (235); Steinberg, Fachplanung, S. 190. Vgl. zu den Anforderungen des Abwägungsgebotes BVerwGE 48, S. 56 (63 f.); Hoppe, in: ders ./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7. Vgl. zu den ähnlichen, aber nur zum Teil übertragbaren Grundsätzen bei raumordnungsplanerischer Abwägung Kap. 2, Β. II. 3. 465

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

215

des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet. 470 Unter den in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkten sind dabei hervorzuheben besondere fachgesetzliche öffentliche Interessen, wie z.B. wasserwirtschaftliche Belange im Hinblick auf die mit der Abwägung vorzunehmende Ausübung des Bewirtschaftungsermessens 471, private Interessen zum Beispiel von Nachbarn sowie - bei Vorhaben von überörtlicher Bedeutung i.S.d. § 38 BauGB - die städtebaulichen Belange der §§ 1, 30 f f BauGB einschließlich der planerischen Vorstellungen der Gemeinde. 472 Ebenso wie bei der bauleitplanerischen Entscheidung über Kiesabgrabungen sind auch das private Interesse des Vorhabenträgers an der Naßauskiesung sowie das wirtschaftspolitische Interesse an der Rohstoffgewinnung in die Abwägung einzustellen. Die planerische Abwägung der Planfeststellungsbehörde kann durch relative Vorrangregelungen vorgezeichnet werden. 473 Durch entsprechende Gebote wird wie bereits erwähnt der Stellenwert und der Rang der abzuwägenden Belange im Verhältnis zu anderen Belangen in der Phase der Gewichtung gesteuert. 474

I I . Plangenehmigungen Plangenehmigungen können danach unterschieden werden, ob sie die Rechtswirkungen der Planfeststellung 475 aufweisen oder nicht. Die beiden Arten der Plangenehmigung erfordern eine jeweils gesonderte Untersuchung des maßgeblichen materiellen Entscheidungsprogramms. Die Unterscheidung spielt im übrigen auch im Hinblick auf die Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG und § 38 BauGB eine Rolle, die jeweils lediglich Plangenehmigungen mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung, aber nicht sonstige Plangenehmigungen betreffen.

470 Vgl. z.B. zur wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung BVerwG, ZfW 1998, S. 354 (355 f.). 471 Vgl. zum Verhältnis von Bewirtschaftungsermessen und planerischer Abwägung oben Kap. 3, C. I. 4. b). 472 Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 3. Stellvertretend dazu Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (437); Steinberg, Fachplanung, S. 191 f.; Fouquet, VerwArch 1996, S. 212 (240). 473 Vgl. entsprechend zu Optimierungsgeboten, Zeitler, in: SiederlZeitler !Dah-

me/Knopp: WHG, § 31 Rn. 221; Wahl, N V w Z 1990, S. 426 (437 f.); Steinberg, Fach-

planung, S. 199. 474 Stellvertretend Hoppe, UPR 1995, S. 201 (202 f.). 475 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 61. Diese Plangenehmigungen können auch als qualifizierte Plangenehmigungen bezeichnet werden, vgl. Gassner, NuR 1996, S. 492 (495).

216

Drittes Kapitel: Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen 1. Plangenehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung

Wenn im hier behandelten Zusammenhang von Plangenehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung die Rede ist, kommt es insofern nur auf die für Planfeststellungen kennzeichnende umfassende Zulassungs-, Konzentrations- und Gestaltungswirkung an. Die Frage einer etwaigen enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Plangenehmigung476 kann demgegenüber außer Betracht bleiben, zumal auch die Planfeststellung bei privatnützigen Naßauskiesungsvorhaben keine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet. Der planungsrechtlichen Gleichsetzung von Planfeststellungen und Plangenehmigungen steht es mithin nicht entgegen, daß die Plangenehmigung nach den Fachgesetzen oder dem Verwaltungsverfahrensgesetz in aller Regel keine enteignungsrechtliche Vorwirkung aufweist. 477 Die wasserrechtlichen Plangenehmigungen sind nach dem Landesrecht vielfach als Plangenehmigungen mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung ausgestaltet.478 Diese Plangenehmigungen müssen in materiell-rechtlicher Hinsicht den gleichen Anforderungen genügen wie die Planfeststellung. 479 Der Anwendungsausschluß der Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren 480 bezieht sich nur auf die verfahrensmäßigen Bestimmungen, nicht dagegen auf die materiellrechtlichen Vorschriften. 481 Ihrer Funktion nach dienen Plangenehmigungen wie bereits erwähnt der Vereinfachung des Verfahrens gegenüber der Planfeststellung und somit der Beschleunigung, aber nicht einer Verminderung der materiellen Anforderungen. 482 Der materiell-rechtliche Prüfungsmaßstab ist insoweit identisch. 483 Dies gilt beispielsweise für die materiellen Voraussetzungen der durch die Plangenehmigung konzentrierten Genehmigungen. Dabei ergeben sich auch im 476

Vgl. zum Fehlen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Plangenehmigung, §74 Abs. 6 VwVfG; Vgl. auch Ringel, Plangenehmigung, S. 206 ff.; Vgl. zur Enteignung auf der Grundlage einer straßenrechtlichen Plangenehmigung bei nur geringfügiger Grundstücksinanspruchnahme, BVerwG, v. 15. 12. 1995 - 4 A 19. 85, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 106 - Β 129 Waren. Kritisch dazu Stüer, DVB1. 1997, S. 326 (328), mit Hinweis auf die fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung. 477 Vgl. z.B. § 129 Abs. 1 NdsWG; § 74 Abs. 6 S. 2 HS. 1 BayVwVfG; vgl. zu Beispielen von Plangenehmigungen mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung Ringel, Plangenehmigung, S. 209. 478 Vgl. Z.B. § 74 Abs. 6 S. 2 BayVwVfG. 479 Ringel, Plangenehmigung, S. 32. 480 Vgl. z.B. § 75 Abs. 6 S. 2 HS. 2 BayVwVfG. 481 Vgl. Steenhoff DVB1. 1996, S. 1236 (1238). 482

Steinberg, Fachplanung, S. 298; Ringel, Plangenehmigung, S. 24 f.; vgl. Müll-

mann, Plangenehmigung, S. 121 ff.; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 54. 483

Ringel, Plangenehmigung, S. 32; Steinberg,

Fachplanungsrecht, Rn. 54.

Fachplanung, S. 299; Kühling,

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

217

Hinblick auf § 38 BauGB keine Besonderheiten gegenüber der Planfeststellung. Aber auch die übrigen materiellen Voraussetzungen der Planfeststellung müssen erfüllt sein, und zwar insbesondere auch die Anforderungen an die auch bei einer Plangenehmigung durchzuführende planerische Abwägung. 484 Die Befugnis zur Planung der Behörde ergibt sich dabei zwar nicht aus dem Wortlaut des § 31 Abs. 3 WHG, in dem nur von einer Genehmigung die Rede ist, aber nicht von Planung. Sie folgt aber aus der Funktion der Plangenehmigung als Ersatz für das Planfeststellungsverfahren. Naßauskiesungen, die im Wege einer Plangenehmigung zugelassen werden können, werden im Regelfall nur sehr geringe räumliche Relevanz haben, so daß der Planungsbedarf insofern gering ist. Mit Rücksicht auf die privaten Interessen des Vorhabenträgers kann daher das Planungsermessen auch reduziert sein. 485

2. Sonstige Plangenehmigungen Nicht alle Plangenehmigungen entfalten die Rechtswirkungen einer Planfeststellung. Insofern sind insbesondere die Plangenehmigungen zu nennen, die keine oder nur eine beschränkte Konzentrationswirkung aufweisen, wobei dies zugleich mit einer Reduzierung der Zulassungs- und Gestaltungswirkung der Plangenehmigung einhergeht. 486 In manchen Ländern entfalten Plangenehmigungen über Gewässerausbauvorhaben keine umfassende Konzentrationswirkung. 487 Das materielle Entscheidungsprogramm der einfachen Plangenehmigungen ist entsprechend ihren beschränkten Rechtswirkungen anders als bei der Planfeststellung. Zwar gelten die besonderen wasserrechtlichen Voraussetzungen für die Planfeststellung. 488 Anders als bei der Planfeststellung sind bei einfachen Plangenehmigungen allerdings wegen der fehlenden bzw. beschränkten Konzentrationswirkung beispielsweise die strikten Vorgaben anderer Gesetze

484

Steinberg, Fachplanung, S. 299; Kühling, Fachplanungsrecht, Rn. 54; Müllmann,

Plangenehmigung, S. 121 ff.; Ringel, Plangenehmigung, S. 32; Gromitsaris, VerwArch 1997, S. 52 (85); Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (428); unzutreffend Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 104, der das Erfordernis einer umfassenden Abwägung bei einer wasserrechtlichen Plangenehmigung bestreitet. Burgi, JZ 1994, S. 654 (663) geht vom Fehlen einer planerischen Abwägung bei der Plangenehmigung aus. 485 Vgl. entsprechend zur Planfeststellung oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc) (2). 486 Vgl. Ringel, Plangenehmigung, S. 204, der darauf hinweist, daß die Gestaltungswirkung untrennbar mit der Konzentrationswirkung verbunden ist. 487 Vgl. dazu oben Kap. 3. Α. II. 2. b). Vgl. z.B. § 128 Abs. 1 NdsWG. 488 Im Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtswirkungen von Planfeststellung und Plangenehmigungen differiert das Entscheidungsprogramm in Einzelheiten nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts, vgl. z.B. § 124 S. 2 WG LSA.

218

Drittes Kapitel : Allgemeines zur Zulässigkeit von Kiesabgrabungen

nicht bzw. nur beschränkt zu prüfen. 489 Etwas anderes mag allenfalls aufgrund ausdrücklicher Anordnung gelten. § 128 Abs. 1 NdsWG stattet beispielsweise die wasserrechtliche Plangenehmigung mit einer partiellen Konzentrationswirkung aus und regelt überdies ausdrücklich, daß die Plangenehmigung erteilt wird, wenn gewährleistet ist, daß das Vorhaben mit dem Wasserrecht, dem öffentlichen Baurecht, dem Naturschutzrecht und „sonstigem öffentlichen Recht" vereinbar ist. Im übrigen sind bei der einfachen Plangenehmigung grundsätzlich auch ohne ausdrückliche Anordnung die städtebaurechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des §§ 29 ff BauGB maßgeblich, da für Plangenehmigungen, die nicht die Rechtswirkungen der Planfeststellung entfalten, die Privilegierung nach § 38 BauGB nicht greift. 490 Fraglich ist, ob die Planfeststellungsbehörde auch bei den hier interessierenden Plangenehmigungen eine planerische Abwägungsentscheidung trifft, obwohl diese nicht die Rechtswirkung einer Planfeststellung aufweisen. Im Hinblick auf die zuvor erwähnte Vorschrift des § 128 Abs. 1 NdsWG fällt insofern die Formulierung auf, daß die Plangenehmigung unter den dort genannten Voraussetzungen „erteilt wird". Die Entscheidung über die Plangenehmigung ist zwar bereits wegen des im Wasserrecht geltenden Grundsatzes des Bewirtschaftungsermessens nicht gebunden 491 , im übrigen könnte die Formulierung allerdings im Sinne eines fehlenden planerischen Entscheidungsspielraums gedeutet werden. Gegen eine planerische Abwägung bei Plangenehmigungen, die nicht nach § 38 BauGB privilegiert sind, könnte allgemein auch die Bindung an die Bauleitplanung sprechen, da insofern eine verbindliche raumplanerische Ebene vorhanden ist. Diesen Argumenten ist indes entgegenzuhalten, daß die Plangenehmigung nach dem Wasserhaushaltsgesetz an die Stelle der Planfeststellung tritt und danach die Funktion einer planerischen Zulassungsentscheidung übernehmen muß. Die Länder können die bundesrechtlich vorgesehene Ermächtigung der Planfeststellungsbehörde zur Planung nicht durch die spezielle Ausgestaltungen der Plangenehmigung unterlaufen, sondern müssen die Entscheidung des Bundesgesetzgebers respektieren, daß Gewässerausbauten nach einer planerischen Entscheidung verlangen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, daß auch bei einer nicht nach § 38 BauGB privilegierten Planfeststellung, d.h. in den Fällen einer Planung von bloß örtlicher Bedeutung, eine planerische Abwägung erforderlich ist. 4 9 2 Innerhalb des Rahmens der zwingenden Vorschriften, zu

489

Vgl. dazu Müllmann, Plangenehmigung, S. 125. Zumindest bei einer partiellen Konzentrationswirkung umfaßt der Prüfungsumfang der Plangenehmigung auch das öffentliche Baurecht, wie das Beispiel des § 128 Abs. 1 NdsWG zeigt. 491 Vgl. dazu oben Kap. 3. C. I. 4. b). 492 BVerwGE 85, S. 155 (160 f.). 490

C. Allgemeines zur Planfeststellung und Plangenehmigung

219

denen auch die Anforderungen des Städtebaurechts zu zählen sind, trifft die Planfeststellungsbehörde mithin eine planerische Abwägungsentscheidung. Auch hier gilt allerdings, daß das Planungsermessen bei der Plangenehmigung über ein privates Vorhaben reduziert sein kann, wenn es sich - wie regelmäßig um ein Vorhaben von nur geringer räumlicher Relevanz handelt. 493

493

Vgl. entsprechend zur Planfeststellung oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc) (2).

Viertes Kapitel

Ziele und Grundsätze der Raumordnung mit besonderer Relevanz für den Kiesabbau Auf der Grundlage der allgemeinen Ausführungen zum Wesen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Rahmen des Kapitels 2 soll im folgenden die spezielle Frage behandelt werden, welche Arten von Aussagen für die raumordnerische Steuerung des Kiesabbaus geeignet und besonders relevant sind und inwieweit diese als Ziele oder Grundsätze der Raumordnung zu qualifizieren sind. Dabei bilden zwar der allgemeine Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG und die neugeregelten Gebietsfestlegungen des § 7 Abs. 4 ROG eine herausragende Rolle. Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß die raumordnerische Planungspraxis bereits eine nahezu unübersehbare Fülle von Aussagen in Raumordnungsplänen hervorgebracht hat, die einerseits die Bodenschätzegewinnung ausdrücklich ansprechen oder andererseits für die Bodenschätzegewinnung relevant werden können, weil sie beispielsweise konkurrierende Nutzungen zum Gegenstand haben.1 Aus dem enorm umfangreichen Planungsmaterial werden einzelne Beispiele ausgewählt, wo dies zur Veranschaulichung der Planungsprobleme beim Kiesabbau sinnvoll erscheint. 2 Schließlich sollen auch solche Aussagen angesprochen werden, die bisher noch nicht praktiziert werden und auch im Raumordnungsgesetz oder in den Landesplanungsgesetzen noch keine Ausprägung erfahren haben, aber in der Literatur diskutiert werden. Schließlich bietet die bevorstehende landesrechtliche Umsetzung des Raumordnungsgesetzes eine besondere Chance, die

1

Vgl. dazu umfassend Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 178 ff. Daß im Bereich der rechtstatsächlichen Erforschung der Inhalte bestehender Raumordnungspläne im allgemeinen noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, steht gleichwohl außer Frage. Vgl. insofern das vernichtende Urteil Schultes, Raumplanung und Genehmigung, S. 285, der der Planungswissenschafl vorwirft, sie setze sich zuwenig mit der regionalplanerischen Praxis auseinander und gehe an den Texten, die die gegenwärtige Regionalplanung produziere, wie an einer „Geräuschkulisse" vorbei. Im hier behandelten Zusammenhang kann allerdings bereits auf Schultes außerordentlich materialreiche Analyse der Raumordnungspläne unter dem Gesichtspunkt der Aussagen zur Bodenschätzegewinnung verwiesen werden (ebd. S. 178 ff.). Vgl. im übrigen allgemein zur Planungspraxis auch die Untersuchung von Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich. 2

Α. Der allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsatz

221

Entwicklung des Raumordnungsrechts in den Ländern gerade auch im Bereich der Vorgaben bestimmter Planinhalte voranzutreiben. Hinzuweisen ist darauf, daß im Schrifttum gelegentlich gefordert wird, daß bestimmte Zielinhalte aufgrund des Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig seien, wenn die Landesplanungsgesetze eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für solche Aussagetypen enthalten, mithin die zulässigen Planinhalte gesetzlich näher präzisiert sind. Welche Anforderungen an die gesetzlichen Vorgaben an Planinhalte im einzelnen zu stellen sind, soll hingegen erst an späterer Stelle untersucht werden. 3

A. Der allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG Der bundesrechtliche, fachliche 4 Grundsatz der Raumordnung des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG besagt, daß für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen sind. Die Vorschrift löst den früheren Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F. ab.5 Der Grundsatz betrifft nur standortgebundene Rohstoffe, d.h. Lagerstätten bzw. Vorkommen 6 von Bodenschätzen, aber nicht etwa Wasser oder Energie. 7 Unter vorsorgender Sicherung ist vor allem zu verstehen, daß die Lagerstätten und Rohstoffvorkommen insbesondere wegen ihrer Standortgebundenheit und aus wirtschaftlichen Gründen langfristig für den Rohstoffabbau freigehalten, d.h. vor störenden anderen Nutzungsansprüchen geschützt werden. 8

3

Vgl. dazu unten Kap. 7, A. Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 79. 5 Dieser erst durch Gesetz vom 19. 12. 1986 (BGBl. I, S. 2269) eingeführte Rohstoffgrundsatz lautete: "Den Erfordernissen der vorsorgenden Sicherung sowie geordneten Aufsuchung und Gewinnung von RohstoffVorkommen soll Rechnung getragen werden". Vgl. dazu, Lübbe-Wolff NVwZ 1987, S. 390; Rausch, Bergbau, S. 145 ff.; Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (602); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, 4

S. 7 f.,

S. 184 f.,

S. 188 f.;

Cholew a!DalihammerIDyonglv.d. Heide!Arenz,

Raum-

ordnung, 3. Aufl., §2 ROG, Grundsatz Nr. 9; Dreier, Abwägung, S. 206 f.; Hoppe!Appold, DVB1. 1987, S. 179 (185). 6 Zu den Begriffen der Lagerstätte und des Vorkommens von Bodenschätzen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 8. 7 Der Begriff der „standortgebundenen Rohstoffe" entspricht somit dem Begriff der „RohstoffVorkommen" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F. 8 Vgl. zu §2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F., BT-Drs. 10/5347, Ani. 2, S. 7; Cholewa!Dalihammer!Dyonglv.d. Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Grundsatz Nr. 9, Rn. 5.

222

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Sicherung ist dabei die planerische Sicherstellung der Bodenschätzegewinnung auf lange Sicht.9 Unter der Aufsuchung von Rohstoffen ist die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Rohstoffen gerichtete Tätigkeit zu verstehen. 10 Demgegenüber umfaßt die Rohstoffgewinnung das Lösen oder Freisetzen von Rohstoffen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten. 11 Während bei der Rohstoffsicherung der vorsorgende Gedanke im Vordergrund steht, bezieht sich die Ordnung auf die räumliche Steuerung der gegenwärtigen und in absehbarer Zeit anstehenden Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben. 12 Dabei fällt auf, daß der Gesetzgeber nicht näher spezifiziert, welcher Art diese Ordnung sein soll, sondern daß er hierbei lediglich den ordnenden Auftrag der Raumordnung zu wiederholen scheint. Näheres ergibt sich allerdings aus den Gesetzesmaterialien zu dem Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F. 13 Danach wurde der Rohstoffgrundsatz eingeführt, um den Umweltschutz im Raumordnungsgesetz zu verstärken und die Abbaumöglichkeiten von RohstoffVorkommen besser zu gewährleisten. Bezweckt sei nicht nur die vorsorgende und langfristige Flächensicherung. Die Aufsuchung und Gewinnung müsse außerdem in geordneter Weise erfolgen. Dies bedeute, daß die Erfordernisse des Rohstoffabbaus mit den vom Abbau berührten Belangen, insbesondere denen des Umweltschutzes und der Landschaftspflege abzuwägen seien. Gemeint ist mithin, daß die Aufsuchung und Gewinnung von Rohstoffen erst nach der Abwägung mit anderen Grundsätzen und Belangen von dem Raumordnungsgrundsatz erfaßt werden soll. Der Raumordnungsgrundsatz bezieht somit die raumordnerische Abwägung bereits unmittelbar mit ein. 14 Dem Begriff der Ordnung sind daher nicht nur die Flächenvorhaltung, sondern auch die Beschränkungen des Rohstoffabbaus immanent.15 Schon vom Wortlaut her macht es nämlich einen Unterschied, ob die räumlichen Voraussetzungen für 9

Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 7. Vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 BBergG. 11 Die Begriffe Aufsuchung und Gewinnung sind an die des Bundesberggesetzes angelehnt, vgl. §4 Abs. 1, 2 BBergG; Söfker, DVB1. 1987, S. 597, 602; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 8. 12 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 7. 13 BT-Drs. 10/5347, Ani. 2, S. 7. 14 Söflcer, DVB1. 1987, S. 597, (602). 15 Vgl. zum früheren Rohstoffgrundsatz des ROG a.F.: Cholewa!Dalihammer !Dyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Grundsatz Nr. 9, Rn. 3 und 4.; a.A. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 7, S. 189 f. Fußnote 66; wohl auch Lübbe-Wolff, NVwZ 1987, S. 390 (391), wonach der Rohstoffgrundsatz mit der Verbesserung des Umweltschutzes nicht zu tun habe; Rausch, Bergbau, S. 145 f. 10

Β. Rohstoffsicherungsgrundsätze in den Landesplanungsgesetzen

223

die Aufsuchung und Gewinnung der Rohstoffe oder ob die räumlichen Voraussetzungen für eine geordnete Aufsuchung und Gewinnung zu schaffen sind. Dies ergibt auch der Vergleich des Rohstoffgrundsatzes mit dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 2 ROG, in dem ohne eine entsprechende „grundsatzimmanente" Einschränkung gefordert wird, daß zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft in erforderlichem Umfang Flächen vorzuhalten, die wirtschaftsnahe Infrastruktur auszubauen sowie die Attraktivität der Standorte zu erhöhen ist. Mit der Schaffung der räumlichen Voraussetzungen spricht der Grundsatz dabei insbesondere die Ausweisung entsprechender Flächen in den Raumordnungsplänen an 16 , die wie dargelegt nach § 7 Abs. 1 ROG zur Konkretisierung der Grundsätze aufzustellen sind. 17 Im übrigen steht der Raumordnungsgrundsatz gleichrangig neben den sonstigen bundesrechtlichen Grundsätzen, so daß den Rohstoffbelangen innerhalb der raumordnerischen Abwägung keine herausgehobene Bedeutung etwa in Form einer relativen Vorrangregelung zukommt. 18 Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien 19 und drückt sich auch in der zurückhaltenden, die Abwägung geradezu bekräftigenden Formulierung der „geordneten" Aufsuchung und Gewinnung von Rohstoffen aus.20

B. Allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsätze in den Landesplanungsgesetzen Die Länder haben weitere Rohstoffsicherungsklauseln in den Landesplanungsgesetzen21 als Grundsätze der Raumordnung aufgestellt. Trotz unterschiedlicher Formulierungen stimmen diese Grundsätze ihrem Bedeutungsgehalt nach mit dem Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG im wesentlichen 16 Vgl. zu § 2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F., BT-Drs. 10/5347, Ani. 2, S. 7; Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (602); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 189 f.; Cholewa!Dallhammer/Dyong/v.d.Heide/Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Grundsatz Nr. 9, Rn. 7; Lübbe-Wolff NVwZ 1987, S. 390 (391). 17 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 184 f, spricht von einer aus dem Raumordnungsgrundsatz resultierenden Pflicht zur Bodenschätzeplanung. 18 Ebenso zum Rohstoffgrundsatz § 2 Abs. 1 Nr. 9 ROG a.F. Dreier, Abwägung, S. 207; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 184 f.; A.A. Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (603), der einen besonders hohen Stellenwert des Rohstoffgrundsatzes annimmt. Vgl. auch oben Kap. 2, A. II. 19 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 79. 20 Vgl. ebenso zum Rohstoffgrundsatz des ROG a.F. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 185; Dreier, Abwägung, S. 207. 21 Z.B. Art. 9 a BayLplG; § 2 Abs. 1 Nr. 11 LP1G M.-V.; § 2 Nr. 9 SLP1G; § 2 Nr. 11 ThLPIG.

2 2 4 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau überein 22 oder beschränken sich auf die Erwähnung 23 oder nähere Umschreibung 24 einer Teilaussage des bundesrechtlichen Rohstoffgrundsatzes. Ein Widerspruch i.S.d. § 3 Abs. 3 ROG zu dem bundesrechtlichen Rohstoffgrundsatz ist darin allerdings nicht zu erblicken. 25 Es handelt sich vielmehr um eine deklaratorische, partielle Wiederholung bzw. Konkretisierung. Die Geltung und Bedeutung des bundesrechtlichen Rohstoffgrundsatzes, dessen Rechtswirkungen sich unmittelbar aus § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 7 ROG ergeben, werden dadurch somit nicht verändert.

C. Wichtige weitere allgemeine Grundsätze der Raumordnung mit Bedeutung für Kiesabbauvorhaben Für die raumordnungsrechtliche Bewältigung der Planung von Kiesabbauvorhaben sind nicht nur die Rohstoffsicherungsklauseln, sondern auch andere bundesrechtliche und landesplanungsgesetzliche Grundsätze der Raumordnung von Bedeutung, da im Einzelfall die Rohstoflfbelange mit allen berührten Belangen, insbesondere mit denen des Umweltschutzes abgewogen werden müssen. Dem Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 8 ROG kommt somit besondere Bedeutung zu, indem er die von Kiesabbauvorhaben besonders in Mitleidenschaft gezogenen Belange der Natur und Landschaft, des Gewässers und des sparsamen Umgangs mit Boden heraushebt. Entsprechendes gilt für den neuen Grundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG, der die Freiraumstruktur zum Gegenstand hat. 26 Zu erwähnen sind auch umweltbezogene landesplanungsgesetzliche Grundsätze der Raumordnung. 27 Bei der Abwägung der unterschiedlichen 22

Z.B. §2 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 LP1G M.-V.: Den Erfordernissen der Erkundung, Sicherung und Gewinnung heimischer Rohstoffe ist unter Berücksichtigung des Umwelt- und Landschaftsschutzes Rechnung zu tragen. 23 Z.B. Art. 9 a BayLplG, wonach bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen darauf hinzuwirken ist, daß den Erfordernissen der Aufsuchung und Gewinnung heimischer RohstoffVorkommen Rechnung getragen wird. Die Rohstoffsicherung wird hierbei ebensowenig wie die Ordnung der Aufsuchung und Gewinnung von Rohstoffen ausdrücklich erwähnt. 24 Z.B. stellt der Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 11 S. 2 LP1G M.-V. eine nähere Umschreibung des Begriffs der geordneten Gewinnung von Rohstoffen dar. Die Vorschrift lautet: „Abbau- und damit im Zusammenhang stehende Ablagerungsflächen sind als Teil der Landschaft zu gestalten bzw. einer ökologisch vertretbaren und die Landschaft so wenig wie möglich beeinträchtigenden Zweckbestimmung zuzuführen." 25 Vgl. auch oben Kap. 2, C. II. 3. 26 Der neue Grundsatz der Freiraumstruktur ergänzt den Grundsatz der Siedlungsstruktur nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 ROG; vgl. dazu Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (346). 27 Z.B. kann §2 Abs. 1 Nr. 10 S. 2 LP1G M.-V. bei einer Planungsentscheidung zwischen Kiesabbau oder Erstaufforstung relevant werden. Die Vorschrift lautet: „In

D. Konzentrationsanordnungen ohne konkreten Gebietsbezug

225

Belange wird es bei der Rohstoffgewinnung oft um die Frage der Sicherung von alten und Schaffung von neuen Arbeitsplätzen gehen, so daß auch die Grundsätze des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 1 und Nr. 2 S. 2 ROG tangiert sind. 28

D. Allgemeine Konzentrationsanordnungen ohne konkreten Gebietsbezug Einige Raumordnungspläne enthalten allgemeine Konzentrationsordnungen für die Rohstoffgewinnung, die keinen konkreten Gebietsbezug aufweisen und als fachliche Grundsätze der Raumordnung zu qualifizieren sind. So findet sich beispielsweise in einem Regionalplan 29 folgende Aussage: „Bei der Gewinnung von oberflächennahen Bodenschätzen ist darauf zu achten, daß eine weitgehende Konzentration auf wenige Abbausteilen erreicht wird." Entsprechende Konzentrationsanordnungen sind auch grundsätzlich in Raumordnungsplänen auf der Landesebene denkbar. 30 Die entsprechenden Konzentrationsanordnung stehen mit der oben bereits geschilderten Problematik des aus der Privilegierung von Kiesabgrabung resultierenden dispersen Abbaus im engen Zusammenhang. Das in diesem Grundsatz zum Ausdruck kommende Anliegen wird darüber hinaus aber insbesondere verständlich, wenn man sich die Vorteile 31 vor Augen führt, die eine Konzentration des Kiesabbaus allgemein auf wenige Großentnahmestellen bietet, nämlich insbesondere 32

waldarmen Gebieten ist eine Ausdehnung von Wäldern und Gehölzen anzustreben, wobei die ökologischen Landschaftsfunktionen und das charakterische Landschaftsbild zu beachten ist." Vgl. auch den Grundsatz des § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 4 BbgLPIG, der vorsieht, daß bei Nutzungskonflikten den Erfordernissen des Umweltschutzes Vorrang einzuräumen ist, wenn Leben und Gesundheit der Bevölkerung oder die dauerhafte Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet sind und diese Gefährdung nicht ausgeglichen wird. Hierin ist eine relative Vorrangregelung zu erblicken. 28 Vgl. entsprechend zum bisherigen Recht, Cholewa!Dalihammer IDyongh A Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 2 ROG, Grundsatz Nr. 9, Rn. 4. 29 Pis. 3.3.6.4. Regionalplan Unterer Neckar, vgl. zu weiteren Beispielen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 255. 30 Die Normierung in den Landesplanungsgesetzen wäre zwar ebenfalls grundsätzlich zulässig. Die Landesplanungsgesetze beschränken sich indes regelmäßig auf wesentlich allgemeiner gehaltene Aussagen. 31 Zu den Nachteilen werden im übrigen beispielsweise die erhöhte Bodenspekulation, die Vergrößerung der Transportentfernungen sowie die örtliche Zunahme der Belastung von Verkehrswegen gerechnet, vgl. Stieghorst, Planung des Kiesabbaus, S. 42 (47). 32 Vgl. allgemein zu den Vorteilen von Abgrabungskonzentrationen Stieghorst, Planung des Kiesabbaus, S. 42 (47); Balzer, Lenkung des Kiesabbaus, S. 62 ff. 15 Spiecker

2 2 6 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau 1. die maximale Ausnutzung ergiebiger Lagerstätten 33, die zur Reduzierung des Bodenverbrauchs bzw. der Raumbeanspruchung beiträgt 34 , 2. die Reduzierung des Abbaus und der mit ihm verbundenen Nachteile und Gefahren für den Grundwasser- und Naturhaushalt an vielen dispersen Entnahmeorten, insbesondere die sogenannte Verkraterung der Landschaft 35, und zwar vorbeugend, aber auch gerade angesichts bereits bestehender starker Inanspruchnahme des Naturhaushaltes durch Bodenabbau36, 3. die Vergrößerung des Abbauvolumens durch Reduzierung des Anteils an Böschungen und durch größere Abbautiefen, 4. die Konzentration von Emissionen auf geringere Flächen, 5. die rationellere Transportmöglichkeiten sowie der Umstand, daß die Verkehrsanbindung für große Abgrabungsvorhaben besser und sinnvoller geplant werden kann als für viele kleine Vorhaben 37 , 6. die Entlastung von Ortsdurchfahrten, 7. die Steigerung der Mittel für die Rekultivierung, wobei für Folgenutzung größerer, konzentrierter Abgrabungsflächen vielfach bessere und flexiblere Nutzungskonzepte entwickelt werden können als für kleine zerstreute Vorhaben, deren Entwicklungspotentiale regelmäßig gering sind 38 , 8. die Nachteile eines dispersen Abbaus in Naherholungs- oder Fremdenverkehrsgebieten 39. Bei der Formulierung des fachlichen Grundsatzes der Abgrabungskonzentration handelt es sich um eine Forderung, die gerade die räumliche Anordnung von Kiesabbauvorhaben zum Gegenstand hat und zudem keine Detailfragen bzw. detaillierten fachlichen Vorgaben für Kiesabbauvorhaben (z.B. hinsichtlich der Tiefe oder genauen Ausführung der Abgrabung) regelt.

33

BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). Vgl. den Bodenschutzgrundsatz § 2 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 ROG. Die Bodenbeanspruchung kann insbesondere auch bei der gebündelten Gewinnung übereinanderliegender Bodenschätze reduziert werden, z.B. bei der Ausbeute von Kiesschichten oberhalb von Braunkohlevorkommen. Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 167. 35 Z.B. Bay VGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 181; Balzer, Lenkung des Kiesabbaus, S. 62 ff. 36 Vgl. zu letzterem OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512. 37 Vgl. zur Erschließungssituation als Kriterium bei gebietsbezogenen Festlegungen zur Windenergienutzung, Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (276). 38 Vgl. insofern auch die neuen Instrumente der regionalplanerischen Ausgleichskonzeptionen i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 2 ROG sowie der Entwicklungskonzepte. 39 OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512. 34

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

227

Der Grundsatz stellt somit eine Abwägungsdirektive für ein raumordnerisches Gesamtkonzept dar. Der Grundsatz steht desweiteren nicht mit höherrangigen Vorschriften des Raumordnungsgesetzes im Widerspruch. 40 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Rohstoffsicherungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG. Der Grundsatz der Abgrabungskonzentration erweist sich dabei als eine sachliche Konkretisierung der Rohstoffsicherungsklausel. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die genannte Konzentrationsanordnung entsprechend ihrer Formulierung mit einem besonderen Gewicht gegenüber den übrigen Grundsätzen ausgestattet („weitgehende Konzentration") und insofern als relative Vorrangregelung zu qualifizieren ist. 41 Ob dies allerdings im Einzelfall auch dem Willen des Plangebers entspricht, muß durch weitere Auslegung ermittelt werden. Maßgeblich dürfte dabei auch sein, ob die Aufstellung einer entsprechenden Konzentrationsanordnung nach § 7 Abs. 7 S. 1 ROG im Wege einer (wenn auch nicht abschließenden) raumordnerischen Abwägung erfolgt ist, z.B. weil in der jeweiligen Region weiträumige Kiesvorkommen vorhanden sind. Widersprüche mit höherrangigen fachgesetzlichen Regelungen sind ebenfalls nicht ersichtlich. 42 Das Städtebaurecht enthält beispielsweise keine Vorschriften, die der Konzentration von Vorhaben prinzipiell entgegenstehen. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, daß § 35 BauGB zwar privilegierte Vorhaben grundsätzlich im Außenbereich zuläßt, aber dabei noch keine Entscheidung über eine konkrete Standortwahl getroffen hat. 43 Entsprechende Konzentrationsanordnungen stehen im übrigen auch mit dem naturschutzrechtlichen Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 5 BNatSchG im Einklang, wonach beim Abbau von Bodenschätzen die Vernichtung wertvoller Landschaftsteile oder Landschaftsbestandteile zu vermeiden und dauernde Schäden des Naturhaushalts zu verhüten sind.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen sind die wichtigsten und gleichsam klassischen Instrumente zur raumordnerischen Steuerung des Kiesabbaus. Die rahmenrechtliche Vorschrift des § 7 Abs. 4 ROG nennt die wichtigsten Gebietstypen ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Gebietstypen können dabei insbesondere auch die anzustrebende Freiraumstruktur betreffen, wie sich aus § 7 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 ROG ergibt. 40

Vgl. dazu oben Kap. 2, C. II., 3. Vgl. dazu oben Kap. 2, A. II. 42 Vgl. zu den kompetenziellen Grenzen bei der Aufstellung von Grundsätzen der Raumordnung oben Kap. 2, C. II. 1. 43 Vgl. dazu oben Kap. 3, B. II. 2. 41

2 2 8 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Dazu gehören nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 b ROG auch die Nutzungen im Freiraum, wie Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen. 44 Im folgenden werden zunächst die Gebietstypen des § 7 Abs. 4 ROG und ihre Bedeutung für den Kiesabbau vorgestellt. Es sollen darüberhinaus aber auch weitere Arten von Gebietsfestlegungen erörtert werden, die beispielsweise von der Planungspraxis zur Steuerung des Kiesabbaus hervorgebracht wurden oder im Schrifttum diskutiert werden.

I. Vorranggebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG 7. Qualifizierung

als Ziel der Raumordnung

Vorranggebiete sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG in Raumordnungsplänen bezeichnete Gebiete, die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen i.S.d. § 7 Abs. 2 und 3 ROG vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen, Nutzungen oder Zielen der Raumordnung nicht vereinbar sind. Aus der bezweckten strikten Ausschlußwirkung ergibt sich dabei, daß die Vorranggebiete Ziele der Raumordnung sind. 45 Hinzuweisen ist ferner darauf, daß Vorranggebiete nach § 7 Abs. 4 S. 2 ROG zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 Nr. 3 haben können, sofern dies ausdrücklich vorgesehen wird. Auf die daraus resultierenden Besonderheiten wird an späterer Stelle eingegangen.

44 Der klarstellende Hinweis auf die Bodenschätzegewinnung wurde erst auf Anregung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in die Vorschrift aufgenommen, vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 61. Vgl. zum Begriff der Nutzung im Freiraum Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 83. Vgl. auch Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung „Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen" (GMBl. 1996, S. 598, abgedruckt bei Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 73 Nr. 2.6.). 45 Vgl. ebenso die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 84, in der auf die gebotene Kennzeichnung als Ziel i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 3 ROG hingewiesen wird; Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 24; BVerwGE 90, S. 329 (336); Runkel, UPR 1997, S. 1 (6); Goppel, BayVBl. 1984, S. 229 (232); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 77; Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (763); Scheipers, Ziele aus Sicht der Gemeinden, S. 52; Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (64).Vgl. entsprechend in Bezug auf die Bereiche mit absoluter Vorrangfunktion Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 124; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 66; Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (602); Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (433).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

229

2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau Vorranggebiete dienen der planerischen Verteilung von Freiraumfunktionen und -nutzungen und deren vorsorglicher Sicherung vor konkurrierenden Nutzungsansprüchen. 46 Die jeweiligen Gebiete sollen mithin von konkurrierenden Nutzungen freigehalten werden. 47 Dies ist vor allem dort wichtig, wo Nutzungen im Freiraum standortgebunden sind. 48 Standortgebundene Nutzungen können schließlich im Falle sich durchsetzender konkurrierender Nutzungsansprüche nicht auf einen anderen Standort verlegt werden. 49 Vorranggebiete können somit auch als Instrumente der vorsorglichen Ressourcensicherung bezeichnet werden. 50 Die gesicherten Flächen werden jedoch nicht nur als stille Reserven bevorratet, sondern enthalten zugleich das Angebot zur funktionsgerechten Nutzung. 51 Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 b, Abs. 4 S. 1 ROG können Vorranggebiete auch für Festlegungen zur Nutzung im Freiraum eingesetzt werden, wie Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen. Die Planungspraxis bedient sich des Instrumentes der Vorranggebiete zur Rohstoffgewinnung 52 bzw. auch konkreter zum Kiesabbau 53 seit langem. Der Grundgedanke besteht somit darin, daß Lagerstätten vor Nutzungen wie z.B. Verkehrsflächen, Wohnsiedlungen oder Gewerbegebieten mit entsprechenden Baukörpern geschützt werden sollen, die auf lange Sicht eine Gewinnung der Bodenschätze unmöglich machen würden. 54 Der Freihalteschutz durch Vorranggebiete zur Kiesgewinnung ist mithin notwendig, weil der Rohstoff Kies standortgebunden und nur begrenzt

46

Z.B. Christ, Raumordnungsziele, S. 46. Vgl. zum „Freihalteschutz" durch Vorranggebiete, Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 30. 48 Vgl. entsprechend BVerwGE 90, S. 329 (336). 49 Christ, Raumordnungsziele, S. 49 f. 50 Christ, Raumordnungsziele, S. 57. 51 Christ, Raumordnungsziele, S. 57. Vgl. zum Konkretisierungsspielraum von Vorranggebieten für den Abbau von Bodenschätzen für die Gemeinde Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294), der eine bauleitplanerische Steuerung des stufen weisen Kiesabbaus innerhalb von Vorranggebieten für denkbar hält. 52 Vgl. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 24 f.; ausführlich zur Planungspraxis Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 221 ff., der im übrigen darauf hinweist, daß die Vorranggebiete auch mit Angaben zur Abgrabungstiefe versehen werden können (ebd., S. 163 f.). 53 Eine Nennung der Art des Bodenschatzes kann zweckmäßig sein, um unklare Konkurrenzen zwischen mehreren vorhandenen Bodenschätzen zu vermeiden, z.B. zwischen Kies und Braunkohle, vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 145. 54 Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294). 47

2 3 0 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau verfugbar ist. 55 Durch Vorranggebiete für die Rohstoffgewinnung soll mithin der Verknappung der abbaufähigen und volkswirtschaftlich bedeutsamen Rohstoffvorkommen entgegengewirkt werden. 56 Der Anwendungsbereich für Vorranggebiete ist im übrigen vielfältig. So können auch Gebiete ausgewiesen werden, in denen landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Nutzungen 57 , die Nutzung zum Zwecke der Erholung oder zur Errichtung von industriellen Großvorhaben 58 wie z.B. Kernkraftwerke oder Abfallentsorgungsanlagen privilegiert werden sowie regionale Grünzüge 59, Grünzäsuren 60 und Grundwasserschonbereiche bzw. Vorrangflächen für Trinkwassergewinnung 61. Diese Vorranggebiete können ein erhebliches Konfliktpotential zur Kiesgewinnung bergen und dem Bodenschätzeabbau entgegenstehen.62

3. Anforderungen

an Vorranggebiete

Als Ziele der Raumordnung müssen Vorranggebiete auf einer raumordnerischen Abwägung beruhen, in der insbesondere auch die Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen sind. Der allgemeine Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG gibt den Ländern insbesondere auf, für eine Sicherung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen. Vorranggebiete sind ein Mittel, um diesem Grundsatz Rechnung zu tragen. 63 Die zielförmige Gebietsfestlegung und ein erhöhter Detaillierungsgrad in Form von gebiets- oder sogar parzellenscharfen Festlegungen sind indes im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden nur gerechtfertigt, wenn sie

55

Paßlick Ziele der Raumordnung, S. 181. Christ, Raumordnungsziele, S. 50; Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (286). 57 Vgl. z.B. Christ, Raumordnungsziele, S. 48; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 182. 58 Vgl. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 31 ; Christ, Raumordnungsziele, S. 50. 59 Vgl. Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 46; Christ, Raumordnungsziele, S. 41. 60 Vgl. zu Grünzügen und Grünzäsuren mit Vorrangcharakter Nr. 4 der Entschließung der MKRO „Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen" vom 29. März 1996 (GMBl 1996, S. 598; abgedruckt auch bei Bielenberg!Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 73). 61 Vgl. die Beispiele aus der Planungspraxis bei Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (7 f.); Christ, Raumordnungsziele, S. 43 (Ziel 6), S. 50, S. 74; Mitschang, ZfBR 1996, S. 63 (64); Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991). 62 Vgl. z.B. zum Bodenabbau im Bereich regionaler Grünzüge sowie in Wasserschongebieten Christ, Raumordnungsziele, S. 43 (Ziel 6), S. 74. 63 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 189 f. 56

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

231

auch nach Lage der Dinge im konkreten Fall aufgrund eines überörtliches Interesses von besonderem Gewicht erforderlich sind. 64 Ein überörtliches Interesse wird bei Kiesabgrabungen insbesondere angesichts der Knappheit gewinnbarer Kiesressourcen und der herausragenden volkswirtschaftlichen Bedeutung des Massenrohstoffs Kies häufig bestehen.65 Da es für die Kiesgewinnung keine vorbereitende Fachplanung gibt, ist es regelmäßig die - auch wirtschaftspolitisch bedeutsame - Aufgabe der Raumordnungsplanung, die Standorte zur Kiesgewinnung vorsorgend zu sichern. 66 Häufig gilt ferner, daß die raumordnerische Standortvorsorge im Hinblick auf die Absiedlung von flächenintensiven Großprojekten durch das begründete überörtliche Interesse an einer rationellen Aufteilung des knappen Raumes getragen ist. 67 Dies trifft auch dann zu, wenn durch die Vorranggebiete - wie regelmäßig - nicht nur für ein konkretes Vorhaben geplant wird, sondern die Flächensicherung gleichsam nur „auf Vorrat" erfolgen soll, d.h. wenn die Gemeinden zur Freihaltung von Flächen gezwungen werden, die auf absehbare Zeit nicht benötigt werden, denn es entspricht dem Wesen der Planung, nicht nur auf den aktuellen Bedarf zu reagieren, sondern auch zukünftige Notwendigkeiten in die Steuerung einzubeziehen.68 Da die Rohstoffsicherung an das Vorhandensein von RohstoffVorkommen geknüpft ist, ist auch gegen die gebiets- oder parzellenscharfe Ausweisung nichts einzuwenden.69 Der Zugriff auf das Gemeindegebiet rechtfertigt sich hierbei aus den naturräumlichen Gegebenheiten.70 Da die Träger der Raumordnungsplanung in die kommunale Planungshoheit allerdings nicht mehr als notwendig eingreifen dürfen, müssen sie stets prüfen, ob aus raumordnerischer Sicht nicht auch eine weniger einschneidende Gebietsfestlegung als ein Vorranggebiet, insbesondere die Ausweisung eines Vorbehaltsgebietes zur ausreichenden Flächensicherung genügt.71 Insofern ist 64

BVerfGE 76, S. 107 (119 ff.); BVerwGE 90, S. 329 (335 f.); Insgesamt kritisch gegenüber Vorranggebieten im Hinblick auf die kommunale Planungshoheit Steinfort, der städtetag 1996, S. 791 (799). Vgl. dazu oben Kap. 2, Β II. 1. a). 65 Brohm, DÖV 1989, S. 429 (424); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 190, geht sogar von einer Planungspflicht der Träger der Raumordnungsplanung aus. 66 Vgl. dazu Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (286); kritisch dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 190 sowie Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (178 f.), der sich insofern für zusätzliche informelle Fachbeiträge ausspricht, ähnlich dem Vorbild der Region Mittlerer Oberrhein in Baden-Württemberg, die eine sogenannte „Kieskonzeption 2000" als Fachbeitrag zum Regionalplan aufgestellt hat. 67 Vgl. Brohm, DÖV 1989, S. 429 (433). 68 Vgl. Brohm, DÖV 1989, S. 429 (433). 69 BVerwGE 90, S. 329 (336 f.). 70 BVerwGE 90, S. 329 (336). Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. a). 71 Vgl. in diese Richtung gehend Steinfort, der städtetag 1996, 791 (799 f.), der allerdings im Hinblick auf die kommunale Planungshoheit von vornherein nur Vorbe-

2 3 2 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau allerdings zu berücksichtigen, daß ein räumliches Gesamtkonzept der Raumordnung nur dann ausgewogen ist, wenn insgesamt dem Rohstoffbelang hinreichend Rechnung getragen ist, so daß zumindest ein gewisses Ausmaß an flächenhafter Sicherung zur Deckung des prognostizierten Rohstoffbedarfs erforderlich erscheint. 72 Bei der Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG steht dem Träger der Raumordnungsplanung ein Abwägungsspielraum zu, welche Flächen sich aus raumordnerischer Sicht besonders für den Abbau eignen und daher gesichert werden sollen. Er muß dabei insbesondere die städtebaulichen Planungen der Gemeinden berücksichtigen. 73 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß mit zunehmender Aussagedichte der Raumordnungsziele die Anforderungen an die Abwägung und insbesondere an die Ermittlung des Abwägungsmaterials wachsen.74 Bei konkreten Standortplanungen durch Vorranggebiete sind insbesondere auch die konkreten privaten Belange der Grundstückseigentümer für die Abwägung von Bedeutung, soweit sie für die Träger der Regionalplanung erkennbar sind. 75 Das Raumordnungsziel kann jedoch insofern auch mit Ausnahmeregelungen versehen werden. 76 Bei sehr großflächigen Ausweisungen, wie z.B. Freiraum- und Grünzonenplanungen, erscheinen ferner Ausnahmeregelungen erforderlich, durch die der Aussagegehalt des Ziels im Hinblick auf das überörtliche Interesse der Festlegung im einzelnen näher bestimmt wird, da es regelmäßig für die Verwirklichung des Planungsziels nicht erforderlich ist, exakt an der bereichs- oder parzellenscharfen Festlegung festzuhalten.77

haltsgebiete für akzeptabel hält. Vgl. auch zu der erheblichen Bedeutung für die kommunale Planungshoheit, wenn eine Vorbehaltsfläche für Lehmabbau in eine Vorrangfläche geändert wird BayVGH, BayGTzeitung 1995, S. 228. 12 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 190. Nach Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (178 ff.), ist in der Vergangenheit ein Planungsdefizit im Hinblick auf die Sicherung von Rohstoffvorkommen festzustellen. Die Regionalplanung würde im Hinblick auf den zukünftigen Rohstoffbedarf zu wenig Vorranggebiete ausweisen. Fleckenstein spricht von einem schlechten Image des Rohstoffabaus. Dem Naturschutz und der Wasserwirtschaft, aber auch der Naherholung werde immer häufiger Priorität gegenüber dem Rohstoffabbau eingeräumt. 73 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 3. a) bb). 74 Vgl. entsprechend zu Vorrangbereichen für den Grundwasserschutz SchmidtAßmann, DÖV 1986, S. 985 (991). 75 Vgl. dazu oben Kap. 2. Β. II. 3. a) bb). 76 Vgl. dazu oben Kap. 2. Β. II. 4. b). 77 Vgl. Brohm, DVB1. 1980, S. 653 (659): Da sich großflächige Freiraum- und Grünzonenplanungen sinnvoll nicht ohne konkrete räumliche Abgrenzung darstellen ließen, könne dem Erforderlichkeitsprinzip nur in der Weise Rechnung getragen werden, daß man diesen gebietlichen Begrenzungen lediglich eine eingeschränkte Verbindlichkeit beimißt. Ähnlich ders., DÖV 1989, S. 429 (440). Im einzelnen muß aber auch hier

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

233

4. Überlagerung von Vorranggebieten Eine besondere Betrachtung erfordert auch die Spezialfrage, ob sich Vorranggebiete mit anderen zielförmigen Gebieten überlagern oder überlappen dürfen. 78 Insofern fällt auf, daß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG verschiedene Gründe nennt, aus denen Nutzungen innerhalb von Vorranggebieten ausgeschlossen sind. Ausschlußgrund ist dabei nicht nur die Unvereinbarkeit der jeweiligen raumbedeutsamen Nutzung mit den vorrangigen Funktionen bzw. Nutzungen, sondern auch die Unvereinbarkeit mit den sonstigen Zielen der Raumordnung. Letzteres ist dabei hervorzuheben. Innerhalb eines Vorranggebietes muß also nicht nur der Vorrang der jeweiligen zielförmig ausgewiesenen Funktion oder Nutzung respektiert werden, sondern auch etwaig vorhandene andere Ziele der Raumordnung, die sich auf das Gebiet beziehen. Der Hinweis auf die Ziele der Raumordnung dürfte dabei klarstellen, daß sich Zielaussagen auch in ihrem räumlichen Bezug überschneiden können und daher neben der Vorrangausweisung auch noch andere Ziele der Raumordnung zum Tragen kommen können. 79 Freilich ist dies nur dann möglich, wenn daraus keine unüberwindlichen Zielkonflikte resultieren. 80 Unproblematisch ist beispielsweise eine Überschneidung von Vorranggebieten, wenn sich die jeweils ausgewiesenen Nutzungen oder Funktionen nicht generell gegenseitig ausschließen.81 Die Überlagerung von Flächen mit Vorranggebieten für den Abbau oberflächennaher Lagerstätten stellt eine Besonderheit dar, weil eine beiden Vorrangfestlegungen entsprechende Nutzung zeitlich nacheinander erfolgen kann 82 , z.B. wenn eine Fläche als Vorranggebiet für die Kiesgewinnung und für eine Abfalldeponie festgelegt ist. Die Zielausweisungen stehen miteinander im Einklang.

gefragt werden, ob entsprechende Festlegungen überhaupt den Charakter eines Vorranggebietes haben sollen. 78 Vgl. dazu Christ, Raumordnungsziele, S. 58 f.; Simon, Umweltsorge, S. 354 ff.; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 66 Fußnote 159; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126; Nds. OVG, ZfBR 1996, S. 54; Runkel, in: Bielenberg!Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 80. 79 Es können sich beispielsweise die Wirkungen von Vorranggebieten für eine bestimmte Nutzung mit den außergebietlichen Wirkungen von Eignungsgebieten für eine andere Nutzung überschneiden. Innerhalb des Vorranggebietes ist dann die von den Wirkungen des Eignungsgebietes erfaßte Nutzung auch dann unzulässig, wenn sie mit der für das Vorranggebiet vorgesehenen Funktion oder Nutzung vereinbar ist. Vgl. OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512, wonach sich unterschiedliche Ziele ergänzen können. Vgl. zu Eignungsgebieten unten Kap. 4, E. III. 80 Vgl. Kap. 2, Β. II. 4. a). 81 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126; Simon, Umweltsorge, S. 354; Nds. OVG, ZfBR 1996, S. 54. 82 Simon, Umweltsorge, S. 356.

2 3 4 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Eine Überlagerung von Vorranggebieten für den RohstofFabbau und für die Landwirtschaft wird demgegenüber in der Literatur als unzulässig eingestuft, weil durch einen Abbau wertvolle landwirtschaftliche Böden vernichtet würden. 83 Von der Unzulässigkeit einer solchen Planung kann aber jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der Plangeber nur solche Nutzungen ausschließen wollte, die sowohl mit dem Rohstoffabbau als auch der Landwirtschaft unvereinbar sind, während er die Konkurrenz zwischen Rohstoffabbau und Landwirtschaft nicht entscheiden, sondern diese Frage nachfolgenden Planungsträgern überlassen wollte. 84 Der vermeintliche Zielkonflikt kann in diesem Fall daher durch Auslegung gelöst werden. 85 Bei den sich überlagernden Vorranggebieten handelt es sich der Sache nach daher um Ausnahmeregelungen zugunsten des Rohstoffabbaus und der Landwirtschaft im Hinblick auf die Ausschlußwirkung der Vorranggebiete. Diesem Befund steht auch nicht der Letztentscheidungscharakter der Ziele der Raumordnung entgegen. Ziele der Raumordnung beruhen auf einem Ausgleich spezifisch landesplanerischer Konflikte und auf einer Abwägung landesplanerischer Gesichtspunkte.86 Sie bieten Lösungen, die auf landesplanerischer Ebene keiner Ergänzung mehr bedürften. 87 Der Letztentscheidungscharakter der Ziele der Raumordnung zwingt aber nicht zu einer Konfliktbewältigung, wo dies aus überörtlichen Interessen nicht erforderlich ist. 88 Im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung muß vielmehr gelten, daß die Raumordnungsplanung nur solche Konflikte bewältigen darf, die tatsächlich überörtlicher Natur sind und aufgrund eines überörtlichen Interesses eine Bewältigung erfordern. 89 Wenn eine Letztentscheidung im Hinblick auf die Konkurrenz zwischen Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung aus überörtlicher Sicht nicht erforderlich ist - was bei großen Flächenausweisungen durchaus der

83 Vgl. Christ, Raumordnungsziele, S. 60, dort auch zur Überlagerung von ökologischen Vorranggebieten mit Grundwasserschongebieten; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126; Vgl. zum Verhältnis von sich überschneidenden Festlegungen zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen wie Natur, Freiraum und zur Sicherung von Lagerstätten Folkerts, Raumordnungsziele, S. 115; Simon, Umweltsorge, S. 356. 84 Vgl. ähnlich zur Letztentscheidung bei sich überlagernden Vorranggebieten Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126 Fn. 3 m.w.N.; kritisch Christ, Raumordnungsziele, S. 58, der eine endgültige Entscheidung über den Vorrang bestimmter Funktionen gegenüber konkurrierenden Raumansprüchen bereits auf der Zielebene fordert. Kritisch Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 66 Fußnote 159; Nds. OVG, ZfBR 1996, S. 54. 85 In diese Richtung gehend offenbar auch Sandner, UPR 1997, S. 279 (284). Vgl. auch oben Verweis Kap. 2, Β. II. 4. a) und b). 86 BVerwGE 90, S. 329 (334). 87 BVerwGE 90, S. 329 (334). 88 Vgl. zu dieser Überlegung auch Simon, Umweltsorge, S. 355. 89 Ähnlich Simon, Umweltsorge, S. 355.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

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Fall sein kann -, steht auch einer Überlagerung von Vorranggebieten für die Landwirtschaft und für die Rohstoffgewinnung nichts im Wege.

II. Vorbehaltsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG In Raumordnungsplänen können auch Vorbehaltsgebiete bezeichnet werden, bei denen es sich nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG um Gebiete handelt, in denen bestimmte, raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen werden soll. Vorbehaltsgebiete stellen eine gegenüber Vorranggebieten abgeschwächte Form der Flächensicherung dar. 90

1. Qualifizierung

als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung

a) Literatur und Rechtsprechung Was die Qualifizierung der Vorbehaltsgebiete als Ziele oder Grundsätze der Raumordnung anbelangt, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Positionen vertreten. Sofern die Zielqualität von Vorbehaltsgebieten bejaht wurde 91 , wird dies zum Teil aus der Normierung in Raumordnungsplänen und der gelegentlichen Bezeichnung der Vorbehaltsgebiete in den Raumordnungsplänen als Raumordnungsziele hergeleitet. 92 Es treffe zwar zu, daß für ein Vorbehaltsgebiet durch das Ziel noch keine abschließende Abwägung über die Art der Bodennutzung getroffen werde, gleichwohl seien Vorbehaltsgebiete aber als Ziel der Raumordnung der gemeindlichen Abwägung nicht zugänglich. 93 Nach Goppel, der sich ebenfalls für den Zielcharakter von Vorhaltsgebieten ausspricht, stellen die Festlegungen eine auf landesplanerischer Ebene abschließende Abwägung dahingehend dar, daß dem vorbehaltenen Belang ein

90

Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504). Vgl. BayVGH, BayVBl. 1997, S. 178, NuR 1997, S. 291 ff., BayVBl. 1998, S. 436 f.; Goppel, BayVBl. 1984, S. 229 (232); ders., BayVBl. 1997, S. 503; ders., BayVBl. 1998, S. 189 (291); Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294); Nds. OVG, OVGE43, 363; Hendler, zitiert bei Stüer/Hönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1334); andeutungsweise auch Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (602). 92 So BayVGH, BayVBl. 1997, S. 178 (179) sowie NuR 1997, S. 291 (293). 93 BayVGH, BayVBl. 1997, S. 178 (179). Vgl. auch BayVGH, NuR 1997, S. 291 (293) zur Auslegung der Darstellung eines landschaftlichen Vorbehaltsgebietes unter Heranziehung des Art. 10 Abs. 2 S. 1 BayLplGa.F. Innerhalb der Vorbehaltsgebiete sollten vornehmlich Landschaftsschutzgebiete festgesetzt werden. 91

2 3 6 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau für ihn abschließend festgelegtes Gewicht zukommt. 94 Zwar könne der vorbehaltende Belang bei der bauleitplanerischen Abwägung auch im Einzelfall bei noch gewichtigeren gegenläufigen Belangen unterliegen. 95 Damit werde aber nicht etwa das Ziel „Vorbehaltsgebiet" auf der Ebene der Bauleitplanung abgewogen; vielmehr finde eine Abwägung aufgrund des Ziels statt, d.h. unter Einstellung des besonderen Gewichts, das mit dem Vorbehalt festgelegt wurde. 96 Im übrigen seien der bauleitplanerischen Abwägung durch die Festlegung von Vorbehaltsgebieten letzte, nicht überwindbare Grenzen gesetzt.97 Dies sei der Fall, wenn die durch die Festlegung intendierte Flächensicherung zugunsten des vorbehaltenden Belanges nicht nur hinsichtlich des Standortes, sondern hinsichtlich des gesamten Vorbehaltsgebietes obsolet würde. 98 Die Gegenauffassung betont demgegenüber, daß Vorbehaltsgebiete nicht das Ergebnis einer abschließenden Abwägung darstellten. 99 Dem Aussagegehalt von Vorbehaltsgebieten nach soll es den nachgeordneten Abwägungsentscheidungen überlassen bleiben, ob sich die vorbehaltene Nutzung tatsächlich gegenüber anderen Funktionen durchsetzt oder nicht. 100 Daran ändere die bisher in vielen Ländern gebräuchliche, aber irrtümliche Bezeichnung als Ziel der Raum-

94

Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 f.; ders., BayVBl. 1998, S. 289 (291); ders., zitiert bei StüerlHönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1332); zustimmend Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294). 95 Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504); ders., BayVBl. 1998, S. 289 (291). 96 Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504); ders., BayVBl. 1998, S. 289 (291). 97 Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504). 98 Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504), der allerdings darauf hinweist, daß kein unzulässiges Wegwägen der Gesamtnorm vorliege, wenn durch die allmähliche Summierung von Einzelabwägungen der letzte Rest an besonderem Gewicht weggewogen und damit das Vorbehaltsgebiet insgesamt ausgeschöpft würde. Vgl. auch zur Zielqualität eines ökologischen Vorranggebietes, durch dessen Festlegung dem Gesichtspunkt des Naturhaushaltes ein besonderes Gewicht beigemessen werde, OVG Saarlouis, NuR 1992, S. 346 (349). Der ökologische Schutzzweck der Ausweisung bestehe darin, daß das Gebiet als Ganzes für den Naturhaushalt erhalten bleiben solle. 99 Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 185; ders., UPR 1997, S. 1 (7); Christ, Raumordnungsziele, S. 18, S. 59; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 75, S. 78; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18; Hoppe, DVB1. 1998, S. 1008 (1009 f.); i.E. wohl auch Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 (763); BayVGH, BayGTzeitung 1995, S. 228 (230); BayVGH, BayVBl. 1996, S. 81 f.; OVG Lüneburg, ZfBR 1996, S. 54 mit Hinweis auch auf OVG, Beschluß v. 21. 8. 1995, - 1 M 4108/95. Entsprechend auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 125, zu „Vorranggebieten mit relativem Vorrang", die der Sache nach den Vorbehaltsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG entsprechen. 100 Stellvertretend Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 75; Christ, Raumordnungsziele, S. 59; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18; Vgl. entsprechend zu sogenannten relativen Vorrangregelungen Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 125; Hoppe, DVB1. 1998, S. 1008 (1009 f.).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

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Ordnung101 nichts. 102 Vorbehaltsgebiete seien mithin keine Ziele, sondern Grundsätze der Raumordnung. 103 Zuweilen wird auch ein differenzierender Standpunkt eingenommen.104 Gebietsfestlegungen, die lediglich einen Gewichtungsvorrang enthielten, seien zwar im allgemeinen nicht als Ziele einzuordnen. Etwas anderes müsse allerdings gelten, wenn neben den zulässigen Nutzungen für die Konfliktbewältigung im Einzelfall Handlungs- oder Verhaltensmuster durch die Raumordnung vorgegeben werden, z.B. in Form von Negativ- oder Bedingungskatalogen. Wenn die Vorgaben operationalisierbar seien und für den jeweiligen Adressaten erkennbar sei, wie er verbindlich den bestehenden Nutzungskonflikt lösen muß, käme entsprechenden Festlegungen Zielqualität zu.

b) Stellungnahme Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG sind Vorbehaltsgebiete abwägungsfähig. 105 Aufgrund ihrer bezweckten Abwägungsfähigkeit sind sie daher sachlich unbestimmt und mithin nicht als Ziele der Raumordnung, sondern als Grundsätze der Raumordnung zu qualifizieren. 106 Vorbehaltsgebiete gehören daher zu den grundsatzförmigen Gebietsaus-

101

Vgl. z.B. Art. 17 Abs. 2 Nr. 4 BayLplG im Hinblick auf Gebiete, in denen den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege besonderes Gewicht zukommt. Aus Art. 17 Abs. 1 BayLplG könnte man den Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber darunter Ziele der Raumordnung versteht. 102 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18, der aus der Bezeichnung als Ziel allerdings schließen will, daß Vorbehaltsgebiete wie Ziele zu behandeln sein sollen und daher insbesondere von allen Raumordnungsklauseln miterfaßt werden sollten, die auf Ziele der Raumordnung abstellen. Selbstverständlich wirkten sie dabei allerdings nicht strikt, weil dies ihrem eigenen, Abwägung verlangenden Inhalt nicht entspreche. 103 Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 185; ders., UPR 1997, S. 1 (7); Christ, Raumordnungsziele, S. 18; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 78 m.w.N; offenlassend Hoppe, DVB1. 1998, S. 1008 (1011). 104 Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 67, im Hinblick auf sogenannte relative Vorrangregelungen; Scheipers, Ziele aus der Sicht der Gemeinden, S. 52 ff., S. 192; Dreier, Abwägung, S. 160. 105 Zum Wortlautargument ebenso Hoppe, DVB1. 1998, S. 1008 (1009). 106 I.E. ebenso Runkel, UPR 1997, S. 1 (7); Christ, Raumordnungsziele, S. 18; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 78. Eine Konsequenz des Grundsatzcharakters ist, daß in Aufstellung befindliche Vorbehaltsgebiete - anders als in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung - keine Bindungswirkungen entfalten. Vgl. zu letzterem Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 5.

2 3 8 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Weisungen.107 Die Festlegung von Vorbehaltsgebieten in Raumordnungsplänen steht diesem Befund nicht entgegen, da Grundsätze der Raumordnung nach § 2 Abs. 3 HS. 2 ROG auch in Raumordnungsplänen enthalten sein können. 108 Die Besonderheit dieser Grundsätze besteht dabei darin, daß sie nicht nur räumlich konkret sind, sondern vor allem einen Bedeutungszuwachs für eine bestimmte raumbedeutsame Funktion oder Nutzung regeln. 109 Dieser stellt den eigentlichen Aussagegehalt der Vorbehaltsgebietsausweisung dar. Aus der Formulierung, wonach der jeweilig bestimmten Nutzung in der Abwägung „besonderes Gewicht beigemessen werden soll", ergibt sich dabei, daß es sich um eine relative Vorrangregelung handelt. 110 In diesem Gewichtszuwachs ist somit auch keine verbindliche Vorgabe zur Lösung eines Nutzungskonflikts zu erblicken. Ist eine Gebietsfestlegung durch zusätzliche Aussagen mit verbindlichen Handlungsmustern zur Konfliktlösung versehen, handelt es sich mithin nicht um ein Vorbehaltsgebiet i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG. 1 1 1 Der grundsätzlichen Abwägungsfähigkeit und der Qualifizierung als Grundsatz der Raumordnung kann im übrigen auch nicht entgegengehalten werden, daß im Einzelfall und nach Lage der Dinge eine Ermessensreduzierung auf N u l l 1 1 2 zugunsten des vorbehaltenen Belanges vorliegen kann. In diesem Fall können sich konkurrierende, der vorbehaltenen Nutzung zuwiderlaufende Belange zwar nicht gegen das Vorbehaltsgebiet durchsetzen, so daß insofern eine äußere Grenze der Abwägung vorliegen kann. Diese Sonderfälle rechtfertigen aber keine Gleichsetzung mit den Zielen, denen unabhängig von außergewöhnlichen Konstellationen immer ein verbindlicher Aussagegehalt zu entnehmen sein muß 1 1 3 . Zusammenfassend ist festzustellen, daß es sich bei

107

S. 191. 108

Vgl. dazu oben Kap. 2, C. II. 2.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung,

Vgl. dazu auch oben Kap. 2, C. I. 2. Vgl. z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 125; vgl. zu räumlich konkreten Grundsätzen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, 18 ff. 110 Vgl. dazu oben Kap. 2, Α. II. 111 Vgl. i.E. ähnlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 78; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 67. Im Einzelfall ist dabei zu untersuchen, ob es sich unter Umständen um eine Mischform von verschiedenen Gebietskategorien handelt, beispielsweise um eine besondere Art der Überlagerung von Vorranggebieten, die mit einer generelle Prioritätenregelung versehen sind. Vgl. dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 126 Fußnote 3 sowie zu Recht kritisch Christ, Raumordnungsziele, S. 59. 112 Vgl. zu einem solchen Fall bei der Ausweisung eines ökologischen Vorbehaltsgebietes BayVGH, NuR 1997, S. 291 (293). 113 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 2., 3; in diese Richtung gehend auch Hoppe, DVB1. 1998, S. 1008(1009). 109

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

239

Vorbehaltsgebieten um räumlich konkrete Grundsätze in Form relativer Vorrangregelungen handelt. 114

2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau Vorbehaltsgebiete sind ein geläufiges Instrument der raumordnerischen Planungspraxis. 115 Der lediglich relative Schutz, den Vorbehaltsgebiete vor anderen Nutzungen bieten, führt dabei dazu, daß ihre Festlegung regelmäßig nur für solche Nutzungen sinnvoll ist, die entweder unterschiedliche flächenmäßige oder aber qualitative Grade der Verwirklichung zulassen. Standortplanungen für industrielle bauliche Großvorhaben, die nämlich entweder errichtet werden oder nicht, können daher in aller Regel nicht wirksam im Wege von Vorbehaltsgebieten verfolgt werden. Die Gewinnung von Massenrohstoffen wie Kies und Sand ist zwar standortgebunden in dem Sinne, als ihre Gewinnung an Lagerstätten geknüpft ist. Die Lagerstätten haben aber häufig großflächige Ausmaße, und betriebswirtschaftlich ist auch eine bloß partielle Ausbeutung regelmäßig lohnend. Wegen dieser die Bodenschatzgewinnung kennzeichnenden räumlichen Flexibilität bietet sich ein bloß relativer Schutz von Rohstoffflächen für Massenrohstoffe an. 116 Anders als Vorranggebiete sichern Vorbehaltsgebiete für den Kiesabbau die abbaubaren Flächen nicht strikt, sondern nur in einem abgeschwächten Maße. 117 In der Regel handelt es sich dabei um sehr großflächige Gebietsausweisungen. Während der allgemeine Rohstoffsicherungsgrundsatz bzw. die sonstigen erwähnten landesrechtlichen allgemeinen Rohstoffsicherungsgrundsätze nur gleichrangig neben anderen Grundsätzen stehen, erfährt der Belang der Rohstoffaufsuchung und -gewinnung in bezug auf die Fläche des RohstoffVorranggebietes somit eine Konkretisierung und Aufwertung. Zwar können sich Nutzungen, die dem Rohstoffabbau zuwiderlaufen, in der 114 Vgl. auch Dyong, in: Cholewa!DalihammerlDyonglv.d.HeidelArenz, Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 43, der feststellt, daß Vorbehaltsgebiete im Hinblick auf ihre Gebietskonkretisierung stärker bindend seien als bloße Grundsätze. Die Qualifizierung als Ziel oder Grundsatz bleibt bei ihm allerdings offen. 115 Vgl. z.B. Art. 17 Abs. 2 Nr. 4 BayLplG („Gebiete, in denen den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege besonderes Gewicht zukommt"). 116 Vgl. allgemein zum Anwendungsbereich der Vorbehaltsgebiete zur Rohstoffgewinnung Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504); BayVGH, BayGTzeitung 1995, S. 228 (230); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, z.B. S. 232, S. 239, S. 245; Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (602). Vgl. zur Ausweisung von Vorbehaltsgebieten für den Kiesabbau in Bayern die gemeinsame Bekanntmachung von StMI und StMLU v. 6.8.1990 (A11MB1. 1990, S. 856). 117 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 191.

2 4 0 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Abwägung im Einzelfall durchsetzen. Dies ist aber nur möglich, wenn sie von besonderem Gewicht sind, so daß vom Grundgedanken her der Rohstoffabbau auf der Fläche regelmäßig jedenfalls teilweise verwirklicht werden kann. Vorbehaltsgebiete können auch für andere Nutzungs- und Funktionsarten als für die Rohstoffsicherung ausgewiesen werden und im Falle eines Nutzungskonflikts das Kräfteverhältnis in der Abwägung zu Lasten der Rohstoffsicherung verschieben. Praktisch relevante Beispiele sind insbesondere Vorbehaltsgebiete für die Wasserwirtschaft sowie solche für Natur und Landschaft. 118

3. Anforderungen

an Vorbehaltsgebiete

Für Vorbehaltsgebiete gelten die allgemeinen Anforderungen, die an Grundsätze der Raumordnung in Raumordnungsplänen zu stellen sind. Ihre Festlegung erfordert insbesondere eine - wenn auch nicht abschließende 119 Abwägung nach § 7 Abs. 7 ROG. Sie sind eine Form der Konkretisierung des allgemeinen Rohstoffgrundsatzes des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG. 1 2 0 Auch bei der Festlegung von Vorbehaltsgebieten, die aus überörtlichen raumordnerischen Gründen notwendig sein müssen 121 , sind mithin insbesondere die städtebaulichen Planungen der Gemeinden nach § 9 Abs. 2 S. 2 ROG in die Abwägung einzubeziehen, sofern sie für die Planung von Bedeutung sind. Da Vorbehaltsgebiete jedoch nur eine geringe Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit darstellen, indem lediglich ein durch Abwägung im Einzelfall überwindbarer Gewichtungsvorrang festgelegt wird, kann die Abwägung in einer höheren Abstraktionsebene erfolgen als dies beispielsweise bei einer zielförmigen Flächensicherung durch Vorranggebiete der Fall ist. 1 2 2

118

Vgl. entsprechend im Hinblick auf Bayern die gemeinsame Bekanntmachung von StMI und StMLU vom 6.8.1990 (A11MB1. 1990, S. 856); Busse, BayVBl. 1998, 293 Fußnote 4 a. 119 A.A. Goppel, BayVBl. 1997, S. 503 (504); ders., BayVBl. 1998, S. 289 (291). 120 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 190 f. 121 Vgl. Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294). 122 Vgl. Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277), der daraufhinweist, daß die Festlegung eines Vorbehaltsgebietes anstatt eines Vorranggebietes in Betracht kommt, wenn der Vorrang methodisch nicht einwandfrei hergeleitet oder aufgrund unvollkommener Information nicht endgültig entschieden werden kann.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

241

III. Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG Unter Eignungsgebieten sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG solche Gebiete zu verstehen, in denen bestimmte raumbedeutsame Maßnahmen geeignet sind, die städtebaulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind und an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden. Für das Landesplanungsrecht ist der eigenständige Festlegungstyp und die terminologische Bezeichnung der Eignungsgebiete noch relativ neu. 123 Der Zweck der Eignungsgebiete besteht in erster Linie darin, bestimmte Nutzungen und Funktionen zu konzentrieren, indem diese außerhalb der Gebiete ausgeschlossen werden. 124

1. Qualifizierung

als Ziel oder Grundsatz der Raumordnung

Die Qualifizierung als Grundsatz oder Ziel der Raumordnung knüpft maßgeblich an dem Verbindlichkeitsanspruch einer raumordnerischen Aussage an. Eignungsgebiete treffen sowohl eine außergebietliche als auch eine innergebietliche Aussage, die jeweils eine gesonderte Untersuchung erfordern.

a) Außergebietliche Aussage Durch die Festlegung von Eignungsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG wird die raumordnerische Aussage getroffen, daß die als geeignet festgesetzten raumbedeutsamen Maßnahmen an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden. Die auf die außergebietliche Wirkung bezogene Aussage wird dabei nicht relativiert. Es findet sich insbesondere keine - auf einen Grundsatz der Raumordnung hindeutende - Formulierung, wonach die jeweiligen Vorhaben z.B. nur „so weit wie möglich" ausgeschlossen sein sollen. Der Gesetzgeber hat vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß Eignungsgebiete auf eine strenge Verbindlichkeit nach außen gerichtet sind und daß Gebietsfest-

123 Runkel, UPR 1997, S. 1 (7); Vgl. i.ü. die Entschließung der MKRO für Raumordnung „Mehr Planungssicherheit für Windenenergieanlagen durch Darstellung von Eignungsgebieten in der Landes- und Regionalplanung" v. 8. März 1995 (GMBl. 1995, S. 337, abgedruckt auch in Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 66). Ob der Begriff der Eignungsgebiete hier allerdings i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG verwendet wird, erscheint fraglich, da die Ausschlußwirkung dieser Gebiete nicht ausdrücklich angesprochen wird. 124

Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 f.

16 Spiecker

2 4 2 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau legungen i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG somit außergebietlich als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren sind. 125 Aus den Gesetzesmaterialien geht dabei auch hervor, daß auch die Bauleitpläne an die außergebietlichen Rechtswirkungen von Eignungsgebieten anzupassen sind. 126 Die Legaldefinition, die auf die städtebauliche Beurteilung des Vorhabens nach § 35 BauGB Bezug nimmt, darf daher auch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß sich die außergebietlichen Rechtswirkungen von Eignungsgebieten nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG nicht auch auf qualifizierte Bebauungspläne erstrecken, die für Flächen im bisher unbeplanten Außenbereich aufgestellt werden. Die außergebietliche Wirkung von Eignungsgebieten erstreckt sich dem eindeutigen Wortlaut nach indes nicht auf bereits bestehende qualifizierte Bebauungspläne.

b) Innergebietliche Aussage Eignungsgebiete sind aufgrund von Untersuchungen und einer planerischen Abwägung als für diese Vorhaben geeignet zu bestimmen. 127 Fraglich ist, welche Bedeutung dieser innergebietlichen Festlegung der „Eignung" im einzelnen zukommt und welchen Verbindlichkeitsanspruch diese raumordnerische Aussage aufweist. Für das Gebiet selbst wird zwar die Eignung der jeweiligen Nutzung bestimmt. Ein innergebietlicher Vorrang für die jeweilige Nutzungsart ist damit aber nicht verbunden. Der Gesetzgeber hätte anderenfalls nämlich die - für den Bereich des Bodenschätzeabbaus praktisch besonders bedeutsame - Möglichkeit der Kombination von Vorrang- und Eignungsgebieten in § 7 Abs. 4 S. 2 ROG nicht ausdrücklich regeln müssen. 128 Fraglich ist, ob Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG innergebietlich den als geeignet bestimmten Vorhaben einen relativen Vorrang einräumen. Da der Gesetzgeber versäumt hat, auf die Möglichkeit der Kombination von Vorbehalts- und Eignungsgebieten hinzuweisen, könnte man argumentieren, daß er voraussetzte, daß Eignungsgebieten der innergebietliche relative Vorrang immanent sei. Allerdings findet eine solche Auslegung keine Stütze in den Gesetzesmaterialien und widerspricht zudem dem Wortsinn des 125

Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84; Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (211); Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (433); Runkel, NuR 1998, S. 449 (452). 126 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 84. 127

128

Runkel, UPR 1997, S. 1 (7).

Ebenso Erbguth, ordnungszielen, S. 80.

DVB1. 1998, S. 209 (211); Schmidt, Wirkung von Raum-

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

243

Begriffs der „Eignung". Hätte der Gesetzgeber den Eignungsgebieten eine entsprechende innergebietliche Bedeutung beimessen wollen, hätte er dies durch eine an § 7 Abs. 1 Nr. 2 ROG angelehnte Formulierung klarstellen müssen. Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß sich in der Praxis - insbesondere für den Bereich des Bodenschätzeabbaus - Festlegungen finden, die sich nach den Kategorien des Raumordnungsgesetzes als eine Kombination von Eignungsgebieten mit den innergebietlichen Wirkungen eines Vorbehaltsgebietes erweisen. 129 Die desweiteren mögliche Kombination mit einer textlichen innergebietlichen Konzentrationsanordnung dürfte dem raumordnerischen Zweck von Eignungsgebieten dabei am ehesten entsprechen. Bei besonders großflächigen Eignungsgebieten können die Gemeinden dadurch beispielsweise angehalten werden, im Flächennutzungsplan innergebietlich bestimmte Abgrabungskonzentrationszonen darzustellen. 130 Nach Schmidt und Runkel wird durch die Festlegung von Eignungsgebieten den entsprechenden Gebieten bescheinigt, daß sie sich für die jeweilige Nutzung aus raumordnerischer Sicht eignen und diese Nutzung somit hier raumordnerisch unbedenklich ist. 1 3 1 Die Eignungsnutzung des Gebietes könne als solche nicht in Frage gestellt werden. 132 Schmidt folgert daraus, daß die raumordnerische Feststellung der „Eignung" eine abschließende raumordnerische Abwägung darstelle und Eignungsgebiete mithin auch im Hinblick auf ihre innergebietliche Aussage als Ziel der Raumordnung zu qualifizieren seien. 133 Dem Zielcharakter der innergebietlichen Aussage von Eignungsgebieten hält Erbguth entgegen, daß einer bloßen Eignung schon der Wortwahl nach keine

129

Vgl. zu solchen Formen von Eignungsgebieten Hoppe, in: ders./Schoenberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 94.; Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 1 Rn. 66; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 125; Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 71; Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (212 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 76 m.w.N.; vgl. auch zu sogenannten Entwicklungsbereichen, bei denen es sich offenbar der Sache nach um eine Kombination von Vorbehalts- und Eignungsgebieten handelt, Geyer/Weber, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (993). 130 Denkbar ist desweiteren eine zusätzliche Kombination mit Abgrabungsquoten. 131 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 133; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279); ders., WiVerw 1997, S. 267 (279); ders., in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 55 spricht von einer positiven Nutzungszuweisung, die den Gemeinden allerdings einen größeren Konkretisierungsspielraum als etwa ein entsprechendes Vorranggebiet belasse. 132 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 133; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279); ders., WiVerw 1997, S. 267 (279). 133 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 79; i.E. ebenso Runkel, NuR 1998, S. 449 (452); ders., in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 55; Boesten sowie Hendler, zitiert bei StüerlHönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1333, 1334).

2 4 4 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Anpassungs- bzw. Bindungskraft entnommen werden könne. 134 In den Gesetzesmaterialien sei zwar von der Darstellung der Eignungsgebiete als Ziel der Raumordnung die Rede 135 , die genannte Passage beziehe sich allerdings bei näherer Betrachtung auf die außergebietliche Ausschlußwirkung. 136 Eignungsgebiete sollten raumbedeutsame Vorhaben danach nämlich dadurch steuern, daß bestimmte Gebiete in einer Region für diese Maßnahmen als geeignet erkärt werden „mit der Folge" der außergebietlichen Ausschlußwirkung. 137 Der dargelegte Streit betrifft: bei näherer Betrachtung eine Grundproblematik der Ziele der Raumordnung. Wie oben dargelegt können Ziele der Raumordnung unterschiedlichste Wirkungsweisen entfalten, die als negative, positive und aktivplanerische Wirkung bezeichnet werden können. 138 Ob einem Ziel entsprechende Wirkungen zukommen, hängt einerseits von den jeweiligen Bindungsvorschriften ab, aber andererseits auch von dem Aussagegehalt des Ziels. 139 Bei näherer Betrachtung wird von Schmidt hierbei ein Zieltypus vorgeschlagen, der bereits seinem Aussagegehalt nach allein auf eine strikte positive Wirkung abzielt 140 , aber keine darüber hinausgehende Aussage enthalten soll. Gegenüber den Gemeinden soll das Ziel also weder eine negative Wirkung im Hinblick auf konkurrierende Nutzungen noch eine aktivplanerische Wirkung im Sinne einer Anpassungspflicht bzw. Erstplanungspflicht entfalten. Was letzteres anbelangt, scheinen sich Schmidt und Erbguth einig zu sein. Die eigentliche Frage ist mithin, ob ein derartig beschränkter Aussagegehalt eines Ziels zulässig ist und eine entsprechende Aussage gewissermaßen den Rang eines Ziels der Raumordnung verdient. Die Definition des § 3 Nr. 2 ROG von Zielen der Raumordnung könnte der Qualifizierung der innergebietlichen Aussage von Eignungsgebieten entgegenstehen, weil hierbei eine abschließende Abwägung erforderlich ist. Eine abschließende Abwägung setzt voraus, daß verschiedene Belange gegeneinander und untereinander abgewogen worden sind und bestimmte Belange dabei auch zurückgestellt wurden. Nur wenn Belange abschließend zurückgestellt wurden, kommt eine positive abschichtende Wirkung der Abwägung zugunsten des bevorzugten Belangs in Betracht. Bemerkenswerterweise geht

134

Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (212 Fn. 27); i.E. ebenso Schink, zitiert bei Stüer/Hönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1333). 135 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. 136 Vgl. dazu Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (211 f.). 137 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. 138 Vgl. Kap. 2, D. I. 4. a). 139 Vgl. Kap. 2, D. I. 4. a). 140 Nach Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 79 ff., soll diese Wirkung allerdings nur gegenüber den Gemeinden gelten, nicht aber im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

245

aber auch Schmidt davon aus, daß die Gemeinde innerhalb des raumordnerischen Eignungsgebietes andere planerische Vorstellungen verwirklichen kann, als die geeignete Nutzung. 141 Eine abschließende Abwägung, die mit einem Zurückstellen anderer Belange zwangsläufig einhergeht, ist daher nicht ersichtlich. Insofern ist Erbguth Recht zu geben, wenn er auf das allgemeine Wortverständnis der Eignung hinweist 142 . Den Begriff der Eignung mit dem für jede Planung typischen gestalterischen Element in Einklang zu bringen bereitet Schwierigkeiten. Auch aus den Gesetzesmaterialien 143 läßt sich erkennen, daß der Eignung für sich genommen eine Wirkung nicht zukommen sollte. Die innergebietliche Erklärung der „Eignung" wird lediglich als Voraussetzung für die daraus folgenden außergebietlichen Wirkungen beschrieben, während innergebietliche „Folgen" bzw. Wirkungen gerade nicht genannt werden. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, den Eignungsgebieten innergebietlich die Wirkung eines Ziels der Raumordnung einzuräumen, zumal selbst ein innergebietliches Vorbehaltsgebiet nur den Rang eines Grundsatzes mit relativer Vorrangregelung zugekommen wäre. Eignungsgebiete sind innergebietlich mithin nicht als Ziel der Raumordnung zu qualifizieren. 144 Gleichwohl wird man Eignungsgebieten nicht jede innergebietliche Bedeutung abgesprechen können. Die innergebietliche Aussage weist nämlich zumindest auf das raumordnerisch Mögliche hin und ist in diesem beschränkten Aussagegehalt als Grundsatz der Raumordnung zu qualifizieren, der gegebenenfalls ein einfaches Berücksichtigungsgebot auslöst. Sofern die geeignete Nutzung allerdings ohnehin schon mit einem Raumordnungsgrundsatz bedacht worden sind, wie dies bei der Bodenschätzegewinnung nach § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG der Fall ist, ist diese Wirkung lediglich klarstellender Natur. Im Ergebnis ist mithin festzustellen, daß der innergebietliche Aussagegehalt von

141

Schmidt, Wirkungen von Raumordnungszielen, S. 80, trifft dabei allerdings nicht den Kern des Problems, wenn er als Beispiel anführt, daß die Gemeinde innerhalb eines Eignungsgebietes für die Rohstoffgewinnung auch Flächen für die Landwirtschaft festlegen könnte, weil sich die beiden Nutzungen nicht notwendig dauerhaft gegenseitig ausschließen. Nach Runkel, NuR 1998, S. 449 (452) ist die innergebietliche Kernaussage des Eignungsgebietes, wonach die Eignungsnutzung innergebietlich nicht gefährdet werden darf, einer späteren Abwägung nicht zugänglich. Vgl. auch ders., zitiert bei StüerlHönig, DVB1. 1998, S. 1331 (1332), wonach die Ausweisung von Eignungsgebieten, beispielsweise zur Windenergienutzung, den Gemeinden gewisse Planungsspielräume in der Umsetzung durch den Flächennutzungsplan belasse. Entscheidend sei allerdings, daß in der Summe der Darstellungen im Flächennutzungsplan die Eignung des Gebietes für die Windenergienutzung gewahrt bliebe. 142 Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (212 Fußnote 27). 143 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. 144 Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (212).

2 4 6 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Eignungsgebieten gering ist und jedenfalls keinen Zielcharakter, sondern allenfalls einfachen Grundsatzcharakter aufweist. 145 Die Bedeutung der innergebietlichen Festlegung darf gleichwohl nicht unterschätzt werden. Als Bedingung für die außergebietliche Ausschlußwirkung wird der raumordnerische Plangeber nämlich bei der Ausweisung eines Eignungsgebietes zum Kiesabbau dazu verpflichtet, sich der jenseits der Ausschlußwirkungen verbleibenden Möglichkeiten zum Kiesabbau bewußt zu sein. Durch diese Verbindung von außergebietlicher Ausschlußwirkung und innergebietlichen Nutzungsmöglichkeiten wird dem umfassenden überörtlichen konzeptionellen Charakter der Raumordnungsplanung Rechnung getragen. Den Eignungsgebieten liegt mithin der Gedanke zugrunde, daß eine raumordnerische Gesamtkonzeption zur Steuerung des Kiesabbaus nur dann abwägungsfehlerfrei ist, wenn bezogen auf das gesamte Plangebiet insgesamt den Belangen der Rohstoffgewinnung hinreichend Rechnung getragen ist. 1 4 6 Dies setzt auch ausreichende Möglichkeiten zur Rohstoffgewinnung und mithin ausreichende von der Ausschlußwirkung nicht erfaßte - geeignete Flächen zur Rohstoffgewinnung voraus. 147 Daß der Plangeber zur Benennung entsprechender geeigneter Flächen verpflichtet wird, trägt dabei der Transparenz der Planung bei und erleichtert die (gerichtliche) Nachprüfung des Planungskonzeptes.148

2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf den Kiesabbau Bei den als geeignet bezeichneten Maßnahmen muß es sich um städtebaulich zu beurteilende Maßnahmen, d.h. um Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB handeln. Desweiteren verlangt § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG, daß die städtebauliche Beurteilung des Vorhabens nach § 35 BauGB erfolgen muß, d.h. daß das Vorhaben im Außenbereich liegt. Das Instrument der Eignungsgebiete ist dem

145 Für einen innergebietlichen Grundsatzcharakter auch Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (212), allerdings am Beispiel von Gebietsausweisungen, die innergebietlich als relative Vorrangregelung ausgestaltet sind; Vgl. auch Runkel, DVB1. 1996, S. 698 (702), wonach die Bedeutung der Eignungsgebiete primär in deren außergebietlichen Wirkung liege. 146 Vgl. allerdings Weberl Geyer, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (993), die offenbar reine Ausschlußgebiete für Windkraftanlagen befürworten. 147 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 88 f., der innergebietlich allerdings eine positive Standortfestlegung fordert. 148 Vor diesem Hintergrund sind solche Gebietsfestlegungen kritisch zu beurteilen, durch die lediglich eine Nutzung ausgeschlossen wird, ohne daß zugleich der Nachweis geeigneter Flächen für die entsprechende Nutzung an anderer Stelle erbracht wird. Vgl. allerdings einen offenbar dahingehenden Vorschlag zur regionalplanerischen Ausweisung von Ausschlußbereichen für die Errichtung von Windenergieanlagen, Geyerl Weber, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (993).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

247

Raumordnungsrecht - im Gegensatz zu der Kombination von Eignungs- und Vorranggebieten bzw. Vorbehaltsgebieten - noch neu. Eine entsprechende Planungspraxis ist bisher nicht bekannt.

a) Privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB Das Instrument der Konzentrationsanordnung ist vornehmlich im Hinblick auf privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB entwickelt worden. Eignungsgebieten liegt der Gedanke zugrunde, daß die pauschale Privilegierung bestimmter Außenbereichsvorhaben zu einer unkoordinierten, zerstreuten Ansiedlung entsprechender Vorhaben führen kann, die aus überörtlichen Interessen unerwünscht ist und im Wege planerischer Konzentrationsanordnungen verhindert werden muß. Zumeist wird es sich um privilegierte Vorhaben nach §35 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BauGB handeln, zu denen auch Kiesabgrabungen größeren Umfangs 149 zu zählen sind. 1 5 0 Eignungsgebiete können daher in jedem Fall zur raumordnerischen Steuerung von nichtplanfeststellungsbedürftigen Kiesabgrabungen eingesetzt werden. Im übrigen ist § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG - entgegen dem Wortlaut - nicht dahingehend zu verstehen, daß Eignungsgebiete innergebietlich prinzipiell keine Flächen betreffen dürfen, die bereits durch einen qualifizierten Bebauungsplan beplant sind. Hinzuweisen ist insofern auf die besondere Konstellation, daß durch einen qualifizierten Bebauungsplan bereits Flächen für die als geeignet festgelegten Vorhaben vorgesehen sind. Innergebietlich handelt es sich mithin um ein Vorhaben, das städtebaulich nach § 30 Abs. 1 BauGB und mithin nicht nach § 35 BauGB zu beurteilen ist. Nach dem Sinn und Zweck von

149

Vgl. § 29 Abs. 1 BauGB. Vgl. oben Kap. 3, B. I., II; Runkel, UPR 1997, S. 1 (7); Vgl. zur entsprechenden planerischen Steuerung der durch § 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB neuerdings privilegierten Betriebe der gartenbaulichen Erzeugung (insbes. Gewächshäuser) Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 19. Krautzberger, WiVerw 1997, S. 243 (258). Bei Gewächshäusern besteht dabei allerdings - im Unterschied beispielsweise zur Planung von Windkraflanlagen und Abgrabungen - überwiegend das Bedürfnis, die Anlagen möglichst zu verteilen, um große „Glaslandschaften" zu verhindern, d.h. gerade keine Konzentration von Gewächshäusern zu fordern. Durch die Ausweisung vieler kleiner Eignungsgebiete kann zwar grundsätzlich entsprechenden Dezentralisierungsbemühungen Rechnung getragen werden. Allerdings dürfte dafür nur in seltenen Fällen wirklich eine spezifisch raumordnerische Erforderlichkeit bestehen, so daß insofern in erster Linie die Flächennutzungsplanung angesprochen ist. Nach Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294), beschränkt sich der Anwendungsbereich von Eignungsgebieten aufgrund der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB allein auf privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB. Dies muß indes bezweifelt werden, da die Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG dafür keine Anhaltspunkte liefert. 150

2 4 8 V i e r t e s Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau Eignungsgebieten, die der Vorhabenkonzentration im Außenbereich dienen und auf außergebietliche Wirkung abzielen, sowie aus planungssystematischen Gründen muß eine solche raumordnerische Überplanung von Bebauungsplänen möglich sein, um eine außergebietliche Ausschlußwirkung zu erreichen, die Bebauungsplänen für sich genommen nämlich nicht eigen ist. Durch die Bezugnahme auf § 35 BauGB in § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG soll insofern lediglich auf die außergebietliche Wirkung angespielt werden.

b) Planfeststellungsbedürftige Vorhaben Problematisch ist indes die Beurteilung von Eignungsgebieten, sofern diese zur Steuerung von planfeststellungsbedürftigen Vorhaben eingesetzt werden sollen. Es fragt sich, ob dies überhaupt möglich ist. Naßauskiesungen, die besonders häufig und zum Teil verstreut von den Unternehmern geplant werden, zählen dabei zu den seltenen Beispielen planfeststellungsbedürftiger Vorhaben, bei denen ein entsprechendes Konzentrationsbedürfiiis überhaupt besteht und diese Frage von praktischem Interesse ist. 1 5 1 Allerdings können Eignungsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG nur für raumbedeutsame Maßnahmen festgelegt werden, die „städtebaulich nach § 35 Baugesetzbuch zu beurteilen sind". Dem Einsatz des Instrumentes der Eignungsgebiete bei Naßauskiesungen könnte dabei entgegenstehen, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§30 ff. BauGB gemäß §38 BauGB bei Planfeststellungen für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung gerade nicht gelten. 152 Unter der städtebaulichen Beurteilung eines Vorhabens nach § 35 BauGB muß indes nicht zwangsläufig zu verstehen sein, daß diese städtebaurechtliche Zulässigkeitsvorschrifi auf das Vorhaben unmittelbar Anwendung findet. Die Vorschrift des § 35 BauGB dient nämlich bei der Planfeststellung als Orientierungshilfe 153, wenn es um die Berücksichtigung städtebaulicher Belange nach § 38 S. 1 HS. 2 BauGB geht. In diesem Sinne spielt daher auch die Beurteilung eines Vorhabens als Außenbereichsvorhaben i.S.d. § 35 BauGB bei der Planfeststellung eine Rolle. Der Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB steht daher dem Einsatz von Eignungsgebieten für planfeststellungsbedürftige Vorhaben nicht entgegen. Ebenso wie bei Trockenauskiesungen kann auch bei Naßauskiesungen ein überörtliches Interesse an einer Bündelung der Abbauvorhaben auf bestimmte

151

Für planfeststellungsbedürftige Fernstraßen-, Wege- und Gewässerstraßen vorhaben besteht beispielsweise von vornherein kein entsprechendes Planungsbedürfnis. 152 Vgl. dazu oben Kap. 3, Teil. C. I. 3. 153 Vgl. BVerwGE 79, S. 318 (322).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

249

Gebiete bestehen.154 Zwar ließe sich argumentieren, daß die Planfeststellungsbehörde den Aspekt der Konzentration bei jedem einzelnen Planfeststellungsbeschluß gesondert und selbständig wahrnehmen könne und mithin kein Bedürfiiis nach Eignungsgebieten im Hinblick auf planfeststellungsbedürftige Vorhaben bestünde. Eine sinnvolle Planung wird jedoch regelmäßig eine planerische Gesamtkonzeption beispielsweise für eine ganze Region erfordern. Zur gesamtkonzeptionellen Planung ist die vorhabenbezogene Planfeststellung indes wie dargelegt nur begrenzt in der Lage. 155 Auch für die Fachplanung in Form der Planfeststellung ist daher eine vorgelagerte Raumordnungsplanung sinnvoll. Es ist kein Grund ersichtlich, warum im Hinblick auf Eignungsgebiete etwas anderes gelten sollte als bei den übrigen Zielen der Raumordnung. Schließlich muß man sich vergegenwärtigen, daß es auch aus der Sicht der Plangeber möglich sein muß, Abgrabungskonzentrationszonen ohne Rücksicht darauf festzulegen, ob Trocken- oder Naßabgrabungen erfaßt werden sollen. Unter raumordnerischen Gesichtspunkten erscheint eine einheitliche Planung wegen der parallelen Planungsprobleme häufig sinnvoll. Eventuell erforderliche Differenzierungen zwischen beiden Abbauformen können entweder bei der Gebietsfestlegung vorgenommen werden, wenn ein überörtliches Interesse an einer entsprechend differenzierten Planung besteht, oder anderenfalls den nachfolgenden konkretisierenden Planungen überlassen bleiben. Nach dem Darlegten kann zusammenfassend festgestellt werden, daß das Instrument der Eignungsgebiete auch zur Steuerung von Naßauskiesungen eingesetzt werden kann.

3. Anforderungen

an die Abwägung

Die Festlegung von Eignungsgebieten erfordert nach § 7 Abs. 7 ROG eine umfassende raumordnerische Abwägung. Dies setzt nicht nur voraus, daß das sich auf das gesamte Planungsgebiet sich erstreckende, in der Festlegung zum Ausdruck kommende raumplanerische Gesamtkonzept156 ausgewogen ist und 154 Vgl. zu den Vorteilen der Abgrabungskonzentration oben Kap. 4, D. Vgl. Brohm, NJW 1980, S. 857 (861) Vgl. auch zum Verhältnis von Konzentrationsanordnungen im Flächennutzungsplan und planfeststellungsbedürftiger Naßauskiesung, BVerwGE 79, S. 318 (323 f.), das allerdings i.E. das Vorliegen einer wirksamen Konzentrationsanordnungen im konkreten Fall verneint; Vgl. i.ü. auch BVerwGE 85, S. 155 (162) zur offengelassenen - Frage, ob eine Darstellung im Flächennutzungsplan „Fläche für Abgrabungen" dahingehend zu verstehen ist, daß sie nur einen Trockenausbau oder auch Naßauskiesungen betrifft. Vgl. zur regionalplanerischen Beschränkung von Naßauskiesungen in Baden-Württemberg Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (7 ff.). 155 Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 4 a) cc) (1). 156 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 89; Holz, NWVB1. 1998,

S. 81 (85); Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (276 f.); Wagner, UPR 1996, 370 (374 f.).

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau mithin insbesondere auch durch den Zuschnitt und die Größe der Eignungsgebiete dem Grundsatz einer geordnete Rohstoffgewinnung Rechnung getragen wird. 1 5 7 Eignungsgebiete müssen im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden durch ein überörtliches Interesse gerechtfertigt sein. 158 Ein solches Planungsbedürfhis besteht, sobald und soweit ein überörtlicher Interessenausgleich zwischen den unterschiedlichen Raumfunktionen und Nutzungsansprüchen in einer Region für deren geordnete Entwicklung erforderlich ist. 1 5 9 In Regionen mit ausgedehnten Kiesvorkommen kann dies das raumordnerische Anliegen der Abgrabungskonzentration sein. 160 Ein überörtliches Anliegen der Abgrabungskonzentration wird dabei weniger in ländlichen Gebieten als in Ballungsgebieten anzunehmen sein 161 , da hier eine besonders starke Konkurrenz unterschiedlicher Raumnutzungsansprüche herrscht und ein besonderes Bedürfiiis nach Freiraumschutz besteht. Aber auch sonstige Besonderheiten einer Region können eine Rolle spielen, etwa ein ausgeprägter Fremdenverkehr, der sich mit einem unkoordinierten und das Landschaftsbild störenden Kiesgewinnung nicht verträgt 162 oder wenn Teile einer Region durch den bisherigen umfangreichen Kiesabbau schon bis an die Grenze dessen ausgelastet sind, was der Naturhaushalt in diesen Bereichen verkraftet. Da auf örtlicher Ebene nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB wie bereits erwähnt auch eine Abgrabungskonzentration durch Flächennutzungsplan möglich ist, muß der Plangeber stets prüfen, ob das überörtliche Ziel der Abgrabungskonzentration nicht auch erreicht werden kann, wenn dies oder zumindest Einzelfragen den Gemeinden überlassen bleiben, wobei das Übermaßverbot zu

157 m

(84).

Vgl. auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 87 f. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 87; Holz, NWVB1. 1998, S. 81

159 Vgl. dazu Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (84 f.), dort auch zu spezifischen Kriterien im Hinblick auf ein Planungserfordernis bei Windtaafianlagen, der allerdings bei seinem Plädoyer für eine entsprechende möglichst frühzeitige und weitsichtig vorsorgende Regionalplanung offenbar der kommunalen Planungshoheit als solcher keinen besonders hohen Stellenwert beimißt. 160 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 460; Wagner, BBauBl. 1996, S. 833 (835); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 169; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 87. Vgl. zum Flächennutzungsplan BVerwGE 77, S. 300 (304). 161 Vgl. zu Abgrabungskonzentrationen im Flächennutzungsplan BVerwGE 77, S. 300 (304). Die Verhinderung der Verkraterung der Landschaft sei „zumal in einem großstädtischen Raum" ein zulässiges planerischen Anliegen. (Hervorhebung nicht im Orginal). 162 Vgl. entsprechend zur Konzentration von Windkraftanlagen den Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4978, S. 7.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

251

beachten ist. 163 Wenn beispielsweise in einer Region ohnehin nur in wenigen Gemeinden Flächen für den Kiesabbau vorhanden sind, besteht auch kein überörtliches Interesse an einer regionsweiten Abgrabungskonzentration, so daß eine Steuerung der Abgrabungen innerhalb dieser Gemeinden durch die gemeindliche Bauleitplanung ausreicht. 164 Die Anforderungen an das Abwägungsgebot richten sich im übrigen nach dem Gehalt einer raumordnerischen Aussage. Da sich die Abwägung einerseits auf die außergebietliche und andererseits auf die innergebietliche Aussage der Eignungsgebiete bezieht, sind insofern Differenzierungen geboten.

a) Die Abwägung im Hinblick auf die außergebietliche Ausschlußwirkung: Das Problem der globalen Abwägung und Ausnahmeregelungen Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG erfordern im Hinblick auf die außergebietliche Ausschlußwirkung eine zielförmige Ausgestaltung. Sie müssen mithin Letztentscheidungscharakter aufweisen und verbindlich den Ausschluß der geeigneten Nutzung verbieten. Für die Bereiche, auf die sich der Ausschluß bezieht, muß daher das Abwägungsmaterial fehlerfrei ermittelt, eingestellt, gewichtet und ausgeglichen sein. 165 Da die außergebietlichen Bereiche eines Eignungsgebietes regelmäßig den größten Teil des gesamten Plangebiets darstellen, sieht sich der Plangeber insofern vor der Aufgabe einer enorm umfangreichen Abwägung. Je größer der Negativbereich ist, desto globaler und undifferenzierter wird indes die Abwägung ausfallen müssen. Das Abwägungsmaterial, das insbesondere auch die konkrete Lage der Dinge innerhalb eines Gebietes oder sogar einer Grund163

Vgl. Runkel, DVB1. 1997, S. 275, der im Hinblick auf die räumliche Steuerung von Windkraftanlagen durch Flächennutzungsplan oder Raumordnungspläne feststellt, daß es offenbar maßgeblich von der generellen Geeignetheit der Räume für eine Windenergienutzung und der daraus resultierenden Zahl an Baugenehmigungsanträgen abhänge, welcher Planung der Vorzug gegeben werde. Zur raumordnerischen Planung gehe man dort über, wo die Nutzung der Windenergie zum Massenproblem geworden sei, wie z.B. in den Starkwindgebieten von Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern. Demgegenüber werde z.B. in Nordrhein-Westfalen, in denen nur einzelne Gemeinden die für eine Rentabilität der Anlagen erforderlichen Windverhältnisse erreichten, auf eine Steuerung durch Bauleitplanung gesetzt. In letzterem Fall bestehe auch kein Bedürfnis nach einer raumordnerischen Steuerung, da eine regionsweite „Verspargelung" der Landschaft nicht zu befürchten und für die Ansiedlung großer regionaler Windparks vielfach auch keine Möglichkeit gegeben sei. Überörtliche Abstimmungen könnten hier vielmehr durch die Instrumente der interkommunalen Abstimmung gelöst werden. 164 Vgl. entsprechend im Hinblick auf Windkraftanlagen Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (432). 165 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 87.

252

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

stücksparzelle betreffen kann, wächst nämlich mit der Größe des Gebietes. Eine detaillierte Ermittlung und Berücksichtigung der konkreten, individuellen Belange ist ab einer bestimmten Größenordnung des beplanten Gebietes nicht mehr leistbar. Dies gilt insbesondere auch für die umfassende Berücksichtigung aller privaten Belange der einzelnen Grundstückseigentümer 166 , die nach § 7 Abs. 7 ROG einzubeziehen sind, sofern sie auf der jeweiligen Planungsebene entsprechend der Körnigkeit erkennbar und von Bedeutung sind. 1 6 7 Fraglich ist mithin, wie sich die somit zwangsläufig globale Abwägung mit dem außergebietlichen Zielcharakter von Eignungsgebieten vereinbaren läßt. 168 Wegen der dargelegten zwangsläufig globalen, außergebietlichen Abwägung sind im Schrifttum Bedenken gegen raumordnerische Abgrabungskonzentrationszonen geäußert worden. 1 6 9 Problematisch sei, daß der Plangeber nicht für jede außergebietliche Fläche im einzelnen untersucht habe, ob hier ein hinreichendes überörtliches Interesse an dem Auschluß der Nutzung bestehe. 170 Ein Planungsverbot müsse sich aber auch und gerade aus den Verhältnissen am Ort seiner Geltung nachvollziehbar herleiten lassen. 171 Demgegenüber macht Schulte 172 geltend, daß auch bei Festlegung von Konzentrationszonen eine Abwägung mit den Belangen in den Gebieten außerhalb der Zone durchaus stattfinde. Es gehe j a gerade um die Verhinderung der Verkraterung der Gebiete außerhalb der Zone. Mehr an Abwägung könne nicht erforderlich sein, da den übrigen Belangen dort gerade beliebig Raum gelassen werden. Es ist zwar zutreffend, daß außerhalb von Eignungsgebieten für die Rohstoffgewinnung ein offener Gestaltungsspielraum hinsichtlich solcher Belange

166 Vgl. Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 87. 167 Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277). 168 Vgl. zur globalen Abwägung bei Abgrabungskonzentrationszonen BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; BVerwGE 77, 300 (307); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 95; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271 f.; Christ, Raumordnungsziele, S. 137; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 169; Hoppe, FS Geizer, S. 43 (60 f.); ders., DVB1. 1991, S. 1277 (1289); Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 63 ff. 169 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 113; kritisch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271 f.; Christ, Raumordnungsziele, S. 164 f.; vgl. kritisch auch zu Abgrabungskonzentrationszonen in der Flächennutzungsplanung Hoppe, FS Geizer, S. 43 (60 f.). Vgl. allgemein zur Problematik der globalen Abwägung auch Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 63 f. 170 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271; Hoppe, DVB1. 1991, 1277 (1286). 171 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271; Hoppe, DVB1. 1991, 1277 (1286). 172 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 169.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

253

besteht, die nicht auf den Rohstoffabbau zielen. Bei der außergebietlichen Ausschlußwirkung geht es mithin nur um den Ausschluß einer einzelnen Nutzungsart und nicht um die planerische Verwirklichung einer einzelnen, mit anderen Funktionenen konkurrierenden Nutzungsart. 173 Der Umfang der Ermittlung des Abwägungsmaterials ist bei einem beabsichtigten Ausschluß einer einzigen Nutzungart zwar geringer als bei einer Entscheidung für eine bestimmte Nutzungsart, mit der zugleich eine Vielzahl anderer möglicher Nutzungen ausgeschlossen werde. 174 Das Problem der lediglich globalen Abwägung betrifft aber gerade die Frage, ob die für eine Abgrabung außerhalb von Eignungsgebieten sprechenden Belange hinreichend berücksichtigt werden. 175 Der pauschale Hinweis auf das Konzentrationsbedürfiiis allein macht als solches nicht die Abwägung entbehrlich, ob das Konzentrationsbedürfiiis auf jeder in Betracht kommenden und von der außergebietlichen Ausschlußwirkung erfaßten Fläche tatsächlich überwiegt. 176 Raumordnungsziele dienen der Entscheidungsabschichtung.177 Dabei können nur solche Entscheidungen als abgeschichtet betrachtet werden, die den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips und mithin den Anforderungen des Abwägungsgebotes genügen. Auch für die außergebietliche Ausschlußwirkung kann nichts anderes gelten. Der zielförmige außergebietliche Aussagegehalt kann somit nur soweit gehen, als eine - spezifisch raumordnerische - Abwägung tatsächlich stattgefunden hat. 178 Das Abwägungsgebot erfordert zum einen nur die Berücksichtigung solcher Belange, die zur Erstellung eines überörtlichen Gesamtkonzepts erforderlich sind. 179 Detailfragen, die bei der Aufstellung eines raumordnerischen Konzepts der Abgrabungskonzentration nicht geklärt zu werden brauchen, sind mithin nicht abwägungserheblich. Im Hinblick auf den überörtlichen Planungsauftrag der Raumordnungsplanung, der ein Gesamtkonzept für das jeweilige Plangebiet erfordert, muß ferner der räumliche Bezugsmaßstab ausschlaggebend sein, der zwangsläufig bei der Raumplanung zu einer gröberen Aussagedichte führt als beispielsweise bei der Bebauungsplanung.180 Wenn der Plangeber zum anderen auch unter raumordnerischer Perspektive nur eine globale Abwägung vornehmen konnte - was regelmäßig angesichts der Größe der außergebietlichen

173

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 115. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 115. 175 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 115. 176 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 115. 177 Vgl. dazu oben Kap. 2, D I. 4. a). 178 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 15 f. 179 Vgl. dazu oben Kap. 3, B. II. 3 a) bb) und cc). 180 Vgl. Christ, Raumordnungsziele, S. 331; Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 66 f. 174

254

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Flächen der Fall ist -, ist das Ziel auch nur in diesem globalen Sinne verbindlich. Die globale Abwägung wirkt sich mithin auf den Aussagegehalt des Ziels aus. 181 Bei genauerer Betrachtung ist die Problematik der globalen Abwägung durch Ausnahmeregelungen zu lösen, die einem Eignungsgebiet im Falle großräumiger außergebietlicher Flächen beigefügt werden müssen. 182 Wie bereits dargelegt, stehen Ausnahmeregelungen dem Zielcharakter einer raumordnerischen Aussage nicht entgegen, solange erkennbar ist, welche Konstellationen von der Zielbindung ausgenommen bleiben sollen. 183 Ausnahmeregelung dienen einerseits dazu, die Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung klarstellend zu gewährleisten. 184 Zum anderen kann durch Ausnahmeregelungen dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Aufstellung von Raumordnungsplänen auf eine grobmaschigere Abwägung angewiesen ist und beispielsweise besondere örtliche Belange, aber auch individuelle Belange der Grundstückseigentümer nicht konkret berücksichtigen kann. 185 Sofern sich der Plangeber bei der Aufstellung von Raumordnungszielen nicht in der Lage sieht, eine abschließende Abwägung zu treffen, muß er durch Ausnahmeregelungen deutlich machen, welche Konstellationen von der Zielbindung ausgeschlossen sein sollen und welche nicht. 1 8 6 Aus dem Dargelegten ergibt sich mithin, daß die globale Abwägung nicht gegen die Zulässigkeit von Eignungsgebieten spricht 187 , da die Problematik im Wege von Ausnahmeregelungen gelöst werden kann. Die hier vertretene Auffassung findet auch eine Bestätigung in den Gesetzesmaterialien. Im Regierungsentwurf zum BauROG waren Eignungsgebiete als Gebiete definiert, „die für bestimmte, raumbedeutsame Maßnahmen geeignet sind, die städte-

181

Vgl. zu Abgrabungskonzentrationszonen im Flächennutzungsplan BVerwGE 77, S. 300 (307), wonach mit einer globaleren Abwägung im Hinblick auf die außergebietliche Ausschlußwirkung auch eine geringere Durchsetzungskraft einhergehe. 182 Vgl. allgemein zu Ausnahmeregelungen oben Kap. 2, Β. II. 4. b). Vgl. zu Ausnahmeregelungen bei Eignungsgebieten Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210 ff.). Nach Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (86), sollten Eignungsgebieten um ihrer Effektivität willen möglichst wenig Raum für Ausnahmeentscheidungen lassen. Gleichzeitig sei darauf zu achten, daß den Städten und Gemeinden ausreichend Raum für eigene Planungsvorstellungen bleiben. 183

184

Vgl. Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210 ff.). Vgl. Kap. 2, Β. II. 4. b).

Vgl. Kap. 2, Β. II. 4. b). Vgl. Kap. 2, Β. II. 4. b). 186 Vgl. Kap. 2, Β. II. 4. b). Vgl. auch Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277), der darauf hinweist, daß die Berücksichtigung privater Belange von der Körnigkeit einer Planaussage abhängt. Daraus kann man umgekehrt schließen, daß Planaussagen, die private Belange nicht hinreichend berücksichtigen können, eine geringere Aussagedichte aufweisen müssen. 187 I.E. ebenso Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 115. 185

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

255

baulich nach § 35 des Baugesetzbuchs zu beurteilen sind und an anderer Stelle im Planungsraum in der Regel ausgeschlossen sein sollen." 188 Die darin enthaltenen Formulierungen „in-der-Regel" und „sollen" wurden auf Anregung eines Antrags der Koalitionsfraktionen und des Ausschusses189 für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau190 durch die geltende strikte Formulierung ersetzt. Dadurch sollte klargestellt werden, daß es sich bei diesen Gebieten wie bei Vorranggebieten um Ziele der Raumordnung im Sinne von § 3 ROG handele.191 Ausnahmen von diesem Ziel könnten im Raumordnungsplan ausdrücklich vorgesehen werden. 192 Obgleich dies nicht ausdrücklich erwähnt ist, besteht kein Zweifel, daß durch den Hinweis auf die Ausnahmeregelungen auf die Problematik der globalen Abwägung angespielt wird. Der Ausschuß geht offenbar davon aus, daß zumindest durch die im Regierungsentwurf gewählte ursprüngliche Kombination aus einer „In-der-Regel" - Regelung mit einer Sollvorschrift das Spannungsverhältnis zwischen globaler Abwägung einerseits und dem Letztentscheidungscharakter der Ziele andererseits nicht gelöst werden könne. 193 Daß aber jedenfalls Soll-Vorschriften und „In-der-Regel"-Regelungen für sich genommen unter Umständen auch die Funktion von Ausnahmeregelung von Zielen der Raumordnung übernehmen können, ist bereits oben dargelegt worden. 194 Auch aus Gründen der gebotenen Bestimmtheit der Ziele erscheinen Ausnahmeregelungen geboten, da ansonsten schwer oder allenfalls unter Hinzuziehung der Planunterlagen erkennbar ist, in welcher Intensität die Abwägung vorgenommen wurde. Die Funktion der Ausnahmeregelung kann zwar auch durch Soll-Vorschriften oder „In-der-Regel"-Regelungen übernommen werden, solange erkennbar ist, welche Konstellationen von der Zielbindung ausgeschlossen bleiben sollen, im Zweifel erscheint aus Bestimmtheitsgründen indes eine konkrete Ausnahmeregelung vorzugswürdig. Bemerkenswert ist, daß die Planungspraxis bei der Ausweisung von Abgrabungskonzentrationszonen häufig mit Ausnahmeregelungen arbeitet. Gelegentlich wird die außergebietliche Ausschlußwirkung nur auf einen räumlich konkreten Teil des Plangebietes beschränkt 195 oder sie bezieht sich

188 189 190 191 192 193 194 195

Vgl. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG-Entwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 23. Vgl. dazu den Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 24. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 24, S. 63. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 63. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/7589, S. 63. Vgl. ebenso auch Hoppe, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 (991). Vgl. dazu oben Kap. 2, B. II. 4. c), d). Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 89.

256

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

beispielsweise nur auf Kiesabgrabungen ab einer bestimmten Größenordnung oder einer bestimmten Abbaudauer. 196 Ausnahmen von der Zielbindung können auch für geringfügige Erweiterungen bestehender Kiesgruben für den Fall zwingender fachlicher Gründe gemacht werden. 197 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn bei bestehenden Abbaustätten künftige Erweiterungen nur unter dem Gesichtspunkt einer endgültigen Ausgestaltung und Rekultivierung der Ausbaustätten durchgeführt werden sollen. 198 Durch die genannten Ausnahmeregelungen soll dabei offenbar gewährleistet werden, daß der Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung eingehalten wird. Ein überörtliches Interesse an der Abgrabungskonzentration der angesprochenen Vorhaben dürfte nämlich regelmäßig nicht bestehen. Die Gebietsfestlegungen werden ferner häufig mit dem Zusatz versehen, daß die entsprechenden Maßnahmen außerhalb dieser Eignungsgebiete „nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig" sind. 199 Entsprechende Regelungen sind mit dem Zielcharakter nur vereinbar, wenn durch zusätzliche Beschreibungen im Exemplarischen oder Grundsätzlichen 200 bzw. durch Auslegung der übrigen Zielaussage erkennbar ist, welche sachlichen oder räumlichen Konstellationen als Ausnahmen angesprochen sein sollen. Obgleich der Wortlaut entsprechender Klauseln etwas anderes vermuten lassen könnte, sind die genannten Ausnahmeregelungen im übrigen ebenso wie sonstige Ausnahmeregelungen als Teil der Zielaussage und ihrem Sinngehalt nach nicht lediglich auf die Wirkung der Ziele bei Zulassungsentscheidungen über raumbedeutsame Vorhaben beschränkt, sondern gelten allgemein und für alle Adressaten der Raumordungsziele, insbesondere auch für die Gemeinden.201 Schließlich ist im Hinblick auf die Vielfalt raumordnungsplanerischer Aussagen darauf hinzuweisen, daß die Abgrenzung zwischen zielförmiger Ausnahmeregelung und sonstigen Durchbrechungen der strikten außergebietlichen Ausschlußwirkung im Einzelfall Probleme bereiten kann. Kein Ziel, sondern ein mit einem relativen Vorrang ausgestatteter, räumlich konkreter Grundsatz der Raumordnung stellt dabei jedenfalls die Festlegung eines Gebietes dar, außerhalb dessen Abgrabungen „möglichst" 202 zu beschränken

196 Vgl. den Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/7589, S. 24.; Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210); zu entsprechenden Beispielen Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 255. 197 Vgl. dazu BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). 198 Vgl. BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). 199 Vgl. dazu Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210). 200 Vgl. Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210). 201 A.A. oder zumindest mißverständlich Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (210). 202 Vgl. zu entsprechenden Ausweisungen die zahlreichen Beispiele bei Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 255 f.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

257

sind. Der Plangeber bringt damit nämlich zum Ausdruck, daß er noch keine abschließende Abwägung getroffen hat. Diese gegenüber Eignungsgebieten abgemilderte Form der Konzentrationsanordnungen mit Flächenbezug hat dabei - ähnlich wie die Konzentrationsanordnungen ohne konkreten Flächenbezug durchaus eine raumordnerische Berechtigung. Zu beachten ist nämlich insbesondere, daß die Gemeinden ihrerseits durch Konzentrationsanordnungen in Flächennutzungsplänen dem raumordnerischen Anliegen der Abgrabungskonzentration nachkommen können, wie sich aus § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ergibt. 203

b) Abwägung im Hinblick auf die innergebietliche Eignung, insbesondere zur Größe von Eignungsgebieten Wie bereits erwähnt, muß die Ausweisung von Eignungsgebieten zur Kiesgewinnung auf einem schlüssigen Gesamtkonzept basieren, das ausreichende Möglichkeiten zur Verwirklichung der Rohstoffgewinnung bereit hält. 204 Die Abwägung im Hinblick auf die innergebietliche Eignung betrifft dabei insbesondere auch die Größe und den Zuschnitt des Eignungsgebietes. Die von dem Träger der Raumordnungsplanung anzustellenden Überlegungen müssen dabei von zwei Ausgangspunkten ausgehen.205 Der eine betrifft die Zielgröße des zukünftigen Rohstoffbedarfs, der im Wege einer Bedarfsprognose ermittelt werden muß. 206 Solche Prognosen sind zwangsläufig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. 207 Fehleinschätzungen in bezug auf den Bedarf an Kies sind insbesondere wegen möglicher Einspar- und Ersatzmöglichkeiten - etwa im Wege eines Bauschuttrecycling - nicht auszuΟΛΑ

ΟΛΟ

schließen. Es darf insofern nichts Unmögliches verlangt werden , da jede Planung auf die Zukunft gerichtet und mit Unwägbarkeiten konfrontiert ist.

203

Vgl. zur Bindung der Flächennutzungsplanung an die außergebietlichen Wirkungen von Eignungsgebieten Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (279). 204 Vgl. Kap. 4, E. III. 1) b) am Ende. 205 Vgl. Runkel, WiVerw 1997, 267 (275); detailliert zu den Abwägungskriterien im Hinblick auf Eignungsgebieten für Windenergieanlagen Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (85 ff.). 206 Vgl. entsprechend zur Steuerung von Windkraftanlagen Runkel, DVB1. 1997, S. 275; Wachs/Greiving, NVWB1. 1998, S. 7 (11) in Bezug auf Konzentrationsanordnungen in Flächennutzungsplänen. 207 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 138; Christ, Raumordnungsziele, S. 52 f. 208 Christ, Raumordnungsziele, S. 53 . 209 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 138. 17 Spiecker

258

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Der zweite Ausgangspunkt ist die Feststellung der raumordnerischen Geeignetheit der Räume zur Rohstoffgewinnung, d.h. insbesondere die Ermittlung der abbaubaren Kieslagerstätten. 210 Dies darf nicht auf Verdacht geschehen, sondern setzt hinreichende lagerstättenkundliche Kenntnisse voraus. 211 Die Regionalplanung muß daher eine eingehende flächendeckende Bestandsaufnahme der Gewinnungspunkte und der Gewinnungsmengen erstellen. 212 Wenn zudem ein raumordnerischer überörtlicher Bedarf an Abgrabungskonzentration besteht, tritt die Planungsbehörde in die planerische Abwägung ein, in der insbesondere der zukünftige Rohstoffbedarf mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen, insbesondere den naturräumlichen Gegebenheiten abgewogen wird. 2 1 3 Die festgelegten Eignungsgebiete müssen zur Deckung des prognostizierten Rohstoffbedarfs ausreichen. Die Raumordnungsbehörde muß dabei auch dem Umstand Rechnung tragen, daß mit der Ausweisung eines Eignungsgebietes nicht zugleich eine strikte innergebietliche Flächensicherung einhergeht, wie dies etwa bei Vorranggebieten der Fall ist. Da Eignungsgebiete innergebietlich einen weiten Ausgestaltungsspielraum auch zugunsten anderer Nutzungen enthalten214, reicht es mithin nicht aus, wenn die Deckung des Rohstoffbedarfs nur gewährleistet ist, wenn die als geeignet festgelegten Flächen vollständig für die Rohstoffgewinnung genutzt werden. Die Planungsbehörde muß vielmehr die sonstigen Nutzungsmöglichkeiten innerhalb von Eignungsgebieten einkalkulieren und durch einen wesentlich größeren als an sich zur Deckung des voraussichtlichen Rohstoffbedarfs erforderlichen Zuschnitt der Eignungsgebiete abfedern. Zu bedenken ist insbesondere, daß die Gemeinde ein Eignungsgebiet durch eine Darstellung im Flächennutzungsplan auch deutlich verkleinern darf, solange gleichwohl eine ausreichende Möglichkeit einer zweckentsprechenden innergebietlichen Nutzung bestehen bleibt. 215 Eignungsgebiete für die Kiesgewinnung sind daher regelmäßig relativ großräumig. 216 Sie müssen erheblich 210 Vgl. entsprechend zur Steuerung von Windkraftanlagen Runkel, DVB1. 1997, S. 275 f.; Wachs!Greiving, NWVB1. 1998, S. 7 (8), dort auch zu den praktischen Schwierigkeiten einer solchen Planung. 211 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119. 212 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119, der darauf hinweist, daß die Lagerstättenkunde stellenweise noch sehr hinter dem Wünschbaren und Machbaren zurückbleibe. 213 Vgl. Runkel, DVB1. 1997, S. 275; Auch bei einer solchen Abwägung erscheint eine vorherige informelle Fachplanung für die Rohstoffsicherung sinnvoll, vgl. dazu

Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (178 ff.). 214

Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 80. Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277), der daraufhinweist, daß insbesondere die baurechtliche Privilegierung bestimmter Vorhaben im Außenbereich zwar gesteuert, aber nicht unmöglich gemacht werden darf. 216 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (279). 215

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

259

großräumiger sein als Vorranggebiete für die Kiesgewinnung 217 - sieht man einmal von der Kombination beider Gebietsarten ab. Nach dem Dargelegten kommt Eignungsgebieten innergebietlich ein sachlich sehr unbestimmter Aussagegehalt zu, der mithin einen außerordentlich weiten Gestaltungsspielraum für nachfolgende Planungsträger, insbesondere für die Gemeinden beläßt. 218 Sachlich unbestimmte Aussagen lassen auch eine Abwägung auf höherer Abstraktionsebene zu. Daraus und aus dem Zweck von Eignungsgebieten, die innergebietlich auf weitere Konkretisierung angelegt sind, kann man schließen, daß sich die Aussage der Eignung nicht unbedingt auf jede innergebietliche Fläche oder gar Grundstücksparzelle beziehen muß. 219 Für die Festlegung eines Eignungsgebietes für die Kiesgewinnung reicht es mithin aus, wenn sich innergebietlich überhaupt - im ausreichenden Maße - Flächen finden lassen, in denen der Kiesabbau möglich ist. 2 2 0

4. Die Einhaltung des Aufgaben- und Funktionsbereichs

der Raumordnung

Im Hinblick auf die flächendeckende außergebietliche Ausschlußwirkung von Eignungsgebieten ist fraglich, ob hierin ein Verstoß gegen den Aufgabenund Funktionsbereich der Raumordnung zu erblicken ist. 2 2 1 Abgesehen von Ausnahmeregelungen ist von der Ausschlußwirkung nämlich jedes Grundstück außerhalb des Eignungsgebietes erfaßt. 222 Insofern sind Eignungsgebiete dem Vorwurf unzulässiger Parzellenschärfe ausgesetzt, die den nachgeordneten Planungsträgern keinen eigenen Abwägungsspielraum belassen.223 Dieser Vorwurf ist bei näherer Betrachtung indes nicht berechtigt, weil mit der Parzellenschärfe keine Funktionsschärfe einhergeht. 224 Zwar sind die 217

Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277). Vgl. zur parzellenscharfen Konkretisierung durch Bauleitplanung Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277). 219 Vgl. im übrigen auch Wachs/Greiving in Bezug auf Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan für Windenergieanlagen, wonach auch solche Flächen einbezogen werden sollen, die sich weniger eignen, aber in Zukunft angesichts der fortschreitenden Technik bedeutsam werden können. 220 Von einem anderen Verständnis von Eignungsgebieten geht offenbar Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277), aus, wonach ein Vorbehaltsgebiet festgelegt werden soll, wenn die Eignung nicht ausreichend begründet oder methodisch nicht einwandfrei hergeleitet werden kann. 221 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271; Balzer, Lenkung des Kiesabbaus, S. 65. 222 Vgl. dazu oben Kap. 2, B. II. 1. a). 223 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 271; Balzer, Lenkung des Kiesabbaus, S. 65; in diese Richtung gehend offenbar auch Steinfort, der städtetag 1996, S. 791 (799 f.). 224 Ähnlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 105, der auch darauf hinweist, daß die Parzellenschärfe notwendige Konsequenz einer großflächigen, viele 218

260

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Gemeinden gehindert, außerhalb von Eignungsgebieten für die Kiesgewinnung Abbauflächen auszuweisen, die im Widerspruch zu der Ausschlußwirkung stehen. Was die sonstigen Nutzungen und Belange anbelangt, ist die Gemeinde aber frei. Im Rahmen zielförmiger Konzentrationsanordnungen geht es also nicht um den umfassenden Ausschluß einer Vielzahl von Nutzungen, sondern ausschließlich um das Verbot einer Nutzung. 225 Eignungsgebiete stehen daher nicht im Widerspruch zum Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung. Gegen eine Beschränkung des Kiesabbaus durch Eignungsgebiete könnte man ferner einwenden, es handele sich nicht in erster Linie um eine raumordnerische Zielsetzung, sondern um Wirtschaftpolitik mit Hilfe der Raumordnung. 226 Eignungsgebiete betreffen indes die raumbezogenen Problematik der Abgrabungskonzentration. Auch wenn bei der Festlegung der Eignungsgebiete der fachliche und wirtschaftspolitische Belang des prognostizierten Rohstoffbedarf einfließt, verläßt die Raumordnungsplanung dabei nicht ihren Aufgaben- und Funktionsbereich, sondern nimmt nur koordinierend die fachlichen Belange bei der Erstellung des raumordnerischen Gesamtkonzepts mit auf. 227 Zutreffend ist allerdings, daß die Vorratspolitik nicht alleiniger Zweck der Planung sein darf, da die Raumordnungsplanung einen Raumbezug aufweisen und mithin auf einer raumbezogenen Abwägung beruhen muß.

5. Das Verbot der unzulässigen Negativplanung Der Ausweisung von Eignungsgebieten könnte das sogenannte Verbot unzulässiger Negativplanung entgegenstehen. Negativplanung ist eine Planung, die negative Festsetzungen trifft, die also nicht positiv festlegt, wie ein Raum genutzt werden soll, die vielmehr festlegt, wie er nicht genutzt werden darf. 228 Das Verbot der unzulässigen Negativplanung findet seinen Ursprung im Bereich des Städtebaurechts 229 und wird zunehmend auch im raumordnungsrechtlichen Kontext 230 angesprochen. Die Einschränkung des Abgrabungs-

Grundstücke erfassenden Planung sei, wie sie z.B. auch bei der Ausweisung von großflächigen Erholungsbereichen vorkomme. Vgl. zu letzterem auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 169. A.A. offenbar Brohm, DVB1. 1980, 653 (654). 225 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 105; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 169; Christ, Raumordnungsziele S. 165 Fußnote 115. 226 Vgl. Brohm, NJW 1980, S. 857 (858). 227 Vgl. ebenso auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 168 f., der zugleich auf den Mangel einer Bodenschätzefachplanung hinweist. 228 Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 91. 229 Vgl. dazu Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 61. 230 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 166 ff.; ansatzweise Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81; vgl. auch Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9 f.);

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

261

geschehens durch Bauleitpläne bzw. Raumordnungspläne bilden dabei gewissermaßen den klassischen Anknüpfungspunkt für die Diskussion um das Verbot der unzulässigen Negativplanung. Im einzelnen bestehen über die Reichweite und die dogmatische Herleitung des Verbots noch erhebliche Unsicherheiten.

a) Das Verbot der unzulässigen Negativplanung im Städtebaurecht Das Verbot der unzulässigen Negativplanung 231 wird im Städtebaurecht insbesondere aus den folgenden Überlegungen hergeleitet. Zum einen wird auf das Gebot der Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB abgestellt. 232 Erforderlichkeit bedeutet, daß das planerische Ziel von der Gesamtkonzeption mitgetragen wird und sich weder generell noch im konkreten Planungsfall als von vornherein ungeeignet erweist, die Planungsausweisung sich mithin im Rahmen des vernünftigerweise Gebotenen hält. 233 Bauleitpläne dürfen danach nur aufgestellt werden, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten Bauleitpläne als nicht erforderlich, wenn sie einzig die Verhinderung baulicher Vorhaben zum Ziel haben, aber nicht die städtebauliche Ordnung intendieren. 234 Später hat es diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, daß Festsetzungen in einem Bebauungsplan nicht schon wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB nichtig seien, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht.235 Solche Balzer, Lenkung des Kiesabbaus, S. 62 (65); Erbguth/ Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 460; BVerwG, NuR 1997, S. 397. 231 Vgl. dazu Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 61 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 114 ff.; ders., Rechtliche Gegebenheiten, S. 100; Schneider, DÖV 1988, S. 858 ff.; Freiherr von und zu Franckenstein, BayVBl. 1997, S. 202 ff.; Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (628). Niedersberg, AgrarR 1997, S. 417 (419); Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (434); Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl, Rn. 214; kritisch bezüglich des Verbots der unzulässigen Negativplanung Birk, NVwZ 1989, S. 905 (907 f., 911 f.). 232 Vgl. dazu z.B. BVerwGE 40, S. 258; E 68, S. 360 (364); VGH Mannheim, BRS 28, S. 1 ff.; vgl. umfassend Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 60 f.; Freiherr von und zu Franckenstein, BayVBl. 1997, S. 202 (203); Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (629). 233 Stellvertretend BVerwGE 71, S. 166 (168); Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 61 m.w.N. 234 BVerwGE 40, S. 258 (262 f.); Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 61; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 115 f. Vgl. allerdings Birk, NVwZ 1989, S. 905 (912), der grundsätzlich eine Freihalteplanung im Wege der Festsetzung von Flächen für die Landwirtschaft für zulässig hält, solange der Freihaltezweck im Erläuterungsbericht verdeutlicht wird. 235 BVerwG, NVwZ 1991, S. 875.

262

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Festlegungen dürften aber nicht vorgeschoben sein, um eine andere Nutzung zu verhindern. 236 Ob die planerische Ausweiung sich nur als vorgeschobenes Mittel darstelle, sei anhand der städtebaulichen Gesamtkonzeption zu messen. Verboten ist mithin die unmotivierte bloße Verhinderungsplanung. 237 Ein weiterer Anknüpfungspunkt für das Verbot unzulässiger Negativplanung im Städtebaurecht ist auch in einer fehlenden gesetzlichen Grundlage für negativplanerische Planungsinstrumente, insbesondere Konzentrationsanordnungen gesehen worden. 238 § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 BauGB belegten ebenso wie die Baunutzungsverordnung, daß nur durch positive Festsetzungen geplant werden solle, nicht durch negative. Die Ausweisung einer Fläche als „Nichtgebiet" etwa in Bezug auf den Abbau von Bodenschätzen sei im Baugesetzbuch nicht vorgesehen. 239 Das Baugesetzbuch verkörpere mithin ein Positivplanungssystem.240 Gleichwohl ist inzwischen die Zulässigkeit sogenannter Konzentrationszonen etwa im Hinblick auf Abgrabungen weitgehend anerkannt, d.h die Kombination aus positiver Standortausweisung im Flächennutzungsplan zugunsten einer Abgrabung, wenn zusätzlich aus dem Erläuterungsbericht der Willen der Gemeinde zur außergebietlichen Ausschlußwirkung hervorgeht und die Planung auf einem Gesamtkonzept beruht und die Planung außerdem dazu dient, die Verkraterung der Landschaft aus Gründen der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung zu verhindern. 241 Eine solche Planungspraxis habe spätestens 236 Vgl. BVerwG, NVwZ 1991, S. 875; Vgl. auch zur Unzulässigkeit der Darstellung einer Sonderbaufläche ohne allgemeine Zweckbestimmung, die „inhaltsleer" sei, BVerwGE 95, S. 123 (125); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 114 ff.;

Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 61. 237 Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 62. 238 Vgl. z.B. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119 f.; Hoppe, FS Geizer, S. 43 (58 ff.); ders., DVB1. 1991, S. 1277 (1283); OVG NW, UPR 1985, S. 297 (299). 239 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 115; Freiherr von und zu Franckenstein, BayVBl. 1997, S. 202 (203, 205). Vgl. allerdings Birk, NVwZ 1989, S. 905 (911), im Hinblick auf Festlegungen von Flächen für die Forst- und Landwirtschaft, mit denen zulässigerweise Nichtplanung bzw. die Planung der NichtVeränderung betrieben werden könne. 240 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 111. 241 BVerwGE 77, S. 300 (302 ff.); BVerwGE 79, S. 318 (323f.); Nach OVG NW, NWVB1. 1998, V, kann neben dem Erläuterungsbericht auch auf die Erwägungen des Rates bei der Behandlungen von Anregungen und Bedenken im Planaufstellungsverfahren abgestellt werden; Vgl. entsprechend zum Bebauungsplan VGH München, NVwZ 1991, S. 391 ff.; Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (632); Schneider, DÖV 1988, S. 858 (865 ff.); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119; Bunzel, ZfBR 1997, S. 61 (65). Niedersberg, AgrarR 1997, S. 417 (419); Wachs/Greiving, NWVB1. 1998,

S. 7

(9 f.);

Stüer/Vildomec,

BauR

1998,

S. 427

(431 f.);

Schulze Buschhoff,

Darstellungsprivileg, S. 139 ff.; A.A. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 111, insbesondere unter Hinweis auf das Positivplanungssystem des Baugesetzbuchs. Da die außergebietliche Negativwirkung einer Flächenfestlegung im Flächennutzungs-

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

263

aufgrund der Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine gesetzliche Legitimierung erfahren 242 und resultiere aus dem Auftrag der Flächennutzungsplanung zur gesamträumlichen Entwicklung 2 4 3 . Aus dem Verbot der unzulässigen Negativplanung im Städtebaurecht wird allerdings gefolgert, daß die Ausschlußwirkung immer mit einer positiven Ausweisung einhergehen müsse. 244 Demzufolge ist auch eine völlige Sperrung eines Gemeindegebietes für eine privilegierte Nutzung im Wege der Flächennutzungsplanung nur im Rahmen eines gemeinsamen Flächennutzungsplans245 möglich, in dem für das Gebiet einer anderen Gemeinde eine positive Flächenausweisung enthalten ist. 2 4 6 Im übrigen sei auch eine Planung entgegen den tatsächlich anzutreffenden Gegebenheiten unzulässig. 247

b) Das Verbot der unzulässigen Negativplanung im Raumordnungsrecht Im Raumordnungsrecht wurde anknüpfend an die städtebauliche Problematik ebenfalls ein Verbot der unzulässigen Negativplanung für einschlägig erklärt. 248

plan sich nur aus dem Erläuterungsbericht ergeben kann, werden ferner rechtsstaatliche Bedenken geltend gemacht bei Hoppe, FS Geizer, S. 43 (58 f.). 242 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119; Lüers, UPR 1997, S. 348 (352); Wachs/Greiving, NWVB1. 1998, S. 7 Fußnote 11; Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (432); Wagner, UPR 1996, S. 370 (374). 243

BVerwGE 77, S. 300 (304 f.); E 79, S. 318 (323 f.); Schulze Buschhoff,

Darstellungsprivileg, S. 139 ff. 244 Z.B. BVerwGE 77, S. 300 (305 f.). Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 111; VGH München, NVwZ 1991, S. 391 (392). 245 Vgl. §§ 203 ff. BauGB; ausführlich zum Instrument der gemeinsamen Flächennutzungsplanung Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 1997, S. 846 ff. (insbesondere S. 852), der im Hinblick auf den gemeinsamen Flächennutzungsplan nach § 204 Abs. 1 BauGB betont, daß es sich hierbei um einen Plan handele und nicht um zwei additive Flächennutzungspläne. Dieser Umstand ist bei näherer Betrachtung gerade bei der gemeindeübergreifenden Konzentrationswirkung eines gemeinsamen Flächennutzungsplans erheblich. Schmidt-Eichstaedt spielt darauf an, wenn er rät, daß sich die Gemeinden des Instruments des gemeinsamen Flächennutzungsplans gerade im Hinblick auf die Planungsbedürftigkeit der Standorte von Windenergieanlagen bedienen sollten. 246 So Lüers, ZfBR 1996, S. 297; Wagner, UPR 1996, S. 370 (375 Fußnote 66); kritisch dazu Berendes, ZfBR 1997, S. 21 (24); unklar Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (432, 434). Wenn die Gemeinde nach sachgerechter Prüfung zu dem Ergebnis kommt, daß im Gemeindegebiet für Windenergie geeignete Flächen nicht vorhanden sind, kann sie allerdings dem Antrag auf Zulassung einer genehmigungsbedürftigen Anlage i.S.d. § 35 BauGB das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche Einvernehmen versagen. Vgl. dazu den Ausschußbericht, BT-Drs., 13/4978, S. 7; Niedersberg, AgrarR 1997, S. 417 (419). 247 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 460. 248

Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 166 ff.; Runkel, in: Bielen-

berg! Erbguth/Runkel,

Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ

264

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings jüngst ausdrücklich festgestellt, daß eine Kombination von positiver Standortausweisung und negativer Ausschlußwirkung unter bestimmten Voraussetzung zulässig sei, sofern sie sich nicht in einer bloßen Abwehrplanung erschöpfe. 249 Eine solche Standortfestlegung weise nicht die Merkmale einer Negativplanung auf. Die Frage, ob eine reine Negativplanung ebenso unzulässig sei wie im Bereich der Bauleitplanung, läßt das Gericht allerdings ausdrücklich offen. 250 Indem der Gesetzgeber die Festlegungsart der Eignungsgebiete ausdrücklich vorgesehen hat, ist nunmehr klargestellt, daß der Raumordnungsplanung das Instrument der Negativplanung nicht prinzipiell wesensfremd ist. Sieht man einmal von der besonderen Problematik der Umsetzung der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG durch die Länder ab 2 5 1 , läßt sich insofern jedenfalls kein allgemeines Verbot der Negativplanung durch Raumordnung herleiten. Bei genauerer Betrachtung stellt die rahmenrechtliche Einführung der Eignungsgebiete, d.h. negativplanerischer Elemente auch keine fundamentale Neuerung für das Raumordnungsrecht dar. Negativplanerische Elemente sind dem Raumordnungsplanungsrecht nämlich auch bisher keineswegs fremd, wie sich am Beispiel der Festlegungen von Siedlungsbereichen und -Schwerpunkten belegen läßt. 252 Die Festlegung solcher Bereiche führt nämlich zur Unzulässigkeit der Ausweisung von neuen Siedlungsbereichen und -Schwerpunkten durch die Bauleitplanung an anderer Stelle. 253 In gewisser Weise wohnt auch dem Zentrale-Orte-Konzept, das auf der Vorstellung dezentraler Konzentration beruht, eine negativplanerische Komponente inne, sofern nämlich bestimmte Einrichtungen nur in den dafür vorgesehenen Zentralen Orten angesiedelt werden sollen. 254

§ 3 Rn. 54 f.; ansatzweise Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. Vgl. auch Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9 f.); Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 460; BVerwG, NuR 1997, S. 397. 249 BVerwG, NuR 1997, S. 397. I.E. ebenso BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 im Hinblick auf Abgrabungskonzentrationen im Regionalplan. 250 BVerwG, NuR 1997, S. 397 im Hinblick auf eine Standortplanung für einen Flughafen. 251 Vgl. dazu unten Kap. 7, A. 252 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 167. 253 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 167. 254 Vgl. auch Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 127, der es für zulässig hält, in einem Raumordnungsziel zu bestimmen, daß die planungsrechtlichen Grundlagen für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe nur in Gemeinden einer bestimmten Zentralitätsstufe geschaffen werden dürfen.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

265

Anders als bei der Städtebauplanung liegt der Raumordnungsplanung mithin schon traditionell die Überlegung zugrunde, daß eine ausgewogene Entwicklung und Ordnung des Raumes ohne negativplanerische Elemente nicht auskommt. Solange der Einsatz dieser Elemente auch auf einem raumordnerischen Gesamtkonzept beruht und aus überörtlichen Gründen erforderlich ist, begegnen diesen mithin keine Bedenken. Eine bloße Verhinderungsplanung ist darin nämlich nicht zu erblicken. 255 Auch das den Eignungsgebieten zugrundeliegende raumordnerische Anliegen der Abgrabungskonzentration ist als solches grundsätzlich anzuerkennen. 256 Es verwundert im übrigen nicht, daß gerade der Raumordnungsplanung Instrumente der Negativplanung zur Verfugung gestellt werden. Im Wege von Negativplanungen kann nämlich das Spannungsverhältnis zwischen einerseits dem Planungsauftrag der Raumordnung, eine geordnete Entwicklung des Raumes herbeizuführen, und andererseits dem Gebot der bloßen Rahmensetzung am besten Rechnung getragen werden. Bei negativplanerischen Festlegungen verbleibt den Gemeinden nämlich ein weitaus größerer Gestaltungsspielraum als bei positiven Festlegungen, bei denen für eine Fläche funktionsscharfe Vorgaben gemacht werden. Zum einen besteht bei der Festlegung von Eignungsgebieten ein weiter Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die außergebietlichen Flächen, weil insofern lediglich eine Nutzung ausgeschlossen ist. Würden die außergebietlichen Flächen statt dessen im Wege von positiven Vorrangausweisungen für bestimmte Funktionen ausgewiesen, wären demgegenüber eine Vielzahl von Nutzungen verboten. Um dem legitimen raumordnerischen Anliegen der Verhinderung der Verkraterung der Landschaft entgegenwirken zu können, muß sich der Plangeber im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinden des mildesten Mittels bedienen. Durch die Ausweisung eines Eignungsgebietes kann er sich mithin lediglich auf das raumordnerisch unbedingt Erforderliche beschränken und braucht auch nicht auf unzulässige Weise eine positive Standortplanung vorzuschieben, die nämlich durch das überörtliche Bedürfiiis nach Abgrabungskonzentration nicht gerechtfertigt und mithin auch nicht von einem raumordnerischen Gesamtkonzept getragen wäre. Bei der Festlegung von Eignungsgebieten für die Kiesgewinnung verzichtet der Plangeber zum anderen auf die positive innergebietliche Festlegung von Rohstofflächen. Die Gemeinden müssen zwar die Eignung zur Rohstoffgewinnung als Grundsatz berücksichtigen. Sie müssen auch bei der bauleit255 Auf das Erfordernis eines Gesamtkonzeptes dürften auch Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 460 anspielen, wenn sie eine bloße Negativplanung als unzureichend erachten. 256 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 167. I.E. ebenso BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 ff.

266

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

planerischen Abwägung in Rechnung stellen, daß die grundsätzlich zur Verfugung stehenden Rohstoffflächen dezimiert sind. Auf welche Weise sie indes im Wege der Bauleitplanung den Belangen der Rohstoffgewinnung Rechnung tragen und wie sie die innergebietliche Bauleitplanung betreiben wollen, bleibt Urnen gleichwohl weitgehend überlassen. Auch insofern sind Eignungsgebiete Ausdruck des lediglich rahmensetzenden Charakters der Raumordnungsplanung. Wenn die Festlegung von Vorrangstandorten für die Rohstoffgewinnung nicht erforderlich ist und stattdessen durch die Ausweisung eines hinreichend großen Eignungsgebiets den Rohstoffbelangen Rechnung getragen ist, ist daher die bloße Negativplanung eines Eignungsgebietes gegenüber einem Vorranggebiet mit den zusätzlichen Wirkungen eines Eignungsgebietes die vorzugswürdigere Festlegungsart. Im Hinblick auf die fehlende positive Vorrangausweisung zugunsten der Rohstoffgewinnung könnte man argumentieren, daß in diesem Fall der Regelungszweck der Abgrabungskonzentration durch Bündelung an bestimmten Stellen und gleichzeitigen Ausschluß außerhalb dieser Konzentrationsflächen nicht erreicht werde. 257 Auch rechtfertige sich der Ausschluß bestimmter Nutzungen erst durch das Bestreben, die ausgeschlossene Nutzung an anderer Stelle verwirklichen zu wollen und zu können. 258 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß der außergebietliche Ausschlußwirkung für sich genommen schon eine Steuerungsfunktion zukommt, indem zumindest eine Verkraterung außerhalb der Eignungsgebiete verhindert wird. Ferner ist die Raumordnung nicht zu einer abschließenden Lösung aller raumplanerischen Konflikte verpflichtet, sondern soll als Rahmenplanung vielmehr den Gemeinden einen möglichst weitreichenden Gestaltungsspielraum offenhalten. Gegen Eignungsgebiete könnte ferner eingewandt werden, daß eine negative außergebietliche Ausschlußwirkung von Abgrabungskonzentrationen ohne eine positive flächensichernde Standortfestlegung an anderer Stelle unzulässig sei, weil anderenfalls nicht sichergestellt sei, daß der Kiesabbau insgesamt in hinreichendem Umfang verwirklicht werden könne. 259 Im Einzelfall mag es Konstellationen geben, in denen aus dem Gebot der gerechten Abwägung eine solche Pflicht zur Flächensicherung besteht, weil anderenfalls die Belange der Rohstoffgewinnung auf das gesamte Planungskonzept bezogen unterrepräsentiert sind. 260 Ein entsprechender allgemeiner Rechtsgrundsatz läßt sich allerdings nirgends finden.

257

Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 82. 259 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. 260 Denkbar ist dies beispielsweise, wenn innerhalb eines Eignungsgebietes nur wenige abbaufähige Flächen vorhanden sind. In solchen Fällen ist aber auch zu fragen, 258

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

267

Es besteht kein Automatismus, daß jede Beschränkung der potentiellen Abbaumöglichkeiten mit einer Flächensicherung an anderer Stelle einher gehen muß. Insofern gilt es zu bedenken, daß die Bodenschätzegewinnung auch durch die Überplanung von abbaufähigen Flächen zugunsten einer anderen Nutzung, z.B. durch ein Vorranggebiet für die Wassergewinnung beschränkt wird. Trotzdem folgt daraus nicht zwangsläufig, daß allein wegen der Festsetzung eines Vorranggebietes für die Wassergewinnung zugleich auch ein Vorranggebiet für die Bodenschätzegewinnung an anderer Stelle ausgewiesen werden müßte. Bei der Ausweisung des Vorranggebietes sind zwar auch die Belange der Rohstoffgewinnung abzuwägen. Eine aktive Flächensicherung ist indes nur dann geboten, wenn es ein überörtliches Interesse an der Sicherung bestimmter Rohstoffflächen existiert. Dies ist aber nicht gegeben, wenn trotz der Ausweisung des Vorranggebietes für die Wassergewinnung noch genügend Flächen für die Rohstoffgewinnung verbleiben. Nichts anderes gilt für die Ausweisung von Eignungsgebieten.

6. Planungssystematische Überlegungen: Die Möglichkeiten der außergebietlichen Transformation durch Bauleitpläne Gegen Eignungsgebiete könnten planungssystematische Bedenken erhoben werden. Im allgemeinen sollen Raumordnungspläne durch nachgeordnete Planungen, insbesondere durch die Bauleitpläne konkretisiert und transformiert werden. 261 Zielförmige Gebietsarten richten sich daher insbesondere auch an die Gemeinden. Diesen gegenüber können sie Zielbeachtens- und Zielanpassungspflicht nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG i.V.m. § 1 Abs. 4 BauGB auslösen. Fraglich ist, auf welche Weise die Gemeinden die außergebietliche zielförmige Ausschlußwirkung von Eignungsgebieten umsetzen können. 262 Wie bereits erwähnt, stellt das Baugesetzbuch nur ein Positivplanungssystem bereit. 263 Grundsätzlich ist es daher nicht möglich durch Bebauungsplan oder Flächennutzungsplan für eine Fläche eine bestimmte Nutzung auszuschließen, ohne daß auf dieser Fläche zugleich eine positive Festlegung erfolgt. Die planerische Aussage „keine Rohstoffgewinnung auf dieser Fläche" kann die Gemeinde lediglich durch einen Flächennutzungsplan treffen, indem sie an anderer Stelle eine Rohstoffabbaufläche festsetzt und dieser die Funktion einer

ob die Größe des Eignungsgebietes richtig gewählt wurde und ob überhaupt ein raumordnerisches Bedürfnis nach Abgrabungskonzentration besteht. 261 Vgl. dazu oben Kap. 1, Β. I.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 110. 262 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 110; Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 100. 263 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 5 a).

268

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Abgrabungskonzentrationszone zuweist. Eignungsgebiete enthalten indes lediglich eine außergebietliche zielförmige Aussage. Diese negativplanerische Aussage kann mithin nicht isoliert in Bebauungsplänen oder Flächennutzungsplänen umgesetzt werden. Darin könnte man einen Bruch im Instrumentarium des Raumplanungssystems erblicken. 264 Wie bereits dargelegt, setzt sich die Zielbeachtenspflicht aus § 4 Abs. 1 S. 1 ROG aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Diese kommen nur entsprechend dem jeweiligen Aussagegehalt eines Ziels zum Tragen. 265 Durch die Zielbeachtenspflicht wird den Zielen in erster Linie eine strikte Negativwirkung in dem Sinne beigemessen, daß die Zieladressaten solche raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu unterlassen haben, die mit der zielförmigen Aussage im Widerspruch stehen.266 Diese negative Funktion steht bei Eignungsgebieten im Vordergrund. Durch die Zielbeachtenspflicht wird mithin gewährleistet, daß die Gemeinden keine raumbedeutsamen Rohstoffflächen außerhalb der Eignungsgebiete ausweisen.267 Die abschließende Abwägung des Ziels beschränkt sich lediglich darauf, daß aus Gründen der Abgrabungskonzentration keine Bodenabbaumaßnahmen außerhalb der Eignungsgebieten erfolgen dürfen. Es ist die Besonderheit von Eignungsgebieten zur Rohstoffgewinnung, daß mit dieser negativen Ausschlußwirkung kein positiver Aussagegehalt zugunsten einer konkreten anderen Nutzung einhergeht, so daß ihnen außergebietlich keine Positivwirkung zukommt. Eignungsgebiete entfalten ferner keine aktivplanerische Wirkung in dem Sinne, daß die Gemeinden bestehende außergebietliche qualifizierte Bebauungspläne für die Gewinnung von Bodenschätzen aufheben oder außergebietliche „Nichtgebiete" erstmalig festsetzen. Abgesehen davon, daß sich Eignungsgebiete bereits nach ihrem außergebietlichen Anwendungsbereich nicht auf bereits bestehende qualifizierte Bebauungspläne beziehen 268 , ist den Gemeinden auch eine isolierte Umsetzung der außergebietlichen Ausschlußwirkung in Bauleitpläne nach dem Dargelegten nicht möglich. Zusammenfassend ergibt sich mithin, daß Eignungsgebiete zu denjenigen Raumordnungszielen zu zählen sind, die gegenüber den Gemeinden lediglich eine strikte außergebietliche Negativwirkung auslösen. Da sich die Wirkungen eines Raumordnungsziels an dessen Aussagegehalt auszurichten haben, ist indes 264 Vgl. allgemein dazu im Hinblick auf raumordnerische Abgrabungskonzentrationszonen Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 100. 265 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 4. a). 266 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 4. a) aa). 267 Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 100; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 112. 268 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. b) aa).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

269

nichts dagegen einzuwenden, daß eine isolierte aktive Transformation des negativplanerischen außergebietlichen Aussagegehalts von Eignungsgebieten durch die Bauleitplanung nicht erfolgen kann.

7. Zusammenfassung Eignungsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG sind außergebietlich als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren. Innergebietlich kommt ihnen der Charakter eines Grundsatzes der Raumordnung ohne relativen Vorrang zu. Hinzuweisen ist allerdings einerseits auf die in der Praxis häufigen und zum Teil auch rechtsstaatlich gebotenen Ausnahmeregelungen sowie andererseits auf die Abwandlungen des Gebietstyps der Eignungsgebiete bzw. die Kombinationen mit anderen Gebietsfestlegungen, die auf eine Schwächung der außergebietlichen bzw. auf die Stärkung der innergebietlichen Wirkung der Gebietsfestlegungen abzielen können. Durch Eignungsgebiete wird weder der Aufgabenund Funktionsbereich der Raumordnung verlassen noch ist in ihnen ein Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Negativplanung zu erblicken. Gegenüber Gemeinden lösen Eignungsgebiete lediglich eine strikte außergebietliche Negativwirkung aus. Dies ist allerdings aus planungssystematischen Gründen nicht zu beanstanden.

IV. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 2 ROG Nach § 7 Abs. 4 S. 2 ROG kann wie bereits erwähnt vorgesehen werden, daß Vorranggebiete für raumbedeutsame Nutzungen zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten für raumbedeutsame Maßnahmen nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG haben können. Dadurch wird der innergebietliche Vorrang von Vorranggebieten mit dem außergebietlichen Ausschluß von Eignungsgebieten verbunden. 269 Die vorgesehene Fläche wird einerseits aufgrund der Vorrangfest-

269 Runkel, UPR 1997, S. 1 (7). Im übrigen wird das Verhältnis von Vorbehaltsgebieten und Eignungsgebieten im ROG nicht thematisiert. Eine formale Kopplung beider Gebietstypen verbietet sich im Hinblick auf die Kennzeichnungspflicht des § 7 Abs. 1 S. 3 ROG für Ziele der Raumordnung, da nur Eignungsgebiete nicht aber Vorbehaltsgebiete als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren sind. Eignungsgebieten und Vorbehaltsgebieten können aber dennoch dasselbe Gebiet bezeichnen. In diesem Fall kommt der innergebietliche Gewichtszuwachs des Vorbehaltsgebietes und der außergebietliche Ausschluß des Eignungsgebietes zum tragen. Dies ist möglicherweise der Gebietstyp, den Geyer und Weber unter Entwicklungsbereichen für die Errichtung von Windenergieanlagen verstehen, zit. bei Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen DVB1. 1997, S. 990(993).

270

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

legung mit einem Vorrang versehen und vor unvereinbaren konkurrierenden Nutzungen geschützt und andererseits soll die Wirkung von Eignungsgebieten gewährleisten, daß die jeweilige Nutzung nicht an anderer Stelle erfolgt, sondern auf der Vorrangfläche konzentriert wird. Sie dienen mithin sowohl der Flächenfreihaltung und als auch der Nutzungskonzentration.

1. Qualifizierung

als Ziel der Raumordnung

Entsprechende Gebietsfestlegungen nehmen an dem Zielcharakter der Vorranggebiete und der Eignungsgebiete teil. Sie sind als Vorranggebiet innergebietlich sowie aufgrund des Charakters als Eignungsgebiete auch außergebietlich als Ziel der Raumordnung zu qualifizieren. 270

2. Anwendungsbereich und Planungspraxis im Hinblick auf die Kiesgewinnung Die Kopplung der Rechtswirkungen von Vorrang- und Eignungsgebieten ist nur für solche Nutzungen i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 ROG möglich, die nach § 7 Abs. 4 Nr. 3 ROG auch für Eignungsgebiete in Betracht kommen. Darunter fallen wie dargelegt auch genehmigungs- und planfeststellungsbedürftige Kiesabbauvorhaben. 271 Für die Verbindung von Rohstoffvorranggebieten mit Eignungsgebieten sprechen dabei nicht nur die allgemeinen, oben dargelegten Überlegungen für Abgrabungskonzentrationen. In der Praxis hat sich vielmehr herausgestellt, daß die lediglich flächensichernden, „reinen" Vorranggebiete faktisch eine Dekonzentration fördern können. Häufig wirken sich Vorranggebiete auf den Bodenmarkt aus und führen zu einem Gefälle zwischen inner- und außergebietlichen Bodenpreisen. 272 Infolgedessen bevorzugen die Unternehmer vielfach die Ausbeutung von Kiesvorkommen außerhalb von Rohstoffvorranggebieten. Hinzu kommt, daß es aus der Perspektive der Unternehmer mit dem Abbau der bereits gesicherten Vorkommen nicht eilt und stattdessen zunächst ungesicherte Rohstofflager in Anspruch genommen werden. 273 Der raumordnerisch problematische disperse Kiesabbau kann daher durch die Ausweisung

270 271 272 273

Vgl. dazu oben Kap. 4, Ε. I. 1., III. 1 a). Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 2. Christ, Raumordnungsziele, S. 62. Christ, Raumordnungsziele, S. 62.

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

271

von „reinen" Vorranggebieten unter Umständen sogar verschärft werden. 274 Diesem unerwünschten Begleiteffekt kann durch die Verbindung von Vorranggebieten mit Eignungsgebieten entgegengewirkt werden. Während die gesonderte Festlegung von Eignungsgebieten dem Landesplanungsrecht bisher unbekannt war, sieht die Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 2 ROG im übrigen eine Festlegungsart vor, die in der Regionalplanung gerade im Rohstoffbereich zumindest in ähnlicher Form schon länger geläufig ist, wobei die Abgrabungskonzentrationszonen in Flächennutzungsplänen als Vorbild dienten. 275 In vielen Regionalplänen wird bestimmt, daß der Abbau von Rohstoffen nur in den zur Rohstoffsicherung vorgesehenen Vorrangbereichen zulässig bzw. dort „zu konzentrieren" ist. 2 7 6 In manchen Plänen wird demgegenüber ausdrücklich klargestellt, daß mit einer Vorrangausweisung nicht zugleich eine Konzentrationsanordnung verbunden sein soll. 2 7 7 Inwieweit die Konzentrationsanordnungen in den derzeit bestehenden Regionalplänen den Charakter von Zielen der Raumordnung haben und den Gebietsfestlegungen i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 2 ROG sinngemäß entsprechen, muß für jede einzelne Aussage gesondert untersucht werden und ist durch Auslegung, insbesondere unter Hinzuziehung der Planbegründungen zu ermitteln.

3. Besondere Anforderungen an Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten Bei der Festsetzung der Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten muß sowohl außergebietlich als auch innergebietlich eine abschließende Abwägung hinsichtlich der jeweiligen Zielaussage getroffen werden. Die Anforderungen, die an diese kombinierte Gebietsfestlegung zu stellen sind, entsprechen im wesentlichen denjenigen, die an Vorranggebiete einerseits und an Eignungsgebiete andererseits gestellt werden. Es kann mithin auf die Ausführungen zu diesen Gebietsarten verwiesen werden. 278

274

Vgl. allerdings auch Hoppe!AppoldlHaneklaus, DVB1. 1992, S. 1203 (1204), wonach durch Standortvorsorgeplanungen durch die vorweggenommene raumplanerische Prüfung ein Anreiz für die tatsächliche Flächeninanspruchnahme geschaffen wird. 275 Vgl. dazu BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 254 f.; Christ, Raumordnungsziele, S. 75; Brohm, NJW 1980, S. 857 ff.; Uechtritz, VB1BW 1984, S. 5 ff. 276 Vgl.die zahlreichen Beispiele bei Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 254 f. 277 Vgl. die Beispiele bei Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 256 f. 278 Vgl. dazu Kap. 4, E. I. 3, III. 3.

272

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Was die innergebietliche Festlegung anbelangt, muß beispielsweise insbesondere ein überörtliches Interesse an der konkreten Flächenfreihaltung bestehen, das die zielförmige Festlegung und deren jeweiligen räumlichen und sachlichen Detaillierungsgrad rechtfertigt. 279 Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten unterliegen außergebietlich zwangsläufig wegen der Größe des Planungsraums einer lediglich globalen Abwägung. Diesem Umstand muß der Plangeber durch Ausnahmeregelungen Rechnung 280

tragen. Besonderheiten gelten hinsichtlich der Größe von Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten. Entscheidend ist, daß die Festsetzung durch ein umfassendes räumliches Planungskonzept getragen sein muß. Insofern gelten ähnliche Überlegungen wie bei der bloßen Festlegung von Eignungsgebieten.281 Dies bedeutet insbesondere, daß hinreichende innergebietliche Möglichkeiten zur Rohstoffgewinnung zur Verfügung stehen müssen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Rohstoffgewinnung innerhalb der Vorranggebiete strikt gesichert ist. Dadurch wird gewährleistet, daß die Rohstoffgewinnung jedenfalls nicht durch widersprechende andere raumbedeutsame Nutzungen verhindert oder beschränkt wird und daher die Abbaumöglichkeit innerhalb des Vorranggebietes sichergestellt ist. Da Vorranggebiete zur Kiesgewinnung somit den innergebietlichen Kiesabbau weitgehend garantieren, können die Gebiete auch kleiner sein, als dies bei bloßen Eignungsgebieten der Fall ist.

V. Sicherungsgebiete Unter dem Begriff der Sicherungsgebiete wird die Festlegung von Gebieten verstanden, die für eine bestimmte raumbedeutsame Nutzungsmöglichkeit zwar langfristig gesichert bleiben soll, so daß andere Nutzungen in diesem Gebiet ausgeschlossen sind, die mit dieser Nutzung nicht vereinbar sind. 282 Die auf diese Weise gesicherte Nutzung selbst soll aber auch solange noch unzulässig bleiben, bis sie landesplanerisch freigegeben wird. 2 8 3 Sicherungsgebiete dienen also der Reservehaltung von Flächen für bestimmte Nutzungen und unterscheiden sich dadurch von den klassischen Vorranggebieten. 284 Bei näherer 279

Vgl. dazu Kap. 4, E. I. 3. Vgl. dazu Kap. 4, E. III. 3. a). 281 Vgl. dazu Kap. 4, E. III. 3. b). 282 So jedenfalls in Bezug auf die Rohstoffsicherung Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 147. 283 Vgl. zum Begriff der Sicherungsgebiete Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 147 f. 284 Christ, Raumordnungsziele, S. 57. 280

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

273

Betrachtung können Sicherungsgebiete auch als eine besondere Form von den ebenfalls zielförmig festzulegenden Vorranggebieten eingeordnet werden. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn man auf die Sicherungsfunktion dieser Gebiete als solche abstellt (d.h. nicht auf die gesicherte Nutzung) und diese unter den Begriff der bestimmten, raumbedeutsamen Funktion i.S.d. § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG subsumiert. Die Festlegung eines Sicherungsgebietes ist eine räumlich und sachlich bestimmte raumordnerische Aussage und auf eine absolute Ausschlußwirkung angelegt. Sicherungsgebiete sind somit als Ziele der Raumordnung festzulegen und zu kennzeichnen.285 Sie entfalten ihrer Aussage nach innergebietlich lediglich eine negative Wirkung, und zwar sowohl im Hinblick auf die Bodenschätzegewinnung als auch im Hinblick auf konkurrierende Nutzungen, die mit der zukünftigen Bodenschätzegewinnung nicht im Einklang stehen. Eine positive Wirkung kann ihnen ebensowenig wie eine aktivplanerische Wirkung entnommen werden. Bemerkenswert ist, daß den Sicherungsgebieten eine zeitliche Komponente innewohnt, indem die gesicherte Nutzung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen bleibt. 286 Der Festlegung von Sicherungsgebieten dürfte dabei auch nicht § 7 Abs. 1 S. 1 ROG entgegenstehen, wonach die Grundsätze für einen regelmäßig mittelfristigen Zeitraum zu konkretisieren sind. Denn selbst wenn ein Sicherungsgebiet nicht nur der mittelfristigen, sondern der langfristigen Sicherung der Fläche dienen soll - was keineswegs immer der Fall zu sein braucht -, bleibt festzustellen, daß die Vorschrift den mittelfristigen Zeithorizont nur „regelmäßig", nicht aber zwingend vorschreibt. Sicherungsgebiete sind grundsätzlich für die Reservierung von Flächen für sehr unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten denkbar und haben beispielsweise in Baden-Württemberg jedenfalls zum Zwecke der Rohstoffsicherung schon als

285 So Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 147 ff., 242 ff. Hinzuweisen ist darauf, daß auch Sicherungsgebiete denkbar sind, die bloß den Charakter von Grundsätzen der Raumordnung haben, weil sie der Sicherungsfunktion des Gebietes ähnlich wie bei den Vorbehaltsgebieten nur ein besonderes Gewicht, aber keine absolute Geltung einräumen. 286 Vgl. Nr. 2. 7 der Entschließung der MKRO „Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen" vom 29. März 1996 (GMB1. 1996, S. 598; abgedruckt auch in Bielenberg!Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 73). Dort wird allgemein auf das Erfordernis der zeitlich-prozessualen Gestaltung und Steuerung von Nutzungsänderungen im Freiraum hingewiesen. Nach dem Dargelegten erweisen sich Sicherungsgebiete als ein Instrument, mit dem dieser planungspolitischen Forderung Rechnung getragen werden könnte. 18 Spiecker

274

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

„Bereiche für die langfristige Sicherung von Rohstoffen" eine Ausprägung in der Regionalplanung erfahren. 287 Die Festlegung von Sicherungsgebieten erfordern ein überörtliches Interesse von besonderem Gewicht, das nicht nur die Flächensicherung sondern auch die Reservehaltung rechtfertigt. Was letzteres anbelangt, kommt die Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung zum Tragen, die in § 1 Abs. 2 S. 1 ROG niedergelegt ist. Eine nachhaltige Raumentwicklung muß schließlich auch geeignete Entwicklungsflächen für nachfolgende Generationen offenhalten. 288 Sicherungsgebiete sind ein Ausdruck der vorsorgenden Sicherung, aber auch der geordneten Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen.

VI. Sanierungs- und Entwicklungsgebiete Für Freiräume, die in ihren ökologischen, sozialen oder ökonomischen Funktionen erheblich geschädigt oder beeinträchtigt sind und daher saniert und entwickelt werden müssen, wird die Ausweisung sogenannter Sanierungs- und Entwicklungsgebiete in Raumordnungsplänen diskutiert, für die Entwicklungsziele festzulegen sind und zu deren Verwirklichung insbesondere regionale Entwicklungskonzepte i.S.d. § 13 S. 3 ROG erarbeitet werden sollen. 289 Sanierung und Entwicklung von Raumfunktionen betreffen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 c) ROG die anzustrebende Freiraumstruktur, für die auch Gebietsfest287 Nach Pis. 2.3.62 bwLEP. In der Begriindung zu Pis. 2.3. 62 bwLEP heißt es: „Die Ausweisung von Bereichen zur langfristigen Sicherung oberflächennaher Rohstoffe beinhaltet sowohl die Freihaltung von Nutzungen, die einem späteren Rohstoffabbau entgegenstehen, als auch zunächst den Ausschluß des Rohstoffabbaus selbst." Die baden-württembergischen Regionalpläne verhalten sich ebenfalls zu Sicherungsbereichen, verwenden allerdings z.T. abweichende Definitionen. Zum Teil wurde von einer Ausweisung von Sicherungsbereichen mit der Begründung abgesehen, daß die erforderlichen fachplanerischen Grundlagen noch fehlten. Vgl. ausführlich zu Sicherungsgebieten in Baden-Württemberg mit zahlreichen Beispielen zur dortigen Regionalplanung Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 225 ff; Christ, Raumordnungsziele, S. 76. Vgl. zu Reservegebieten zur Bodenschatzgewinnung in Nordrhein-Westfalen Hoppe!Scheipers, FS Stem, S. 1117 (1130 f.). 288 Vgl. entsprechend zur nachhaltigen Stadtentwicklung Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 214. 289 Vgl. Nr. 3 der Entschließung der MKRO „Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen" vom 29. März 1996 (GMBl. 1996, S. 598; abgedruckt auch in Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 73). Mit den hierin angesprochenen „Handlungskonzepten" sind regionale Entwicklungskonzepte gemeint, die in jüngster Zeit bereits erfolgreich praktiziert wurden. Vgl. zur Praxis der regionalen Entwicklungskonzepte die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. Vgl. auch Erbguth, DÖV 1998, S. 673 (678).

E. Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen

275

legungen nach § 7 Abs. 4 ROG getroffen werden können. Sanierungs- und Entwicklungsgebiete könnten dabei insbesondere ein zukunftsträchtiges Instrument sein, um die durch Rohstoffabbau und -gewinnung geschädigten Gebiete einer sinnvollen Nachnutzung und Rekultivierung zuzuführen. 290 A u f die Besonderheiten und vermutlich sehr unterschiedlichen Ausprägungen von Sanierungs- und Entwicklungsgebieten kann im Rahmen dieser Arbeit gleichwohl nicht näher eingegangen werden.

V I I . Ausgleichsgebiete Nach der neuen Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 ROG kann für Gebietsfestlegungen zur Freiraumstruktur zugleich bestimmt werden, daß in diesen Gebieten unvermeidbare Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes an anderer Stelle ausgeglichen, ersetzt oder gemindert werden können. Den Gebieten werden in diesem Fall somit auch Ausgleichsfunktionen für Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 8 Abs. 1 BNatSchG zugewiesen. 291 Eine solche Gebietsfestlegung kann als Ausgleichsgebiet bezeichnet werden. 292 Denkbar ist beispielsweise, daß einem Vorranggebiet für den Landschaftsschutz dieser zusätzliche Charakter eines Ausgleichsgebietes beigelegt wird. Das Raumordnungsgesetz verlängert damit die im Baugesetzbuch angelegte 293 räumliche und zeitliche Entkopplung von Eingriff und Ausgleich auf die Ebene der Regionalplanung. 294 Durch das neue Instrument der Ausgleichsgebiete kann eine überörtliche Eingriffs- und Ausgleichskonzeption erstellt werden. 295 Da Kiesabgrabungen als Eingriffe in Natur und 290 Nr. 3 der Entschließung der MKRO „Raumordnerische Instrumente zum Schutz und zur Entwicklung von Freiraumfunktionen" vom 29. März 1996 (GMB1. 1996, S. 598; abgedruckt auch bei Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 73). Vgl. zum Begriff der Sanierungs- und

Entwicklungsgebiete auch v.d. Heide, in: Cholewa!DalihammerlDyong/v.d.

Heide!Arenz,

Raumordnung, 4. Aufl., § 3 ROG Rn. 55; vgl. zu regionalen Konzepten der Renaturierung bzw. Rekultivierung bereits bei der Vorrangausweisung in Bezug auf die Bodenschätzegewinnung Christ, Raumordnungsziele S. 67 f.; vgl. allgemein zur raumordnerischen Steuerung der Folgenutzung von Abbauvorhaben Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 268. 291 Vgl. dazu Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (347). 292 Vgl. dazu und zum Zusammenhang zwischen raumordnerischen Ausgleichsgebieten und regionalen Entwicklungskonzepten, Dolderer, NVwZ 1998, S. 346 (349). 293 Vgl. § 1 a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 5 Abs. 2 a, § 9 Abs. 1 a BauGB sowie zur Definition des Begriffs des „planerischen Ausgleichs" § 200 a BauGB. 294 Dolderer, NVwZ 1998, S. 345 (347, 349), der eine das System zentraler Orte ergänzende Funktion als Ausgleichszentrum für denkbar hält, aber um die kommunale Planungshoheit der Gemeinden fürchtet. Vgl. auch Bunzel, NuR 1997, S. 583 (587); Wagner! Mitschang, DVB1. 1997, S. 1137 (1145). 295 Bunzel, NuR 1997, S. 583 (587); vgl. auch Runkel, NuR 1998, S. 449 (451 f.).

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Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

Landschaft zu qualifizieren sind und mithin der naturschutzrechtlichen Ausgleichsregelung unterfallen, kann eine raumordnerische Eingriffs- und Ausgleichskonzeption auch bei der Zulassung von Kiesabgrabungen in Zukunft relevant werden. Im hier behandelten Zusammenhang soll es allerdings mit der Erwähnung dieses neuen Instrumentes sein Bewenden haben.

F . Abgrabungsquoten Im jüngeren Schriftum wird die Steuerung der Bodenschätzgewinnung auch durch die Festlegung von Abgrabungsquoten in Raumordnungsplänen diskutiert. Im Gegensatz zu den Gebietsfestlegungen, die für bestimmte Gebiete qualitative Vorgaben hinsichtlich der Nutzung oder der Funktion enthalten, stellen Quotenregelungen quantitative planerische Vorgaben dar. Es fällt auf, daß dabei unterschiedliche Intentionen verfolgt und demgemäß auch zumindest zwei Arten von Abgrabungsquoten vorgeschlagen werden.

I. Vorgaben zur Schaffung der räumlichen Voraussetzungen zur Erreichung von Mindestgewinnungsquoten Schulte 296 stellt die Überlegung in den Mittelpunkt, daß es Aufgabe der Regionalplanung sei, dafür zu sorgen, daß den wirtschaftlichen überörtlichen Interessen an einer nachhaltigen Versorgung des Marktes mit Massenrohstoffen 296 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139. Vgl. zu ähnlichen Quoten im Bereich der raumordnerischen Steuerung von Windkraftanlagen Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (276); Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (86). Raumordnerische Mindestquoten wurden im übrigen in ähnlicher Weise auch im Hinblick auf Flächen für den Naturschutz gefordert, vgl. Engel, ZUR 1997, S. 30 (34), der folgende Ergänzung der Grundsätze der Raumordnung im ROG vorschlägt: „In Raumordnungsplänen sind mindestens 15 vom Hundert der Fläche des Plangebiets zur Schaffung, Erhaltung und Entwicklung von gemarkungsübergreifenden Biotop Verbundsystemen als Vorrangfläche für den Naturschutz darzustellen. Dabei kann ein Flächenausgleich unter mehreren Gemeinden vorgesehen werden." Sofern diese Quote als Grundsatz der Raumordnung aufgeführt ist, bliebe sie allerdings abwägungsfähig und folglich überwindbar. Vgl. Rehbinder, NuR 1997, S. 313 (317 ff), zu entsprechenden naturschutzrechtlichen Zielen in neueren Landesnaturschutzgesetzen (z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 HessNatSchG, § 1 Abs. 2 Nr. 13 NatSchG SH), die als Umwelthandlungsziele bezeichnet werden könnten, sowie allgemein zu Umweltzielen im Raumordnungsrecht. Vgl. i.ü. zur Kopplung von Gebietsfestlegungen und Quoten wohl auch das Instrument von Vorbehaltsgebieten zugunsten belastungsfreier Bodenschutzgebiete (z.B. 20 % der unbebauten Fläche) Czybulka, UPR 1997, S. 15(17), nach dem für solche Vorgaben wegen der unmittelbar landesplanerischen Auswirkungen nur eine Rahmenkompetenz des Bundes gegeben sei, die inhaltlich aber über den Bodenschutzgrundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 8 ROG a.F. hinausgehe. Czybulka spielt dabei vermutlich auch auf eine fehlende Ermächtigungsgrundlage für die genannte Festlegungsart an.

F. Abgrabungsquoten

277

wie Kies insgesamt flächenmäßig Rechnung getragen wird. Anstatt dies durch Gebietsfestlegungen in den Regionalplänen zu gewährleisten, käme beispielsweise in Gebieten mit weiträumigen Kieslagerstätten grundsätzlich auch die Angabe mengenmäßiger Gewinnungsquoten in Betracht, deren Erreichung die einzelnen Gemeinden dann auf ihrem Gebiet planerisch sicherstellen müßten. Derartige Gewinnungsquoten hätten den Vorteil, daß sie die gemeindliche Planungshoheit im geringeren Umfang einschränkten als flächenmäßige Festlegungen und wären daher unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Raumordnungsplanung unter Umständen die vorzugswürdigere Festlegungsart. Dabei geht es Schulte offenbar bei den Gewinnungsquoten um Mindestquoten, wobei der Ausdruck der Gewinnungsquote etwas irreführend ist. Gemeint ist nicht, daß die jeweilige Kiesmenge tatsächlich mindestens gefördert wird, sondern nur, daß auf planerischem Wege, d.h. insbesondere durch Festlegung von Abgrabungsgebieten in Bebauungsplänen, die Möglichkeiten für eine solche Mindestfördermenge sichergestellt wird. Schulte räumt allerdings ein, daß die Festlegung von regionalplanerischen Gewinnungsquoten, die dem Landesrecht unbekannt sei, mangels gesetzlicher Grundlage derzeit als unzulässig betrachtet werden müsse 297 und im übrigen auch zusätzliche regionalplanerische Flächenausweisungen nicht gänzlich ersetzen könnten. 298 Schulte legt sich dabei nicht fest, ob entsprechende Quoten als Ziel oder als Grundsatz der Raumordnung festzusetzen wären. Die Qualifizierung als Ziel begegnet jedenfalls keinen Bedenken, sofern eine strikte Formulierung der Quoten für bestimmte Räume erfolgt. Anders als Richtwerte für die angestrebte Entwicklung der Bevölkerung und der Arbeitsplätze 299 , könnten entsprechende Abgrabungsquoten auch einen eindeutigen Handlungsaufirag an die Gemeinden und mithin Letztentscheidungscharakter aufweisen. Grundsätzlich sind allerdings auch Quotenregelungen in Form von Grundsätzen der Raumordnung denkbar. Bei näherer Betrachtung darf die Effizienz von Quotenregelung gerade im Bereich der raumordnerischen Steuerung von Kiesabgrabungen nicht zu hoch eingeschätzt werden. Die Gemeinden sind nämlich nur bedingt in der Lage, im Wege der Bauleitplanung die Kiesgewinnung zu steuern, da sie nicht zuständiger Planungsträger für die praktisch besonders bedeutsamen Naßauskiesungen sind. Ob differenzierte Quoten für genehmigungsbedürftige Kiesabgrabungen und planfeststellungsbedürftige Naßauskiesungen sinnvoll sind, muß bezweifelt werden. Hinzuweisen ist auch darauf, daß diese Quoten mit dem

297

Vgl. dazu unten Kap. 7, A. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139. 299 Vgl. zum fehlenden Zielcharakter von solchen Richtwerten, Folkerts, ordnungsziele im Ländervergleich, S. 70 ff. m.w.N. 298

Raum-

278

Viertes Kapitel: Ziele und Grundsätze mit Relevanz für den Kiesabbau

altbekannten Problem der Umsetzungsbedürftigkeit behaftet sind. 300 Sieht man einmal von diesen Schwierigkeiten ab, ist es aber grundsätzlich zu begrüßen, wenn das Instrumentarium der Raumordnungsplanung um solche oder ähnliche Quoten ausgeweitet wird. Im richtigen Maße eingesetzt, können sie zur Schonung der Planungshoheit der Gemeinden beitragen.

II. Obergrenzen für Abbau- und Transportmengen bzw. saisonale Beschränkungen der Bodenschätzegewinnung Wenn Erbguth 301 raumordnerische Obergrenzen für die täglichen Abbaubzw. Transportmengen und saisonale Beschränkungen für die Bodenschätzegewinnung vorschlägt, steht bei ihm offensichtlich nicht die gebotene Sicherstellung der Bodenschätzeversorgung im Mittelpunkt des Interesses. Die entsprechenden Festlegungen sollen vielmehr verhindern, daß die vorhandenen Lagerstätten über das raumordnerisch verträgliche Maß hinaus ausgebeutet werden. Entsprechende Quoten könnten also zur Ressourcenschonung im Hinblick auf Boden, Bodenschätze und Landschaft beitragen. 302 Erbguth, der im übrigen solche Festlegungen zunächst nur für bergfreie Bodenschätze i.S.d. BBergG und im Hinblick auf die bergrechtlichen Zulassungsverfahren diskutiert 303 , erwägt dabei offenbar die Ausweisungen in der Form von Zielen der Raumordnung 304. Entsprechende Vorgaben seien unter dem Gesichtspunkt der Überfachlichkeit der Raumordnung nicht von vornherein abzulehnen, aber einem erheblichen raumordnerischen Begründungsaufwand ausgesetzt.305 Keinesfalls sei die rein fachliche Begründung allein ausreichend, daß die regionale und überregionale Rohstoffversorgung hinreichend gesichert und darüber hinaus keine oder nur eine beschränkte Rohstoffgewinnung von nöten sei. Es bedürfe vielmehr des Blickes auf die räumlichen Konsequenzen eines weiteren Bedarfs 300

Vgl. dazu oben Kap. 1, Β. II. 2. Als Durchsetzungsmittel der Raumordnungsplanung könnte man statt der üblichen Instrumentarien zur Durchsetzung der Erstplanungspflicht dabei daran denken, daß die Quoten mit einer Umsetzungsfrist versehen werden. Wenn die Gemeinden ihrer Planungspflicht nicht innerhalb der Frist nachkommen, könnten die Träger der Raumordnung mit Flächenfestsetzungen reagieren. 301 Hierzu und zum folgenden Erbguth, VerwArch 1996, S. 258 (259, 283). 302 Unter diesem Blickwinkel können sie daher auch als raumordnerische Umweltziele bezeichnet werden. Vgl. allgemein zu Umweltzielen mit räumlichem Bezug in Gestalt von Raumordnungszielen Rehbinder, NuR 1997, S. 313 (319 f., 327). 303 Erbguth, VerwArch 1996, S. 259 am Beispiel von Kiesabbauvorhaben in den neuen Bundesländern, die nach dem früheren Recht wie bereits erwähnt bergrechtlich zu beurteilen waren. Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. I. 304 Erbguth, VerwArch 1996, S. 259 (283). 305 Auch zum folgenden Erbguth, VerwArch 1996, S. 259 (283).

F. Abgrabungsquoten

279

des Rohstoffabbaus und des Nachweises, daß aufgrund der Abwägung mit gegenläufigen Ansprüchen an den fraglichen Raum eine Beschränkung geboten sei, insbesondere weil nur so eine Störung des raumordnerischen Gesamtkonzepts verhindert werden kann. Im Ergebnis lehnt er allerdings gleichwohl zutreffend jedenfalls die Zulässigkeit entsprechender Zielaussagen ab, wenn sich die Vorgaben auf bestimmte Abbaufelder beziehen, weil diese mit dieser Aussageschärfe gegen das Gebot der Überörtlichkeit der Raumordnungsplanung verstoßen. 306 Die Überlegungen von Erbguth könnten unter Umständen allerdings dahingehend weiterentwickelt werden, daß im Wege von Raumordnungsplänen an die Gemeinden gerichtete Abgrabungshöchstquoten festgelegt werden, durch die diese verpflichtet werden, im Wege von Abgrabungskonzentrationszonen nicht mehr als eine bestimmte Fläche für den Kiesabbau zur Verfügung zu stellen. Dies könnte ein weiteres - und für die Gemeinden gegenüber Eignungsgebieten unter Umständen sogar milderes - Mittel sein, um der Häufung von Abgrabungsvorhaben zu begegnen. Auch hierbei resultieren allerdings Probleme daraus, daß Kiesabgrabungen einerseits genehmigungsbedürftig und anderseits planfeststellungsbedürftig sind.

306 Erbguth,, VerwArch 1996, S. 259 (283). Nach Brohm, NJW 1980, S. 857 (858) ist die Grenze zur Wirtschaftspolitik im Sinne einer Vorratspolitik überschritten, wenn mengenmäßige Begrenzungen des Kiesabbaus angestrebt werden. Die Instrumente der Raumordnungsplanung dürften nicht lediglich für eine Vorratspolitik mißbraucht werden. Er räumt allerdings ein, daß sich Raumordnungspolitik und Vorratspolitik überschneiden können. Für die rechtliche Bewertung komme es auf das primär angesteuerte Ziel an.

Fünftes Kapitel

Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei der Genehmigung von Kiesabgrabungen nach § 35 BauGB Bei den Zulassungsentscheidungen über Vorhaben Privater differenziert das Raumordnungsgesetz zwischen Planfeststellungen und Plangenehmigungen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG) einerseits und sonstigen Zulassungsentscheidungen (§ 4 Abs. 4, 5 ROG) andererseits. 1 Was die Zulassung von Kiesabbauvorhaben anbelangt, ist oben dargelegt worden, daß es von der einzelnen Fallgestaltung abhängt, ob eine wasserrechtliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung oder sonstige fachgesetzliche Genehmigungen erforderlich sind.2 Auf welche Weise sich die Grundsätze und Ziele der Raumordnung auf die Zulässigkeit von Kiesabbauvorhaben auswirken, muß dementsprechend für die beiden Gruppen von Zulassungsentscheidungen jeweils gesondert untersucht werden. Im folgenden Abschnitt stehen die Zulassungsentscheidungen über diejenigen Vorhaben im Mittelpunkt, die keiner Planfeststellung bzw. Plangenehmigung bedürfen. Angesprochen sind mithin Trockenabgrabungen sowie solche Naßauskiesungen, bei denen der Baggersee innerhalb eines begrenzten Zeitraums wieder verfüllt wird und durch die keine erhebliche nachteilige Veränderungen des Wasserhaushalts verursacht werden. 3 Für die Raumordnungsbindung dieser Vorhaben sind die Vorschriften des § 4 Abs. 4, 5 ROG maßgeblich. § 4 Abs. 4, 5 ROG überläßt es dem Fachrecht zu regeln, wie sich die Erfordernisse der Raumordnung auswirken, wenn entsprechende private Vorhaben zugelassen werden. Die Fachgesetze entscheiden somit darüber, ob überhaupt eine Raumordnungsbindung vorliegt und - gegebenenfalls - wie die Bindung im einzelnen ausgestaltet ist. Die Bindungswirkung der Grundsätze und Ziele der Raumordnung bei der Genehmigung der hier infrage stehenden Kiesabbauvorhaben erfordert daher eine Untersuchung der jeweils maßgeblichen Zulassungstatbestände, wobei dabei insbesondere den Raumordnungsklauseln eine Schlüsselfunktion zukommt.

1 2 3

Vgl. dazu auch oben Kap. 2, Teil. D. II, III. Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II. Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II., 1 a), 3 a).

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

281

Die Zulassungstatbestände verweisen auf „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften". 4 Der Rückgriff des Gesetzgebers auf „andere öffentlichrechtliche Vorschriften" sagt zwar noch nichts über die Durchsetzungsfähigkeit von Grundsätzen und Zielen der Raumordnung gegenüber den zu genehmigenden privaten Vorhaben aus. Entsprechende Verweise sind also nicht als „verkappte Raumordnungsklauseln" auszulegen.5 Wie oben dargelegt sind aufgrund dieser Öflhungsklauseln aber die städtebaulichen Zulassungstatbestände für die hier interessierenden Kiesabgrabungen maßgeblich.6 Am Beispiel der städtebaulichen Zulässigkeit der Kiesabbauvorhaben nach § 35 BauGB sollen die hierbei bestehenden Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung im folgenden näher untersucht werden, wobei den Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB, § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB und §35 Abs. 3 S. 3 BauGB herausgehobene Bedeutung zukommt.

A. Die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung im Rahmen von § 35 BauGB L § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB Nach der bereits erwähnten Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben nach § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Im Hinblick auf die Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB trägt die Vorschrift dabei dem Umstand Rechnung, daß der Gesetzgeber diese Vorhaben zwar dem Außenbereich privilegiert zugewiesen hat, jedoch nicht in der Weise, daß sie an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig sind. Weil der Gesetzgeber die Frage des konkreten Standortes nicht planartig entschieden hat, bleibt Raum für die Wirkung standortbezogener Aussagen in Raumordnungsplänen.7 Die Raumordnungsklausel spricht die Negativwirkung der Ziele der Raumordnung an, indem sie vorhabenhindernd wirkt. 8 Die Reichweite dieser Negativwirkung muß dabei im einzelnen geklärt werden. Sowohl auf Tatbestandsebene als auch im

4

Vgl. z.B. Art. 72 Abs. 1 S. 1 BayBO; § 70 Abs. 1 S. 1 SächsBO. Vgl. dazu z.B. Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 174 f. Vgl. allerdings auch die Nr. 2.3.4.1 der Entschließung der MKRO vom 4. Juni 1998 (GMB1. 1998, S. 432, abgedruckt auch bei Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, J 660). 6 Vgl dazu oben Kap. 3, B. 7 BVerwGE 68, S.311 (315); BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Büllesbach, Abgrabungen, S. 246. 8 Stellvertretend Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 86. 5

282

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Hinblick auf die Rechtsfolge muß dabei auf etwaige Besonderheiten eingegangen werden, die daraus resultieren, daß die Ziele der Raumordnung im Rahmen von Zulassungstatbeständen ohne eine planerische Zwischenstufe direkt zur Geltung kommen.

1. Tatbestandliche

Voraussetzungen

a) Vorliegen konkreter Ziele der Raumordnung Die Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB setzt das Vorliegen von Zielen der Raumordnung voraus. Allerdings müssen diese nach der Rechtsprechung und der Literatur einen besonderen Konkretisierungsgrad aufweisen, nämlich in sachlicher und räumlicher Hinsicht so konkret sein, daß ihnen Aussagen für die Zulässigkeit von Einzelvorhaben entnommen werden können.9 Die insofern geforderte Bestimmtheit geht über das hinaus, was unter räumlicher und sachlicher Bestimmtheit und Bestimmbarkeit i.S.d. § 3 Nr. 2 ROG zu verstehen ist und ein Wesensmerkmal jedes Raumordnungsziels bildet. 10 Es kommen also nicht alle Ziele der Raumordnung für die genannte Wirkungsweise in Betracht, sondern nur spezielle und besonders konkrete. 11 Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB geht es - anders als etwa bei der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB - nicht um die Beeinflussung von Planungen, sondern um die Einflußnahme auf die Zulassung von Einzelvorhaben. 12 Während die traditionelle Wirkungsweise der Ziele der Raumordnung im gestuften System der räumlichen Gesamtplanung darin besteht, durch die nachfolgenden Planungsträger räumlich und inhaltlich konkretisiert und ausdifferenziert sowie in mediatisierter Form für die Zulassung privater Vorhaben verbindlich gemacht zu werden 13 , entfällt im Rahmen des § 35 Abs. 3

9

Stellvertretend BVerwGE 68, S. 311 (316 f.); E 68, S. 319 (322 f.); E 79, S. 318 (323); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1112); Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 84; ders., FS Weyreuther, S. 89 (97 f.); Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 24, S. 58; Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (23); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 142 ff.; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 a Rn. 86 a m.w.N. 10 Vgl. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 55 ff. 11 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (23). 12 Stellvertretend Wahl, in: HoppelKauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (23). Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentlichen Baurecht, § 8 Rn. 84. 13 Vgl. dazu oben Kap. 1, Β. I.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

283

S. 2 HS. 1 BauGB die konkretisierende planerische Zwischenebene.14 Die Vereinbarkeit mit den Raumordnungszielen wird somit Zulassungsvoraussetzung. Auf der Zulassungsebene sind aber rechtlich nicht mehr die Konkretheits- und Bestimmtheitsanforderungen der übergeordneten und zusammenfassenden Planung, sondern die der bürgeradressierten Zulassungsvoraussetzungen maßgeblich.15 Die Ziele der Raumordnung müssen sich daher aus rechtsstaatlichen Gründen auch an den Vorhersehbarkeits- und Bestimmtheitsanforderungen messen lassen, die aus der Sicht des einzelnen Grundrechtsträgers im Hinblick auf ihn einschränkende Bestimmungen gelten. 16 Die Genehmigungsbehörde muß daher zweifelsfrei feststellen können, ob dem Einzelvorhaben Raumordnungsziele entgegenstehen oder nicht. 17 Hinzu kommt, daß die Wirkung der Raumordnungsziele von ihrem Inhalt her bestimmt werden muß. 18 Je nach dem, ob ein Ziel eine eher geringe inhaltliche Dichte aufweist, entfaltet es schwächere oder stärkere Bindungswirkungen. 19 Durch eine relativ unbestimmte Fassung der Ziele der Raumordnung bringt der Plangeber zum Ausdruck, daß verbleibende Einzelheiten im großen Umfang aus örtlicher Perspektive entschieden werden müssen, die - mangels überörtlicher Interessen - keiner raumordnerischen Abwägung zugänglich sind und auf Verwirklichung durch ergänzende und ausfüllende bzw. konkretisierende gemeindliche Planungen angelegt sind. 20 Bereits die Auslegung des relativ unbestimmten Raumordnungsziels ergibt also, daß es keine Aussagen über bestimmte Einzelvorhaben enthält. Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß Ziele der Raumordnung einerseits in lediglich planbindende Ziele und andererseits in (auch) Genehmigungen bindende Ziele eingeteilt werden können. 21 Nur für letztere gelten die besonderen Konkretheitsanforderungen. Diese betreffen sowohl die räumliche als auch die sachliche Bestimmtheit der Zielaussage.22

14 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 25; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 23 f.; Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (23). 15 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (29). 16 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (29). 17 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 24; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 254 f. 18 BVerwGE 90, S. 329 (334); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 32, S. 254 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung S. 20, S. 143; jeweils m.w.N. 19 BVerwGE 90, 329 (334). 20

Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,

BauGB, § 1 Rn. 86 a; Grooterhorst,

NuR 1986, S. 275 f. 21 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 255. 22 Vgl. stellvertretend Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 256 ff., S. 261 sowie Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 59 ff., die allerdings darüber hinaus auch die zeit-

284

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

aa) Spezielle Anforderungen

an die räumliche Konkretheit

Die Genehmigungsbehörde muß dem Ziel der Raumordnung eindeutig entnehmen können, ob es sich gerade auf das Grundstück bezieht, auf dem die Kiesabgrabung durchgeführt werden soll. 23 In der Regel ist dies von vornherein nur bei zeichnerischen, nicht aber bei textlichen Darstellungen möglich. Gleichwohl stellen auch die zeichnerischen Maßstäbe der jeweiligen Pläne ein Problem dar. 24 In den Randbereichen eines Gebietes scheidet die erforderliche Konkretheit daher regelmäßig aus 25 , es sei denn es handelt sich um parzellenscharfe Festlegungen.26 Darüber hinaus ist auf die unterschiedliche Aussagenschärfe von Planfestlegungen einzugehen. Zielaussagen können wie bereits dargelegt übergemeindliche, gemeindescharfe, gebietsscharfe sowie in seltenen Ausnahmefällen auch parzellenscharfe Festlegungen enthalten.27 Bei übergemeindlichen und gemeindescharfen Festlegungen gilt regelmäßig, daß der Plangeber eine räumliche Konkretisierung durch die Bauleitplanung bezweckte. Diese scheiden bereits aus diesem Grund für eine einzelentscheidungsbindende Wirkung aus.28 Demgegenüber können gebiets- und parzellenscharfen Zielen der Raumordnung eindeutige Aussagen über die Zulässigkeit von einzelnen Kiesabgrabungen entnommen werden. 29 Bei gebietsscharfen Festlegungen wird man indes auch auf die Größe des bezeichneten Gebietes abstellen müssen. Bei Gebieten, die sehr große Teile des Gemeindegebietes umfassen, kann die Auslegung des Raumordnungsziels ergeben, daß auch hier noch keine Bindung für Einzelvorhaben bezweckt war, sondern ein weiter Konkretisierungsspielraum für die

liehe Konkretheit im Hinblick auf befristete Ziele der Raumordnung ansprechen. Der Aspekt der zeitlichen Konkretheit kann bei Sicherungsgebieten eine Rolle spielen, wenn der Reservezeitraum festgelegt wird. 23 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 25 f. 24 Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 143 f.; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 59 Fn. 4; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 261. 25 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 143 f., S. 223, auch bezüglich der Darstellung von Abbaugebieten nur durch Symbol, d.h. ohne Flächenabgrenzung; Christ, Raumordnungsziele, S. 21, S. 39; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 261. 26 Vgl. zur strikten Verbindlichkeit der Ziele der Raumordnung auch in den Randbereichen bei parzellenscharfen Vorranggebieten allerdings im Hinblick auf die Gemeinden BVerwGE 90, S. 329 (337). 27 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 2. 28 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 24.m.w.N. 29 Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 59; Paßlick, Raumordnungsziele, S. 260 m.w.N.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

285

Gemeinde bestehen bleiben sollte, die erst über die konkrete Ausgestaltung des Gebietes entscheiden soll. 3 0 Bei genauerer Betrachtung ergibt sich, daß nur ein relativ geringer Teil der Zielaussagen den Bestimmtheitsanforderungen genügen, die auf der Zulassungsebene maßgeblich sind. Zu bedenken ist nämlich, daß die Raumordnung aufgrund ihres überörtlichen und übergeordneten Koordinierungsauftrags grundsätzlich auf übergemeindliche und gemeindescharfe Festlegungen beschränkt ist 3 1 , weil für gebietsscharfe und insbesondere parzellenscharfe Aussagen häufig kein qualifiziertes überörtliches Interesse besteht. 32 Ein solches Interesse liegt nur dann vor, wenn ohne die Gebiets- oder Parzellenschärfe der Zweck, dem die raumordnerische Festlegung legalerweise dient, nicht erreicht werden kann. 33 Anderenfalls ist eine gebiets- bzw. parzellenscharfe Festsetzung nichtig. Insofern muß erneut betont werden, daß die Feststellung eines rechtfertigenden überörtlichen Interesses für gebiets- und parzellenscharfe Festlegungen im einzelnen erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Es handelt sich um eines der zentralen Probleme des Raumordnungsrechts. A n dieser Stelle entscheidet sich nämlich, inwieweit sich das Raumordnungsrecht von seinem ursprünglichen Charakter einer übergeordneten, überfachlichen Rahmenplanung hin zu einem Steuerungsinstrument entwickelt, das die gemeindliche Planungshoheit erheblich einschränkt und auf die Zulassungsebene und mithin private Vorhaben im Rahmen des § 35 Abs. 3 BauGB einwirkt. 34

bb) Spezielle Anforderungen

an die sachliche Konkretheit

Das Ziel der Raumordnung ist sachlich hinreichend konkret, wenn erkennbar ist, für welche konkreten Zwecke und Maßnahmen eine landesplanerische Festlegung für den betroffenen Bereich erfolgt. 35 Ausgangspunkt ist dabei zum

30

Vgl. in diese Richtung gehend auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 144. Im einzelnen muß bei entsprechenden Gebietsausweisungen allerdings auch gefragt werden, ob es sich nicht in Wahrheit um Vorbehaltsgebiete handelt. 31 Vgl. zum Erfordernis einer angemessenen Unbestimmtheit Wahl, in: Hoppe/ Kauch, Raumordnungsziele nafch Privatisierung, S. 11 (26). 32 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 25. 33 Stellvertretend Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 25 m.w.N.; Hoppe, in: dersJSchoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 466; Sauer, VB1BW 1995, S. 465 (467). 34 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (25 f.). 35 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 26; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 86 a; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 60; Hoppe, in: dersJGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 84; Paßlick, Ziele der Raumordnung,

2 8 6 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB einen die Überlegung, daß ein Widerspruch zu einem Ziel der Raumordnung nur dann eindeutig festgestellt werden kann, wenn ersichtlich ist, welche konkrete Funktion oder Nutzung für den jeweiligen Bereich vorgesehen ist und gewährleistet bzw. möglich bleiben muß. 36 Zum anderen ist bei sachlich allgemein gehaltenen Aussagen davon auszugehen, daß der Plangeber eine weitere planerische Konkretisierung durch die Gemeinde beabsichtigte. Bei räumlich konkreten, d.h. gebiets- bzw. parzellenscharfen Festlegungen wird in der Regel auch die sachliche Konkretheit vorliegen. Dies gilt insbesondere für Standort- und Trassenfestlegungen für die Infrastruktur 37 oder für die Rohstoffgewinnung in Form von Vorranggebieten, aber beispielsweise auch für Rohstoffsicherungsgebiete. Es ist nämlich jeweils erkennbar, welche Nutzungen und Maßnahmen in dem jeweiligen Gebiet unzulässig sind. Ein regionaler Grundwasserschonbereich, der einen genau abgegrenzten räumlichen Bereich erfaßt, kann ebenfalls sachlich hinreichend bestimmt erkennen lassen, welche Abbaumaßnahmen zulässig sind und welche nicht, so daß ein raumbedeutsames Kiesabbauvorhaben innerhalb eines solchen Grundwasserschonbereichs unzulässig sein kann. 38 Probleme bereiten allerdings solche Aussagen in Raumordnungsplänen, die die Ausweisung von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen betreffen und von regionalen Grünzügen 39, aber auch Aussagen, wonach der Außenbereich vor Bebauung zu schützen oder eine Zersiedlung zu vermeiden ist. 40 Wenn keine Besonderheiten hinzukommen, enthalten sie nur die allgemeine planerische Aussage, daß dem Außenbereich die ihm ohnehin nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie zukommende Funktion der Land- und Forstwirtschaft und dadurch gegebenenfalls zugleich auch der allgemeinen Erholung zukommt 41 und daß der Außenbereich vor wesensfremden Nutzungen zu bewahren ist. Bereits die Auslegung entsprechender Ausweisungen wird - auch bei hinreichender räumlicher Konkretheit - in aller Regel ergeben, daß der Plangeber nicht beabsichtigt hat, dadurch jegliche nichtlandwirtschaftliche Nutzung auszuschließen und vielmehr die Zuordnungen des § 35 BauGB beibehalten wollte. Es werden mit entsprechenden Festlegungen im allgemeinen nicht S. 256; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 144; BVerwGE 68, S. 311 (317); VGH BaWü, NuR 1985, S. 23 (24). 36 BVerwGE 68, S. 311 (317); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 26 f. 37 Stellvertretend Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 256. 38 BaWü VGH, NVwZ 1986, S. 233, allerdings im Hinblick auf eine planfeststellungsbedürftige Naßauskiesung.Vgl. dazu auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 259; VG Freiburg, ZfW 1997, S.60 (62 f.). 39 Vgl. dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 257. 40 Vgl. BVerwGE 68, S. 311 (315 f.). 41 BVerwGE 68, S. 311 (315 f.); Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 60; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 257.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

287

sachlich konkrete Anliegen verfolgt, sondern Bündel globaler Zwecke wie Grundwasserschutz, Klimaschutz, Naturschutz, Erholung und anderes mehr. 42 Sofern entsprechenden planerischen Entscheidungen überhaupt Zielcharakter zukommt 43 , sind sie jedenfalls auf weitere Konkretisierung angelegt und nicht einzelentscheidungsbindend.44 Gleichwohl sind Konstellationen denkbar, in denen überörtliche Gesichtspunkte dafür sprechen, einen räumlich freilich eng begrenzten Raum als Vorranggebiete für die Landwirtschaft bzw. für die Forstwirtschaft auszuweisen und dadurch jedwede dem widersprechende und mithin nahezu jede nichtlandwirtschaftliche bzw. nichtforstwirtschaftliche Nutzung auszuschließen. Ist dieser spezielle raumordnerische Zweck erkennbar, muß ein entsprechendes Ziel der Raumordnung auch im Rahmen des § 35 BauGB zulassungsverhindernd wirken.

b) Anwendbarkeit bei Gebietsfestlegungen Ein einzelentscheidungsbindender Zielinhalt kommt in erster Linie bei flächenhaften Ausweisungen in Betracht, mithin bei zielförmigen Gebietsfestlegungen in Raumordnungplänen 45, nicht aber bei Abgrabungsquoten. 46 Da Vorranggebiete als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren sind 47 und überdies häufig den erforderlichen räumlichen und sachlichen Konkretisierungsgrad aufweisen, entfalten diese im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB Bindungswirkungen. Entsprechendes gilt für zielförmige Sicherungsgebiete48. Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB findet hingegen auf Vorbehaltsgebiete keine Anwendung, da diese in Ermangelung einer abschlie-

42

Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 24. Bei den erwähnten Aussagen betreffend den Außenbereichsschutz und die Zersiedlung ist dies zumindest dann abzulehnen, wenn sie keinen konkreten räumlichen Bezug aufweisen und folglich nicht das Ergebnis einer raumplanerischen Abwägung sind. 44 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 27 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 258. 45 Christ, Raumordnungsziele, S. 26. 46 Vgl. zu den verschiedenen Abgrabungsquoten oben Kap. 4, F. Sofern diese überhaupt zulässig sind, richten sie sich nämlich ihrem Aussagegehalt nach an die Gemeinden. 47 Vgl. dazu oben Kap. 4, Ε. I. 1. 48 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. V. 43

2 8 8 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB ßenden raumordnerischen Abwägung nicht als Ziele, sondern als Grundsätze der Raumordnung zu qualifizieren sind. 49 Eignungsgebiete sind im Hinblick auf ihre außergebietliche Wirkung als Ziele der Raumordnung zu qualifizieren 50 . Gleiches gilt auch für Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten51. Insofern könnten sich die außergebietliche Ausschlußwirkung dieser Gebietsfestlegungen nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB richten. Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine speziellere Regelung für außergebietliche Wirkungen von Gebietsfestlegungen getroffen hat. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die außergebietliche Auschlußwirkung dieser Ziele hiernach nur „in der Regel" gilt. Der Gesetzgeber wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, daß entsprechende Ziele der Raumordnung außergebietlich regelmäßig Flächen von erheblichen Ausmaß betreffen und insofern auf einer globalen Abwägung beruhen. 52 Daraus folgt, daß sich die außergebietliche Ausschlußwirkung von Eignungsgebieten bzw. Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten nicht nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB richtet.

c) Unterstützung und Fortschreibung tatsächlicher Gegebenheiten bzw. keine Funktionslosigkeit des Raumordnungsziels In bezug auf die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 S. 1 BauGB a.F. hat das BVerwG seine Rechtsprechung zum Flächennutzungsplan53 auf die Ziele der Raumordnung übertragen und folgende Formeln geprägt. 54 Die Ziele der Raumordnung könnten nicht wie Rechtssätze gehandhabt werden, die zwingende Rechtsfolgen auslösen. Ihre Durchsetzungsfähigkeit resultiere vielmehr wesentlich daraus, daß sie „Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten" seien. Diese zuletzt genannte Formel hat

49 Vgl. dazu oben Kap. 4, Ε. II. 1. Ebenso z.B. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 75, S. 78; a.A. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18, der die Raumordnungsklauseln über die Bindungswirkungen von Zielen der Raumordnung auf Vorbehaltsgebiete anwenden will, obwohl diese als Grundsätze der Raumordnung zu qualifizieren seien. 50 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 1. a). 51 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. IV. 1. 52 Vgl. dazu unten Kap. 5, A. III. 2. b). 53 Stellvertretend BVerwG, BauR 1975, S. 404. 54 BVerwGE 68, S. 311 (313 f.).

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

289

einige Verwirrung gestiftet. 55 Ob sie für die neue Rechtslage überhaupt eigenständige Bedeutung haben kann, ist sehr zweifelhaft. Zielen der Raumordnung ist gemeinsam und begriffsbestimmend, daß sie das Ergebnis einer planenden raumordnerischen Abwägung sind. In diese fließt zwar die tatsächliche Situation als Abwägungsmaterial ein, wie z.B. das Vorhandensein von RohstofifVorkommen in einem bestimmten Gebiet. 56 Wie jede räumliche Planung sind auch die Raumordnungspläne durch einen spezifischen Situationsbezug gekennzeichnet.57 Die Ziele weisen gleichwohl einen eigenständigen Regelungsgehalt auf. 58 A u f dessen Steuerungskraft kam es dem Gesetzgeber aber gerade an, als er die Ziele der Raumordnung in den Zulassungstatbestand des § 35 Abs. 3 BauGB aufgenommen hat. 59 Die Raumordnungsplanung soll gerade nicht nur beschreibend wirken, sondern eigenständig planen. Mit der Formulierung meint das BVerwG daher lediglich, daß die Ziele der Raumordnung nicht funktionslos geworden sein dürfen. 60 Die tatsächliche Entwicklung kann dazu führen, daß sich die Aussagekraft der Ziele der Raumordnung bis hin zum vollständigen Verlust abschwächt.61 A u f die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen bedeutet daher nur, daß der Raumordnungsplan dort nicht mehr maßgeblich sein kann, wo seine Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, diese also etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt und mithin funktionslos sind. 62 Es handelt sich hierbei jedoch um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. 63 A u f die

55

Vgl. zur Diskussion in bezug auf den Flächennutzungsplan Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 114 ff. m.w.N.; Hoppe, FS Geizer, S. 43 (51 ff.); Vgl. in bezug auf die Raumordnungsziele ausführlich zum Streit Christ, Raumordnungsziele, S. 106 ff.; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 42 ff.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 67 f.; Vgl. auch Büllesbach, Abgrabungen, S. 242. 56 Christ, Raumordnungsziele, S. 114; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 228. 57 Schmidt-Aßmann, in: FS Schlichter, S. 3 (4). 58 Vgl. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. 59 Vgl. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 229. 60 Im Ergebnis ebenso Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 230, vgl. auch S. 151 ff.; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 51; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. Vgl. entsprechend zum Flächennutzungsplan neuerdings BVerwG, UPR 1997, S. 372; ebenso Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 117 ff. Wachs/Greiving, NWVB1. 1998, S. 7 (9), verwenden die Formel weiterhin. 61 Vgl. entsprechend zum Flächennutzungsplan BVerwG, UPR 1997, S. 372. 62 Vgl. entsprechend zum Flächennutzungsplan BVerwG, UPR 1997, S. 372. Ungenau Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 66, der eine „bestimmte Aktualität" der Ziele der Raumordnung fordert. 63 Vgl. dazu Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 151 ff. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 51 f. Vgl. allgemein zur Funktionslosigkeit von Plänen Schmidt-Aßmann, FS Schlichter, S. 3 (16). 19 Spiecker

290

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

mißverständliche Formel der „Unterstützung und einleuchtenden Fortschreibung tatsächlicher Gegebenheiten" sollte daher besser insgesamt verzichtet werden. 64

d) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung und Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB ist nur auf solche Kiesabbauvorhaben anwendbar, die als raumbedeutsam zu qualifizieren sind. Der Begriff der Raumbedeutsamkeit i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB entspricht demjenigen des § 3 Nr. 6 ROG. 6 5 Die Raumbedeutsamkeit ist bei den meisten Kiesabbauvorhaben bereits deshalb zu bejahen sein, weil sie große Flächen in Anspruch nehmen und somit als raumbeanspruchend zu qualifizieren sind. 66 Bei Kiesabgrabungen besteht zwar die Besonderheit, daß sie nach § 29 Abs. 1 S. 2 BauGB nur dann in den Anwendungsbereich des § 35 BauGB fallen, wenn es sich um Abgrabungen größeren Umfangs handelt. Dieser Begriff des „größeren Umfangs" ist allerdings im städtebaulichen Kontext auszulegen.67 Für die Bodenschätzegewinnung bewirkt er keine nennenswerte Einschränkung. Was eine „Abgrabung größeren Umfangs" i.S.d. § 29 Abs. 1 S. 2 BauGB ist, braucht nicht notwendig zugleich auch eine raumbeanspruchende Maßnahme i.S.d. § 3 Nr. 6 ROG zu sein. Insofern stellt sich die Frage, wie diese - aus der Perspektive der Raumordnung - kleinen Kiesabbauvorhaben zu beurteilen sind. Wie oben dargelegt, ist ein kleines Vorhaben dann als raumbeeinflussend und mithin raumbedeutsam zu qualifizieren, wenn es sich auf die Funktion eines Gebietes auswirkt und im Widerspruch zu zielförmigen Gebietsfestlegungen steht. 68 Der Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung indiziert die Raumbedeutsamkeit.69 Die gesonderte Überprüfung des Merkmals der Raumbedeutsamkeit neben der Feststellung des Widerspruchs zu den Raumordnungszielen

64 Entsprechend zum Flächennutzungsplan Hoppe, DVB1. 1991, S. 1277 (1283); ders., FS Geizer, S. 43 (54). 65 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2. a). 66 Vgl. demgegenüber Christ, Raumordnungsziele, S. 359, der auch große Vorhaben nur dann als raumbedeutsam qualifiziert, wennn sie den Zielen der Raumordnung widersprechen. 67 Vgl. dazu oben Kap. 3, Β. I. 68 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2. a) bb) (1). 69 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 22 f.; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1114); ders., FS Weyreuther, S. 89 (103 f.); Christ, Raumordnungsziele, S. 359 (allerdings unabhängig vom Umfang des Vorhabens) sowie S. 369.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

291

erweist sich daher regelmäßig als entbehrlich. 70 Ausschlaggebend ist vielmehr der Zielwiderspruch, der mit Rücksicht auf den Inhalt und die Reichweite des jeweiligen Raumordnungsziels ermittelt werden muß, wobei im Zweifel unerhebliche, nicht signifikante Auswirkungen auf die Funktion eines Gebietes ausgeklammert werden können. 71 Für kleine Kiesgruben gilt daher, daß sie im Zweifel nicht raumbeeinflussend sind, es sei denn sie beeinflussen aufgrund ihrer besonderen Lage oder Ausstrahlung auf die weitere Umgebung die Funktion eines Gebietes. 72 Ebenso wie z.B. ein kleines bauliches Vorhaben die Zielsetzung eines Rohstoffvorranggebietes unterminieren kann 73 , sind aber auch besondere Fälle denkbar, in denen eine kleine Kiesgrube einer Vorrangausweisung für eine andere Nutzung zuwiderläuft. Eine kleine Kiesgrube beeinflußt zwar regelmäßig nicht die Funktion eines groß dimensionierten Vorranggebietes beispielsweise für ein Einzelhandelsgroßprojekt oder ein Kraftwerk. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Grube in absehbarer Zeit wieder verfüllt werden soll. Im Einzelfall kann das Merkmal der Raumbeeinflussung gleichwohl wegen der besonderen Lage der Kiesgrube innerhalb des Vorranggebietes erfüllt sein, wenn dadurch die Ansiedlung des Einzelhandelsprojektes bzw. des Kraftwerkes verhindert würde. Im Hinblick auf Grundwasserschongebiete kann ferner eine kleine Kiesgrube wegen der besonderen hydrogeologische Verhältnisse des geplanten Standortes raumbedeutsam sein, d.h. wegen der Empfindlichkeit des Standortes. 74 Dasselbe gilt, wenn die Kiesgrube eine Vorbildfunktion für mehrere weitere zusammenhängende Kiesvorhaben haben kann, die in der Summe dem Zweck des Vorranggebietes zuwiderlaufen. 75 Hinzuweisen ist darauf, daß auch aus planungssystematischen Gründen kleine Vorhaben von der Wirkung der Raumordnungsziele erfaßt sein müssen. Es wäre widersinnig, wenn die raumordnerische Planung zwar nicht durch große Vorhaben, wohl aber durch kleine Vorhaben unterlaufen werden könnte. Der etwaige Einwand, die Gemeinden könnten dem durch die Aufstellung von Bebauungsplänen entgegenwirken, überzeugt nicht. Die Funktion der Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB besteht schließlich gerade darin, den

70 Für eine geneile Entbehrlichkeit Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 23; Christ, Raumordnungsziele, S. 359. Nach Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1114 f.), stehen Raumbedeutsamkeit und Zielwiderspruch in einer Wechselwirkung von potentiellen und aktuellem Zielwiderspruch. 71 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2. a) bb) (1). 72 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2. a) bb) (1). 73 Christ, Raumordnungsziele, S. 358; Hoppe, FS Weyreuther, S. 89 (102 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 22. 74 Vgl. Kap. 2, D. I. 2. a) bb) (1). 75 Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 123.

2 9 2 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB Zielen der Raumordnung ohne mediatisierende Bebauungspläne Geltung zu verschaffen.

2. Rechtsfolge Gemäß § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben im Außenbereich den Raumordnungszielen nicht widersprechen. Für die sich daraus ergebende Rechtswirkungen der Ziele der Raumordnung ist bedeutsam, daß fachgesetzliche Raumordnungsklauseln wie bereits erwähnt einen unterschiedlichen Bindungsgrad der Ziele der Raumordnung normieren und daher Zielberücksichtigungspflichten oder strikte Negativwirkungen anordnen können. Wie § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB insofern einzuordnen ist, bedarf einer näheren Betrachtung. Ebenso wie bei der wortgleichen Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB a.F. ist streitig, ob die Ziele der Raumordnung nach dieser Vorschrift strikte negative Bindungswirkungen entfalten 76 oder ob die Ziele lediglich als öffentliche Belange, die im Einzelfall überwindbar sind, in die nachvollziehende Abwägung eingehen und mithin nur berücksichtigt werden müssen77. Zum Teil nähern sich die Positionen auch einander an. Einerseits wird von den Vertretern einer strikten Bindung aus eigentumsrechtlichen Gründen die 76 Z.B. Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); Christ, Raumordnungsziele, S. 353 ff, S. 362ff; Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (296); ders ./Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 456; Gaentzsch, BauGB, § 35 Rn. 54; Goppel, BayVBl. 1991, S. 266 (267); ders, BayVBl. 1998, S. 289 (290 Fußnote 8); Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 43; Hoppe, FS Weyreuther, S. 89 ff.; ders, DVB1. 1993, S. 1109 (1113 f.); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 146 f.; Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (299); Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, J 630 Nr. 3.5; BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Nr. 2.3.4.2 der Entschließung der MKRO vom 4. Juni 1998 (GMBl. 1998, S. 432, abgedruckt auch bei Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, September 1998, J 660); wohl auch Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (433). 77 Z.B. BVerwG, ZfBR 1993, S. 191 (192); BaWü VGH, VBIBW 1994, S. 280; BayVGH, NVwZ 1990, S. 983 (984); andeutungsweise auch BVerwG, ZfBR 1996, S. 166 (168); Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 72 c; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 86 b; ansatzweise CholewalDyonglv.dHeidelSailer, BauGB, § 35 Nr. 7a; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 35 Rn. 105; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 32 ff.; ders, DVB1. 1998, S. 669 (671 f.); Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910 (911);

Söfker,

DVB1. 1987, 597 (600); Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 94; Uechtritz,

in:

Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 59, 61; Ehebrecht-Stüer, Außenbereichsschutz, S. 152; Büllesbach, Abgrabungen, S. 91 Fn. 97; Wahl, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (21); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 220 ff.; unzutreffend Schneider, DÖV 1988, S. 858 (863), der jegliche rechtliche Zielwirkung gegenüber Außenbereichsvorhaben ablehnt.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

293

Einschränkung vorgenommen, daß diese nur dann gelte, wenn die maßgeblich zu prüfenden privaten Belange bereits auf der Ebene der raumordnerischen Abwägungsentscheidung Berücksichtigung gefunden hätten. Keine strikte Zielbindung liege vor, wenn bestimmte private Belange auf der Ebene der Raumordnung noch nicht erkennbar waren, sich später erst ergeben haben oder wenn das Vorhaben nicht den Anlagen entspreche, die die Raumordnung steuern wollte 78 bzw. daß Ausnahmen für solche Vorhaben gelten müßten, bei denen es um bestandsgeschützte bzw. eigentumskräftig verfestigte Rechtspositionen des Vorhabenträgers gehe79. Soweit lediglich eine Berücksichtigung angenommen wird, wird andererseits eingeräumt, daß ein zielwidriges privilegiertes Vorhaben faktisch kaum eine Genehmigungschance habe.80 Der zutreffende Bindungsgrad der Ziele der Raumordnung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB muß durch Auslegung dieser Raumordnungsklausel ermittelt werden.

a) Grammatische Auslegung Bei der grammatischen Auslegung der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB muß gefragt werden, welche Bedeutung der Formulierung zukommt, wonach das Vorhaben den Zielen der Raumordnung „nicht widersprechen darf'. Der Gesetzgeber hat zwar nicht ausdrücklich angeordnet, welche Rechtsfolge sich aus einem Zielwiderspruch ergibt. 81 Die Formulierung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB liest sich gleichwohl als eine zwingende Anforderung an Außenbereichsvorhaben. 82 Die Wortwahl deutet auf ein striktes Verbot hin 8 3 und enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß ein Vorhaben im Einzelfall zulässig

78 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 457; Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280). 79 Christ, Raumordnungsziele, S. 370; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); i.E. ebenso Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 457, die die Beschränkung der Zielbindung gegenüber den infragestehenden Erweiterungen bestehender Vorhaben im Wege einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB erreichen wollen. 80

Bielenberg, 'm.ErnstlZinkahn/Bielenberg,

BauGB

§ 1 Rn.

86

b;

Bielen-

berg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 5 Rn. 72 c. 81 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 36. 82 Vgl. allerdings Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 36, der das Begriffsverständnis der strikten Verbindlichkeit der Ziele der Raumordnung für nicht zwingend hält. 83 Z.B. Christ, Raumordnungsziele, S. 353; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 146; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 85; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl, Rn. 456; a.A. BayVGH, DVB1. 1990, S. 783 (784).

2 9 4 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB sein kann, obwohl es den Zielen der Raumordnung widerspricht. 84 Daß der Gesetzgeber nicht den Begriff der Zielbeachtung verwendet hat, dürfte vielmehr darauf zurückzuführen sein, daß im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB lediglich die negativen Wirkungen der Ziele der Raumordnung angesprochen sind, während mit Zielbeachtung im Raumordnungsrecht gemeinhin unterschiedliche Wirkungsweisen der Ziele der Raumordnung zusammengefaßt werden, d.h. insbesondere auch die positive und (etwaige) aktivplanerische Komponenten der Zielbeachtung.85

b) Historische Auslegung Soweit die Regelung vor Erlaß des BauROG 1998 gleichwohl als bloße Berücksichtigungsklausel aufgefaßt wurde, wurden unter anderem historische Argumente vorgetragen. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F. die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgreifen wollen, wonach die Ziele der Raumordnung als öffentliche Belange in die nachvollziehende Abwägung einzustellen waren. 86 Diese Argumentation ist für die neue Rechtslage nicht mehr stichhaltig, da die Gesetzesmaterialien zum BauROG erkennen lassen, daß der Gesetzgeber eine gegenüber einer Berücksichtigungspflicht verstärkte Bindung der Ziele der Raumordnung im Außenbereich bezweckte.87 Dabei wird ausdrücklich auf die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F. hingewiesen.88

c) Systematische Auslegung Unter systematischem Blickwinkel fällt auf, daß die übrigen Vorschriften des § 35 Abs. 3 BauGB sich ausdrücklich auf die öffentlichen Belange beziehen. Insbesondere die Nähe zu § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB könnte daher einen Anhaltspunkt dafür liefern, daß auch die Ziele der Raumordnung nur zu den abwägungsfähigen öffentlichen Belangen zählen.89 Auf der anderen Seite

84

Ebenso Christ, Raumordnungsziele, S. 363 ff. Vgl. zu letzterem oben Kap. 2, D. I. 4. a); ansatzweise auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 15, S. 35. 86 Vgl. dazu ausführlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 37 ff. m.w.N. Instruktiv zur historischen Entwicklung der Vorschrift des § 35 BauGB sowie der Rechtsprechung im Hinblick auf die Wirkungen der Ziele der Raumordnung Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 192 ff. 87 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 82. 88 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 82. 89 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 43. 85

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

295

spricht allerdings gerade die Herauslösung der Ziele der Raumordnung aus dem in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB enthaltenden Katalog der öffentlichen Belange 90 für eine Sonderstellung der Ziele der Raumordnung und eine strikte Verbindlichkeit. 91 Die systematisch eigenartige (und etwas unglückliche) Position der Raumordnungsklausel im Rahmen des § 35 Abs. 3 BauGB ist in erster Linie historisch zu erklären. 92 Hinzuweisen ist allerdings auch auf den gesetzestechnisch bedeutsamen Umstand, daß die Raumordnungsklausel sowohl für die privilegierten als auch die nichtprivilegierten Vorhaben im Außenbereich gilt. Da die Systematik des § 35 BauGB an sich von der Differenzierung zwischen diesen beiden Vorhabenarten geprägt ist, wird durch die einheitliche Raumordnungsklausel eine umständliche zweifache Regelung in Abs. 1 und Abs. 2 vermieden. 93 Die dargelegten systematischen Erwägungen lassen sich daher für eine strikte Verbindlichkeit der Raumordnungsziele ins Feld führen.

d) Teleologische Auslegung Schließlich ist auf den Gesetzeszweck der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB auch unter planungssystematischen Gesichtspunkten einzugehen. Ausgangspunkt muß die Überlegung sein, daß durch die Raumordnungsplanung im Zusammenspiel mit den raumordnerischen Abstimmungsinstrumenten die nachhaltige Raumentwicklung des Gesamtraums der Bundesrepublik Deutschland und seiner Teilräume gewährleistet werden soll. 94 Den Zielen der Raumordnung kommt dabei nach der Konzeption des Raumordnungsgesetzes bei der Erfüllung dieses Auftrages eine zentrale Stellung zu, weil sie nach § 3 Nr. 2 ROG die verbindlichen raumordnerischen Vorgaben zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums darstellen und insbesondere nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG eine umfassende Beachtenspflicht für öffentliche Stellen auslösen. Das gestufte System der räumlichen Gesamtplanung ist darauf gerichtet, daß die tatsächliche räumliche Entwicklung sich entsprechend den Zielen der Raumordnung vollzieht, und zwar sowohl im Hinblick auf öffentliche als auch auf private raumbedeutsame Vorhaben. Letzteres ergibt sich insbesondere daraus, daß private Vorhaben durch mediatisierende Planungen

90 Die Rechtslage des Bundesbaugesetzes war dadurch gekennzeichnet, daß die Ziele der Raumordnung im Katalog des § 35 Abs. 3 S. 1 BBauG aufgeführt waren. Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 30 ff. 91 Z.B. Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (296); Wagner, UPR 1996, 370 (375). 92 Vgl. zur historischen Entwicklung des § 35 Abs. 3 BauGB Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 32 ff, S. 37 ff. 93 Vgl. dazu auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 40, der diesen gesetzestechnischen Umstand an anderer Stelle wiederum übergeht, vgl. S. 43 Fn. 113. 94 Vgl. § 1 ROG.

296

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

wie z.B. Bebauungspläne indirekt von den Wirkungen der Raumordnungsziele erfaßt werden. 95 Die zentrale Funktion der Ziele der Raumordnung als verbindliche raumordnerische Vorgaben wird auch nicht dadurch grundsätzlich in Frage gestellt, daß der Gesetzgeber nach § 4 Abs. 4 ROG eine bloße Berücksichtigungspflicht der Ziele der Raumordnung im Hinblick auf private Vorhaben ermöglicht. Dadurch wird vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, daß nicht alle Ziele der Raumordnung den erforderlichen Konkretisierungsgrad aufweisen, um eine Zielbeachtenspflicht für private Vorhaben auszulösen. Es handelt sich ferner um ein kompetenzrechtlich bedingtes Zugeständnis. Im übrigen hat sich der Gesetzgeber bei Erlaß des BauROG 1998 ersichtlich bemüht, den verbindlichen Charakter der Raumordnungsziele entsprechend dem praktischen Bedürfiiis nach allgemein verbindlichen raumordnerischen Entscheidungen so weit wie kompetenzrechtlich zulässig auch auf private Vorhaben auszudehnen. Besonders deutlich wird dies durch die Zielbeachtenspflicht bei Planfeststellungen über die Zulässigkeit privater Vorhaben nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG und die Vorschrift des § 4 Abs. 5 ROG, die gerade auf Zielbeachtensklauseln in fachgesetzlichen Zulassungstatbeständen zugeschnitten ist. Das in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Anliegen wird dabei insbesondere vor dem Hintergrund verständlich, daß angesichts der zunehmenden materiellen Privatisierungen immer mehr raumbedeutsame Vorhaben auch von Privaten i.S.d. § 4 Abs. 4 ROG durchgeführt werden. Daß auch und gerade im Außenbereich nach § 35 BauGB ein entsprechendes Bedürfiiis nach strikter Verbindlichkeit der Raumordnungsziele besteht, ergibt sich dabei bereits aus der bereits erwähnten Tatsache, daß der Außenbereich den weitaus größten Teil der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Im Hinblick auf die räumlichen Nutzungsansprüche birgt gerade der weithin unbebaute Außenbereich ein gesteigertes räumliches Konfliktpotential 96 . Die Übereinstimmung der tatsächlichen räumlichen Entwicklung mit den Zielen der Raumordnung hängt dabei maßgeblich davon ab, ob auch private Vorhaben an die Ziele der Raumordnung im Außenbereich gebunden sind. Ohne eine strikte Zielbindung besteht jedoch die Gefahr, daß Bodennutzungen im Außenbereich raumordnerischen Vorstellungen widersprechen und daruch umfangreichte abgewogene raumordnerische Zielaussagen unterminieren. 97

95

Vgl. im Hinblick auf § 35 BBauG auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 206 f. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 178. 97 Vgl. zu diesen Überlegungen Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 13, der gleichwohl im Ergebnis lediglich eine Zielberücksichtigung annimmt. 96

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

297

Für eine strikte Bindung an die Ziele der Raumordnung spricht aus planungssystematischen Gründen desweiteren folgender Gedanke: Eine etwaige bloße Zielberücksichtigungspflicht würde dazu führen, daß ein privates Vorhaben im Einzelfall trotz Widerspruchs zu den Zielen der Raumordnung zulässig sein kann. Andererseits dürfte die Gemeinde jedoch wegen des Zielwiderspruchs keinen Bebauungsplan aufstellen, der das entsprechende Vorhaben an dieser Stelle vorsehen und einzelne städtebaulich notwendige Konketisierungen enthalten würde. Ein zielwidriges privates Kiesabbauvorhaben im Außenbereich könnte daher im Einzelfall zulässig sein, während die Gemeinde aber beispielsweise auch gehindert wäre, in Kooperation mit dem privaten Vorhabenträger im Wege eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans Einzelheiten des Abgrabungsvorhabens im Hinblick auf die Lage der zur Abgrabung gehörenden Betriebsgebäuden, der Abgrabungsflächen und -abschnitte oder bezüglich der Erschließung zu regeln. 98 Dies steht mit dem Charakter des § 35 BauGB als Planersatzvorschrift aber nicht im Einklang. Diese Unstimmigkeit, die vom Gesetzgeber nicht bezweckt sein kann, läßt sich nur ausräumen, wenn von den Zielen der Raumordnung auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB eine strikte Bindungswirkung ausgeht.

e) Eigentumsschutz Der Kiesunternehmer wird durch die Versagung einer Genehmigung daran gehindert, sein Grundeigentum nach seinem Willen zur Kiesgewinnung zu nutzen. Dies wirft die Frage nach der verfassungsrechtlichen Beurteilung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB im Hinblick auf den Eigentumsschutz aus Art. 14 GG auf. Fraglich ist, ob eine strikte Zielbindung mit dem Grundeigentumsschutz vereinbar ist.

aa) Zielbindung und Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Die in § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1, S. 3 BauGB normierten Zielbeachtenspflichten führen dazu, daß die Ziele der Raumordnung eigentumsrelevante Rechts-

98 Vgl. allgemein zum bauleitplanerischen Planungsbedarf und zur Festsetzung von Details im Bebauungsplan im Hinblick auf Gewinnungsvorhaben Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 19, S. 87. Hinzuweisen ist im übrigen darauf, daß die Gemeinde zwar auch ein Zielabweichungsverfahren anstrengen kann. Das Zielabweichungsverfahren dient seiner Funktion nach indes der Flexibilität der Planung im Hinblick auf atypische Einzelfälle, die der Plangeber nicht bedacht hat und bedenken konnte. Planungssystematische Defizite können mithilfe des Zielabweichungsverfahrens hingegen nicht aufgefangen oder gerechtfertigt werden.

2 9 8 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB Wirkungen gegenüber Dritten entfalten." Widersprechende Raumordnungsziele hindern den Antragsteller an der verfassungsrechtlich geschützten Nutzung seines Grundstückseigentums. 100 Bei Kiesabgrabungen gilt dies jedenfalls dann, wenn gegen das Vorhaben nicht bereits wasserwirtschaftliche Gründe sprechen 101 und die Raumordnungsziele wasserwirtschaftliche Belange verkörpern. Letzteres ist etwa bei Grundwasserschongebieten der Fall. Da in der strikten Zielbindung keine Entziehung des Eigentums und mithin auch keine Enteigung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG zu erblicken ist 1 0 2 , sondern dies nur zu einer abstrakt-generellen Beschränkung der Grundstücksnutzung führt 103 , ist die strikte Zielbindung an den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu messen, die an Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu stellen sind. Insofern könnte man allein auf die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB als die maßgebliche Inhalts- und Schrankenbestimmung abstellen 104 . Gegen eine solche Betrachtungsweise spricht indes, daß die Raumordnungsklauseln lediglich den Charakter einer Verweisungsnorm aufweisen, während sich der eigentliche, für die Eigentumsnutzung wesentliche Aussagegehalt erst und allein aus den konkreten Zielen der Raumordnung selbst ergibt. 105 Die Raumordnungsziele haben wie dargelegt auch nicht nur eine lediglich die tatsächlichen Gegebenheiten unterstützende Wirkung, sondern enthalten originäre planerische Abwägungsentscheidungen.106 Nicht nur die Raumordnungsklausel selbst, sondern auch die Ziele der Raumordnung müssen daher an den Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gemessen

99

Vgl. zur unmittelbar geltenden Zielbeachtenspflicht des § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB a.F., Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 44.; a.A. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 107. 100 Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 54 f.; Pietzcker, ebd. S. 97 f.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 48, 106 f.; ders., DVB1. 1998, S. 669 (672); Christ, Raumordnungsziele, S. 312 ff. 101 Vgl. dazu oben Kap. 3, Β III. 3. 102 Vgl. im Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 4 BauGB a.F. Schmidt, Wirkungen von Raumordnungszielen, S. 107 f. 103 Nutzungsbeschränkungen stellen keine Teilentziehung des Eigentums dar. Vgl. dazu stellvertretend im Hinblick auf eine Schutzgebietsfestsetzung BVerfG, NJW 1998, S. 367; Vgl. auch BVerwG, NuR 1997, S. 241 (242); BVerwGE 94, S. 1 (4 ff.); BGHZ 126, S. 379 (381); BGH, ZfW 1997, S. 163 (169) jeweils m.w.N.; Krohn, FS Schlichter, S. 439 ff.; Maurer, § 26 Rn. 47 m.w.N. 104 So offenbar Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 47. 105 Vgl. Weidemann, Rechtsschutz, S. 24 f. m.w.N.; Erbguth, Probleme, S. 152; Runkel, in: Bielenberg!Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 162. 106 Vgl. dazu oben Kap. 5, A . I . l . c).

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

299

werden. 107 Auch die bereits erwähnte Aussage des Bundesverwaltungsgerichts 108 , daß Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB nicht wie Rechtssätze zu handhaben seien, muß daher bei einer abweichenden Auslegung der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB revidiert werden. Die Raumordnungsklauseln können allenfalls eine etwaige fehlende Rechtssatzform der Raumordnungsziele auffangen, wobei auch dies fraglich erscheint. 109 Die Zielbindung setzt daher zum einen eine dem Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG genügende Vorschrift voraus 110 . Ferner müssen die Institutsgarantie 111 , das Verhältnismäßigkeitsprinzip 112 und der Gleichheitssatz gewahrt bleiben. 113 Die Eigentumsbindung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG kann durch jede Rechtsnorm erfolgen, d.h. durch Gesetz und auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung auch durch untergesetzliche Rechtsnormen, d.h. durch Rechtsverordnungen oder Satzungen. 114 Im Hinblick auf die Zielbindung kann eine solche Ermächtigung zwar noch nicht allein in der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB erblickt werden, da diese Raumordnungsklausel keine näheren Anforderungen über die Aufstellung der Ziele der Raumordnung

107 Im Hinblick auf die Raumordnungsziele ist dabei festzustellen, daß sie trotz ihres konkreten Flächenbezugs abstrakt-generellen Charakter haben, vgl. dazu z.B. Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 45 ff.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 49; Bülter, Raumordnungspläne, S. 181 ff. jeweils m.w.N. Auch Bebauungspläne sind - trotz des konkreten Flächenbezugs - Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Vgl. i.E. ebenso BVerwGE 79, S. 174 (192); Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 41. 108 BVerwGE 68, S. 311, (313 f.). 109 Vgl. für die Rechtssatzform von Raumordnungszielen im Hinblick auf die Bindungswirkungen gegenüber Privaten Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs· und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 160 ff, 168 f.; indirekt Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. Offenlassend Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (30 f.); Nach Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 411, macht die zunehmende tatsächliche und rechtliche Bedeutung der Regionalpläne nicht nur für die Gemeinden, sondern auch - zumindest mittelbar - für die Bürger eine gesetzliche Regelung ihrer Rechtsform dringend erforderlich. Vgl. zu der parallelen Problematik im Hinblick auf die Bindung der Gemeinden, Bielenberg/Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 500 Rn. 27, Rn. 17; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 222 ff.; Halama, FS Schlichter, S. 201 (206 f.) jeweils m.w.N. 110 Auch Schmidt, Wirkung der Raumordnungsziele, S. 47 geht von einer Geltung des Gesetzesvorbehaltes und dem Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung unter anderem im Hinblick auf die weitgehenden Folgen der Ziele für Außenbereichsprivilegierungen aus. 111 BVerfGE 58, S. 300 (345). 112 Stellvertretend BVerfGE 58, S. 300 (338); E 87, S. 114 (138); BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 113 Hendler, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 767. 114

Stellvertretend Jarass, in: ders./Pieroth,

GG, Art. 14 Rn. 29.

3 0 0 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB enthält. Die gesetzliche Ermächtigung für die Zielaufstellung ergibt sich aber aus dem Raumordnungsgesetz und den Landesplanungsgesetzen, in denen nähere Vorgaben für die Zielaufstellung gemacht werden. Hinzuweisen ist darauf, daß im einzelnen umstritten ist, welche Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung und die Rechtssatzform für die Zielaufstellung im einzelnen zu stellen sind. 115 Die Forderungen richten sich indes in erster Linie an den Landesgesetzgeber. Im Einzelfall mag daher ein Ziel der Raumordnung aufgrund einer mangelhaften Ermächtigungsgrundlage oder fehlender Rechtssatzform nichtig bzw. im Rahmen des § 35 BauGB nicht wirksam sein. Bei der Auslegung der bundesrechtlichen Regelungen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB bzw. § 4 Abs. 4, Abs. 5 ROG ist indes von der Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage und der ausreichenden Rechtsform des Ziels der Raumordnung auszugehen, so daß Gründe des Gesetzesvorbehaltes nicht prinzipiell gegen eine strikte Zielbindung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB sprechen. 116 Die strikte Zielbindung ist auch im Hinblick auf die Institutsgarantie insofern verfassungsrechtlich unbedenklich, als sie dem Grundstückseigentum nicht seine Privatnützigkeit nehmen, da das Grundstück zu vielen zielgemäßen Nutzungen verwendet werden kann und auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Grundstückseigentümers über das Grundstück nicht entfällt. Gegen eine strikte negative Zielbindung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB wird allerdings angeführt, daß hierbei dem aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Recht auf Baufreiheit, das durch die gesetzlichen Planungstatbestände des § 35 BauGB konkretisiert werde, nicht hinreichend Rechnung getragen werden könne. 117 Die Raumordnungsplanung sei aufgrund ihres überörtlichen Planungsauftrages und des großräumigen Bezuges nicht dazu in der Lage, die individuellen privaten Belange und insbesondere Grundrechte hinreichend zu berücksichtigen. 118 Aus diesem Grund müsse die Genehmigungsbehörde einen Abwägungsspielraum besitzen, um im Einzelfall den konkreten privaten Belange gerecht zu werden. 119 Der Sache nach werden 115

Vgl. dazu unten Kap. 7 A. Vgl. unten zu der speziellen Frage, inwieweit eine gesetzliche Ermächtigung für bestimmte Aussagetypen von Raumordnungszielen erforderlich ist, unten Kap. 7, A. 117 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 47 ff.; ders., DVB1. 1998, S. 669 (672); Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 94. 118 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 47 ff. 119 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 51; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 162 f.; Vgl. auch Christ, Raumordnungsziele, S. 360 ff. (364), der zwar eine Zielbeachtung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 1 BauGB a.F. annimmt, aber über den Begriff der Raumbedeutsamkeit eine Feinsteuerung vornimmt, um den eigentumsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Für eine auf wenige Ausnahmefälle bezogene Relativierung der Zielbindung auch Wagner, UPR 1996, S. 370 (375). 116

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

301

mithin Argumente der Verhältnismäßigkeit gegen die Zielbeachtenspflicht angeführt, weil die Ziele der Raumordnung nicht in jedem Einzelfall verhältnismäßig für den einzelnen Grundstückseigentümer seien. Es leuchtet indes nicht ein, warum ein entsprechender Abwägungsspielraum bei der einzelnen Zulassungsentscheidung eingeräumt werden muß, obwohl die Ziele der Raumordnung im übrigen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen strikt zu beachten sind. Es ist zutreffend, daß die Beschränkung des Kiesabbaus im Außenbereich durch die Festlegung von Zielen der Raumordnung nur zulässig ist, wenn dies im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums verhältnismäßig und der Gleichheitssatz gewahrt ist. Die Ziele der Raumordnung müssen daher durch ein öffentliches Interesse getragen sein, das die Beschränkung der Grundeigentumsnutzung im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums rechtfertigt. Diesem Gesichtspunkt muß allerdings bereits im Rahmen der Abwägung bei der Zielaufstellung Rechnung getragen werden und nicht erst im Nachhinein bei der Zulassungsentscheidung. Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans, der seinerseits auch als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu qualifizieren ist 1 2 0 , kann die Gemeinde schließlich auch nicht die Ziele der Raumordnung mit der Begründung übergehen, diese würden im Einzelfall nach Gewichtung und Abwägung von den für ein anderes Projekt sprechenden privaten Interessen verdrängt. 121 Es mag zwar sein, daß den konkreten privaten Belangen auch bei der parzellenscharfen Konkretisierung durch einen Bebauungsplan zum Teil Rechnung getragen werden kann. Dies dürfte allerdings nur in der Randlage des Vorranggebietes möglich sein und auch nur dann, wenn es sich nicht um eine parzellenscharfe Festlegung handelt. 122 Auch im Zentrum einer Standortplanung kann demgegenüber von einem entsprechenden Ausgestaltungsspielraum nicht die Rede sein. 123 In einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan kann daher auch kein zielwidriges Vorhaben innerhalb eines Vorranggebietes dargestellt werden. Es ist selbstverständlich, daß an die Ziele der Raumordnung als verbindliche raumordnerische Vorgaben strenge Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zu stellen sind, zu denen insbesondere auch eine umfassende, den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips gerecht werdende Abwägung zu zählen ist. Diese Problematik ist allgemeiner Natur und tritt allen120

Z.B. Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 41. Diese Unstimmigkeit nimmt Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 264 f., offenbar in Kauf, wenn er feststellt, daß durchaus Fälle denkbar seien, in denen ein privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB trotz Widerspruchs zu den Raumordnungszielen genehmigt werden müsse, obwohl ein dieses Vorhaben zulassende Bebauungsplanung wegen Verstoßes gegen das Zielanpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB rechtswidrig wäre. 122 BVerwGE 90, S. 329 (337). 123 Vgl. ungenau daher Christ, Raumordnungsziele, S. 157 ff. 121

3 0 2 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB falls am Beispiel der strikten Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung im Hinblick auf die Genehmigung raumbedeutsamer Außenbereichsvorhaben besonders anschaulich zutage. Eine strikte Zielbindung kann nur von rechtmäßigen Zielen der Raumordnung ausgehen, wobei die Träger der Raumordnungsplanung dem Gebot rechtsstaatlicher Abwägung auch bei der Ausgestaltung der Raumordnungsziele gerecht werden müssen. Wenn sie sich nicht in der Lage sehen, alle relevanten privaten konkreten Belange in die Abwägung einzustellen, müssen sie beispielsweise von der Aufstellung räumlich und sachlich sehr konkreter Ziele der Raumordnung absehen, sofern diese aufgrund des geringen Konkretisierungsspielraums eine angemessene Berücksichtigung privater Belange im Rahmen der Detailplanung nicht mehr zulassen. Hinzuweisen ist ferner auf die Möglichkeit zielförmiger Ausnahmeregelungen für Sonderfälle, die für alle Adressaten der Raumordnungsziele gleichermaßen gelten. 124 Häufig wird aber ein überörtliches und überfachliches Interesse daran bestehen, daß ein sehr konkretes Ziel der Raumordnung aufgestellt und auch nicht durch weitere Ausnahmeregelungen relativiert wird. Würde beispielsweise eine Standortvorsorgeplanung zugunsten eines Kraftwerks im nachhinein gänzlich in Frage gestellt werden können, weil ein anderes Vorhaben an dem besagten Standort mit Hinweis auf die intensiven privaten Interessen zugelassen werden würde und das Kraftwerk infolgedessen auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichsten Projektvarianten dort nicht mehr errichtet werden kann, würde das raumplanerische Gesamtkonzept als Ganzes aus den Fugen geraten. Die Träger der Raumordnungsplanung müssen daher in solchen Fällen bereits bei der Aufstellung des Ziels die privaten Belange hinreichend berücksichtigen. Wenn rechtmäßige 125 konkrete Ziele der Raumordnung vorliegen, spricht insofern aber nichts gegen eine strikte Zielbindung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB. Häufig wird sich die Problematik der hinreichenden Berücksichtigung privater Belange allerdings ohnehin durch Ausnahmeregelungen entschärfen lassen. Wenn argumentiert wird, daß Vorhaben von der Zielbindung ausgenommen bleiben sollten 126 , die nicht den Anlagen entsprechen, die die Raumordnung steuern wollte, wird ebenfalls zutreffend auf den Zielinhalt abgestellt, der indes für alle Adressaten der Raumordnung gleichermaßen gilt. Auch die Problematik, daß bestimmte private Belange auf der Ebene der Raumordnung noch nicht erkennbar waren und sich später erst

124

Christ, Raumordnungsziele, S. 348 f. Infolge etwaiger Heilungs- und Präklusionsregeln können aus Gründen der Planerhaltung auch rechtswidrige Ziele der Raumordnung wirksam und mithin verbindlich sein. 126 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 457. 125

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

303

ergeben haben 127 , stellt keine Besonderheit der Bindungswirkung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen dar. Es handelt sich vielmehr um die allgemeinen Fragen der Funktionslosigkeit eine Raumordnungsplans bzw. der Zielabweichungsverfahren, die in derselben Weise im Hinblick auf die Zielbindung der Gemeinden auftreten, aber nicht über die strikte Bindungswirkung der Ziele im Normalfall hinwegtäuschen können. 128

bb) Entschädigungsfragen Möglicherweise ergeben sich indes unter entschädigungsrechtlicher Perpektive Besonderheiten für die Zielbindung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB. Aus den Regeln über den Bestandschutz des Eigentums folgt, daß manche Eigentumsbeeinträchtigungen nur rechtmäßig sind, wenn dafür eine Entschädigungsregelung vorhanden ist und Entschädigung gewährt wird. Im hier behandelten Zusammenhang rücken daher die Fragen des Bestandschutzes im baurechtlichen Außenbereich und etwaige Entschädigungspflichten ins Blickfeld.

(1) Rechtsprechung und Literatur Sofern sich die Rechtsprechung und das Schrifttum mit dieser Spezialfrage befassen, wird hierbei von zwei Prämissen ausgegangen.129 Zum einen seien Fallgestaltungen im Rahmen des § 35 BauGB denkbar, in denen die Genehmigungsversagung eines zielwidrigen Vorhabens aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend eine gesetzliche Entschädigungsregelung erfordere. 130 Dies sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall, wenn sich die Eigentumsposition verfestigt habe. 131 Zum anderen wird

127 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 457; Wagner, UPR 1996, S. 370 (375). 128 Vgl. zur Zielabweichung bei privaten Vorhaben, wenn durch die Abweichung die Grundzüge der Planung nicht berührt werden Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280). 129 BVerwGE 68, S.311 (316); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); ders., FS Weyreuther, S. 89 (104); Christ, Raumordnungsziele, S. 335, S. 366; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 233 ff., S. 265; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. Im Hinblick auf die Zielbindung im Rahmen des § 34 BauGB a.F. Grooterhorst, Wirkung der Ziele,

S. 133 ff.; Krautzberger, 130

in: Battis/ Krautzberger/Lohr,

BauGB, § 35 Rn. 72.

BVerwGE 68, S.311 (316); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); ders., FS Weyreuther, S. 89 (104); Christ, Raumordnungsziele, S. 335, S. 366; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 233 ff., S. 246, S. 265; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. 131 BVerwGE 68, 311 (316); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115). Christ, Raumordnungsziele, S. 369 ff.; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 457.

3 0 4 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB das Fehlen entsprechender Entschädigungsregelungen sowohl im Raumordnungsgesetz und den Landesplanungsgesetzen als auch im Baugesetzbuch angenommen. 132 Insbesondere könne §42 BauGB (bzw. §44 BBauG) nicht herangezogen werden. 133 Für die Vertreter einer bloßen Zielberücksichtigungspflicht ergeben sich daraus keine besonderen Probleme, da der eigentumsrechtlichen Besonderheit der infragestehenden Vorhaben im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung in der Weise Rechnung getragen werden könne, daß sie sich gegen die Ziele der Raumordnung stets durchsetzten. 134 Sofern die Literatur eine strikte Zielbindung privilegierter Vorhaben durch § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB annimmt, werden aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen allerdings Einschränkungen vorgenommen, nämlich wenn es sich um einen Nutzungsanspruch handele, der aus verfassungsrechtlichen Gründen ohne Entschädigungs- bzw. Ausgleichszahlungen nicht aufgehoben oder geändert werden könne. 135 Entweder wird dabei in diesen Fällen die Raumbedeutsamkeit des Vorhabens verneint 136 oder der Weg einer entsprechenden verfassungskonformen teleologischen Reduktion der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB eingeschlagen 137 oder die Vorschrift des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB analog angewendet, wobei dabei offenbar angenommen wird, daß daraus zugleich eine beschränkte Zielbindung folge. 138 Die Durchbrechung der strikten Bindungswirkung sei aufgrund der gesetzlichen Entscheidung hinzunehmen, obgleich dies in Einzelfällen dazu führen würde, daß die Umsetzung der Ziele der Raumordnung, die eine vorsorgliche Flächensicherung normierten, unterbleibe. 139

132 BVerwGE 68, S. 311 (316); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); Christ, Raumordnungsziele, S. 335, S. 366; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 233 ff, S. 265; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 156 ff.; a.A. Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84, mit Hinweis auf § 44 BBauG. 133 Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); Christ, Raumordnungsziele, S. 336, S. 366; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 233 ff, S. 265; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 156 ff.; entsprechend zu § 44 BBauG BVerwGE 68, S. 311 (316); vgl. demgegenüber zu § 44 BBauG als Entschädigungsregelung, wenn sich die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben aufgrund von Zielen der Raumordnung ändert, Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. 134 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 235 f. 135 Christ, Raumordnungsziele, S. 370; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115); i.E. ebenso Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 457, allerdings ohne Hinweis auf die Entschädigungsproblematik. 136 Christ, Raumordnungsziele, S. 370. 137 Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115). 138 ErbguthlWagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 457. 139 Christ, Raumordnungsziele, S. 371.

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

305

(2) Bestehen einer verfassungsrechtlich gebotenen Entschädigungspflicht im Hinblick auf eine strikte Zielbindung Zunächst gilt es zu untersuchen, inwieweit das Grundrecht aus Art. 14 GG eine Entschädigungsregel erfordert, wenn eine Nutzung im Außenbereich aufgrund der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zielwidrig und unzulässig wird. Auszugehen ist dabei von dem oben dargelegten Umstand, daß Kiesabgrabungen auch im Außenbereich grundsätzlich unter den Schutz des Grundeigentums fallen, es sei denn, es sprechen bereits wasserwirtschaftliche Belange gegen das Vorhaben. Nach der Eigentumsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts muß der Gesetzgeber den durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums verursachten Eingriff in das Grundeigentum unter Umständen 140 durch eine finanzielle Entschädigung ausgleichen (sogenannte ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung). 141 Im Unterschied zur Enteignung, die nach Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG stets einer Entschädigungsregelung bedarf, wird zwar bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung das Eigentum noch nicht entzogen, die Beschränkungen des Eigentums können aber auch besonders intensiv sein und aus diesem Grund einen Wertausgleich erfordern. 142 Eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt zum einen da vor, wo eine bereits ausgeübte rechtmäßige Nutzung ohne Überleitungsregelung verboten wird und dadurch die geleistete Arbeit und der Einsatz von Kapital von heute auf morgen entwertet wird, da dies das Vertrauen in die Beständigkeit der Rechtsordnung erschüttern würde, ohne das eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung im vermögensrechtlichen Bereich nicht möglich wäre 143 . Die Intensitätsgrenze zieht das Bundesverfassungsgericht zum anderen da, wo der Gleichheitssatz verletzt wird. 1 4 4 Der Gesetzgeber kann durch das Eigentumsgrundrecht gehalten sein, eine gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums mit einer Ausgleichsregelung zu versehen, wenn das Gesetz einzelne Rechtsträger - gemessen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am Gleich-

140

Der Gesetzgeber muß die Umgestaltung und Beseitung eines Rechts nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder Übergangsregelung abmildern. Vgl. BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368); BVerfGE 83, S. 201 (212 f.). 141 BVerfGE 58, S. 137. 142 BVerfG, NJW 1998, S. 367; BVerfGE 58, S. 137; E 83, S. 201 (212 f.). 143 BVerfGE 58, S. 300 (349 f., 338). Das Bundesverfassungsgericht ordnet diese Fallgestaltung in der Naßauskiesungsentscheidung zwar als Enteigung ein. Inzwischen qualifiziert es indes auch diese Variante des Eingriffs in Art. 14 GG als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Vgl. BVerfG, NJW 1998, S. 367 f.; BVerfGE 83, S. 201 (212 f.) 144 BVerfGE 58, S. 137. 20 Spiecker

306

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

heitssatz - übermäßig und einseitig und daher unzumutbar belastet. 145 Der Gesetzgeber muß - wenn er sich nicht zu einer gesetzlichen Neuordnung entschließt - das in Frage stehende Rechtsgebiet in bezug auf die Härtefälle der dort bestehenden Interessenlage und Beachtung der Eigentumsgarantie 146

anpassen. Im Hinblick auf die erstgenannte Kategorie der ausgleichspflichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmung kommt eine Entschädigungspflicht in Betracht, wenn es um eine bereits rechtmäßig ausgeübte Nutzung geht, die wegen Zielwidrigkeit unzulässig wird. Anders als beispielsweise Schutzgebietsfestsetzungen und Bebauungspläne wirken die Ziele der Raumordnung von vornherein nur auf zulassungspflichtige Vorhaben und insofern auch nur im Rahmen eines Zulassungsverfahrens ein. 1 4 7 Sie führen auch nicht unmittelbar zur nachträglichen Unzulässigkeit eines bereits genehmigten bzw. ausgeübten Abgrabungsvorhabens. Es gibt keine baurechtliche Norm, die in einer solchen Konstellation die Untersagung der ausgeübten Nutzung gestattet. 148 Sofern die Zielbindung lediglich bei der Zulassung neuer Vorhaben relevant wird, erscheint auch eine strikte Zielbindung mithin zunächst unproblematisch, weil insofern keine Ausgleichspflichten erforderlich zu sein scheinen. 149 Eine nähere Betrachtung erfordert allerdings die frühere Rechtsprechung 150 des Bundesverwaltungsgericht zum sogenannten aktiven Bestandsschutz und zum Anspruch aus eigentumsrechtlich verfestigter Anspruchsposition. Beiden Rechtsfiguren ist gemeinsam, daß hierbei ein unmittelbarer Zulassungsanspruch aus Art. 14 GG hergeleitet wird, obwohl das angestrebte Vorhaben nach dem geltenden Recht unzulässig ist. 1 5 1 Es fragt sich, ob sich entsprechende Ansprüche auch gegen entgegenstehende Ziele der Raumordnung behaupten können und ob anderenfalls eine Ausgleichsregelung erforderlich ist. Nach der erwähnten Rechtsprechung gewährt der aktive Bestandsschutz Ansprüche auf die Genehmigung von Instandsetzungs- und begrenzten Erweiterungsmaßnahmen für die Fälle, in denen solche Maßnahmen an sich gegen Gesetzesrecht verstoßen. 152 Der seinerzeit legal geschaffene Bestand

145

Vgl. die Nachweise bei Krohn, FS Schlichter, S. 439 (444 f.). Vgl. die Nachweise bei Krohn, FS Schlichter, S. 439 (444 f.). 147 Christ, Raumordnungsziele, S. 251. 148 Vgl. entsprechend allgemein zum einfachgesetzlichen passiven Bestandsschutz Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 368. 149 Christ, Raumordnungsziele, S. 252. 150 BVerwGE 50, S. 49 (57); BVerwGE 49, S. 365 (370). 151 Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 346 ff. 152 Vgl. dazu Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 346 ff. 146

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

307

könne sich mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG in seiner bisherigen Funktion behaupten. Dieser Bestandsschutz umfasse zweierlei, nämlich einmal den Fall, daß das bestandsgeschützte Vorhaben selbst reparaturbedürftig sei, und zum anderen den Fall, daß ein Vorhaben ausgeführt werde, weil sonst andere Baulichkeiten ihren Sinn einbüßen. 153 Im letzteren Fall komme ein Anspruch in Betracht, wenn zwischen dem vorhandenen Bestand und den seinem Schutz dienenden Maßnahmen ein untrennbarer Funktionszusammenhang besteht und wenn infolge dieses Funktionszusammenhangs der Schutz des gegebenen Bestandes ohne Zubilligung der Änderungs- oder gar Erweiterungsmaßnahmen schlechterdings gegenstandlos würde. 154 Der Anwendungsbereich des aktiven Bestandsschutzes bei Kiesabgrabungen selbst ist eher gering, weil hierbei anders als bei baulichen Anlagen - z.B. bei dem ebenfalls privilegierten Betriebsgebäude für eine Kiesgrube - z.B. keine Reparaturen anfallen und auch kein Funktionszusammenhang zwischen der bestehenden Kiesgrube und einer erstrebten zusätzlichen Ausbeute anzunehmen ist, zumal ein allgemeines betriebswirtschaftliches Interesse an der weiteren Ausbeutung dafür nicht ausreicht, und zwar selbst dann nicht, wenn ohne dieses Vorhaben der Betrieb etwa in Ermangelung geeigneter anderer Abbauflächen - zum Erliegen kommt. 155 Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 156 wird nach der Rechtsfigur der eigentumsverfestigten Anspruchsposition desweiteren für eine bisher nicht verwirklichte Nutzung Schutz gewährt, auf die einmal ein Anspruch auf Zulassung bestand, wenn sich dieser Anspruch in der Weise verfestigt hat, daß sich die Nutzung nach der Verkehrsauffassung aus der gegebenen Situation geradezu aufdrängt. 157 Eine derart rechtlich und tatsächlich verfestigte Nutzungsbefugnis könne durch Rechtsätze nicht ohne Entschädigungsregelung entzogen werden, so daß beim Fehlen von Entschädigungsregeln die Genehmigungsansprüche fortbestünden. 158 In ähnliche Richtung geht auch die Rechtsprechung des B G H 1 5 9 , die eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung 160 annimmt, wenn sich eine ursprünglich zulässige

153

BVerwGE 50, S. 49 (57). BVerwGE 49, S. 365 (370). 155 Vgl. entsprechend zum Abbau von Schaumlava, BVerwGE 49, S. 365 (370). 156 Stellvertretend BVerwGE 26, S. 111 (117 f.); E 49, S. 365 (372). 157 Vgl. Stellvertretend BVerwGE 47, S. 216 ff.; BVerwGE 67, S. 84. 158 Vgl. Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 353. 159 BGHZ 60, S. 126 (130 f.); BGHZ 77, S. 351 ff.; BGH, NVwZ 1984, S. 819 (821). Weitere Rechtsprechungsnachweise bei Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 385 ff. 160 Der BGH hat seine frühere, mit der Naßauskiesungsentscheidung nicht im Einklang stehende Qualifizierung solcher Nutzungsbeschränkungen als Enteigungen 154

3 0 8 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB Nutzungsbefugnis von der Sache her, nach den Gegebenheiten der örtlichen Lage und Beschaffenheit des Grundstücks bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise anbiete und diese nicht ausgeübte Befugnis sodann hoheitlich untersagt oder wesentlich eingeschränkt würde. Dies gelte auch für Kiesabgrabungen, sofern wasserrechtliche Belange nicht entgegenstünden.161 Im Hinblick auf die baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich hat das Bundesverwaltungsgericht seine dargelegte Rechtsprechung inzwischen ausdrücklich aufgegeben, wonach es unabhängig vom einfachgesetzlichen Recht einen Zulassungsanspruch unmittelbar aus Art. 14 GG gebe. Ein über die Vorschriften des § 35 BauGB hinausgehender Bestandsschutz existiere ebensowenig wie ein Anspruch unmittelbar aus eigentumskräftig verfestigter Anspruchsposition. 162 Es sei die grundsätzliche Aufgabe des Gesetzgebers, im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die grundrechtlich gebotenen und zulässigen Regelungen über Inhalt und Schranken des Eigentums zu treffen. Verfehle er dies, so stelle sich die Frage nach der Verfassungswidrigkeit seiner getroffenen Entscheidung.163 Was diesen Wendepunkt in der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anbelangt, ist insofern wesentlich, daß das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, daß der Gesetzgeber inzwischen die Fälle, für die die Rechtsfiguren des aktiven Bestandsschutzes und der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition vornehmlich geschaffen wurden, inzwischen gesetzlich geregelt habe, wobei insbesondere auf die Vorschrift des § 35 Abs. 4 BauGB, die die sogenannten begünstigten Vorhaben betrifft, als auch auf das Planungsschadensrecht der §§ 40 ff. BauGB verwiesen wird. 1 6 4 Dabei fällt allerdings auf, daß die Vorschrift des § 35 Abs. 4 BauGB nur auf Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB, nicht aber auf privilegierte Vorhaben abstellt. Dies erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber offenbar keinen Regelungsbedarf bei den privilegierten Vorhaben sah, weil deren Zulassung ohnehin im Außenbereich bevorzugt ist. Bei einer strikten Zielbindung privilegierter Vorhaben ist allerdings fraglich, ob in diesem Fall erneut auf die Rechtsfiguren des aktiven Bestandsschutzes und der eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition zurückzugreifen ist - und sei es auch nur in Form

aufgegeben. Vgl. entsprechend im Zusammenhang mit der Festsetzung von Wasserschutzgebieten dazu BGH, ZfW 1997, S. 88 (90 ff.); ZfW 1997, S. 163 (168 ff.) m.w.N. Vgl. zur Rechtsprechung des BGH auch Breuer, NuR 1996, S. 537 (539, 544). 161 BGH, NVwZ 1984, S. 819 (821). Christ, Raumordnungsziele, S. 277 Fußnote 460. 162 Vgl. BVerwGE 85, S. 289 (294); E 88, S. 191 (203); BVerwG, NVwZ 1998, S. 357 f.; DÖV 1998, S. 600. 163 BVerwGE 88, S. 191 (203). 164 BVerwGE 85, S. 289 (294); BVerwG, DÖV 1998, S. 600 (603).

Α. Wirkungen der Ziele im Rahmen des § 35 BauGB

309

der verfassungskonformen Auslegung der Zielbindungsvorschrift des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB. 1 6 5 Das Bundesverwaltungsgericht sieht zwar seine frühere Auffassung als endgültig überwunden an 1 6 6 , könnte dabei aber die besondere Problematik der Zielbindung im Rahmen des § 35 BauGB übersehen haben. Zunächst sind einige Überlegungen darüber anzustellen, welche Anforderungen das Verfassungsrecht nach der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik wirklich stellt, wenn ein Vorhaben wegen Zielwidrigkeit unzulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesichtspunkt der bereits ausgeübten Nutzung im Hinblick auf den Vertrauensschutz als wesentlich dafür angesehen, ob eine Inhalts- und Schrankenbestimmung mit einer Ausgleichsregelung versehen werden muß. Eine ausgeübte Nutzung als Vertrauensgrundlage kann indes nicht weiter reichen als der von dem Berechtigten zu diesem Zeitpunkt in ein konkretes Verwaltungsverfahren eingeführte Nutzungsumfang. 167 Der Bestandsschutz für bauliche Anlagen gegenüber Änderungen der Baurechtsordnung erstreckt sich aus der verfassungsrechtlichen Sicht des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nur auf ihren genehmigten Bestand und ihre genehmigte Funktion. 168 Er erfaßt grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von den die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt ist. 1 6 9 Legt man diese verfassungsgerichtlichen Grundsätze zugrunde, ist der Umfang eines verfassungsrechtlich gebotenen aktiven Bestandsschutzes eher gering anzusehen und allenfalls im geringen Umfang bei den bereits erwähnten Modernisierungs- und Reparaturmaßnahmen zu erblicken, aber nicht bei der Erweiterung einer bestehenden Kiesgrube oder bei einer Neuzulassung. 170

165 In diese Richtung gehend Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl, Rn. 457. Sendler, WiVerw 1993, S. 235 (253 ff.), geht davon aus, daß die Rechtsprechung den Gedanken eines unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gestützten richterrechtliche Bestandsschutz nur insoweit aufgegebenen habe, als gesetzliche Regelungen vorhanden sind, im übrigen aber nicht. Vgl. zur Problematik, inwieweit die Rechtsfigur des aktiven Bestandsschutz als Ausdruck der verfassungskonformen Auslegung von Zulassungstatbeständen anzusehen sind, Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 350 f. 166 So ausdrücklich im Hinblick auf einen erweiterten Bestandsschutz über die in § 35 Abs. 4 BauGB geregelten Fälle hinaus, BVerwG, DÖV 1998, S. 600 (603). A.A. Sieckmann, NVwZ 1997, S. 853 (856 f.). 167 BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 168 BVerfG, NVwZ-RR 1996, S. 483. 169 BVerfG, NVwZ - RR 1996, S. 483. 170 Vgl. auch BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368).

3 1 0 F ü n f t e s Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB Wenn demgegenüber geltend gemacht wird, die dynamische Eigenart der Bodenschätzegewinnung erfordere einen weitergehenden Bestandsschutz für eine bestehende Kiesgrube und erstrecke sich auch auf noch nicht abgebaute Felder 171 , so wird die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung verkannt. 172 Die Bestandsgarantie erfaßt bei einer ausgeübten Grundstücksnutzung den rechtlichen und tatsächlichen Zustand, der im Zeitpunkt der hoheitlichen Maßnahme besteht. 173 Sie gibt aber keinen Anspruch darauf, über den hiernach geschützten räumlichen Bereich hinauszugreifen. 174 Der Gesichtspunkt des Vertrauenschutzes bei Erweiterung, Änderung und Neuerrichtung eines Außenbereichsvorhabens greift mithin bei Kiesabgrabungen nicht ein und kann lediglich bei Betriebsgebäuden relevant werden. Auch die übrigen Fälle und Argumente bedürfen einer kritischen Überprüfung, die gerade im Zusammenhang mit der Bodenschätzegewinnung für eine sich aufdrängende Nutzung angeführt werden, z.B. die Standortgebundenheit der Rohstoffgewinnung an sich 1 7 5 , die Tatsache, daß sich der erwartete Rohstoffabbau schon im Verkehrswert niedergeschlagen habe 176 , die günstige Lage des Grundstücks etwa an einer Bahnlinie wegen der Transportvorteile 177 , das geringe Alter eines Betriebes im Hinblick auf die Amortisierung der getätigten Investitionen 178 sowie der Umstand, daß sich in der Nähe eines Abbauvorhabens bereits Abbaustätten befinden, so daß mit einem Abbau an dem geplanten Standort allgemein gerechnet werden konnte 179 . Entscheidend könnte auch sein, wenn der Antragsteller bereits nach außen erkennbare Vorbereitungen getroffen habe und auf die Zulässigkeit der Abgrabung vertraut habe. 180 Ein Abgrabungsvorhaben dränge sich allerdings nicht auf, wenn eine Fläche bereits forstwirtschaftlich genutzt werde und in einer stadtnahen, besonders reizvollen Heidelandschaft liege. 181 Die in der oben erwähnten Rechtsprechung zur eigentumsrechtlich verfestigten Anspruchsposition zum Ausdruck kommende Anerkennung eines über die bereits ausgeübte Nutzung hinausgehenden besonderen Eigentums-

171

Hoppe, DVB1. 1982, S. 101 (106). Vgl. auch BVerfGE 58, S. 300 (352). 173 Vgl. auch BVerfGE 58, S. 300 (352). 174 Vgl. auch BVerfGE 58, S. 300 (352); BVerwGE 67, S. 84 (92). 175 Hoppe, DVB1. 1982, S. 101 (106). 176 Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 21. 177 LG Verden, NuR 1982, S. 119 (120); vgl. auch BGH, NuR 1984, S. 198 ff.; Christ, Raumordnungsziele, S. 275. 178 Christ, Raumordnungsziele, S. 275. 179 Ansatzweise BVerwGE 67, S. 84 (92); BGH, NuR 1984, S. 196 ff. 180 BVerwGE 67, S. 84 (88). 181 BVerwGE 67, S. 84 (92). 172

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311

schutzes erscheint im Hinblick auf die bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik allenfalls insoweit gerechtfertigt, als es hierbei um Eigentumsbeeinträchtigungen geht, die im Hinblick auf den Gleichheitssatz ausgleichspflichtig sein müssen.182 Auch in Bezug auf die Zielbindung ist es durchaus denkbar, daß ein Ziel der Raumordnung den Eigentümer eines Außenbereichsgrundstücks besonders empfindlich trifft, so daß eine strikte Zielbindung ohne Entschädigungsregelung unverhältnismäßig und gleichheitswidrig erscheint. Allerdings werden auch die konkreten Ziele der Raumordnung fast immer ohnehin nur dort festgelegt, wo auch aufgrund der bestehenden Situation gerade eine aus überörtlicher Perspektive wichtige Nutzung an dieser Stelle notwendig ist. Anders läßt sich die Gebiets- oder Parzellenschärfe des Ziels nämlich regelmäßig nicht rechtfertigen. 183 Im Hinblick auf das konkrete beantragte, zielwidrige Vorhaben kann daher schon aus der Situation folgen, daß es sich nicht um eine sich aufdrängende Nutzung handelt. Wo die Ziele der Raumordnung demgegenüber einen stärkeren eigenständigen raumplanerischen Aussagegehalt aufweisen, darf auch bei der Anwendung des Gleichheitssatzes nicht unberücksichtigt bleiben, daß die in den Zielen der Raumordnung verkörperten raumordnerischen Belange einen sachlichen Grund für eine Differenzierung darstellen. Die überregionale Bedeutung eines Grundstückes, das für eine Vorrangausweisung vorgesehen ist, und das Bedürfiiis nach einer raumordnerischen Gesamtplanung werden die Versagung einer Genehmigung in aller Regel im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums auch dann als verhältnismäßig erscheinen lassen, wenn eine Entschädigung nicht gewährt wird. 1 8 4 Bereits bei der Zielaufstellung im Wege des Abwägungsgebotes müssen ferner sowohl das Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch der Gleichheitssatz berücksichtigt werden. Wenn ein Vorhaben raumwirksame Auswirkungen hat und einem sehr konkreten Ziel der Raumordnung und mithin dem raumordnerischen Gesamtkonzept widerspricht, wird es regelmäßig auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, die raumbedeutsame Nutzung entschädigungslos zu verbieten. Aus dem Dargelegten folgt, daß nur wenige Fälle übrig bleiben, bei denen die Problematik der verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichspflicht im Hinblick auf die Zielbindung bei der Zulassung von Kiesgruben nach § 35 BauGB in Betracht kommt. Völlig auszuschließen sind entsprechende atypische

182

In diese Richtung gehend ansatzweise auch Erbguth, NuR 1986, S. 137 (138 f.). Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 1. a). 184 Vgl. zur Festlegung einer Schutzgebietsausweisung ohne Entschädigungsregelung, die u.a. im Hinblick auf die überregionale Bedeutung der in Schutz genommenen Flächen und gemessen am sozialen Bezug und der sozialen Bedeutung des Eigentumsobjekts sowie im Blick auf den Regelungszweck nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368). 183

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB Fälle aber nicht. 185 Als Beispiel mag eine Modernisierung oder geringfügige angemessene Erweiterung eines im Außenbereich bereits vorhandenen Betriebsgebäudes im Zusammenhang mit einer Kiesabgrabung gelten 186 und wenn der Kiesabbauunternehmer ein in jeder, insbesondere auch wasserwirtschaftlicher Hinsicht genehmigungsfähiges Vorhaben schon vor der Zielaufstellung beantragt hat 1 8 7 und er zudem mit der Genehmigung sicher rechnen konnte, weil auch in der Umgebung zahlreiche Kiesabgrabungen vorhanden waren und genehmigt wurden 188 . In aller Regel wird es sich allerdings bei den entsprechenden Vorhaben nur um geringfügige Vorhaben handeln können, die schon aufgrund ihrer geringen räumlichen Auswirkungen nicht raumbedeutsam und bereits aus diesem Grund nicht von der Zielbindung erfaßt sind. Ob es darüberhinaus überhaupt auch um raumbedeutsame Vorhaben gehen kann, erscheint durchaus zweifelhaft.

(3) Lösungsmöglichkeiten Gesetzt den Fall, daß ein konkretes Ziel in seltenen Ausnahmefällen dazu führt, daß ein raumbedeutsames Kiesabbauvorhaben bzw. eine Betriebsgebäudeerweiterung im Außenbereich infolge der Aufstellung von Zielen der Raumordnung unzulässig wäre und dies außerdem aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ohne Ausgleichsregelung erlaubt wäre, liegt es nahe, die genannten Fälle von der strikten Zielbindung auszunehmen, wobei als Nachteil in Kauf genommen wird, daß die durch die Zielfestlegung bezweckte Flächensicherung nicht uneingeschränkt gewährleistet ist. 1 8 9 Sofern zu diesem Zweck eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BauGB vorgeschlagen wird 1 9 0 , ist darauf hinzuweisen, daß die Vorschrift nunmehr ausdrücklich vorsieht, daß die jeweiligen Vorhaben abgesehen von den ausdrücklich erwähnten Belangen außenbereichsverträglich i.S.d. § 35 185

Christ, Raumordnungsziele, S. 222. Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 457. 187 Ob aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangs- oder Ausgleichsregelung notwendig ist, macht das Bundesverfassungsgericht, NJW 1998, S. 367 (368), davon abhängig, ob der Nutzungsumfang des Vorhabens bereits in ein konkretes Verwaltungsverfahren eingeführt wurde. Aus dieser Formulierung könnte man schließen, daß schon der Antrag auf Genehmigung ausreicht. 188 Vgl. allerdings zur fehlenden Anspruchsverfestigung eines Genehmigungsanspruchs für ein privilegiertes Vorhaben, weil der Bebauungsanspruch nach § 35 BauGB unter dem Vorbehalt sich ständig wandelnder öffentlicher Belange stehe, Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 127; Paßlick, Ziele der Raumordnung, 186

S. 246; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, 189 190

BauGB, § 42 Rn. 35.

Christ, Raumordnungsziele, S. 371. Christ, Raumordnungsziele, S. 370; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1115).

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Abs. 3 BauGB sein müssen. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB gelten die Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB daher auch für begünstigte Vorhaben, so daß auch mit einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB nichts gewonnen wäre. 191 Daß der Gesetzgeber die Raumordnungsziele im Rahmen des § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB nicht erwähnt hat, könnte zwar mit der Einsicht zusammenhängen, daß die genannten begünstigten Vorhaben nicht raumbedeutsam sind 192 , dieser Umstand vermag aber nicht den völlig eindeutigen Wortlaut der Vorschrift entkräften. Als dogmatische Konstruktion für die beschränkte Zielbindung kommt daher nur eine verengende Auslegung der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB in Betracht oder die Forderung, daß das Ziel der Raumordnung selbst mit einer entsprechenden Ausnahmeregelung versehen werden muß. Daß eine Beschränkung der Zielbindung im Hinblick auf den Grundeigentumsschutz in den erwähnten Fällen zwingend sei 193 , bedarf allerdings einer näheren Betrachtung. Eine nähere Untersuchung verdient zunächst das behauptete Fehlen einer Entschädigungsregelung. Insofern ist festzustellen, daß das Raumordnungsgesetz und die Landesplanungsgesetze keine Regelungen enthalten, auf die Dritte einen Anspruch für landesplanerische Planungsschäden stützen könnten. Die Landesplanungsgesetze kennen nur Vorschriften, nach denen Ersatzleistungen an die Gemeinde gezahlt werden, wenn diese einen Dritten gemäß §§ 39 ff. BauGB entschädigen muß, weil sie einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan auf Verlangen der zuständigen Landesplanungsbehörde an die Ziele der Raumordnung geändert oder aufgehoben hat. 194 In Betracht kommt daher zunächst die Anwendung der Entschädigungsregelung des § 42 BauGB. Der Wortlaut ließe dies zu, da nach Maßgabe dieser Vorschrift Entschädigung zu leisten ist, wenn die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder geändert wird. 1 9 5 Daß dabei grundsätzlich auch 191 Die in Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 2. Aufl., Rn. 457, vertretene Auffassung wird in der 3. Auflage des Werkes nicht mehr erwähnt. Die Problematik findet dort keine Erwähnung mehr. 192 Vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte zum BauGB a.F., wonach die begünstigten Vorhaben nicht von der Zielbindung erfaßt sein sollten, Ausschußbericht, BT-Drs. 10/6166, S. 132. Stellvertretend Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (600); Schrödter, in: Schrödter, Baugesetzbuch, § 35 Rn. 78; Erbguth, Bauplanungsrecht, S. 141 Fn. 216; Hoppe, FS Weyreuther, S. 101 jeweils m.w.N. 193 So Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 457. 194 Z.B. Art. 28 BayLplG, § 26 NROG; § 24 RhPfLPIG. Bemerkenswert ist, daß den Gemeinden hierbei nur die Entschädigungslast abgenommen wird, wenn sie die Ziele auf Verlangen der zuständigen Raumordnungsbehörde umgesetzt haben. 195 Vgl. entsprechend im Hinblick auf § 44 BBauG, Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 84. Soweit Raumordnungsziele im Rahmen des gesetzlichen Tatbestands des § 35 BauGB die bisherige Situation verändern, seien daraus resultierende enteigende Wirkungen durch § 44 BauGB entschädigungsrechtlich abgesichert.

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Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Änderungen der zulässigen Nutzung im Außenbereich erfaßt sein sollen, kann angesichts der eindeutigen Formulierung nicht ernsthaft bezweifelt werden. 196 Im Hinblick auf eine lediglich beschränkte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB ist zwar bisher abgelehnt worden, daß die Ziele der Raumordnung dazu in der Lage seien, eine Änderung der zulässigen Nutzung i.S.d. § 42 BauGB herbeizuführen. 197 Dies mag auch die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers gewesen sein. Der Wortlaut des § 42 BauGB enthält eine entsprechende Beschränkung indes nicht und ist auch einer weitergehenden Auslegung zugänglich, die eine zwischenzeitliche Verstärkung der Zielbindungswirkung berücksichtigt. Eine Änderung der zulässigen Nutzung kann daher grundsätzlich auch vorliegen, wenn die Aufstellung der Ziele der Raumordnung infolge einer strikten Zielbindung dazu führt, daß eine ursprünglich zulässige Außenbereichsnutzung nunmehr unzulässig wird und dies eine Entschädigungspflicht auslöst. Die Schwierigkeiten der Anwendung des § 42 BauGB besteht allerdings darin, daß hierbei die Gemeinden für einen Planungsschaden aufkommen müssen, den sie nicht selbst verursacht haben. Nach dem geltenden Landesplanungsrecht würde ihnen die Entschädigungslast auch nicht abgenommen. Es wäre insofern Sache des Landesgesetzgebers, einen Rückgriffsanspruch der Gemeinde auch in diesem Fall gegen das Land zu normieren. 198 Sofern demgegenüber die Regelung des § 42 BauGB gleichwohl ihrer ursprünglichen Intention entsprechend dahingehend ausgelegt wird, daß hierbei lediglich Entschädigung für solche Nutzungsänderungen geleistet werden sollen, die durch Bebauungspläne der Gemeinde, aber nicht durch Ziele der Raumordnung vollzogen werden 199 , ist zu überlegen, ob im Hinblick auf die hier interessierenden Fälle auf die Erstplanungspflicht der Gemeinde nach § 1 Abs. 4 BauGB zurückzugreifen ist. Die Gemeinde mllßte daher im Hinblick auf die weitreichende Wirkung der Ziele der Raumordnung einen Bebauungsplan aufstellen, damit der Grundstückseigentümer in den Genuß der Entschädigungs196

I.E. ebenso Battis, in: Battisi Krautzberger!Lohr,

BauGB, § 42 Rn. 4; Schrödter,

Baugesetzbuch, § 42 Rn. 61; Differenzierend Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 42 Rn. 37 sowie Gaentzsch, Baugesetzbuch, § 42, Rn. 5, wonach es z.B. darauf ankommt, ob das Außenbereichsvorhaben bereits beantragt ist. Im Hinblick auf die Gesetzgebungsgeschichte lehnen die Anwendung des § 42 BauGB pauschal auf Außenbereichsvorhaben ab: Christ, Raumordnungsziele, S. 336; Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 156 ff. 197

Z.B. Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

BauGB, § 42 Rn. 32; Battis, in:

Battis! Krautzberger!Lohr, Baugesetzbuch, § 42 Rn. 5. 198 Vgl. zur Lückenhaftigkeit der Regelungen über den Ausgleich landesplanerischer Planungsschäden Grotefels, in: Hoppe!Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 4 Rn. 29. 199

So Breuer, in: Schrödter, Baugesetzbuch, § 42, Rn. 66 ff.; Bielenberg, in:

ErnstIZinkahn!Bielenberg, BauGB, § 42 Rn. 53 ff.; Koch, in: ders./Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 241 m.w.N.

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regelung des § 42 BauGB kommt. Insofern ist darauf hinzuweisen, daß eine gewissermaßen entschädigungsrechtlich motivierte Bebauungsplanung dem Städtebaurecht auch im übrigen nicht gänzlich fremd ist. 2 0 0 Mit dem Rückgriff auf die Erstplanungspflicht der Gemeinden würden allerdings auch die Umsetzungsprobleme wieder aufbrechen, die der Gesetzgeber durch die Normierung einer direkten Bindungswirkung der Ziele gerade vermeiden wollte. Nimmt man die strikte Bindungswirkung nach § 35 BauGB als vom Gesetzgeber gegeben hin, ließe sich ferner argumentieren, daß die Länder das Problem der Entschädigung in der Weise zu lösen hätten, daß sie beispielsweise eine salvatorische Entschädigungsklausel in ihre Landesplanungsgesetze für die Fälle aufnehmen müßten, daß die Ziele der Raumordnung aufgrund einer strikten Bindungswirkung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen so einschneidende Wirkungen entfalten, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen Entschädigung zu leisten ist. 2 0 1 Die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zeigen auf, daß entschädigungsrechtliche Gründe nicht prinzipiell gegen eine strikte Zielbeachtenspflicht im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB sprechen, sondern allenfalls zu einer geringfügigen Durchbrechung in seltenen Ausnahmefällen führen. Das Problem einer Entschädigungspflicht stellt sich in den meisten Fällen schon deshalb nicht, weil sich die aus der Sicht des Grundeigentums kritischen Fälle wegen ihrer geringen Raumwirkung nicht als raumbedeutsam erweisen und bereits aus diesem Grund nicht von der Zielbindung erfaßt sind. Denn die Ziele der Raumordnung werden regelmäßig dort aufgestellt, wo die Situation des Grundstücks dies ohnehin nahelegt. Im übrigen erscheint innerhalb der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten die letzte als die planungssystematisch konsequenteste.

200 Vgl. insofern zur sogenannten Einbeziehungsrechtsprechung, wonach jedenfalls die Größe eines Bebauungsplans von entschädigungsrechtlichen Fragen mitbestimmt sein kann, wenn infolge der Planung erhebliche nachbarschaftliche Kollisionen, insbesondere durch Emissionen zu erwarten sind. In diesem Fall kann es notwendig sein, daß die betroffenen Nachbargrundstücke in das Gebiet des neuen Bebauungsplans miteinbezogen werden müssen, damit den Eigentümern die verfassungsrechtlich gebotene Entschädigung des § 42 BauGB zugute kommt. Vgl. z.B. BVerwGE 47, S. 144 (153); Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, §42 Rn. 75; Breuer, Schrödter, BauGB, § 42 Rn. 76, Rn. 93 jeweils m.w.N. 201 Vgl. zu diesen Überlegungen auch Christ, Raumordnungsziele, S. 371 Fußnote 174, der allerdings kompetenzrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine solche landesrechtliche Regelung geltend macht, aber außerdem davon ausgeht, daß § 47 Abs. 2 NatSchG BW eine Entschädigung auch für den Fall vorsehe, daß die naturschutzrechtliche Genehmigung für einen eigentumskräftig verfestigten Anspruch auf Abgrabung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG BW) wegen Unvereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung versagt werde (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG BW).

in:

316

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB f) Ergebnis

Die verschiedenen Auslegungsmethoden kommen mithin zu dem einheitlichen Ergebnis, daß § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB im Sinne einer strikten Negativwirkung auszulegen ist. Wenn ein raumbedeutsames Vorhaben gegen die Ziele der Raumordnung im Widerspruch steht, ist die Behörde folglich strikt verpflichtet, die Genehmigung zu versagen, so daß für eine nachvollziehende Abwägung insofern kein Raum bleibt. Eine Beschränkung der Zielbindung kann sich allerdings aus den Zielen der Raumordnung selbst ergeben, z.B. im Hinblick auf Ausnahmeregelungen. Von der Zielbindung sind ferner diejenigen Vorhaben ausgeschlossen, bei denen die Versagung der Genehmigung aus verfassungsrechtlichen Gründen ausnahmsweise nicht ohne Entschädigung möglich ist. Letzteres ist allerdings nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen und nur dann erforderlich, solange in den Landesplanungsgesetzen keine ausreichenden Entschädigungsregelungen vorhanden sind.

II. § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB Nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB stehen öffentliche Belange einem privilegierten 202 raumbedeutsamen Vorhaben nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung in Raumordnungsplänen abgewogen worden sind. Die Vorschrift legt den Zielen der Raumordnung eine vorhabenfördernde, d.h. positive Wirkung bei. 2 0 3 Diese geht zwar nicht soweit, daß die Übereinstimmung des Vorhabens mit der zielförmigen Standortfestlegung zugleich bedeutet, daß das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist. 2 0 4 Es können aber bestimmte Belange, die bereits der raumordnungsplanerischen Abwägung zugrundegelegen haben, dem Vorhaben nicht mehr im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung des § 35 Abs. 1 BauGB entgegengehalten werden. 205

202 Christ, Raumordnungsziele, S. 348 f. Vgl. zur Positivwirkung von Zielen der Raumordnung gegenüber Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 56 f.; Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 87 b. 203 Stellvertretend Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 87 a.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 41; Vgl. zur Rechtslage vor Erlaß der Regelung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB Grooterhorst, Wirkung der Ziele, S. 82 f. Durch die Positivwirkung unterscheiden sich die Ziele der Raumordnung im übrigen von Darstellungen im Flächennutzungsplan, die lediglich verhindernde Wirkung im Rahmen des § 35 BauGB haben können. Ungenau daher Büllesbach, Abgrabungen, S. 239. 204 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 151. 205 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (672).

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e im Rahmen des § 35 BauGB

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Liegen die Vorausetzungen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB vor, erfüllen die Ziele der Raumordnung hinsichtlich dieser Belange somit die Funktion einer Problemabschichtung. 206 Das privilegierte raumbedeutsame Vorhaben kann dann nur noch aufgrund solcher öffentlicher Belange versagt werden, die dem Vorhaben entgegenstehen und die bei der Darstellung des Vorhabens als Ziel der Raumordnung nicht abgewogen worden sind. Die Abwägungsabschichtungsklausel dient der Verwaltungsvereinfachung, indem die Ergebnisse der landesplanerischen Prüfung für das weitere Genehmigungsverfahren nutzbar gemacht werden. 207

1. Tatbestandliche

Voraussetzungen

a) Darstellung von Kiesabbauvorhaben als Ziel der Raumordnung Die vorhabenfördernde Wirkung entfalten nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB nur solche Ziele der Raumordnung, die das zu genehmigende, privilegierte Vorhaben darstellen. Da die vorhabenfördernde Abschichtungswirkung bürgergerichtet ist und für Dritte nachteilig sein kann, ist dabei an die Ziele der Raumordnung - ebenso wie bei der Zielbindung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB - ein ausreichendes Maß an Konkretheit in räumlicher und sachlicher Hinsicht zu stellen. 208 Die räumliche Konkretheit des Ziels der Raumordnung setzt zumindest Gemeindegebietsschärfe oder Parzellenschärfe voraus. Ferner verlangt § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB die „Darstellung des Vorhabens" und mithin einen hohen sachlichen Konkretisierungsgrad des Ziels der Raumordnung. Darunter ist zwar nicht zu verstehen, daß ein konkret ausgestaltetes Projekt für ein aktuelles Bedürfiiis dargestellt sein muß. 209 Entscheidend ist aber, daß ein bestimmter Bereich aus landesplanerischer Sicht als Standort für ein Vorhaben einer bestimmten Nutzungsart vorbehalten bleiben soll. 2 1 0 § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB findet lediglich auf konkrete Gebietsfestlegungen zugunsten eines Vorhabens Anwendung. Kiesabbauunternehmer können in den Genuß der vorhabenfördernden Wirkung der Ziele der Raum206 Hoppe, FS Weyreuther, S. 89 (106); Folkerts, DVB1. 1989, S. 733 (737 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 54 m.w.N. 207 Schmidt, DVB1. 1998, S. 699 (672). 208 I.E. ebenso Bielenberg, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 1 Rn.\87 a ; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 56; Christ, Raumordnungsziele, S. 350 ff.; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1112). 209 Christ, Raumordnungsziele, S. 350; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 55. 210 Ähnlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 55.

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Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Ordnung kommen, wenn die in Frage stehenden Flächen innerhalb eines Vorranggebietes für den Kiesabbau i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG liegen 211 , während Sicherungsgebiete, die der Reservehaltung der Flächen für die Zukunft dienen, ihrem Aussagegehalt nach keine begünstigende Wirkung für den gegenwärtig geplanten Kiesabbau aufweisen. Vorbehaltsgebiete für den Kiesabbau scheiden indes bereits wegen der fehlenden Zielqualität aus. Es ist bereits dargelegt worden, daß Eignungsgebiete für die Bodenschätzegewinnung innergebietlich keinen Zielcharakter aufweisen. Sieht man einmal von dem Sonderfall der Kombination von Eignungs- und Vorranggebieten ab, entfalten Eignungsgebiete mithin keine innergebietliche vorhabenfördernde Abschichtungswirkung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB. 212

b) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung Die vorhabenfördernde Wirkung von Zielen der Raumordnung erstreckt sich nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB nur auf raumbedeutsame Vorhaben. Welche Bedeutung dem Kriterium der Raumbedeutsamkeit zukommt, bedarf einer näheren Betrachtung. Zunächst ist auf den Umstand hinzuweisen, daß in Zielen der Raumordnung aufgrund des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Raumordnung nur Vorhaben dargestellt werden können, wenn dafür ein überörtliches Interesse besteht.213 Daraus wird geschlossen, daß § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB nur für Vorhaben mit überörtlicher Bedeutung gelten könne. 214 Schließlich könnten diejenigen öffentlichen Belange, die bei der landesplanerischen Standortausweisung „weggewogen" worden seien, nur in bezug auf die überörtliche Bedeutung der raumplanerischen Standortplanung und in bezug auf die Inanspruchnahme durch ein überörtlich bedeutsames Vorhaben kompensiert werden. 215 Ein lediglich örtlich bedeutsames Vorhaben entspreche dagegen nicht dem Gewicht einer überörtlich relevanten Standortausweisung. 216 Das 211

Z.B. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 152 f.; Krautzberger,

Battis! Krautzberger!Lohr,

BauGB, § 35 Rn. 73; Söfker,

in:

DVB1. 1987, S. 597 (600 f.);

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 55. 212 A.A. Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 55. 213 Vgl. dazu oben Kap. 2., Β. II. 1. a). 214 Christ, Raumordnungsziele, S. 340, S. 346; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 57 f.; ders, DVB1. 1998, S. 699 (673); Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109

(1116). 215

S. 348.

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 57 f.; Christ, Raumordnungsziele,

216 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 58; Christ, Raumordnungsziele, S. 348.

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

319

Tatbestandsmerkmal der Raumbedeutsamkeit erfordere somit die überörtliche Bedeutung des Vorhabens. Bei Vorranggebieten für den oberirdischen Abbau von Bodenschätzen könnte das Merkmal der Raumbedeutsamkeit im besonderen Maße relevant werden. In der Literatur wird insofern darauf hingewiesen, daß es im Hinblick auf den Angebotscharakter landesplanerischer Standortausweisungen nämlich denkbar wäre, daß die im überörtlichen Interesse ausgewiesenen Vorrangfunktionen durch Vorhaben verwirklicht würden, die nur örtlich bedeutsam seien. 2 1 7 Dies sei beispielsweise bei einem landesplanerisch ausgewiesenen RohstoffVorrangbereich der Fall, dem nach Quantität und Qualität der Ressourcen überörtliche Relevanz zukomme, wenn der Rohstoffabbau tatsächlich nur in wesentlich geringerem Umfang zur örtlichen Versorgung erfolge. 218 Ein derartiger nur örtlich bedeutsamer Abbau von Bodenschätzen sei aber nicht raumbedeutsam i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB. 219 Die dargelegte Interpretation des Begriffs der Raumbedeutsamkeit begegnet Zweifeln. Jedenfalls seit der BauROG - Novelle gilt, daß der Begriff der Raumbedeutsamkeit im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB demjenigen des § 3 Nr. 6 ROG entspricht. 220 Auch im Hinblick auf die Positivwirkung der Ziele der Raumordnung ist daher zu fragen, ob das jeweilige Vorhaben Raum in Anspruch nimmt oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflußt. Letzteres ist insbesondere bei kleinen Kiesgruben entscheidend. Dabei ist oben dargelegt worden, daß der Begriff der Raumbedeutsamkeit mit dem jeweiligen Ziel der Raumordnung in einer Wechselbeziehung steht. 221 Es kommt daher auf den Inhalt und die Reichweite des jeweiligen Ziels der Raumordnung und mithin auf das überörtliche Interesse an, das das jeweilige Ziel verkörpert. Es ist zutreffend, daß häufig ein überörtliches Interesse an einem Standort nur dann besteht, wenn eine Anlage bestimmte überörtlich relevante Merkmale aufweist. Dies gilt etwa für Versorgungsanlagen, die Versorgungsleistungen überörtlich oder sogar überregional erbringen. 222 Eine Standortvorsorgeplanung für eine solche Versorgungsanlage würde zweifellos durchkreuzt, wenn stattdessen auf der jeweiligen Fläche eine Versorgungsanlage für die kommunale Versorgung errichtet würde. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hierbei 217

Vgl. Christ, Raumordnungsziele, S. 347; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 58. 218 Christ, Raumordnungsziele, S. 347. 219 Christ, Raumordnungsziele, S. 347. 220 BT-Drs. 13/6392, S. 81. 221 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2. a) aa) (2). 222 Vgl. dazu Christ, Raumordnungsziele, S. 340; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 56, S. 58 m.w.N.

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Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

jedoch um ein Problem der Negativwirkung der Ziele der Raumordnung. Diese kommunale Versorgungsanlage verstößt nämlich gegen den planerischen Zweck der Zielfestlegung und ist nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB wegen Zielwiderspruchs zu versagen. Bei Vorranggebieten für den Rohstoffabbau ist die Situation jedoch differenzierter zu beurteilen. 223 Die Quantität und Qualität der Ressourcen können nämlich als solche überörtliche Relevanz haben und folglich ein raumordnerisches Interesse daran rechtfertigen, die Abbaumöglichkeit langfristig zu sichern. Ein darüberhinausgehendes raumordnerisches Interesse daran, daß der Abbau im Rahmen einer Großabgrabung durchgeführt wird, wird indes häufig nicht bestehen und gegebenenfalls sogar einem raumordnerisch erwünschten behutsamen und schrittweisen Abbau sogar widersprechen. Es wäre daher widersinnig zu verlangen, daß eine einzelne Abgrabung nur dann in den Genuß der Abschichtungswirkung kommt, wenn sie der überörtlichen Versorgung dient und im großen Maßstab durchgeführt wird.

2. Rechtsfolge a) Abwägungserhebliche öffentliche Belange Die vorhabenfördernde Wirkung der Ziele der Raumordnung erstreckt sich auf die öffentlichen Belange, soweit diese bei der Darstellung der Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Die im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB relevanten standortbezogenen Raumordnungsziele vermögen daher nur insoweit Probleme abzuschichten, als diese auch Gegenstand der planerischen Abwägung bei der Standortfestlegung waren und somit als bewältigt angesehen werden können. Es handelt sich dabei um Belange, die bei Fehlen eines entsprechenden Raumordnungsziels - im Rahmen des § 35 BauGB in die nachvollziehende Abwägung einzustellen wären, aber im Hinblick auf § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB als abgeschichtet gelten. 224 Die Abschichtungswirkung erstreckt sich nur auf die abwägungserheblichen öffentlichen Belange i.S.d. § 7 Abs. 7 ROG. 2 2 5 Dies sind die standortbezogenen Belange, aber grundsätzlich nicht solche Belange, die sich erst aus der gewählten Projektvariante ergeben. 226 Bei der Aufstellung von Vorranggebieten

223

Es bestehen Ähnlichkeiten zu Vorrangflächen für Windenergieanlagen. Die Vorschrift hat daher nicht nur klarstellende Bedeutung. Vgl. dazu Christ, Raumordnungsziele, S. 344 Fußnote 95; wohl auch Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1116) m.w.N. A.A. Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (296). 225 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 3. a) bb). 226 Christ, Raumordnungsziele, S. 64.; Schmidt, DVB1. 1998, S. 699 (673). 224

. Wirkungen der

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321

für die Rohstoffgewinnung sind ortsbezogene Belange (z.B. die detaillierte Lage der Kiesgrube oder Details der Erschließung) sowie fachliche Detailfragen (z.B. wasserwirtschaftliche Detailfragen der genauen Abgrabungstiefe oder Schutzmaßgaben sowie immissionsschutzrechtliche Belange) nur zu berücksichtigen, wenn diese gewichtig genug sind, um den Standort als solchen in Frage zu stellen. 227 Wenn diese örtlichen bzw. fachlichen Belange abwägungserheblich sind und abgewogen wurden, werden sie ebenfalls von der Abschichtungswirkung erfaßt. 228

b) Transparenz der Abwägung Die Genehmigungsbehörde und der Vorhabenträger müssen erkennen können, inwieweit sie an die landesplanerische Abwägung gebunden sind und welche öffentlichen Belange bei der Standortfestlegung im einzelnen in die raumordnerische Abwägung eingestellt wurden und abgewogen worden sind. 2 2 9 Dieses Erfordernis ergibt sich daraus, daß die Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB bürgergerichtet vorhabenfördernd wirken 2 3 0 und aufgrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes für den Bürger die Rechtswirkungen der Raumordnungsziele vorhersehbar sein müssen. Auch die effektive gerichtliche Kontrolle der Ziele der Raumordnung sowie der damit zusammenhängenden Vorhabenzulassung hängt davon ab, ob die Abwägung in ihrem Ergebnis und mit ihrem jeweiligen Inhalt transparent ist. 2 3 1 Dies gilt insbesondere bei konkreten Standortfestlegungen, die einen erhöhten raumordnerischen Rechtfertigungsbedarf aufweisen und eine besonders umfangreiche Abwägung erfordern. 232 Die planerische Abwägung bei der Zielaufstellung kann anhand der Begründung nachgeprüft werden, die nach § 7 Abs. 8 ROG i.V.m. den Landes-

227

Vgl. dazu oben Kap. 3, Β. II. 3. a) bb). Christ, Raumordnungsziele, S. 342. 229 Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 61; Krautzberger, in: Battis! Krautzberger!Lohr, BauGB, § 35 Rn. 73; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 70; ders., DVB1. 1989, S. 733 (738); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 153, hält die Dokumentation für wünschenswert. 230 Grooterhorst, DÖV 1987, S. 912; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 70. 231 Ähnlich, Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 148; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 69 f. 232 I.E. ebenso Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 62; Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 500 Rn. 98; so auch Hoppe, in: dersJSchoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 455. 228

21 Spiecker

322

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

planungsgesetzen den Raumordnungsplänen beizufügen ist. 2 3 3 Die Begründung ist sowohl der Genehmigungsbehörde als auch den Bürgern zugänglich und eignet sich insofern zur Dokumentation der planerischen Abwägung. Aus dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutzauftrag folgt, daß die Begründung inhaltlich so ausgestaltet sein muß, daß für die Genehmigungsbehörde, den Bürger sowie die Gerichte die Abwägung nachvollziehbar wird. 2 3 4 Gerade bei raumpräzisen Standortentscheidungen muß der Plangeber in der Begründung nicht nur den Anlaß für die Zielausweisung, das Planungskonzept und die zugrunde liegenden Planungsleitlinien darlegen sowie die Grundlagen etwaiger Prognosen, der Beurteilungsmaßstäbe für die Auswahl des Standortes und die in Betracht gezogenen Alternativstandorte offenlegen, sondern auch die bei der Bestimmung des Standortes abgewogenen Belange. 235 Da aber nicht alle Gedankengänge und Erwägungen erschöpfend und detailliert aufgelistet werden können 236 , reicht es aus, wenn der Nachweis der Abwägung anhand anderer ergiebiger Unterlagen erbracht wird, die für die gebundene Genehmigungsbehörde und den Zielgebundenen 237 leicht zugänglich sind und nicht erst nachträglich gefertigt und in diesem Sinne nachgeschoben worden sind. 2 3 8 Zu fordern ist auch, daß in der Begründung auf diese Unterlagen ausdrücklich Bezug genommen wird. Hinzuweisen ist im übrigen darauf, daß ein Ziel der Raumordnung bei unvollständiger Begründung nichtig ist und dann auch nicht im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB vorhabenfördernde Wirkungen entfalten kann. 2 3 9

c) Bindungsintensität sowie Abschichtung privater Belange Die in § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB geregelte Abschichtungswirkung ist strikt. 2 4 0 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die raum-

233

Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 62; Hoppe, in: ders ./Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 7 Rn. 137. Vgl. zur Begründungspflicht oben auch Kap. 2, Β. II. 6. 234 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 145 ff. 235 Paßlick, Ziele der Raumordnungs, S. 148. 236 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 62 f. 237 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 149. 238 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 149. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 63 m.w.N. A.A. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 153 f., wonach die ordnungsgemäße Abwägung bei bestimmten Belangen zu unterstellen sei. 239 Vgl. allerdings zu Planerhaltungsvorschriften § 10 Abs. 2 Nr. 1 ROG. 240 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 152; Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 458; Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910 (912), der eine nachvollziehende Abwägung durch die Baugenehmigungsbehörde ablehnt.

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

323

ordnerische Zielaussage ist somit in ihrem vorhabenfördernden Aussagegehalt nicht abwägungsfähig. Wenn die soeben dargelegten Voraussetzungen erfüllt sind, darf das Vorhaben daher nicht mehr aus Gründen versagt werden, die bereits im Rahmen der raumordnerischen Abwägung abschließend und rechtmäßig abgewogen241 und abgeschichtet worden sind. Hat beispielsweise die Landesplanung bei der Ausweisung eines Vorranggebietes für die Bodenschätzegewinnung naturschutzrechtliche Belange abgewogen, so kann die Genehmigungsbehörde ein Kiesabbauvorhaben, das innerhalb des landesplanerisch ausgewiesenen Gebietes verwirklicht werden soll, diese Belange nicht mehr entgegenhalten.242 Dies entspricht dem Letztentscheidungscharakter der Ziele der Raumordnung. Die strikte Positivwirkung kann auch als die logische Ergänzung der strikten negativen Zielbindung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB angesehen werden. 243 In der Literatur wird geltend gemacht, daß sich für die strikte Positivwirkung eine einzige Einschränkung herleiten ließe, wenn nämlich durch die Zulassung eines Vorhabens in private Belange, insbesondere in grundrechtlich geschützte Positionen Dritter eingegriffen würde, z.B. in das Eigentumsrecht und die Gesundheit nach Art. 2 I I GG und die privaten Belange bei der Zielaufstellung nicht erkennbar waren. 244 Eine solche Einschränkung kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich die Abschichtungswirkung der Ziele der Raumordnung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB überhaupt auf private Belange erstreckt. Immerhin bezieht sich der Wortlaut der Vorschrift nur auf öffentliche Belange. Da auch die Rücksichtnahme auf schutzwürdige Individualinteressen, also auf die Interessen Privater, im Rahmen des sogenannten Rücksichtnahmegebotes als öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB gilt 2 4 5 und überdies auch private Belange bei der Zielaufstellung zu berücksichtigen sind, erscheint eine auch private Belange abschichtende Wirkung des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB nicht ausgeschlossen. Die Problematik könnte praktisch relevant werden, wenn ein Großprojekt zugelassen wird und sich Nachbarn durch das Vorhaben gestört fühlen. Die privaten Belange der Nachbarn werden sich dabei in aller Regel aber erst aus dem konkreten Projektzuschnitt ergeben bzw. technische Detailfragen der Anlage betreffen, so daß sie in diesem Fall bei der raumordnerischen Zielfest241 Bei einer fehlerhaften Abwägung liegt ein nichtiges Raumordnungsziel vor, das mithin auch keine Rechtswirkungen im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 HS. 2 BauGB auslöst. Vgl. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 63. Vgl. allerdings auch zu Planerhaltungsvorschriften § 10 Abs. 2 ROG. 242 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (672). 243 Vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 146. 244 So Erbguth!Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 458; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 65. 245 Hoppe, in: ders JGrotefels, Öffentliches Baurecht, § 8 Rn. 90 m.w.N.

324

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

legung nicht berücksichtigt 246 und folglich auch nicht abgeschichtet werden. Wenn die privaten Belange Dritter allerdings dazu in der Lage sind, den Standort als solchen insgesamt in Frage zu stellen, müssen sie auch schon bei der Zielaufstellung in die Abwägung einbezogen werden. 247 Auch bei der Zielaufstellung muß beispielsweise in Rechnung gestellt werden, ob ein Standort für ein immissionsträchtiges Großvorhaben in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet überhaupt geeignet ist. Sofern eine Berücksichtigung individueller privater Belange nicht möglich ist, muß das Ziel der Raumordnung mit einer Ausnahmeregelung versehen werden, die dann für alle Adressaten der Raumordnung gleichermaßen gilt.

I I I . §35 Abs. 3 S. 3 BauGB Nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB stehen einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB 2 4 8 , und mithin auch Kiesabgrabungen, öffentliche Belange in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Zweck dieser Vorschrift ist die Konzentration von Vorhaben im Außenbereich. 249 § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB betrifft ebenso wie § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB die Negativwirkung von Zielen der Raumordnung. Wie bereits erwähnt 250 ist für das Verhältnis dieser beiden Raumordnungsklauseln zueinander erheblich, daß § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB nur die innergebietliche Wirkung von Raumordnungszielen betrifft, während sich § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nur auf die außergebietliche Ausschlußwirkung von Gebietsfestlegungen bezieht.

246

Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 3. a) bb). Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 3. a) bb). 248 Vgl. zum Darstellungsprivileg bei sonstigen Vorhaben Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 70 f. 249 Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, §35 Rn. 119; vgl. zumindest mißverständlich Spannowsky, DÖV 1997, S. 757 ff.; Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (300), nach dem der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine bevorzugte Behandlung landwirtschaftlicher Vorhaben eingeführt habe. Öffentliche Belange könnten nur raumbedeutsamen Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB entgegenstehen (also nicht den nach Abs. 1 Nr. 1 privilegierten landwirtschaftlichen Betrieben). Der Hintergrund für die Sonderbehandlung von landwirtschaftlichen Betrieben nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB besteht darin, daß bei landwirtschaftlichen Betrieben ein Konzentrationsbedürfnis kaum vorstellbar ist. 250 Vgl. dazu oben Kap. 5, Α. I. 1. b). 247

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

1. Tatbestandliche

325

Voraussetzungen

a) Ausweisung durch Darstellung als Ziel der Raumordnung an anderer Stelle § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB setzt eine Ausweisung als Ziel der Raumordnung an anderer Stelle für das Vorhaben voraus. Die entsprechenden Standortausweisungen müssen dabei räumlich und sachlich hinreichend konkret sein, damit die Genehmigungsbehörde zweifelsfrei feststellen kann, welche Flächen und welche Art von Vorhaben gemeint sind. 2 5 1 Als zielfôrmige Gebietsfestlegungen kommen dabei Vorranggebiete, Eignungsgebiete sowie Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten in Betracht. Es wird allerdings unterschiedlich beurteilt, ob diese Gebietskategorien jeweils eine Zielausweisung i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB darstellen. Wie bereits dargelegt, unterscheiden sich die genannten Gebietskategorien in ihrem Aussagegehalt dahingehend, ob sie auf innergebietliche bzw. außergebietliche Wirkungen abzielen. Damit ist die Frage angeschnitten, auf welche Wirkungsweise bei der Zielfestlegung i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB abzustellen ist.

aa) Zielförmiger

außergebietlicher

Ausschluß

Aus dem Umstand, daß die Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB die außergebietliche Wirkung von Gebietsfestlegungen betrifft, könnte der Schluß gezogen werden, daß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB einen zielförmigen außergebietlichen Ausschluß voraussetze, wie dies bei Eignungsgebieten bzw. Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten der Fall ist, während die Ausweisung von Vorranggebieten für sich genommen nicht ausreiche. Für dieses Ergebnis spricht der Wortlaut des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. Das regelmäßige Entgegenstehen öffentlicher Belange resultiert danach nämlich nur „soweit hierfür" - und nicht „wenn" - durch Darstellung als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Daraus ergibt sich, daß die Träger der Raumordnung über das „Ob" und die räumliche Ausdehnung der Ausschlußwirkung selbst - und zwar durch zielförmige Festlegung - zu entscheiden haben. 252

251

Vgl. Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (300); ders, UPR 1997, S. 348 (352); Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (213); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 83 ff.; ders, DVB1. 1998, S. 669 (674). 252 I.E. ähnlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 83 ff, allerdings ohne Hinweis auf den Wortlaut.

326

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Etwas anderes könnte sich allerdings aus der Formulierung „ i n der Regel" ergeben. Möglicherweise wollte der Gesetzgeber damit die gesetzliche Vermutung zum Ausdruck bringen, daß eine positive Standortausweisung nach dem Willen des Plangebers neben der innergebietlichen Wirkung auch eine außergebietliche Ausschlußwirkung haben sollte. 253 Eine derartige Regelvermutung entspricht allerdings bei genauerer Betrachtung nicht dem Wortlaut des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, da sich die Formulierung „ i n der Regel" allein auf das Entgegenstehen öffentlicher Belange bezieht. 254 Der Wortlaut legt folglich das Erfordernis landesplanerischer zielförmiger Konzentrationsanordnungen nahe. Dies dürfte auch dem Gesetzeszweck entsprechen. Durch das Darstellungsprivileg sollten die Träger der Raumordnungsplanung ein planerisches Steuerungsinstrument in die Hand bekommen, um Vorhaben im Außenbereich an bestimmten Stellen zu konzentrieren. 255 Es würde aber dem Charakter eines planerischen Gestaltungsmittels widersprechen, wenn die negative Ausschlußwirkung allein durch eine positive landesplanerische Ausweisung z.B. von Vorranggebieten ausgelöst würde, ohne daß die Raumordnungsplanung über das „Ob" und die Reichweite der Konzentrations- und Ausschlußwirkung entscheiden könnte. 256 Dies spricht dafür, daß sich aus dem Ziel der Raumordnung ergeben muß, ob und inwieweit der Planungsträger eine Konzentrationswirkung der Darstellung als Ziel beabsichtigte. 257 Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine zielförmige außergebietliche Ausschlußwirkung verlangt und jedenfalls auf bloße Vorranggebiete keine Anwendung findet. 258

bb) Zielförmige

innergebietliche Festlegung

Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB setzt eine Ausweisung an anderer Stelle durch die Darstellung als Ziel der Raumordnung voraus. Wenn damit gemeint ist, daß das Ziel der Raumordnung positiv eine Standortfestsetzung zugunsten des Vorhabens enthalten muß 2 5 9 , würden zwar Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten ausreichende Zielaus-

253

Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (300); ders., UPR 1997, S. 348 (352). Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 93. 255 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 83. 256 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 83 f. 257 Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). 258 I.E. ebenso Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 83 f., vgl. auch Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (85). 259 Söflcer, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, §35 Rn. 121; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 73; ders., DVB1. 1998, S. 669 (675). 254

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

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Weisungen i.S.d. §35 Abs. 3 S. 3 BauGB sein. 260 Für die Wirkung von Eignungsgebieten für sich genommen bliebe indes wegen ihres fehlenden innergebietlichen Zielcharakters kein Raum. 261 Ob diese Einschätzung der neuen Gebietskategorie der Eignungsgebiete zutreffend ist, wird kontrovers beurteilt 262 und bedarf einer näheren Untersuchung. Im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB könnte man unter „Darstellung als Ziel der Raumordnung" ebenso wie in § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB eine positive zielförmige nutzungssichernde Ausweisung für die jeweilige Vorhabenart, z.B. für Bodenschätzegewinnung verstehen. 263 Insofern fällt allerdings auf, daß nicht ausdrücklich von der Darstellung „des Vorhabens" oder „solcher Vorhaben" die Rede ist. Der Wortlaut läßt vielmehr auch die Interpretation zu, daß die Darstellung als Ziel der Raumordnung allein zum Zwecke des außergebietlichen Ausschlußes erfolgt („hierfür") und auch nur diese zum Inhalt haben muß. Festzustellen ist daher, daß der Wortlaut des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht eindeutig ist. 264 Im Hinblick auf die historische Auslegung der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, die derjenigen des § 35 Abs. 3 S. 4 BauGB a.F. entspricht, ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Abgrabungskonzentrationszonen im Flächennutzungsplan und in Raumordnungsplänen von Bedeutung. Das Bundesverwaltungsgericht stellte auf eine ausdrückliche Darstellung einer Abgrabungsfläche ab, die den so dargestellten Standort für Abgrabungen vorbehalten und gegen andere Nutzungszuweisungen sichern soll. 265 Die außergebietliche Ausschlußwirkung mußte danach mit einer innergebietlichen positiven Ausweisung gekoppelt sein. In bezug auf die Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 4 BauGB a.F. diente diese Rechtsprechung nicht nur als Vorbild. Auch in den Gesetzesmaterialien 266 zu § 35 Abs. 3 S. 4 BauGB a.F. heißt es ausdrücklich im Hinblick auf Windkraftanlagen, daß einerseits positiv geeignete Standorte für die Windenergienutzung festgelegt werden müßten, um damit andererseits ungeeignete 260

Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). So Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (675). 262 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 80 ff.; ders, DVB1. 1998, S. 669 (675); Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (213); Runkel, UPR 1997, S. 1 (7); ders, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 55; Krautzberger, NVwZ 1996, S. 847 (848); Vgl. auch Wagner, UPR 1996, S. 370 (374); Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (85). 263 So Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (213). 264 Vgl. auch Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (214 Fußnote 54), wonach der Wortlaut eindeutig gegen die Anwendbarkeit auf Eignungsgebiete spricht. 265 BVerwG, NVwZ 1988, 54 (55); vgl auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 80 f. 266 Vgl. den Ausschußbericht, BT- Drs. 13/4978, S. 7. 261

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Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Standorte im übrigen Planungsgebiet auszuschließen. Demgegenüber reiche eine ausschließlich negativ wirkende Verhinderungsplanung ohne gleichzeitige positive Ausweisung eines der Windenergienutzung dienenden Standortes im Plangebiet grundsätzlich nicht aus. Vor diesem Hintergrund könnte die wortgleiche Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ebenfalls nur auf Gebietsfestlegungen anwendbar sein, die neben der außergebietlichen Ausschlußswirkung innergebietlich eine positive Standortfestlegung enthalten. Die dargelegten historischen Argumente für die Auslegung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB dürfen indes nicht überschätzt werden. Die Rechtsprechung zu den Abgrabungskonzentrationen könnte nämlich lediglich den Beginn einer Rechtsentwicklung markieren, die der Gesetzgeber zwar aufgegriffen, aber durch das BauROG fortentwickelt hat. Dem Raumordnungsrecht war bisher nämlich die Festlegungsart der Eignungsgebiete nicht bekannt. Durch die Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG hat der Gesetzgeber einen neuen Gebietstypus geschaffen, der in das System des Raumplanungsrechts zu integrieren ist. Der Gesetzgeber hat zwar den Wortlaut der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB bei Erlaß des BauROG im Hinblick auf den neuen Gebietstyp der Eignungsgebiete nicht geändert. Dem steht aber nicht entgegen, daß die Raumordnungsklausel eine gegenüber der alten Rechtslage zusätzliche Funktion übernimmt. Immerhin gibt bereits die Legaldefinition der Eignungsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG den Bezug zu der Vorschrift des § 35 BauGB deutlich zu erkennen. Im Regierungsentwurf zum BauROG wird darauf hingewiesen, daß sich die Bindungswirkung von Eignungsgebieten nach §§4 und 5 ROG - „ggfls. in Verbindung mit der in § 35 BauGB enthaltenen Raumordnungsklausel" richten solle. 267 Dabei fällt auf, daß die Bindungswirkung im Rahmen des § 35 BauGB nur „gegebenenfalls" eintreten soll. Was mit dieser Einschränkung gemeint ist, wird nicht erläutert. Denkbar ist, daß der Zusatz „gegebenenfalls" klarstellen soll, daß die Bindungswirkung von Eignungsgebieten im Rahmen des § 35 BauGB von der zusätzlichen Bedingung abhängt, daß sie mit Vorranggebieten kombiniert sind. Ein solches Anliegen hätten die Entwurfsverfasser indes eindeutiger formulieren können. Dies gilt umso mehr, als sie die Kombination von Vorrangund Eignungsgebieten anschließend eigens erwähnt haben. 268 Hätten sie die Bindungswirkungen nach § 35 BauGB allein auf die Kombination beschränken wollen, hätten sie die Raumordnungsklausel des § 35 BauGB auch lediglich in diesem Zusammenhang angesprochen. Mit dem Zusatz „gegebenenfalls" sollte daher vermutlich lediglich auf den Umstand hingewiesen werden, daß die

267 268

Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 84. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/6392, S. 84.

. Wirkungen der

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Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 BauGB die Zulassungsentscheidungen über Vorhaben betreffen und mithin nur im Falle eines Antrags eines privaten Vorhabenträgers in Betracht kommen. Denkbar ist ferner, daß an die Konkretheitsanforderungen erinnert werden sollte, die bei einer Geltung der Raumordnungsziele im Rahmen von Zulassungstatbeständen zu stellen sind. Gegen eine Bindungswirkung von Eignungsgebieten im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB wird angeführt, daß die Festlegung von Eignungsgebieten zur Verfolgung solcher planerisch unzulässiger Strategien benutzt werden könnte, die lediglich der Abwehr von privilegierten Vorhaben diene. 269 Es bestünde die Gefahr, daß eine privilegierte Nutzung außerhalb des Eignungsgebietes wegen der Negativwirkung des § 35 Abs. 3. S. 3 BauGB ausgeschlossen wäre und sich gleichzeitig innerhalb des Eignungsgebietes nicht zwingend durchsetzen könnte. 270 Der außergebietliche Ausschluß einer bestimmten privilegierten Nutzung setze demgegenüber ausreichende Möglichkeiten einer zweckentsprechenden innergebietlichen Nutzung voraus. 271 Der Ausschluß privilegierter und damit dem Außenbereich typischerweise zugeordneter Nutzung rechtfertige sich erst durch das Bestreben, die ausgeschlossene Nutzung an anderer Stelle verwirklichen zu wollen und zu können. 272 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Eignungsgebiete nicht per se gegen das Verbot unzulässiger Negativplanung verstoßen, wie oben bereits dargelegt wurde, zumal sich ein allgemeines Verbot dieser Art im Raumordnungsrecht nicht finden läßt. 273 Auch die Privilegierung der Außenbereichsvorhaben steht der Wirkung von Eignungsgebieten für sich genommen nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat durch die Privilegierung die Frage des konkreten Standortes dieser Vorhaben gerade nicht planartig entschieden274, sondern der Raumordnungsplanung hier planerische Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Standortfrage eingeräumt hat, sofern überörtliche Belange dies erfordern. Der Vorschrift des § 35 Abs. 1 BauGB läßt sich daher keine Garantie entnehmen, daß privilegierte Vorhaben im Außenbereich an jedem Standort zulässig sind. Dies ist schließlich auch im Hinblick auf Ziele der Raumordnung zugunsten konkurrierender Vorhaben nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB nicht der Fall.

269

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. 271 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 81. Vgl. auch Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (277). 272 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 82 m.w.N.; Christ, Raumordnungsziele, S. 63. 273 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. 5. b). 274 BVerwGE 68, S.311 (315); BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Büllesbach, Abgrabungen, S. 246. 270

330

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Die gesetzlichen Wertungen der Privilegierung sind zwar bei der Ausweisung von Eignungsgebieten zu berücksichtigen mit der Folge, daß diese nicht zu klein ausfallen dürfen. Wenn Eignungsgebiete auch im übrigen den rechtlichen Anforderungen genügen, spricht nichts gegen ihre Wirkung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. Was die teleologische Auslegung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB anbelangt, ist nicht zu verkennen, daß Eignungsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG gerade auf Vorhaben im Rahmen des § 35 BauGB zugeschnitten zu sein scheinen.275 Bei genauerer Betrachtung besteht ein praktisches Bedürfiiis nach der Konzentration von Vorhaben gerade im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 35 BauGB. Ohne korrigierende Gesamtplanungen führt die Privilegierung dazu, daß diese Vorhaben im unkontrollierten Umfang und auf ungeordnete Weise im Außenbereich zulässig sind. Angesichts knapper werdender nutzbarer Flächen im Außenbereich sind diese Probleme, z.B. auch diejenigen des dispersen Kiesabbaus immer deutlicher zutage getreten. 276 Der Gesetzgeber hat zwar nicht mit einer Beschränkung oder Neukonzeption 277 der Privilegierungen reagiert, aber gleichwohl erkannt, daß zumindest eine planerische Bewältigung dieser Probleme ermöglicht werden muß. Eignungsgebiete stellen vor allem ein Instrument zur Eindämmung derjenigen negativen Auswirkungen auf die räumliche Entwicklung dar, die aus der Privilegierung von Vorhaben resultieren. 278 Würde man Eignungsgebieten für die Bodenschätzegewinnung eine einzelentscheidungsbindende Wirkung absprechen, bliebe die Verwirklichung der in ihnen getroffenen raumordnerischen Entscheidung zugunsten der Abgrabungskonzentration weitgehend auf der Strecke. Eignungsgebiete würden ihren Zweck verfehlen, wenn sie lediglich gegenüber öffentlichen Stellen, insbesondere gegenüber den Gemeinden verbindlich wären. Erinnert sei daran, daß Eignungsgebiete gegenüber den Gemeinden innergebietlich keine Anpassungspflicht auslösen und außergebietlich lediglich zielwidrige Festlegungen in Bebauungsplänen verhindern. 279 Aus diesem Grund ist davon auszugehen, daß das System der Raumplanung auch im Hinblick auf 275

Vgl. Ähnlich Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (213 f.), der allerdings eine teleologisch reduzierende Auslegung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB im Hinblick auf das Erfordernis einer innergebietlichen positiven Standortfestlegung befürwortet. 276 Vgl. dazu im Hinblick auf Windkraftnutzung BVerwG, DVB1. 1994, S. 1141 (1143 f.). 277 Vgl. zu der Überlegung, die Privilegierung von Windkraftanlagen von vornherein von einer Standortaussage in einem Regionalplan oder einem Flächennutzungsplan abhängig zu machen, Dolde, NVwZ 1996, S. 209 (210); Stüer, DVB1. 1996, S. 177

(180).

278 279

Vgl. dazu auch oben Kap. 3, Β II. 1. Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 1. b).

. Wirkungen der

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331

Eignungsgebiete auf eine einheitliche Verwirklichung der Ziele der Raumordnung ausgerichtet ist. Es kann daher festgehalten werden, daß eine innergebietliche positive Standortfestlegung zugunsten der außergebietlich ausgeschlossenen Vorhabenart nicht erforderlich ist, so daß auch Eignungsgebiete den Anforderungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB gerecht werden. 280

cc) Ergebnis Das Tatbestandsmerkmal der Darstellung als Ziel der Raumordnung an anderer Stelle erfordert eine hinreichend konkrete Gebietsfestlegung, die außergebietlich eine zielförmige Ausschlußwirkung beinhaltet. Eine zusätzliche positive innergebietliche Festlegung zugunsten der jeweiligen Vorhabenart ist nicht erforderlich. Die Vorschrift betrifft daher die außergebietliche Ausschlußwirkung von Eignungsgebieten unabhängig davon, ob sie mit Vorranggebieten kombiniert sind oder nicht.

b) Raumbedeutsamkeit der Kiesabgrabung Anders als § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB beschränkt § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB die Raumordnungsbindung seinem Wortlaut nach nicht auf raumbedeutsame Vorhaben. In der Begründung zum Gesetzentwurf 281 heißt es dazu, daß durch diese Klausel Streit darüber vermieden werden sollte, ob eine einzelne Windkraftanlage ein raumbedeutsames Vorhaben sei. Verneine man diese Frage, entfalle für die Raumordnungsplanung jegliche Steuerungsmöglichkeit. Da die Raumordnungsplanung von ihrem Auftrag her an der Konzentration von Vorhaben in bestimmten Gebieten interessiert sein müsse, müsse auch für die Raumordnungsplanung eine entsprechende Steuerungsmöglichkeit vorgesehen werden können. Im Ausschußbericht wird demgegenüber ausdrücklich klargestellt, daß sich die Vorschrift nur auf raumbedeutsame Vorhaben erstrecke, sofern es um Festlegungen in Raumordnungsplänen gehe. 282 Dies hängt allerdings damit zusammen, daß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB neben den Zielen der Raumordnung auch die Darstellungen im Flächennutzungsplan zum Gegenstand hat. 283 Im

280

I.E. ebenso Erbguth, DVB1. 1998, S. 209 (214); Krautzberger,

in: Battis! Krautz-

bergerlLöhr, BauGB, § 35 Rn. 78; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). 281 BT-Drs. 13/2208, S. 5. 282 BT-Drs. 13/4978, S. 7. 283 Runkel, DVB1. 1997, 275 (278); Wagner, UPR 1996, S. 370 (374).

332

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Hinblick auf den Flächennutzungsplan, der der örtlichen Planung zuzurechnen ist, verzichtete der Gesetzgeber auf das Merkmal der Raumbedeutsamkeit, das auf die überörtliche Relevanz des Vorhabens hindeutet. Das Fehlen des Tatbestandsmerkmales „raumbedeutsam" hat mithin redaktionelle Gründe. Aus § 4 Abs. 3,4 ROG ergibt sich, daß sich die Rechtswirkungen der Ziele der Raumordnung gegenüber Privaten auf Zulassungsentscheidungen über raumbedeutsame Maßnahmen erstrecken. Auch eine durch eine fachgesetzliche Raumordnungsklausel angeordnete Zielbindung kann nicht weiter gehen als der Regelungsinhalt, den der Planungsgeber dem Ziel der Raumordnung gegeben hat und geben konnte. Bereits aus dem Wesen der Eignungsgebiete als raumordnerische Zielfestlegungen ergibt sich, daß deren Regelungsinhalt sich auf raumbedeutsame Vorhaben bzw. Nutzungen beschränkt 284 . Außerdem ist der Plangeber bei der Festlegung eines Ziels der Raumordnung an den Aufgabenund Funktionsbereich der Raumordnung gebunden, der sich nur auf die Steuerung raumbedeutsamer Vorhaben erstreckt. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die Zielbindung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entgegen dem Wortlaut ein raumbedeutsames Vorhaben voraussetzt. 285 Welche Bedeutung dem Begriff der Raumbedeutsamkeit dabei im einzelnen zukommt, soll im folgenden näher erläutert werden.

aa) Maßgebliche Kriterien für die Raumbedeutsamkeit von Vorhaben in Rechtsprechung und Literatur Kiesabgrabungen, die sehr große Flächen in Anspruch nehmen, sind bereits aufgrund ihrer Raumbeanspruchung i.S.d. § 3 Nr. 6 1. Alt. ROG als raumbedeutsam zu qualifizieren 286 , während die Behandlung kleiner Kiesabbauvorhaben umstritten ist. In der Literatur und Rechtsprechung werden insofern eine Fülle von verschiedenen Kriterien aufgestellt, die bei der Bestimmung der Raumbedeutsamkeit von Vorhaben maßgeblich sein sollen, wenn es um die Konzentrationen von Vorhaben im Außenbereich geht. 2 8 7 Die Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens wird zum Teil allein deshalb abgelehnt, weil es nur

284

Vgl. auch § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3, S. 2 ROG. Ähnlich Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (82) m.w.N. 285 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 71; Wagner, UPR 1996, S. 370 (374); Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (300); Söfker, in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 123; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); a.A. Berendes, ZfBR 1997, S. 21 (23). 286 Ebenso StüerIVildomec, BauR 1998, S. 427 (433). Vgl. entsprechend zur Raumbedeutsamkeit von Windparks Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (82). 287 Vgl. dazu Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278 f.); Wagner, UPR 1996, S. 370 (373); Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (299 f.); Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (82); StüerIVildomec,

BauR 1998, S. 427 (433); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 72.

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

333

eine geringe Fläche in Anspruch nimmt oder der Umfang der Abgrabungsmenge gering ist. 2 8 8 Ein kleines Vorhaben soll ferner nur dann raumbedeutsam sein, wenn es außergewöhnlich umfangreiche Auswirkungen auf seine Umgebung mit sich bringen würde. 289 Zuweilen wird in bezug auf die Raumbedeutsamkeit von Windenergieanlagen auf die Vorbildwirkung des Vorhabens abgestellt. 290 So könne eine kleine, für sich genommen unbedeutende Einzelanlage dann einer landesplanerischen Steuerung unterliegen, wenn nach ihrem Vorbild und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz weitere Anlagen in der näheren Umgebung zu genehmigen wären, die dann zusammen das Gewicht eines raumbedeutsamen Vorhabens hätten. 291 Diese Überlegung läßt sich gut auf Kiesabbauvorhaben übertragen, wenn aufgrund der geologischen Verhältnisse der näheren Umgebung zu erwarten ist, daß die Genehmigung des Vorhabens voraussichtlich weitere Abbauanträge nach sich ziehen würde, die kaum abgelehnt werden könnten und dies zu einer nachhaltigen weiteren Beeinträchtigung des Gebietes führen würde. 292 Umgekehrt sind Fälle denkbar, in denen eine entsprechende Gefahr von Folgeanträgen auszuschließen ist, weil es sich ohnehin nur um ein kleines singuläres Kiesvorkommen handelt. In ähnliche Richtung geht es, wenn ein Kiesabbauvorhaben deshalb als raumbedeutsam eingestuft wird, weil in der Umgebung bereits zahlreiche Kiesgruben vorhanden sind. 293 Auch hier steht der Gedanke im Mittelpunkt, daß das einzelne Vorhaben als Teil einer Ansammlung von Vorhaben zu betrachten ist. Bei der Auslegung des Begriffs der Raumbedeutsamkeit sollen ferner der Standort der Anlage mitberücksichtigt werden, wobei darauf abgestellt wird, wie empfindlich der für die jeweilige Anlage vorgesehene Standort ist. 2 9 4 Raumbedeutsamkeit wird insofern mit Standortempfindlichkeit gleichgesetzt.295

288

VG Schl.-Holst., UPR 1990, S. 75 (76). Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (433); Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 455. 290 Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 455. 291 So im Hinblick auf Windenergieanlagen Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 73, S. 130. 292 Vgl. dazu OVG Lüneburg, RdL 1988, S. 233 (234). 293 VG Schleswig-Holstein, UPR 1990, S. 75 (76). 294 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). In bezug auf Windenergieanlagen 289

Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278 f.); Stüer/Vildomec,

BauR 1998, S. 427 (433); Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BT-Drs. 13/4978, S. 7 (Raumbedeutsamkeit aufgrund eines besonders hervorgehobenen Standortes). 295 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 72; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 455.

334

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Beispielsweise sei ein kleineres Kiesabbauvorhaben im Hinblick darauf raumbedeutsam, daß es in exponierter Hanglage das Landschaftsbild erheblich verunstalten würde. 296 Schließlich soll maßgeblich sein, ob sich das Vorhaben auf eine bestimmte, planerisch als Ziel gesicherte Raumfunktion auswirkt, wobei auf andere Ziele als das Eignungsgebiet selbst abgestellt wird. 2 9 7 Es wird ferner vertreten, daß sich die Differenzierung zwischen raumbedeutsamen und nichtraumbedeutsamen Abgrabungsvorhaben danach richte, ob die gewonnenen Rohstoffe zur Deckung eines überörtlichen oder lediglich lokalen Bedarfs benötigt würden, wobei letzteres für die fehlende Raumbedeutsamkeit sprechen würde. 298 Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, daß ein raumbedeutsames Vorhaben für sich genommen überörtliche Bedeutung haben müsse. Bei kleinen Kiesgruben beschränkt sich die Abbautätigkeit zuweilen nur auf einen sehr geringen Zeitraum. Auch die negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind in diesen Fällen regelmäßig nur von kurzer Dauer, zumindest wenn die Kiesgrube wiederverfüllt und rekultiviert wird. Aus diesem Grund wird bei der Abgrenzung zwischen raumbedeutsamen und nicht raumbedeutsamen Vorhaben gelegentlich auch auf die Dauer der Abbautätigkeit abgestellt. 299

bb) Stellungnahme Neben den als raumbeanspruchend einzustufenden, großräumigen Kiesabgrabungen können auch kleine Abbauvorhaben raumbedeutsam sein, wenn sie raumbeeinflussend i.S.d. § 3 Nr. 6 2. Alt. ROG sind. Welches Vorhaben im Einzelfall als raumbeeinflussend zu qualifizieren ist, muß sich nach dem Inhalt und der Reichweite des Raumordnungsziels bestimmen, wobei der auf das

296

BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). Vgl. entsprechend zur Raumbedeutsamkeit einer einzelnen Windkraftanlage in einem Gebiet für den Fremdenverkehr Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); vgl. ähnlich zur außergebietlichen Wirkung von zielförmigen Abgrabungskonzentrationszonen, wenn sich diese auch auf eine zielförmige Festlegung als Gebiet mit besonderer Bedeutung für die Erholung erstreckt, OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512. 298 In diese Richtung gehend BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). Das OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512 (513) hält es in der Entscheidung für bedeutsam, daß an der Ausbeutung der relativ kleinen Bodenabbaustelle des Klägers kein beachtliches volkswirtschaftliches Interesse bestehe. Dies soll danach allerdings dazu führen, daß das Vorhaben außerhalb der zielförmigen Abgrabungskonzentrationszone gerade unzulässig sei. Das Gericht übersieht hierbei offensichtlich die Problematik der gebotenen Raumbedeutsamkeit des Vorhabens. Es stellt allerdings zusätzlich auf die von dem Vorhaben ausgehende Signalwirkung ab. 299 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). A.A. OVG Lüneburg, NuR 1997, S. 512 (513). 297

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335

jeweilige Ziel bezogene Planungswille maßgeblich ist. 3 0 0 Kleine Vorhaben sind nur dann raumbedeutsam, wenn sie den überörtlichen Belang, den das Raumordnungsziel verkörpert, negativ berühren. 301 Entscheidend ist daher, welche Funktion dem Eignungsgebiet zukommt, d.h. aus welchen überörtlichen Interessen heraus es festgelegt wurde. Dabei muß auch gefragt werden, ob die Steuerung des Vorhabens durch die Raumordnungsplanung im Hinblick auf die Selbstverwaltungshoheit der Gemeinde erforderlich ist, wobei auch der Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung zu berücksichtigen ist. 3 0 2 Im allgemeinen muß davon ausgegangen werden, daß die Begrenzung kleinerer Vorhaben der Flächennutzungsplanung überlassen bleiben soll. Ihr obliegt die räumliche Steuerung der nicht raumbedeutsamen kleinen Vorhaben, für die mithin auch Standorte außerhalb der raumordnerischen Eignungsgebiete bzw. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten vorgesehen werden können. 303 Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Flächennutzungsplanung nur beschränkt zur Konzentration von Vorhaben geeignet ist. Beispielsweise ist die völlige Sperrung eines Gemeindegebietes für Windkraftanlagen aufgrund des neuen Planvorbehalts nur im Rahmen der Regionalplanung oder eines gemeinsamen Flächennutzungsplans möglich. 3 0 4 In diesen Fällen bereitet die Abgrenzung zwischen der örtlichen und überörtlichen Kompetenz besondere Schwierigkeiten. Eignungsgebiete zielen auf eine Konzentration der jeweiligen privilegierten Vorhaben ab. Die Intention einer Konzentrationsanordnung und die in den Eignungsgebieten verkörperten überörtlichen Belange können dabei nicht einheitlich festgestellt werden. Sie hängt nicht nur davon ab, ob Bodenabbauvorhaben, Windkraftanlagen oder sonstige privilegierte Vorhaben konzentriert werden sollen. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich vielmehr, daß der Plangeber, der einen dispersiven Abbau verhindern will, dieses Ziel aus unterschiedlichen Gründen verfolgen kann, wobei beispielsweise Gründe des Natur-, Landschafts- und Grundwasserschutzes, der überörtlichen Verkehrsplanung, der vollständigen Ausbeutung der Abgrabungsflächen und die Schonung von

300

Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 2 a) bb) (2); BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 73; Christ, Raumordnungsziele, S. 360; Hoppe, DVB1. 1993, S. 1109 (1114). 302 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 71 m.w.N. 303 Vgl. Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279), der darauf hinweist, daß es bei Darstellungen im Flächennutzungsplan, die Ziele der Raumordnung konkretisieren, nicht darauf ankommt, ob es sich dabei um raumbedeutsame Vorhaben handelt. 304 Lüers, ZfBR 1996, S. 297. 301

336

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

dispersen Abbau bereits besonders betroffener Gebiete vorrangig können. 305 Der Planungswille ist daher im Einzelfall festzustellen.

sein

Die genannten Kriterien zielen in erster Linie auf den Zweck einer Abgrabungskonzentration hinsichtlich des Landschaftsbildes oder des Grundwasser- und Naturhaushalts ab. Dies gilt etwa, wenn auf die Vorbildwirkung eines Vorhabens abgestellt wird, die zu einer Ansammlung mehrerer zusammenhängender Kies vorhaben führen könnte, oder die bestehende Zahl von Abgrabungen in der näheren Umgebung, aber auch für Aspekte der Situationsempfindlichkeit oder die geringe Dauer des Vorhabens. Wenn aus dem Raumordnungsziel hervorgeht, daß die Abgrabungskonzentration in erster Linie aus überörtlichen Gründen des Schutzes des Landschaftsbildes oder des Grundwasser- und Naturhaushaltes angestrebt wird, ist ein kleines Vorhaben als raumbedeutsam zu qualifizieren, wenn es entweder die genannte Vorbildwirkung haben kann, wenn in der Umgebung bereits viele Abgrabungsvorhaben durchgeführt werden, wenn es an einem insofern empfindlichen Standort errichtet werden soll oder wenn es aufgrund seiner langen Dauer das Landschaftsbild beeinträchtigt. Umgekehrt sind indes solche Vorhaben aus dem Begriff der raumbedeutsamen Vorhaben auszusparen, die tatsächlich keine negativen Folgen für das Landschaftsbild bzw. den Grundwasser- und Naturhaushalt haben, also insbesondere nicht zur Verkraterung der Landschaft beitragen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß durch den Begriff der Raumbedeutsamkeit unerhebliche Raumbeeinträchtigungen durch kleine Vorhaben nicht erfaßt werden sollten. Je dringlicher die überörtlichen Interessen an der Abgrabungskonzentration sind, desto eher wird auch ein kleines Vorhaben raumrelevant sein. Der weitere Zweck der vollständigen Ausbeutung ausgewiesener Lagerstätten kann nur den Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten entnommen werden. Diesem Zweck laufen grundsätzlich alle Kiesabgrabungen an anderer Stelle als vorgesehen zuwider. Wenn Kies an vielen Stellen abgebaut werden kann, besteht ein geringeres Bedürfiiis, die Kiesvorkommen innerhalb der Vorranggebiete voll auszuschöpfen. Ein entsprechendes überörtliches Interesse dürfte gleichwohl nicht so weit reichen, daß es sich auch auf Vorhaben mit einem geringen Abbauvolumen erstreckt. Sofern darauf abgestellt wird, ob ein Kiesvorhaben lediglich den lokalen Bedarf deckt, verbirgt sich dahinter möglicherweise die Vorstellung, daß Raumbedeutsamkeit mit überörtlicher Bedeutung eines Vorhabens gleichzu-

305

Vgl. allgemein zur Funktion von Abgrabungskonzentrationen oben Kap. 4. D.

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

337

setzen ist. 3 0 6 Zumindest für die neue Rechtslage überzeugt dies indes nicht. Schließlich hat der Gesetzgeber die Begriffe bewußt unterschiedlich verwendet. In § 17 Abs. 2 ROG spricht der Gesetzgeber beispielsweise von Planungen und Maßnahmen, die raumbedeutsam sind und überörtliche Bedeutung haben. 307 Daraus läßt sich schließen, daß nicht jedes raumbedeutsame Vorhaben zugleich auch überörtliche Bedeutung haben muß. 308 Die Zielbindung nach § 4 Abs. 3, 4 ROG i.V.m. § 35 Abs. 2 S. 3 BauGB ist aber nicht auf Vorhaben mit überörtlicher Bedeutung beschränkt. Auch eine Kiesgrube, die lediglich den örtlichen Bedarf deckt, ist geeignet, zur Verkraterung der Landschaft beizutragen oder die vollständige Ausbeutung der ausgewiesenen Lagerstätten an anderer Stelle zu unterlaufen. Zwar mag es raumordnerische Gründe für eine dezentrale Verteilung entsprechender Vorhaben geben, etwa die Vermeidung unnötiger Verkehrswege 309. Ohne Anhaltspunkte in den Zielen der Raumordnung kann ein entsprechendes Planungskonzept dem Plangeber aber nicht unterstellt werden. Je nach dem, welcher Zweck mit der Abgrabungskonzentration im einzelnen verfolgt wird, muß der Begriff der Raumbedeutsamkeit unterschiedlich bestimmt werden. Vor diesem Hintergrund ist es weder zutreffend, daß jedes Vorhaben per se ein raumbedeutsames Vorhaben ist, noch daß kleine einzelne Kiesgruben in keinem Fall ein raumbedeutsames Vorhaben sein können. 310 Die Raumbedeutsamkeit kann sich daher auch nicht typisierend aus abstrakt definierten allgemeingültigen - etwa auf Größe der in Anspruch genommenen Flächen und auf das Abbauvolumen bezogenen - Maßstäben orientieren. 311 Da regelmäßig eine Summe von Zwecken kumulativ durch die Abgrabungskonzentration verfolgt wird, ist häufig auch eine Kombination der Kriterien geboten. Dieser Umstand kann zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Für die Geltung der Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB, aber auch gegenüber den Gemeinden nach § 1 Abs. 4 BauGB ist deshalb zu fordern, daß der Plangeber den Inhalt und die Reichweite der Eignungsgebiete auch bezüglich des Bindungsgegenstandes der raumbedeutsamen Vorhaben hinrei306

Ansatzweise BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530), der allerdings im Ergebnis feststellt, daß es entscheidend auf die jeweilige örtliche Situation ankomme. 307 Vgl. auch § 38 Abs. 1 S. 1 BauGB („überörtliche Bedeutung") einerseits und § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB („raumbedeutsam") andererseits. 308 Vgl. Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (275) zur überörtlichen Bedeutung als zusätzliches Kriterium neben der Raumbedeutsamkeit. 309 Dafür sprechen nicht nur ökologische Gründe der Verkehrsvermeidung, sondern auch die Transportkostenempfindlichkeit der Rohstoffe Kies und Sand, vgl. zu letzterem Christ, Raumordnungsziele, S. 51. 310 I.E. ebenso hinsichtlich Windkraftanlagen Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). 311 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530). 22 Spiecker

338

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

chend deutlich macht. 312 Wenn dies nicht im Wege ausdrücklicher Regelungen erfolgt, muß sich zumindest aus der Begründung des Plans herleiten lassen, welche Funktion die entsprechenden Gebietsfestlegungen im einzelnen haben sollen.

2. Rechtsfolge Die Rechtsfolge des §35 Abs. 3 S. 3 BauGB besteht darin, daß dem Vorhaben in der Regel öffentliche Belange entgegenstehen. Im einzelnen ist unklar, welche Bindungswirkung der Raumordnungsziele daraus genau resultiert, wobei dem Bedeutungsgehalt des Entgegenstehens öffentlicher Belange einerseits und der „In der Regel" - Klausel andererseits Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. Dabei zeigt sich, daß das Verhältnis dieser beiden Tatbestandsmerkmale zueinander nicht ganz eindeutig ist.

a) Entgegenstehen öffentlicher Belange Aus der Bezugnahme zu den öffentlichen Belangen und im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Abgrabungskonzentrationszonen 313 wird in der Literatur gefolgert, daß zwischen der Konzentrationsanordnung und den privaten Interessen des Bauherrn eine nachvollziehende Abwägung vorzunehmen sei. 314 Eine den Anforderungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entsprechendes Ziel der Raumordnung führe außergebietlich daher nicht rechtssatzmäßig zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Diese Auffassung geht mithin von einer Berücksichtigung der Raumordnungsziele aus. Die Formulierung „in der Regel" stelle dabei eine gesetzlich widerlegbare Vermutung 315 dafür dar, daß die nachvollziehende Abwägung zuungunsten des Vorhabenträgers ausfalle. 316 Der öffentliche Belang einer anderweitigen Standortplanung 312

Vgl. zur Problematik der hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs der Raumbedeutsamkeit David, Raumbedeutsamkeit, S. 48. 313 BVerwGE 77, 300 (307) zur Flächennutzungsplanung. 314 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 90; OVG NW, NWVB1. 1990, S. 197 (199); entsprechend auch Holz, NWVB1. 1998, S. 81 (83); vgl. auch BVerwG, ZfBR 1998, S. 262, wonach durch § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB die entsprechenden Ziele der Raumordnung ausdrücklich in den Rang öffentlicher Belange erhoben würden, die privilegierten Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen können. 315 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 92 f.; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280); ders, WiVerw 1997, S. 267 (283); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 459; a.A. Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (300), wonach die Regelung die Vermutung enthält, daß die positive landesplanerische Ausweisung zugleich mit einem Ausschlußziel für anderer Standorte einhergehe, vgl. dazu oben Kap. 3, B. 2. 316 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 92 ff.

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erhalte insoweit einen relativen Vorrang im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung vor dem Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung seines privilegierten Vorhabens. 317 Bei näherer Betrachtung überzeugt indes die Annahme einer nachvollziehenden Abwägung nicht. Nach § 35 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Wenngleich der Begriff der entgegenstehenden Belange im Rahmen des § 35 BauGB im übrigen im Sinne einer nachvollziehenden Abwägung interpretiert wird, ist gleichwohl nach dem Wortlaut der Vorschrift auch die Interpretation denkbar, daß das Vorhaben zwingend zu versagen ist, wenn kein von der Regel abweichender Ausnahmefall vorliegt. Im übrigen sprechen gegen die Abwägungsfähigkeit der Raumordnungsziele planungssystematische Gründe. Die Ziele der Raumordnung sind nach der Konzeption des Raumordnungsgesetzes verbindliche raumordnerische Entscheidungen. Eignungsgebiete bzw. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten lösen schließlich auch gegenüber den Gemeinden eine strenge außergebietliche Bindungswirkung aus, so daß die von der außergebietlichen Raumordnungsbindung erfaßten Vorhaben sich der Planungshoheit der Gemeinde entziehen. Aus der Funktion des § 35 BauGB als Planersatzvorschrift muß allerdings hergeleitet werden, daß danach nur solche Vorhaben zulässig sind, die die Gemeinde auch im Wege der Bauleitplanung ausweisen und gegebenenfalls einer aus städtebaulichen Gründen erforderlichen näheren Konkretisierung zuführen könnte. Es würde dem Charakter der Ziele der Raumordnung als verbindliche raumordnerische Vorhaben widersprechen, wenn ein Kiesabbauvorhaben im Einzelfall aufgrund der nachvollziehenden Abwägung auch außerhalb eines Eignungsgebietes bzw. eines Vorranggebietes mit den zusätzlichen Wirkungen eines Eignungsgebietes zwar zugelassen werden dürfte, die Gemeinde aber aufgrund der strikten Zielbindung nach § 4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 1 Abs. 4 BauGB gehindert wäre, für dieses Kiesabbauvorhaben einen konkretisierenden Bebauungsplan aufzustellen, in dem beispielsweise eine parzellenscharfe Abgrabungsfläche dargestellt ist und die Erschließungsmaßnahmen, sonstige städtebaulich erforderliche Festlegungen sowie Regelungen über den naturschutzrechtlichen Ausgleich über den Eingriff in Natur und Landschaft enthalten sind. Im Ergebnis ist daher das Erfordernis einer nachvollziehenden Abwägung abzulehnen. Die Ziele der Raumordnung entfalten mithin nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine strikte außergebietliche Negativwirkung, wobei allerdings auf das Korrektiv der „In-der-Regel" - Klausel sogleich noch einzugehen ist.

317 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 93 f.; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1988, S. 54 (56).

340

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB b) Die „In-der-Regel-Klausel"

aa) Rechtsprechung und Literatur zu atypischen Ausnahmefällen Die „In-der-Regel-Klausel" des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB wird im Schrifttum als gesetzliche Vermutung interpretiert. 318 Wie bereits dargelegt bezieht sich die Regelvermutung nicht darauf, daß Vorranggebiete für sich genommen regelmäßig eine außergebietliche Ausschlußwirkung entfalten. 319 Aus der Klausel geht aber hervor, daß ein raumbedeutsames Vorhaben im Einzelfall entgegen der Regelvermutung außerhalb von zielförmigen Konzentrationsanordnungen zulässig sein kann. Welche Umstände eine solche Ausnahme von der Regelvermutung begründen, wird in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilt, wobei gerade auch im Hinblick auf Abgrabungskonzentrationen sehr unterschiedliche Kriterien angegeben werden. Im Schrifttum wird dargelegt, daß ein Abweichen von der Regelvermutung dann gerechtfertigt sei, wenn die zu genehmigende Anlage nicht zu den Anlagen gehöre, die der jeweilige Planungsträger räumlich steuern wolle 3 2 0 oder wenn sich aus den Umständen ergebe, daß sich die Raumordnung und Landesplanung nicht erschöpfend mit der Frage der Zulässigkeit von Vorhaben außerhalb der ausgewiesenen Gebiete auseinandergesetzt habe. 321 Eine strikte Zielbindung sei ausnahmsweise zu verneinen, wenn bei der Festlegung der Ziele maßgebliche Kriterien, die im Rahmen der gemäß § 35 BauGB gebotenen Abwägung für oder gegen die Errichtung der beantragten Windenergieanlage sprechen, noch nicht in die Entscheidung eingeflossen sind. 322 In ähnliche Richtung geht die Auffassung, daß solche Einzelfälle in Betracht kommen, die typischerweise nicht Zielrichtung des Darstellungsprivilegs sind oder sein sollen, wobei allerdings offenbar im Hinblick auf Windenergieanlagen - als Beispiel Nebenanlagen zu anderen privilegierten Vorhaben im Außenbereich, z.B. landwirtschaftlichen Betrieben genannt werden. 323 Des weiteren wird darauf abgestellt, daß die negative Standortaussage notwendigerweise auf einer lediglich globalen Abwägung beruhe und mithin

318 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 93 f.; Lüers, ZfBR 1996, S. 197 (300); Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280); Wagner, UPR 1996, S. 370 (375); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 459; Gaentzsch, NVwZ 1998, S. 889 (895). 319 Vgl. dazu oben Kap. 5, A. III. 1. a) aa). 320 Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280); StüerIVildomec, BauR 1998, S. 427 (433). 321 Lüers, ZfBR 1996, S. 297 (300). 322 Wagner, UPR 1996, S. 370 (375). 323

Söfker,

in: Ernst!Zinkahn!Bielenberg,

1997, S. 275 (280).

BauGB, §35, Rn. 122; Runkel, DVB1.

. Wirkungen der

e im Rahmen des § 35 BauGB

341

atypische Einzelfälle nicht erfassen könne. 324 Auszugehen sei davon, daß wegen des globaleren Charakters der negativen Seite der Darstellung einer Abgrabungskonzentrationszone den dahinterstehenden planerischen Zielvorstellungen im allgemeinen ein geringeres Gewicht und eine geringere Durchsetzungskraft zukomme als einer positiven, standortbezogenen Darstellung. 325 Der Plangeber könne nicht jede außerhalb des Konzentrationsgebietes liegende, für Abgrabungen in Betracht kommende Einzelfläche in den Blick nehmen. 326 Zu entsprechenden besonderen Umständen sollen dabei solche projektbezogenen privaten Belange gehören, die wegen des großräumigen Bezugs der Raumordnung und Landesplanung bei der Zielaufstellung lediglich als aggregierte und generalisierte Größen Berücksichtigung gefunden haben und erst im Genehmigungsverfahren individualisiert werden können. 327 Ein Beispiel dafür sei die Erweiterung bestehender Kiesgruben, wenn die Unternehmer bereits vor Festlegung der Konzentrationsflächen erhebliche finanzielle Investitionen auf sich genommen hätten. 328 Zum Teil werden ausdrücklich Gesichtspunkte des Bestandsschutzes angeführt. 329 Ebenfalls werden zwingende fachliche Gründe genannt 330 , die zu einer Abweichung der Regelvermutung führen. Schließlich wird auf die besonderen örtlichen Gegebenheiten der in Rede stehenden Fläche verwiesen, wobei auf die Standortempfindlichkeit und die Schutzwürdigkeit der Fläche hinsichtlich des Planungsziels abgestellt wird, das in der Verhinderung der Verkraterung der Landschaft bestehe.331

bb) Stellungnahme Die Formulierung „in der Regel" ist lediglich in der Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB zu finden und stellt insofern im Rahmen des § 35 324

BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 95; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280). 325 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 95. Vgl. Im Hinblick auf den Flächennutzungsplan BVerwGE 77, S. 300, (306 f.); OVG NW, NWVB1. 1990, S. 197 (199). 326 Entsprechend zur Flächennutzungsplanung OVG NW, NWVB1. 1990, S. 197. 327 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 95 f.; Unklar bleibt allerdings, warum dieser Umstand nicht auch bei der Bauleitplanung relevant werden soll. 328 Ansatzweise BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529 (530), allerdings im Hinblick auf ausdrückliche Ausnahmeregelungen im Raumordnungsplan. Vgl. i.ü. BVerwGE 79, S. 318 (324). 329 So ausdrücklich im Hinblick auf die Erneuerung einer bereits vorhandenen Windenergieanlage Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (280). 330 BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529. 331 Entsprechend zur Zulässigkeit eines Vorhabens außerhalb einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationsfläche OVG NW, NWVB1. 1990, S. 197 (199).

342

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Abs. 3 BauGB eine Besonderheit dar. Während der Gesetzgeber für die innergebietliche Wirkung von Zielausweisungen nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB eine strikte Bindung vorgesehen hat, findet sich für die zielförmigen Konzentrationsanordnungen die Einschränkung „in der Regel" in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. Dies läßt sich nur dadurch erklären, daß sich die Negativwirkung von entsprechenden Gebietsfestlegungen auf einen wesentlich größeren Planungsraum erstreckt. 332 Bei genauerer Betrachtung handelt es sich hierbei nicht um eine Besonderheit der Zielbindung bei behördlichen Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben im Rahmen des § 35 BauGB. Wenn die Träger der Raumordnungsplanung im Hinblick auf die außergebietliche Bindungswirkung von zielförmigen Abgrabungskonzentrationszonen notgedrungen auf eine globalere Abwägung beschränkt sind, muß sich dies allgemein auf die Wirkung dieser Raumordnungsziele auswirken, d.h. auch im Hinblick auf die Gemeinden und sonstige Zieladressaten. Als verbindliche Vorgabe und als das Ergebnis einer abschließenden raumordnerischen Abwägung darf sich ein Ziel der Raumordnung nur auf solche raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen beziehen, mit denen sich der Planungsträger abschließend aus raumordnerischer Sicht befaßt hat. Anderenfalls ist das Raumordnungsziel abwägungsfehlerhaft und nichtig. 333 Die Spannung zwischen dem Zielcharakter von Eignungsgebieten einerseits und der zwangsläufig globaleren Abwägung andererseits kann wie bereits erwähnt durch Ausnahmeregelungen gelöst werden, die als Teil des Inhalts des Raumordnungsziels nicht nur in bezug auf die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 BauGB, sondern für alle Adressaten der Raumordnungsziele gelten. 334 Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten müssen daher in aller Regel mit Ausnahmeregelungen ausgestattet werden, die atypische Fälle erfassen. Dies gilt zumindest dann, wenn das Planungsziel ansonsten nicht hinreichend erkennen läßt, welche Vorhaben von der außergebietlichen Wirkung der Gebietsfestlegung erfaßt werden sollen und welche nicht. 335 Auch 332 Ebenso Wagner, UPR 1996, S. 370 (374). Vgl. auch BVerwGE 77, S. 300 (307) zur abgeschwächten Durchsetzungskraft der außergebietlichen Wirkung einer Abgrabungskonzentrationszone im Flächennutzungsplan im Vergleich zu einer positiven Standortausweisung. 333 Ausnahmen können sich aus Vorschriften zur Planerhaltung ergeben, vgl. dazu § 10 ROG. 334 Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 1. 3. a. 335 Bereits die Auslegung einer Konzentrationsanordnung kann beispielsweise ergeben, daß exeptionelle örtliche Fallgestaltungen nicht erfaßt sein sollen, z.B. wenn die vorgesehene Abgrabungsfläche durch Verkehrsanlagen und industrielle Gebäudekomplexe unmittelbar umgeben ist und dadurch von schützenswerten, außenbereichsadäquat genutzten landwirtschaftlichen Flächen abgeschnitten ist. Vgl. entsprechend zum Flächennutzungsplan OVG NW, NWVB1. 1990, S. 197 (199).

. Wirkungen der

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343

die Planungspraxis hat diese Problematik erkannt und daher Abgrabungskonzentrationen häufig mit Ausnahmeregelungen versehen. 336 Der Gesetzgeber wollte mit der „In-der-Regel-Klausel" lediglich dem Umstand Rechnung tragen, daß die Zielausweisungen i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB aufgrund der globaleren Abwägung im besonderen Maße Ausnahmeregelungen enthalten können und vielfach auch enthalten müssen. Daß die „Inder-Regel-Klausel" des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB somit den Zielinhalt betrifft und lediglich klarstellende Bedeutung hat, wird im übrigen dadurch bestätigt, daß die ursprüngliche Legaldefinition von Eignungsgebieten (bzw. Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten) im Regierungsentwurf ebenfalls eine „In-der-Regel-Klausel" enthielt 337 , die wie bereits erwähnt im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens indes gestrichen wurde, wobei auf den Zielcharakter der Eignungsgebiete und die Möglichkeit der Ausnahmeregelungen hingewiesen wurde. Eigenständige Bedeutung hat die In-der-Regel-Klausel mithin lediglich im Hinblick auf Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan.

cc) Ergebnis Eignungsgebiete lösen im Hinblick auf die außergebietliche Ausschlußwirkung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB eine strikte Negativwirkung aus. Die „Inder-Regel-Klausel" hat lediglich klarstellenden Charakter. Danach können solche Vorhaben außerhalb zielförmiger Abgrabungskonzentrationen zulässig sein, die nach dem Inhalt des Raumordnungsziels - sei es aufgrund der häufig gebotenen Ausnahmeregelungen oder sei es im Wege der Auslegung - von der außergebietlichen Ausschlußwirkung nicht erfaßt sein sollen.

c) Eigentumsschutz In bezug auf den Eigentumsschutz werden Bedenken gegen die Vorschrift des §35 Abs. 3 S. 3 BauGB geäußert. 338 Es sei fraglich, ob die Raumordnungsklausel die Grenzen für eine zulässige Inhalts- und Schrankenbe-

336

Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 3. a). Vgl. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG-Entwurf, Regierungsentwurf zum BauROG, BTDrs. 13/6392, S. 23. 337

338

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 106 ff.; Schulze Buschhoff,

Darstellungsprivileg, S. 44, S. 123 ff.; Hoppe, FS Geizer, S. 61; Schulte, Rechtliche Gegebenheiten, S. 97.

344

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Stimmung des Eigentums einhalte. 339 Der Gesetzgeber habe bestimmte Vorhaben privilegiert, weil diese auf die Verwirklichung im Außenbereich angewiesen seien und aus diesem Grund einen besonders ausgeprägten Schutz erforderten. 340 Die Privilegierung habe insofern eine eigentumssichernde, nutzungsermöglichende Funktion. 341 Besondere Bedeutung komme dieser Funktion bei den Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu, die auf einen bestimmten Standort angewiesen seien. 342 Gerade im Hinblick auf Abgrabungsvorhaben wird daher erwogen, daß die Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB sich als eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung erweisen könne. 343 Im Ergebnis wird dies gleichwohl abgelehnt, da durch den Planvorbehalt nur eine Kanalisierung der Abgrabungsvorhaben und eine Steuerung der Standorte bezweckt sei. 344 Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 BauGB stelle sich nicht als eine die Privilegierung normativ verhindernde Regelung dar, sondern sei Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums 345 , zumal der außergebietliche Ausschluß einer Zielfestlegung zugleich ausreichende Möglichkeiten einer zweckentsprechenden innergebietlichen Nutzung voraussetze. 346 Die Argumentation beruht auf der Vorstellung, daß es bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Abgrabungskonzentrationen vornehmlich auf die Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB als Inhalts- und Schrankenbestimmung ankomme. Bei näherer Betrachtung ergibt sich indes auch hierbei, daß die eigentlich entscheidende Frage die Ausgestaltung der Ziele der Raumordnung ist, die mithin ihrerseits den Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung genügen müssen.347 Gerade der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kann allein anhand der bloßen Raumordnungsklausel nicht beurteilt werden. Inwieweit die eigentumssichernde Funktion der Privilegierungstatbestände zum Tragen kommt, hängt schließlich von der Ausgestaltung der Raumordnungsziele selbst ab. Bezeichnenderweise wird die Verhältnismäßigkeit der Raumordnungsklausel unter anderem mit dem Argument begründet, daß der außergebietliche Ausschluß eine ausreichende

339

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 106 ff.; Schulze Buschhoff,

Darstellungsprivileg, 123 ff. 340 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 106 ff. m.w.N. 341 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 106 ff. m.w.N. 342

343

Hoppe, FS Geizer, S. 62; Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 131 ff.

Vgl. dazu Hoppe, FS Geizer, S. 62; Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 131 ff. 344 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 109. Vgl. auch Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 137. 345 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (676). 346 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 109. 347 Vgl. entsprechend schon zu § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB oben Kap. 5, Α. I. 2 e) aa).

Β. Wirkungen der Grundsätze im Rahmen des § 35 BauGB

345

Möglichkeit einer zweckentsprechenden innergebietlichen Nutzung voraussetze 348 , womit Anforderungen an die Raumordnungsziele formuliert werden. Wenn man der Privilegierung standortgebundener gewerblicher Betriebe eine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wichtige Bedeutung beimißt, kann daraus nur die Konsequenz gezogen werden, daß auch bei der Aufstellung von Eignungsgebieten dem Umstand Rechnung getragen werden muß, daß diese Vorhaben nicht auf beliebige Standorte ausweichen können. Dies spielt dann bei der Größe dieser Gebietsausweisungen eine Rolle. 349 Im Hinblick auf den Eigentumsschutz ergeben sich auch im übrigen keine grundsätzlichen Unterschiede zu der Zielbindung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB. 350 Dies gilt auch im Hinblick auf die Entschädigungsproblematik, die indes nur selten von praktischer Bedeutung sein wird, weil auch Konzentrationsanordnungen von einem überörtlichen Interesse getragen sein müssen, das in aller Regel eine entschädigungslose Beschränkung der Nutzungsbefugnisse des Grundeigentums zur Kiesabgrabung rechtfertigen wird.

B. Die Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB Soweit Ziele der Raumordnung fehlen, ist zu erwägen, ob die Grundsätze der Raumordnung für die Genehmigung eines Kiesabbauvorhabens im Außenbereich eine Rolle spielen können. Zu denken ist beispielsweise an den allgemeinen Rohstoffsicherungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG sowie den Grundsatz der Freiraumstruktur nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG, aber auch an die (nicht zielförmigen) Konzentrationsanordnungen oder an Vorbehaltsgebiete. Aus § 4 Abs. 4 S. 1 ROG ergibt sich, daß bei Genehmigungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts die Grundsätze der Raumordnung nach Maßgabe der für diese Entscheidung geltenden Vorschriften zu berücksichtigen sind. Es ist folglich auf die Vorschriften des § 35 Abs. 1, 3 BauGB abzustellen, die - mangels einer ausdrücklichen Erwähnung der Grundsätze der Raumordnung - ausgelegt werden müssen. In Betracht kommt eine Berücksichtigung der Grundsätze der Raumordnung als entgegenstehende öffentliche Belange im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung des § 35 Abs. 1 BauGB. 351 Es stellt sich daher die Frage,

348

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 109. Vgl. dazu oben Kap. 4, E. III. 3. b) und IV. 3. 350 Vgl. dazu oben Kap. 5, Α. I. 2 e) aa). 351 Vgl. zum Bestehen von ΒindungsWirkungen der Grundsätze der Raumordnung im Rahmen des §35 BauGB Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); StüerIVildomec, BauR 349

346

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

ob die Grundsätze der Raumordnung öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB sind. Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine nähere Betrachtung der Intention des § 35 Abs. 1 BauGB, des in § 3 Nr. 3 ROG skizzierten Wesens der Raumordnungsgrundsätze und des Bestimmtheitsgrundsatzes.

I. Überörtliche Belange als öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB Aus der Erwähnung der Ziele der Raumordnung in § 35 Abs. 3 S. 2,3 BauGB wird zum Teil der Umkehrschluß gezogen, daß Grundsätze der Raumordnung unberücksichtigt bleiben müssen. 352 Die ausdrückliche Erwähnung der Ziele der Raumordnung läßt sich aber andererseits auch allein dadurch erklären, daß durch diese Vorschriften den Zielen der Raumordnung eine Sonderrolle innerhalb der Erfordernisse der Raumordnung eingeräumt wird, indem ihnen nämlich eine erweiterte Bindungswirkung zugemessen wird. 3 5 3 Man wird im Gegenteil aus der Erwähnung der Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 Abs. 3 BauGB schließen können, daß der Gesetzgeber gewährleistet wissen wollte, daß bei der Genehmigung von Außenbereichsvorhaben den überörtlichen räumlichen Belangen Bedeutung zukommen sollte. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß ebenso wie die Grundsätze der Raumordnung auch das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens im Rahmen des § 35 BauGB nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es ist davon auszugehen, daß das Ergebnis des Raumordnungs Verfahrens im Rahmen des § 35 BauGB zu berücksichtigen ist. 3 5 4 Schließlich soll das Raumordnungsverfahren gerade auch bei privaten Vorhaben durchgeführt werden, die typischerweise nach § 35 BauGB genehmigt werden. 355 Es würde aber dem Sinn und Zweck des Raumordnungsverfahrens widersprechen, wenn es zwar durchgeführt würde, sein Ergebnis aber für die nachfolgende Genehmigung nicht einmal zu berücksichtigen wäre. Wenn aber das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens im

1998, S. 427 (433); vgl. auch Cholewa/DalihammerlDyong/v.d. ordnung, 3. Aufl., § 3 ROG, Rn. 43. 352

Widersprüchlich

Dyong,

Heide/Arenz,

in: CholewafDalihammerlDyong/v.d.Heide!Arenz,

Raum-

Raumordnung, 4. Aufl., § 4 ROG Rn. 37, 46; Zur alten Rechtslage: Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 138; Hoppe, in: ders ./Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 140. 353 I.E. ebenso Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278). 354 I.E. ebenso Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 179 ff, allerdings nur in bezug auf den zielkonkretisierenden Inhalt des Ergebnisses des Raumordnungsverfahrens. 355 Vgl. § 1 RoV, z.B. die Errichtung von Kernkraftwerken sowie andere als bergbauliche Vorhaben zum Abbau von oberflächennahen Rohstoffen mit einer vom Vorhaben beanspruchten Gesamtfläche von 10 ha und mehr, womit insbesondere Kiesgruben angesprochen sind.

Β. Wirkungen der Grundsätze im Rahmen des § 35 BauGB

347

Rahmen des § 35 BauGB zu berücksichtigen ist, obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wird, steht die Nichterwähnung der Grundsätze ebenfalls deren Berücksichtigung nicht entgegen. Das BauROG ist durch das Bestreben einer Stärkung der Raumordnung geprägt. Es würde insofern nicht überzeugen, wenn bei der Vielzahl der zu berücksichtigenden Belange i.S.d. § 35 Abs. 1, 3 BauGB nicht auch die überörtlichen Auswirkungen eines Vorhabens unter Gesichtspunkten der Raumordnung maßgeblich sein sollten, nur weil Ziele der Raumordnung fehlen. 356 Diese allgemeine Überlegung spricht ebenfalls für eine Berücksichtigungspflicht der Grundsätze der Raumordnung. 357

II. Nachvollziehende Abwägung als Abwägungsentscheidung i.S.d. § 3 Nr. 3 ROG Eine bloße Berücksichtigung ist bei einer gebundenen Entscheidung, die keinerlei Abwägungsspielraum offen läßt, nicht möglich. 358 Auch aus dem Wesen der Grundsätze der Raumordnung nach § 3 Nr. 3 ROG ergibt sich, daß eine Berücksichtigung von Grundsätzen der Raumordnung nur bei Abwägungsund Ermessensentscheidungen möglich ist. 3 5 9 Es drängt sich daher die Frage auf, ob sich Grundsätze auch zur Berücksichtigung innerhalb einer nachvollziehenden Abwägung eignen oder ob der Begriff der Abwägung i.S.d. § 3 Nr. 3 ROG auf planerische Abwägungen beschränkt werden muß, obwohl dem Wortlaut dieser Vorschrift eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen ist. Der Begriff der Abwägung umfaßt nämlich üblicherweise neben der Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit auch die Abwägung bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. 360 Auch die Abwägung nach § 35 Abs. 1 BauGB hält nicht nur ein einziges richtiges Abwägungsergebnis bereit, wenngleich sie

356 Vgl. allerdings Erbguth, NVwZ 1988, S. 289 (296), wonach im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB eine Prüfung der Belange in ihrer überörtlichen, nicht bodenbezogenen Bedeutung nicht zur Entscheidungsfindung bei der Zulassung von Außenbereichsvorhaben gehöre. 357 I.E. ebenso zur alten Rechtslage: Cholewa!DalihammerlDyonglv.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 3 ROG, Rn. 43; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18; zur neuen Rechtslage: Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (278); ders., WiVerw 1997, S. 267 (280 f., 282). 358 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (281). 359 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (281). 360 Dreier, Abwägung, S. 43; Vgl. auch Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (49).

348

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

einen besonderen Charakter aufweist und an verschiedene Kriterien gebunden ist. 361 Insofern eignet sie sich prinzipiell zur Berücksichtigung von Belangen. Wie bereits erwähnt, besteht das Charakteristische einer nachvollziehenden Abwägung darin, daß sie keine Saldierung verschiedener Belange ermöglicht, sondern daß hierbei das Interesse des Antragstellers dem einzelnen, das Vorhaben negativ berührenden öffentlichen Belang jeweils getrennt gegenübergestellt wird. 3 6 2 Daraus ergibt sich, daß der jeweils heranzuziehende Grundsatz der Raumordnung für sich genommen überhaupt einen auf das jeweilige Vorhaben bezogenen, negativen Aussagegehalt aufweisen muß. Diesen negativen Aussagegehalt kann man allerdings den Grundsätzen der Raumordnung, die nach § 7 Abs. 7 S. 1 ROG grundsätzlich auf eine Abwägung „gegeneinander und untereinander" zugeschnitten sind 363 , in aller Regel aufgrund ihrer mangelnden räumlichen Konkretisierung nicht entnehmen, so daß eine Berücksichtigung insofern nicht in Betracht kommt. Etwas anderes kann allerdings in bezug auf räumlich konkrete Grundsätze der Raumordnung in Form von Vorbehaltsgebieten i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG gelten, innerhalb derer solchen Nutzungen oder Funktionen ein besonderes Gewicht beigemessen werden soll, die mit dem beantragten Vorhaben konkurrieren. Solche Grundsätze sind zwar sachlich nicht in dem Sinne konkret, daß sie eine abschließende negative Aussage gegen das beantragte Vorhaben treffen. Dies erscheint aber bei einer bloßen Berücksichtigungspflicht auch nicht erforderlich. Vorbehaltsgebiete sind daher grundsätzlich geeignet, als Gewichtungsvorgabe im Rahmen einer nachvollziehenden Abwägung bei der Gewichtung der öffentlichen Belange zu fungieren. 364 Diese Grundsätze der Raumordnung können jeweils einzeln mit dem Interesse des Vorhabenträgers an dem beantragten Vorhaben konfrontiert werden. 365

361 362 363

S. 172. 364

Stüer/Vildomec, BauR 1998, S. 427 (430); a.A. Wagner, UPR 1996, S. 370 (372). Vgl. dazu oben Kap. 3. Β. II. 2. Vgl. auch Dreier, Abwägung, S. 44. § 7 Abs. 7 S. 1 ROG; Vgl. dazu auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung,

I.E. ebenso Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). Vgl. ebenso zumfrüheren Recht Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18, S. 172, der zwar eine Berücksichtigungsfähigkeit der Grundsätze allgemein aufgrund des § 3 Abs. 3 ROG a.F. ablehnte. Eine Ausnahme bildeten aber räumlich konkrete Grundsätze, d.h. Vorbehaltsgebiete. Diese seien trotz ihres Grundsatzcharakters von den Raumordnungsklauseln erfaßt, die auf Ziele der Raumordnung abstellten. 365 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 172.

Β. Wirkungen der Grundsätze im Rahmen des § 35 BauGB

349

I I I . Bestimmheitsgrundsatz Der Berücksichtigung von Grundsätzen der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB könnten indes verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen. Im Schrifttum wird zutreffend auf den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz verwiesen. Bei der Anwendung der Grundsätze der Raumordnung im jeweiligen Einzelfall gegenüber dem einzelnen sei die rechtliche Überprüfbarkeit und die Einhaltung des Gleichheitssatzes wegen der inhaltlichen Weite der Formulierung und der Abstraktheit der Grundsätze nicht mehr gewährleistet. 366 Dieser Argumentation ist grundsätzlich zuzustimmen. Auch aus dem Bestimmtheitsgrundsatz folgt daher, daß beispielsweise die bundesrechtlichen Grundsätze der Raumordnung oder allgemeine Konzentrationsanordnungen im Landesrecht zu abstrakt sind, um einem Kiesabbauvorhaben im Einzelfall als entgegenstehender Belang entgegengehalten zu werden. Für den Unternehmer, der das Vorhaben beantragt, würden sich entsprechende Entscheidungen der Behörde vielmehr als gänzlich unvorhersehbar und willkürlich darstellen. Dagegen kann auch nicht angeführt werden, daß der in § 35 Abs. 2 BauGB verwendete Begriff der öffentlichen Belange seinerseits recht unbestimmt sei und demgegenüber die Grundsätze der Raumordnung vergleichsweise ausdifferenziert seien. 367 Gegenüber den in § 35 Abs. 3 BauGB exemplarisch aufgeführten Beeinträchtigungen öffentlicher Belange sind die Grundsätze der Raumordnung nämlich weniger konkret. Auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz müssen indes Ausnahmen bei räumlich konkreten Grundsätzen der Raumordnung gemacht werden, d.h. insbesondere für Vorbehaltsgebiete. Ihre Berücksichtigung kann aufgrund der Gewichtungsvorgabe sogar zur Vereinheitlichung der Genehmigungstätigkeit der Behörde führen, so daß der Vorwurf der Willkür nicht gerechtfertigt ist.

I V . Ergebnis Im allgemeinen sind die Grundsätze der Raumordnung nicht geeignet, um einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB als öffentliche Belange entgegenzustehen. Etwas anderes gilt indes für die konkreten Grundsätze der Raum-

366

Zum alten Recht stellvertretend Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 79, S. 96; Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Κ § 3 Rn. 39; Wagner, DVB1. 1990, S. 1024 (1028); Hoppe, in: dersJMenke, Raumordnungs» und Landesplanungsrecht, Rn. 677 ff, Rn. 680. A.A. Cholewa/DallhammerlDyong/v.d.Heide!Arenz, Raumordnung, 3. Aufl., § 3 ROG, Rn. 43. 367 Vgl. ansatzweise zu dieser Überlegung Schmidt-Aßmann, Raumordnungsklauseln, S. 30 f.

350

Fünftes Kapitel: Raumordnungsbindung im Rahmen des § 35 BauGB

Ordnung, insbesondere Vorbehaltsgebiete 368. Diese können eine vorhabenverhindernde Berücksichtigungspflicht auslösen. Es muß allerdings erneut betont werden, daß es sich um Vorbehaltsgebiete handeln muß, in denen eine mit dem beantragten Vorhaben konkurrierende Funktion oder Nutzung vorgesehen ist. Es sind beispielsweise Fälle denkbar, in denen ein Kiesabbauvorhaben nach § 35 BauGB nicht genehmigungsfähig ist, weil sich auf die in Frage stehende Fläche ein Vorbehaltsgebiet für Natur und Landschaft 369 oder für den Grundwasserschutz erstreckt. Umgekehrt haben Vorbehaltsgebiete für den Rohstoffabbau aber keine begünstigende Wirkung für ein beantragtes Kiesabbauvorhaben, sondern lediglich eine potentiell verhindernde Wirkung für eine konkurrierende Nutzung. Da bei der nachvollziehenden Abwägung allerdings auch die Privilegierung des Vorhabens berücksichtigt werden muß und bei Kiesabbauvorhaben zumindest in Gegenden mit geringen Kiesvorkommen - auch gleichsam verstärkend noch der Gesichtspunkt der Standortgebundenheit ins Gewicht fällt 3 7 0 , läßt sich die Unzulässigkeit einer Abgrabung aus einem räumlich konkreten Grundsatz nur in seltenen Ausnahmefällen herleiten. In den in Frage kommenden Fällen dürfte es sich in aller Regel um Großprojekte handeln, in denen zur Konkretisierung der Grundsätze der Raumordnung ohnehin ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, dessen Ergebnis seinerseits als öffentlicher Belang zu berücksichtigen ist 3 7 1 .

368

Im Hinblick auf Vorbehaltsgebiete ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 18, S. 172; BayVGH, NuR 1997, S. 291 (293), wobei allerdings die Zielqualität eines landschaftlichen Vorbehaltsgebietes bejaht wird; Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). 369 Vgl. zur Wirkung solcher Vorbehaltsgebiete im Hinblick auf Windenergieparks Runkel, DVB1. 1997, S. 275 (279). 370 Vgl. ähnlich in Bezug auf eine Abwägung mit den Zielen der Raumordnung Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 223; Kühne, DVB1. 1984, 709 (713). 371 Vgl. Wahl, FS Sendler, S. 199 (211), wonach dem Raumordnungsverfahren ansatzweise eine planerische Stufe bei der Verwirklichung von industriellen Großvorhaben zukommt. Nach Gruber, BayVBl. 1996, S. 326 (327 f.) ist ein Raumordnungsverfahren nur dann durchzuführen, wenn das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens in der Genehmigungsentscheidung aufgrund von Raumordnungs- oder Gemeinwohlklauseln berücksichtigt wird, da es nicht nur zum Selbstzweck durchgeführt werden dürfe.

Sechstes Kapitel

Die Bindungswirkungen der Ziele und Grundsätze der Raumordnung bei planfeststellungsbzw. plangenehmigungsbedûrftigen Naßauskiesungen

A. Planfeststellung I. Die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung 7. Allgemeines zur Funktion des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG Da es sich bei Kiesabbauvorhaben um typische Vorhaben von Privatpersonen handelt und zudem bereits aufgrund der Privatnützigkeit der Vorhaben 1 § 4 Abs. 3 ROG nicht einschlägig ist, richtet sich die Zielbindung bei der wasserrechtlichen Planfeststellung über raumbedeutsame Naßauskiesungen nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG, d.h. es liegt eine Zielbeachtenspflicht vor. 2 Seit der Raumordnungsgesetznovelle sind die Ziele der Raumordnung daher zu den zwingenden Vorgaben zu zählen, die der planerischen Abwägung der Planfeststellungsbehörde bei raumbedeutsamen Naßauskiesungen vorgelagert sind. Da die Ziele der Raumordnung auf einem raumordnerischen Gesamtkonzept beruhen, wird die planerische Entscheidung der Planfeststellungsbehörde zumindest im Hinblick auf die raumordnerischen Belange in eine räumliche Gesamtkonzeption eingebettet. Gewissermaßen wird dadurch auch das bereits angesprochene Defizit des konzeptionellen Entscheidens der Planfeststellungsbehörde zum Teil aufgefangen. 3 Bei der Zielbeachtenspflicht bei privatnützigen wasserwirtschaftlichen Planfeststellungen handelt es sich wie bereits erwähnt um eine Neuerung des ROG 1998. Vor der Raumordnungsgesetznovelle wurden zwar die wasserrechtlichen Vorschriften überwiegend auch dahingehend ausgelegt, daß die Raumordnungsziele in das Entscheidungsprogramm der Planfeststellungsbehörde Eingang fanden. In Ermangelung einer ausdrücklichen Raumordnungsklausel waren die Ziele allerdings lediglich in der planerischen Abwägung bzw. als 1

Vgl. dazu oben Kap. 3. C. I. 1. b). Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (277). 3 Ähnlich Erbguth, NVwZ 1992, S. 209 (213). Vgl. zur vergleichbaren Problematik im Bergrecht Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (177). 2

352

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

Konkretisierung des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des Wasserrechts zu berücksichtigen. 4 Als Anknüpfungspunkt für eine strikte Zielbindung kamen schließlich auch die Raumordnungsklauseln der durch die Planfeststellung konzentrierten Genehmigungen in Betracht. 5 Was die zentralen baurechtlichen Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB anbelangt, galt es aber zu berücksichtigen, daß deren Anwendung durch § 38 BauGB für Planfeststellungen über Maßnahmen mit überörtlicher Bedeutung ausgeschlossen ist.6 Für die Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen über private Vorhaben kommt es nach der neuen Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG nicht mehr auf diese städtebaulichen Vorschriften an.7 Wie bereits erwähnt, wirft die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG kompetenzrechtliche Probleme auf 8, die im folgenden näher untersucht werden. Es schließt sich sodann eine Analyse der Bindungswirkungen der Ziele der Raumordnung an, wobei auf die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Ziele im Rahmen von Zielbeachtenspflichten einzugehen ist, nämlich die Negativwirkung, die Positivwirkung und die aktivplanerische Wirkung.

2. Gesetzgebungskompetenz Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Raumordnung umfaßt nicht die Regelung über die Rechtswirkungen der Raumordnung gegenüber dem einzelnen.9 Da § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG jedoch eine solche Geltung der Ziele der Raumordnung im Rahmen von Planfeststellungen über die Zulässigkeit

4 Vgl. Hoppe, DVB1. 1997, S. 234 (239); Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (32 f.); Uechtritz, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 60 (61); ders, VBIBW 1984, S. 5 (9); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 150; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 209, S. 227 f. Vgl. auch VG Freiburg, ZfW 1997, S. 60 (62 f.); BaWüVGH, ZfW 1997, S. 32 (33), allerdings im Hinblick auf die wasserrechtliche Erlaubnis bei einer Trockenauskiesung. Vgl. auch Steinberg, Fachplanung, S. 176 f. 5 Vgl. Uechtritz, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 60

(61).

6 Vgl. dazu oben Kap. 3. C I. 3.; Uechtritz, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 60 (62). Vgl. auch zur Unzulässigkeit eines planfeststellungsbedürftigen Kiesabbauvorhabens aufgrund der Ziel Widrigkeit in Bezug auf § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und §§ 10 Abs. 1 Nr. 4 und 11 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG BW VG Freiburg, ZfW 1997, S. 60 (64). 7 Kritisch zu § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG Hoppe, DVB1. 1997, S. 234 (239); vgl. auch Uechtritz, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 60 (62), der sich gegen eine strikte Bindung planfeststellungsbedürftiger privater Vorhaben an die Ziele der Raumordnung ausspricht. 8 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. II. 1. b). 9 BVerfGE 3, S. 407 (425, 427 f.).

Planfeststellung raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts vorsieht, läßt sich die Vorschrift mithin nicht auf den Gesetzgebungstitel der Raumordnung stützen. Der Bund bedarf vielmehr einer spezialgesetzlichen Kompetenzgrundläge. 10

a) Rahmengesetzgebung für das Wasserhaushaltsrecht Da die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG gesetzestechnisch lediglich eine Bündelung von fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln in den jeweiligen Fachgesetzen darstellt 11 , erfüllt sie im Hinblick auf die Planfeststellungsverfahren über Gewässerausbauvorhaben die Funktion einer Raumordnungsklausel im WHG, die lauten würde: „Bei der Planfeststellung i.S.d. § 31 Abs. 2 WHG sind die Ziele der Raumordnung zu beachten". Die Zielbeachtensklausel des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG (bzw. eine hypothetische entsprechende Raumordnungsklausel im WHG) muß sich daher im Hinblick auf Naßauskiesungen ebenso wie § 31 WHG an der Kompetenzvorschrift des Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG für das Wasserhaushaltsrecht messen lassen.

b) Erforderlichkeit der Regelung Nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG hat der Bund das Recht zur Rahmengesetzgebung nur unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG. Für das Wasserhaushaltsgesetz insgesamt, aber auch für die Normierung der wasserrechtlichen Planfeststellung steht die Zulässigkeit zur Rahmengesetzgebung unter diesem Gesichtspunkt außer Frage, da das Gesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist. 12 Was die Verknüpfung zwischen wasserrechtlicher Planfeststellung und den Zielen der Raumordnung betrifft, kann nichts anderes gelten. Insbesondere im Hinblick auf die notwendige Entwicklung und Sicherung von Raumfunktionen und Raumnutzungen, die auch länderübergreifend abgestimmt werden muß, müssen die Instrumente der Raumordnung in das Gefüge des Fachplanungsrechts einheitlich eingepaßt werden, um die Rechts- und Wirtschaftsseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zu wahren. 13

10

Vgl. dazu oben Kap. 2, D. II. 1. b). Vgl. dazu oben Kap. 2, D. II. 1. b). 12 Axer, AgrarR 1996, S. 1 (4). 13 Vgl. allgemein die Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 32. 11

23 Spiecker

354

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen c) Unmittelbar geltende Regelung

Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG bindet den Vorhabenträger und die Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der Zulassung des Vorhabens an die Ziele der Raumordnung, so daß eine unmittelbar geltende Regelung i.S.d. Art. 75 Abs. 2 GG gegeben ist und mithin das Vorliegen eines Ausnahmefalls nachgewiesen werden muß. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse auch gerade eine unmittelbar geltende Vorschrift erfordern. 14 Es muß also eine Situation vorliegen, in der die bloße Ausübung der Rahmengesetzgebungskompetenz nicht genügt, um im Bundesgebiet gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen oder die Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zu wahren. 15 Die Entwicklung des Gesamtraums in der Bundesrepublik erfordert ein Planungssystem und Planungsinstrumente, die die Abstimmung verschiedener raumbedeutsamer Planungen untereinander ermöglichen und in denen sich widersprechende Planungen verhindert werden. Zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse ist daher nicht nur eine rahmenrechtliche, sondern auch eine unmittelbar geltende Regelung über das Verhältnis von Zielen der Raumordnung und wasserrechtlicher Planfeststellung erforderlich, die der Landesgesetzgeber nicht ändern kann. 16 Dies gilt umso mehr, als die Raumordnungsplanung nach § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 6 ROG gerade der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen besonders verpflichtet ist. Eine Schranke für die Bundesgesetzgebung bildet allerdings das Erfordernis, daß den Ländern substantielle Entscheidungsspielräume belassen werden müssen.17 Der Zweck der Rahmengesetzgebung besteht schließlich darin, einen Handlungsspielraum für die Gliedstaaten zu schaffen, der regional angepaßte Lösungen und den besonderen Verhältnissen entsprechende dezentrale

14

Vgl. überzeugend zum Begriff des Ausnahmefalls Axer , AgrarR 1996, S. 1 (5). Vgl. zu weiteren Versuchen der Bestimmung des Begriffs des Ausnahmefalls Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1047); Freytag/Iven, NuR 1997, S. 121 (124); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 72 Rn. 12; Reichert, NVwZ 1998, S. 17 (19 ff.); Sommermann, Jura

1995, S. 393 (397). 15 Axer, AgrarR 1996, S. 1 (5). 16 Vgl. zu der ähnlichen Problematik bei der bundesrechtlichen Begriffsbestimmung von Nationalparken aufgrund der Rahmengesetzgebungskompetenz für das Naturschutzund Landschaftspflegerecht Czybulka, NuR 1996, S. 565 (566). 17

Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 75, Rn. 14.

Planfeststellung Regelungen ermöglicht. 18 Mit diesem Anliegen ist auch die unmittelbar geltende Regelung einer Zielbeachtenspflicht verträglich. Zu bedenken ist nämlich, daß die Ziele der Raumordnung ihrerseits erst durch die Landesplanungsgesetze und durch die konkrete landesrechtliche Festlegung bestimmt werden, so daß aus der Normierung der Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG kein gravierender Verlust von Länderkompetenzen resultiert. Vor diesem Hintergrund steht der Annahme eines Ausnahmefalles i.S.d. Art. 75 Abs. 2 GG daher nichts entgegen. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die kompetenzrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG zumindest im Hinblick auf die Zielbindung bei der wasserwirtschaftsrechtlichen Planfeststellung nicht durchgreifen. Der Bund konnte die Vorschrift auf der Kompetenzgrundlage des Wasserhaushalts nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG erlassen.

3. Negativwirkung Ein wichtiger Bestandteil der Zielbeachtenspflicht ist die Negativwirkung der Ziele der Raumordnung, die sich auf zielwidrige raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen verhindernd auswirkt. 19

a) Voraussetzungen der Negativwirkung aa) Erforderliche

Konkretheit der Ziele

Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG einen besonderen Konkretisierungsgrad der jeweiligen Raumordnungsziele voraussetzt. Es könnten die gleichen Anforderungen an die räumliche und sachliche Konkretheit der Ziele gelten wie bei der Zielbindung nach § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB. 20 Wie bereits erwähnt, waren nach der Dogmatik zum bisherigen Raumordnungsrecht die Ziele der Raumordnung bei der Konkretisierung des Wohls der Allgemeinheit i.S.d. Wasserrechts und im übrigen in der planerischen Abwägung als unselbständige Belange zu berücksichtigen. 21 Dies sollte allerdings nur bei

18

(893). 19 20 21

Vgl. zu dieser Funktion der Rahmengesetzgebung Calliess, DÖV 1997, S. 889 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 4. a). Vgl. dazu oben Kap. 5, Α. I. 1. a). Vgl. dazu oben Kap. 6, A.I. 1.

356

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

hinreichender Konkretheit der Raumordnungsziele der Fall sein, wobei eine nähere Begründung zu dieser Auffassung nicht geliefert wird. 2 2 Der schlichten Übertragung der Ergebnisse, die im Hinblick auf die Beachtung der Ziele der Raumordnung im Rahmen des § 35 BauGB gewonnen wurden, auf Planfeststellungen widerstreitet die unterschiedliche Rechtsposition der betroffenen Grundstückseigentümer im Fall der Beantragung einer privatnützigen Planfeststellung im Verhältnis zum Bauwilligen. 23 Der Bauwillige hat nämlich einen Rechtsanspruch, während demjenigen, der einen Gewässerausbau anstrebt, nur ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens zusteht.24 Aus der Perspektive des Antragstellers wirken zwar die Ziele unmittelbar auf die Zulässigkeit des Vorhabens ein, so daß insofern die Bestimmtheitsanforderungen einschlägig sein könnten, die aus rechtsstaatlichen Gründen im Bürger - Staat - Verhältnis gelten. 25 Allerdings ist anerkannt, daß bei den final strukturierten Planungsentscheidungen andere Bestimmtheitsmaßstäbe gelten müssen als bei konditional strukturierten Kontrollentscheidungen. 26 Insofern ist die Planfeststellung mit der Aufstellung eines Bebauungsplans vergleichbar. Die Planfeststellungsbehörde ist daher in demselben Maße an die Ziele der Raumordnung gebunden, wie die Gemeinde bei der Bauleitplanung. Die Zielwidrigkeit ist bei der Beurteilung eines einzelnes Vorhabens besonders einfach festzustellen, wenn das Ziel der Raumordnung einen hohen Konkretisierungsgrad aufweist. Gleichwohl darf daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß Ziele der Raumordnung, die nicht gebiets- und funktionsscharf sind, keine Zielbeachtenspflicht bei der Planfeststellung auslösen, z.B. die Festlegung als Fremdenverkehrsort oder die sehr großflächige Ausweisung eines Grundwasserschongebiets. Im Wege einer planerischen Entscheidung, bei der insbesondere auch alle örtlichen und privaten Belange und im übrigen auch das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens 27 zu

22

VG Freiburg, ZfW 1997, S. 60 (63); Zeitler, in: SiederlZeitler/Dahme/Knopp,

WHG, §31, Rn. 246; Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, R 100 Rn. 40. Unklar Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 103 f.; Uechtritz, VBIBW. 1984, S. 5 (9) erörtert die Problematik der unmittelbaren Geltung von Zielen der Raumordnung bei der privatnützigen wasserrechtlichen Planfeststellung von vornherein nur im Hinblick auf gebiets- und funktionsscharfe Ziele der Raumordnung. 23 Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9). 24 Uechtritz, VBIBW 1984, S. 5 (9). Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc). 25 Vgl. Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (29). 26 Vgl. z.B. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 37. 27 Nach § 1 Nr. 7 RoV soll für planfeststellungsbedürftige Gewässerausbauvorhaben i.S.d. § 31 WHG ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden, wenn das Vorhaben

Planfeststellung berücksichtigen sind, ist die Planfeststellungsbehörde in diesem Fall zu einer Zielkonkretisierung verpflichtet. Bei sachlich oder räumlich ungenauen Zielen der Raumordnung ist also nur der Konkretisierungsspielraum größer, so daß ein Zielwiderspruch des jeweiligen Vorhabens seltener vorliegt. Bedenken ergeben sich allerdings insofern, als relativ unkonkrete Ziele grundsätzlich auf weitere konkretisierende Gesamtkonzeptionen zugeschnitten sind, etwa der Bauleitplanung oder flächendeckender vorbereitender Fachplanungen. Bei der vorhabenbezogenen Planfeststellung kann eine entsprechende Konkretisierung indes nicht uneingeschränkt geleistet werden. Die Planfeststellungsbehörde ist vielmehr auf die Ablehnung bzw. Stattgabe der beantragten Planfeststellung beschränkt - die Standortwahl, die der einzelne Abbauwillige trifft, kann von ihr grundsätzlich nicht beeinflußt werden. 28 Die überörtliche Steuerung des Kiesabbaus, die Konzentrierung auf bestimmte Hauptabbaugebiete und die Freihaltung anderer Bereiche kann auf der Ebene der Planfeststellung daher nur im Wege isolierter Einzelentscheidungen, aber nicht im Wege einer verbindlichen, räumlichen Gesamtkonzeption verfolgt werden. 29 Auch dies spricht indes nicht prinzipiell gegen die Bindung der Planfeststellungsbehörde an wenig konkrete Ziele der Raumordnung, zumal die Planfeststellungsbehörde auch die gesamtplanerischen Planungsvorstellungen der Gemeinden zu berücksichtigen hat und sich mit der Gemeinde abstimmt. 30 Zudem besteht die Möglichkeit, im Wege eines Raumordnungsverfahrens die Ziele der Raumordnung zu konkretisieren. 31 Im Ergebnis ist mithin festzuhalten, daß die Planfeststellungsbehörde an die Ziele der Raumordnung unabhängig von ihrem Konkretisierungsgrad gebunden ist.

bb) Raumbedeutsamkeit des Kiesabbauvorhabens Die Rechtswirkungen der Ziele der Raumordnung sind nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG auf Planfeststellungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen beschränkt. Die Raumbedeutsamkeit der Naßauskiesung setzt daher voraus, daß sie raumbeanspruchend ist und mithin eine große Fläche in im Einzelfall raumbedeutsam und von überörtlicher Bedeutung ist. Vgl. Zeitler, Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, 28

in:

WHG, § 31, Rn. 247 ff.

Vgl. Uechtritz, VB1BW 1984, S. 5 (7). Ähnlich Uechtritz, VB1BW 1984, S. 5 (7). Vgl. dazu auch oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc)(l). 30 Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 3. 31 Vgl. z.B. zur Bedeutung des Raumordnungsverfahrens, wenn konkrete raumordnerische Gebietsfestlegungen zugunsten des Abbauvorhabens fehlen Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (182 f.). 29

358

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

Anspruch nimmt. Für die Planfeststellungen gelten keine Besonderheiten gegenüber dem Begriff der Raumbedeutsamkeit, wie er bereits am Beispiel der Zulässigkeit von Vorhaben im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB dargestellt wurde. 32 Auch bei der Planfeststellung ist also maßgeblich, ob das Vorhaben die öffentlichen Belange beeinträchtigt, die durch das Ziel der Raumordnung verkörpert werden. Im Hinblick auf kleine Vorhaben kann es dabei auch eine Rolle spielen, daß der Baggersee auf Dauer bestehen bleibt und daher besondere Raumwirkungen entfaltet.

b) Rechtsfolge aa) Strikte Negativwirkung

und Wirkung bei Eignungsgebieten

Das Wesen der Zielbeachtenspflicht besteht vornehmlich darin, zielwidrige raumbedeutsame Vorhaben zwingend zu verhindern. Stellt die Planfeststellungsbehörde mithin fest, daß die beantragte Naßauskiesung den Zielen der Raumordnung widerspricht, muß sie den Planfeststellungsbeschluß ablehnen, so daß sich beispielsweise aus der Festlegung eines Grundwasserschonbereichs die strikte Unzulässigkeit des Naßausbaus ergeben kann. 33 In bezug auf die außergebietlichen Rechtswirkungen von Eignungsgebieten bzw. Vorranggebieten mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten bei Planfeststellungen fällt auf, daß die Vorschriften des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG lediglich eine Zielbeachtenspflicht, aber keine dem § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entsprechende Raumordnungsklausel enthält, die speziell auf Eignungsgebiete zugeschnitten ist. Nach den Gesetzesmaterialien besteht indes kein Zweifel daran, daß sich die Bindungswirkung von Eignungsgebieten nach den allgemeinen Vorschriften und mithin auch nach § 4 Abs. 1 S. 2 ROG für Planfeststellungen richtet. 34

32

Vgl. dazu oben Kap. 5, Α. I. 1. d). Vgl. zu diesem Beispiel Christ, Raumordnungsziele, S. 78; vgl. allgemein zur Bedeutung der Raumordnungserfordernisse im Rahmen von Planfeststellungen BVerwGE 80, S. 201 (205 f.). I.E. ebenso Runkel, NuR 1998, S. 449 (451), der allerdings darauf hinweist, daß sich die Planfeststellungsbehörde auch dafür entscheiden kann, ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen oder den Raumordnungsplan zu ändern. In beiden Fällen handelt es sich aber um von der Planfeststellung verschiedene Verfahren mit eigenen Entscheidungsträgem. 34 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 84. Der Regierungsentwurf enthielt zwar die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG noch nicht, wohl aber die Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG über Zielbeachtenspflichten bei Planfeststellungen über die Zulässigkeit von raumbedeutsamen Maßnahmen öffentlicher Stellen. 33

Planfeststellung Die Planfeststellungsbehörde ist an diese Ziele nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG in derselben Weise gebunden wie die Gemeinden. Es gilt mithin eine strikte Zielbindung, wobei Ausnahmeregelungen bzw. die Auslegung der zielförmigen Gebietsfestlegung eine Durchbrechung dieser Pflicht auslösen können. Insofern besteht auch kein Unterschied zu der Bindung der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf eine Trockenauskiesung nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, da diese Vorschrift trotz der „In-der-Regel-Klausel" wie bereits dargelegt lediglich klarstellenden Charakter hat und sich von einer strikten Zielbeachtenspflicht nicht unterscheidet, sondern lediglich solche Vorhaben von der Bindungswirkung ausgeklammert bleiben, die ohnehin nicht vom Zielinhalt erfaßt sind. 35

bb) Grundeigentumsschutz Wenn die Planfeststellung nicht bereits aus wasserwirtschaftlichen Erwägungen versagt wird, müssen die Eigentümerinteressen der Kiesunternehmer im Rahmen der planerischen Abwägung berücksichtigt werden. 36 Der Kiesunternehmer hat insofern einen Anspruch auf eine abwägungsfehlerfreie Ausübung des Planungsermessen. 37 Durch die Zielbindung wird dieser Abwägung eine strikte äußere Grenze gesetzt. Dagegen bestehen indes ebenso wie im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB keine durchgreifenden Bedenken, solange die Ziele der Raumordnung ihrerseits rechtmäßig und abwägungsfehlerfrei zustande gekommen sind und insbesondere die privaten Belange bei der Zielaufstellung berücksichtigt wurden bzw. wenn der globalen Abwägung durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen wurde. Vor dem skizzierten eigentumsrechtlichen Hintergrund kann ebenso wie im Rahmen des § 35 BauGB auch eine etwaige Entschädigungspflicht nicht vollständig ausgeschlossen werden, wenn eine Naßauskiesung allein aus Gründen eines widersprechenden Ziels der Raumordnung versagt wird 3 8 , gesetzt den

35

Vgl. dazu oben Kap. 5, A. III. 2. b) bb). Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc) (2). 37 Vgl. dazu oben Kap. 3, C. I. 4. a) cc) (2). A.A. Czychowski, WHG, § 31, Rn. 28; Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 1 a, Rn. 27; Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14, Rn. 15: Auch wenn die wasserrechtliche Genehmigung im Ermessen der Behörde steht, kann man den Anspruch auf ermessensrichtige Entscheidung dem Grundeigentum zurechnen, jedenfalls wenn sie zur sonstigen Nutzung des Grundeigentums (Kiesabbau) erforderlich ist. Vgl. zum Rechtsanspruch des privaten Vorhabenträgers auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens bei der Planfeststellung über eine Abfallentsorgungsanlage BVerwG, ZfW 1995, S. 145 (148). 38 Vgl. auch Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 626, im Hinblick auf eine Entschädigungspflicht allerdings in bezug auf eine wasserrechtliche Erlaubnis, 36

360

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

Fall, daß das Ziel der Raumordnung nicht seinerseits - wie etwa Grundwasserschongebiete - wasserwirtschaftliche Belange verkörpert, sondern daß es sich beispielsweise um ein Vorranggebiet für ein Kraftwerk oder für ein Einzelhandelsgroßprojekt handelt. Im Hinblick auf die allein von der Zielbindung betroffenen, noch nicht ausgeübten Nutzungen lassen sich insofern die Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs 39 zur eigentumsrechtlich verfestigten Anspruchsposition auch auf die wasserrechtliche Planfeststellung anwenden. Da sich ein Grundstückseigentümer aber in aller Regel schon im Hinblick auf die planerische Abwägung der Planfeststellungsbehörde nicht darauf verlassen kann, daß sein Vorhaben zu einem bestimmten Zeitpunkt zulässig ist, kann man einen entsprechenden Anspruch allenfalls im Hinblick auf eine etwaige Reduzierung des Planungsermessens auf Null annehmen, insbesondere wenn der Gleichheitssatz dies gebietet. Nicht völlig auszuschließen ist daher auch der atypische Einzelfall, daß eine Versagung der Planfeststellung aufgrund der strikten Zielbindung über die Sozialpflichtigkeit und Situationsgebundenheit des Eigentums hinausgeht und nicht ohne Ausgleich erfolgen dürfte. Da im Raumordnungsgesetz, in den Landesplanungsgesetzen oder im Wasserrecht bisher allerdings keine entsprechenden Ausgleichsregelungen zur Verfügung stehen, muß die Zielbeachtenspflicht daher im Wege einer verfassungskonformen Auslegung teleologisch reduzierend ausgelegt werden, so daß die entsprechenden Vorhaben aus der Zielbindung ausgenommen bleiben.

4. Positivwirkung Es fragt sich, ob die Planfeststellungsbehörde auch zugunsten der Naßauskiesungsvorhaben an die Ziele der Raumordnung gebunden ist. Zu denken ist also an eine Positivwirkung der Ziele der Raumordnung bei Planfeststellungsverfahren in dem Sinne, daß sich die Planfeststellungsbehörde die im Rahmen

wenn ein Wasserschutzgebiet zugunsten einer Wassergewinnungsanlage, die erst nach der Einleitung einer umfangreichen Kiesausbeute angelegt wird, durch eine Schutzanordnung die Auskiesung eines Grundstücks verbietet, das der Eigentümer zuvor jederzeit zur Kiesausbeute verwerten konnte. Hierdurch werde auch dann eine Entschädigungspflicht begründet, wenn der Eigentümer keine wasserrechtliche Erlaubnis für die Auskiesung des betreffenden Grundstücks besitze, die zuständige Behörde jedoch bisher von der Versagungsmöglichkeit nach § 6 WHG nicht Gebrauch gemacht, sondern die Entwicklung des Geländes als Bereich einer großangelegten Kiesausbeute unterstützt habe. Da Wasserschutzgebiete indes durch wasserwirtschaftliche Belange getragen sind, ist die Auffassungs Breuers abzulehnen. 39 Vgl. auch BGH, UPR 1984, S. 195 (198), wonach ein Entschädigungsanspruch mit der Bestandskraft der ausgesprochenen Versagung der Planfeststellung, d.h. mit dem endgültigen Verbot der Kiesausbeute ausgelöst werden kann.

Planfeststellung der Raumordnungsziele getroffene Abwägung zugunsten des Vorhabens insoweit zu eigen machen muß, als die Belange bei der Darstellung des Vorhabens als Ziel der Raumordnung abgewogen worden sind. 40 Eine solche Wirkung kommt nur bei konkreten Vorranggebieten für die Bodenschätzegewinnung in Betracht. Wie bereits erwähnt, ist der Zielbeachtenspflicht im allgemeinen auch eine vorhabenfördernde Wirkung in Sinne einer strikten Positivwirkung der Ziele immanent.41 Die Ziele der Raumordnung stellen vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogene Festlegungen dar. Sie dienen der Entscheidungsabschichtung. Es wäre nicht sinnvoll, wenn infolge einer Darstellung als Vorranggebiet für die Kiesgewinnung zwar zwingend verhindert würde, daß auf diesen Flächen beispielsweise ein konkurrierendes planfeststellungsbedürftiges Vorhaben errichtet wird, die Planfeststellungsbehörde aber gleichzeitig den Planfeststellungsbeschluß über eine Naßauskiesung auf diesem Gebiet aus Gründen versagen dürfte, die die Träger der Landes- oder Regionalplanung bereits abschließend abgewogen haben.42 Die strikte Positivwirkung stellt die logische Folge aus der strikten Negativwirkung der Ziele der Raumordnung dar. 43

5. Keine aktiv-planerische

Wirkung

Daß bei privatnützigen Planfeststellungen grundsätzlich keine aktivplanerische Wirkung der Ziele in Betracht kommt, obgleich dies dem Begriff der Zielbeachtung im übrigen in gewissen Umfang zu entnehmen ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Planfeststellung antragsgebunden ist und es der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Unternehmers anheimgestellt ist, ob er die Planfeststellung oder die Änderung der Planfeststellung über ein Kiesabbauvorhaben beantragt oder nicht. Gegenüber Privaten wirken Raumordnungs-

40 Vgl. zu einer entsprechenden Positivwirkung im Rahmen des § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB oben Kap. 5, Α. II. 2. 41 Vgl. oben Kap. 1, D. I. 4. a) bb). Vgl. entsprechend allgemein zum ROGa.F. ähnlich Christ, Raumordnungsziele, S. 344, S. 364, der eine einseitige Verwirklichung der Ziele der Raumordnung ablehnt. A.A. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 95. Verfahrensrechtlich wird dieser Positivwirkung dadurch Rechnung getragen, daß ein Raumordnungsverfahren nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 ROG nicht mehr durchzuführen ist, wenn das Vorhaben den Zielen der Raumordnung entspricht, wobei es bei genauerer Betrachtung hierbei vor allem um konkrete Ziele der Raumordnung zur Festlegung des Vorhabens geht. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, daß die Ziele der Raumordnung auch in vorhabenfördernder Hinsicht ein Koordinierungsbedürfnis befriedigen. 42 So auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 162. 43 Vgl. dazu oben Kap. 2, D. I. 4. a).

362

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

ziele nicht unmittelbar veranlassend. 44 Außerdem sind Planfeststellungen auf unmittelbaren Vollzug angelegt und alsbald nach Erlaß nicht mehr bzw. nur beschränkt reversibel. 45

II. Die Bindungswirkung der Grundsätze der Raumordnung Die Grundsätze der Raumordnung sind nach § 4 Abs. 4 S. 1 ROG bei Planfeststellungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Maßnahmen von Personen des Privatrechts nach Maßgabe der für diese Entscheidungen geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. § 31 WHG ermächtigt die Planfeststellungsbehörde wie bereits erwähnt zur planerischen Abwägung des Vorhabens. Obgleich die Grundsätze der Raumordnung nicht ausdrücklich als abwägungsfähige Belange angesprochen werden, könnte man davon auszugehen, daß sie in diese überörtliche raumplanerische Abwägung einzubeziehen sind. 46 Im Hinblick auf die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde lassen sich nämlich Parallelen zur Bauleitplanung ziehen, bei der die Grundsätze der Raumordnung auch zu berücksichtigen sind. In bezug auf die gemeindliche Planungshoheit gilt es allerdings zu bedenken, daß der Abwägungsspielraum der Wasserbehörde insofern eingeschränkt ist, als sie nicht eigene, insbesondere von den Vorstellungen der Gemeinde abweichende bauplanerische Vorstellungen ohne Bezug zu dem ihr eingeräumten wasserwirtschaftlichen Gestaltungsfreiraum entwickeln und in die Abwägung einbringen darf. 47 Das bedeutet aber nicht, daß sie die in den Grundsätzen der Raumordnung zum Ausdruck gebrachten überörtlichen Belange im Rahmen des ihr eingeräumten wasserwirtschaftlichen Gestaltungsspielraums von vornherein nicht in der Abwägung berücksichtigen kann, denn der Gewässerausbau löst wegen seiner raumbedeutsamen Bezüge prinzipiell einen umfassenden Koordinierungsbedarf aus.48 Die wasserwirtschaftlichen Belangen sind gerade auch mit sonstigen, nichtwasserwirtschaftlichen Belangen abzuwägen.

44

Folkerts, DVB1. 1989, S. 733 (734). Vgl. dazu auch oben Kap. 2, D. I. 4. a); Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 18. 46 Im Ergebnis ebenso zum früheren Recht Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 210, S. 227 f. A.A. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 101, S. 103. 47 BVerwGE 85, S. 155(161). 48 Vgl. BVerwGE 85, S. 155 (161); Nach Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (630), ist die planerische Lenkung des Abbaus von Bodenschätzen nur als Kostgänger des wasserrechtlichen Verfahrens, nicht jedoch als Ausdruck eigener Zielsetzung möglich und zulässig. Eine planerische und damit lenkende Politik der Ordnung und Sicherung der Gewinnung von Bodenschätzen sei der Wasserbehörde nicht aufgetragen. Ebenso 45

Brohm, NJW 1980, S. 857 (861); Büllesbach, DÖV 1992, S. 483; Czychowski,

§31, Rn. 33.

WHG,

Β. Plangenehmigungen

363

Da im Rahmen von planerischen Entscheidungen geringe Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Anforderungen gelten 49 , begegnet auch die Weite der Grundsätze bei der Planfeststellung keinen besonderen Bedenken.50 Allerdings werden sich regelmäßig aus den Grundsätzen der Raumordnung keine strengeren als die für die Fachplanung ohnehin aus dem Abwägungsgebot ergebenden Anforderungen gestellt. 51 Den Grundsätzen der Raumordnung sind daher häufig keine konkreten Maßstäbe zu entnehmen, an denen ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben zu messen ist 52 , so daß ihr Einfluß auf die Entscheidung gering ist. Wenn die Grundsätze allerdings als relative Vorrangregelungen ausgestaltet sind, wie dies insbesondere bei den grundsatzförmigen Vorbehaltsgebieten der Fall ist, kommt den jeweiligen Belangen im Rahmen der Abwägung ein besonderes Gewicht zu. Hinzuweisen ist ferner darauf, daß die Grundsätze gegebenenfalls auch in einem Raumordnungsverfahren konkretisiert werden können.53 Zusammenfassend ergibt sich, daß sämtliche Grundsätze des Bundes und des jeweiligen Landes in der Abwägung zu berücksichtigen sind. 54

B. Plangenehmigungen I. Plangenehmigungen mit der Rechtswirkung der Planfeststellung § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG findet nur auf solche Plangenehmigungen Anwendung, die die Rechtswirkungen der Planfeststellung aufweisen. Ebenso wie bei der Planfeststellung sind auch bei den Plangenehmigungen über Kiesabgrabungen nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG die Ziele der Raumordnung zu beachten, sofern es sich - trotz der engen Voraussetzungen für die Plangenehmigung, die nämlich lediglich für eher unbedeutende Kiesabgrabungen in 49

Vgl. Dreier, Abwägung, S. 47. A.A. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 101, S. 103. 51 Vgl. BVerwG, UPR 1985, S. 373 (374). 52 Vgl. BVerwG, UPR 1985, S. 373 (374). 53 Vgl. zur Berücksichtigung des Ergebnisses des Raumordnungsverfahrens bei der Planfeststellung über einen Gewässerausbau Zeitler, in: SiederlZeitler !Dahme/Knopp, § 31 WHG, Rn. 247 ff.; Vgl. auch Fleckenstein, RuR 1997, S. 176 (182 f.) im Hinblick auf die Funktion des Raumordnungsverfahrens, wenn für das jeweilige Abbauvorhaben keine konkrete Festlegung im Regionalplan vorhanden ist. Dem Raumordnungsverfahren komme gerade für diesen Fall eine Schiedsrichterfunktion zu. Es biete die Möglichkeit, aus der Sicht der Marktsituation die langfristigen räumlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge in der Versorgungslage sowie die Bedarfs- und Angebotslage darzustellen und einer behördlichen Abwägung mit entgegenstehenden Ansprüchen zuzuführen. 54 I.E. ebenso OVG Koblenz, ZfW 1973/74, S. 174 ff.; Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 31, Rn. 244, Rn. 246; Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 210, S. 227 f. 50

364

Sechstes Kapitel: Raumordnungsbindung bei Planfeststellungen

Betracht kommt 55 - um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt. Für die Raumordnungsbindung ergeben sich auch im übrigen keine Unterschiede zur Planfeststellung. 56 Die Planfeststellungsbehörde hat daher bei der planerischen Abwägung über eine raumbedeutsame Kiesabgrabung auch die Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen. Wenn der jeweilige Grundsatz als relative Vorrangregelung ausgestaltet ist, kommt ihm bei der Abwägung ein besonderes Gewicht zu.

II. Sonstige Plangenehmigungen Plangenehmigungen, die nicht die Rechtswirkungen der Planfeststellung entfalten 57, unterfallen nicht der Zielbeachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG. Die Bindungswirkung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung richtet sich insofern vielmehr nach den allgemeinen Regeln für Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben nach § 4 Abs. 4, Abs. 5 ROG. Wenn es sich um ein Vorhaben im Außenbereich handelt, was regelmäßig der Fall sein wird, spielen daher insbesondere die Raumordnungsbindungen nach § 35 BauGB eine besondere Rolle, die auf einfache Plangenehmigungen grundsätzlich anzuwenden sind. Insofern kann auf die Ausführungen zu dieser Vorschrift verwiesen werden. 58 Was die Ziele und Grundsätze anbelangt, die nicht den im Rahmen des § 35 BauGB erforderlichen Konkretisierungsanforderungen genügen, kommt außerdem eine Berücksichtigungspflicht im Rahmen der raumplanerischen Abwägung in Betracht. 59

55 56 57 58 59

II. 2.

Vgl. dazu oben Kap. 3, Α. II. 2. a). Vgl. dazu oben Kap. 3, C. II. 1. Vgl. dazu oben Kap. 3, C. II. 2. Vgl. dazu oben Kap. 3, C. II. 2. Vgl. zur raumplanerischen Abwägung bei der Plangenehmigung oben Kap. 3, C.

Setes Kapitel

Überlegungen zu den Landesplanungsgesetzen de lege ferenda im Hinblick auf Zielbeachtenspflichten bei Zulässigkeitsentscheidungen über private Vorhaben Die rahmenrechtlichen Vorschriften der §§7 bis 16 ROG bedürfen der Umsetzung und Konkretisierung der Länder und entfalten mithin für sich genommen keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber dem Bürger. Erläßt der Bund Rahmenvorschriften, sind die Länder nach Art. 75 Abs. 3 GG verpflichtet, innerhalb einer durch das Gesetz bestimmten angemessenen Frist die erforderlichen Landesgesetze zu erlassen. Nach der Fristsetzung des § 22 ROG müssen die Landesplanungsgesetzgeber dieser Verpflichtung innerhalb von vier Jahren nach dem Inkrafltreten des ROG, d.h. bis zum 31. Dezember 2001 nachkommen.1 Die Verpflichtung des Art. 75 Abs. 3 GG erstreckt sich auch auf erforderliche Gesetzesänderungen, so daß sich die Frage stellt, welchen Anpassungsbedarf das Raumordnungsgesetz insofern im Hinblick auf die bestehenden Landesplanungsgesetze im einzelnen auslöst. Im folgenden soll dieser Frage unter dem Blickwinkel nachgegangen werden, daß das Raumordnungsgesetz nunmehr davon ausgeht, daß Ziele der Raumordnung bei Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben strikt verbindlich sein können. Bei den entsprechenden Bindungswirkungen nach § 4 Abs. 4, 5 ROG i.V.m. § 35 Abs. 3 S. 2,3 BauGB sowie nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG handelt es sich dabei um unmittelbar geltende Regelungen, die den Charakter der Raumordnungsplanung prägen und maßgeblich determinieren. Daraus können unter Umständen besondere Anforderungen an die Ausgestaltung der landesrechtlichen Regeln für die Raumordnungsplanung in den Ländern erwachsen. Im folgenden stehen dabei zwei besonders zentrale und verfassungsrechtlich bedeutsamen Fragen im Mittelpunkt des Interesses, nämlich zum einen das Erfordernis der detaillierten landesrechtlichen Vorgabe von Aussagetypen für 1

Nach Runkel, zitiert bei Lehners, DVB1. 1998, S. 130 (131), ist das Raumordnungsgesetz als Richtliniengesetz konzipiert worden, was bewirken soll, daß eine Nichtumsetzung der Rahmenvorschriften nach Ablauf der Umsetzungsfrist die unmittelbare Geltung des Bundesrahmenrechts zur Folge hat. Diese rechtliche Konstruktion lehne sich an die Rechtsprechung des EuGH zur nicht fristgerechten Umsetzung von Richtlinien an.

366

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Raumordnungspläne und zum anderen die Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. Obwohl es sich dabei um prinzipielle Fragen des Raumordnungsrechts handelt, kann zur Veranschaulichung zum Teil auch auf die bisherigen Ausführungen zur raumordnerischen Steuerung des Kiesabbaus zurückgegriffen werden.

A. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung Die Thematik der gesetzlichen Aussagetypen für Ziele der Raumordnung betrifft die Frage, ob bestimmte zielförmige raumordnerische Festsetzungsarten nur dann zulässig sind, wenn sich gerade für diesen Typus der raumordnerischen Aussage eine gesetzliche Ermächtigung findet. Die Beantwortung dieser Frage ist von zentraler Bedeutung. Von ihr hängt es nämlich ab, welchen Inhalt Raumordnungspläne im einzelnen überhaupt haben können, ob unter Umständen Teile bestehender Raumordnungspläne unzulässig sind und ob bzw. inwieweit die Träger der Raumordnungsplanung neue Festlegungsarten eigenständig zur Verwirklichung der Raumordnung entwickeln und einsetzen können und mithin ein originäres Zielerfindungsrecht besitzen.2 Was hier unter gesetzlichen Aussagetypen für Raumordnungsziele verstanden werden soll 3 , läßt sich an den Beispielen der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 1 ROG veranschaulichen, die unter anderem den Typus der Raumkategorien, der zentralen Orte und der Achsen erwähnt, sowie an der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 4 ROG zu den Gebietskategorien. Bei gesetzlichen Aussagetypen geht es um gesetzliche Kategorien von Inhalten der Raumordnungspläne, die durch einen charakteristischen Aussagegehalt und charakteristische Wirkungen gekennzeichnet sind. Gesetzliche Aussagetypen sind dabei häufig in dem Sinne lediglich typisch, daß sie als Modell für unterschiedliche raumordnerische Inhalte herangezogen werden können. Das Zentrale-Orte-Modell beruht beispielsweise auf einem System von unterschiedlichen Stufen der Zentralität. 4 Auch Vorrang- und Eignungsgebiete können für verschiedene raumordnerische Funktionen oder Nutzungen festgelegt werden. Die in § 7 ROG enthaltenen gesetzlichen Aussagetypen sind dem Rahmenrecht zuzuordnen und zudem nicht abschließend zu verstehen. § 7 Abs. 2 ROG

2

Vgl. dazu ablehnend Halama, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990 f; Runkel, in: Bielenberg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 134. 3 Vgl. demgegenüber Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (990), der den Begriff der Aussagetypen für die Abgrenzung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung sowie sonstige Inhalte von Raumordnungsplänen verwendet. 4 Vgl. dazu stellvertretend am Beispiel Bayerns Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (295).

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

367

normiert ausdrücklich lediglich Mindestinhalte der Raumordnungspläne. Darüber hinaus sind auch dem Landesrecht vielfach gesetzliche Aussagetypen zu entnehmen. Insofern ist bemerkenswert, daß lediglich das badenwürttembergische Landesplanungsgesetz in § 8 Abs. 2 einen abschließenden Katalog von inhaltsbezogenen Aussagetypen für Regionalpläne kennt.5 Sofern in den übrigen Ländern gesetzliche Aussagen über bestimmte Planinhalte vorhanden sind, handelt es sich nicht um abschließende Kataloge von Aussagetypen.6 Die Detailliertheit der landesplanungsgesetzlichen Vorgaben für Planinhalte variiert dabei sehr. Die Vorgaben des § 8 Abs. 2 BaWüLPIG sind beispielsweise relativ allgemein gehalten7, und in in Mecklenburg-Vorpommern hat sich der Landesgesetzgeber im Hinblick auf die regionalen Raumordnungsprogramme auf die Regelung beschränkt, daß in diesen Programmen insbesondere die zentralen Orte der Nahbereichsstufe, die regionalen Achsen sowie Vorrang- und Vorbehaltsgebiete mindestens für die Fachbereiche Natur und Landschaft, Fremdenverkehr, Trinkwasser- und Rohstoffsicherung auszuweisen sind8. Demgegenüber hat der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt nicht nur die Gebietstypen des § 7 Abs. 4 ROG vollständig übernommen 9, sondern beispielsweise für die Regionalplanung auch einzelne schütz- und nutzungsbezogene Festlegungen zur Freiraumstruktur (z.B. zu Natur und Landschaft unter maßgeblicher Berücksichtigung des ökologischen Verbundsystems, Rohstoffgewinnung, Wassergewinnung, Windenergieanlagen usw.), zu sicherende Standorte und Trassen für die Infrastruktur (regional bedeutsame Standorte für Verkehrsanlagen, Industrie, großflächige Freizeitanlagen, militärische Anlagen usw.) detailliert aufgezählt 10. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Landesplanungsgesetze wird verständlich, daß geklärt werden muß, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Landesplanungsgesetzgeber genügen müssen, wenn es um die Vorgabe von Planinhalten geht.

5 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 38. 6 Vgl. z.B. § 5 Abs. 5, Abs. 6, § 4, § 6 SaAnLPlG; § 6 Abs. 3 HLPG; Art. 17 Abs. 2, Abs. 3 BayLplG; § 11 LP1G M.-V. Vgl. insoweit die Analyse von Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 38. 7 Nach Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991), entstammen diese Katalogbegriffe einer planerischen Kunstsprache, die einen eindeutigen juristischen Gehalt nicht aufweisen. 8 § 8 Abs. 2 LP1G M.-V. 9 Vgl. § 3 Abs. 7 SaAnLPlG. 10 Vgl. § 6 Abs. 3 SaAnLPlG.

368

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda I. Äußerungen in der Literatur zur gesetzlichen Regelung von bestimmten Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

Es besteht weitgehend Einigkeit, daß Ziele der Raumordnung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer wirksamen Ermächtigung bedürfen. 11 Dies wird nicht nur im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie 12, sondern auch im Zusammenhang mit der Zielbindung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen festgestellt. 13 Es fehlt nicht an Stimmen, die sogar in Bezug auf eine etwaige Zielberücksichtigungspflicht im Rahmen von Zulassungstatbeständen betonen, daß ein Ziel dabei nur dann herangezogen werden könne, wenn es in einem Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes hinreichend präzise festgelegt sei. 14 Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschriften des Teil I des in Gesetzesform erlassenen niedersächsischen Raumordnungsprogramms, wonach aufgrund raumstruktureller Erfordernisse Vorrangstandorte für großindustrielle Anlagen festgelegt werden, als ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung von Vorranggebieten angesehen15, ohne sich allerdings dazu zu äußern, ob auch eine weniger präzise Ermächtigung ausgereicht hätte. Welche Anforderungen im einzelnen an die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Aufstellung von Zielen der Raumordnung zu stellen ist, ist noch nicht annähernd geklärt. 16 Diese Unsicherheiten dürften dabei vor allem darauf zurückzuführen sein, daß die Ziele der Raumordnung nach der traditionellen Vorstellung keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem einzelnen entfalteten. 17 Die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes in der Raumstellvertretend BVerfGE 76, S. 107 (117 f.); BayVGH, BayVBl. 1982, S. 726 (727); Hoppe, DVB1. 1993, S. 681 (682); ders., FS Weyreuther, S. 89 (96); Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (438); ders., NJW 1980, S. 857 (861); Paßlick,, Ziele der Raumordnung, S. 248; Halama, FS Schlichter, S. 201 (217); Weidemann, Staatsaufsicht, S. 26 f.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100; Erbguth, RuR 1997, S. 270 (272), der zutreffend darauf hinweist, daß auch solche Regionalplanungen einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, die keiner bestimmten Rechtsform zugeordnet werdem können. 12 BVerfGE 76, S. 107 (117 f.) verlangt für ein Regionales Raumordnungsprogramm, das die kommunale Selbstverwaltung ausgestaltet, eine hinreichende Ermächtigung nach dem Maßstab des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 78; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33 f., S. 148; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (438). 13 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 248; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 99. 14 Ausdrücklich Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 248; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 99. 15 BVerfGE 76, S. 107 (118 ff.). 16 Ähnlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33 f.; vgl. auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 104. 17 Vgl. zum Gesetzesvorbehalt bei der Raumordnungsplanung im Hinblick auf den Grundrechtsschutz aus Art. 14 GG z.B. Brohm, NJW 1980, S. 857 (861 f.); Schulte,

Α. Gesetzliche Aussagetypen f r Ziele der Raumordnung

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Ordnungsplanung wurde bisher gelegentlich sogar ausdrücklich mit dem Hinweis relativiert, daß die Ziele der Raumordnung keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber den Grundrechtsträgern hätten.18 Als Ausprägung des Erfordernisses einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung für Raumordnungspläne wird zum Beispiel angesehen, daß der Gesetzgeber die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Zielaufstellung regelt. 19 In bezug auf den Zielinhalt komme es darauf an, daß eine landesplanerische Einzelentscheidung durch das ermächtigende Gesetz soweit vorprogrammiert sei, daß sie rechtsstaatlich transparent und nachprüfbar sei. 20 Der Gesetzesvorbehalt erfordere neben der Definition der Planungsaufgaben und der Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Ziele der Raumordnung aufgestellt werden dürfen, auch die Festlegung der für die planerische Abwägung relevanten Maßstäbe.21 Auch zu der hier interessierenden Frage gesetzlicher Aussagetypen für Ziele der Raumordnung finden sich Stellungnahmen in der Literatur. 22 Der Gesetzesvorbehalt verlange auch die Bezeichnung der zulässigen Zieltypen. 23 Ein originäres Zielerfindungsrecht stünde den Trägern der Raumordnungsplanung nicht zu. 24 Ein Ziel der Raumordnung sei nur wirksam, wenn die Art der Zielaussage gesetzlich vorgesehen sei. 25 Daraus wird die Schlußfolgerung

Raumplanung und Genehmigung, S. 33 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 248; ansatzweise Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (600). 18 So z.B. zur brandenburgischen bzw. nordrhein-westfälischen Braunkohleplanung, bei der es sich um eine besondere Ausprägung der Regionalplanung handelt, Degenhart, DVB1. 1996, S. 733 (783). Vgl. ausführlich zum Gesetzesvorbehalt im Bereich der Raumordnung Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33 ff, S. 48, S. 147, der die Geltung des Gesetzesvorbehaltes bei einer strikten Geltung der Ziele nach § 35 Abs. 3 S. 2 1. HS. BauGB zwar hervorhebt, im Ergebnis die Geltung des Gesetzesvorbehaltes im Hinblick auf die Ziele auch unter der von ihm bezweifelten Prämisse bejaht, daß die Ziele der Raumordnung lediglich mittelbare Außenwirkung gegenüber Privaten hätten. 19 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 104 m.w.N. 20 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 104 f.; Schmidt, DVB1. 1998, S. 699 (675 f.). 21 Halama, FS Schlichter, S. 201 (217). 22 Z.B. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 37 ff, S. 166; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100 ff; Paßlick, Ziele der Raumordnung S. 271, S. 105 f. m.w.N.; Brohm, NJW 1980, S. 861 f.; Halama, FS Schlichter, S. 201 (217); ders, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990; ansatzweise Söfker, DVB1. 1987, S. 597

(600).

23 Halama, FS Schlichter, S. 201 (217); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105 m.w.N. 24

Halama,

zitiert

bei Schmidt,

DVB1.

1997, S. 990 f; Runkel,

in: Bielen-

berg/Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 134. 25 Halama, FS Schlichter, S. 201 (216 f.); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 99. 24 Spiecker

370

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

gezogen, daß der Gesetzgeber einen Katalog zulässiger Zielinhalte formulieren müsse.26 Besonders pointiert findet sich dies in der Forderung, daß die Maximalinhalte der Raumordnungspläne abschließend gesetzlich vorgegeben werden mllßten. 27 Andererseits gibt es auch Stimmen, wonach Planinhalte, deren Typus nicht in einem normativ vorgegebenen Katalog zulässiger Planinhalte verzeichnet sei, zulässig sein könnten, sofern sie mit hinreichender Bestimmtheit aus den Raumordnungsgrundsätzen oder übergeordneten Zielsetzungen ableitbar seien, während Raumordnungsleitbilder nicht ausreichten, es sei denn, sie ließen erkennen, welchen Inhalt und welche Tendenz die allein auf ihnen basierenden Zielfestlegungen für bestimmte räumliche Situationen haben können. 28 Im allgemeinen wird darauf hingewiesen, daß die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe einer hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigung nicht entgegenstünde.29 Die jüngere Diskussion wird dabei im übrigen vornehmlich im Zusammenhang mit solchen Zielinhalten geführt, die - anders als beispielsweise Vorranggebiete30 - nicht zum klassischen Instrumentarium der Raumordnung gezählt werden können, wobei insbesondere Ziele der Raumordnung mit negativplanerischen Elementen im Mittelpunkt des Interesses stehen.31 Auch hier spielt die Steuerung von Abgrabungsvorhaben eine prominente Rolle, was sich daraus erklärt, daß in aller Regel ausgesprochen negative Festsetzungen nach den

26 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 288; Weidemann, Staatsaufsicht, S. 26 f. 27 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 288; Runkel, in: Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 134. 28 BayVGH, BayVBl. 1982, S. 726 (728). Das Gericht hatte in dem Urteil den Grundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 7 ROG a.F. („ . für den Schutz der Allgemeinheit vor Lärmbelästigungen ist ausreichend Sorge zu tragen") als inhaltlich hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung dafür angesehen, daß in einem Regionalplan ein Lärmschutzbereich festgesetzt wurde. Vgl. auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 106 f; Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 131, 134. 19 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105; BayVGH, BayVBl. 1982, S. 726 (727). Vgl. auch allgemein zum Gesetzesvorbehalt bei der Planungsermächtigung und der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe BVerfGE 82, S. 209 (225 ff.). 30 Vgl. dazu BVerfGE 76, 107 (117 ff.); vgl. allerdings auch Holzhäuser, Standortvorsorge, S. 113. 31 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen S. 100 ff.; ders, DVB1. 1998, S. 699 (675 f.); vgl. zum Vorwurf des Mißbrauchs der Planungsermächtigung in diesem Zusammenhang Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 107, S. 272; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119, S. 253 ff, der allerdings gleichwohl feststellt, daß es sich um ein Problem aller Ziele der Raumordnung handele (ebd. S. 33); Wagner, UPR 1996, S. 370 (374); vgl. zur Flächennutzungsplanung Hoppe, in: FS Geizer, S. 43 (61 ff.).

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

371

Landesplanungsgesetzen insofern zumindest nicht ausdrücklich vorgesehen sind. 32 Beispielsweise fehle es in Ermangelung landesgesetzlicher Regelungen an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für negativplanerische Konzentrationsanordnungen. 33 Die in den Landesgesetzen vorgesehenen generalklauselartigen Ermächtigungen, Raumordnungsziele als räumlich-strukturelle Festlegungen aufzustellen 34 sowie die Grundsätze der Raumordnung 35 würden den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes ebensowenig gerecht 36 wie das Abstellen auf die Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. 37 Betont wird insbesondere, daß Konzentrationsanordnungen extrem eingriffsintensiv in Richtung Eigentum und kommunaler Selbstverwaltung seien.38 Was die neuen Vorschriften des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, S. 2 ROG über Eignungsgebiete bzw. Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten anbelangt, werden kompetentielle Bedenken geltend gemacht, da das Raumordnungsgesetz im Hinblick auf Art. 75 Abs. 2 GG grundsätzlich keine unmittelbaren Ermächtigungen für die Landesplanung enthalten dürfe. 39 Im Ergebnis wird zum Teil festgestellt, daß die Zulässigkeit von Eignungsgebieten - auch nach der Raumordnungsgesetznovelle - davon abhängig sei, ob die Länder Ermächtigungen für die Festsetzungen von Darstellungsprivilegien in ihre Landesplanungsgesetze aufnähmen. 40

32 Vgl. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 167 f.; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100 f. Anders jetzt allerdings §7 Abs. 7 SaAnLPlG, das ausdrücklich Eignungsgebiete auch in Kombination mit Vorranggebieten vorsieht. 33 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100 ff.; Vgl. auch zu den Bedenken in bezug auf Positiv- und Negativplanungen zur raumordnerischen Steuerung des Kiesabbaus allerdings vor Einführung des raumordnerischen Rohstoffsicherungsgrundsatzes Brohm, NJW 1980, S. 858 (862); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 107, S. 272; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33, S. 119, S. 253 ff.; Wagner, UPR 1996, S. 370 (374); vgl. zur Flächennutzungsplanung Hoppe, in: FS Geizer, S. 43 (61 ff.). 34 Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (676). 35 A.A. offenbar Brohm, DÖV 1989, S. 429 (439) im Hinblick auf den Rohstoffsicherungsgrundsatz und die raumordnerische Steuerung des Kiesabbaus. 36 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 102; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33, S. 119, S. 253 ff. 37 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100; Dolde, NVwZ 1996, S. 209 (210); vgl. ähnlich bezüglich der Raumordnungsklausel des § 1 Abs. 4 BauGB Brohm, DÖV 1989, S. 429 (439); offenlassend Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 43, S. 119, S. 147, S. 19; a.A. wohl Wagner, UPR 1996, S. 370 (374). 38 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 191. 39 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 103 f.; ders, DVB1. 1998, S. 669 (676); vgl. ansatzweise ebenso im Hinblick auf Vorbehaltsgebiete Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (294). 40 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 104.

372

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Die Problematik des Gesetzesvorbehaltes ist desweiteren im Hinblick auf mengenmäßige Gewinnungsquoten und Sicherungsgebiete für die Bodenschätzegewinnung in Raumordnungsplänen thematisiert worden. 41 Beide Aussagearten seien der Landesplanung bisher unbekannt42 und bedürften als völlig neue landesplanerische Instrumente der gesetzlichen Ermächtigung. 43 Die Landesplanung könne ihr anerkanntes und angestammtes Instrumentarium nicht ohne gesetzliche Grundlage ausweiten.44 Solange eine ausreichende gesetzliche Grundlage fehle, seien sowohl mengenmäßige Gewinnungsquoten, als auch zielförmige Sicherungsgebiete unzulässige Inhalte von Raumordnungsplänen. 45

II. Stellungnahme 1. Allgemeines zum Wesentlichkeitsvorbehalt

im Bereich der Raumordnung

Die Diskussion über die Aussagetypen für Raumordnungspläne erfordert zunächst eine allgemeine Betrachtung der Lehre des Gesetzesvorbehaltes. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Demokratieprinzip und den speziellen Gesetzesvorbehalten der Grundrechte hergeleitete Lehre vom Gesetzesvorbehalt sagt, in welchen Bereichen die Exekutive zu ihren Handlungen eine gesetzliche Grundlage benötigt und ohne eine solche nicht handeln darf. 46 Sie verpflichtet den Gesetzgeber, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen 47, soweit diese gesetzlicher Regelung zugänglich sind. 48 Die Grundrechtsbewahrung und -entfaltung im Verhältnis zwischen Staat und Bürger ist dabei ein besonders bedeutsamer Bereich, der dem Gesetzgeber zur Regelung des Wesentlichen vorbehalten ist. 49 In grund41

Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139; S. 147 f. Im Hinblick auf Sicherungsgebiete gibt es zwar Ansätze in manchen Landesplanungsgesetzen, diese sollen aber nach Auffassung von Schulte den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes nicht genügen, vgl. dazu Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 148, S. 225 ff. 43 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139 Rn. 34; S. 148. 44 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 148. 45 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139, S. 148. 46 Schmidt-Aßmann, HdbStR Bd. I, § 24 Rn. 63. 47 BVerfGE 40, S. 237 (248 f.); E 47, S. 46 (78); E 58, S. 257 (268); VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (825). 48 BVerfGE 49, S. 89 (126); E 88, S. 103 (116); VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (825). 49 BVerfGE 47, S. 46 (78); E 49, S. 89 (129); E 88, S. 103 (116); VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (825). Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (782 f.) legt die Wesentlichkeitsrechtsprechung sogar dahingehend aus, daß sie allein den Bereich der Grundrechtsausübung betreffe und beispielsweise nicht auf das Verhältnis von Staat und Gemeinde erstreckt werden könne. 42

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

373

rechtsrelevanten Bereichen bedeutet dabei „wesentlich" in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte". 50 Der Gesetzesvorbehalt ist dabei eng mit dem Bestimmtheitsgrundsatz verknüpft. Eine gesetzliche Ermächtigung genügt daher dem Gesetzesvorbehalt nur dann, wenn sie auch hinreichend bestimmt ist. 51 Je intensiver die Grundrechtsbeeinträchtigung ist, desto präziser muß der Gesetzgeber die Ermächtigungsgrundlage formulieren. 52 Die Lehre vom Gesetzesvorbehalt gilt auch bei planerischen Entscheidungen der Verwaltung, d.h. mithin auch im Bereich der Raumplanung.53 Insofern hat sich allerdings die Auffassung durchgesetzt, daß die Bestimmtheitsanforderungen bei der planerischen Gestaltungsfreiheit nicht so streng gehandhabt werden dürfen, wie dies bei den klassischen Rechtnormen verlangt wird. 54 Die Besonderheit der Planung besteht darin, daß mannigfaltige, miteinander kollidierende private und öffentliche Interessen unter Gestaltung aller berührten Rechtsbeziehungen abgewogen und zum Ausgleich gebracht werden müssen.55 Die große Komplexität der Planung ist häufig sehr bestimmten gesetzlichen Vorgaben bereits aufgrund der Sachstruktur nicht zugänglich.56 Die Einräumung von planerischer Gestaltungsfreiheit schließt eine normative Determinierung der Planungsergebnisse definitionsgemäß weitgehend aus.57 Soweit hierbei ein Wesentlichkeitsvorbehalt kraft Grundrechtswesentlichkeit eingreift, reicht dieser nicht soweit, daß konkrete Standortentscheidungen von Verfassungs wegen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorzubehalten sind und sich mithin der exekutivischen Planung entziehen.58 Zwar ist das Parlament berechtigt, durch Gesetz auch Detailpläne im Bereich der anlagenbezogenen Fachplanung 50

BVerfGE 58, S. 257 (268). Z.B. BVerfGE 52, S. 1 (41). 52 BVerfGE 77, S. 170 (231); Erbguth, VerwArch 1995, S. 327 (341, 347). 53 Z.B. BVerfGE 76, S. 107 (117 f.); VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (825) im Hinblick auf die Braunkohleplanung. Zum Gesetzesvorbehalt bei der Krankenhausplanung BVerfGE 82, S. 209 (224 f.); Erbguth, VerwArch 1995, S. 327 (337); Graf Vitzhum/März, VBIBW 1987, S. 404 f.; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 35 ff, S. 119, S. 136; Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 37; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 102 f.; Schmidt-Aßmann, HdbStR Bd. I, § 24 Rn. 65; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (438); ders, NJW 1980, S. 857 (861); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 101 ff.; Degenhart, DVB1. 1996, S. 737 (782); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen S. 99; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 32. 54 Brohm, DVB1. 1980, S. 658; ders, DÖV 1989, S. 429 (438); BVerfGE 76, S. 107 (117 ff.); Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 37 m.w.N. 55 Dreier, Abwägung, S. 47. 56 Dreier, Abwägung, S. 47. 57 Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 37. 58 Vgl. Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (781); Schnapp, NWVB1. 1996, S. 425 ff.; Vgl. zur Gegenauffassung im Hinblick auf extrem eingriffsintensiven Großprojekten wie Kernkraftwerken oder Braunkohletagebaue Listi, DVB1. 1978, S. 10 ff., Erbguth, VerwArch 1995, 327 (342). 51

374

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

an sich zu ziehen 59 , aus der Zulässigkeit eines solchen Einzelfallgesetzes folgt jedoch nicht, daß es auch verfassungsrechtlich geboten ist. 60 Der Gesetzgeber muß aber die maßgeblichen Leitlinien und Direktiven für die konkrete Abwägungsentscheidung erlassen. 61 Es kann im Einklang mit der Literatur und Rechtsprechung kein Zweifel daran bestehen, daß die Ziele der Raumordnung aufgrund des Gesetzesvorbehaltes einer wirksamen Ermächtigung bedürfen. 62 Was die Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung anbelangt, ist zwar auch der Gesetzesvorbehalt bei der Raumordnungsplanung für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG von besonderer Bedeutung.63 Die diesbezüglichen Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes können indes nicht ohne weiteres auf den strengen klassischen Eingriffsvorbehalt übertragen werden. 64 Spätestens seit der ROG-Novelle 1998 können die Ziele der Raumordnung nunmehr unmittelbar aus Art. 14, 12 sowie 2 Abs. 1 GG geschützte Rechte des Antragstellers beeinträchtigen, so daß dem Wesentlichkeitsvorbehalt, dem in der Diskussion bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde 65 bzw. dessen Bedeutung wegen der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung der Raumordnungsplanung gering erachtet wurde 66 , im Bereich der Raumordnung auch im Hinblick auf gesetzliche Aussagetypen nunmehr besondere Relevanz zukommt. 59

BVerfG, DVB1. 1997, S. 42 ff. Vgl. VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (827). 61 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105; Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (781). Vgl. im übrigen auch BVerfGE 82, S. 209 (225 f.), wonach sich der Gesetzgeber bei der Krankenhausplanung auf die Regelung allgemeiner Planungsgrundsätze beschränken darf. 62 Vgl. zu Literatur und Rechtsprechung oben Kap. 7, A I . 63 BVerfGE 76, S. 107 (117 f.); Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 78; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (438). 64 Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 78; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33. 65 Um das Erfordernis gesetzlicher Aussagetypen zu begründen, wird überwiegend lediglich pauschal auf den Gesetzesvorbehalt verwiesen. Vgl. z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 101 ff. 66 Vgl. allerdings zum Wesentlichkeitsvorbehalt bei der Braunkohleplanung Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (783). Nach VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 825 (826) gehört die landesplanerische Ordnung des Braunkohleabbaus auch ohne Grundrechtsbezogenheit zu den wesentlichen Fragen, deren Entscheidung dem Parlament vorbehalten ist, weil die mittel- und langfristige Sicherung der Energieversorgung für das Gemeinwesen von weitreichender und grundsätzlicher Bedeutung ist. Der Landtag NW sei diesem Gebot durch das Landesplanungsgesetz nachgekommen, in dem der Inhalt der Braunkohlepläne, das Verfahren zu ihrer Aufstellung und Genehmigung sowie die rechtliche Bindung eines genehmigten Braunkohleplans eingehend geregelt sei (vgl. insbes. § 11, § 12, § 13, § 14, § 24, § 25 NWLP1G); a.A. Erbguth, VerwArch 1995, S. 327 (340 ff., 344 f.). 60

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

375

2. Mehrschichtige gesetzliche Ermächtigung für Raumordnungspläne Die Ermächtigungsgrundlagen im Raumordnungsrecht weisen eine komplexe Struktur auf, die man sich zunächst vergegenwärtigen muß, bevor man sich der speziellen Frage zuwenden kann, welche Bestimmtheitsanforderungen aus dem Wesentlichkeitsvorbehalt im Hinblick auf die Vorgabe von Aussagetypen für die Ziele der Raumordnung resultieren. Die Ermächtigungsgrundlage für Zielaussagen kann aus der Zusammenschau mehrerer gesetzlicher Regelungen spezifiziert werden, so daß neben dem Raumordnungsgesetz auch die Landesplanungsgesetze und die als Gesetz erlassenen Raumordnungspläne der Landesebene heranzuziehen sind. 67 Insbesondere für die regionalplanerischen Ziele kommt mithin eine mehrschichtige gesetzliche Ermächtigung in Betracht. 68 Zu der allgemeinen Ermächtigung Regionalpläne aufzustellen 69, treten insbesondere die auf die inhaltliche Ausgestaltung der Pläne bezogenen Aussagen, d.h. insbesondere die Vorschriften zur Aufgabe und Leitvorstellung der Raumordnung nach § 1 ROG, das Abwägungsgebot nach § 7 Abs. 7 ROG i.V.m. den entsprechenden Regelungen des Landesrechts, die gesetzlichen Grundsätze der Raumordnung sowie inhaltliche Vorgaben zu raumordnerischen Festlegungsarten, wie sie wie bereits erwähnt rahmenrechtlich in § 7 ROG und auch in den Landesplanungsgesetzen bzw. in den in Gesetzesform erlassenen Raumordnungsplänen auf der Landesebene70 zu finden sind. Zu nennen sind ferner die Ziele der Raumordnung in gesetzlichen Raumordnungsplänen der Landesebene. Hervorzuheben ist, daß den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie nicht genügt ist, wenn die für die Spezifizierung notwendigen, d.h. wesentlichen Entscheidungen erst in Rechtsverordnungen bzw. in den als Rechtsverordnung erlassenen Raumordnungsplänen enthalten sind, da diese nicht vom Parlament getragen werden. 71 Insofern gilt es zwar auch zu berücksichtigen, daß die als Rechtsverordnung erlassenen Raumordnungspläne zum Teil mit Zustimmung des Landtags erlassen werden 72 , so daß in diesem Fall ein etwaiger Mangel an 67

Stellvertretend Weidemann, Rechtsschutz, S. 81; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 106 68 Weidemann, Rechtsschutz, S. 81; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 106. 69 Vgl. z.B. Art. 13, Art. 17 Abs. 1 BayLplG. 70 Vgl. BVerfGE 76, S. 107 (113, 118). 71 Ansatzweise ebenso Brohm, DÖV 1989, S. 429 (439 Fußnote 76); Schmidt, DVB1. 1998, S. 669 (676), stellt offenbar auch nur auf die Landesplanungsgesetze und die in Gesetzesform erlassenen Raumordnungspläne ab. A.A. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 106 m.w.N, der allerdings die Wesentlichkeitstheorie nicht berücksichtigt. Graf Vitzhum/März, VB1BW 1987, S. 404 (406). 72 Vgl. ζ. B. Art. 14 Abs. 4 BayLplG im Hinblick auf das bayerische Landesentwicklungsprogramm.

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Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Bestimmtheit der Ermächtigung durch das Zustimmungserfordernis kompensiert werden könnte. 73 Gegen eine solche Kompensation ist allerdings einzuwenden, daß ein bloßes Zustimmungserfordernis den verfahrensrechtlich aufwendigen Gesetzgebungsakten unterlegen ist.

3. Konsequenzen für das Erfordernis

gesetzlicher Aussagetypen

Sofern in der Literatur lediglich bestimmte Zielinhalte unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehaltes skeptisch beurteilt werden, darf nicht übersehen werden, daß hierbei ein Problem beispielhaft angesprochen wird, das in grundsätzlicher Weise untersucht werden muß. 74 Es spricht vieles dafür, daß die verschiedenen Inhalte von grundrechtsbeeinträchtigenden Zielen der Raumordnung im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt gleich zu behandeln sind. Schließlich ist kein Grund dafür ersichtlich, warum beispielsweise Sicherungsgebiete eine stärkere Grundrechtsrelevanz insbesondere im Hinblick auf das Grundeigentumsrecht besitzen - und mithin wesentlicher für die Grundrechtsausübung sein sollten - als etwa Vorranggebiete 75. Entsprechendes gilt auch für Eignungsgebiete. Auf einem Grundstück außerhalb eines Eignungsgebietes ist zwar die von der außergebietlichen Ausschlußwirkung des Eignungsgebietes erfaßte raumbedeutsame Nutzung verboten. 76 Demgegenüber können Vorranggebiete innergebietlich jedoch sogar wesentlich eingriffsintensiver sein, weil sie alle raumbedeutsamen Nutzungen ausschließen, die mit der jeweiligen, mit einem Vorrang ausgestatteten Funktion oder Nutzung unvereinbar sind. Es ist auch nicht einleuchtend, warum der Gesetzesvorbehalt von vornherein stärkere Anforderungen an solche Ziele der Raumordnung stellen sollte, die der Raumordnungsplanung bisher wenig geläufig sind. 77 Die überkommene Planungspraxis und das herkömmliche Verständnis von Raumordnungsplanung kann allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn es um die Auslegung von Ermächtigungsnormen geht. Denn die gesetzlichen Vorgaben für Planungen 73

So wohl Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, S. 145; Vgl. auch Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 134 f. m.w.N. Vgl. zur parlamentarischen Mitwirkung bei der Braunkohleplanung auch VerfGH NW 1997, S. 824 (827). Das Gericht brauchte sich allerdings zum Bestehen eines verfassungsrechtlichen Erfordernisses der parlamentarischen Beteiligung nicht zu äußern, da diese im konkreten Fall gegeben war. 74 Ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33; Vgl. auch Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 104 ff.; Halama, FS Schlichter, S. 201 (217). 75 Vgl. zum Gesetzesvorbehalt bei Vorranggebieten BVerfGE 76, S. 107 (117 ff.). 76 Vgl. zur Bedeutung von Abgrabungskonzentrationen für die Berufsfreiheit von Kiesabbauuntemehmer Brohm, NJW 1980, S. 857 (863 f.). 77 So aber zumindest mißverständlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 139 Fußnote 34, S. 148.

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

377

müssen sich nicht immer ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Es genügt, wenn sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, wobei insbesondere auch der Zweck, der Sinnzusammenhang und die Vorgeschichte der Regelung eine Rolle spielen.78 Woraus sich eine darüberhinausgehende Bedeutung der raumordnungsplanerischen Tradition für den Gesetzesvorbehalt herleiten läßt, ist indes nicht erkennbar. Eine differenzierte Behandlung von solchen Zielinhalten, die bereits in § 7 ROG aufgeführt sind, und weiteren Aussagearten erscheint zwar auf den ersten Blick naheliegend. In § 7 ROG könnte nämlich eine Ermächtigungsgrundlage erblickt werden, die in jedem Fall dem Gesetzesvorbehalt genügt, so z.B. im Fall der Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete. Wegen des lediglich rahmenrechtlichen Charakters der Vorschrift des § 7 ROG, der auch in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich hervorgehoben wird 7 9 , vermag dies indes nicht zu überzeugen. 80 Die rahmenrechtlichen Vorschriften bedürfen vielmehr erst der Umsetzung durch die Landesgesetze und entfalten keine unmittelbaren Außenwirkungen gegenüber dem einzelnen. Sie vermögen daher auch nicht als ausreichende Ermächtigungsgrundlage im Hinblick auf grundrechtsbeeinträchtigende Ziele zu fungieren. Die Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB setzen ihrer Funktion nach bestimmte konkrete Zielaussagen wie z.B. Vorranggebiete, Eignungsgebiete oder Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten voraus. 81 Wie bereits erwähnt, bringt der Gesetzgeber durch diese Raumordnungsklauseln zum Ausdruck, daß er insbesondere die Standortwahl bei privilegierten Vorhaben dem Korrektiv eines raumordnerischen Gesamtkonzepts unterwerfen will. Gleichwohl ist den Raumordnungsklauseln nicht die Ermächtigung zur Aufstellung dieser Zielinhalte immanent.82 Dies ergibt sich aus dem kompetenzrechtlichen Umstand, daß die Regelung des Inhalts der Raumordnungspläne dem Gesetzgebungstitel der Raumordnung zugeordnet werden muß, den der Bundesgesetzgeber mithin lediglich rahmenrechtlich

78

Vgl. z.B. BVerfGE 62, S. 203 (209); E 82, S. 209 (224 f.); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105 ff. 79 Begründung zum Regierungsentwurf zum BauROG, BT-Drs. 13/6392, S. 32 f. 80 Vgl. ebenso Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 103 f. 81 Vgl. ebenso in bezug auf raumordnerische Konzentrationsanordnungen: Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100. 82 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 100; vgl. auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 119 offenlassend in Bezug auf § 35 Abs. 3 ROG sowie S. 135 f. in Bezug auf die Raumordnungsklausel des § 1 Abs. 4 BauGB. Vgl. aber auch Runkel, in: Bielenberg/Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 129 wonach die Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB den Regelungsgegenstand raumordnerischer Festlegungen mit Zielcharakter erweitern.

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Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

regeln kann. Die unmittelbar geltenden, bodenrechtlichen Raumordnungsklauseln des § 35 Abs. 3 BauGB können folglich nicht die Funktion von raumordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen übernehmen. Festzuhalten bleibt somit, daß das Problem des Gesetzesvorbehaltes bzw. des Erfordernisses einer gesetzlichen Regelung von Aussagetypen hinsichtlich aller grundrechtsbeeinträchtigenden Raumordnungsziele gleichermaßen auftritt und einheitlich beantwortet werden muß. 83 Die Fragestellung muß daher ganz allgemein lauten, ob aufgrund der möglichen grundrechtsbeeinträchtigenden Wirkungen der Raumordnungsziele nur solche Zielinhalte zulässig sind, die als Aussagetypen von den Ländern gesetzlich vorgesehen sind. Fraglich ist daher, ob die im Raumordnungsgesetz und den Landesplanungsgesetzen vorgesehenen generalklauselartigen Verpflichtungen, die Grundsätze im Wege von Zielen der Raumordnung in Plänen und Programmen zu konkretisieren, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, um die verschiedensten Zielinhalte zu rechtfertigen, mit anderen Worten ob die globale Planungsermächtigung zur Raumordnungsplanung eine ausreichende Ermächtigung für fast beliebige Aussagetypen und für alle denkbaren effizienten Planungsinstrumente darstellt. 84 Bei der Stützung der Ziele allein auf die allgemeine Planungsermächtigung bestünde die einzige materielle Beschränkung der Planinhalte darin, daß der Aufgaben- und Funktionsbereich der Raumordnung eingehalten bleiben und daß es sich mithin um spezifisch raumordnerische Aussagen handeln müßte. Wenn man allerdings die Weite des Aufgabenkreises der Raumordnung bedenkt, erscheinen die Grenzen der Ermächtung in diesem Fall weder für die Verwaltung eindeutig erkennbar noch für die Adressaten der Ziele der Raumordnung, zu denen spätestens seit der Raumordnungsgesetznovelle auch Grundrechtsträger zu zählen sind. Dabei darf nicht vergessen werden, daß der Begriff der Raumordnung seinerseits erhebliche Unscharfen aufweist. Sowohl abstrakt als auch im Einzelfall bereitet es häufig erhebliche Schwierigkeiten, eine planerische Problemstellung dem Aufgabenbereich der Raumordnung, d.h. der überörtlichen und überfachlichen Raumplanung zuzuordnen. Die allgemeinen Planungsermächtigungen weisen nahezu den Charakter einer BlankettErmächtigung auf und rufen erhebliche Rechtsunsicherheit hervor.

83

Ähnlich Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33. In diese Richtung gehend wohl Folkerts, Raumordnungsziele im Ländervergleich, S. 37 ff.; BayVGH, BayVBL. 1982, S. 726 (728); ablehnend in Bezug auf den Flächennutzungsplan Schulte, Raumplanung und Bodenschätze, S. 43, S. 119; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 102; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 101 ff, S. 275. 84

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

379

Daraus muß gefolgert werden, daß jedenfalls die allgemeine Planungsermächtigung zur Aufstellung von Raumordnungsplänen nicht ausreicht 85, so daß weiter zu fragen ist, ob jedenfalls die unmittelbar gegenüber dem Bürger geltenden konkreten Ziele der Raumordnung als Aussagetypen katalogartig aufgeführt werden müssen86 oder ob es als ausreichende Ermächtigung anzusehen ist, wenn sich eine Zielaussage aus den gesetzlichen Grundsätzen der Raumordnung 87 gegebenenfalls in Verbindung mit § 1 ROG herleiten läßt. Bei dem Stichwort eines Kataloges von Aussageinhalten drängen sich dabei Parallelen zu der Vorschrift des § 9 BauGB auf, der abschließend und relativ ausdifferenziert die möglichen Festsetzungen in einem Bebauungsplans aufzählt. 88 Die zulässigen Inhalte des Flächennutzungsplans hat der Gesetzgeber ebenfalls nach § 5 Abs. 2 BauGB vorgegeben. 89 Anhand dieser Vorschriften kann zwar beispielhaft veranschaulicht werden, in welcher Regelungsdichte der Gesetzgeber die zulässigen Inhalte von Plänen vorgeben kann, und zwar einerseits für außenwirksame Planungen (Bebauungsplan) und andererseits für Planungen, die grundsätzlich lediglich mittelbare Wirkung gegenüber Privaten haben (Flächennutzungsplan). Da der Gesetzgeber jedoch bei der Normierung der einfachrechtlichen Vorschriften der §§ 5, 9 BauGB über das verfassungsrechtliche gebotene Maß der Regelungsdichte hinausgegangen sein könnte, lassen sich aus den Parallelen keine Rückschlüsse für die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen herleiten, die an die Ermächtigungsgrundlage für die Aufstellung von grundrechtsbeeinträchtigenden Raumordnungszielen im Hinblick auf gesetzlich geregelte Aussagetypen zu stellen sind. 90 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Sachmaterie der Raumordnung als solche in ihrer Komplexität weit über das hinausgeht, was die Bauleitplanung zu leisten hat.

85

I.E. ebenso z.B. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 102; Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 33, S. 119, S. 253 ff.; vgl. kritisch allgemein zu Ermächtigungsgrundlagen für planerische Entscheidungen, die sich lediglich mit einem pauschalen Finalprogramm - nur durch den Gesetzeszweck eingebunden - zufrieden geben, Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (38). 86 Ähnlich Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 101 f.; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105. 87 So BayVGH, BayVBl. 1992, S. 529; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (439 Fußnote 75); Breuer, Hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 230. 88 Ebenso Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 38. 89 Vgl. zu dieser Parallele auch Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 39. 90 So allerdings i.E. Schulte, Raumplanung und Genehmigung, S. 39 f , der argumentiert, daß § 5 Abs. 2 BauGB einen bundesrechtlichen Maßstab im Rahmen der bodenrechtlichen Kompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 18 GG setze. Landesrechtliche Planungen, die flächennutzungsgleich wirken, dürften sich nicht mit geringeren Anforderungen begnügen.

380

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Im dritten Kapitel der Arbeit ist eine exemplarische Auswahl möglicher Aussageinhalte für Raumordnungspläne dargestellt worden, die für die raumordnerische Steuerung von Kiesabgrabungen relevant werden können. Schon bei diesen Beispielen hat sich gezeigt, daß die Lösung spezifischer raumordnerischer Probleme der Steuerung des Kiesabbaus zum Teil auch spezifische Aussageinhalte erfordern oder sinnvoll erscheinen lassen und Mischformen von Aussagetypen hervorbringen kann. Ferner ist zu bedenken, daß sich raumordnerische Ziele - anders als beispielsweise die parzellenscharfe Bebauungsplanung - auf sehr unterschiedliche Größen von Flächen beziehen, dem Rahmencharakter bei der Festlegung jedes Ziels der Raumordnung ferner z.B. durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen werden kann und muß und zudem der Raumordnungsplanung aufgrund ihres überfachliche Koordinierungsauftrags eine unübersehbare Vielzahl raumordnerischer Problembereiche zugeordnet sind. Vor diesem Hintergrund ist es zwar zu begrüßen, wenn der Landesgesetzgeber etwa nach dem Vorbild des § 7 ROG gesetzliche Aussagetypen modellhaft zur Verfügung stellt. 91 Der weite Aufgabenbereich der Raumordnung ermöglicht es aber nicht, sämtliche potentiell grundrechtsbeeinträchtigenden Zielinhalte katalogartig und enumerativ in eine gesetzliche Grundlage detailliert und abschließend aufzunehmen. 92 Die Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage dürfen nicht so hochgeschraubt werden, daß sie das normativ Regelbare überschreiten. 93 Auch im Bereich des Grundrechtswesentlichen ist der Gesetzgeber bei Planungsentscheidungen nur verpflichtet, die maßgeblichen Leitlinien und Direktiven für die konkrete Abwägungsentscheidung zu regeln 94 , so daß auch im Hinblick auf die Aussagetypen bei Raumordnungsplänen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Ein abschließender detaillierter Katalog an Aussagetypen würde indes zum zu engen Korsett für die Raumordnungsplanung, bei der zum einen das raumordnerische Planungsziel vielfach nicht erreicht werden könnte und zum anderen der Plangeber auf undifferenzierte und damit rechtsstaatlich problematische Festlegungsarten verwiesen würde. Vielfach lassen sich aber durch vorgefertigte Festlegungsarten keine sachgerechten Lösungen finden, so daß durch Ausnahme- oder Sonderregelungen von diesen abgewichen werden

91

Vgl. § 7 Abs. 7 SaAnLPlG. Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 101. 93 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 101. 94 Z.B. Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 105; Degenhart, DVB1. 1996, S. 773 (781). Vgl. im übrigen auch BVerfGE 82, 209 (225 f.), wonach sich der Gesetzgeber bei der Krankenhausplanung auf die Regelung allgemeiner Planungsgrundsätze beschränken darf. 92

Α. Gesetzliche Aussagetypen für Ziele der Raumordnung

381

muß. 95 Soll dies vermieden werden, müßte ein Typenkatalog seinerseits sehr weit formuliert sein. Ein solcher Katalog enthielte aber keinen nennenswerten über die generelle Planungsermächtigung hinausgehenden Zuwachs an rechtsstaatlicher Bestimmtheit. 96 Aus dem Dargelegten ergibt sich mithin, daß ein abschließender Katalog an Zielinhalten grundsätzlich 97 nicht gesetzlich geregelt zu werden braucht und die Zielinhalte zulässig sind, solange sie aus der generellen Planungsermächtigung und den gesetzlichen Grundsätzen der Raumordnung bzw. § 1 ROG hergeleitet werden können.98 Letzteres führt zu einer Beschränkung, aber nicht zum gänzlichen Ausschluß eines Zielerfindungsrechts der Träger der Raumordnungsplanung. 99 Da es aber in erster Linie den Ländern obliegt, die zulässigen Inhalte von Raumordnungsplänen zu normieren und damit zu entscheiden, welche planerischen Instrumente die Träger der Raumordnungsplanung einsetzen können, ist es den Ländern selbstverständlich freigestellt, bestimmte Zielinhalte gesetzlich auszuschließen, solange im Wege anderer Aussagen die Zwecke der Raumordnung erreicht werden können. Auf diese Weise können die Länder mithin die Mittel der Planung für ihren Planungsraum begrenzen. 100 Darüber hinaus mag die Aufstellung von landesrechtlichen Katalogen über mögliche und zulässige Zielinhalte durchaus für die Planungspraxis wertvolle Hilfestellungen bieten. Entscheidend ist aber, daß eine dahingehende verfassungsrechtlich fundierte Pflicht der Länder zur Regelung auch dann nicht besteht, wenn die

95

Vgl. entsprechend zur Bedeutung von Sondergebieten im Verhältnis zu den übrigen Baugebietstypen BVerwG, NuR 1998, S. 197 (198). Das Gericht weist darauf hin, daß die Ausweisung von Sondergebieten der Rechtsklarheit dienen könne. 96 Vgl. zur Ungenauigkeit des Katalogs des § 8 Abs. 2 BaWüLPIG Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991). 97 Etwas anderes muß allerdings dann gelten, wenn durch die Raumordnungsplanung Rechtsmaterien geregelt werden sollen, die extrem eingriffsintensiv sind, beispielsweise im Falle der großdimensionierten Braunkohletagebaue, die beispielsweise Umsiedlungsmaßnahmen erfordern und faktisch zur Auflösung einer Gemeinde führen. Dort gelten besondere Anforderungen, denen der Gesetzgeber mit speziellen Ermächtigungsgrundlagen nachkommen muß (vgl. z.B. §§ 24 ff. NWLP1G). Vgl. allgemein dazu VerfGH NW, DVB1. 1997, S. 824 (825 ff.). Nach VerfG Brandenburg, DVB1. 1996, S. 37 f , stellt sich die in einem Braunkohleplan vorgesehene vollständige Inanspruchnahme des Gebietes einer Gemeinde als Auflösung der Gemeinde i.S.d. Art. 98 Abs. 2 S. 2 Bdbg LV dar und bedarf deshalb eines förmlichen Gesetzes, das die Auflösung gerade dieser Gemeinde zum Regelungsgegenstand hat. 98 Im Ergebnis ebenso Runkel, in: Bielenberg!Erbguth/Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 131, 134. 99 A.A. Halama, zitiert bei Schmidt, DVB1. 1997, S. 990. 100 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, DÖV 1986, S. 985 (991), der offenbar auch davon ausgeht, daß die Maximalinhalte der Raumordnungspläne durch landesrechtliche Kataloge eingeschränkt werden können.

382

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Ziele der Raumordnung gegenüber Grundrechtsträgern im Rahmen von Zulassungstatbeständen direkte strikte Bindungswirkungen entfalten.

4. Veranschaulichung am Beispiel der Zielaussagen mit besonderer Relevanz für den Kiesabbau Das gefundene Ergebnis kann am Beispiel der Ziele für die raumordnerische Steuerung des Kiesabbaus veranschaulicht werden. Grundsätzlich gilt, daß bereits der unmittelbar geltende Rohstoffsicherungsgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG, wonach für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen sind, hinreichend deutlich zu erkennen gibt, daß der Gesetzgeber die Verwaltung zur Ausweisung entsprechener Ziele ermächtigt, solange der Aufgabenkreis der Raumordnung gewahrt bleibt. Dies gilt zum einen für die klassischen Zielaussagen wie beispielsweise Vorranggebiete, ohne die von vornherein eine raumordnerische Steuerung des Kiesabbaus kaum vorstellbar ist. Da zum anderen eine Beschränkung auf bestimmte traditionelle Arten von Zielaussagen dem Grundsatz nicht zu entnehmen ist, muß dies auch für die übrigen Zielinhalte mit Relevanz für Kiesabgrabungen, insbesondere für Eignungs- und Sicherungsgebiete sowie für Abgrabungsquoten gelten. 101 Eine geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen kann außerdem nur durch die Beschränkung des Bodenschätzeabbaus gewährleistet werden. Dazu ermächtigt ebenfalls bereits der allgemeine Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 9 S. 3 ROG, an dessen Seite im übrigen auch der Bodenschutzgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 ROG 1 0 2 sowie gesetzliche landesrechtliche Konzentrationsanordnungen ohne konkreten Gebietsbezug treten können. Die Zulässigkeit der gewissermaßen neuen Zielaussagen, durch die der Kiesabbau beschränkt wird, ergibt sich ferner auch daraus, daß der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG die Vorsorgefunktion der Raumordnung und nach § 1 Abs. 2 S. 1 ROG die Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung

101 Vgl. allgemein allerdings ohne Hinweis auf das Erfordernis einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage BVerwG, NuR 1997, S. 397, wonach jedenfalls eine zielförmige Standortplanung die negative Aussage mitenthalten kann, daß ein Vorhaben nicht an anderer Stelle ausgeführt werden soll. 102 Vgl. entsprechend zum Darstellungsprivileg bei der Flächennutzungsplanung, das Ausfluß der baurechtlichen Bodenschutzklausel sein soll, Schulze Buschhoff, Darstellungsprivileg, S. 68 ff.; Birk, NVwZ 1989, S. 905 (911). Im übrigen stellt nach BVerwGE 79, S. 318 (323) ebenfalls die allgemeine Planungsermächtigung zur Flächennutzungsplanung bereits eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Darstellung von Abgrabungskonzentrationszonen dar.

Β. Bürgerbeteiligung

383

formuliert hat. Durch diese Regelungen des ROG 1998 wollte er ersichtlich der Raumordnung neue Impulse geben. Das Prinzip der nachhaltigen Raumentwicklung beinhaltet beispielsweise auch, daß geeignete Entwicklungsflächen für zukünftige Generationen offengehalten werden. 103 Die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ist schließlich ausdrücklich in § 1 Abs. 2. S. 2 Nr. 1 ROG erwähnt. Darin ist daher auch eine Ermächtigung zu erblicken, neue Instrumente einer nachhaltigen Raumordnung zu entwickeln und einzusetzen, zu denen insbesondere auch die genannten neuartigen Zielaussagen der Eignungsund Sicherungsgebiete sowie der Abgrabungsquoten zu rechnen sind. Unberührt bleibt freilich das Recht der Länder, bestimmte Aussagetypen der Raumordnungsziele zu verbieten, solange mit den verbleibenden zulässigen Zielinhalten gleichwohl der Auftrag der Raumordnungsplanung erfüllt werden kann, d.h. im hier behandelten Zusammenhang insbesondere die erforderliche raumordnerische Steuerung des Kiesabbaus.

B. Unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung I. Bürgerbeteiligung im geltenden Raumordnungsrecht und Einführung in die Problemstellung Nach der neuen rahmenrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 6 ROG kann in den Landesplanungsgesetzen vorgesehen werden, daß die Öffentlichkeit bei der Aufstellung der Raumordnungspläne einzubeziehen oder zu beteiligen ist. Diese Vorschrift stellt es den Ländern frei, ob und auf welche Weise eine Mitwirkung der Öffentlichkeit im Planaufstellungsverfahren eingeführt wird. 1 0 4 Insofern verdient besonderes Interesse, ob und gegebenenfalls auf welche Weise eine Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick darauf geboten ist, daß diese Ziele im Wege von Zielbeachtensklauseln unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem einzelnen auslösen können. 105 Im folgenden wird zunächst ein Überblick über die Bürgerpartizipation im System der Raumordnung nach dem geltenden Landesplanungsrecht gegeben, wobei auf die unmittelbare und mittelbare

103 Vgl. entsprechend zur nachhaltigen Stadtentwicklung Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl., Rn. 214. 104 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291); Erbguth, DÖV 1998, S. 673. 105 Vgl. auch Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung,

S. 35 (54); Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (42).

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Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen und die Bürgerpartizipation im Raumordnungsverfahren eingegangen werden soll. 1 0 6 Unter unmittelbarer Bürgerbeteiligung ist zu verstehen, daß der einzelne, mehrere oder alle Bürger selbst direkt an der Verwaltungsentscheidung teilnehmen, wobei im Planungsrecht die Anhörung oder die Erörterung eine besonders wichtige Form der unmittelbaren Bürgerbeteiligung darstellen. 107 Nach dem geltenden Landesplanungsrecht werden die Bürger bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht unmittelbar beteiligt. 108 Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, daß nach dem herkömmlichen Verständnis die Raumordnungspläne nicht bürgerorientiert sind. 1 0 9 Bei der mittelbaren Bürgerbeteiligung können die Bürger zwar nicht direkt an der Verwaltungsentscheidung teilhaben, jedoch können sie auf diese durch ein von ihnen getragenes Organ Einfluß nehmen. 110 Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen werden die Bürger nach den Landesplanungsgesetzen zumeist mittelbar beteiligt. 111 Dies geschieht bei der Planaufstellung zum einen durch die Landesplanungsbeiräte und die Regionalen Planungsbeiräte, die häufig in den Ländern - z.T. allerdings nur fakultativ 112 vorgesehen sind 1 1 3 und die sich aus Vertretern bestimmter kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Organisationen zusammensetzen. Die Funktion der Beiräte 106

Vgl. zu weiteren Arten der Beteiligung Privater im Recht der Raumordnung Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 63 ff. 107 Vgl. zum Begriff der unmittelbaren Bürgerbeteiligung Hendler, Bürgerschaftliche Mitwirkung, S. 15; a.A. Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 27, die zur unmittelbaren Bürgerbeteiligung allerdings auch die eher passive Beobachtung zählt, d.h. Akteneinsichts-, Informations- sowie Auskunftsrechte. 108 Eine Ausnahme bildet z.B. die unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der hessischen Regionalplanung gem. § 7 Abs. 3 HLPG sowie die fakultative unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung der Regionalen Entwicklungspläne in Sachstn-Anhalt gem. § 7 Abs. 4 SaAnLPlG. Auch bei der nordrhein-westfälischen Braunkohleplanung wird gem. § 33 Abs. 2, 3 NWLP1G eine unmittelbare Bürgerbeteiligung durchgeführt. Vgl. zu letzterem Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 43 ff. sowie Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17(18). 109 Stellvertretend Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 65, S. 155; Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (10); Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17; Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 460 Rn. 1; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50. 110 Vgl. zum Begriff der mittelbaren Bürgerbeteiligung Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 27, die dazu allerdings auch Bürgerbeteiligung durch Länder- und Kommunalparlamente und Gemeinden versteht, die hier allerdings ausgeklammert bleiben sollen. 111 Vgl. ausführlich Wickrath, Bürberbeteiligung, S. 32 ff. (zur Raumordnungsplanung auf Landesebene), S. 39 ff. (zur Regionalplanung). 112 Z.B. § 15 Abs. 7RhPfLPlG. 113 Z.B. Art. 11, 12 BayLplG; §§ 7, 8, 15 Abs. 7, Abs. 8 RhPfLPIG; § 11 LP1G M.-V.

Β. Bürgerbeteiligung

385

besteht unter anderem darin, beratend bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen mitzuwirken. Eine vergleichbare Funktion wie die Beiräte nehmen auch die Vertreter bestimmter Organisationen ein, die in den zur Aufstellung von Raumordnungsplänen berufenen Gremien beratende Stimme haben. 114 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es in manchen Ländern an der Einrichtung von Planungsbeiräten oder einer vergleichbaren Beteiligung einzelner Interessenverbände fehlt. 115 Die genannten Formen der mittelbaren Bürgerbeteiligung führen überdies nur zu einer selektiven Repräsentation von Bürgerinteressen. Insbesondere ist nicht jeder Bürger Mitglied in einer der vorgeschriebenen Organisationen. 116 Ferner vertreten Verbände ihrerseits lediglich Verbandsinteressen und nicht die individuellen Anliegen jedes einzelnen Mitgliedes. 117 Im Raumordnungsverfahren können neben dem Vorhabenträger, bei dem es sich häufig um einen privaten Unternehmer handelt und der immer Beteiligter des Verfahrens ist 1 1 8 , auch sonstige Private beteiligt werden. 119 In vielen Ländern wird die Öffentlichkeit in die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens einbezogen.120 Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist insbesondere auch dann erforderlich, wenn gem. § 16 UVPG i.V.m. den Vorschriften der Landesplanungsgesetze im Rahmen des Raumordnungsverfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. 1 2 1 Nach dem Dargelegten kann die aufgeworfene Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Bürgerbeteiligung im Zielaufstellungsverfahren präzisiert werden. Es soll untersucht werden, ob eine unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Zielaufstellung erforderlich ist oder ob die bestehenden Formen der Bürgerbeteiligung im System der Raumordnung ausreichen.

114

Z.B. §6 NWLP1G (Beratende Mitglieder des Bezirksplanungsrates). Vgl. auch Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 41 f. 115 Vgl. Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 37, S. 42. 116 Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 37, S. 42. 117 Hendler, Bürgerschaftliche Mitwirkung, S. 121; Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 37 f. 118 Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (4). 119 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (4 ff.); Wagner, DVB1. 1991, S. 1230(1234). 120 Vgl. § 15 Abs. 6 S. 1 ROG sowie z.B. § 13 Abs. 7 BaWüLPIG; § 15 Abs. 8 SaAnLPIG. 121 Z.B. § 15 Abs. 1 SaAnLPIG. Vgl. zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Raumordnungsverfahren Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 99 sowie § 16 Rn. 11 m.w.N. und einer Übersicht über landesplanungrechtlich vorgeschriebene UVP im Raumordnungsverfahren. Dickschen, Raumordnungsverfahren, S. 266 ff.; Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 91 ff.; Wahl, FS Sendler, S. 199 (212 ff.); Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 115 ff. 25 Spiecker

386

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda II. Äußerungen in der Literatur

Nach überwiegender Auffassung können die Ziele der Raumordnung auch ohne unmittelbare Bürgerbeteiligung aufgestellt werden. 122 Dabei wird allerdings insbesondere darauf verwiesen, daß die Raumordnungspläne gerade keine unmittelbare Bürgerbetroffenheit z.B. im Rahmen des § 35 BauGB entfalten, im allgemeinen nur Leitliniencharakter haben, Entscheidungsspielräume offenlassen und nicht unmittelbar auf Verwirklichung angelegt sind. 123 Eine Pflicht zur unmittelbaren Bürgerbeteiligung sei abzulehnen, weil die Raumordnungsplanung ohnehin nie zu einer umfassenden, auch individuelle Interessen berücksichtigenden Abwägung führen dürfe. 124 Die im geltenden Raumordnungsrecht bestehenden Formen mittelbarer Bürgerbeteiligung werden für ausreichend gehalten. 125 Ein häufig vorgetragenes Argument gegen eine unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Zielaufstellung ist ferner die fehlende Praktikabilität. 126 Eine unmittelbare Bürgerbeteiligung würde wegen der Größe des Planungsraums und der Zahl der zu beteiligenden Bürger zu einer unerträglichen Erschwerung und erheblichen Verzögerungen des schon jetzt aufwendigen Planaufstellungsverfahrens führen und sei kaum zu organisieren. 127 Die Literatur geht zum Teil von einer Pflicht zur unmittelbaren Beteiligung aus 128 , wobei gelegentlich noch Differenzierungen vorgenommen werden. Viel-

122

Runkel, in: Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, September 1998, Κ § 3 Rn. 138; Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 83; vgl. auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50; Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41 Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (13); Christ, Raumordnungsziele, S. 152 ff.; Schoenberg, UPR 1985, S. 39 (42); zum älteren Schrifttum die Nachweise bei Blümel, DVB1. 1977, S. 302 (317, Fußnote 372). 123 Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 83; vgl. auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41. 124 Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41 (42); Christ, Raumordnungsziele, S. 152 ff, S. 156; Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (42 ff.); Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (142). 125 Stellvertretend Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 90; Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (13), der sich allerdings für eine Verbesserung der mittelbaren Bürgerbeteiligung ausspricht. 126 Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (13) m.w.N.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 166; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 51. 127 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; MKRO „Bürgerbeteiligung in der Raumordnung und Landesplanung" vom 1.1.1983, abgedruckt in: Bielenberg! Erbguth! Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, Β 320 S. 13 f.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 166; Heigl/Hosch, Raumordnung und Landesplanung in Bayern, Art. 11 Rn. 3; Vgl. auch Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, S. 969 (974). 128 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291); Blümel, Grundrechtsschutz, S. 23 (88 f.); ders, DVB1. 1977, S. 302 (316 ff.); Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 165 f.; Redeker, NJW 1980, S. 1593 (1596); Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele

nach Privatisierung, S. 35 (57); ansatzweise Söfker,

IzR Heft 1/2. 1981, S. 17 (20);

Β. Bürgerbeteiligung

387

fach wird ein Erfordernis der Bürgerbeteiligung auf die Aufstellung konkreter Ziele der Raumordnung, d.h. zum Beispiel auf Vorrangfestlegungen für Großprojekte beschränkt. 129 Eine Pflicht zur Bürgerbeteiligung soll nach Auffassung mancher Autoren offenbar nur insoweit bestehen, als die Ziele eine direkte bzw. strikte Negativwirkung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen gegenüber dem Bürger entfalten, wobei eine unmittelbare Betroffenenbeteiligung gefordert wird. 1 3 0 In eine ähnlich Richtung geht auch die gelegentlich geäußerte These, daß Zielbeachtensklauseln in Zulassungstatbeständen lediglich im Sinne eines Zielberücksichtigungsgebotes auszulegen seien, wenn bzw. weil die Ziele der Raumordnung ohne Bürgerbeteiligung aufgestellt würden. 131 Das Erfordernis einer Bürgerbeteiligung wird dabei daraus hergeleitet, daß die bei der Zielaufstellung zu berücksichtigenden konkreten privaten Belange, insbesondere Grundrechte nur im Wege einer unmittelbaren Bürgerbeteiligung ermittelt werden könnten. 132 Ohne Bürgerbeteiligung bestünde die Gefahr eines Ermittlungsdefizits bei der Abwägung. 133 Ferner werden Parallelen zwischen der Beteiligungspflicht der Gemeinden und der Beteiligung der Bürger gezogen. 134 Durch die Vorgaben der Raumordnungsziele würden die verfassungsrechtlich gebotenen Bürgerbeteiligungsverfahren an den nachfolgenden Planungsverfahren, insbesondere im Bauleitplanverfahren ausgehöhlt. 135 len-

ders, DVB1. 1987, S. 597 (599 f.); sowie Sauer, VB1BW 1995, S. 465 (470) und Mäding, RuR 1997, S. 83 (89); Offenlassend Grooterhorst,

DÖV 1987, S. 910 (913)

sowie Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (31). 129 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 165; Bliimel, Grundrechtsschutz, S. 82 ff.; ders, DVB1. 1977, S. 302 (316 ff.); Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17 (23 f.); ansatzweise Mäding, RuR 1997, S. 83 (89); vgl. auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291) hält - offenbar im Hinblick auf die planungsebenenspezifische Aussagedichte - eine Differenzierung zwischen den landesweiten Raumordnungsplänen und den Regionalplänen für geboten. Ansatzweise Sauer, VB1BW 1995, S. 465 (470). 130 Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 165 f.; ähnlich Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291); i.E. ebenso Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (57); ansatzweise Söfker, DVB1. 1987, S. 597 (599 f.); offenlassend Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910 (913) sowie Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (31). 131

Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; Hendler, in: Hoppe/Kauch,

Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (57). 132 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291); vgl. dazu auch Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17 (20); in diese Richtung gehend wohl auch Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 164 ff.; a.A. Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 80 f , die auf alternative Informationsquellen der Träger der Raumordnungsplanung hinweist. 133 Runkel, WiVerw 1997, S. 267 (291); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 51. 134 Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56). 135 Redeker, NJW 1980, S. 1593 (1596).

388

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

seits der verfassungsrechtlichen Problematik der Bürgerbeteiligung wird darüber hinaus unter rechtspolitischen Gesichtspunkten kritisiert, daß im deutschen Umwelt- und Planungsrecht die Öffentlichkeitsbeteiligung nur bei den weniger wichtigen Einzelentscheidungen und örtlichen Plänen gut, aber bei weittragenden Entscheidungen auf der Ebene der Raumordnungsplanung unterentwickelt sei. 136

I I I . Kritische Würdigung Anstatt einer umfassenden Analyse, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann, sollen im folgenden nur einige Aspekte der Problematik eines Gebotes der unmittelbaren Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungszielen näher beleuchtet werden.

/. Kompetenzrechtliche

Überlegungen

Bei einer etwaigen Einführung einer Bürgerbeteiligung durch den Landesgesetzgeber stellt sich zunächst die Frage nach dem Kompetenztitel für eine derartige Regelung. Auf der Grundlage des Raumordnungstitels könnte die Einbeziehung Privater in raumordnungsrechtliche Verfahren bedenklich sein. 137 Bei näherer Betrachtung erweist es sich indes, daß der kompetenzrechtliche Grundsatz der fehlenden unmittelbaren Außenwirkung der Raumordnung gegenüber Privaten ausschließlich im materiellen Sinne zu verstehen ist. Durch Vorschriften zur Bürgerpartizipation werden nämlich insbesondere nicht die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden geregelt. Die lediglich verfahrensrechtliche Beteiligung Privater bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen hat mit den Zäsuren zwischen Raumordnungsrecht und Bodenrecht nichts zu tun. 1 3 8

136

Ansatzweise im Hinblick auf Umweltziele in Raumordnungsplänen Rehbinder, NuR 1997, S. 313 (325) m.w.N. Kritisch auch Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, S. 969 (974), der auch darauf hinweist, daß es infolge der fehlenden Bürgerbeteiligung bei der Raumordnungsplanung zu Volksbegehren und Volksentscheiden kommen kann, wo dies rechtlich möglich ist. Vgl. auch Erbguth, DÖV 1998, S. 673 (676), der daraufhinweist, daß § 7 Abs. 6 ROG ein verfahrensrechtlicher Ausdruck diskursiver Regionalplanung aufgrund gewachsener Nähe zwischen Staat und Bürger sei. Die auf nachhaltige Raumentwicklung verpflichtete Regionalplanung erfordere eine verstärkte Mitwirkung der Öffentlichkeit bei der Planaufstellung. 137 Erbguth, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht 1983, Rn. 267 f. 138 Ebenso Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 2 (5) m.w.N. im Zusammenhang mit Raumordnungsverfahren allerdings nur im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung, Interessentenbeteiligung und Verbandsbeteiligung. Für die Betroffenenbeteiligung

Β. Bürgerbeteiligung

389

2. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz durch Planungsverfahren im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung: Kompensation des weiten Gestaltungsspielraums öffentlicher Planung durch ein Bürgerbeteiligungsverfahren Das Bundesverfassungsgericht hat sich speziell mit dem Verhältnis von Grundrechtsschutz und der Ausgestaltung von Planungsverfahren im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung auseinandergesetzt. 139 Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, die die Aufnahme einer Klinik in den Krankenhausplan eines Landes regeln, mit der Berufsfreiheit eines privaten Trägers eines Krankenhauses vereinbar ist. Der rechtliche Ausgangspunkt ist dabei, daß nach § 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 KHG nur solche Krankenhäuser Anspruch auf staatliche Förderung haben, die in den Krankenhausplan aufgenommen wurden und wenn außerdem die Aufnahme in den Krankenhausplan förmlich festgestellt worden ist. Das Gericht stellte zunächst fest, daß Krankenhäuser durch eine Nichtaufnahme in den Krankenhausplan einem erheblichen Konkurrenznachteil ausgesetzt werden 140 und daß die Nichtaufiiahme einer Privatklinik in den Krankenhausplan einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Betreibers des Krankenhauses bedeute.141 Aus dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG leitet das Bundesverfassungsgericht desweiteren her, daß sich der Gesetzgeber angesichts des sachlich gebotenen planerischen Gestaltungsspielraums zwar bei der Krankenhausplanung auf die Regelung allgemeiner Planungsgrundsätze beschränken könne. 142 Der weite Gestaltungsfreiraum öffentlicher Planung bedürfe aber regelmäßig der Ergänzung durch ein Verfahren, in dem die beteiligten Interessen mit dem erforderlichen Gewicht zur Geltung kommen. 143 Die Verwirklichung der Berufsfreiheit fordere eine dem Grundrechtsschutz angemessene

könne die Begrenzung der Raumordnung zwar zu Einschränkungen führen. Das Bundesrecht habe allerdings selbst den Dualismus von Raumordnungs- und Bodenrecht zunehmend entschärft und die Steuerungsansprüche auch auf Privatpersonen erstreckt, wie das Beispiel des § 35 Abs. 3 BBauG zeige. Im Ergebnis könne es dem Landesgesetzgeber daher mit Rücksicht auf die Systemgedanken des Bundesrechts nicht verwehrt sein, eine Betroffenenbeteiligung an Prozessen landesplanerischer Entscheidungsfindung vorzusehen. Vgl. zur Bürgerbeteiligung im Raumordnungsverfahren auch Bielenberg!Erbguth!Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, April 1998, M 455 Rn. 12. 139 BVerfGE 82, S. 209 (225 ff.); vgl. zum Verhältnis von Raumordnung und Krankenhausplanung auch BVerwGE 62, S. 86 (105); BayVGH, DVB1. 1996, S. 816 (817); Gruber, DÖV 1995, S. 488 (492). 140 Vgl. BVerfGE 82, S. 209 (224). 141 BVerfGE 82, S. 209 (222 f.). 142 BVerfGE 82, S. 209 (225 f.). 143 BVerfGE 82, S. 209 (226).

390

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Verfahrensgestaltung, die der Eingriffsintensität Rechnung trage. 144 Das Bundesverfassungsgericht muß also dahingehend verstanden werden, daß im Bereich der Planung die sachlich notwendige, aber unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts problematische Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in der Regel durch verfahrensrechtliche Regelungen ausgeglichen werden muß. 145 Was die Anforderungen an die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Krankenhausplanung im einzelnen anbelangt, hält das Gericht indes eine lediglich mittelbare Beteiligung der interessierten Berufsbewerber für ausreichend. 146 Dem grundrechtlichen Gebot angemessener Verfahrensgestaltung sei genügt, wenn nach den landesrechtlichen Verfahrensvorschriften die Vertreter aller am Krankenhauswesen beteiligten Berufsgruppen und Körperschaften in einem Krankenhausplanungsausschüß zusammentreffen und eine einvernehmliche Regelung anstreben müssen. 147 Interessanterweise begründet das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung damit, daß der Krankenhausplan selbst noch keine unmittelbare Außenwirkung habe und daß erst die Feststellungsbescheide über die Aufnahme oder Nichtaufnahme des Krankenhauses, die auf der Grundlage des Krankenhausplans ergehen, Wirkung für und gegen die betroffenen Krankenhausträger entfalteten. 148 Soweit nämlich Bescheide über die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den Krankenhausplan im Verwaltungsrechtsweg korrigiert würden, verändere sich dadurch auch der Krankenhausplan. 149 Die in dem Urteil geäußerten Rechtsgedanken können für die hier interessierende Problematik der Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von konkreten Zielen der Raumordnung fruchtbar gemacht werden, sofern die Ziele strikte Bindungswirkungen gegenüber dem einzelnen entfalten und insofern intensiv grundrechtsbeeinträchtigend wirken. Auch die Raumordnungsplanung erfordert - insbesondere im Hinblick auf ihre überfachliche Aufgabenstellung -

144

BVerfGE 82, S. 209 (227). Vgl. allgemein zur verfassungsrechtlichen Bedeutung eines kompensatorischen Verfahrens bei Planungen, Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (39, 41, 43): Wenn dem Gesetzgeber die inhaltliche Qualifikation der Entscheidungsstruktur aus sachlichen Gründen nicht möglich sei und eine grundrechtlich relevante Eingriffsintensität gleichwohl bestünde, folge aus dem Gesetzesvorbehalt, daß kompensatorische Lösungen gefunden werden müßten, die den Mangel an legislatorischer Konditionierung jedenfalls funktional ausgleichen könnten. Dazu seien auch verfahrensbezogene Regelungen zu zählen, die insofern eine die Defizite einer grundrechtsgebundenen und rationalen Planungsentscheidung substituierende Bedeutung besäßen. 146 BVerfGE 82, S. 209 (226). 147 BVerfGE 82, S. 209 (226 f.). 148 BVerfGE 82, S. 209 (228). 149 BVerfGE 82, S. 209 (228). 145

Β. Bürgerbeteiligung

391

einen erheblichen Gestaltungsspielraum, so daß der Gesetzgeber sich auf die Normierung allgemeiner Grundsätze der Raumordnung beschränken muß. 150 Der Gesetzesvorbehalt verlangt jedoch eine Ausgestaltung des Planungsverfahrens, in dem die beteiligten Interessen auch der betroffenen Grundrechtsträger angemessen zur Geltung kommen. Die Beteiligung der Bürger könnte daher einen partiellen Ersatz für die im Gesetz zum Teil offen gebliebene nähere Determinierung des verwaltungsbehördlichen Handelns durch das demokratisch an sich primär berufene Parlament darstellen. 151 Den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts kann entnommen werden, daß eine grundrechtsbeeinträchtigende Planung mindestens eine angemessene mittelbare Betroffenenbeteiligung erfordert. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Ziele der Raumordnung im Hinblick auf den Rechtsschutz ähnliche Wirkung haben wie die nicht unmittelbar außenverbindlichen Krankenhauspläne, fällt allerdings ein gravierender Unterschied zwischen den beiden Planarten auf. Anders als bei der Krankenhausplanung erscheint bei der Raumordnungsplanung nämlich eine angemessene Berücksichtigung der Betroffenen durch eine bloß mittelbare Bürgerbeteiligung, z.B. in Form der Verbandsbeteiligung oder durch Planungsbeiräte nicht möglich. Der umfassende Aufgabenbereich der Raumordnung läßt eine sachgerechte Beschränkung auf bestimmte Verbände nicht zu. Die unterschiedlichen von der Raumordnungsplanung betroffenen privaten Belange werden durch die Verbände nicht umfassend repräsentiert. 152 Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind private Rechtsträger bei der Zielaufstellung daher zumindest in Form einer Anhörung zu beteiligen, sofern eine Grundrechtsbeeinträchtigung von einiger Intensität in Betracht kommt. 153

3. Das Abwägungsgebot und Konsequenzen für die Gestaltung des Planaufstellungsverfahrens Für die hoheitliche raumgestaltende Planung ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem in ihm enthaltenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Grundrechten, daß die Planung dem Gebot gerechter Abwägung entsprechen muß, wie es von der Rechtsprechung insbesondere für die Abwägung im Bau150

Vgl. dazu auch Schoeneberg, UPR 1985, S. 39. Vgl. zu einer entsprechenden Legitimationsfunktion der Bürgerbeteiligung im System der Raumordnung Schoeneberg, UPR 1985, S. 39; vgl. auch Berkemann, FS Schlichter, S. 27 (39, 41). 152 Vgl. Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 37, S. 47; Hendler, Bürgerschaftliche Mitwirkung, S. 121. 153 I.E. ähnlich Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56). 151

392

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

leitplanverfahren entwickelt worden ist. Insbesondere ist die Planung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nur gerechtfertigt, wenn sie die Belange des Eigentums nicht unverhältnismäßig hinter sonstige Belangen zurückstellt. 154 Entsprechendes gilt auch für die übrigen durch die Planung betroffenen Grundrechte. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend in die Dogmatik des Abwägungsgebotes aufgenommen, daß die Bedeutung der privaten Belange nicht verkannt werden darf. 155 Da die Ziele der Raumordnung im Rahmen von Zulassungsentscheidungen zu Grundrechtsbeeinträchtigungen führen können, sind die Grundrechte in der Abwägung zu berücksichtigen. Wenn dementsprechend in § 7 Abs. 7 S. 2 ROG für die Aufstellung von Raumordnungsplänen formuliert ist, daß bei der Aufstellung der Raumordnungspläne auch private Belange in der Abwägung zu berücksichtigen sind, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind 156 , wird im Hinblick auf die Grundrechte insofern nur eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit festgestellt. Der Schutz privater Interessen im allgemeinen und des Privateigentums im besonderen muß sich bei der Aufstellung der Pläne nach Regeln vollziehen, die dem Wesen der Planung angemessen ist. Zu diesen Regeln gehört in erster Linie das Gebot gerechter Abwägung. 157 Auch im hier behandelten Zusammenhang spielt es dabei eine Rolle, daß es für den Umfang des Abwägungsmaterials und mithin der einzubeziehenden Grundrechte auf den Konkretisierungsgrad des jeweiligen Ziels der Raumordnung im Einzelfall ankommt. Weit formulierte Ziele der Raumordnung belassen den Behörden und nachfolgenden Planungsträgern genügend Spielraum, um den Grundrechten der Bürger und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall Rechnung zu tragen. In diesem Fall reicht es aus, wenn private Belange nicht jeweils einzeln und konkret, sondern nur als aggregierte und generalisierte Größe Berücksichtigung finden. 158 Der großräumige Bezug der Planung, z.B. bei lediglich gemeindegebietsbezogenen Festsetzungen, hat zur Folge, daß die privaten Belange nicht grundstücksbezogen, sondern allenfalls als zusammen-

154

Stellvertretend BVerwGE 47, 144. BVerwGE 34, S. 301,(309). 156 Vgl. zu der Einführung dieser Vorschrift Hendler, in: Hoppe!Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (58). 157 BVerwG, DVB1. 1969, S. 697 (699). 158 Vgl. dazu Halama, FS Schlichter, S. 221; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 137; Wahl, Bürgerbeteiligung, 138 (142); Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (42); Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17 (20); Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 49. 155

Β. Bürgerbeteiligung

393

gefaßte Interessen vieler Eigentümer bei der Abwägung Beachtung finden können 159 . Anders liegen die Dinge indes bei den im hier behandelten Zusammenhang besonders interessierenden räumlich und sachlich konkreten Zielen der Raumordnung, die ihrem Inhalt nach keine den Einzelfall und das konkrete Individualinteresse berücksichtigenden Konkretisierungen mehr zulassen und sich als strikte Determinanten der Grundrechtsausübung erweisen. 160 Der Plangeber muß sich hier bereits bei der Aufstellung der Ziele mit den konkret betroffenen Grundrechten auseinandersetzen und diese in die raumordnerische Abwägung einstellen. 161 Eine lediglich abstrakte Abwägung privater Belange als aggregierte und generalisierte Größe würde dem Inhalt und den Rechtswirkungen dieser Ziele nicht gerecht. Ohne eine Bürgerbeteiligung ist die Behörde allerdings nicht in der Lage, die erforderlichen Belange angemessen zu ermitteln, so daß der Abwägung die Gefahr eines Ermittlungsdefizits immanent wäre. 162 Wenn demgegenüber argumentiert wird, daß die Träger der Raumordnungsplanung auch über andere Informationsquellen verfügten, als diejenigen der Bürgerbeteiligung, wie z.B. das Raumordnungskataster und die Instrumente der Raumbeobachtung163, wird die Effektivitiät dieser Instrumente weit überschätzt. Zu berücksichtigen ist dabei, daß eine unmittelbare Bürgerbeteiligung bei der Raumordnungsplanung durch überörtliche Planungsträger sogar noch mehr geboten ist als bei der Bauleitplanung. 164 Je ortsnäher ein Planungsträger ist, um so mehr ist er ohnehin mit der örtlichen Konfliktsituation vertraut, auf die die Planung trifft oder die die Planung erzeugt und die sie zu bewältigen hat. 165 Diese Bürger- und Ortsnähe fehlt demgegenüber den Trägern der Raumordnungsplanung. 166 Das Informationsdefizit kann nur durch ein obligatorisches Bürgerbeteiligungsverfahren wirksam kompensiert werden.

159

S. 50. 160

Christ, Raumordnungsziele, S. 150; Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen,

Vgl. zum Verhältnis von Konkretheit und Bürgerbetroffenheit Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41; vgl. zur Grundrechtsbetroffenheit durch Raumordnungsziele Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56), der allerdings nicht zwischen allgemeingehaltenen und konkreten Zielen der Raumordnung differenziert. Vgl. i.ü. dazu oben Kap. 2, D. I. 4. a) bb). 161 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f. 162 Vgl. dazu Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f. 163 So Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 81. 164 Vgl. dazu Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41. 165 Vgl. Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41. 166 Dies gilt im übrigen auch im Hinblick auf die kommunalverfaßten Träger der Regionalplanung, da die kommunalen Vertreter zwar im Hinblick auf ihr eigenes

394

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Wenn demgegenüber vertreten wird, daß zwar konkrete Ziele der Raumordnung aufgestellt werden dürften, diese aufgrund unzureichender Bürgerpartizipation aber keine unmittelbaren Rechtswirkungen gegenüber dem Bürger entfalten könnten 167 , werden die mediatisierten Zielbindungen im Wege der gemeindlichen Bauleitplanung gegenüber Privaten übersehen. Im Ergebnis bleibt die raumordnerische Zielaussage insofern nämlich auch bei den transformierenden Bebauungsplänen wirksam. Es läßt sich im Hinblick auf konkrete Ziele der Raumordnung daher auch nicht argumentieren, daß die Beteiligung Betroffener im Raumordnungsverfahren oder in nachfolgenden Planungs- oder Zulassungsverfahren ausreichend sei 168 , da die Ziele diesen Verfahren vorgelagert und für sie bindend sind. Die Bürgerbeteiligung vermag in diesem Fall keinen Einfluß mehr auf die Planungsentscheidung auszuüben und geht ins Leere. 169 Im Hinblick auf das raumordnerische Abwägungsgebot ist es daher die Konkretheit der Ziele, die zu einer unmittelbaren Bürgerbeteiligung zwingt, und weniger die unmittelbaren Zielbindungen im Rahmen der Zulassungsentscheidungen über private Vorhaben. Bei letzteren wird die Problematik konkreter Ziele nur besonders augenfällig. Es bleibt festzuhalten, daß die Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen hinsichtlich der Planung raumbedeutsamer Vorhaben bereits im Verfahren der Aufstellung von konkreten Zielen der Raumordnung geltend machen müssen, weil zu einer wirkungsvollen Partizipation anschließend keine Möglichkeit mehr besteht. Etwas anderes könnte zwar gelten, wenn konkrete Ziele der Raumordnung durch Ausnahmeregelungen abgefedert werden, da durch diese Regelungen nämlich einer lediglich globalen Abwägung Rechnung getragen wird. 1 7 0 Es gibt aber überörtliche Interessen, bei denen eine damit einhergehenden Relativierung des Aussagegehaltes bei konkreten Gebietsfestlegungen nicht vertretbar wäre, so daß die Lösung über Ausnahmeregelungen nicht durchgängig praktiziert werden kann. Daraus ist grundsätzlich eine Pflicht der Länder zur Einführung von Bürgerbeteiligungsverfahren herzuleiten.

Gemeindegebiet bürger- und problemnah sein mögen, aber die Situation aller anderen Gemeinden in der Region nicht genau kennen werden. 167 So Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f. 168 So aber Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 86. 169 Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (43), der gleichwohl keine Pflicht zur Bürgerbeteiligung bei der Raumordnungsplanung annimmt. 170 Vgl. dazu oben Kap. 2, Β. II. 4. b).

Β. Bürgerbeteiligung

395

4. Parallelen zum Erfordernis der Beteiligung von Gemeinden bei der Zielaufstellung Es ist seit langen anerkannt, daß die Gemeinden kraft Verfassungsrechts an der Raumordnungsplanung zu beteiligen sind. 171 Den Gemeinden steht ein verfassungskräftig gesichertes Anhörungsrecht zu, wenn durch raumbedeutsame Planungen fremder Hoheitsträger ihre in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Planungshoheit beeinträchtigt wird. 1 7 2 Die Bedeutung dieses Rechtsgrundsatzes reicht insofern über den gemeindlichen Bereich hinaus, als nicht angenommen werden kann, daß private Rechtsträger im Hinblick auf die ihnen zustehenden Grundrechte eine schwächere Rechtsstellung im Planungsverfahren innehaben als die örtlichen Gemeinwesen mit Rücksicht auf ihr Selbstverwaltungsrecht. 173 Hieraus folgt, daß Private grundsätzlich ein Beteiligungsrecht an solchen hoheitlichen Planungen zukommt, von denen Beeinträchtigungen ihrer Grundrechte ausgehen können. 174 Die Parallele wird man allerdings nur dort ziehen können, wo konkrete Ziele der Raumordnung in Frage stehen. Während eine Gemeinde beispielsweise bereits durch eine lediglich gemeindescharfe Aussage über die ihr zugeordnete Zentralitätsstufe schon in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt werden kann, gilt entsprechendes noch nicht im Hinblick auf die Grundrechte einzelner Grundstückseigentümer. 1 7 5 Bei wenig konkreten Zielen der Raumordnung reicht es vielmehr aus, wenn die Grundstückseigentümer bei den transformierenden konkretisierenden Plänen, bei Planfeststellungen oder im Raumordnungsverfahren gehört werden. Aus einer solchen Verlagerung der Bürgerbeteiligung auf nachfolgende Verfahren folgt somit nicht, daß die Beteiligung in einer Art oder zu einer Zeit vorgenommen wird, die sie um ihre Wirksamkeit bringt. 176 Demgegenüber werden bei der Aufstellung konkreter Ziele der Raumordnung für die Grundstückseigentümer zentrale Entscheidungen getroffen, so daß insofern in Parallele zu den Gemeinden von einer verfassungsrechtlich

171 Z.B. BVerfGE 56, S. 298; Halama, FS Schlichter, S. 201 (214); Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56); Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 56; Schmidt-Aßmann, Fortentwicklung, S. 43 ff, S. 51 f.; Brohm, DÖV 1989, S. 429 (436). 172 BVerwG, DVB1. 1969, 362 (363 f.); BVerwG, NVwZ 1987, 590 (591); BVerfGE 56, 298 (319 ff.); Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56) m.w.N. 173 Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56). 174 Hendler, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 35 (56). 175 Vgl. zu diesem Kriterium Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (6). 176 Vgl. zu diesem Kriterium Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (6).

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Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

gebotenen Beteiligung von Privaten auszugehen ist, deren Grundrechte durch die Raumordnungsziele bzw. ihre Umsetzung beeinträchtigt werden können. 177

5. Praktikabilität

und Verfahrensverzögerung

Angesichts der großen Zahl der zu beteiligenden Bürger, der Größe des Planungsraums und der Vielzahl der Entscheidungen, die es zu würdigen gilt, ist allerdings sehr fraglich, ob das Verfahren der Bürgerbeteiligung im Aufstellungsverfahren von Raumordnungsplänen die zu bewältigenden Aufgaben erfüllen kann und dieses möglicherweise unangemessen verzögert. Dabei dürfte die fehlende Praktikabilität 178 einer entsprechend groß angelegten Bürgerbeteiligung zwar ein ernst zu nehmender Gesichtspunkt sein. Die damit zusammenhängenden Probleme erscheinen aber nicht als unlösbar. Im Vergleich zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der gemeinsamen Flächennutzungsplanung oder bei Planfeststellungs- oder Raumordnungsverfahren über großräumige Straßenbauprojekte, bei denen Bürgerbeteiligungsverfahren in der Praxis erfolgreich durchgeführt werden, bestehen keine prinzipiellen Unterschiede. Mit Hilfe der EDV kann auch die Bearbeitung einer sehr großen Zahl von Anregungen und Bedenken geleistet werden, wie Beispiele aus der Praxis zum Raumordnungsverfahren bei Großprojekten beweisen. 179 Das Verfahrensrecht muß selbstverständlich auf die Besonderheiten des Planungsinstrumentariums zugeschnitten werden. 180 Im Hinblick auf die Beteiligung der Öffentlichkeit dürfte beispielsweise eine Bürgerbeteiligung durch die Gemeinden ausreichend sein, sofern die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens der zuständigen Landesplanungsbehörde ungefiltert weitergegeben werden. 181 Bei eventuell stattfindenden Informationsveranstaltungen in der 177 Vgl. allerdings Schmidt-Aßmann, VBIBW 1986, S. 2 (6), der unzutreffend davon ausgeht, daß Vorranggebiete nicht eigentlich in der elementaren Interessensphäre der individuellen Beteiligung Privater liege, die regelmäßig nur an kleinräumigem Ausgleich, an Immissionsschutz- und Sicherheitsfragen ausgerichtetet sei. 178 Schmidt, Wirkung von Raumordnungszielen, S. 50 f.; Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 166. 179 Vgl. zum Vorgehen im Raumordnungsverfahren der Magnetbahn Transrapid und des Flughafens Berlin-Brandenburg Mäding, RuR 1997, S. 83 (85 ff.) 180 Vgl. Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (42) sowie entsprechend zur Verfahrensausgestaltung der UVP innerhalb unterschiedlicher Planungsinstrumente Erbguth/Schink, UVPG, Einl, Rn. 99; Erbguth, NuR 1995, S. 444 (447). 181 Dieses Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung ist bei der nordrheinwestfälischen Braunkohleplanung gem. § 33 Abs. 3 NWLP1G vorgesehen. Vgl. entsprechend zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der UVP im Raumordnungsverfahren Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 19 m.w.N. sowie Wagner, DVB1. 1991, S. 1230 (1234). Kritisch Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 117 f.; Appold, Freiraumschutz, S. 109.

Β. Bürgerbeteiligung

397

Gemeinde sollten allerdings auch Vertreter der Landesplanungsbehörde anwesend sein. 182 Nicht ausreichend erscheint demgegenüber, daß die Gemeinden lediglich zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme zu Raumordnungsplanentwürfen die Bürger über die Ziele informieren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung geben 183 , wenn die Träger der Raumordnungsplanung die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung und mithin auch die abwägungserheblichen privaten Belange nicht im einzelnen erfahren. Die in der Stellungnahme zum Ausdruck kommenden Interessen der Gemeinde müssen nämlich nicht identisch sein mit denen der Bürger, die durch Raumordnungsziele betroffen sind. 1 8 4 Durch eine obligatorische Bürgerbeteiligung wird das Planaufstellungsverfahren um einen zusätzlichen Schritt erweitert. Selbst wenn sich dies im Sinne einer Verfahrensverzögerung auswirkt - was keineswegs immer der Fall zu sein braucht 185 -, handelt es sich doch um einen aus rechtsstaatlichen Gründen in Kauf zu nehmenden Nachteil. 186 Zu bedenken ist außerdem, daß die Beteiligungsverfahren bei den nachfolgenden Planungs- und Zulassungsverfahren inhaltlich im Hinblick auf die Abschichtungsfunktion der Raumordnungsziele entlastet werden könnten. 187 Hinzuweisen ist auch auf die verfahrensverkürzende Wirkung, die konkreten Zielen der Raumordnung in Bezug auf das Raumordnungsverfahren zukommen kann. Von einem Raumordnungsverfahren - und der darin enthaltenden Bürgerbeteiligung - kann nämlich nach der Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 1 ROG abgesehen werden, wenn die Planung oder Maßnahme den Zielen der Raumordnung entspricht oder

182 Vgl. zur Durchführung einer Erörterung der Braunkohlepläne bei UVPpflichtigen Vorhaben durch die Bezirksplanungsbehörde § 33 Abs. 3 S. 5 NWLP1G. Entsprechend zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 118. 183 Vgl. dazu Gaentzsch, IzR Heft 1/2. 1981, S. 41 (42); Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (14); Zutreffend Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 33 ff., S. 41, die darauf hinweist, daß die kommunale Beteiligung nur bedingt eine mittelbare Bürgerbeteiligung zur Folge hat. 184 Schoeneberg, UPR 1985, S. 39 (41); Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 35. 185 Erfahrungsgemäß führt der Abbau von Beteiligungsverfahren nicht zwingend zu einer effektiven Verfahrensbeschleunigung. Die fehlende Bürgerpartizipation kann nämlich zu einem Akzeptanzverlust führen und die Realisierung des Vorhabens erschweren. Stellvertretend Erbguth, NVwZ 1992, S. 551; Mäding, RuR 1997, S. 83

(88).

186 Vgl. allerdings Redeker, FS Schlichter, S. 541 (542), der die lange Verfahrensdauer von Großprojekten bedauert. 187 Die Abschichtungswirkung ist insofern bei den Raumordnungszielen, die in nachfolgenden Zulassungsverfahren zu beachten sind, höher als bei einem Raumordnungsverfahren, dessen Ergebnis nur zu berücksichtigen ist. Vgl. zur Problematik der Verfahrensabschichtung im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Raumordnungsverfahren und zum verfahrenökonomischen Gebot der Vermeidung von Doppelprüfungen Wahl, FS Sendler, S. 199 (217 ff.); Erbguth, LKV 1993, S. 145 (149).

398

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

widerspricht. Die Vorschrift wird dabei gerade bei detaillierten Zielen der Raumordnung relevant, wie sich aus der Entstehungsgeschichte und aus der Überlegung ergibt, daß bei diesen Zielen kein oder nur ein geringer raumordnerischer Koordinierungsbedarf verbleibt, der im Wege des Raumordnungsverfahrens noch vorhabenbezogen gelöst werden müßte. 188

6. Kritische Überlegungen zur Ausweisung konkreter Ziele der Raumordnung im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung In der Planungspraxis ist eine Tendenz der Raumordnungsplanung zu erkennen, verstärkt konkrete Ziele auszuweisen.189 An die Forderung knüpft sich zum Teil die Hoffnung einer erleichterten Durchsetzbarkeit dieser Anlagen gegenüber den Gemeinden und der Bevölkerung. 190 Große Abgrabungsvorhaben gehören dabei zu denjenigen Projekten, die in der Bevölkerung erfahrungsgemäß heftige Proteste auslösen und deren Standorte sich politisch häufig kaum durchsetzen lassen.191 Die Ausweisung konkreter Ziele der Raumordnung hat Wahl 1 9 2 unter sachund planungssystematischen sowie verwaltungspolitischen Gesichtspunkten kritisiert. Raumordnungsziele müßten in bezug zu dem spezifischen Planungsraum und Planungstyp in einer angemessenen Weise unbestimmt und generalisiert sein. Schließlich könne die Raumordnung auf dem ihr zugewiesenen viel größeren Raum nicht das Wunder vollbringen, in derselben Konkretheit und Detailliertheit wie Flächennutzungsplanung und Bebauungsplanung vorzugehen. Es entspreche vielmehr der Logik der großräumigeren Landes- und Regionalplanung, daß sie in ihrem Planaussagen abstrakter und genereller sei als die Bauleitplanung und die konkreten Fachplanungen und eine Distanz zum Bürger - jedenfalls im Regelfall - einhalte. Er konstatiert ferner, daß der Politikbereich Raumordnung politisch nicht stark genug sei, um in der direkten Konfrontation mit den Nutzungswünschen des einzelnen, insbesondere von starken einzelnen, nämlich einzelnen Wirtschaftssubjekten und Investoren, eine gute Durchsetzung zu ermöglichen oder glanzvolle Siege zu erringen. Die Raumordnungspolitik müsse daher versuchen, in der Distanz der generellen

188

Vgl. dazu Wahl, FS Sendler, S. 199 (211). Grooterhorst, DÖV 1987, S. 910; Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 211. 190 Vgl. Wagner, Raumordnungsklauseln, S. 164. Vgl. auch Berkemann, DVB1. 1989, S. 625 (632), wonach der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB a.F. den Zweck verfolgt, mutmaßlich renitente Gemeinden zu disziplinieren. 191 Paßlick, Ziele der Raumordnung, S. 181 m.w.N. 192 Wahl, in: Hoppe/Kauch, Raumordnungsziele nach Privatisierung, S. 11 (26 Fn. 23); vgl. auch ders, Bürgerbeteiligung, S. 113. 189

Β. Bürgerbeteiligung

399

Planung (und nicht primär in der Konfrontationsnähe des einzelnen konkreten Projekts) ihre Belange und Zielsetzungen zu formulieren. Die Bedenken von Wahl gegen die Ausweisung konkreter Ziele der Raumordnung erfahren - wie zu zeigen sein wird - Unterstützung durch den Gesichtspunkt der Bürgerbeteiligung. 193 Den konkreten Zielen der Raumordnung muß in Zukunft besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Gesetzgeber hat schließlich durch das Raumordnungsgesetz das Vorhandensein konkreter Ziele implizit vorgesehen, indem er zuläßt, daß Ziele der Raumordnung unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem einzelnen entfalten. Aus rechtsstaatlichen Gründen können nämlich nur konkrete Ziele der Raumordnung solche Rechtswirkungen entfalten. Auch die Normierung der Gebietsfestlegungen nach § 7 Abs. 4 ROG bringt dies zum Ausdruck. Hinzukommt daß eine etwaige Kombination aus Flächennutzungsplanung und Regionalplanung, die nach § 9 Abs. 6 ROG in den Ländern eingeführt werden könnte 194 , in Zukunft zu einer Verfeinerung der Zielaussagen führen dürfte. 195 Wenn in Zukunft Standortentscheidungen über raumbedeutsame Vorhaben zunehmend auf der Ebene der Raumordnungsplanung getroffen werden, wird dies zu einer tiefgreifenden Verschiebung der Funktionen innerhalb der verschiedenen raumplanerischen Handlungsinstrumente führen. Dies gilt zum einen hinsichtlich des geringeren Entscheidungsspielraums der nachgeordneten Planungs- und Zulassungsebenen sowie des Raumordnungsverfahrens, d.h. insbesondere der Gemeinden und der zuständigen Behörden für das Planfeststellungs- bzw. Raumordnungsverfahren, da diese inhaltlich an die Ziele der Raumordnung strikt gebunden sind. Die Bürger- und Betroffenenbeteiligung auf diesen Handlungsebenen wird hierbei inhaltlich insofern ausgehöhlt, als die von den Bürgern geäußerten Stellungnahmen nicht mehr berücksichtigt werden können, sofern deren Umsetzung einen Verstoß gegen die konkreten Ziele der

193

Vgl. Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 85 f.: „Wenn die in den Raumordnungsplänen getroffenen Standortentscheidungen nicht mehr dem Charakter der Raumordnungsplanung gerecht werden, dann kann dies nicht durch die Einführung einer Bürgerbeteiligung auf dieser Ebene ausgeglichen bzw. repariert werden." Ahnlich Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (10). 194 Vgl. zum fehlenden Bedürfnis der Einführung dieses Rechtsinstrumentes für Bayern angesichts eines weitgehend flächendeckenden Systems von Flächennutzungsplänen Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (295). Es sei ferner mit erheblichen politischen Widerstand der Umlandgemeinden zu rechnen, da die Befürchtung bestehe, daß durch eine etwaige Einführung diesen neuen Planungsinstruments die Dominanz der kreisfreien Städte in den Regionalen Planungsverbänden noch gestärkt würde. 195 Dazu dürften in Zukunft auch technische Gründe bei der zunehmenden Digitalisierung von raumbezogenen Plänen hinzukommen, die möglicherweise zu einer Änderung der Planungspraxis führen. Wie die Erfahrungen bei der Digitalisierung der Flächennutzungsplanung gezeigt haben, bereitet die Digitalisierung grobmaschiger, zeichnerischer Darstellungen Schwierigkeiten.

400

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Raumordnung darstellen würden. 196 Die Bedeutung des Raumordnungsverfahrens wird möglicherweise auch durch die Verzichtsmöglichkeit bei konkreten Zielen der Raumordnung nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 ROG zunehmend geschwächt. Sehr viel schwerer wiegt aber, daß das Wesen und die Funktion der Raumordnungsplanung in der Bevölkerung - und im übrigen auch bei vielen Kommunalpolitikern 197 - bisher zu wenig bekannt sind. Wenn durch konkrete Ziele der Raumordnung Standortentscheidungen von der städtebaulichen Planung auf die Raumordnungsplanung heraufgezont werden, rücken diese Planungsentscheidungen vielfach auch automatisch aus dem Gesichtskreis der Betroffenen und damit auch aus der politischen Aufmerksamkeit heraus. Dies gilt umso mehr, als das Interesse für Planungsentscheidungen erfahrungsgemäß erst dann einsetzt, wenn ein bestimmtes Projekt eines bestimmten Projektträgers in Frage steht und nicht bereits dann, wenn es lediglich um die Flächensicherung für bestimmte Projektarten geht. Räumlich komplexe Pläne sind von einer bestimmten Abstraktionsstufe an für den normalen Bürger nicht mehr interessant. 198 Es ist daher damit zu rechnen, daß die Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen - wahrscheinlich auch aufgrund geringer Teilnahme - wenig ertragreich sein wird. 1 9 9 Auch bei der Durchführung eines Bürgerbeteiligungsverfahrens besteht mithin die Gefahr eines Ermittlungsdefizits bei konkreten Planungen. Eine Demokratie lebt von der Akzeptanz der Planung durch die Bürger. 200 Diese kann aber durch Beteiligungsverfahren bei ganz bestimmten Planungen auf der örtlichen Ebene im weitaus größeren Maße erreicht werden, als durch eine Bürgerbeteiligung auf der Ebene der Regionalplanung, da die Bürger bei der Gestaltung der Situation vor Ort und der Entwicklung der örtlichen Gemeinschaft durch den unmittelbaren Kontakt zu den politisch Verantwortlichen mitgestalten wollen. 201 Bei der Raumordnungsplanung können hingegen die langen Zeiträume zwischen der Planung und deren Verwirklichung in der beteiligten Bürgerschaft zu einer mangelnden Akzeptanz der Planungsentscheidung führen. 202 Bei der langfristigen, überörtlichen Planung ist es schwer, Interessen beim Bürger zu wecken. Wenn sich aber die überörtliche Planung als

196

Vgl. ebenso Christ, Raumordnungsziele, S. 103; zu undifferenziert Wickrath, Bürgerbeteiligung, S. 86. 197 Vgl. auch Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 114. 198 Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, S. 969 (974). 199 Vgl. auch Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 Fußnote 1. 200 Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (301). 201 Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (301). 202 Söfker, IzR Heft 1/2. 1981, S. 17 (22); Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (139 f.).

Β. Bürgerbeteiligung

401

Vorgabe in konkreten Planungen oder bei Zulassungsentscheidungen auswirkt, entsteht Unmut. 2 0 3 Hinzu kommt, daß die raumordnerischen, d.h. für ein überörtliches, überfachliches Gesamtkonzept relevanten Belange für die raumordnungsrechtlich nicht vorgeschulten Bürgerinnen und Bürger nur schwer nachvollziehbar sind. 204 Konflikte sind vorprogrammiert, da aus Sicht der Bürger regelmäßig Detailfragen hinsichtlich konkret geplanter Projekte von Interesse sein werden, die aber den Rahmen der Raumordnung sprengen und von den Trägern der Raumordnungsplanung daher nicht behandelt werden können. 205 Schließlich ist die Funktion der Raumordnungspläne innerhalb des Planungssystems vor allem aufgrund der komplexen Rechtswirkungen und im Hinblick auf den Aufgabenbereich der Raumordnung - anders als bei projektbezogenen Verfahren oder den auf das Gemeindegebiet beschränkten Bauleitplänen - von den meisten Bürgern kaum zu überblicken. 206 Es erfordert mühevolle Informationsarbeit durch die Planungsbehörden, die Wahl einfacherer Begriff und eine stärkere Tranparenz der Planungsvorgänge, um bei den Bürgern mehr Verständnis für Fragen der Raumordnung zu wecken. 207 Eine Überforderung der Bürger dürfte häufig auch daraus resultieren, daß in einem Beteiligungsverfahren gleichzeitig zu vielfältigen Zielausweisungen im Regionalplan Stellung zu nehmen ist. Projektbezogene Planungsverfahren, z.B. das Raumordnungs- oder Planfeststellungsverfahren, aber auch die Aufstellung einzelner Bebauungspläne erfolgen demgegenüber in der Regel zeitlich versetzt, so daß die Einhaltung von Beteiligungsfristen auch durch die Konzentration auf ein Vorhaben bzw. einen Bebauungsplan (zumindest etwas) realistischer ist als bei der Aufstellung eines raumordnerischen Gesamtkonzepts. 208 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Raumordnungsplanung insbesondere aus Gründen effektiver Bürgerpartizipation möglichst zurückhaltend von der Möglichkeit konkreter Zielausweisungen oder zumindest dabei großzügig von der Möglichkeit von zielförmiger Ausnahmeregelungen Gebrauch machen sollte. Nur durch den möglichst weitreichenden Verzicht auf konkrete zielförmige Standortausweisungen läßt sich die optimale Berücksichtigung privater Interessen gewährleisten. Auch aus Gründen der Planungsakzeptanz ist vor einer - zu weitreichenden ! - Funktionsverschiebung von der 203

Ähnlich Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113. Vgl. auch Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (14). 205 Vgl. dazu allerdings im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren Wahl, FS Sendler, S. 199 (214) sowie ansatzweise Schmidt-Aßmann, VB1BW 1986, S. 2 (7); Mäding, RuR 1997, S. 83 (85). 206 Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (14). 207 Höhnberg, IzR Heft 1/2. 1981, S. 9 (14). 208 Diesem Problem könnte durch lange Beteiligungsfristen begegnet werden. 204

26 Spiecker

402

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

örtlichen Bauleitplanung zugunsten der Raumordnungsplanung zu warnen, die sich in sehr konkreten Zielen der Raumordnung niederschlägt. 209

7. Ergebnis Die Darlegungen haben ergeben, daß die Aufstellung von konkreten Zielen der Raumordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich zwingend eine unmittelbare Bürgerbeteiligung der von den Zielen möglicherweise in ihren Grundrechten Betroffenen voraussetzt. Die Länder müssen dies bei der Ausgestaltung der Landesplanungsgesetze berücksichtigen und eine entsprechende Bürgerbeteiligung innerhalb der durch § 22 ROG gesetzten Frist verwirklichen, wenn sie eine - kompetenzrechtlich in Maßen zulässige, zum Teil auch erforderliche, aber rechtspolitisch nicht immer unproblematische Planungspolitik verfolgen wollen, die mit Zielen von hoher Aussagedichte arbeitet. Solange keine Bürgerbeteiligung eingeführt ist, müssen die Länder entweder von konkreten Zielen der Raumordnung absehen oder diese mit Ausnahmeregelungen versehen. Angesichts der schärfer werdenden Raumnutzungskonflikte und der zunehmenden Verschiebungen der örtlichen und überörtlichen Aufgabenbereiche erscheint es indes als illusorisch, daß die Raumordnungsplanung gänzlich ohne konkrete Ziele der Raumordnung ihrem Planungsauftrag gerecht werden kann. Ausnahmeregelungen verringern die Steuerungskraft der Raumordnungsziele und können im konkreten Fall das raumordnerische Gesamtkonzept zu labil werden lassen, z.B. wenn Vorranggebiete mit Ausnahmeregelungen versehen werden, so daß die Sicherung der jeweiligen Standorte dem Prinzip der Ausnahmeregel entsprechend nur teilweise erreicht wird. Die Landesplanungsgesetzgeber müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß das Instrument der Raumordnungsziele weiterentwickelt wurde und die Planungspraxis sich konkreter Ziele der Raumordnung bedient. 210 Die weitreichenden Bindungswirkungen bei privaten Zulassungsentscheidungen, wie sie im ROG 1998 angelegt sind, sind eine Ausprägung dieser Entwicklung. Das Verfahrensrecht muß demgemäß auf den Funktionswandel der Raumordnungsziele reagieren. 211 A n der Einführung einer unmittelbaren Betroffenenbe209

Busse, BayVBl. 1998, S. 293 (301). Vgl. auch Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (144), der daraufhinweist, daß über den Grundrechtsschutz durch Verfahren bei der Aufstellung von Raumordnungszielen dort neu nachgedacht werden müsse, wo die Instrumente der Raumordnung weiterentwickelt werden und ihren spezifisch landesplanerischen Charakter verlieren. 211 Vgl. zu ähnlichen Überlegungen im Hinblick auf das Raumordnungsverfahren Wahl, Bürgerbeteiligung, S. 113 (144). 210

Β. Bürgerbeteiligung

403

teiligung bei der Aufstellung von Raumordnungszielen führt daher realistischerweise kein Weg vorbei.

IV. Ausblick: Plan-UVP Die Thematik der Bürgerbeteiligung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen erfährt unabhängig von der Raumordnungsgesetznovelle Aktualität durch voraussichtliche Entwicklungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften. Angesprochen ist der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme vom 25. 3. 1997 212 . Das Ziel des Richtlinienvorschlages ist es, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt sicherzustellen, indem eine Umweltprüfung für bestimmte Pläne und Programme im Bereich der Raumordnung durchgeführt wird (sogenannte PlanUVP) 2 1 3 und die Ergebnisse dieser Prüfung während der Ausarbeitung und Annahme solcher Pläne und Programme berücksichtigt werden. 214 Dabei wird auch die Stellung des Plans oder Programms im Entscheidungsprozeß Rechnung getragen. 215 Der Plan-UVP liegt somit die Einsicht zugrunde, daß bereits auf planerischer Ebene weitreichende Vorentscheidungen für die Zulassungsstufe fallen und mithin die bestehenden Verpflichtungen der Durchführung einer UVP im Zulassungsverfahren nicht ausreichen. 216 Zur Sicherung der Transparenz des Entscheidungsprozesses und der Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der erteilten Angaben 217 sieht Art. 6 des Richtlinienvorschlages eine Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit vor, insbesondere auch die Gelegenheit zur Stellungnahme vor Annahme des Plans bzw. Programms. Der Richtlinienentwurf paßt sich damit ein in den vorrangig prozeduralen Ansatz des europäischen Umweltrechts, in dem insbesonderer die Aktivierung der Öffentlichkeit für die Belange des Umweltschutzes eine wichtige Rolle spielt. 218 Die frühzeitige und breite Einbeziehung der 212 97/C 129/08(AB1.EG Nr. C 129/14); vgl. auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses v. 29. 5. 1997, 97/C 287/21 (AB1.EG Nr. C 287/101). Vgl. zur Entwicklung der Richtlinie und zum weiterführenden Schrifttum Erbguth! Schink, UVPG, Einl. Rn. 11, Rn. 99, Rn. 100 g; Wagner, UPR 1995, S. 203 (206);

Gather , RuR 1997, S. 260 ff.; Tönnies, RuR 1997, S. 457 ff. 213 214 215

Vgl. Erbguth!Schink, UVPG, Einl. Rn. 11; Erbguth, NuR 1995, S. 444. Vgl. Art. 1 des Richtlinienvorschlages. Vgl. die Erwägungsgründe zum Richtlinienvorschlag, Abi. EG, Nr. C 129/14

(15).

216 217 218

Erbguth!Schink, UVPG, Einl. Rn. 99. Vgl. auch Schink, NuR 1998, S. 173 (180). Vgl. die Erwägungsgründe zum Richtlinienvorschlag, ABl. EG Nr. C 129/14 (15). Groß, NuR 1998, S. 123 (128) m. w. N.

404

Siebtes Kapitel: Überlegungen de lege ferenda

Bevölkerung wird zunehmend als wichtig für die Realisierungschancen von Planungen anerkannt. 219 Der Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie erstreckt sich dabei auf Pläne und Programme bzw. deren Änderung im Bereich der Raumordnung, die von einer zuständigen Behörde ausgearbeitet und angenommen werden oder die von einer zuständigen Behörde für die Annahme durch einen Gesetzgebungsakt ausgearbeitet werden und die als Teil des Entscheidungsprozesses im Bereich der Raumordnung den Rahmen für nachfolgende Genehmigungen vorgeben und die Bestimmungen über Art, Größe, Standort oder Betriebsbedingungen von Projekten enthalten. 220 Im hier behandelten Zusammenhang ist bemerkenswert, daß die Bodenschätzegewinnung von dem Projektbegriff der Richtlinie erfaßt ist und daher grundsätzlich auch Pläne und Programme zur Steuerung des Kiesabbaus in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. 221 Nach der Richtlinie muß es sich um Pläne und Programme „ i m Bereich der Raumordnung" handeln. Ob dabei auch Flächennutzungspläne erfaßt sind 2 2 2 , sei dahingestellt. 223 Jedenfalls kommt die Plan-UVP auch für Raumordnungspläne in Betracht. 224 Der Richtlinie kann zwar nicht entnommen werden, daß jede Aussage, die in einem Raumordnungsplan zu bestimmten Projektarten, z.B. zur Kiesgewinnung getroffen wird, eine Plan-UVP erfordert. 225 Problematisch sind aus der Sicht des deutschen Raumordnungsrechts vielmehr nur konkrete Ziele der Raumordnung, d.h. insbesondere die raumordnerischen Vorranggebiete für

219

220

Groß, NuR 1998, S. 123 (128) m. w. N.

Art. 2 a des Richtlinienvorschlages. Vgl. die ausdrückliche Erwähnung der Bodenschätzegewinnung in Art. 2 a) ii) und d) 2. Spiegelstrich des Richtlinienentwurfs. 222 So ausdrücklich Gather , RuR 1997, S. 160 (261); Spannowsky, UPR 1998, S. 161 (168). Vgl. zur UVP in der Bauleitplanung umfassend Erbguth!Schink, UVPG, § 17, insbes. Rn. 5 e, f; Schink, ZfBR 1998, S. 284 ff.; Vgl. zum Weiterentwicklungsbedarf im Hinblick auf die Richtlinie zur Plan-UVP in Bezug auf die Bauleitplanung Erbguth, NuR 1995, S. 444 (447); Wagner, UPR 1995, S. 203 (206 f.). Andeutungsweise im Hinblick auf Raumordnungspläne Runkel, NuR 1998, S. 449 (453). 223 Vgl. Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, S. 969 (972) allgemein zu den Schwierigkeiten, sich über die unterschiedlichen nationalen Planungssysteme der EU-Mitgliedsstaaten zu verständigen. Die Funktionen der raumbezogenen Pläne seien in den Staaten der EU stets mindestens um Nuancen, oft erheblich von den deutschen Raumordnungsplänen, Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen verschieden. 224 Gather, RuR 1997, S. 260 (261); Schink, zitiert bei Mitschang, NVwZ 1997, S. 876 (877); vgl. auch Erbguth!Schink, UVPG, Einl, Rn. 99. Nach Schink, ZfBR 1998, S. 284 (288) sollen nach den Vorstellungen der EG-Kommission in der Bundesrepublik Raumordnungsprogramme der Länder, Regionalpläne und Flächennutzungspläne UVPpflichtig werden. Schink bezweifelt allerdings die Zweckmäßigkeit der Plan-UVP, da bereits die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in diese Verfahren hineinwirke. Kritisch auch Runkel, zitiert bei Beaucamp, DVB1. 1998, S. 886 (887). 225 Ähnlich Runkel, NuR 1998, S. 449 (453). 221

Β. Bürgerbeteiligung

405

bestimmte Vorhaben, da nur diese im Wege von Raumordnungsklauseln den Rahmen für Zulassungsentscheidungen von Projekten eng vorgeben und zu den Standortplanungen zu zählen sind. 226 Zu erinnern ist zum einen an die Positivwirkung von Vorranggebieten für die Kiesgewinnung. Zum anderen wird beispielsweise durch Vorranggebiete mit den zusätzlichen Wirkungen von Eignungsgebieten der weitere Planungsspielraum für etwaige, ökologisch sinnvollere Alternativstandorte erheblich eingeschränkt. Die Richtlinie betrifft daher auch die Durchführung einer Plan-UVP bei der Aufstellung konkreter Ziele der Raumordnung. Darüberhinaus erfordert sie hingegen nicht, daß auch bei der Aufstellung von weitgefaßten Zielen oder sogar von Grundsätzen der Raumordnung eine Plan-UVP eingeführt werden muß, da dies der Stellung dieser Planaussagen im Entscheidungsprozeß nicht gerecht würde. Wenn die Richtlinie zur Plan-UVP eingeführt wird, ist der Gesetzgeber mithin aufgrund seiner Umsetzungspflicht gehalten, unter anderem eine den Anforderungen der Richtlinie entsprechende Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit bei der Aufstellung konkreter Raumordnungsziele vorzusehen, die raumbedeutsame Vorhaben zum Gegenstand haben. 227 Das Verfahrensrecht der UVP müßte dabei an die Besonderheiten der Raumordnungsplanung angepaßt werden. 228 Sofern die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens der zuständigen Landesplanungsbehörde ungefiltert weitergegeben werden, erscheint die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Gemeinden auch bei der UVP als ausreichend. 229

226

Vgl. Crone-Erdmann, zitiert bei Tönnies, RuR 1997, S. 457 (459), der darauf hinweist, daß der Richtlinienentwurf durch das in den übrigen europäischen Partnerstaaten vorherrschende Verständnis von Planung geprägt sei, das sich durch mikroräumliche und direkt standortwirksame Planungen auszeichnet. Diese direkt standortwirksame Funktionsbestimmung der Planung unterscheide sich fundamental von der in Deutschland praktizierten raumbezogenen Planung. Im Hinblick auf die konkreten zielförmigen Gebietsfestlegungen in Raumordnungsplänen ist Crone-Erdmann indes nicht zuzustimmen. Vgl. auch Runkel, NuR 1998, S. 449 (453), der die unpräzise Formulierung des Richtlinienentwurfs hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs kritisiert. 227 Vgl. zum Ausgestaltungsspielraum im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung Art. 6 Abs. 4 und 5 des Richtlinienvorschlages: Danach bestimmen die Mitgliedstaaten, welche Teile der Öffentlichkeit konsultiert werden sollen und berücksichtigen dabei die Stellung des Plans oder Programms im Entscheidungsprozeß. Auch die Einzelheiten über die Information und Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit werden von den Mitgliedstaaten festgelegt. Vgl. auch Schink, NuR 1998, S. 173 (180). 228 Erbguth/Schink, UVPG, Einl, Rn. 99; Erbguth, NuR 1995, S. 444 (447); kritisch Gather, RuR 1997, S. 260 (268); Nach Lindemann, zitiert bei Tönnies, RuR 1997, S. 457 (458), kann die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Plan-UVP sehr flexibel gehandhabt werden. 229 Vgl. entsprechend zur UVP im Raumordnungsverfahren Erbguth!Schink, UVPG, Einl. Rn. 19 m.w.N.

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arverzeichnis Abwägung 77 ff., 205 ff., 391 ff. - abschließende 86

Beachtenspflicht 117, 127, 134, 292, 343, 358, 363

- Bürgerbeteiligung 391 ff.

Begründungspflicht 93, 321 f.

- globale 251 ff., 342

Belange 78 ff, 320 ff, 338 f , 361

- nachvollziehende 179 ff.

- öffentliche 78 ff.

- Phasen 77 ff., 214

- private 82 ff, 322 ff.

- planerische 77 ff, 205 ff.

Bergrecht 142

- Planfeststellung 205 ff.

Berücksichtigungspflicht 124,137, 350, 362

- Plangenehmigung 217, 218 f. - Transparenz 321 - Zielaufstellung 77 ff. Abwägungsergebnis 78 Abwägungsvorgang 78 Abfalldeponie 170 Abgrabungsgenehmigung 160, 172

Bestimmtheit der Ziele 73 - räumliche 74 - sachliche 76 Bewirtschaftungsermessen 198 Bindungsgegenstände 106 Bindungsintensität 117

Abgrabungsquoten 276 ff.

Bindungswirkung 40, 104, 292, 320, 338, 345, 355 ff.

Abschichtung 118, 119, 323

- direkte 41

Abstimmungsinstrumente 37

- mediatisierte 42

Adressaten 113 ff.

Bodenschätze 142

Aktiv-planerische Wirkung 120, 361

- bergfreie 143

Anpassungspflicht 121

- grundeigene 143

Ausgleichsgebiete 275

Bodenschutzgesetze 165

Ausnahmeregelungen 88 ff, 251, 324, 342, 394, 402 Aussagetypen 366 ff. Außenbereich 174 Außen Wirkung 30 f. Baugenehmigung 159, 171 Bauliche Anlage 172 Baurechtsgutachten 25

Bürgerbeteiligung 383 ff. - Grundrechtsschutz 387, 389, 393 - konkrete Ziele 398 - mittelbare 384 - Raumordnungsverfahren 385 - unmittelbare 384 - Zielaufstellung 383 ff. Darstellungsprivileg 326

Sachwortverzeichnis Denkmalschutz 169

425

Gebietsschärfe 69 Gemeindeschärfe 69

Eigentum 181 ff., 212 ff., 297 ff., 323, 343, 359 - Entschädigung 303 ff, 359 - Genehmigung 181

Gemeinwohlklauseln 133 f. Gesetzgebungskompetenzen 25,129 f , 135, 352 ff.

- Kies 183, 209

- §4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG 129 f , 352 ff.

- Planfeststellung 209

- Bürgerbeteiligung 388

- Zielbindung 303, 323, 397, 343, 359

- Raumordnung 25

Eignungsgebiete 241 ff.

- Wasserhaushalt 146, 353

- Abwägung 249 ff.

Gewässerausbau 146 ff.

- Anforderungen 249 ff.

Gewässerbenutzung 156 ff.

- Ausnahmeregelungen 251 f. - außergebietliche Aussage 241 f.

Grundsätze der Raumordnung 35 ff, 59 ff, 94 ff, 137 ff, 221 ff, 345 ff, 362

- Bauleitplanung 267 f.

- Abwägung 34, 100 ff, 104, 347 f„ 362

- Bindungswirkung 241 f , 288, 318, 325 f , 338 ff, 358 f. - Funktionsschärfe 259 ff. - Größe 258 f. - innergebietliche Aussage 242 ff. - Kiesabbau 55, 246 - Negativplanung 260, 263 ff. - Parzellenschärfe 259 - Planfeststellung 248 f , 358 - privilegierte Vorhaben 247 f. - Zielcharakter 241 ff. Eingriff in Natur und Landschaft 164 Entschädigung 303 ff, 359 f. Entwicklungsgebiete 274 Entwicklungsgebot 93

- Allgemeinheit 100 ff. - bundesrechtliche 94, 221 ff. - fachliche 98 - formelle Anforderungen 94 - Kiesabbau 221 ff. - landesrechtliche 94, 103 ff. - materielle Anforderungen 97 ff. - räumliche 98 - Raumordnungspläne 95 f. - Regeln 61 - Regionalpläne 95 ff. - relative Vorrangregelungen 64 ff, 239 Immissionsschutz 167

Erdaufschlüsse 145

Inhalts- und Schrankenbestimmung 181 ff, 305 ff.

Erfordernisse der Raumordnung 33 ff.

In-der-Regel-Klausel 91 f , 340 ff.

Erkennbarkeit 79 f. Erstaufforstung 170

Kennzeichnungspflicht 93

Erstplanungspflicht 122 f.

Kiesabgrabung 51 ff, 141 ff, 220 ff, 280 ff, 351 ff.

Gebietsfestlegungen 227 ff.

- größerer Umfang 173

426

arverzeichnis

- Raumbedeutsamkeit 290 ff, 318 ff, 331 ff.

- Grundsätze der Raumordnung 362 ff.

- überörtliche Bedeutung 202 ff.

- Naßauskiesungen 147

- Volkswirtschaft 52 - Zulassungsentscheidungen 141 ff.

- Konzentrationswirkung 150 - privatnützige 190 ff. - Ziele der Raumordnung 351 ff.

Klassieranlagen 169

Plangenehmigung 215, 363

Konkretisierungsgrad 73 ff, 282 ff.

- Abwägung 217, 218

Konzentrationsanordnungen 55, 225 ff, 326 ff. Krankenhausplanung 389 ff. Naßauskiesung 147 ff, 157, 351 ff. - Bewilligung 157 - Eigentum 183 f , 212 ff. - Erlaubnis 157 - Planfeststellung 147 ff, 351 ff. - Plangenehmigung 151, 363 Naßauskiesungsentscheidung 183 ff. Naturschutzrechtliche Genehmigung 162 ff.

- Grundsätze der Raumordnung 363 f. - Konzentrationswirkung 216 f. - Naßauskiesungen 152 - Ziele der Raumordnung 263 f. Planungen und Maßnahmen 106 f. Planungsbeiräte 384 Planungsebene 84 Planungsschaden 313 Plan-UVP 403 Positivwirkung 118 f, 136, 316 ff, 360 Prinzipien 59 Private 114 ff.

Negativwirkung 117, 134, 292 ff, 343

Private Belange 82 f , 322 f.

Negativplanung 260 ff.

Privilegierte Vorhaben 175 ff.

- Raumordnungsrecht 263 ff. - Städtebaurecht 261 f.

Raumbeanspruchung 109, 290

- unzulässige 260 ff.

Raumbedeutsamkeit 108, 290 ff, 318 f, 331 ff.

Neue Bundesländer 143 f. Normtheorie 59 ff. Öffentliche Belange 78 ff. Öffentliche Stellen 113 Ortsgebundener Betrieb 175 f.

Raumbeeinflussung 109, 290 Raumbezug 28 Raumordnung 25 ff. - Begriff 25 ff. - Funktionsbereich 27 f , 67 ff, 97 ff, 259 - Gesetzgebungskompetenz 25

Parzellenschärfe 70

- Handlungsinstrumente 26 ff.

Personen des Privatrechts 114 f.

Raumordnungsgebiete,

Planfeststellung 146 ff, 188 ff, 351 ff.

s. Gebietsfestlegungen

- § 38 BauGB 200 ff.

Raumordnungsklauseln 132

- Abwägung 205 ff, 362

- Begriff 132

- gemeinnützige 190 ff.

- § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 1 BauGB 281 ff.

Sachwortverzeichnis - § 35 Abs. 3 S. 2 HS. 2 BauGB 316 ff. - § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB 324 ff.

427

- Bindungswirkung 287, 292 ff, 318 ff, 325

Raumordnungspläne 27 ff, 95 f.

- Kopplung mit Eignungsgebiet 269 ff.

- Aufstellung 66

- Planungspraxis 229

- Bürgerbeteiligung 383 ff.

- Überlagerungen 233 ff.

- Ermächtigung 366 ff.

- Zielcharakter 228

Raumordnungsverfahren 37 ff, 385 Rechtssatzform der Ziele 299

Wasserrechtliche Bewilligung 156 ff.

Regeln 59 ff.

Wasserrechtliche Erlaubnis 156 ff.

Rekultivierung 169

Wesentlichkeitsvorbehalt 372 ff.

Relative Vorrangregelungen 64 ff, 239

Windkraftanlagen 55, 176 f.

Rodung 169 Rohstoffsicherungsgrundsatz 221 ff.

Zielabweichungsverfahren 125 f. Zielberücksichtigungsklauseln 132

Sanierungsgebiete 274

Zielbeachtensklauseln 135

Sicherungsgebiete 272 f , 287

Ziele der Raumordnung 33 ff, 66 ff, 281 ff, 351 ff, 365 ff.

Sollvorschriften 91 f. Trockenauskiesung 158 Überfachlichkeit 29, 72 f , 98 f. Überlagerungen 233 f. Überörtlichkeit 29, 68 ff Umweltverträglichkeitsprüfung 403 ff. Verfahrensverzögerung 396 ff. Verfüllung einer Kiesgrube 170 Vorbehalt des Gesetzes 372 f. Vorbehaltsgebiete 235 ff. - Anforderungen 240 f. - Bindungswirkung 287 f , 349 f, 363 f. - Grundsatzcharakter 235 ff. - Planungspraxis 239 f. Vorhaben 107 Vorranggebiete 228 ff. - Anforderungen 230 ff.

- Abwägung 77 ff, 251 ff, 391 ff. - Aufstellung 66 - Beteiligung der Gemeinden 395 f. - Bürgerbeteiligung 383 ff. - Ermächtigungsgrundlage 300 f, 366 ff. - formelle Anforderungen 66 - in Aufstellung befindliche 37 - Inhalts- und Schrankenbestimmung 299 - konkrete 282 f. - Letztentscheidungscharakter 86 ff. - materielle Anforderungen 67 ff. - Rahmencharakter 35, 74 f. - Rechtssatzform 299 - räumliche Bestimmtheit 74 f. - sachliche Bestimmtheit 76 - Verbindlichkeit 86 f. Zielkonflikte 87 Zulassungsentscheidungen 42, 127 ff, 137 ff, 141 ff.