Prosper Tiro: Chronik. - Laterculus regum Vandalorum et Alanorum
 3506782118, 9783506782113

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur
I. Abkürzungen
II. Primärquellen
III. Sekundärliteratur
(G 5) PROSPER TIRO, CHRONIK
EINLEITUNG
I. Prospers Leben und Wirken
II. Die Entstehung der Chronik
1. Entstehungszeit und Entstehungsort
2. Chronologischer Rahmen
3. Quellen
4. Gattungsgeschichtliche Bedeutung
5. Rezeption und historischer Wert
III. Der Inhalt der Chronik
1. Die politische Geschichte
a) Kaiser und Usurpatoren
b) Die Rivalitäten hoher Militärs
c) Das Reich und die Germanen
2. Die kirchliche Geschichte
a) Häresie und Orthodoxie
b) Die Rolle der römischen Kirche
3. Kirchliche Macht – politische Ohnmacht
4. Die Hauptfiguren
a) Constantius III.
b) Aëtius
c) Geiserich
d) Papst Leo
5. Zusammenfassung: Das Geschichtsbild Prospers
IV. Die Überlieferung der Chronik
1. Chronicon integrum und vulgatum
2. Die Handschriften
3. Die Editionen
4. Die überlieferte Textgestalt und Grundsätze dieser Edition
5. Bemerkungen zur Orthographie
V. Zum Sprachgebrauch und zur Textgestaltung
TEXT UND ÜBERSETZUNG
Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen
Text und Übersetzung
KOMMENTAR
(G 6) LATERCULUS REGUM VANDALORUM ET ALANORUM
EINLEITUNG
I. Handschriften und Überlieferung
II. Eigenständiger Wert
III. Entstehung
1. Entstehungszeit und Entstehungsort der Königschronik
2. Verhältnis der Überlieferungsstränge
3. Quellen des Laterculus
IV. Chronologisches Gerüst und inhaltliche Konzeption
V. Abschnittzählung
TEXT UND ÜBERSETZUNG
Sigla codicum
Text und Übersetzung
KOMMENTAR

Citation preview

P R O S P E R T IR O · L ATE R C U L U S R E G U M

K LEINE UND FR AGME NTAR ISC HE H IS TO RI KER DE R SPÄTANT IKE (KFHist)

HERAUSGEGEBEN VON BRUNO BLECKMANN UND MARKUS STEIN

(G 5 ) P R O S P E R T IR O , C H R O N I K (G 6) LATER C UL US R EG U M VA N D A L O R U M E T A L A N O R U M

P RO S P ER T I R O CHRONIK · LATERC U LU S R E G U M VA N D A LO RU M ET A L A N O R U M Ediert, übersetzt und kommentiert von MARIA BECKER UND JAN-MARKUS KÖTTER

2016

FERDINAND SCHÖNINGH

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über: http.//dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. © 2016 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-506-78211-3

Vorwort Der vorliegende Band, der die Fortsetzung der Hieronymus-Chronik durch Prosper Tiro von Aquitanien und den sogenannten Laterculus regum Vandalorum et Alanorum vereint, ist Teil des Editionsprojekts „Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike“. Im Rahmen dieses Projekts gehören die hier edierten, übersetzten und kommentierten Texte zum Modul G „Chroniken und Chronikfortsetzungen des 5. und 6. Jh.“. Innerhalb dieses Moduls erscheinen sie unter den Nummern G 5 und G 6 (KFHist G 5/6). Maria Becker hat sich, den Richtlinien des Projekts entsprechend, um die Edition und die philologische Kommentierung der Texte gekümmert, Jan-Markus Kötter die Übersetzung und die historische Kommentierung beigesteuert.1 Zur genaueren Unterscheidung der jeweiligen Autorschaft werden in der Einleitung und im Kommentar zu Prosper jeweils dort, wo ein Wechsel der Verfasserschaft vorliegt, am Ende einzelner Abschnitte die Kürzel [M.B.] und [J.K.] gegeben. Einleitung und Kommentar zum Laterculus regum Vandalorum et Alanorum gehen hauptsächlich auf JanMarkus Kötter zurück; Maria Becker hat hier aber wertvolle Hinweise beigesteuert, insbesondere hinsichtlich der Beschreibung der Handschriften. Unser Dank gilt der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste für die finanzielle Unterstützung und Förderung des Gesamtprojekts. Ferner sei gedankt den Monumenta Germaniae Historica, die dem Unternehmen die Texte der Mommsen-Editionen als xmlund txt-Dateien zur Verfügung gestellt haben. Die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg hat dankenswerterweise Digitalisate des Cod. 223 angefertigt. Münster und Düsseldorf, im Oktober 2015 Maria Becker und Jan-Markus Kötter

1

Durch diese doppelte Bearbeiterschaft ist es – trotz einer angestrebten weitgehenden Einheitlichkeit – nicht gänzlich vermeidbar, dass es in Einzelfällen zu orthographischen oder formalen Inkonsistenzen kommen kann.

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur I. Abkürzungen II. Primärquellen III. Sekundärliteratur

IX XI XXII

(G 5) PROSPER TIRO, CHRONIK EINLEITUNG (J.-M. Kötter, außer Kap. IV) I. Prospers Leben und Wirken II. Die Entstehung der Chronik 1. Entstehungszeit und Entstehungsort 2. Chronologischer Rahmen 3. Quellen 4. Gattungsgeschichtliche Bedeutung 5. Rezeption und historischer Wert III. Der Inhalt der Chronik 1. Die politische Geschichte a) Kaiser und Usurpatoren b) Die Rivalitäten hoher Militärs c) Das Reich und die Germanen 2. Die kirchliche Geschichte a) Häresie und Orthodoxie b) Die Rolle der römischen Kirche 3. Kirchliche Macht – politische Ohnmacht 4. Die Hauptfiguren a) Constantius III. b) Aëtius c) Geiserich d) Papst Leo 5. Zusammenfassung: Das Geschichtsbild Prospers

3 7 7 9 12 14 18 20 20 20 23 24 26 26 29 31 34 35 36 38 40

VIII

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

IV. Die Überlieferung der Chronik (M. Becker) 1. Chronicon integrum und vulgatum 2. Die Handschriften 3. Die Editionen 4. Die überlieferte Textgestalt und Grundsätze dieser Edition 5. Bemerkungen zur Orthographie V. Zum Sprachgebrauch und zur Textgestaltung TEXT (M. Becker) UND ÜBERSETZUNG (J.-M. Kötter) Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen Text und Übersetzung KOMMENTAR (M. Becker / J.-M. Kötter)

42 42 44 49 51 57 58

61 64 143

(G 6) LATERCULUS REGUM VANDALORUM ET ALANORUM EINLEITUNG (J.-M. Kötter) I. Handschriften und Überlieferung II. Eigenständiger Wert III. Entstehung 1. Entstehungszeit und Entstehungsort der Königschronik 2. Verhältnis der Überlieferungsstränge 3. Quellen des Laterculus IV. Chronologisches Gerüst und inhaltliche Konzeption V. Abschnittzählung

335 337 341 341 343 346 348 351

TEXT (M. Becker) UND ÜBERSETZUNG (J.-M. Kötter) Sigla codicum Text und Übersetzung

353 354

KOMMENTAR (J.-M. Kötter)

363

Verzeichnis abgekürzt zitierter Quellen und Literatur I. Abkürzungen ACO

Acta conciliorum oecumenicorum

AE

L’année épigraphique

AOW

Augustinus Opera Werke, Paderborn 2003 ff.

CCG

Corpus Christianorum, Series Graeca

CCL

Corpus Christianorum, Series Latina

CFHB

Corpus Fontium Historiae Byzantinae

CIL

Corpus Inscriptionum Latinarum

CLRE

Consuls of the Later Roman Empire, hg. von R. S. Bagnall u. a., Atlanta 1987

CPG

Clavis Patrum Graecorum

CPL

Clavis Patrum Latinorum

CSCO

Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium

CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

CSHB

Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae

DHGE

Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastique

DNP

Der Neue Pauly

FaCh

Fathers of the Church

FC

Fontes Christiani

FGrHist

Fragmente der griechischen Historiker

FHG

Fragmenta historicorum Graecorum

GCS

Die Griechischen Christlichen Schriftsteller, Berlin 1897 ff.

H.-Sz.

J.B. Hofmann / A. Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik (HdbAW 2,2,2), München 1965 (verbesserter ND 1972)

HdbAW

Handbuch der Altertumswissenschaft

ILS

Inscriptiones Latinae Selectae, hg. von H. Dessau, 3 Bde., Berlin 1892–1916

K.-St.

R teinischen Sprache, Zweiter Teil: Satzlehre 1/2, Hannover 2 1914 (mit Zusätzen und Berichtigungen zur 4. und 5. Aufl. von A. Thierfelder im ND Darmstadt 1997)

X

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

KFHist

Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike

LACL

Lexikon der antiken christlichen Literatur, hg. von S. Döpp / W. Geerlings, Freiburg 32002

LIMC

Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae

LThK

Lexikon für Theologie und Kirche

MGH Monumenta Germaniae Historica AA Auctores antiquissimi SS rer. Germ. Scriptores rerum Germanicarum SS rer. Merov. Scriptores rerum Merovingicarum PCBE

Prosopgraphie chrétienne du Bas-Empire

PG

Patrologia Graeca

PL

Patrologia Latina

PLRE

Prosopography of the Later Roman Empire

PO

Patrologia Orientalis

PTS

Patristische Texte und Studien

RAC

Reallexikon für Antike und Christentum

RE

Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

RGA

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

RIC

Roman Imperial Coinage

SC

Sources Chrétiennes

SQAW

Schriften und Quellen der alten Welt

Stotz

P. Stotz, Handbuch der lateinischen Sprache des Mittelalters, 5 Bde. (HdbAW 2,5), München 1996–2004

ThLL

Thesaurus linguae Latinae

TRE

Theologische Realenzyklopädie

TUGAL

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur

II. Primärquellen Die Abkürzungen für Autoren und Werke richten sich weitgehend nach ThLL (lateinisch), LSJ (griechisch profan) und Lampe (griechisch christlich).

ACO = Acta conciliorum oecumenicorum E. Schwartz (Hg.), Concilium Universale Ephesenum (AD 431), 5 Bde. (ACO 1), Berlin 1922–9. E. Schwartz (Hg.), Concilium Universale Chalcedonense (AD 451), 6 Bde. (ACO 2), Berlin 1933–7. Agnell. lib. pont. Rav. = Agnellus, Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis J. P. Migne (Hg.), Gregorii IV, Sergii II, pontificum Romanorum et al. opera omnia (PL 106), Paris 1851, 459–752. Ambr. = Ambrosius von Mailand epist. = Epistulae O. Faller / M. Zelzer (Hgg.), Ambrosius, Epistulae et acta (CSEL 82,1– 4), Wien 1968–96. obit. Theod. = De obitu Theodosii O. Faller (Hg.), Ambrosius, Explanatio symboli et al. (CSEL 73), Wien 1955, 371–401. Amm. = Ammianus Marcellinus, Res gestae W. Seyfarth (Hg.), Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, 4 Bde. (SQAW 21), Darmstadt 1968–71. W. Seyfarth (Hg.), Ammianus Marcellinus, Rerum gestarum libri qui supersunt, 2 Bde., Leipzig 1978. Antonin. Honorat. epist. ad Arc. = Honoratus, Hortatoria ad martyrium epistula ad Arcadium J. P. Migne (Hg.), Joannis Cassianus, Opera omnia 2 (PL 50), Paris 1846, 570–6. Aug. = Augustinus von Hippo c. Iulian. op. imperf. = Opus imperfectum contra Iulianum M. Zelzer (Hg.), Augustinus, Contra secundam Iuliani responsionem opus imperfectum, 2 Bde. (CSEL 85), Wien 1974–2004. civ. = De civitate Dei B. Dombart / A. Kalb (Hgg.), Augustinus, De civitate Dei libri XXII (CCL 47. 48), Turnhout 1955. conf. = Confessiones M. Skutella (Hg.), Augustinus, Confessionum libri XIII, Stuttgart 1981.

XII

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

epist. = Epistulae A. Goldbacher (Hg.), Augustinus, Epistulae (CSEL 34.44.57.58), Wien 1895–1923 (ND 1961–70). K. D. Daur (Hg.), Augustinus, Epistulae (CCL 31. 31A. 31B), Turnhout 2004–9. gest. Pelag. = De gestis Pelagii K. Urba / J. Zycha (Hgg.), Augustinus, De gestis Pelagii et al. (CSEL 42), Wien 1902, 51–122. haer. = De haeresibus ad Quodvultdeum C. Beukers u. a. (Hgg.), Augustinus, De haeresibus et al. (CCL 46), Turnhout 1969, 286–345. persev. = De dono perseverantiae J. P. Migne (Hg.), Augustinus, Opera omnia 10,2 (PL 45), Paris 1865, 993–1034. praed. sanct. = De praedestinatione sanctorum J. P. Migne (Hg.), Augustinus, Opera omnia 10,1 (PL 44), Paris 1865, 959–92. Avell. = Collectio Avellana O. Günther (Hg.), Epistulae Imperatorum Pontificum aliorum inde ab a. CCCLXVII usque ad a. DLIII datae Avellana quae dicitur Collectio, 2 Bde. (CSEL 35), Leipzig 1895–8. Bonif. epist. = Bonifatius von Rom, Epistulae J. P. Migne (Hg.), Quinti saeculi scriptorum ecclesiasticorum opera omnia (PL 20), Paris 1845, 745–92. Cassian. c. Nest. = Johannes Cassianus, De incarnatione Domini contra Nestorium M. Petschenig (Hg.), Iohannes Cassianus, Opera (CSEL 17), Wien 1888 (ND 2004), 235–391. Cassiod. = Cassiodorus chron. = Chronik Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 2 (MGH AA 11), Berlin 1894 (ND München 1981), 109–61. inst. = Institutiones R. A. B. Mynors (Hg.), Magnus Aurelius Cassiodorus, Institutiones, Oxford 21961. Chron. Gall. (452) = Chronica Gallica (452) Th. Mommsen (Hg.), Chronica minora 1 (MGH AA 9), Berlin 1892, 615–66.

Abkürzungsverzeichnis – Primärquellen

XIII

Chron. Gall. (511) = Chronica Gallica (511) Th. Mommsen (Hg.), Chronica minora 1 (MGH AA 9), Berlin 1892, 615–66. Chron. Pasch. = Chronicon Paschale L. Dindorf (Hg.), Chronicon Paschale (CSHB 11–12), Bonn 1832. Claud. = Claudianus 6 f. = Panegyricus dictus Honorio cos. III J. B. Hall (Hg.), Claudius Claudianus, Carmina, Leipzig 1985. 15 = In Gildonem J. B. Hall (Hg.), Claudius Claudianus, Carmina, Leipzig 1985. 18–20 = In Eutropium J. B. Hall (Hg.), Claudius Claudianus, Carmina, Leipzig 1985. 25 f. = Bellum Geticum (Pollentinum) J. B. Hall (Hg.), Claudius Claudianus, Carmina, Leipzig 1985. COD = Conciliorum oecumenicorum decreta G. Alberigo u. a. (Hgg.), Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Basel 1962. Cod. Theod. = Codex Theodosianus Th. Mommsen / P. M. Meyer (Hgg.), Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, 2 Bde., Berlin 1905. Coelest. epist. = Coelestin von Rom, Epistulae J. P. Migne (Hg.), Joannes Cassianus, Opera omnia 2 (PL 50), Paris 1846, 417–558. Coll. Quesn. = Collectio Quesnelliana J. P. Migne (Hg.), Leo Magnus, Opera omnia 3 (PL 56), Paris 1846, 359– 747. Coll. Thess. = Collectio Thessalonicensis C. Silva-Tarouca (Hg.), Epistularum Romanorum Pontificum ad vicarios per Illyricum aliosque episcopos Collectio Thessalonicensis (Textus et Documenta 23), Rom 1937. Conc. Africae = Concilia Africae Ch. Munier (Hg.), Concilia Africae a. 345–525 (CCL 149), Turnhout 1974. Cons. Const. = Consularia Constantinopolitana München 1981), 197–247. R. W. Burgess (Hg.), The “Chronicle” of Hydatius and the “Consularia Constantinopolitana”, Oxford 1993.

XIV

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

M. Becker u. a. (Hgg.), Consularia Constantinopolitana et al. (KFHist G 1–4), Paderborn (im Druck). Const. Sirmond. = Constitutiones Sirmondianae Th. Mommsen / P. M. Meyer (Hgg.), Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, 2 Bde., Berlin 1905. Constantius vita Germ. = Constantius von Lyon, Vita Germani B. Krusch / W. Levison (Hgg.), Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici 5 (MGH SS rer. Merov. 7), Hannover 1920, 225–83. Decret. Gelas. = Decretum Gelasianum E. von Dobschütz (Hg.), Das Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis (TUGAL 38,4), Leipzig 1912. Don. Ter. Hec. = Donatus, Terenzkommentar P. Wessner (Hg.), Aelius Donatus, Quod fertur commentum Terenti, Leipzig 1905. Drac. satisf. = Dracontius, satisfaction ad Gunthamundum Vandalorum regem C. Moussy (Hg.), Dracontius, Œvres. Bd. 2, Paris 1988, 176–91. Euagr. = Evagrius Scholasticus, Kirchengeschichte J. Bidez / L. Parmentier (Hgg.), The Ecclesiastical History of Evagrius, London 1898 (ND Amsterdam 1964). Eus. = Eusebius von Caesarea hist. eccl. = Kirchengeschichte E. Schwartz / Th. Mommsen (Hgg.), Eusebius, Werke 2,1–3. Historia ecclesiastica (GCS 9,1–3), Leipzig 1903–9 (ND 1999, GCS NF 6,1–3). mart. Pal. = De martyribus Palaestinae E. Schwartz / Th. Mommsen (Hgg.), Eusebius, Werke 2,2. Historia ecclesiastica (GCS 9,2), Leipzig 1908 (ND 1999, GCS NF 6,2). Eutr. = Eutropius, Breviarium C. Santini (Hg.), Eutropius, Breviarium ab urbe condita, Leipzig 1979. Filastr. = Philastrius von Brescia, Diversarum haereseon liber F. Marx (Hg.), Filastrius episcopus Brixiensis, Diversarum hereseon liber (CSEL 38), Wien 1898. Frg. Laurent. = Fragmentum Laurentianum L. Duchesne (Hg.), Le Liber Pontificalis 1, Paris 1886, 43–6. G E. C. Richardson (Hg.), Gennadius, De viris illustribus (TUGAL 14), Leipzig 1896.

Abkürzungsverzeichnis – Primärquellen

XV

Greg. Tur. Franc. = Gregor von Tours, Historia Francorum B. Krusch / W. Levison (Hgg.), Gregorius Turonensis, Opera 1: Libri historiarum X (MGH SS rer. Merov. 1,1), Hannover 21951. Hier. = Hieronymus chron. = Chronik R. Helm (Hg.), Eusebius, Werke 7. Die Chronik des Hieronymus (GCS 47), Berlin 21956. epist. = Briefe I. Hilberg (Hg.), Hieronymus, Epistulae, Wien 1910–18, ed. alt. supplementis aucta cur. M. Kamptner 1996–99 (CSEL 54–6). Hyd. chron. = Hydatius von Aquae Flaviae, Chronik Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 2 (MGH AA 11), Berlin 1894 (ND München 1981), 1–36. R. W. Burgess (Hg.), The Chronicle of Hydatius and the Consularia Constantinopolitana, Oxford 1993. Ioh. Ant. = Johannes von Antiochia, Chronikfragmente U. Roberto (Hg.), Ioannis Antiocheni fragmenta ex historia chronica (TUGAL 154), Berlin 2005. S. Mariev (Hg.), Ioannis Antiocheni fragmenta quae supersunt (CFHB 47), Berlin 2008. Iord. = Jordanes Get. = Getica Th. Mommsen (Hg.), Iordanes, Romana et Getica (MGH AA 5,1), Berlin 1882, 53–138. F. Giunta / A. Grillone (Hgg.), Iordanis de origine actibusque Getarum, Rom 1991. Rom. = Romana Th. Mommsen (Hg.), Iordanes, Romana et Getica (MGH AA 5,1), Berlin 1882, 1–52. Iren. adv. haer. = Irenaeus von Lyon, Adversus haereses N. Brox (Hg.), Irenäus von Lyon, Adversus Haereses. Gegen die Häresien, 5 Bde. (FC 8), Freiburg 1993–2001. Isid. chron. = Isidor, Chronik Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 2 (MGH AA 11), Berlin 1894 (ND München 1981), 391–481. Joh. Mal. = Johannes Malalas, Chronik J. Thurn (Hg.), Ioannes Malalas, Chronographia (CFHB 35), Berlin 2000.

XVI

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

Lact. mort. pers. = Lactantius, De mortibus persecutorum S. Brandt / G. Laubmann (Hgg.), Lactantius, De mortibus persecutorum (CSEL 27,2), Wien 1897. J. L. Creed (Hg.), Lactantius, De mortibus persecutorum, Oxford 1984. Laterculus regum Vandalorum et Alanorum Th. Mommsen (Hg.), Chronica minora 3 (MGH AA 13), Berlin 1898 (ND München 1981), 456–60. R. Steinacher, The So-called Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum: A Sixth-Century African Addition to Prosper Tiro’s Chronicle?, in: Merrills, A. H. (Hg.), Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on Late Antique North Africa, Aldershot 2004, 163–180, hier: 165–8. Leo M. = Leo I. von Rom epist. = Epistulae P. Ballerini / H. Ballerini (Hgg.), Leo Magnus, Opera omnia (PL 54), Paris 1846. serm. = Sermones A. Chavasse (Hg.), Leo Magnus, Tractatus septem et nonaginta (CCL 138/138A), Turnhout 1973. Lib. pontif. = Liber pontificalis L. Duchesne (Hg.) Le Liber Pontificalis. Texte, introduction et commentaire. Bd. 1, Paris 1886. Liberat. brev. = Liberatus von Karthago, Breviarium causae Nestorianorum et Eutychianorum E. Schwartz (Hg.), Concilium Universale Chalcedonense (AD 451) (ACO 2,5), Berlin 1936 (ND 1962), 98–141. V. H. Drecoll / M. Meier (Hgg.), Das „Breviarium” des Liberatus von Karthago, ZAC 14 (2010), 3–269. Liv. = Livius, Ab urbe condita P. G. Walsh (Hg.), Titus Livius, Ab urbe condita, Libri XXXVI–XL, Oxford 1999. Marcell. chron. = Marcellinus Comes, Chronik Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 2 (MGH AA 11), Berlin 1894 (ND München 1981), 37–108. Nestor. lib. Heraclid. = Nestorius von Konstantinopel, Liber Heraclidis

Abkürzungsverzeichnis – Primärquellen

XVII

Not. episc. Afric. = Notitia provinciarum et civitatum Africae K. F. Halm (Hg.), Notitia provinciarum et civitatum Africae, in: Victoris Vitensis historia persecutionis Africanae provinciae sub Geiserico et Hunirico regibus Wandalorum (MGH AA 3,1), Berlin 1879, 63–71. Novell. Iust. = Novellen Justinians W. Kroll / R. Schöll (Hgg.), Corpus Iuris Civilis 3: Novellae, Berlin 6 1954. Novell. Valent. = Novellen Valentinians III. Th. Mommsen / P. M. Meyer (Hgg.), Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, Bd. 2, Berlin 1905. Olymp. = Olympiodorus von Theben, Historienfragmente K. Müller (Hg.), Fragmenta Historicorum Graecorum, 4, Paris 1851. R. C. Blockley (Hg.), The Fragmentary Classicizing Historians of the Later Roman Empire, 2: Eunapius, Olympiodorus, Priscus and Malchus, Liverpool 1983. Oros. = Orosius apol. = Liber apologeticus C. Zangemeister (Hg.), Paulus Orosius, Historiarum adversum paganos libri vii, liber apologeticus (CSEL 5), Wien 1882, 603–64. hist. = Historiae adversum paganos C. Zangemeister (Hg.), Paulus Orosius, Historiarum adversum paganos libri vii, liber apologeticus (CSEL 5), Wien 1882, 1–564. Paneg. = Collectio panegyricorum latinorum R. A. B. Mynors (Hg.), XII Panegyrici Latini, Oxford 1964. Pass. mart. Carth. = Passio beatorum martyrum qui apud Carthaginem passi sunt K. F. Halm (Hg.), Victoris Vitensis historia persecutionis Africanae provinciae sub Geiserico et Hunirico regibus Wandalorum (MGH AA 3,1), Berlin 1879, 59–62. Paul. Diac. Rom. = Paulus Diaconus, Historia Romana H. Droysen (Hg.), Paulus, Historia Romana (MGH Script. rer. Germ. 49), Berlin 1879 (ND München 1978). Philost. = Philostorgius, Kirchengeschichte B. Bleckmann / M. Stein (Hgg.), Philostorgios, Kirchengeschichte, 2 Bde. (KFHist E 7), Paderborn 2015. J. Bidez (Hg.), Philostorgius, Kirchengeschichte (GCS 21), Berlin 31981.

XVIII

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

Phot. bibl. = Photius von Konstantinopel, Bibliotheca J. P. Migne (Hg.), Photius Constantinopolitanus, Opera omnia 3: Myriobiblon sive Bibliotheca (PG 103), Paris 1860. R. Henry (Hg.), Photius, Bibliothèque, 9 Bde., Paris 1959–91. Plin. = Plinius epist. = Briefe R. A. B. Mynors (Hg.), C. Plinius Caecilius Secundus, Epistularum libri X, Oxford 1963. nat. = Naturalis historia L. v. Jan / K. Mayhoff (Hgg.), C. Plinius Caecilius Secundus, Naturalis historiae libri XXXVII, 6 Bde., Leipzig 1892–1909 (ND Stuttgart 1967– 2002). Possid. vita Aug. = Possidius von Calama, Vita Augustini M. Pellegrino (Hg.), Possidius, Vita di S. Augustino, Alba 1955. Prisc. = Priscus, Historienfragmente L. Dindorf (Hg.), Historici Graeci Minores, 1, Leipzig 1870. R. C. Blockley (Hg.), The Fragmentary Classicizing Historians of the Later Roman Empire, 2: Eunapius, Olympiodorus, Priscus and Malchus, Liverpool 1983. Priscill. tract. = Priscillianus, Tractatus G. Schepss (Hg.), Priscilliani quae supersunt (CSEL 18), Wien 1889, 3– 106. Procop. Vand. = Procopius von Caesarea, De bello Vandalico J. Haury (Hg.), Procopius Caesariensis, Opera omnia, 4 Bde., Leipzig 1904–13; erg. u. korrig. ND G. Wirth, Leipzig 1962–4. Prosp. = Prosper Tiro von Aquitanien c. coll. = Contra collatorem J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 213–76. carm. de ingrat. = Carmen de ingratis J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 91–148. carm. de prov. = Carmen de providentia Dei M. Marcovich (Hg.), Prosper of Aquitaine, De Providentia Dei, Leiden 1989. J. (ND Turnhout 1995), 617–38. chron. = Chronik H. Canisius (Hg.), Antiquae lectiones 1, Ingolstadt 1601.

Abkürzungsverzeichnis – Primärquellen

XIX

A. de Pontac (Hg.), Chronica trium illustrium auctorum Eusebii Pamphili Caesariensis, D. Hieronymo interprete, D. Eusebii Hieronymi presbyteri, D. Prosperi Aquitanici Episcopi Regiensis, ab Abraham ad an. Christi 449, Bordeaux 1604. A. Duchesne (Hg.), Historiae Francorum scriptores coaetanei ab ipsius gentis origine ad Pipinum usque regem 1, Paris 1636. Ph. Labbé (Hg.), Nova Bibliotheca manuscriptorum librorum 1, Paris 1657. J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 531–608. Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 1 (MGH AA 9), Berlin 1892 (ND München 1981), 341–499. epist. 1 = Epistula ad Augustinum A. Goldbacher (Hg.), Augustinus, Epistulae (CSEL 57), Wien 1911, 454–68. J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 67–74. epist. 2 = Epistula ad Rufinum J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 77–90. epitaph. = Epitaphium Nestorianae et Pelagianae haereseon J. P. Migne (Hg.), Prosper Aquitanus, Opera omnia (PL 51), Paris 1846 (ND Turnhout 1995), 153 f. sent. = Liber sententiarum M. Gastaldo (Hg.), Prosper Aquitanus, Liber sententiarum (CCL 68A), Turnhout 1972, 221–52. 257–365. Prud. psych. = Prudentius, Psychomachie I. Bergman (Hg.), Aurelius Prudentius Clemens, Carmina (CSEL 61), Wien 1926. Ps.-Zach. hist. eccl. = Pseudo-Zacharias von Mytilene, Kirchengeschichte E. W. Brooks (Hg.), Historia ecclesiastica Zachariae Rhetori vulgo adscripta (CSCO 83–84), Löwen 1919–21. G. Greatrex u. a. (Hgg.), The Chronicle of Pseudo-Zachariah Rhetor, Church and War in Late Antiquity, Liverpool 2011. Rufin. = Rufinus von Aquileia hist. = Kirchengeschichte E. Schwartz / Th. Mommsen (Hgg.), Eusebius, Werke 2,1–3. Historia ecclesiastica (GCS 9), Leipzig 1903–9 (ND 1999, GCS NF 6).

XX

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

hist. mon. = Historia monachorum E. Schulz-Flügel (Hg.), Tyrannius Rufinus, Historia monachorum sive de Vita Sanctorum Patrum (PTS 34), Berlin 1990 (ND 2011). Salv. gub. = Salvianus von Marseille, De gubernatione Dei F. Pauly (Hg.), Salvianus presbyter Massiliensis, Opera quae supersunt (CSEL 8), Wien 1883. Sidon. carm. = Sidonius Apollinaris, Carmina Ch. Luetjohann (Hg.), Apollinaris Sidonius, Epistulae et Carmina (MGH AA 8), Berlin 1887, 173–264. Sokr. = Socrates Scholasticus, Kirchengeschichte G. Ch. Hansen (Hg.), Socrates Scholasticus, Historia ecclesiastica (GCS NF 1), Berlin 1995. Soz. = Sozomenus, Kirchengeschichte J. Bidez / G. Ch. Hansen (Hgg.), Sozomenos, Historia ecclesiastica (GCS NF 4), Berlin 21995. Suet. gramm. = Suetonius, De grammaticis R. A. Kaster (Hg.), Suetonius Tranquillus, De grammaticis et rhetoribus, Oxford 1995. Sulp. Alex. = Sulpicius Alexander, Historia – Fragment vgl. oben zu Greg. Tur. Franc., dort Kap. 2,9. Sulp. Sev. = Sulpicius Severus chron. = Chronik K. Halm (Hg.), Sulpicius Severus, Libri qui supersunt (CSEL 1), Wien 1866, 3–105. dial. = Dialogi K. Halm (Hg.), Sulpicius Severus, Libri qui supersunt (CSEL 1), Wien 1866, 152–216. Them. or. = Themistius, Orationes H. Schenkl u. a. (Hgg.), Themistius, Orationes quae supersunt, 3 Bde., Leipzig 1965–74. Theod. hist. eccl. = Theodoret von Cyrrhus, Kirchengeschichte L. Parmentier / G. Ch. Hansen (Hgg.), Theodoretus Cyri, Historia ecclesiastica (GCS NF 5), Berlin 31998. Theophan. = Theophanes Confessor, Chronik C. de Boor (Hg.), Theophanes, Chronographia, 2 Bde., Leipzig 1883–5 (ND Hildesheim 1963). Vict. Tonn. chron. = Victor von Tunnuna, Chronik Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 2 (MGH AA 11), Berlin 1894 (ND München 1981), 178–206.

Abkürzungsverzeichnis – Primärquellen

XXI

C. Cardelle de Hartmann (Hg.), Victor Tunnunensis, Iohannes Biclarensis: Chronicon cum reliquis ex Consularibus Caesaraugustanis – Chronicon (CCL 173A), Turnhout 2002. Vict. Vit. = Victor von Vita, Historia persecutionis K. Vössing (Hg.), Victor von Vita. Historia Persecutionis Africanae Provinciae Temporum Geiserici et Hunerici Regum Wandalorum. Kirchenkampf und Verfolgung unter den Vandalen in Africa (Texte zur Forschung 96) Darmstadt 2011. Victor. pasch. = Victor von Aquitanien, Cursus paschalis Th. Mommsen (Hg.), Chronica Minora 1 (MGH AA 9), Berlin 1892, (ND München 1981), 667–735. Vita Fulg. Rusp. = Vita Fulgentii Ruspensis J. Fraipont (Hg.), Sancti Fulgentii Episcopi Ruspensis Opera (CCL 91– 91 A), Turnhout 1968. Zos. = Zosimus, Historia nea F. Paschoud (Hg.), Zosime, Histoire Nouvelle, 3 Bde., Paris 1971–89. Zosim. epist. = Zosimus von Rom, Epistulae J. P. Migne (Hg.), Quinti saeculi scriptorum ecclesiasticorum opera omnia (PL 20), Paris 1845, 637–704.

III. Sekundärliteratur J. N. Adams, Latin Words for ‘Woman’ and ‘Wife’, Glotta 50 (1972), 234– 55. H. Arens, Die christologische Sprache Leos des Großen. Analyse des Tomus an den Patriarchen Flavian (FThSt 122), Basel u. a. 1982. R. S. Bagnall, Consuls of the Later Roman Empire (Philological Monographs of the American Philological Association 36), Atlanta 1987. H. R. Baldus, Theodosius der Große und die Revolte des Magnus Maximus. Das Zeugnis der Münzen, Chiron 14 (1984) 175–92. M. Bandini, Catalogus codicum Latinorum Bibliothecae Mediceae Laurentianae, Florenz 1774–7. T. D. Barnes, Patricii under Valentinian III, Phoenix 29 (1975) 155–70. T. D. Barnes, The Career of Athanasius, Studia Patristica 21 (1989), 390–401. P. S. Barnwell, Emperor, Prefects & Kings. The Roman West, 395–565, London 1992. A. A. Barrett, Saint Germanus and the British Missions, Britannia 40 (2009), 197–217. N. H. Baynes, A Note on Professor Bury’s ‘History on the Later Roman Empire’, JRS 12 (1922), 207–29. G. Becht-Jördens, „Und dieser erregte die Herzen mit campanischem Gras…“ Zu den drei Epigrammen des Prosper Tiro von Aquitanien gegen Pelagianer, Nestorianer und „Semipelagianer“ (CPL 518 f.), in: M. Baumbach u. a. (Hgg.), Mousopolos Stephanos. Festschrift für Herwig Görgemanns (Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften, N. F., 2. Reihe, Bd. 102), Heidelberg 1998, 278–308. B. Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, Berlin 32004. Ph. Blaudeau, Alexandrie et Constantinople (451–491). De l’histoire à la géo-ecclésiologie (BEFAR 327), Rom 2006. Ph. Blaudeau, Pierre et Marc. Remarques sur la revendication d’une relation fondatrice entre sièges Romain et Alexandrine dans la seconde moitié du Ve siècle, in: Pietro e Paolo. Il loro rapport con Roma nelle testimonianze antiche. XXIX incontro di studiosi dellʼantichità cristiana, Augustinianum, Roma, 4–6 maggio 2000 (SEAug 74), Rom 2001, 577–91. Ph. Blaudeau, Rome contre Alexandrie? L’interprétation pontificale de l’enjeu monophysite (de l’émergence de la controverse Eutychienne au schisme Acacien 448–484), Adamantius 12 (2006), 140–216.

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXIII

B. Bleckmann, Arelate metropolis: Überlegungen zur Datierung des Konzils von Turin und zur Geschichte Galliens im 5. Jahrhundert, RQA 98 (2003), 162–73. B. Bleckmann, Der Barbareneinfall von 406 und die Erhebung des Usurpators Constantinus III. Zu einem chronologischen Problem des frühen fünften Jahrhunderts, in: C. Gǎudac u. a. (Hgg.), Orbis antiquus. Studia in honorem Ioannis Pisonis (Bibliotheca Musei Napocensis 21), ClujNapoca 2004, 41–4. B. Bleckmann, Der salmasische Johannes Antiochenus: Ein Versuch zur Bestimmung seines Profils für die Geschichte der Spätantike, in: L. Galli Milić / N. Hecquet-Noti (Hgg.), Historiae Augustae Colloquium Genevense in honorem F. Paschoud septuagenarii, Bari 2010, 51–61. B. Bleckmann, Honorius und das Ende der römischen Herrschaft in Westeuropa, HZ 265 (1997), 561–95. B. Bleckmann, Art. Constantius III (Kaiser 421) [Nachtrag zum RAC], JbAC 51 (2008), 227–31. B. Bleckmann, Art. Constantinus III. (Kaiser, 407/11), RAC Suppl. 2 (2004), 454–62. G. Bonner, Art. Pelagius/Pelagianischer Streit, TRE (1996), 176–85. A. D. Booth, The Date of Jerome’s Birth, Phoenix 33 (1979), 346–53. H. Ch. Brennecke, Lateinischer oder germanischer „Arianismus“? Zur Frage einer Definition am Beispiel der religiösen Konflikte im nordafrikanischen Vandalenreich, in: H. Müller u. a. (Hgg.), Collatio Augustini cum Pascentio (Sb ÖAW, phil.-hist. Klasse 779), Wien 2008, 125–44. H. Ch. Brennecke, Rom und der dritte Kanon von Serdika (342), ZRG (KA) 69 (1983), 15–45. D. Brookʼs, Prosperʼs Chronicle: A Critical Edition and Translation of the Edition of 445, Thesis (Master of Arts), Ottawa 2014. P. Brown, Augustine of Hippo. A Biography, Berkeley u. a. 1969. R. Browning, Where was Attila’s Camp?, JHS 73 (1953), 143–5. A. Bucherius, De doctrina temporum commentarius in Victorium Aquitanium, Antwerpen 1643. R. W. Burgess, Studies in Eusebian and post-Eusebian Chronography (Historia Einzelschriften 135), Stuttgart 1999. R. W. Burgess, The Accession of Marcian in the Light of Chalcedonian A R. W. Burgess / M. Kulikowski, Mosaics of Time. The Latin Chronicle Traditions from the First Century BC to the Sixth Century AD. Bd. 1: A Historical Introduction to the Chronicle Genre from its Origins to the

XXIV

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

High Middle Ages (Studies in the Early Middle Ages 33), Turnhout 2013. V. Burrus, The Making of a Heretic. Gender, Authority, and the Priscillianist Controversy (Transformation of the Classical Heritage 24), Berkeley 1995. A. Busch, Die Frauen der theodosianischen Dynastie (Historia Einzelschriften 237), Stuttgart 2015. A. Cameron, Claudian. Poetry and Propaganda at the Court of Honorius, Oxford 1970. C. Cardelle de Hartmann, Historie und Chronographie. Entstehung und Frühzeit lateinischer Chronistik (von Hieronymus bis Beda), Minerva 14 (2000), 107–27. P. J. Carefoote, Pope Boniface I, the Pelagian Controversy and the Growth of Papal Authority, Augustiniana 46 (1996), 261–89. E. Caspar, Geschichte des Papsttums. Von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft. Bd. 1: Römische Kirche und Imperium Romanum, Tübingen 1930. H. Castritius, Barbaren im Garten „Eden“: Der Sonderweg der Vandalen in Nordafrika, Historia 59 (2010), 371–80. H. Castritius, Die Völkerlawine der Silvesternacht 405 oder 406 und die Gründung des Wormser Burgunderreichs, in: V. Gallé (Hg.), Die Burgunder. Ethnogenese und Assimilation eines Volkes. Dokumentation des 6. wissenschaftlichen Symposiums der Nibelungenliedgesellschaft Worms e.V. und der Stadt Worms vom 21. bis 24. September 2006, Worms 22009, 31–47. H. Castritius, Art. Wandalen. § 1. Historisch, RGA 33 (2006), 168–209. M. Cesa, Il matrimonio di Placidia ed Ataulfo sullo sfondo dei rapporti fra Ravenna e i Visigoti, RomBarb 12 (1992/93), 23–53. H. Chadwick, Priscillian of Avila. The Occult and the Charismatic in the Early Church, Oxford 1976. H. Chadwick, The Exile and Death of Flavian of Constantinople: A Prologue to the Council of Chalcedon, JThS 6 (1955), 17–34. H. Chantraine, Das Schisma von 418/19 und das Eingreifen der kaiserlichen Gewalt in die römische Bischofswahl, in: P. Kneissl / V. Losemann (Hgg.), Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für J. Chéné, Les origines de la controverse semi-Pélagienne, AThA 13 (1953), 59–109.

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXV

D. Claude, Probleme der vandalischen Herrschaftsnachfolge, Deutsches Archiv 30 (1974), 329–55. F. M. Clover, Geiseric and Attila, Historia 22 (1973), 104–17. F. M. Clover, Geiseric the Statesman. A Study of Vandal Foreign Policy. A Dissertation Submitted to the Faculty of the Division of Humanities in Candidacy for the Degree of Doctor of Philosophy, Chicago, Illinois 1966. F. M. Clover, The Pseudo-Boniface and the Historia Augusta, Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1977/1978 (Antiquitas. R. 4, Bd. 14), Bonn 1980, 73–95. C. Colpe u. a., Art. Geister (Dämonen), RAC 9 (1976), 546–796. Ch. Courtois, Les Vandales et l’Afrique, Paris 1955. S. Cristo, Some Notes on the Bonifacian-Eulalian Schism, Aevum 5 (1977), 163–7. B. Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, Historia 25 (1976), 235–44. B. Croke, Chronicles, Annals and “Consular Annals” in Late Antiquity, Chiron 31 (2001), 291–331. B. Croke, The Origins of the Christian World Chronicle, in: B. Croke / A. M. Emmett (Hgg.), History and Historians in Late Antiquity, Frankfurt am Main u. a. 1983, 116–31. F. Decret, L’Afrique manichéenne (IVe–Ve siècles). Étude historique et doctrinale, 2 Bde., Paris 1978. A. Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian, 284–565 n. Chr. (HdAW 3,6), München 1989. A. Demandt, Art. Magister militum, RE Suppl. 12 (1970), 553–790. H.-J. Diesner, Das Vandalenreich. Aufstieg und Untergang, Stuttgart 1966. H.-J. Diesner, Art. Vandalen, RE Suppl. 10 (1965), 957–92. L. Dossey, The Last Days of Vandal Africa: An Arian Commentary on Job and its Historical Context, JTS 54 (2003), 60–138. V. C. Drecoll, Kommentierende Analyse zu Liberatus, Breviarium 1–7, ZAC 14 (2010), 9–30. J. F. Drinkwater, The Usurpers Constantine III (407–411) and Jovinus (411– 413), Britannia 29 (1998), 269–98. G. D. Dunn, Easter and the Battle of Pollentia, JRH 34 (2010), 55–66. F. Dvornik, The Idea of Apostolicity in Byzantium. And the Legend of the Apostle Andrew (DOS 4), Cambridge, Mass. 1958. K. Ehling, Zur Geschichte Constantins III., Francia 23 (1996), 1–11. A. Elberti, Prospero d’Aquitania. Teologo e discepolo, Rom 1999.

XXVI

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

W. Enßlin, Rez. zu: de Lepper, De Rebus Gestis Bonifatii Comitis Africae et Magistri Militum, Tilburg 1941, Gnomon 18 (1942), 139–42. W. Enßlin, Art. Merobaudes, RE 15,1 (1931), 1038 f. J. Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen (Paderborner Theologische Studien 25), München u. a. 1998, zgl. Diss. Rom 1997. R. M. Errington, Roman Imperial Policy from Julian to Theodosius, Chapel Hill 2006. E. Faber, Athanarich, Alarich, Athaulf. Zum Wandel westgotischer Herrschaftskonzeptionen, Klio 92 (2010), S. 157–69. P. Fargues, Claudien. Études sur sa poésie et son temps, Paris 1933. H. Fichtenau, „Politische“ Datierungen des frühen Mittelalters, in: Ders. (Hg.), Beiträge zur Mediävistik. Ausgewählte Aufsätze. Bd. 3: Lebensordnungen, Urkundenforschung, Mittellatein, Stuttgart 1986, 186–285. H. Fuhrmann, Die Wahl des Papstes – ein historischer Überblick, GWU 9 (1958), 762–80. H. Fuhrmann, Widerstände gegen den päpstlichen Primat im Abendland, in: M. Maccarrone (Hg.), Il primato del vescovo di Roma nel primo millennio. Ricerche e testimonianze. Atti del symposium storico-teologico, Roma, 9–13 ottobre 1989 (PCSS. Atti e documenti 4), Vatikanstadt 1991, 707–36. A. Fürst, Augustinus im Orient, ZKG 110 (1999), 293–314. G. Galdi, Syntaktische Untersuchungen zu Jordanes. Beiträge zu den Romana (Spudasmata 150), Hildesheim 2013. F. K. Ginzel, Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie. Das Zeitrechnungswesen der Völker. Bd. 3, Leipzig 1914. St. Gioanni, La contribution épistolaire dʼEnnode de Pavie à la primauté pontificale sous le règne des papes Symmaque et Hormisdas, MEFRM 113 (2001), 245–68. Ch. Gnilka, Philologische Streifzüge durch die römische Dichtung, Basel 2007. Ch. Gnilka, Prudentiana I. Critica, München / Leipzig 2000. B. Green, Leo the Great and the Heresy of Nestorius, Studia Patristica 43 (2006), 373–80. A. Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. 1: Von der apostolischen Zeit bis zum Konzil von C 1979.

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXVII

W. Hagemann, Die rechtliche Stellung der Patriarchen von Alexandrien und Antiochien. Eine historische Untersuchung, ausgehend vom Kanon 6 des Konzils von Nizäa, OS 13 (1964), 171–91. I. Hajdú, Beiträge aus der Thesaurus-Arbeit XXVII: pro consule oder proconsul?, MH 56 (1999), 119–27. J. B. Hall, Pollentia, Verona, and the Chronology of Alaric’s First Invasion of Italy, Philologus 132 (1988), 245–57. G. Halsall, Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568, Cambridge 2007. G. Halsall, Review Article: Movers and Shakers: The Barbarians and the Fall of Rome, EME 8 (1999), 131–45. R. P. C. Hanson, The Search for the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318–381, Edinburgh 1988. H. Hauke, Katalog der lateinischen Fragmente der Bayerischen Staatsbibliothek München. Bd. 2, Wiesbaden 2011. P. J. Heather, Goths and Romans 332–489, Oxford 1991. P. J. Heather, The Huns and the End of the Roman Empire in Western Europe, EHR 110 (1995), 4–41. M. Heinzelmann, The ‘Affair’ of Hilary of Arles (445) and Gallo-Roman Identity in the Fifth Century, in: J. Drinkwater / H. Elton (Hgg.), FifthCentury Gaul: A Crisis of Identity?, Cambridge 1992, 239–51. R. Helm, Art. Prosper, RE 23.1 (1957), 880–97. R. Heuberger, Vandalische Reichskanzlei und Königsurkunden. Mit Ausblicken auf die Gesamtentwicklung der frühgermanischen Herrscherurkunde, MIÖG 43 (1929), 76–113. G. Hille, De continuatione Prosperi a. 641 Hauniensi, Berlin 1866. H. Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Stuttgart 1986. O. Holder-Egger, Untersuchungen über einige annalistische Quellen zur Geschichte des fünften und sechsten Jahrhunderts. I. Die Chronik Prospers von Aquitanien, Neues Archiv 1 (1876), 13–90. A. W. J. Holleman, Pope Gelasius I and the Lupercalia, Diss. Amsterdam 1974. P.-M. Hombert, Nouvelles Recherches de Chronologie Augustinienne (EAA 163), Paris 2000. Ch. Horn, Augustinus, München 1995. T. Howe, Vandalen, Barbaren und Arianer bei Victor von Vita (Studien zur Alten Geschichte 7), Frankfurt am Main 2007.

XXVIII

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

M. Humphries, Chronicle and Chronology. Prosper of Aquitaine, his Methods and the Development of Early Medieval Chronography, EME 5 (1996), 155–75. A. Y. Hwang, Intrepid Lover of Perfect Grace. The Life and Thought of Prosper of Aquitaine, Washington, D. C. 2009. G. Jachmann, Textgeschichtliche Studien, hg. von Ch. Gnilka, Königstein 1982. G. Jachmann, Ausgewählte Schriften, hg. von Ch. Gnilka, Königstein 1981. N. W. James, Leo the Great and Prosper of Aquitaine: A Fifth Century Pope and His Adviser, JTS 44 (1993), 554–84. T. Janßen, Stilicho. Das weströmische Reich vom Tode des Theodosius bis zur Ermordung Stilichos (395–408), Marburg 2004, zgl. Diss. Münster 1999. A. H. M. Jones, The Later Roman Empire 284–602. A Social, Economic, and Administrative Survey, 3 Bde., Oxford 1964. D. Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 52011. R. Klein, Constantius II. und die christliche Kirche (IdF 26), Darmstadt 1977. H. M. Klinkenberg, Papsttum und Reichskirche bei Leo d.Gr., ZRG KA 38 (1952), 37–112. H. Koch, Gelasius im kirchenpolitischen Dienste seiner Vorgänger, der Päpste Simplicius (468–483) und Felix III. (483–492). Ein Beitrag zur Sprache des Papstes Gelasius I. (492–496) und früherer Papstbriefe (SBAW 1935,6), München 1935. F. Kolb, Herrscherideologie in der Spätantike, Berlin 2001. D. König, Motives and Justifications for Enforcing Religious Conformity. A Manichaean-Priscillianist Case Study (302–572), Francia 35 (2008), 1–31. J.-M. Kötter, Autonomie der illyrischen Kirche? Die Sixtus-Briefe der Collectio Thessalonicensis und der Streit um das kirchliche Illyricum, Millennium 9 (2012), 163–86. J.-M. Kötter, Die Suche nach der kirchlichen Ordnung. Gedanken zu grundlegenden Funktionsweisen der spätantiken Reichskirche, HZ 298 (2014), 1–28. J.-M. Kötter, Art. Servus Dei, HAS 1–4 (2012). J.-M. Kötter, Stability and Threat to the Order of the Church. Some Thoughts on the Personalization of the Church in Late Antiquity, InterDisciplines 2,1 (2011), 37–64.

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXIX

J.-M. Kötter, Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (484–519) als kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike (Roma Æterna 2), Stuttgart 2013, zgl. Diss. Frankfurt am Main 2011. B. Krusch, Die Chronica des sogenannten Fredegar, Neues Archiv 7 (1882), 247–351. M. Kulikowski, Barbarians in Gaul, Usurpers in Britain, Britannia 31 (2000), 325–45. M. Kulikowski, The Career of the Comes Hispaniarum Asterius, Phoenix 54 (2000), 123–41. A.-M. La Bonnardière, »Aurelius Augustinus« ou »Aurelius, Augustinus«?, Revue Bénédictine 91 (1981), 231–7. J. L. M. de Lepper, De Rebus Gestis Bonifatii Comitis Africae et Magistri Militum, Tilburg 1941. R. Lim, The Nomen Manichaeorum and Its Uses in Late Antiquity, in: E. Iricinschi / H. M. Zellentin (Hgg.), Heresy and Identity in Late Antiquity (Texts and Studies in Ancient Judaism 119), Tübingen 2008, 143–67. W. A. Löhr, Augustin, Pelagius und der Streit um die christliche Lebensform, in: Th. Fuhrer (Hg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der Spätantike: Texte, Personen, Institutionen. Akten der Tagung vom 22.– 25. Februar 2006 am Zentrum für Antike und Moderne der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Philosophie der Antike 28), Stuttgart 2008, 221–43. W. A. Löhr, Augustinus und sein Verhältnis zu Pelagius: Eine Relecture der Quellen, Augustiniana 60 (2010), 63–86. R. Lorenz, Der Augustinismus Prospers von Aquitanien, ZKG 73 (1962), 217–52. J. Lössl, Augustine, “Pelagianism”, Julian of Aeclanum, and Modern Scholarship, ZAC 11 (2007), 129–50. J. Lössl, Julian von Aeclanum. Studien zu seinem Leben, seinem Werk, seiner Lehre und ihrer Überlieferung (Vigiliae Christianae Suppl. 60), Leiden u. a. 2001. S. Lunn-Rockliffe, Commemorating the Usurper Magnus Maximus: Ekphrasis, Poetry, and History in Pacatusʼ Panegyric of Theodosius, Journal of Late Antiquity 3 (2010), 316–36. W. Lütkenhaus, Constantius III. Studien zu seiner Tätigkeit und Stellung im Westreich 411–421, Bonn 1998, zgl. Diss. 1997. M. Maccarone, La concezione di Roma. Città di Pietro e di Paolo: Da Damaso a Leone I, in: Università di Roma La Sapienza (Hg.), Roma, Cos-

XXX

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

tantinopoli, Mosca (Da Roma alla terza Roma. Studi 1), Neapel 1983, 63–85. O. J. Maenchen-Helfen, Die Welt der Hunnen. Eine Analyse ihrer historischen Dimension, Graz u. a. 1978. R. A. Markus, Chronicle and Theology: Prosper of Aquitaine, in: Ch. Holdsworth / T. P. Wiseman (Hgg.), The Inheritance of Historiography 350–900 (Exeter Studies in History 12), Exeter 1986, 31–43. R. A. Markus, Die spectacula als religiöses Konfliktfeld städtischen Lebens in der Spätantike, FZPhTh 38 (1991), 253–71. W. Marschall, Karthago und Rom. Die Stellung der nordafrikanischen Kirche zum Apostolischen Stuhl in Rom (PuP 1), Stuttgart 1971. M. Martin, Zur Entstehung des ersten burgundischen Königreichs (413– 436) am Rhein, in: B. Päffgen u. a. (Hg.), Cum Grano Salis. Beiträge zur europäischen Vor- und Frühgeschichte. Festschrift für Volker Bierbrauer zum 65. Geburtstag, Friedberg 2005, 237–48. R. W. Mathisen, Ecclesiastical Factionalism and Religious Controversy in Fifth-Century Gaul, Washington D. C. 1989. R. W. Mathisen, Sigisvult the Patrician, Maximinus the Arian, and Political Strategems in the Western Roman Empire c. 425–40, EME 8 (1999), 173–96. J. Matthews, Olympiodorus of Thebes and the History of the West (A.D. 407–425), JRS 60 (1970), 79–97. J. Matthews, Western Aristocracies and Imperial Court A. D. 464–425, Oxford 1975. M. A. McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West, AD 367–455, Oxford 2013. M. Meier / St. Patzold, August 410 – Ein Kampf um Rom, Stuttgart 2010. Y. Móderan, Une guerre de religion: Les deux Églises d’Afrique à l’époque Vandale, AntTard 11 (2003), 21–44. Th. Mommsen, Das römisch-germanische Herrscherjahr, Neues Archiv 16 (1891), 49–65. Th. Mommsen, Die Chronik des Cassiodorus Senator vom Jahre 519 n. Chr. nach den Handschriften herausgegeben, Abhandl. der phil.-hist. Cl. der königl. sächsischen Ges. der Wiss., 3 Bde., Leipzig 1861, 574–90. J. Moorhead, Victor of Vita. History of the Vandal Persecution (TTH 10), Liverpool 1992. St. Muhlberger, Prosper's Epitoma Chronicon: Was there an Edition of 443?, CPh 81 (1986), 240–4.

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXXI

St. Muhlberger, The Copenhagen Continuation of Prosper: A Translation, Florilegium 6 (1984) 71–95. St. Muhlberger, The Fifth-Century Chroniclers. Prosper, Hydatius, and the Gallic Chronicler of 452 (ARCA 27), Leeds 1990. A. C. Murray, From Roman to Merovingian Gaul. A Reader (Readings in medieval civilizations and cultures 5), Ontario 2000, 62–76 C. E. V. Nixon, Relations between Visigoths and Romans in Fifth-Century Gaul, in: J. F. Drinkwater / H. Elton (Hgg.), Fifth-Century Gaul: A Crisis of Identity? Cambridge u. a. 1992, 64–74. J. J. O’Donnell, Cassiodorus, Berkeley 1979. J. M. O’Flynn, Generalissimos of the Western Roman Empire, Edmonton 1983. S. I. Oost, Galla Placidia Augusta. A Biographical Essay, Chicago u. a. 1968. A. Pabst, Divisio regni. Der Zerfall des Imperium Romanum in der Sicht der Zeitgenossen (Habelts Dissertationsdrucke. Reihe Alte Geschichte 23), Bonn 1986, zgl. Diss. Erlangen-Nürnberg 1985. F. Papencordt, Geschichte der vandalischen Herrschaft in Afrika, Berlin 1837. M. Pawlak, Valentinian III and Aetius, Classica et Christiana 4/2 (2009), 123–35. O. Perler, Das Datum der Bischofsweihe des heiligen Augustinus, REAug 11 (1965), 25–37. Ch. Pietri, Roma Christiana. Recherches sur l’Eglise de Rome, son organisation, sa politique, son idéologie de Miltiade à Sixte III (311–440), 2 Bde., Rom 1976. G. de Plinval, Prosper d’Aquitaine. Interprète de Saint Augustin, RecAug 1 (1958), 339–55. W. Pohl, die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart 22002. St. Rebenich, Jerome (The Early Church Fathers), New York 2002. H. Reimitz, Art. Merobaudes. § 2: historisches, RGA 19 (2001), 572 f. B. S. Rodgers, Merobaudes and Maximus in Gaul, Historia 30 (1981), 82– 105. M. R. Salzman, Ambrose and the Usurpation of Arbogastes and Eugenius: Reflections on Pagan-Christian Conflict Narratives, JECS 18 (2010), 191–223. R. ten in Aquitanien, Historia 41 (1992), 374–84. R. Scharf, Jovinus – Kaiser in Gallien, Francia 20 (1993), 1–13. R. Scharf, Sebastianus – ein „Heldenleben“, ByzZ 82 (1989), 140–56.

XXXII

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

A. Schindler, Art. Augustin/Augustinismus I, TRE 4 (1979), 645–98. L. Schmidt, Geschichte der Wandalen, München 21942. R. Schmidt, Reichenau und St. Gallen. Ihre literarische Überlieferung zur Zeit des Klosterhumanismus in St. Ulrich und Afra zu Augsburg um 1500, Sigmaringen 1985. W. Schneemelcher, Athanasius von Alexandrien als Theologe und als Kirchenpolitiker, ZNTW 43 (1950/51), 242–56. B.-J. Schröder, Titel und Text. Zur Entwicklung lateinischer Gedichtüberschriften. Mit Untersuchungen zu lateinischen Buchtiteln, Inhaltsverzeichnissen und anderen Gliederungsmitteln, Berlin / New York 1999. A. Schwarcz, Bedeutung und Textüberlieferung der Historia persecutionis Africanae provinciae des Victor von Vita, in: A. Scharer / G. Scheibelreiter (Hgg.), Historiographie im frühen Mittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 32), München / Wien 1994, 115–40. K.-H. Schwarte, Diokletians Christengesetz, in: R. Günther / St. Rebenich, (Hgg.), E fontibus haurire. Beiträge zur römischen Geschichte und zu ihren Hilfswissenschaften (Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums N. F. 1. Reihe 8), München u. a. 1994, 204–40. E. Schwartz, Publizistische Sammlungen zum acacianischen Schisma (ABAW N. F. 10), München 1934. E. Schwartz, Zum Decretum Gelasianum, ZNTW 29 (1930), 161–8. Ch. Schweizer, Hierarchie und Organisation der römischen Reichskirche in der Kaisergesetzgebung vom vierten bis zum sechsten Jahrhundert (EH 3,479), Berlin u. a. 1991, zgl. Diss. Zürich 1989. O. Seeck, Art. Arbogastes 1, RE 2,1 (1895), 415–9. O. Seeck / G. Veith, Die Schlacht am Frigidus, Klio 13 (1913), 451–67. L. Sguaitamatti, Der spätantike Konsulat (Paradosis 53), Fribourg 2012, zgl. Diss. Zürich 2010. H. J. Sieben, Vom Apostelkonzil zum Ersten Vatikanum. Studien zur Geschichte der Konzilsidee, Paderborn u. a. 1996. H. Sivan, Galla Placidia. The Last Roman Empress, Oxford 2011. H. Sivan, Was Theodosius I a Usurper?, Klio 78 (1996), 198–211. J. Spielvogel, Arianische Vandalen, katholische Römer. Die reichspolitische und kulturelle Dimension des christlichen Glaubenskonflikts im spätantiken Nordafrika, Klio 87 (2005), 201–22. R. Steinacher, Der Laterculus Regum Wandalorum et Alanorum. Eine afrikanische Ergaenzung der Chronik Prosper Tiros aus dem 6. Jahrhundert

Abkürzungsverzeichnis – Sekundärliteratur

XXXIII

(Staatsprüfungsarbeit, Institut für Österreichische Geschichtsforschung), Wien 2001. R. Steinacher, The So-called Laterculus Regum Vandalorum et Alanorum: A Sixth-Century African Addition to Prosper Tiro’s Chronicle?, in: A. H. Merrills (Hg.), Vandals, Romans and Berbers. New Perspectives on Late Antique North Africa, Aldershot 2004, 163–80. R. Steinacher, Von Würmern bei lebendigem Leib zerfressen … und die Läusesucht Phtheiriasis. Ein antikes Strafmotiv und seine Rezeptionsgeschichte, Tyche 18 (2003), 145–66. C. E. Stevens, Marcus, Gratian, Constantine, Athenaeum 35 (1957), 316–47. T. Stickler, Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich (Vestigia 54), München 2002, zgl. Diss. Würzburg 2000. T. Stickler, Art. Marcianus, RAC 24 (2012), 76–89. A. Strobel, Texte zur Geschichte des frühchristlichen Osterkalenders (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 64), Münster 1984. A. Strobel, Ursprung und Geschichte des frühchristlichen Osterkalenders (TUGAL 121), Berlin 1977. K. F. Stroheker, Spanien im spätrömischen Reich (284–475), AEA 45 (1972), 587–606. J. Szidat, Die Usurpation des Eugenius, Historia 28 (1979), 487–508. J. Szidat, Usurpator tanti nominis. Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337–476 n. Chr.) (Historia Einzelschriften 210), Stuttgart 2010. U. Täckholm, Aetius and the Battle on the Catalaunian Fields, ORom 7 (1969), 259–76. E. A. Thompson, Romans and Barbarians. The Decline of the Western Empire, Madison, Wisc. 1982. E. A. Thompson, Saint Germanus of Auxerre and the End of Roman Britain (Studies in Celtic History 6), Woodbridge 1984. C. Tiersch, Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398–404). Weltsicht und Wirken eines Bischofs in der Hauptstadt des Oströmischen Reiches (Studien und Texte zu Antike und Christentum 6), Tübingen 2000. D. E. Trout, The Years 394 and 395 in the Epitoma Chronicon: Prosper, Augustine and Claudian, CPh 86 (1991), 43–7. B. L. Twyman, Aetius and the Aristocracy, Historia 19 (1970), 480–503. W. Ullmann, Der Grundsatz der Arbeitsteilung bei Ge (1978), 41–70. W. Ullmann, Die Machtstellung des Papsttums im Mittelalter. Idee und Geschichte, Graz u. a. 1960.

XXXIV

(G 5) Prosper, Chronik / (G 6) Laterculus

W. Ullmann, Gelasius I. (492–496). Das Papsttum an der Wende der Spätantike zum Mittelalter (PuP 18), Stuttgart 1981. V. Väänänen, Introduction au latin vulgaire, Paris 31981. L. Valentin, Saint Prosper d’Aquitaine. Étude sur la littérature latine ecclésiastique au cinquième siècle en Gaule, Toulouse 1900. P. Van Nuffelen, Un héritage de paix et de piété. Étude sur les histoires ecclésiastiques de Socrate et de Sozomène (Orientalia Lovaniensia Analecta 142), Löwen 2004. J. Villanueva, Viage literario à las iglesias de Espana. Bd. 3, Madrid 1817. K. Vössing (Hg.), Victor von Vita. Historia Persecutionis Africanae Provinciae Temporum Geiserici et Hunerici Regum Wandalorum. Kirchenkampf und Verfolgung unter den Vandalen in Africa (Texte zur Forschung 96), lat./dt., Darmstadt 2011. K. Vössing, Das Königreich der Vandalen. Geiserichs Herrschaft und das Imperium Romanum, Darmstadt 2014. K. Vössing, Art. Stilicho, RGA 30 (2005), 16–23. O. Wermelinger, Rom und Pelagius. Die theologische Position der römischen Bischöfe im pelagianischen Streit in Jahren 411–432 (PuP 7), Stuttgart 1975. E. Wirbelauer, Die Nachfolgerbestimmung im römischen Bistum (3.–6. Jh.). Doppelwahlen und Absetzungen in ihrer herrschaftssoziologischen Bedeutung, Klio 76 (1994), 388–437. G. Wirth, Attila. Das Hunnenreich und Europa, Stuttgart u. a. 1999. H. Wolfram, Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter (Das Reich und die Deutschen 1), Berlin 1990. H. Wolfram, Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München 1979. H. Wolfram, Gotische Studien. Volk und Herrschaft im frühen Mittelalter, München 2005. W. F. Wyatt, Ennodius and Pope Symmachus. Part 2, in: L. Webber Jones (Hg.), Classical and Mediæval Studies in Honor of Edward Kennard Rand. Presented upon the Completion of his Fortieth Year of Teaching, New York 1938, 284–91. G. Zecchini, Aezio. L’ultima difesa dell’Occidente Romano (Centro ricerche e documentazione sull’antichità. J. Ziegler, Zur religiösen Haltung der Gegenkaiser im 4. Jh. n. Chr. (FAS 4), Kallmünz 1970.

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Einleitung I. Prospers Leben und Wirken Aufgrund seiner umfangreichen literarischen Hinterlassenschaft sind wir über Prosper Tiro von Aquitanien vergleichsweise gut informiert.1 Dies gilt insbesondere für seine theologischen Positionen, für seinen Kampf gegen den Pelagianismus und für sein kirchliches Wirken in Diensten Papst Leos. Einzig bezüglich seines konkreten Lebenswegs sind die Informationen eher spärlich. Einige bruchstückhafte Informationen über ihn liefern Gennadius von Marseille oder Photios von Konstantinopel.2 Alles, was darüber hinausgeht, muss aus biographischen Reflexen in Prospers Werk selbst erschlossen werden. Mit größerer Sicherheit lassen sich daher nur wenige Lebensstationen des Chronisten angeben. Einigkeit herrscht darüber, dass Prosper um das Jahr 390 im südgallischen Aquitanien geboren ist.3 Angesichts der literarischen Qualität seines Gesamtwerks ist ebenfalls unbestritten, dass er eine umfassende und fundierte Bildung erfahren hat. Allerdings gehen die Meinungen bereits bei der Frage auseinander, wo Prosper diese Bildung erhielt. Es ist denkbar, dass sich der spätere Chronist im Zuge der vandalischen Invasion seiner Heimat Aquitanien bereits ab 406 nicht mehr dort, sondern in Marseille aufhielt, dem geistigen Zentrum des südlichen Gallien. Sicher bezeugt ist er in dieser Stadt jedoch erst später.4 In Marseille wandte sich Prosper Mitte der 420er Jahre einem religiösen Leben zu und wurde dadurch bald in die regionalen 1

Weiterhin klassisch als Biographie: Valentin, Saint Prosper. Kurze Überblicke: Helm, Prosper und Muhlberger, Chroniclers 48–55. Eine ausführliche Verknüpfung von Vita und Werk findet sich jüngst bei Hwang, Lover. Zum Beinamen „Tiro“: Holder-Egger, Untersuchungen 73–5; Valentin, Saint Prosper 121–4. 2 Gennad. vir. ill. 85; Phot. bibl. 54. 3 Das ungefähre Geburtsdatum ist aus der Chronik erschließbar. Vgl. dazu Helm, Prosper 880; Hwang, Lover 37; Muhlberger, Chroniclers 48 f. Die Herkunft aus Aquitanien ergibt sich aus Gennad. vir. ill. 85 und ist mit Recht nie angezweifelt worden. Valentin, Saint Prosper 127 und Helm, Prosper 880 möchten darüber hinaus Limoges als konkrete Heimat des Autors identifizieren. Dies ist aber unsicher. 4 Für eine frühe Übersiedlung nach Marseille: Humphries, Chronicle 156. Elberti, Prospero 26 möchte Prospers Ausbildung in Bordeaux ansiedeln. Sicher bezeugt ist Prosper mit Hwang 2009, Lover 37. 49 in Marseille ab 416 mit seinem Werk De providentia Dei (das mit Ebd. 17–9 authentisch ist). Ähnlich, aber vorsichtiger: Muhlberger, Chroniclers 49.

4

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Streitigkeiten um die Gnadenlehre des Augustinus von Hippo hineingezogen. Gerade im monastisch geprägten südgallischen Umfeld erregte dessen deutliche Betonung der Rechtfertigung des Menschen allein aus der Gnade Gottes heraus mehrheitlich Anstoß. Prosper hingegen verteidigte Augustinus gegen solche in seinen Augen „pelagianischen“ Angriffe.1 Dabei wirkte der Gallier nicht nur als Apologet, sondern auch als Interpret und damit als Popularisierer der augustinischen Auffassungen und stand in dieser Rolle auch im brieflichen Kontakt zu Augustinus selbst.2 Im Jahr 431, kurz nach dem Tod des Bischofs von Hippo, besuchte Prosper sogar Rom, um sich persönlich der Unterstützung durch Papst Coelestin zu versichern. Der Papst gewährte Prosper diese Unterstützung und sandte in der Sache ein Rundschreiben nach Gallien. Die Konflikte dort sollten sich dadurch freilich nicht beilegen lassen, auch deshalb, weil die Beschreibung der Frontlinien durch Prosper nicht dem theologischen Selbstverständnis seiner Gegner entsprochen haben dürfte und diese sich dementsprechend im Schreiben Coelestins nicht wiederzuerkennen glaubten.3 Insbesondere Johannes Cassianus, aber auch Vincentius von Lérins, wandten sich angesichts der römischen Einmischung noch entschiedener gegen die augustinische Prädestinationslehre. Prosper reagierte seinerseits auf diese Angriffe mit verschiedenen theologischen Schriften. Da er insgesamt aber eine Minderheitenposition in Südgallien vertrat, setzte er sich damit immer wieder Angriffen gegen seine Person aus. Die spätere Übersiedlung des Galliers nach Rom kann allein aus diesem Grund kaum überraschen.4 Hinzu kam, dass Prosper offensichtlich eine grundlegende ekklesiologische Orientierung am römischen Papsttum an den Tag legte, was sich spätestens 431 mit seiner Wendung an Papst Coelestin gezeigt hatte. Auch diesbezüglich war er im südgallischen Umfeld eher ein Außenseiter. 1

Zu den Schriften Prospers aus der Zeit bis 431: Hwang, Lover 66–136. Die Funktion als Interpret ist titelgebend für die Analyse durch Hwang. 429 informierte Prosper Augustinus über die gallische Situation (Prosp. epist. 1) und regte den Africaner damit zu einer publizistischen Reaktion an: Es entstanden die Schriften De praedestinatione sanctorum und De dono perseverantiae, die in Gallien ihrerseits wieder Kritik hervorriefen und damit Prosper zu seinem polemischen Gedicht Carmen de ingratis veranlassten. Zum Kontakt mit Augustinus auch: Valentin, Saint Prosper 223; Helm, Prosper 888 f. 3 Brief Coelestins: Coelest. epist. 21. Prosper hielt es für geboten, eine Auslegung des Schreibens anzufertigen, den Liber contra Collatorem der Reaktion des Papstes: Caspar, Papsttum 385–7; Hwang, Lover 142–6. 4 Prosper weist selbst auf seine Außenseiterrolle in Gallien hin: Prosp. epist. 2, prol.1. Zum Semipelagianischen Streit in Prospers Werk nach 431: Hwang, Lover 137–86; Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 124–38. 2

Einleitung

5

Das Datum der Übersiedlung Prospers nach Rom ist umstritten. Sicher bezeugt ist er dort erst ab dem Jahr 440. Aus guten Gründen setzt die neuere Forschung den Beginn des Rom-Aufenthalts mehrheitlich auch tatsächlich erst in diese Zeit. Wahrscheinlich gelangte Prosper im Gefolge des 440 geweihten Papstes Leo I. in die alte Hauptstadt. Möglicherweise hatten sich die beiden Männer bereits beim Rom-Besuch des Galliers 431 kennengelernt und waren sich dann kurz vor Wahl und Weihe Leos in Marseille abermals begegnet.1 Jetzt folgte Prosper dem Papst in dessen Bischofsstadt und wurde dort zu seinem zentralen Mitarbeiter und Berater. Schon von Zeitgenossen wurden Teile der leonischen Korrespondenz auf Prosper zurückgeführt. Welche Funktion er in der römischen Kirche jedoch konkret ausfüllte, ist nicht überliefert – mithin ist nicht einmal klar, ob Prosper dem Klerus angehörte oder ob er nicht Zeit seines Lebens Laie blieb.2 Auch über den Zeitpunkt seines Todes und damit über die Dauer seines Dienstes herrscht Unklarheit. Als Terminus post quem muss das Jahr 455 gelten, in das die letzten Berichte der Chronik fallen. Spätere Werke Prospers sind nicht bekannt, weshalb davon auszugehen ist, dass er recht bald nach diesem Zeitpunkt gestorben sein muss.3 1

Vgl. Hwang, Lover 189–91 in der Folge von Valentin, Saint Prosper 136: Leo hielt sich 440 in Arles auf (Prosp. chron. 1341), war dann gezwungen, für seine Weihe schnellstmöglich nach Rom zurückzukehren. Sollte er dabei den Seeweg genutzt haben, so dürfte er sich in Marseille eingeschifft haben und könnte dort auf Prosper getroffen sein. Auch Holder-Egger, Untersuchungen 58 oder Elberti, Prospero 26. 207 neigen dieser Spätdatierung zu. Insofern hat Markus, Chronicle 32 f. Unrecht, wenn er meint, dass die Mehrheit der Forschung eine Übersiedlung bereits kurz nach 433 annehmen würde. 2 Gennad. vir. ill. 85 schreibt Prosper die Briefe Leos gegen Eutyches zu. Ähnlich Phot. bibl. 54. Das genaue Ausmaß der Beteiligung Prospers am päpstlichen Briefverkehr ist aber kaum sicher anzugeben. Zum Verhältnis von Leo und Prosper: Elberti, Prospero 165–95. 221–30. Vgl. auch Hwang, Lover 193–8. Ausführliche Textevidenzen sammelt James, Leo. Mit Gewissheit lässt sich nur sagen, dass Prosper verschiedentlich im päpstlichen Schriftverkehr involviert war. So entsprechen die Hinweise der Chronik auf die „apostolische“ Qualität der römischen Kirche (vgl. Kap. III.2.b) leonischen Argumentationsformen, gehen aber kaum exklusiv auf Prosper zurück, sondern waren insgesamt Teil zeitgenössischer römischer Diskurse um die Ordnung der Kirche: Kötter, Kaiser und Apostel 152–64. Diskussion um ein mögliches Klerikeramt: Helm, Prosper 881. 3 Die Erwähnung Prospers durch Victorius von Aquitanien (Victor. pasch. 7) im Jahr 457 Würdigung durch Marcellinus Comes für das Jahr 463 (Marcell. chron. a. 463). Hätte Prosper jedoch das Jahr 455 längere Zeit überlebt, hätte er die Chronik vielleicht abermals fortgesetzt, zumal Leo noch bis 461 amtierte. Zur Diskussion der Datierungsansätze zusammenfassend: Hwang, Lover 233 f.

6

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Die Bedeutung Prospers stand bereits seinen Zeitgenossen deutlich vor Augen. Sie hing nicht unwesentlich mit seinem umfangreichen Werk zusammen, das die Generationen nach ihm noch künstlich erweiterten, indem sie dem Gallier Schriften zuschrieben, die ursprünglich gar nicht von ihm stammten.1 Die hier herausgegebene und übersetzte Chronik nimmt in diesem Œuvre eine Sonderstellung ein, insofern sie das einzige dezidiert historische Werk des Autors darstellt. Die theologischen Schriften – also das Gros der literarischen Produktion Prospers – weisen zwei zeitlich deutlich voneinander geschiedene Schwerpunkte auf, die sich auch in der gerade skizzierten Vita des Chronisten und in dessen Chronik widerspiegeln: Einer gallisch-augustinischen Phase bis zur Mitte der 430er Jahre folgte eine römisch-leonische Phase ab ca. 440. Prospers gallische Phase stand gänzlich im Zeichen der Pelagianischen, bzw. Semipelagianischen Kontroverse, in der er vergleichsweise rigoros augustinische Positionen vertrat. Seine gallischen Gegner lehnten einerseits die Gnadenlehre des Augustinus ab, erteilten andererseits aber auch den Gedanken des Pelagius eine Absage, der sich gegen Augustinus gerichtet hatte, 418 von der römischen Kirche und 431 von einem ökumenischen Konzil in Ephesus verurteilt worden war. Mit dieser differenzierenden Positionierung im dogmatischen Streit bewegten sie sich jedoch auf einem schmalen Grat. Prosper jedenfalls wollte in ihrer Abgrenzung von der Person des Pelagius offensichtlich nicht gleichzeitig auch den Bruch mit dessen Lehren erkennen. Unermüdlich verteidigte er daher die augustinische Gnadenlehre, wurde dadurch zu einem ihrer Hauptvertreter und schuf in dieser Funktion ein in Breite und Qualität beachtliches Werk: In längeren Dichtungen und kürzeren Epigrammen, in Briefen und Prosawerken widmete sich Prosper seinem selbstgewählten theologischen Auftrag, verteidigte und popularisierte die Lehren des Augustinus, polemisierte gegen ihre Gegner und suchte nach kirchenpolitischen Verbündeten.2 Gerade im letzten Punkt, dem Schmieden kirchenpolitischer Allianzen, liegt die inhaltliche und zeitliche Verbindung zu Prospers römischer Phase. Die Wendung an Rom 431 zeigt, dass Prosper dem Papsttum eine autoritative Rolle in der dogmatischen Positionierung der Kirche zusprach. Eine damit einhergehende theologische Orientierung an Rom entwickelte sich seit 1

Zur Authentizität, Überlieferung und Edition einzelner Werke: Elberti, Prospero 27– 32; Hwang, Lover 11–36. 2 Augustinische Phase: Hwang, Lover 66–136. Vgl. auch Plinval, Prosper dʼAquitaine. Zu Prospers Vorbehalten gegenüber einem Semipelagianismus vgl. c. 1336 mit Komm.

Einleitung

7

den 430er Jahren zum zweiten maßgeblichen Bezugspunkt in Prospers Denken. Dieser neue Faktor führte dazu, dass die Schärfe im Einsatz für Augustinus von nun an nachließ, Prosper vom unbedingten Verteidiger des Africaners zu seinem Interpreten wurde. Je mehr der Gallier im Papsttum den eigentlichen Garanten für die kirchliche Einheit und Rechtgläubigkeit zu erkennen meinte, desto mehr passte er seine eigene Augustinus-Rezeption an die eher vermittelnde Position des Papsttums in dieser Frage an.1 Prospers Übersiedlung nach Rom entsprach dieser theologischen Akzentverschiebung. Ganz generell dienten die späten Werke des Autors hauptsächlich der Darstellung und Durchsetzung römischer Primatinteressen. Dies lässt sich auch an der Chronik erkennen, die zumindest in ihren späten Redaktionsstufen mit dem Fokus auf das Papsttum im Allgemeinen und auf Papst Leo im Besonderen als dezidiert römisches Werk gelten muss.

II. Die Entstehung der Chronik 1. Entstehungszeit und Entstehungsort Die Chronik entstand über einen längeren Zeitraum hinweg, mehrere Überarbeitungsstufen lassen sich erkennen. Eine erste Version der Chronik berichtet bis ins Jahr 433, eine zweite führt ins Jahr 445, während die Version letzter Hand 455 endet. Neben diesen drei in ihrer Existenz eindeutig belegbaren Überarbeitungsstufen kann eine vierte Version aus dem Jahr 451 mit großer Sicherheit angenommen werden.2 Prosper setzte sein Werk also über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren immer wieder fort. Da sich Überarbeitungen bereits vorhandener Teile dabei allenfalls vereinzelt nachweisen lassen, muss davon ausgegangen werden, dass der Inhalt in den verschiedenen Überarbeitungsstufen insgesamt relativ stabil war.3 Dies ist 1

Hwang, Lover 235–8. So hielt Prosper die Betonung der Gnadenlehre zwar aufrecht, vermied es aber mehr und mehr, das gerade in monastischen Zirkeln Südgalliens problematisierte Konzept der Prädestination zu thematisieren. Diese mit Hwang schlüssig anzunehmende theologische Umorientierung ist jedoch umstritten. Lorenz, Augustinismus möchte Prospers Augustinismus nicht so stark relativiert sehen, da viele der angeblichen Mäßigungen bereits auf Augustinus selbst zurückgehen würden. Insgesamt zur Frage vgl. auch Valentin, Saint Prosper 296–319. 2 Muhlberger, Chroniclers 56–60. Vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics 184 f., die nur die Versionen von 433, 445 und 455 als sicher akzeptieren. 3 Muhlberger, Chroniclers 57 f. weist auf das Problem hin, dass diese Aussage für die frühen Teile der Chronik nicht mit letztgültiger Sicherheit zu treffen ist, da sich von der 433er

8

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

von nicht unerheblicher Bedeutung: Da die Chronik diachron zu den beiden oben skizzierten Lebensphasen Prospers – der gallisch-augustinischen und der römisch-leonischen Phase – entstand, gibt sie Einblick in die Gedankenwelt sowohl des frühen als auch des späten Prosper. Die Existenz der ersten Überarbeitungsstufe ergibt sich in erster Linie aus der langen Komputation im Berichtjahr 433. Manuskripte, die nur diese 433er-Version bewahren, haben sich hingegen nicht erhalten, was neben biographischen (Kap. I) und inhaltlichen Gründen (s. u.) dafür spricht, dass die erste Chronikversion nicht in Rom, sondern noch in Gallien angefertigt wurde.1 Zwar warnt bereits Holder-Egger davor, allein aufgrund der Komputation eine eigenständige Redaktionsstufe anzunehmen; er muss aber gleichzeitig einräumen, dass nicht ersichtlich sei, was den Autor sonst veranlasst hätte, ausgerechnet im Jahr 433 eine erste Gesamtzählung der berichteten Jahre aufzustellen.2 Es ist also kaum zu bezweifeln, dass der Grund hierfür das (vorläufige) Ende der Chronik an dieser Stelle war. Inhaltlich wird dieser Befund durch die unterschiedlichen theologischen Schwerpunkte der Chronikteile vor und nach 433 gestützt. Steht bis 433 die auf mehreren Schultern ruhende Abwehr des Pelagianismus im Mittelpunkt, so wird nach 433 der Schwerpunkt nach und nach immer ausschließlicher auf dem römischen Papsttum liegen. Auch hinsichtlich der Protagonisten lassen sich Unterschiede ausmachen. So spielt zum Beispiel der Vandalenkönig Geiserich in der frühesten Überarbeitungsstufe der Chronik keine Rolle, während er nach 433 siebenmal namentlich erwähnt wird. Während die 433er-Version also noch in Gallien verfasst wurde, müssen die folgenden Redaktionsstufen, wiederum aus biographischen und aus inhaltlichen Gründen, in Rom verortet werden. Die römische Provenienz ergibt sich u. a. aus zahlreichen Details zu Verhältnissen in der Stadt Rom und aus der immer mehr auf das Papsttum zentrierten Auswahl der Berichte. Eine durch Handschriften in ihrer vorläufigen Abgeschlossenheit bezeugte erste römische Überarbeitungsstufe endet im Jahr 445. Sie ist durch die berichtlosen Jahre 445, 446 und 447 nach hinten abgegrenzt. Das in der vorliegenden Edition gegebene Incipit bezieht sich ebenfalls eindeutig auf diese Version von 445. Eine weitere Version ist durch das endgültige Ende der Version keine Manuskripte erhalten haben. Zumindest die Unterschiede der Redaktionen von 445 und 455 sind mit Holder-Egger, Untersuchungen 3 tionen unterscheiden sich Vulgatum und Integrum nur noch quantitativ.“ 1 Vgl. Kap. II.5: Ein Grund für die weite Verbreitung dürfte die Entstehung in Rom gewesen sein. 2 Holder-Egger, Untersuchungen 50 f.

Einleitung

9

Chronik im Jahr 455 gekennzeichnet. Zwar gibt es teilweise über dieses Jahr hinausgehende Ergänzungen, diese stammen aber nicht von Prosper selbst. Auch Victorius von Aquitanien, Gennadius und Cassiodorus bezeugen, dass Prosper sein Werk im Jahr 455 beendet hat.1 Weniger sicher ist eine weitere römische Stufe der Chronik aus dem Jahr 451 zu greifen. Zwar ist von dieser keine in sich abgeschlossene Handschrift überliefert, ein Manuskript aber liefert ein auf sie hindeutendes Incipit. Auch die doppelte Erwähnung des Konzils von Chalcedon, einmal im Jahr 450 und einmal im Jahr 453, deutet auf eine entsprechende Chronikversion hin.2 Die Existenz der Redaktionsstufe von 451 kann also als wahrscheinlich gelten. Die von Mommsen geäußerte Annahme einer zusätzlichen Überarbeitungsstufe aus dem Jahr 443 hingegen muss zurückgewiesen werden. Mommsen meint, diese fünfte Chronikversion sei durch die Fortsetzung der Prosper-Chronik durch Victor von Tunnuna belegbar, der seine eigenständige Geschichtsbearbeitung im Jahr 444 beginnen lässt.3 Muhlberger aber zeigt, dass Victor zwar behauptet, Prosper ab dem Jahr 444 nicht mehr zu folgen, ihn faktisch aber bis ins Jahr 455 doch benutzt. Diesen Befund erklärt Muhlberger mit den unterschiedlichen Ansichten bezüglich der Vorgänge rund um die Synode von Chalcedon: Während Prosper die Abwehr des Eutychianismus gänzlich Papst Leo, nicht aber der Synode zuschreibt, war die Autorität der Synode für Victor im Streit um die „drei Kapitel“ unter Kaiser Justinian I. von höchster Bedeutung.4 2. Chronologischer Rahmen Während der chronologische Rahmen der Eusebius-Hieronymus-Chronik noch gänzlich auf Herrscherdatierungen aufbaut, nutzt Prosper vom Jahr 29 n. Chr. an eine Kombination aus Passionsära und Konsuldatierung. Reste der traditionellen Herrscherdatierung finden sich ab dem Jahr 378 nur noch in zwei Rudimenten. Der Chronist unterzieht sowohl die römischen Kaiser als auch die römischen Bischöfe einer fortlaufenden Zählung. Im Falle der

1

Vgl. Gennad. vir. ill. 85; Victor. pasch. 7; Cassiod. inst. div. 17,2. Hierzu auch Muhlberger, Chroniclers 56. Ediert sind die nicht auf Prosper zurückgehenden Ergänzungen von Mommsen, Chron. min. 1,486–90. 2 Muhlberger, Chroniclers 56 3 Mommsen, Chron. min. 1,345, gefolgt von Helm, Prosper 895. Tatsächlich behauptet Victor, Prosper ab 444 nicht mehr zu folgen: Huc usque Prosper vir religiosus ordinem praecedentium digessit annorum: cui et nos ista subiecimus (Vict. Tonn. chron. p. 184). 4 Muhlberger, Edition 243 f.

10

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Kaiser gibt er darüber hinaus auch ihre jeweilige Regierungsdauer an.1 Dass für Prosper diese Reste von Herrscherchronologien aber keine Funktion mehr für den chronologischen Rahmen an sich haben, zeigt sich daran, dass der Gallier offensichtlich darauf verzichtete, nach dem Tod von Theodosius II. und Valentinian III. ihre jeweilige Herrschaftsdauer zu ergänzen. Auch die durchgehende Zählung der Kaiser bricht mit Valentinian ab.2 Die Übernahme der beiden genannten Listen in den fortgesetzten Teil der Chronik hing in erster Linie mit der Bedeutung der beiden dadurch exponierten Ämter für den Chronisten zusammen. Politisch war Prosper stark an der Legitimität des theodosianischen Hauses orientiert, theologisch fokussierte er auf den kirchlichen Primat des Papsttums. Zählung und Benennung der Jahre stützen sich also ausschließlich auf die Passionsära und vor allem auf die zeitgleich mit dieser einsetzende Konsuldatierung. Über die genaue Herkunft der Konsulangaben herrscht in der Forschung dabei keine Einigkeit, was unter anderem daran liegt, dass die Beziehungen zwischen den einzelnen erhaltenen Konsullisten äußerst komplex sind.3 Muhlberger erkennt Ähnlichkeiten sowohl zu den Fasti Vindobonenses als auch zu den Consularia Constantinopolitana, ohne aber dass diese Listen exakt mit den Angaben bei Prosper übereinstimmen würden. Am wahrscheinlichsten ist daher, dass der Chronist mehrere Konsullisten benutzte, die zwar mit den heute greifbaren Beispielen verwandt, jedoch nicht identisch waren.4 Ab der Berichtzeit, in der Prosper aus eigenem Erleben heraus die Geschichte schildern konnte, dürfte er dann nicht mehr auf vorhandene Listen angewiesen gewesen sein. Insofern ist unabhängig von Versuchen der Identifikation von Prospers Konsulliste für die vorliegende Untersuchung die Feststellung wichtiger, dass die verwendete Liste relativ genau ist. Im Gegensatz zur Hieronymus-Epitome finden sich größere chronologische Fehler in der Fortsetzung des Hieronymus durch Prosper nicht. Ganz im Gegenteil: Offensichtlich legte der Gallier großen Wert auf die Genauigkeit seines chronologischen Rahmens. So weiß er Abweichungen von gängigen Besetzungsschemata des Konsulamts, gerade immer wieder vorkommende Einfachbesetzungen, regelmäßig zu begründen.5 1

Kaiserliste im fortgesetzten Chronikteil: c. 1167. 1184. 1198. 1207. 1235. 1283. Römische Bischofsliste: 1182. 1212. 1223. 1260. 1270. 1281. 1309. 1341. 2 Vgl. c. 1361 mit Komm. 3 Vgl. Cardelle de Hartmann, Historie 111. Erschwerend kommt hinzu, dass die heute vorliegenden Listen natürlich keineswegs alle zeitgenössischen Listen repräsentieren. 4 Vgl. Muhlberger, Chroniclers 73–5. Daneben Holder-Egger, Untersuchungen 77 f. 5 Vgl. hierzu c. 1215 f. 1239–42. 1248 f.

Einleitung

11

In Fragen der Chronologie muss Prosper damit insgesamt eine große Genauigkeit bescheinigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, wie wenig exakt andere zeitgenössische Chroniken datieren, gerade solche, die im Gegensatz zu Prosper ihren Berichten weiterhin eine Herrscherdatierung zugrunde legen. So zeigt sich der anonyme gallische Chronist von 452 nicht einmal dazu in der Lage, eine korrekte Anzahl von Berichtjahren in seiner Hieronymus-Fortsetzung anzulegen. 74 historischen Jahren (379–452) stehen hier 78 Berichtjahre gegenüber. Dass es auf einer solchen Grundlage fast unmöglich ist, zu einer korrekten Datierung auch von Einzelereignissen zu gelangen, dürfte einleuchtend sein.1 Bei Prosper hingegen ist sowohl die absolute als auch die relative Chronologie nahezu fehlerfrei. Durchaus vorhandene geringe Fehldatierungen von Einzelereignissen lassen sich darüber hinaus meist auf eine bewusste Entscheidung des Autors zurückführen, insbesondere dann, wenn Prosper eine als geschlossen betrachtete Ereigniskette nicht durch den Bericht über ein anderes Ereignis unterbrechen möchte.2 Prosper gelangt dadurch zu einem souveränen Umgang mit der Chronologie, die bei ihm nicht in jedem Fall absolut gesetzt wird. So fasst der Chronist mitunter mehrere Ereignisse unterschiedlicher Jahre aufgrund einer inhaltlichen Zusammengehörigkeit in einem einzelnen Bericht zusammen.3 Versuche einer allzu strikten Unterscheidung zwischen Chronistik und voll ausgestalteter Historiographie4 stoßen daher bei Prosper in gewissen Aspekten an ihre Grenzen: Prosper von Aquitanien ist der Historiograph unter den Chronisten. Stimmen, die ihm mit Vorurteilen chronologischer Natur be-

1

Die anonyme gallische Chronik ist ediert in Mommsen, Chron. min. 1,615–666. Sie ist als KFHist G 7 auch Teil des vorliegenden Projekts. Zur im Vergleich großen chronologischen Genauigkeit Prospers, zumindest in der Chronikfortsetzung: Muhlberger, Chroniclers 73 f. 2 Bspw. schiebt Prosper das Konzil von Chalcedon ins Jahr 453 (c. 1369), um die Gallienund Italieninvasion der Hunnen in den Jahren 451 und 452 (1364. 1367) nicht unterbrechen zu müssen. Aus einem ähnlichen Grund datiert die Chronik die von Constantius veranlasste Ansiedlung der Goten in Aquitanien um ein Jahr nach hinten (1271 zum Jahr 419), seine Kaisererhebung hingegen um ein Jahr nach vorn (1273 zum Jahr 420), um beide Ereignisse in einen klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhang zu bringen. 3 4

Vgl. die Abgrenzung der Chronistik von einer „classicizing history“ bei Burgess/Kulikowski, Mosaics 20–35. Ähnlich Cardelle de Hartmann, Historie 109. Burgess und Kulikowski wollen auch zwischen Chroniken und Consularia klare Grenzen ziehen: Burgess/Kulikowski, Mosaics 35–57.

12

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

gegnen, sind daher eher generellen Vorbehalten gegenüber dem Wert chronistischer Literatur an sich geschuldet als der konkreten Beschäftigung mit der Quelle selbst. Mögen sie vielleicht für Prospers Hieronymus-Epitome zu einem gewissen Grad noch zutreffen, so sind sie in Bezug auf die Fortsetzung des Hieronymus durch Prosper sicherlich verfehlt. 3. Quellen Geht man davon aus, dass Prosper etwa um das Jahr 390 geboren wurde, so war er bis in die 420er Jahre seines Berichts auf die Benutzung von Quellen angewiesen. Für die Hieronymus-Epitome sind diese Quellen vergleichsweise einfach zu identifizieren, entstammt hier das meiste Material doch schlicht der Chronik des Hieronymus. Einzelne Ergänzungen lassen sich daneben u. a. auf verschiedene Konsularannalen und im Fall von Häresiebeschreibungen auf Augustinusʼ de haeresibus zurückführen.1 Für Prospers Chronikfortsetzung hingegen ist es so gut wie unmöglich, bestimmte Quellen zu identifizieren. Eine Ausnahme bildet einerseits die Beschreibung der priscillianischen Häresie, die aus de haeresibus schöpft, andererseits die Zusammenstellung von Berichten um den Mönch Johannes, um Augustinus und um den Dichter Claudianus in c. 1201, 1204 und 1205. Die spezifische Kombination des Auftauchens dieser drei Personen in der Chronik deutet mit Trout auf die Benutzung von Augustinusʼ de civitate Dei.2 Eine solche Verwendung verschiedener Augustinus-Schriften in der frühen Chronik liegt angesichts der theologischen Orientierung Prospers am Bischof von Hippo ohnehin nahe. Vielleicht hat Prosper sogar erst durch die Geschichtssicht des Africaners unter dem Primat der Heilsgeschichte den Anstoß zu seinem Chronikprojekt erhalten.3 Die Kenntnis weiterer Augustinus-Werke durch den Chronisten lässt sich jedenfalls voraussetzen, beispielsweise des Briefwechsels zwischen dem Bischof und dem comes Africae Bonifatius, dem vielleicht das positive Bonifatius-Bild der Chronik geschuldet ist. Die Nutzung von Werken anderer Autoren durch Prosper lässt sich hingegen im Einzelfall lediglich vermuten, nicht aber beweisen. Prosper verzichtet darauf, seine Quellen explizit zu benennen. Da er darüber hinaus seine Vorlagen im Hinblick auf ihre inhaltliche wie stilistische Konsistenz 1

Vgl. Holder-Egger, Untersuchungen 60; Trout, Years 394 and 395 43 f. Auch Mommsen weist in seiner Ausgabe auf die Übernahmen aus Aug.de haer. hin. 2 Trout, Years 394 and 395 44–6. 3 So u. a. Markus, Chronicle 40 f.

Einleitung

13

stark überarbeitete, lassen sich auch keine wörtlichen Übernahmen aus anderen Werken finden.1 Zwar lassen sich immer wieder inhaltliche Anknüpfungspunkte zu anderen zeitgenössischen Berichten greifen; da es sich dabei aber meist um allgemeine Parallelen einzelner Ereignisdetails handelt, kann auf Grundlage solcher Befunde nicht zwangsläufig auch auf die Benutzung einer bestimmten Vorlage geschlossen werden. Dem trägt die Forschung insofern Rechnung, als sie seit den Studien Holder-Eggers merklich zurückhaltend im Versuch der Identifikation direkter Vorlagen geworden ist.2 Es kann daher allenfalls um die Benennung von Gattungsclustern gehen, aus denen Prosper geschöpft haben könnte. So lassen sich die kirchlichen Berichte der Jahre ab 378 wohl auf verschiedene Werke der kirchlichen Geschichtsschreibung zurückführen. Genannt werden in diesem Zusammenhang häufig Orosius, Rufinus von Aquileia oder Sulpicius Severus.3 Die politischen Informationen der frühen Chronik hingegen stammen mit einiger Sicherheit aus der Konsularannalistik. Die Nutzung solchen Materials ist allein deshalb anzunehmen, weil Prosper seinen chronologischen Rahmen aus eben dieser Quellengattung schöpfte. Der Befund wird durch die Nüchternheit politischer Notizen bis in die 410er Jahre und durch deren geographische Präzision erhärtet. Beide Charakteristika lassen sich für spätere Teile der Chronik nicht feststellen, in denen Prosper über wichtige Ereignisse zwar ohne genaue Lokalisierungen, dafür aber deutlicher wertend berichtet. Über die Zusammensetzung der annalistischen Quellen, die Prosper vorlagen, lässt sich hinausgehend über den allgemeinen Befund, dass sowohl die Fasti Vindobonenses als auch die Consularia Constantinopolitana im Detail Ähnlichkeiten zu einzelnen Einträgen aufweisen, nichts Definitives sagen.4

1

Vgl. Humphries, Chronicle 161; Muhlberger, Chroniclers 74. 76. Trout, Years 394 and 395 43. 3 Allerdings ist eine von Holder-Egger, Untersuchungen 87 f. behauptete Nutzung von Orosius durch Muhlberger, Chroniclers 74 mit Recht als spekulativ zurückgewiesen worden. Holder-Egger erkennt darüber hinaus Hinweise auf Sulpicius Severus und Rufinus: HolderEgger, Untersuchungen 86 f. Humphries, Chronicle 173 f. meint Spuren von Sulpicius Alexander zu sehen. 4 Die Nutzung der entsprechenden Gattung ist unbestritten, Mosaics 173–87, v. a. 179; Humphries, Chronicle 161. Ähnlichkeiten mit den Consularia Constantinopolitana: Muhlberger, Chroniclers 75; Fasti Vindobonenses: Muhlberger, Chroniclers 74. Solche Ähnlichkeiten sind mit Humphries, Chronicle 162–4 jedoch nicht auf eine direkte Nutzung dieser Quellen zurückzuführen, sondern auf ähnliche Vorlagen. 2

14

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Für die Berichtzeit ab 422 verliert die Frage nach Prospers Quellen dann an Relevanz. Dass die Chronik mit einem Mal deutlich ausführlicher und deutlich meinungsfreudiger wird, ist darauf zurückzuführen, dass Prosper ab diesem Zeitpunkt seine Darstellung zumindest teilweise auf eigenes Erleben stützen konnte und daher gerade für Einträge politisch-militärischen Inhalts nicht mehr auf annalistische Quellen angewiesen war.1 Dies bedeutet freilich nicht, dass der Chronist bei jedem Ereignis persönlich anwesend war. Jedoch muss er externe Informationen von nun an anders generiert haben als noch für den frühen Chronikteil. Da Prosper durch sein theologisches Wirken im Reich nachweislich gut verknüpft war, dürfte ihn diese Aufgabe nicht vor unlösbare Probleme gestellt haben. Spätestens mit der Übersiedlung nach Rom befand sich der Gallier unmittelbar am Fluss der Informationen, die er zum Abfassen seiner jüngeren Chronikfassungen benötigte. Dies gilt insbesondere für die kirchliche Entwicklung, die Prosper als Mitarbeiter Leos nicht nur unmittelbar beobachten konnte, sondern sogar selbst mitgestaltete. Alles in allem sind die Informationen, die Prospers Chronik nach 421 liefert, also oftmals originär. 4. Gattungsgeschichtliche Bedeutung Prosper führte die Chronik des Hieronymus fort. Diese war ihrerseits eine ins Lateinische übertragene und bis ins Jahr 378 fortgesetzte Version der Eusebius-Chronik. Prosper fügte sich mit seinem Werk also in bereits ältere Genretraditionen ein. Indem er dieser chronistischen Tradition durch die Aufnahme eines zweiten Traditionsstranges, dem der Konsularannalen, eine neue Form gab, war er zugleich maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass sich die Chronistik in der Spätantike zur typischen Gattung christlicher Geschichtsschreibung entwickeln sollte. Die Grundlage der Chronistik bildeten Herrscherlisten mit ursprünglich rein kalendarischer Funktion. Listen dieser Art wurden bereits im Alten Orient geführt und bereits hier wurden einzelne Herrschaftsjahre mit kurzen Ereignisberichten von meist militärisch-politischer oder dynastischer Natur verknüpft, wodurch die Herrscherlisten bald eine Rolle für die Identitätsbildung in einzelnen Reichen spielten. Vom Nahen Osten aus gelangte diese frühe Chronistik auch in den griechischen Raum. Je mehr Listen es gab, des-

1

Vgl. bspw. Prospers Bewertung des gescheiterten Castinus-Zugs gegen die Vandalen in Spanien in c. 1278. Entsprechende wertende Aussagen des Chronisten lassen sich erst ab dieser Stelle greifen.

Einleitung

15

to naheliegender wurde es, verschiedene Chronologien aufeinander zu beziehen, wie es etwa Eusebius noch im vierten Jahrhundert tat. Da über solche relativen Chronologien ein überlegenes Alter bestimmter Dynastien oder Völker erwiesen werden konnte, lag den entsprechenden Vergleichen nicht nur ein bloß kalendarischer Zweck zugrunde. Sie erfüllten darüber hinaus polemische oder apologetische Funktionen.1 In eine solche Tradition stellte sich auch die jüdische Chronistik, der es darum ging, in einer heidnischen Umwelt das Alter des jüdischen Monotheismus zu belegen.2 Eine ursprünglich reine Chronographie bekam also im Laufe der Zeit eine immer stärker sinnstiftende Funktion. Auch die christliche Chronistik wies noch bis in die Spätantike hinein deutlich apologetische Grundtendenzen auf. Dies galt auch für Eusebius, dessen Chronik einen vorläufigen Höhepunkt der Gattung im christlichen Kontext darstellte. Ganz in der bereits Jahrhunderte alten östlichen Tradition stehend, verfasste der Bischof von Caesarea eine inhaltlich umfassende und in ihrem chronologischen Anspruch unerreicht detaillierte – wenn auch komplizierte – Weltchronik in griechischer Sprache.3 Ihre eigentliche Wirkung entfaltete diese Chronik freilich erst mit ihrer Übersetzung durch Hieronymus. Die spätantik-christliche Chronistik sollte ihren Durchbruch im lateinischen Westen des Reichs feiern, weshalb die Chronikversion des Hieronymus zum zentralen Anschlusspunkt für verschiedene Chronisten des frühen fünften Jahrhunderts werden sollte.4 Hieronymusʼ Chronik wurde von diesen Autoren über ihr Schlussjahr 378 hinaus fortgesetzt. Prosper war nur einer dieser Autoren, doch gebührt ihm in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung, war er doch sicherlich der chronologisch genaueste und konzeptionell eigenständigste Hieronymus-Fortsetzer. Es ist kein Zufall, dass Prosper damit für die nächstfolgende Generation von Chronisten zum neuen Hieronymus wurde, es meist seine Chronik war, die nun ihrerseits fortgesetzt werden sollte. Der Grund hierfür war, dass der Gallier die Chroniktradition im Gegensatz zu Hieronymus nicht nur sprachlich latinisierte. Durch eine Verknüpfung mit den Konsularannalen und durch die Überarbeitung des Hiero-

1

Entwicklung der frühen Chronistik: Burgess/Kulikowski, Mosaics 63–98. Identitätsstiftende Funktionen: Croke, Origins 117–9; 2 Jüdische Chronistik: Croke, Origins 120 f.; Burgess/Kulikowski, Mosaics 99–110. 3 Croke, Origins 123–5; Burgess, Studies 21–109; Burgess/Kulikowski, Mosaics 99–131. 4 Burgess, Studies 113. Hieronymus-Chronik und ihre Bedeutung für die Entwicklung der christlichen lateinischen Chronistik: Burgess/Kulikowski, Mosaics 126–31.

16

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

nymus-Teils richtete Prosper die Chronistik auch chronologisch und inhaltlich verstärkt auf westliche Bedürfnisse hin aus. Dies war naheliegend, denn auch im Westen des Reichs kannte man natürlich eine eponyme Jahreszählung, auch wenn diese sich dort traditionellerweise nicht an einzelnen Herrschern, sondern an den römischen Konsuln orientierte. Die Namen dieser Jahresbeamten wurden in Fasten zusammengefasst, die wie die Herrscherlisten der östlichen Chronistik ursprünglich eine hauptsächlich kalendarische Funktion besaßen. Aber auch sie wurden nach und nach durch die kurze Einfügung wichtiger Ereignisse inhaltlich angereichert. Prosper nutzte solche angefüllten Listen wahrscheinlich als Quelle für seine frühen Chronikeinträge.1 Da also die westliche Fastentradition eine gewisse Verwandtschaft zur östlichen Chroniktradition aufwies, bot es sich für den westlichen Chronisten an, beide Stränge zu verknüpfen, indem er zur Zählung der Jahre in seinem Werk eine Konsuldatierung verwendete. Für die Rezeption seiner Chronik gerade im Westen des Reichs erwies sich dies als zentral. Zum einen verwendete Prosper als erster Autor einer „vollwertigen“ Chronik diejenige Datierungsweise, die seiner lateinischsprachigen Umwelt geläufig war.2 Zum anderen konnte er dadurch das komplizierte chronologische Geflecht des Eusebius-Hieronymus, mit den verschiedenen aufeinander bezogenen Herrscherlisten verschiedener Völker, entscheidend vereinfachen und seinen Rezipienten damit die Orientierung erleichtern. Diese Erleichterung nützte freilich auch Prosper selbst: Die vergleichsweise große chronologische Genauigkeit seines Werks hatte sicherlich auch damit zu tun, dass die von ihm verwendete Konsuldatierung weniger fehleranfällig war als eine Herrscherdatierung, da in seiner Methode das Amtsjahr der eponymen Konsuln mit dem Effektivjahr zusammenfiel. Kurz gesagt hatte Prosper der östlichen Chroniktradition einen kohärenten chronologischen Rahmen verschafft, der westlichen Fastentradition literarische Kraft. Gleichzeitig spiegelt diese technische Weiterentwicklung der Chroniktradition durch Prosper auch eine veränderte theologische Grundaufgabe der

1

Auf diesen zweiten Traditionsstrang der spätantiken Chronistik weisen hin: Burgess/ Kulikowski, Mosaics 269–74; Muhlberger, Chroniclers 23–46. Zum Genre der Consularia 2

Burgess/Kulikowski, Mosaics 130: Im Westen war die Datierung nach Herrschaftsjahren niemals so üblich wie im Osten. Dass Prosper mit seiner chronologischen Methode seinen Lesern den Zugang zur Geschichtsdarstellung erleichtert, stellt auch Muhlberger, Chroniclers 45 f. fest. Zur Konsuldatierung generell: Burgess/Kulikowski, Mosaics 133–7.

Einleitung

17

Chronistik, nämlich die – freilich bereits bei Hieronymus angelegte – Abkehr vom apologetischen Zweck des Werks. Das Ziel des Eusebius war es noch gewesen, das Alter des Christentums im Vergleich zur heidnischen Religion zu erweisen. Eine ähnliche Funktion war zur Wirkungszeit Prospers obsolet. In einem weitgehend christianisierten Reich konnte und musste er das Christentum nicht mehr nach außen verteidigen. Prosper ging es, auch angesichts der politischen Desintegration gerade des Weströmischen Reichs, vielmehr darum, die Einheit der Heilsgeschichte vom Beginn der Geschichte bis in die Gegenwart in ein schlüssiges Narrativ zu gießen.1 Neben dem Umstand, dass Prosper Teile der Hieronymus-Chronik in sein Werk übernahm, belegen die Veränderungen, die er dabei zur Erstellung einer Hieronymus-Epitome an der Chronik seines Vorgängers vornahm2, dieses Bemühen deutlich. Neben der allgemeinen Kürzung des Ausgangstextes wurde dieser zumindest in zwei Aspekten substantiell ergänzt: Während die Chronik des Eusebius-Hieronymus erst mit Abraham einsetzte, da dieser als erste biblische Person galt, die schlüssig in eine umfassende Weltchronologie einzuordnen war, ergänzte Prosper seinen Bericht um die Zeit der Schöpfung.3 Eine chronologisch-apologetische Plausibilität war dem Gallier in diesem Punkt weniger wichtig als die Einheit und vor allem die Vollständigkeit der Heilsgeschichte. Daneben fügte er in den Hieronymus-Text ausführliche Exkurse über christliche Häresien ein. Die Abwehr solcher galt Prosper jeweils als Erfolg des „rechten Glaubens“, den er als heilsgeschichtlich stabil erachtete.4 Vor allem aber fällt auf, dass Prosper durch seine Datierungsmethode die christliche Heilsgeschichte mit der Geschichte des Römischen Reichs seit dem Prinzipat verknüpfte; die Konsuldatierung setzt bewusst erst mit der Passion Christi ein.5 Prosper ordnete sich also keineswegs unreflektiert in bereits vorhandene Traditionen ein. Er passte diese Traditionen vielmehr in einer spezifisch westlichen Aneignung an seine eigenen Darstellungsabsichten an, integrier-

1

So schon Helm, Prosper 896. Vgl. auch Burgess/Kulikowski, Mosaics 115 f. Die Hieronymus-Epitome des Prosper ist ediert bei Mommsen, Chron. min. 1,385–460. Zur Epitome: Muhlberger, Chroniclers 60–73. 3 Vgl. in der Hieronymus-Epitome c. 1–25. Vgl. Muhlberger, Chroniclers 61 f. 2

4

Epitome: c. 856 (Novatianismus). 919 (Manichäismus). 1010 (Arianismus). 1063 (Makedonianer/Pneumatomachen). 5 Vgl. c. 388 der Hieronymus-Epitome. Der Chronist diskutiert in diesem Zusammenhang sogar abweichende Datierungsansätze für die Passion.

18

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

te den Faktor des Römischen Reichs in die Heilsgeschichte, schied apologetische Anliegen aus und öffnete die Gattung so für eine breitere Rezeption. Das Christentum hatte sich zu Beginn des fünften Jahrhunderts unumkehrbar gegen die heidnische Religion durchgesetzt, war zu einem integralen Faktor der römischen Geschichte geworden und stand mehr und mehr in der Notwendigkeit, sich mit Bedrohungen aus seiner eigenen Mitte auseinanderzusetzen. Diesen Entwicklungen trug der Gallier Rechnung und schuf so eine zeitgenössisch zeitgemäßere Form der Chronistik. 5. Rezeption und historischer Wert Bereits in der Antike wurde das Gesamtwerk Prospers intensiv rezipiert, wobei diese Rezeption in erster Linie den theologischen Schriften galt.1 Gleichzeitig verdeutlicht aber die Vielzahl der Chronikmanuskripte, dass sich auch Prospers historisches Werk in Spätantike und Frühmittelalter großer Beliebtheit erfreute. Die Chronik verbreitete sich schnell im gesamten Mittelmeerraum, sicher auch wegen des Umstands, dass Prosper in Rom schrieb. Eine darauf fußende breite Zugänglichkeit ließ das Werk für Fortsetzer, Exzerptoren und Epitomatoren gleichermaßen attraktiv erscheinen. Damit entwickelte sich die Chronik zur chronologischen Standardreferenz und wurde in allen Teilen des Reichs – auch im vandalischen Africa – intensiv genutzt, bearbeitet und ergänzt. Unter anderem schloss sich die Chronik des Victor von Tunnuna an Prosper an, ebenso die des Marius von Avenches. Noch im achten Jahrhundert nutzte Paulus Diaconus die Chronik des Galliers.2 So wie Prosper also mit seinen theologischen Schriften das mittelalterliche Verständnis der Gnadenlehre prägte, so prägte er mit der Chronik das Verständnis von Geschichte und Geschichtsschreibung. Angesichts dieser Wertschätzung, die Prosper bei Zeitgenossen und bei nachfolgenden Generationen genoss, stechen die negativen Urteile über seine Chronik in der frühen modernen Forschung umso mehr ins Auge. Helm weist in seinem RE-Artikel auf solch negative Wertungen hin, wenn er feststellt, dass die Beurteilung, die Prosper gefunden habe, unter der Verdammung leide, die seiner Chronik zuteilgeworden sei.3 Worin aber gründete

1

2

Die theologiegeschichtliche Bedeutung Prospers liegt darin, die Lehren des Augustinus

Nutzung Prospers als Ausgangspunkt für Fortsetzungen: Burgess/Kulikowski, Mosaics 57; Mommsen, Chron. min. 1,373–5; Muhlberger, Chroniclers 276. Speziell zu africanischen Ergänzungen: Holder-Egger, Untersuchungen 38–40; Schmidt, Wandalen 194. 3 Helm, Prosper 897. Helm teilt diese „Verdammung“ selbst: Ebd. 895.

Einleitung

19

diese „Verdammung“? Teilweise wurde einfach ein Urteil über die Hieronymus-Epitome auf den genuin Prosper zuzuschreibenden Chronikteil übertragen.1 Diese Epitome ist tatsächlich nicht mit ähnlicher Sorgfalt gearbeitet wie der fortgesetzte Teil des Werks. Teilweise spiegeln sich in negativen Urteilen aber auch einfach gängige Vorurteile gegen die im Vergleich zur Historiographie angeblich minderwertige Gattung der Chronistik. Selbst ein ebenfalls bereits früh begegnendes Lob des Quellenwerts der Prosper-Chronik wird unter dieser Maßgabe relativiert: Die Feststellung, dass der Schrift Wert deshalb zukomme, weil Prosper über eine Zeit berichtet, über die ansonsten kaum eine zusammenhängende Darstellung vorhanden ist, schreibt implizit die Voreingenommenheit gegenüber der Quelle fort.2 Dass ein besonderer Nutzen von Prospers Chronik in der Tat darin liegt, dass sie in historisch nicht übermäßig lichte Betrachtungszeiträume stößt, soll gar nicht bestritten werden. Der Wert des Werks erschöpft sich aber keineswegs allein darin, dass ein weströmischer Zeitgenosse über die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts berichtet. Auch die Art und Weise des Berichts verdient Beachtung. Zum einen zeigt sich Prosper gut informiert, zum anderen zeichnet sich seine Chronik durch chronologische Sorgfalt aus. Die Darstellung ist also nicht deshalb von Bedeutung, weil sie überhaupt existiert, sondern vor allem deshalb, weil sie Qualität hat. Eine solch revidierte Wertung Prospers findet sich in der neueren Forschung, die allgemein von Vorbehalten gegenüber der Chronistik abrückt, verstärkt, sodass Cardelle de Hartmann kaum noch widersprochen werden dürfte, wenn sie feststellt: „Prosper ist unter den Chronisten derjenige mit dem gepflegtesten Stil, der seine Informationen am ausführlichsten ausbreitet und auch eigene Reflexionen miteinfließen lässt.“3 Auch Muhlberger kommt in seiner vergleichenden Untersuchung mehrerer Chroniken zu einem ähnlich positiven Ergebnis.4 1

Beispielhaft dafür, wie sehr gerade die Epitome auf gelehrte Kritik stößt: Holder-Egger, Untersuchungen 79: „Dass Jemand eine so geistlose Arbeit des Epitomirens [sic!] macht, ist an sich nicht zu tadeln, wol [sic!] aber, wenn Jemand sie so schlecht macht, wie Prosper.“ 2 Lobende Erwähnung hauptsächlich auf Basis ihres Berichtzeitraums u. a. durch Helm, Prosper 895; Holder-Egger, Untersuchungen 84. Auch Muhlberger, Chroniclers 2 weist auf den Umstand hin, dass sich nur wenige Quellen mit dem Weströmischen Reich der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts befassen. Humphries, Chronicle Chronistik in der Hierarchie historiographischer Gattungen traditionellerweise einen der hinteren Plätze einnimmt. Diese Vorbehalte bauen sich erst in jüngerer Zeit ab. 3 Cardelle de Hartmann, Historie 119. 4 Vgl. Muhlberger, Chroniclers 113. 273 f. et passim.

20

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Darüber hinaus beschränkt sich der Wert der Schrift auch nicht einzig und allein auf die chronologische wie inhaltliche Präzision ihrer Einzelinformationen. Prospers Werk folgt einem klaren Darstellungsplan. Eine zusammenhängende Lektüre zeigt, dass der Chronik ein geschlossenes Geschichtsbild zugrunde liegt, dem Auswahl und Präsentation der Einzelinformationen unterworfen sind. Ohne die eigene Gegenwart allzu negativ zu bewerten, gibt Prosper als Zeitzeuge einen unmittelbaren und doch unaufgeregt reflektierten Einblick in die Entwicklungen, die zum „Untergang“ des Weströmischen Reichs führen sollten. Die Wertungen des Chronisten erfolgen dabei in einer durchaus ungewöhnlichen und für moderne Geschichtsbilder vielleicht auch unerwarteten Perspektive. Prosper führt die Probleme des Reichs weder auf Invasionen germanischer Völker noch auf die strafende Intervention Gottes zurück. Im Gegenteil: Sein Barbarenbild ist neutral, göttliche Eingriffe seiner Darstellung nahezu völlig fremd. Politisch-militärische Rückschläge sind gänzlich einer internen römischen Führungsschwäche geschuldet, die aus moralischen Defiziten zentraler Akteure herrührt. Gleichzeitig scheint der politische Niedergang den Chronisten nicht zu beunruhigen. Sein Augenmerk gilt der Kirche, die sich sogar in solchen Rahmenbedingungen als gefestigt erweist und daher auch nicht auf das Reich angewiesen ist. Die Stabilität der Kirche wiederum sieht Prosper im römischen Papsttum garantiert, womit er gleichzeitig als offiziöse Stimme der römischen Kirche in den Kontroversen seiner Zeit gelten kann. Als gut informierter und verknüpfter Zeitgenosse präsentiert Prosper ein in sich geschlossenes und über die gesamte Chronik hinweg durchgehaltenes Geschichtsbild. Der historische Wert der Chronik ist daher kaum zu überschätzen.

III. Der Inhalt der Chronik 1. Die politische Geschichte a) Kaiser und Usurpatoren Die Chronik verzeichnet zahlreiche Usurpationen. Magnus Maximus (1183), Eugenius (1197), Konstantin III. (1232), Attalus (1238 und 1254), nes (1282) geben sich gewissermaßen die Klinke in die Hand. Die jeweilige Illegitimität ihrer Herrschaft steht für Prosper außer Frage. Sie werden als tyranni bezeichnet, erlangen ihre Macht auf gewaltsamen Wegen oder durch

Einleitung

21

die Unterstützung barbarischer gentes.1 Der Chronist entwirft somit ein Bild klar zuweisbarer Legitimität und Illegitimität kaiserlicher Herrschaft, das jedoch die faktischen Verhältnisse stark vereinfacht. So wird die kurzzeitige Anerkennung des Magnus Maximus durch Theodosius I. und die des Konstantin III. durch Honorius ebenso wenig thematisiert wie die Ablehnung der für Prosper als legitim geltenden augusti Constantius III. und Marcian durch Theodosius II. einerseits und Valentinian III. andererseits. Dass Prosper hingegen Magnus Maximus zweimal als imperator betitelt (1183 und 1187), dürfte einer dem Usurpator gegenüber positiv eingestellten Quelle geschuldet sein. Die gewalttätige Machterlangung durch eine seditio seiner Soldaten und die Bezeichnung als tyrannus in c. 1191 belegen eindeutig, dass der Chronist Maximus nicht als legitim erachtete. Explizit benennt Prosper zwar keine Maßstäbe, um zwischen Legitimität und Illegitimität zu unterscheiden, die Art und Weise der Machterlangung von Kaisern und Usurpatoren in seiner Darstellung zeigt aber, dass der Chronist eine dynastisch-legitimistische Denkweise an den Tag legt. Die augusti seines Berichts sind in erster Linie deshalb legitim, weil sie entweder von einem anderen legitimen Kaiser in ihr Amt eingesetzt werden und/oder Sohn eines legitimen Kaisers sind. Dies gilt in der Chronik für alle nach 378 neu ins Amt gelangten Kaiser außer Marcian, also für Theodosius I. (1170), Arcadius (1179), Honorius (implizit 1198), Theodosius II. (1235, implizit schon 1224), Constantius III. (1273) und Valentinian III. (1286 und 1289) – mithin also für die theodosianische Dynastie.2 Die Legitimität dieser Dynastie wird von Prosper als gegeben vorausgesetzt und erweist sich nicht zuletzt in der stetigen Abwehr einer Vielzahl von Usurpatoren. Auf einer technischen Ebene verdeutlicht die Chronik diese Orientierung am dynastisch legitimierten Kaisertum mit der durchlaufenden Zählung aller jeweils ranghöchsten augusti unter Angabe ihrer Regierungsdauer.3 Im Laufe der Entstehung der Chronik muss Prosper dann aber bewusst geworden sein, dass ihm das theodosianische Kaisertum zwar als eine Säule seines Narrativs diente, für sich genommen aber kein sonderlich wirkmächtiger historischer Faktor mehr war, gerade im Westen des Reichs. Während 1

Bei Magnus Maximus ist der Auslöser der Erhebung eine seditio der Soldaten (c. 1183), wä c. 1191. 1203. 1232. 1243. 1254. 1288. 2 Dass Prosper auch den Vater des Theodosius I. erwähnt, quasi als Stammvater der Dynastie, stützt diesen Befund: c. 1170. 3 Vgl. c. 1167. 1184. 1198. 1207. 1235. 1283.

22

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Theodosius I. noch als durchsetzungsstarke Persönlichkeit charakterisiert wird, liegt die politische Initiative unter seinem Sohn Honorius bereits gänzlich in den Händen einzelner magistri militum, insbesondere des Stilicho und des Constantius. Letzterer wird dementsprechend von der Chronik frühzeitig als eigentlicher Herrscher des römischen Westens präsentiert, noch bevor er 421 selbst ins Kaisertum aufsteigen sollte, aber noch im Laufe des gleichen Jahres verstarb.1 Unter Valentinian III. ist es schließlich Aëtius, der als faktischer Machthaber anstelle des Kaisers agiert und dessen Beseitigung Valentinian selbst lediglich um ein Jahr überlebt. Die mit dieser politischen Insuffizienz der Theodosius-Nachfolger einhergehende Schwächung des Reichs insgesamt, einerseits durch Rivalitäten hoher Militärs um die vakante politische Führungsrolle, andererseits durch die dadurch beförderten Einfälle barbarischer Völker, dürfte für Prosper dazu beigetragen haben, seinen Fokus verstärkt auf die zweite, stabilere Säule seiner Geschichtsdarstellung zu richten, das römische Papsttum.2 Diese Akzentverschiebung führt in dem Moment, in dem beide Ordnungsfaktoren auf der „Räubersynode“ von Ephesus II in Konflikt geraten (1358), zum Bruch des Chronisten mit dem theodosianischen Haus. Mit Marcian lobt Prosper nun einen Kaiser, der laut der Chronik vom Heer ausgerufen wurde (1361) und dem Chronisten gemäß seiner vorherigen impliziten Kriterien für die Legitimität kaiserlicher Herrschaft daher eigentlich als Usurpator hätte gelten müssen und in den Augen Valentinians III. genau dies auch war.3 Prosper verschweigt sogar die Heirat des neuen oströmischen Kaisers mit Pulcheria, der Schwester des verstorbenen Theodosius II., und übergeht damit eine mögliche dynastische Legitimitätsgrundlage. Darüber hinaus scheint er nachträglich seinen Bericht über die Ausrufung Valentinians III. zum augustus der Ausrufung Marcians durch das Heer angeglichen zu haben, um so die marcianische Legitimität zu unterstreichen.4 Dieses Abrücken von der politisch schwachen und darüber hinaus auch dogmatisch unzuverlässigen theodosianischen Dynastie führt in der letzten Überarbeitungsstufe der Chronik dann dazu, dass Prosper nach dem Tod des Theodosius II. offensichtlich darauf verzichtet, dessen Regierungszeit an 1

Zu Constantius Kap. III.4.a. Kap. III.2.b. 3 Zumindest scheint die Anerkennung Marcians im Westen nicht vor dem 30. März 452 erfolgt zu sein, wie eine Angabe aus einer anonymen Prosper-Ergänzung nahelegt: Mommsen, Chron. min. 1,490,21. 4 Vgl. Komm. zu c. 1289. 1361. 2

Einleitung

23

der entsprechenden Stelle nachzutragen.1 Auch bricht die durchlaufende Zählung der römischen Kaiser an der Stelle der Marcian-Erhebung ab, an der eigentlich das Kaisertum des Valentinian III., des nun ranghöchsten augustus, die Reihe und Zählung der römischen Kaiser hätte fortsetzen müssen. Damit verliert das römische Kaisertum insgesamt seine Funktion für die Gliederung des Berichts. Von den zwei maßgeblichen und durchlaufend erwähnten Ämtern bleibt am Ende der Chronik allein das römische Papsttum übrig. b) Die Rivalitäten hoher Militärs Das zentrale Thema des politischen Berichtteils der Chronik sind die internen Spannungen hoher Funktionsträger im Weströmischen Reich. Diese Spannungen bilden in der Darstellung der Chronik einerseits die Voraussetzung für das Vordringen germanischer gentes und werden damit als eigentliche Ursache für den „Niedergang“ des Reichs identifiziert.2 Andererseits transportiert Prosper über die Darstellung interner Konflikte und ihrer Folgen eine moralische Botschaft: Das egoistische Streben nach bloß persönlichem Vorteil ist in der Konsequenz nachteilig sowohl für den ambitionierten Akteur selbst als auch für das Gemeinwesen. Am deutlichsten wird dies in der von Prosper zu einem „Kampf der Generäle“ um die politische Nachfolge des verstorbenen Constantius III. stilisierten Phase der Jahre 422 bis 432. Die gegeneinander gerichteten Ambitionen der Generäle Castinus, Bonifatius, Felix und Aëtius führen diese in den persönlichen Untergang. Castinus verschwindet mit der Niederlage des Johannes aus der Chronik, Felix wird ermordet (1303), Bonifatius stirbt während eines Feldzugs gegen Aëtius (1310). Auch Aëtius fällt letztlich seinem Machtstreben zum Opfer, als er 454 durch Kaiser Valentinian III. ermordet wird (1373). Prospers Wertung an dieser Stelle, dass statt des Hasses eigentlich die gegenseitige Zuneigung hätte gefördert werden müssen, kann damit auch als Kommentar für die Situation der Jahre 422 bis 432 gelten. Subalterne Generäle wie Sanoeces oder Litorius fügen sich nahtlos in das dergestalt entworfene Bild der Chronik ein.3 Die Folgen der dargestellten Rivalitäten haben aber nicht nur die militärischen Führungspersönlichkeiten 1

Zu erwarten wäre diese Angabe in c. 1283.

2

von der römischen Schwäche. So sind es die Wirren um die Johannes-Usurpation, die ihnen 425 die Möglichkeit eröffnen, Arles anzugreifen: c. 1290. 3 Vgl. c. 1294 (Sanoeces). 1335 (Litorius). Auf kirchlicher Ebene überträgt Prosper das Motiv der discordia auf den Streit zwischen Chrysostomos und Theophilos (c. 1220).

24

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

selbst zu tragen. Ihre Kämpfe untereinander führen zu beständigen Bürgerkriegen und zu einer Schwächung des Reichs, in deren Folge sich unter anderem die Vandalen in Africa festsetzen können. So sabotiert Bonifatius den Feldzug des Castinus gegen die Vandalen in Spanien, was in den Worten Prospers „der Beginn vieler nachfolgender Mühen und Übel“ für das Staatswesen gewesen sei (1278). Die Africainvasion der Vandalen selbst beschreibt Prosper dann als Folge des Kriegs zwischen Bonifatius und Felix (1294 f.). In der Sicht des Chronisten schwächt die militärisch-politische Führungsriege also zugunsten persönlicher Machtinteressen das Reich und trägt damit zum „Niedergang“ Westroms bei.1 Es dürfte diese schwerwiegende Folge der wechselseitigen Rivalitäten der großen Generäle sein, die dazu führt, dass Prosper die einzelnen Beteiligten an den internen Konflikten – auch Aëtius und mit gewissen Abstrichen Bonifatius2 – tendenziell negativ beurteilt. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu Constantius III., der einzigen weitgehend positiv gezeichneten militärischen Führungspersönlichkeit. Constantius nutzt seine Macht dazu, das vielfältig bedrohte Reich zu stabilisieren und wird in der Folge mit seiner Erhebung ins Kaisertum belohnt. An ihm müssen sich seine ihm nacheifernden Nachfolger dann messen lassen. Da sie aber das von Constantius so mühsam konsolidierte Reich durch ihre Rivalitäten wieder schwächen, halten sie dem Vergleich mit dem Vorgänger nicht stand und scheitern daher konsequenterweise auch beim Verfolgen ihrer persönlichen Ziele. c) Das Reich und die Germanen Die Rolle, die die barbarischen gentes bei Prosper für den „Niedergang“ des Weströmischen Reichs spielen, ist insgesamt eine passive. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen sieht der Chronist die verschiedenen Völker in erster Linie nicht als Verursacher sondern als Profiteure eines bereits in Gang gesetzten Desintegrationsprozesses.3 Die entscheidende Schwächung

1

Dieser Niedergang ist in der Sicht Prospers deutlich auf den politischen Bereich begrenzt. Für die kirchliche Ebene kann er nicht festgestellt werden, weshalb er vom Chronisten auch nicht allzu sehr problematisiert wird. Vgl. Kap. III.3. 2 3

Die Frage der Rolle barbarischer Einfälle für das Ende des Westreichs spaltet auch die Forschung. Werden auf der einen Seite die gentes als ursächlich verantwortlich für das Ende des Reichs gesehen, betont eine andere Seite eher die bereits angelegten internen Probleme. Vgl. zur Kontroverse zusammenfassend Halsall, Movers and Shakers.

Einleitung

25

des Reichs liegt für ihn in den internen Rivalitäten der weströmischen Führungsschicht begründet. Erst auf dieser Grundlage bekommen einzelne gentes überhaupt die Möglichkeit, ins Reich zu gelangen und sich dort festzusetzten. Insofern dienen die Völker Prosper vor allem dazu, die fatalen Konsequenzen individuellen moralischen Fehlverhaltens politischer Entscheidungsträger zu verdeutlichen. Ganz abgesehen davon zeigt sich Ravenna der selbstverschuldeten barbarischen Herausforderung wiederholt als nicht gewachsen. Geschwächt von Bürgerkriegen leiden Durchsetzungs- und Handlungsfähigkeit der Reichsregierung. Daneben präsentiert Prosper die Handelnden auch immer wieder als unvorbereitet und als über die Maßen arglos, wodurch die einzelnen gentes auch eine wichtige Rolle als Aufhänger für Kritik an einzelnen politischen Akteuren spielen. Gerade die meist subtile Kritik an Aëtius fußt auf solchen Vorwürfen mangelnder Umsicht in der Auseinandersetzung mit den Germanen. Im Rahmen der Eroberung Karthagos durch die Vandalen (1339) weist der Autor mehrfach darauf hin, dass der Verlust Africas zu verhindern gewesen wäre, wenn Ravenna die Bedrohung, die von Geiserich offensichtlich ausgegangen sei, ernst genommen hätte.1 Da sich die Germanenvölker in der Chronik also nicht verantwortlich für die Krise des Reichs zeigen, ergibt sich bei Prosper insgesamt ein vergleichsweise neutrales Barbarenbild. Die barbarischen Völker sind für ihn keineswegs per se schlecht. Einzig die Darstellung der Hunnen folgt maßgeblich den Linien vorgegebener Bilder zeitgenössischer Publizistik.2 Bei den germanischen Völkern der Westgoten und auch der Vandalen – explizite Kritik durch Prosper erfährt hier immer nur ihr König Geiserich, nicht aber das Volk an sich – liegt der Fall anders. Beide hielten sich seit Beginn des fünften Jahrhunderts beständig auf Reichsgebiet auf und scheinen sich dort schnell die Regeln römischer Politik und Diplomatie angeeignet zu haben, wie die Installierung des Attalus als Marionetten-Kaiser der Westgoten in Verhandlungen mit Kaiser Honorius um Siedlungsland zeigt (1238 und 1254). Goten und Vandalen stellen daher einen zwar nicht immer verlässlichen, aber doch besser berechenbaren Faktor für die Akteure in Ravenna dar. Die foedera, die mit Goten und Vandalen geschlossen werden, deuten

1 2

Vgl. dazu c. 1330. 1342 mit hist. Komm. Vgl. die Darstellung der Hunnen in c. 1346. 1364 (saevus). 1370 (ferox).

26

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

darauf hin, dass die römischen Akteure, und letztlich auch Prosper, sie prinzipiell für vertragsfähig hielten.1 Dementsprechend muss sich ihr Aufenthalt auf Reichsboden in der Darstellung der Chronik auch nicht zwangsläufig desintegrativ auf das Reich auswirken, jedenfalls nicht in stärkerem Maße als das Handeln der Akteure in Ravenna selbst. Geht man davon aus, dass Prosper in Person und Handeln des magister militum Constantius ein stabilisierendes Moment für das Reich erkennen will, so dürfte der Chronist sogar in der Ansiedlung der Westgoten in seiner Heimat Aquitanien im Jahr 418 (1271 zum Jahr 419) eine tendenziell konstruktive Maßnahme erkannt haben. Zwar verschweigt der Chronist nicht, dass die Goten auch nach ihrer Ansiedlung eine latente Bedrohung für Ravenna blieben, da sie weiterhin in erster Linie eigene Interessen verfolgten (1290 und 1324). Er weist im Zusammenhang mit der Attila-Invasion Galliens 451 (1364) zugleich aber darauf hin, dass sich diese Interessen durchaus mit römischen Interessen decken konnten. Konsequenterweise präsentiert er in c. 1371 die Ebenen der „gotischen Ruhe“ und des „Friedens mit den Römern“ als zusammengehörig. Hiermit reflektiert der Chronist nicht nur mögliche innergotische Diskurse um ein adäquates Verhältnis von Tolosa und Ravenna, sondern bezieht zugleich Position in analogen römischen Diskussionen. Das Bild der Westgoten bei Prosper ist also paradigmatisch für seine Stellung zu den barbarischen gentes insgesamt. Er bewertet einzelne Völker, ebenso wie einzelne Personen, anhand ihrer Taten und Motive. In dieser Perspektive können selbst Barbarenvölker als Stabilitätsfaktor für das Reich wirken. 2. Die kirchliche Geschichte a) Häresie und Orthodoxie Ähnlich wie das römische Kaisertum der Herausforderung durch Usurpationen unterworfen ist, so ist die katholische Kirche in der Darstellung der Chronik einer beständigen Herausforderung durch Häresien ausgesetzt. Da in heilsgeschichtlicher Perspektive die ständige Zurückweisung kirchlicher Irrlehren zugleich den Geltungsanspruch der Orthodoxie als legitim verbürgt, legt Prosper in der Hieronymus-Epitome wie im fortgesetzten Chronikteil einen deutlichen Schwerpunkt auf die Beschreibung solcher Häresien und ihrer Abwehr.

1

Verträge mit den Vandalen: c. 1321. 1347. Im Fall der Goten sind die Hinweise weniger direkt, stehen an sich aber außer Frage: c. 1259. 1271.

Einleitung

27

Die Exkurse zu den einzelnen Häresien sind relativ ausführlich, die Beschreibungen der fraglichen Lehren inhaltlich vergleichsweise präzise. Auch decken die thematisierten Irrlehren tatsächlich die maßgeblichen häretischen Herausforderungen der Berichtzeit ab. Auf den ersten Blick scheinbar vorhandene Lücken, wie die fehlende Beschäftigung mit dem Arianismus, erweisen sich bei einem Blick in die Hieronymus-Epitome als gefüllt.1 Während Prosper zu Beginn seiner Chronikfortsetzung inhaltlich noch einer gallischen Perspektive folgt und beispielsweise dem eher lokal bedeutsamen Priscillianismus (1171 und 1187) Aufmerksamkeit widmet, nimmt er später reichskirchliche Bedrohungen wie den Eutychianismus (1358) in den Blick. In gewisser Weise spiegelt sich hierin der biographische Bruch Prospers, der mit seiner Übersiedlung nach Rom als Mitarbeiter Papst Leos in unmittelbare Berührung mit der reichsweiten Kirchenpolitik kam.2 Im Zentrum der Häresiediskussion des augustinisch orientierten jungen Prosper steht fraglos noch der Pelagianismus, beziehungsweise ein von diesem nicht unterschiedener Semipelagianismus. Der Beschreibung und Abwehr dieser Irrlehre widmet der Chronist ganze acht Einträge, die sich über zwei Redaktionsstufen der Chronik hinweg erstrecken.3 Durch die Betonung der Rolle africanischer Akteure in der Zurückweisung des Pelagianismus (1261 und 1266) und durch die Deutung des Nestorianismus als dessen Schwesterhäresie (1306) weist die Chronik zugleich auf den ökumenischen Charakter dieser häretischen Herausforderung hin. Die Konzentration auf die antiaugustinische Irrlehre ist zum einen biographisch-theologisch begründet, war Prosper zu seiner gallischen Zeit doch selbst in die Kämpfe um die Lehren des Augustinus involviert. Darüber hinaus spielt die Häresie aber auch eine nicht unerhebliche Rolle für eine moralische Grundaussage der Chronik: Prosper nutzt das für ihn typisch pelagianische Charakteristikum des Hochmuts im- und explizit immer wieder zur negativen Beschreibung

1

Die häresiologische Behandlung des Arianismus erfolgt in der Epitome: c. 1010. – Zur Überlieferung und Echtheit der Häresie-Einträge in der Epitome und im fortgesetzten Chronikteil vgl. philol. Komm. zu c. 1252. 2 Zur Vita des Chronisten vgl. Kap. I. 3 Vgl. c. 1252. 1261. 1265. 1266. 1301. 1304. 1306. 1336. Der Schwerpunkt dieser Häresiebetrachtung liegt auf der ersten Chronikversion von 433, nicht zuletzt deshalb, weil der Pelagianismus bereits 431 ökumenisch verurteilt worden war.

28

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

einzelner Akteure auch politischer Provenienz.1 In diesem Punkt sind theologische und politische Ebene also verbunden, die jeweilige Kritik Prospers wird durch die Analogie jeweiliger charakterlicher Defizite umso deutlicher. Allen von Prosper beschriebenen Häresien ist gemein, dass sie ihren Ausgang in der Geschichte nehmen, als „Erfindungen“ ihrer jeweiligen Häresiarchen gelten und dementsprechend auch nach diesen benannt sind. Im Gegensatz zu diesen historisch bedingten Irrlehren erweist sich die Orthodoxie als apostolisch und damit universal, sie geht auf Christus selbst zurück und ist in Folge einer apostolischen Sukzession von Bischöfen bruchlos überliefert. Damit gilt der rechte Glaube als heilsgeschichtlich stabil und kann sich, anders als die Häresie, auf seine Einsetzung durch Christus berufen und nicht bloß auf eine Erfindung durch Priscillian (1171), Pelagius (1252), Nestorios (1297) oder Eutyches (1358). Prospers apostolisches Glaubenskonzept wird deutlich in c. 1369, wo er die 451 in Chalcedon beschlossenen Glaubensformeln als „gemäß der Lehre der Evangelien und der Apostel“ beschreibt. Das Konzept von der apostolischen Stabilität der Orthodoxie verbindet sich bei Prosper im Laufe der Zeit dann verstärkt mit dem Papsttum. Die in die Chronik eingebundene römische Bischofsliste lässt vermuten, dass der Chronist der ungebrochenen Sukzession der römischen Bischöfe schon früh eine heilsgeschichtliche Bedeutung für die apostolische Stabilität der Kirche insgesamt zubilligen wollte. Als Papst Leo dann das Konzept der Apostolizität in immer stärkerem Maße für die römische Kirche monopolisierte, fielen für den späten Prosper schließlich Orthodoxie und Papsttum untrennbar in eins.2 Dieser gedankliche Prozess sich wandelnder ekklesiologischer Positionen bei Prosper ist auch der Grund dafür, dass sich der Personenkreis, der sich laut der Darstellung der Chronik bei der Abwehr von Häresien hervortut, sukzessive kleiner wird. Während die Bekämpfung von Irrlehren anfangs noch von einem breiten Kollektiv kirchlicher Akteure unterschiedlicher Herkunft getragen wird, verengt sich der Personenkreis im Laufe der Chronik zunehmend auf die römischen Bischöfe. Spätestens im Pontifikat des Leo ist die Orthodoxie von Prosper dann völlig im Papsttum persona-

1

Hochmut: c. 1278 (Castinus). 1327 (Geiserich). 1336 (Julianus von Aeclanum). 1348 (erneut Geiserich). 1364 (Hunnen). 2 Bischofsliste in Prospers Chronikfortsetzungsteil: c. 1182. 1212. 1223. 1260. 1270. 1281. 1309. 1341.

Einleitung

29

lisiert, die Häresieabwehr zur ureigenen Aufgabe des römischen Pontifex geworden.1 b) Die Rolle der römischen Kirche Allein die Einbettung der römischen Bischofsliste in den Bericht der Chronik zeigt, wie zentral die römische Kirche für Prosper und die Komposition seines Geschichtswerks war. Neben dem Kaisertum ist das Papsttum die einzige Institution, deren Amtsträger durchgehend aufgelistet werden. Gegen Ende des Berichtzeitraums, als die beiden geschichtlichen Ordnungsgrößen unter Kaiser Theodosius II. miteinander in Konflikt geraten (1358), erweist sich das Papsttum schließlich sogar als die tragende Säule der Darstellung. Doch auch vorher lässt sich in der Bipolarität kirchlicher und politischer Entwicklung bereits eine sich verstärkende Hinwendung des Chronisten zur kirchlichen, gerade zur römisch-kirchlichen Sphäre erkennen. Während sich das Kaisertum zunehmend als schwach, das Militär zunehmend als moralisch defizitär erweist, präsentiert Prosper das Papsttum als stabil, durchsetzungsstark und integer, und zeichnet damit schon vor dem Bruch mit dem theodosianischen Haus ein kirchliches Gegenbild zur politischen Schwäche des Reichs. Unter Führung des Papsttums zeigt sich die Kirche im Gegensatz zum politischen Reich stets dazu in der Lage, die Aufrechterhaltung der eigenen Ordnung sicherzustellen.2 Nicht zuletzt dieser darstellerische Gegensatz ist der Grund dafür, dass Prospers Bild vom Papsttum nicht immer der faktischen Entwicklung entspricht. So übertreibt er in manchen Zusammenhängen die Rolle der römischen Bischöfe, beispielsweise bei der Abwehr des Nestorios (1297). Daneben thematisiert der Chronist nicht, dass der seiner Darstellung zugrunde liegende römische Primatanspruch, den insbesondere Papst Leo vehement betonte, in der reichsweiten Kirche keineswegs unumstritten war. Implizit gibt Prosper sogar Hinweise auf hierarchische Rückschläge des apostolischen Stuhls, unter anderem in den beiden Osterterminkontroversen mit der Kirche von Alexandria (1352 und 1376). 1

Zur Rolle Leos v. a. c. 1350. 1369. In Chalcedon ist es nicht der rechte Glaube, der anerkannt wird, sondern der von Leo verkündete Glaube. Für den Chronisten sind beide Ebenen eins. Nur zu Beginn der Chronik erwähnt Prosper noch den Beitrag anderer Akteure: c. 1266. 1297. 1304 u. a. 2 Dies zeigt sich in der Abwehr von Häresien. Dabei erweist sich die Kirche auch in entlegenen Regionen wie Britannien handlungsfähig (c. 1301), fällt nicht auf Täuschungen wie auf die des Julianus herein (1336) und ist weiterhin zu reichsumspannendem Handeln in der Lage (1350). All diese Punkte treffen für die politische Seite nicht mehr zu.

30

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Auf die gleiche Weise erklärt sich, wieso Prosper darauf verzichtet, die dogmatischen und hierarchischen Konflikte zu thematisieren, die das Pontifikat des Zosimus begleiteten. Dieser hatte mit seiner Verteidigung des Pelagius einerseits die africanische Kirche gegen sich aufgebracht, durch Eingriffe in den Streit um den südgallischen Metropolitansitz andererseits Teile der gallischen Kirche von Rom entfremdet. Ebenso wenig taucht das innerrömische Schisma von 418/19 in der Chronik auf, obwohl Prosper zweifellos von ihm gewusst hat.1 Da für ihn die Grundlage für das kirchliche Stabilität garantierende Wirken der Päpste die Apostolizität des römischen Bistums war, Hinweise auf ein römisches Schisma oder auf die zweifelhafte Positionierung eines einzelnen Papstes aber die ungebrochene Sukzession des Papsttums von Petrus an bis hin zum aktuellen Amtsträger infrage hätte stellen können, entschied er sich, entsprechende Situationen mehr oder minder geschickt zu verschweigen oder umzudeuten. Die römische Bischofsliste in der Chronik behält damit eine ähnliche Funktion wie die erste bekannte Liste bei Irenaeus von Lyon, in der die Kontinuität der römischen Sukzession die Rechtgläubigkeit der römischen Bischöfe verbürgt.2 Diesen Gedanken fortspinnend, gelten die Päpste für Prosper dann als letztgültiger Prüfstein für Orthodoxie und Häresie – oder anders: Die Position der römischen Bischöfe gilt dem Chronisten per se als orthodox. Auf dieser Grundlage gelangt die Chronik zu einem geschlossenen Bild vom kirchlichen Handeln der Päpste, welches seinen Höhepunkt in den späten Fassungen des Berichts unter Papst Leo findet. Die Rolle des römischen Bischofs verdichtet sich dabei in c. 1350, wo die antimanichäischen Maßnahmen Leos in Rom beschrieben werden. Indem die anderen Kirchen des Reichs, auch im Osten, dem Beispiel des „apostolischen Lenkers“ nachgeeifert hätten, habe der Einsatz des Papstes dem gesamten Erdkreis genutzt. Es ist Rom, das die Einheit sowohl der Heilsgeschichte als auch der reichsweiten Kirche verbürgt, indem es Häresien abwehrt. Nur zu Beginn der Chronik teilt sich die römische Kirche diese Häresieabwehr noch mit anderen Akteuren. Im gleichen Maße, in dem Prosper dann verstärkt die apostolische Qualität der Päpste betont3, monopolisieren die Päpste dann auch

1

Hierzu jeweils Komm. zu c. 1260 f. 1265 f. 1270. 1309.

2

389–97. Problem einer häretisch/schismatisch gebrochenen Sukzession am Beispiel der Kirche von Konstantinopel an der Wende zum sechsten Jahrhundert: Kötter, Stability 44–6. 3 apostolicus: c. 1336. 1350. 1362. 1369. Hinzu kommt ein Beleg in 1358, der aber aus einer späteren Interpolation stammt.

Einleitung

31

jene in seinem Denken so wichtige Aufgabe. Den anderen kirchlichen Akteuren bleibt, der römischen Direktive zu folgen (1350 und 1369). Während also die Eigennützigkeit der politischen Führung zu politischer Instabilität führt, begründet das Handeln der kirchlichen Führung eine umfassende kirchliche Stabilität. Die Chronik führt diesen Gegensatz so weit aus, dass sie ihn im Pontifikat des Leo schließlich auf die Spitze treiben kann: Es ist nun die Kirche, die nicht mehr nur sich selbst, sondern zunehmend auch das Reich stabilisiert. Papst Leo begegnet mehrfach in dezidiert politischer Funktion: 440 schlichtet er den Streit zwischen Aëtius und Albinus in Gallien (1341), 452 tritt er dem Hunnenkönig Attila (1364), 455 dem Vandalenkönig Geiserich (1375) in diplomatischer Mission entgegen. In allen drei Situationen vermag der kirchliche Akteur das, wozu die eigentlich dazu beauftragten politischen Akteure nicht mehr in der Lage sind. Leo wendet politisches und militärisches Unheil vom Reich und der Stadt Rom ab (am deutlichsten 1364). All das unterstreicht, dass das Papsttum nach dem Bruch Prospers mit dem theodosianischen Kaisertum von c. 1358 für die Chronik als einziger und eigentlicher Kontinuitätsfaktor römischer Geschichte dient. Das kirchliche Rom löst mit Papst Leo das politische Rom in seiner historischen Bedeutung endgültig ab. Es ist genau diese Sicht auf das Römertum, welches also faktisch nur noch kirchlich greifbar ist, die Prosper davor bewahrt, angesichts des politischen Niedergangs des Reichs in Panik zu verfallen. Aus diesem Grund gebührt der letzte Eintrag der Chronik auch dem Einsatz des römischen Bischofs für die liturgische Einheit des gesamten Reichs (1376), nicht aber der direkt zuvor berichteten Plünderung Roms durch die Vandalen. 3. Kirchliche Macht – politische Ohnmacht Ähnlich wie auch Papst Leo, der der Kirche von Konstantinopel nach dem Konzil von Chalcedon 451 entgegenhielt, dass die Ordnung der Kirche eine andere sei als die Ordnung der weltlichen Dinge1, steht Prosper politischen Eingriffen in die Kirche kritisch gegenüber. Er geht hierbei sogar einen entscheidenden Schritt über leonische Positionen hinaus, hatte er seine eigene Position bezüglich des Verhältnisses von Reich und Kirche doch offenbar bereits sehr frühzeitig und dabei unabhängig vom Papst entwickelt. Die Chronikversion des Jahres 433 macht deutlich,

1

Leo M. epist 104.

32

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Prospers gegenüber politisch motivierten und gestützten Eingriffen in kirchliche Sphären sogar dann Gültigkeit besitzen, wenn es sich bei diesen Eingriffen um Eingriffe zugunsten der Orthodoxie handelt. So teilt Prosper die verbreitete Kritik am Todesurteil, das der Usurpator Maximus in Trier über Priscillian verhängte (1187 mit 1193), obwohl dieser dem Chronisten unzweifelhaft als Häretiker gilt (1171). Auch die Beschreibung der Affäre um die politisch motivierte Absetzung des Heros von Arles (1247) zeigt, dass für Prosper die dogmatische Orientierung politischen Eingreifens in die Kirche für seine Missbilligung solchen Eingreifens nicht entscheidend ist. Der Chronist kritisiert später immerhin auch den ebenfalls politisch veranlassten Mord am unkanonisch ins Amt gelangten HerosNachfolger Patroclus (1292). Später ist es dann der häretische Übergriff des Kaisers Theodosius II. auf die Kirche (1358), der dazu führt, dass sich die Chronik von der theodosianischen Dynastie als Faktor für die Strukturierung ihres Berichts abwendet. Das Problem, das der Chronist mit (wie auch immer motivierten) Eingriffen politischer Akteure in die Belange der Kirche hat, spricht er im Zusammenhang mit der Heros-Absetzung deutlich an: Entsprechende Eingriffe führen zu Spannungen innerhalb der Kirche.1 Eine solche discordia betrachtet Prosper, ähnlich wie auch hinsichtlich der politischen Ebene, aber als Grundübel. Die drohenden desintegrativen Folgen hält Prosper aber nicht nur für problematisch, sondern darüber hinaus auch für unnötig: Im Gegensatz zum Reich war die Kirche in seinen Augen dazu in der Lage, ihre internen Konflikte selbst zu regeln. Eine Kirche, die geschlossen dem Papsttum folgte, brauchte kein regelndes Kaisertum. Andererseits stehen sich für Prosper Kirche und Reich, religiöse und politische Ebene nicht unvereinbar gegenüber. Eine solche Position wäre zeitgenössisch untypisch, wenn nicht sogar undenkbar.2 Im Gegenteil: Der chronologische Rahmen der Prosper-Chronik mit seiner Verbindung der römischen Geschichte mit der kirchlichen Heilsgeschichte legt nahe, dass auch der Chronist die Ebenen von Reich und Kirche eng aufeinander bezogen 1

Ähnlich auch beim Streit zwischen Theophilos und Chrysostomos (c. 1220). Auch die durch Prosper kritisierte kaiserliche Aburteilung Priscillians (1187) führte zu einem mehrjährigen Konflikt innerhalb des Episkopats, dem sog. „Felicianischen Streit“. Vgl. c. 1193 mit Komm. 2 Selbst ein dem kirchlichen Engagement des Kaisertums g stellter Zeitgenosse wie Papst Gelasius sprach sich später keineswegs für eine konsequente Trennung beider Ebenen aus, sondern allenfalls für eine klare Kompetenzabtrennung. Zu Gelasius und seiner Zweigewaltenlehre: Kötter, Kaiser und Apostel 107–9. 158 f.; Ullmann, Grundsatz 41–70; Ullmann, Gelasius 198–211.

Einleitung

33

wissen wollte. Dass er mit seiner Kritik am eingreifenden Kaisertum nicht gänzlich konsequent sein konnte, liegt auch daran, dass Papst Leo dies ebenfalls nicht war. So erwähnt Prosper, dass Leo Kaiser Marcian in der Osterterminfrage von 455 einige Briefe schrieb (1376), offenbar in der Erwartung der Durchsetzung seiner theologisch-liturgischen Position durch Marcian. Selbst vergleichsweise kritische Päpste wie Leo konnten also einer Kooperation mit dem Kaisertum nicht gänzlich eine Absage erteilen, da es in letzter Instanz nur die Kaiser waren, die den kirchlichen Akteuren im reichsweiten Konfliktfall zur Durchsetzung verhelfen konnten.1 Die Chronik wertet das Verhalten Leos insofern zwar nicht explizit positiv, erwähnt es aber immerhin. Es findet sich aber noch ein anderer Grund für die nicht gänzlich konsequente Trennung beider Ebenen: Eine mangelnde Abgrenzung musste sich nicht zwangsläufig nur in politischen Übergriffen auf die Kirche zeigen, sondern konnte auch zu kirchlichen Übergriffen auf politische Sphären führen. Diese Form der Transzendierung beider Ebenen aber beschreibt Prosper gerade in den späten Teilen der Chronik mehrfach (insb. 1341, 1364 und 1375). Die entsprechenden Eingriffe kirchlicher Akteure ins politische Geschehen werden dabei keinesfalls kritisiert, sondern als nutzbringend begrüßt und dadurch legitimiert. Die römischen Kaiser sind schwach, die militärisch-politische Führung erweist sich als zerstritten und nicht mehr dazu in der Lage, den politischen Bedrohungen des Reichs entgegenzutreten, was beispielsweise an der Überraschung Ravennas über die Eroberung Karthagos durch Geiserich verdeutlicht wird (1339). Hier weist Prosper deutlich auf die Differenz zwischen der politischen Ohnmacht und der kirchlichen Handlungsfähigkeit hin, immerhin beschreibt die Chronik in einer analogen kirchlichen Situation kurz vor dem Verlust Karthagos die römische Kirche sehr wohl als aufmerksam, wenn sie die Wiederaufnahme des Julianus von Aeclanum in die Gemeinschaft verhindert (1336). Letztlich ist das Reich in der Sicht Prospers zur Aufrechterhaltung grundlegender politischer Stabilität also sogar darauf angewiesen, dass kirchliche Akteure ihrerseits die Abgrenzung beider Ebenen durchbrechen. Während der politische Weltmachtanspruch des Reichs von Ravenna nicht mehr aufrechterhalten werden kann2, sorgt die römische Kirche für die 1

Zur Rolle der Kaiser in der Reichskirche vgl. Kötter, Suche 8–20, v. a. 8–13. Die römische Herrschaft über Britannien dürfte sich spätestens um 440 endgültig aufgelöst haben, ohne dass Prosper davon berichtet. Vgl. Chron. Gall. (452) 126. Südgallien hatte Ravenna an die Westgoten abgetreten (c. 1271), Africa an die Vandalen verloren (u. a. 1339). 2

34

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Reinheit der christlichen Lehre sogar am äußersten Rand der Welt, nämlich auf den britischen Inseln (1301 und 1307). Der Weltmachtanspruch Roms geht im Laufe der Chronik also von der politischen auf die kirchliche Sphäre über. Damit findet die im chronologischen Rahmen der Chronik ausgedrückte Verbindung von Römertum und Heilsgeschichte letztlich ihre Erfüllung. Im Papsttum bündeln sich beide Orientierungspunkte und beschließen dadurch den Bericht der Chronik. 4. Die Hauptfiguren Die gerade skizzierten Themen werden von der Chronik über die Beschreibung des Handelns einzelner Personen vermittelt. Dabei stehen verschiedene Akteure überdurchschnittlich häufig im Fokus. Constantius, Aëtius, Geiserich und Leo sind die Protagonisten der Chronik. Ihre Charakterisierung spiegelt Grundthemen und liefert Bilder und Gegenbilder, anhand derer Prosper seine (heils-) geschichtliche Botschaft mal offensichtlicher, mal subtiler vermittelt. Der personale Fokus der frühen Chronikfassung von 433 liegt auf Constantius, der sich 421 als Constantius III. kurzzeitig zum römischen Kaiser aufschwingen sollte. Er repräsentiert Prospers legitimistische Sicht auf das theodosianische Kaisertum, in dessen Dienst sich der steile Aufstieg des Generals vollzieht. Sein erfolgreiches Handeln stabilisiert das bedrohte Reich, womit er ein Gegenbild zu Aëtius liefert, der ihn nach einer Zwischenphase des „Kampfs der Generäle“ in seiner Stellung als bestimmende Figur ablöst und dessen Agieren dann in den späteren Fassungen der Chronik nachgezeichnet wird. Vor dem Hintergrund des Constantius zeigt sich also die kritische Distanz Prospers zu Aëtius. Dessen Handeln ist ambivalent, wie die Umstände seines Aufstiegs verraten, der sich unter dem Primat persönlicher Machtinteressen abspielt und damit das von seinem Vorgänger stabilisierte Reich wieder destabilisiert. In diesem Sinne verkörpert die Person des Aëtius die negativen Effekte individuellen Machtstrebens auf den Einzelnen und auf das Gemeinwesen sowie das wechselhafte Geschick im Vertrauen auf rein menschliche Fähigkeit und Umsicht. Einer der Gegner des Aëtius, an dessen Erfolgen sich die Schwächen des magister militum zeigen, ist der Vandalenkönig Geiserich. In dessen Kampf gegen die katholische Kirche und gegen Gott selbst (vgl. 1339) liefert dieser

Auch über Spanien dürften die Verantwortlichen keine Kontrolle mehr ausgeübt haben, wie es die Chronik des Hydatius nahelegt.

Einleitung

35

auch direkt zusammentrifft. Der Papst zeichnet sich hier durch sein Gottvertrauen aus, welches ihn gegenüber Geiserich umso positiver erscheinen lässt, ihn gleichzeitig aber auch in einen Gegensatz zu Aëtius bringt, der sich gänzlich auf seine eigene providentia verlässt (1364). Im Erfolg Leos liegt damit beides, eine Kritik am gottlosen Vandalenkönig und eine Kritik am letztlich an seiner eigenen Beschränktheit scheiternden römischen General. Leo steht damit stellvertretend für die Kirche und vor allem für das Papsttum, das sich zum maßgeblichen stabilisierenden Faktor sowohl für das Reich als auch für die Kirche entwickelt, weil die politische Führung nach dem Tod des Constantius hinblicklich ihrer politischen Aufgaben versagt hat. a) Constantius III. Die Karriere des Constantius wird von Prosper aufmerksam verfolgt und in ihren einzelnen Etappen genau beschrieben. Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern in der politischen Führung des Reichs schreibt Prosper Constantius dabei nicht das Motiv individuellen Machtstrebens zu. Sein Aufstieg ist einzig und allein Produkt seines Dienstes für das legitime Kaisertum. Constantius ist es, der zusammen mit seinem Amtskollegen Ulfilas Konstantin III. in Arles besiegt (1243). Ihm wird wenig später Attalus ausgeliefert, nachdem dieser den Rückhalt der Goten verloren hat (1256). Es ist auch Constantius, der daraufhin einen Frieden mit den Westgoten aushandelt und als Lohn dafür durch die Heirat mit Galla Placidia Aufnahme in die kaiserliche Familie findet (1259). Dafür revanchiert er sich mit der Sicherung der theodosianischen Dynastie, indem er Valentinian zeugt, den späteren Nachfolger des kinderlosen Kaisers Honorius (1267). Constantius erscheint bei Prosper damit als der wichtigste stabilisierende Faktor für das spätestens seit 406 in deutliche Unruhe geratene Reich. Angesichts seiner Erfolge ist es folgerichtig, dass Honorius den General 421 zum augustus ernennt (1273). Der Bericht Prospers legt nahe, dass dem neuen Kaiser dadurch eine faktisch ohnehin besessene Macht lediglich bestätigt wird. Dass nicht Honorius, sondern Constantius den Usurpator Attalus in Empfang nimmt und die Goten in Aquitanien ansiedelt (1271), spiegelt die Machtverhältnisse im Weströmischen Reich der 410er Jahre deutlich. Gleichzeitig verleitet das den magister militum aber nicht dazu, von renden Kaiser hebt Constantius III. deutlich von den zahlreichen Usurpa-

36

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

toren seiner Zeit ab und kennzeichnet ihn für Prosper unzweifelhaft als legitimen Herrscher, auch wenn er im Osten des Reichs nie anerkannt wurde.1 Da die Chronik auf diese mangelnde Anerkennung im Osten aber nicht eingeht, bleibt Constantius der einzige politische Akteur der Chronik nach Theodosius I., der durchgehend positiv beschrieben wird. Eine Spur von Kritik finden sich lediglich im Zusammenhang mit der Absetzung des Heros von Arles, mit der sich die Bewohner der Stadt das Wohlwollen des magister militum hätten sichern wollen (1247). Prosper hütet sich aber davor, die Initiative für diesen kanonisch problematischen Vorgang tatsächlich Constantius selbst zuzuschreiben. Der General und spätere Kaiser bleibt der Held der 433er-Version. Dem Vorbild seines Aufstiegs werden nach seinem Tod andere politische Akteure nacheifern und damit das Reich in Konflikte stürzen, die sich nachteilig für die durch Constantius wiedererrungene Stabilität auswirken. Vor diesem Hintergrund ist die kurze Notiz über den Tod des Kaisers in c. 1276 inhaltlich einer der entscheidenden Wendepunkte der Chronik. b) Aëtius Die Person des Aëtius nimmt in der Berichterstattung Prospers breiten Raum ein, der auch ihrer historischen Bedeutung in den Jahren von 432 bis 454 entspricht. Die Chronik steht Aëtius kritisch, zumindest ambivalent gegenüber. Dass Prosper diese Kritik nicht allzu offen äußert, sollte nicht mit einer positiven Disposition gegenüber dem magister militum und späteren patricius verwechselt werden. Der Grund ist vielmehr darin zu sehen, dass Aëtius bis eben 454 der faktische Machthaber im Reich war. Die kritische Haltung zum General erweist sich implizit bereits dadurch, dass Prosper Aëtius einen maßgeblichen Anteil an den internen Spannungen nach dem Tod des Constantius im Jahr 421 zuschreibt, die das von diesem mühevoll stabilisierte Reich unmittelbar wieder destabilisieren. So lässt Aëtius seinen Rivalen Felix töten (1303) oder stellt sich 432 nach seiner Abberufung als magister militum seinem Nachfolger Bonifatius entgegen, der ihr Aufeinandertreffen nicht überlebt (1310). Als äußerst fragwürdig dürfen auch die Ressourcen gelten, derer sich Aëtius im Kampf um seine dominierende Position bedient. Während der Aufstieg des Constantius ganz auf dessen Dienst für den legitimen Kaiser gründete, nutzt sein Nachfolger die Unterstützung durch hunnische Kontingente, um 1

Zur mangelnden Anerkennung des Constantius in Konstantinopel: Komm. zu c. 1276. Zu den Modi der Amtserlangung legitimer Kaiser: Kap. III.1.a.

Einleitung

37

432/33, gegen das Kaiserhaus zu behaupten.1 Aëtius ist in der Phase seines Aufstiegs also weniger dem Wohlergehen des Reichs verpflichtet als seinem eigenen Vorteil und seiner Selbstbehauptung gegen ähnlich ambitionierte Rivalen. Dass er 454 letztlich seinem eigenen Machtstreben zum Opfer fallen wird, als Valentinian III. ihn ermordet (1375), rundet also das Bild in der Chronik ab und schließt die letzte Chronikrevision von 455 deutlich an die erste von 433 an. Auf der anderen Seite lassen sich die militärischen Erfolge des Generals nicht leugnen. Prosper stellt diese auch keinesfalls in Abrede: Noch 425 besiegt Aëtius die Goten vor Arles (1290), 428 schlägt er die Franken (1298), 435 die Burgunden (1322). Daraufhin besteht er in einem längeren Krieg gegen die Westgoten in Gallien (Friedenschluss c. 1338) und erreicht den Höhepunkt seines Schlachtenglücks 451, als er mit westgotischer Unterstützung die Hunnen in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern abwehren kann (1364). Genau mit diesem Triumph des Aëtius verknüpft Prosper aber zugleich auch seine deutlichste Kritik an diesem, die naturgemäß der letzten Chronikfassung von 455 vorbehalten ist, die erst nach dem Tod des patricius entstand. Wird dieser im Zusammenhang der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern noch explizit für seine providentia gelobt, so ist ihm diese Umsicht bereits ein Jahr später gänzlich abhandengekommen. Einem neuerlichen Einfall der Hunnen, diesmal in Italien, steht er rat- und hilflos gegenüber. In dieser Situation ist es Papst Leo, der – auf Gott und nicht auf seine persönlichen Fähigkeiten vertrauend – Italien und Rom rettet (1367). In ähnlicher Weise kritisiert Prosper Aëtius auch im Zusammenhang mit dem Verlust Karthagos, der in Perspektive der Chronik durch die Arglosigkeit des Generals gegenüber Geiserich mitverschuldet ist (1339 mit 1330 und 1342). Das Aëtius-Bild der Chronik ist also ambivalent. Einerseits dient Aëtius als stabilisierender Faktor, dem militärisches Geschick und Handlungsstärke zugesprochen werden. Andererseits hat er zuvor durch sein persönliches Machtstreben maßgeblich dazu beigetragen, das Reich überhaupt wieder zu destabilisieren. Hinzu kommt, dass den magister militum seine Fähigkeiten an entscheidender Stelle immer wieder im Stich lassen, wodurch es ihm weder gelingt, den Verlust Karthagos zu verhindern, noch, aus

1

Gerade in c. 1310 äußert sich Prosper deutlich zum Vorgehen des Aëtius, der mit Unterstützung der Hunnen sein Amt zurückerlangt hätte. In c. 1288 baut seine Amnestie darauf auf, dass er die von ihm selbst ins Reich gebrachten Hunnen wieder in ihre Heimat entlässt. Implizit deutet Prosper also an beiden Stellen eine Erpressung Ravennas durch Aëtius an.

38

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

dem Sieg gegen Attila in Gallien Profit zu schlagen. Aëtius steht damit stellvertretend für eine politische Führungsschicht des Reichs, die immer weniger dazu in der Lage ist, mit den fatalen Konsequenzen ihres auf moralisch fragwürdiger Grundlage stehenden Handelns umzugehen. Es sind verstärkt kirchliche Akteure, die ihnen in dieser Aufgabe zur Seite springen müssen. c) Geiserich Vom Vandalenkönig Geiserich entwirft Prosper zweifellos das geschlossenste, zugleich aber auch das literarisch am stärksten überformte Charakterbild aller Akteure in der Chronik. So ist der Bericht über die Martyrien seiner katholischen Berater (1329) voll topischer Elemente und mutmaßlich legendarisch. Andere Episoden, deren historischer Kern nicht angezweifelt werden muss, dienen ebenfalls nicht dem Zweck, eine historische Vita des Königs darzustellen. Vielmehr will Prosper den grausamen Charakter Geiserichs beleuchten. Seine Gottlosigkeit mündet in die Verfolgung katholischer Christen in Africa (1327), seine Hinterlist führt zum Verlust Karthagos an die Vandalen (1339), seine Verschlagenheit bringt Sebastianus den Tod (1342), sein despotischer Hochmut und seine Angst vor Verschwörungen veranlassen ihn zu einer Dezimierung des eigenen Adels (1348). Entsprechend sind leitende Adjektive zur Beschreibung des Vandalen barbarus, superbus oder saevus.1 Diese Charakterisierung trifft dabei jedoch immer nur ihn persönlich, nicht das Volk der Vandalen insgesamt. Der König fungiert in der Chronik also gewissermaßen als Prototyp negativer Charakterzüge. Einzelne Aspekte dieser finden sich dementsprechend auch bei anderen Akteuren. So spiegelt sich Geiserichs Hochmut in einem kirchlichen Zusammenhang in Vorwürfen gegen Pelagianer (c. 1336 bezogen auf Julianus von Aeclanum), seine superbia und saevitia verbinden ihn mit dem Volk der Hunnen (1346, 1364 und 1367), die Verfolgungswelle innerhalb seines Adels schwächt das Volk der Vandalen auf gleiche Weise wie die internen Konflikte römischer Akteure das Reich. Eine Person hingegen hebt sich deutlich positiv von Geiserich ab, nämlich Papst Leo. Diesen Vergleich des römischen Bischofs mit dem vandalischen König legt Prosper nahe, wenn er sowohl Geiserich als auch Leo – freilich in jeweils unterschiedlicher Wertung – cura zuschreibt (1348 und 1350). Das äußerst negative Bild des Vandalenkönigs scheint also von vornherein als Kontrast zur umso positiveren Charakterisierung Leos 1

Die Beschreibung als barbarus ist dabei in der Chronik ausschließlich Geiserich vorbehalten: c. 1329. 1342. Charakterisierung als superbus: 1327. 1348; saevus: 1329. 1339.

Einleitung

39

zu erklären, wieso Geiserich nach c. 1348 fast gänzlich aus der Darstellung der Chronik verschwindet: Er überlässt seinen prominenten Platz von hier an seinem positiven Gegenbild Leo. Der König selbst taucht danach nur noch einmal auf, bezeichnenderweise im direkten Aufeinandertreffen mit dem Papst (1375). Dass sich an dieser Stelle dann keinerlei negative Zuschreibung an Geiserich findet, stützt die Beobachtung, dass es Prosper hier, und damit auch zuvor, in erster Linie um Leo geht. d) Papst Leo Ende und Höhepunkt der Chronik – und damit auch Ende und Höhepunkt der von Prosper dargestellten (Heils-) Geschichte – stehen gänzlich im Zeichen von Papst Leo. Für das Bild, das die Chronik von Leo entwirft, gilt in zugespitztem Maße das, was bereits für die Rolle der römischen Kirche in Prospers Bericht festgestellt werden konnte: Unter dem Banner einer von Prosper mehrfach erwähnten „Apostolizität“ (1350. 1362. 1369) ist der Papst unumstrittener Führer der reichsweiten Kirche, höchster Häresieabwehrer im Reich und damit Garant für kirchliche Stabilität schlechthin. Im Vergleich zu früheren Passagen der Chronik braucht es dafür seit Leo streng genommen auch gar keine anderen kirchlichen Akteure oder Synoden mehr, die Position des römischen Bischofs sei per se orthodox. Sofern die „Restkirche“ dem Papst folgt, wie beim von Leo noch als Diakon veranlassten Urteil gegen Julianus von Aeclanum (1336), bei der Bekämpfung des Manichäismus (1350) oder bei der Zurückweisung des Eutychianismus auf dem Konzil von Chalcedon (1369), ist sie gegen häretische und sonstige Übergriffe immun. Dass dieses Bild unbedingter römischer Führung der reichsweiten Kirche faktisch keineswegs von allen Zeitgenossen geteilt wurde, verschweigt der Chronist weitgehend. In seiner Darstellung finden sich aber durchaus Hinweise auf hierarchische Niederlagen Leos. So entfaltet die päpstliche Apostolizität 449 keine ausreichende Wirkung, um die Bestätigung des Eutychianismus auf dem Konzil von Ephesus II zu verhindern (1358). Darüber hinaus unterliegt der Papst zweimal den Bischöfen von Alexandria im Ringen um den Ostertermin (1352 und 1376). Auch wenn Prosper solche Episoden zum Anlass nimmt, Standfestigkeit und ökumenischen Geist Leos zu loben, so ändert das nichts am grundsätzlichen Befund, dass Anspruch und Wirklichkeit des römischen Primatanspruchs hier weit gilt für die Realität ebenso wie für Prospers Bericht, der eher einer römischen Normativität als einer reichskirchlichen Faktizität entspricht.

40

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Als Anhänger und Mitarbeiter Leos thematisiert Prosper diese mangelnde Rezeption leonischer Ansprüche nicht. Im Gegenteil: Leo ist der Held der Chronik, der in sich Durchsetzungsstärke, Umsicht und Gottvertrauen vereint. In ihm erfüllt sich gewissermaßen die von Prosper beschriebene Heilsgeschichte. Damit ist der „apostolische Lenker“ (1350) nicht nur Garant kirchlicher Orthodoxie, sondern übernimmt auch politische Funktionen, die die politischen Akteure der Chronik aufgrund ihrer charakterlichen Unzulänglichkeiten nicht mehr auszuüben in der Lage sind. Noch als Diakon begegnet er daher als Vermittler zwischen Aëtius und Albinus (1341). Als Papst rettet er durch seine Fürsprache bei barbarischen Königen zweimal die Stadt Rom vor der Zerstörung (1367 und 1375). Die Verschiebung der Gewichte in der Orientierung Prospers an politischer und kirchlicher Geschichte findet unter Leo also ihren Endpunkt. Als sich der Chronist mit c. 1358 vom Kaisertum abwendet, übernimmt das Papsttum allein die geschichtsgliedernde Funktion. Das Reich befindet sich in einem langsamen Niedergang, der nur durch kirchliche Akteure retardiert wird; die Kirche aber steht nicht zuletzt dank Papst Leo weiterhin in voller Blüte. 5. Zusammenfassung: das Geschichtsbild Prospers Prosper schreibt als unmittelbarer Zeuge des „Niedergangs“ des Weströmischen Reichs. Die Schwäche des Reichs äußert sich in der Chronik durch eine Unzahl an Usurpationen und durch Verluste von Reichsgebiet an germanische gentes. Als Ursache erkennt Prosper die Rivalitäten der politischen Führungsschicht, die durch die Schwäche der weströmischen Kaiser katalysiert wird. Die Akteure sind von persönlichem Machtstreben geleitet. Daraus resultierende Spannungen bilden dann die Grundlage für Bürgerkriege, Usurpationen und das Vordringen barbarischer Völker, auf das die Handelnden aufgrund individueller moralischer Defizite nicht mehr angemessen zu reagieren wissen.1 Es ist also die discordia im Streben nach Ruhm innerhalb der römischen Führungsschicht, die der Grund für die verschiedenen Niedergangssymptome ist. So wie individuelle Fähigkeiten und Tugenden im Falle des Constantius dazu in der Lage waren, das bedrohte Reich zu stabilisieren, so ist es nach ihm das individuelle Versagen politischer Akteure, das zur dauerhaften

1

Dies führt in der Folge wiederum dazu, dass sich die strukturellen Probleme verfestigen. Der Prozess des „Niedergangs“ des Weströmischen Reichs, wie Prosper ihn beschreibt, unterliegt damit einer fatalen Eigendynamik.

Einleitung

41

Schwächung des Reichs führt. Diese moralische Personalisierung der politischen Krise führt dazu, dass Prosper im Gegensatz zu den meisten seiner Zeit- und Genregenossen auf die Darstellung direkten göttlichen Eingreifens in den Lauf der Geschichte verzichten kann und muss. Es finden sich kaum göttliche Zeichen oder Strafen in der Chronik, da solche die Rückschläge von persönlichen Verantwortlichkeiten einzelner Akteure entkoppelt hätten. Aus dem gleichen Grund wird der Niedergang des Reichs auch nicht in die Verantwortlichkeit barbarischer Völker gelegt. Der Lauf der (Heils-) Geschichte ist hausgemacht und rein menschlich verantwortet. Auf den ersten Blick vertritt Prosper auf historischer Ebene damit gewissermaßen einen „Pelagianismus“, den er auf theologischer Ebene vehement bekämpft. Da es aber ein pelagianischer „Hochmut“ ist, den er den politischen Akteuren als zentrale moralische Verfehlung vorwirft, ist dieser Befund zu relativieren. Der festgestellte „Niedergang“ des Reichs müsste für den Chronisten eigentlich problematisch sein, vor allem wenn man sich vor Augen hält, dass das Römische Reich zumindest anfangs eine wichtige Rolle für Prospers Geschichtsverständnis spielte. Der chronologische Rahmen der Chronik und die Fortführung der Kaiserliste aus der Hieronymus-Chronik zeigen deutlich, dass Reich und Kaisertum ursprünglich zentrale Ordnungsgrößen für Prospers Bericht und Denken waren. Trotzdem lassen politische Rückschläge den Chronisten insgesamt auffällig kalt. Dass die über weite Teile der Darstellung festzustellende Orientierung an der theodosianischen Dynastie gegen Ende der Chronik einfach wegbricht, zeigt, dass sich die Gewichte unter dem Eindruck von politischen und militärischen Fehlschlägen frühzeitig zugunsten einer stärkeren Konzentration auf die kirchliche Ebene und das römische Papsttum verschoben haben. Diese Konzentration bewahrt Prosper nun davor, in der Geschichte seiner Zeit einen allzu großen Bruch zu erkennen oder den „Niedergang“ des Reichs zu dramatisieren. Der Krise des Reichs kommt in der nun vollkommen römisch-kirchlichen Orientierung keine größere Signifikanz mehr zu, da sich die Kirche letztlich als unabhängig vom Geschick des Reichs erwiesen hat. Hiermit dürfte auch der Unwille des Chronisten gegenüber politischen Eingriffen in kirchliche Belange erklärbar sein, geht es Prosper doch um die Immunisierung der Kirchlichkeit von den desintegrativen Effekten einer zu starken Bindung an das wankende Reich. Nur wenn die Kirche für sich selbst sorgt und sorgen kann, bleibt sie von der Schwäche unberührt. Dass sie das tatsächlich kann, ist in erster Linie dem römischen Papsttum zu verdanken, dem in Prospers Perspektive die unein-

42

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

geschränkte kirchliche Führung zukommt. Die Chronik weist mehrfach explizit und implizit darauf hin, dass es der Kirche im Gegensatz zum Reich gelingt, ihren Herausforderungen Herr zu werden, i. e. alle Häresien abzuwehren. Es ist ebenfalls das Papsttum, das entscheidend dafür verantwortlich ist, dass für den Chronisten die ursprünglich an die römische (Profan-) Geschichte gekoppelte Heilsgeschichte ungebrochen bleibt. Prospers Konzept von „Rom“ geht im Laufe der Chronik vom politischen Reich auf die vom römischen Bistum geführte kirchliche Ökumene über. Da sich diese einig zeigt, einig dem römischen Bischof folgt, der quasi qua Amt rechtgläubig und moralisch integer ist, wäre selbst der spätere „Untergang“ des Weströmischen Reichs für Prosper nicht das Ende der Geschichte gewesen. Auch wenn die Chronik das einzige dezidiert historische Werk Prospers ist, ihr Autor bleibt doch Theologe. [J.K.]

IV. Zur Überlieferung der Chronik 1. Chronicon integrum und vulgatum Die Chronik Prospers liegt uns in verschiedenen Ausformungen vor, die, je nachdem welcher Auszug aus dem Werkganzen überliefert wird, variieren. Die überlieferten Versionen unterscheiden sich dabei nach Beginn und Endpunkt der chronographischen Darstellung. Prospers eigener chronistischer Bericht schließt sich an die Chronik des Hieronymus an, beginnt also im Jahr 379 und reicht in der längsten überlieferten Fassung bis ins Jahr 455. Prosper hat aber auch die Chronik des Hieronymus überarbeitet und in seinen eigenen chronologischen Rahmen eingepasst. Der von Prosper intendierte Berichtszeitraum reicht damit vom Beginn der Schöpfung bis zum Jahr 455 n. Chr. Er ist greifbar in einer Langversion, in der Prospers Chronik auf die von Prosper selbst angefertigte Epitome der Chronik des Hieronymus folgt (das sog. Chronicon integrum). Überliefert ist aber auch, und zwar viel häufiger,1 eine Kurzversion, in der Prospers Eigenteil von seiner Hieronymus-Epitome getrennt und an den vollständigen Text des Hieronymus angehängt ist (das sog. Chronicon vulgatum). Diese verkürzte Fassung

1

Von 80 Hss., die den Text überliefern, haben nur ca. zwölf die Chronik Prospers als Ganzes.

Einleitung

43

geht auf spätere Editoren zurück, die den echten Hieronymus der Epitome vorzogen.1 Nicht nur der Anfang der Chronik, nämlich von Beginn der Welt an oder ab dem Jahr 379, auch der Endpunkt variiert in den Hss., teils durch die Zufälligkeit der Überlieferung,2 teils weil Prosper selbst die Chronik in verschiedenen Jahren enden ließ, also unterschiedliche Redaktionen des Verfassers selbst kursierten. Bezeugt sind Endpunkte für die Jahre 440, 443, 445 und 455. Für die Jahre 445 und 455 kann man von verschiedenen Editionen des Autors selbst ausgehen, inwieweit jedoch die anderen in den Hss. manifesten Versionen auch Editionen des Autors entsprechen, ist umstritten.3 Mehrere anonyme Fortsetzungen der Chronik Prospers sind in der Überlieferung mit dieser eng verbunden. Im Codex Ovetensis (O) und im sog. Reichenaviensis (R) schließen sich Nachrichten in dem von Prosper vorgegebenen chronistischen Muster ab dem Jahr 446 an, in O bis ins Jahr 451, in R bis 457,4 in R folgt dann der sog. Laterculus regum Vandalorum et Alanorum. Im Codex Hauniensis (H) ist eine Fortsetzung der Chronik von 456 bis 641 überliefert. Hier ist eine italische Rezension anzunehmen (zu R und H vgl. Kap. IV.4). In allen Fällen gehen die Erweiterungen in den Codices mit Interpolationen in Prospers Text einher. Wie im Fall der Fortführung älterer Chroniken durch bekannte Chronisten, etwa Prosper selbst oder Victor von Tunnuna, der Prospers Chronik bis zum Jahr 567 weiterführt, geht also auch den anonymen Continuationes eine mehr oder weniger weitgehende Überarbeitung des Textes voraus. Zusätze einer africanischen Rezension finden sich im Text in den vier Codices FPXZ: genauere Angaben, nämlich Namen und Datierungen, zu einem Frieden Ravennas mit den Vandalen und zur Eroberung Karthagos durch die Vandalen (c. 1321 und 1339) sowie die Ergänzung der Amtszeit der römischen Bischöfe auf Monat und Tag genau. In XZ, Abschriften des von Mommsen vermuteten Codex Alcobaciensis, schließt sich an den Text des Chronicon vulgatum eine Erweiterung an, die eine Liste der Konsuln von 446 bis 455, Einträge dazu sowie eine Computatio umfasst.5 Der Codex 1

Muhlberger, Chroniclers 57. Zu den in der älteren Forschung üblichen Namen Chronicon vulgatum und Chronicon integrum für die Kurz- und die Langversion der Chronik vgl. Holder-Egger, Untersuchungen 16. 25. 2 Das gilt wohl für den Codex Bruxellensis 440 abbricht, und für A, dessen Abschriften den Text bis zum Jahr 443 bieten. 3 Vgl. auch Kap. II.1. 4 Mommsen, Chron. min. 1,488–97. 5 Text bei Mommsen, Chron. min. 1,486 f.

44

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Matritensis (Z) bewahrt zusätzlich eine Continuatio bis zum Jahr 462 und eine Epitome.1 Auch hier findet sich im Anschluss an eine Chronikkompilation der Laterculus regum Vandalorum et Alanorum.2 Der Vaticanus reginae (V) überliefert eine Epitome des ganzen Prosper. Auch er enthält Erweiterungen zum Text, eine Liste der Kaiser von Theodosius I. bis Anastasius, eingeschoben zwischen die Jahre 387 und 388 (c. 1189 und 1190), sowie eine durch wenige Nachrichten erweiterte Konsulliste im Anhang, die Jahre 455 bis 466 umfassend. 2. Die Handschriften Von der Beliebtheit der Chronik im Mittelalter zeugen über 80 Hss., von denen Mommsen nach Sichtung und Bewertung ca. 15 in seiner Ausgabe berücksichtigt hat.3 M = Mediceus, plut. 65,35, Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, 10. Jh., f. 4r–16v (Prospers Eigenteil f. 13v–16v), zwei Kolumnen mit je 50 Zeilen. Die Handschrift enthält die vollständige Chronik Prospers, davor bietet sie den letzten Teil des Laterculus pontificum, danach die Werke des Eutropius, Orosius, die Romana und die Getica des Jordanes, die Antiquitates des Josephus in lateinischer Übersetzung, den Jüdischen Krieg des Josephus, die Geschichte der Frankenkönige, die Epitome der Historia Apollonii Tyrii und die Geschichte der Langobarden des Paulus Diaconus.4 Der gallische oder germanische Schreiber wollte offensichtlich ein Corpus von Geschichtswerken anlegen. Der Schreiber hat zwei Arten von Schrift verwendet, für den Text eine größere Minuskel, für die sog. „Randnotizen“ eine kleine Schrift und verkürzte, nach rechts eingerückte Zeilen. Diese Einschübe sind zusätzlich durch einen großen roten Buchstaben am Anfang markiert. Korrekturen stammen vom Schreiber selbst und von fremder Hand. Mommsen hält beide für gleichwertig, da der zweite Korrektor offensichtlich dieselbe Vorlage wie der Schreiber zugrunde legte. Mommsen zufolge ist die Überlieferung der Hs. M allen übrigen Hss. überlegen. Auch die Orthographie des Mediceus zeige das beste Latein, sodass Mommsen in der Regel dieser Hs. folgt.5 1

Mommsen, Chron. min. 1,491. Mommsen, Chron. min. 1,493–97. 3 Vgl. zu den einzelnen Hss. Mommsen, Chron. min. 1,353–73. Die Bezeichnungen von Mommsen werden hier beibehalten. 4 Vgl. Bandini 2,752 ff. 5 Mommsen, Chron. min. 1,378 f. 381. 2

Einleitung

45

Y = Limogiensis 1, pars posterior, 12. Jh., Chronicon integrum. Der Codex enthält eine Lang- und eine Kurzversion der Chronik Prospers. Die Langversion (= Y) ist verstümmelt (ab dem Jahr 272 bis ins Jahr 455 vorliegend). Auf die Chronik des Hieronymus folgt zunächst das Chronicon vulgatum (f. 154–64) (= X), dann folgen auf gesondert numerierten Quaternionen das Chronicon integrum und die Chronik Isidors, jeweils von derselben Hand geschrieben. Die vollständige Langversion benutzte de Pontac in seiner Edition, in der Mommsen vorliegenden Hs. fehlt der erste Quaternio. Nach dem Urteil Mommsens gehört die Hs. Y zur selben Klasse wie der Mediceus und der Spirensis (L). Wo Y von M abweicht, ist M überlegen. L = Spirensis deperditus apud Labbé. Mit L bezeichnet Mommsen den Codex Spirensis, der verloren ist, aber in der Edition von Labbé auf uns gekommen ist.1 Aegidius Bucherius bezeugt das Chronicon integrum für den Codex deperditus.2 Außer in der Ausgabe von Labbé sind die Lesarten des Spirensis nach Mommsen noch am Rand und zwischen den Zeilen des Codex Berolinensis Phillipps 1879 (Au) erhalten, in dem Labbé offensichtlich Auszüge notiert hat.3 Neben dem verlorenen Speyerer Codex hat Labbé auch den Berolinensis für seine Edition benutzt. Der Spirensis ist uns also nur in sehr unsicherer und unvollständiger Form in der Version Labbés überliefert. Hinzu kommt, dass Labbé für den posthieronymianischen Teil der Chronik nach eigener Auskunft auch die Ausgaben von de Pontac und Duchesne heranzieht.4 Auch mit Konjekturen seinerseits ist zu rechnen, sowohl in der Ausgabe als auch in den Extrakten im Codex Berolinensis. Mommsen setzt den verlorenen Spirensis an die Spitze der Handschriften, weil er wie sein Zwilling, der Mediceus, oft den besten Text biete, manchmal sogar dem Mediceus überlegen sei (z. B. zu 1249).5 Dieses Urteil muss angesichts der Überlieferungslage und der deshalb zweifelhaften Vergleichsbasis zurückgewiesen werden. Da der Wert von L ohne die Parallele von MY gering ist,

1

Labbé, Nova Bibliotheca 16–56. A. Bucherius, De doctrina temporum commentarius in Victorium Aquitanium, Antwerpen 1643, 136. 211. 3 Mommsen unterscheidet, wenn möglich, die Varianten der Edition Labbés und der Exzerpte in der Hs. durch die Siglen Le und Ls, worin wir ihm folgen. Vgl. z. B. 1216. 1261. 1266. 4 Mommsen, Chron. min. 1,354 stellt die Verweise von Labbé zusammen, z. B. zu 1199. 1205. 1363 (de Pontac). Vgl. auch philol. Komm. zu c. 1373. Der Befund von L geht hier vielleicht auf eine Konjektur von Duchesne zurück. 5 Mommsen, Chron. min. 1,354. 2

46

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

darf die nur durch die Reflexion Labbés erhaltene Vorlage zudem nur unter Vorbehalt instar codicis gewertet werden.1 A = ein weiterer Codex deperditus, von dem sich aber fünf Abschriften erhalten haben. Er liefert das Chronicon integrum, und zwar bis zum Jahr 443.2 Ar = Laurentianus S. Marci 638, Florenz, 11. Jh., Pergament. Der Prosper-Text steht auf q. 5, f. 8–q. 9, f. 2v. Das Ende des Codex fehlt. Die Hs. enthält Schriften des Augustinus, außerdem des Gennadius und des Isidor. Prospers Chronik steht zwischen Augustinus’ Schriften De mendacio und De haeresibus. Die Randbemerkungen im Prosper-Text sind mit roter Farbe umrandet. Der erste Buchstabe jedes Abschnitts, aber auch die Passionsjahre am Rand und bestimmte christliche Inhalte sind rot markiert. Der Marcianus hat unter den Apographa von A den größten Wert. Das Siglum A ohne Zusätze bezeichnet daher die Lesart des Marcianus, wobei andere Hss. hinzukommen können: As = Laurentianus plut. 90,42, 15. Jh.3 At = Florentinus Riccardianus 321, 15. Jh. Au = Berolinensis Phillipps 1879, 15. Jh. Av = Matritensis F 63, 15. Jh. O = Escurialensis Ovetensis, Biblioteca del Escorial R 2,18, vormals Oviedo, 7. Jh., Unzialschrift. Die Madrider Hs. enthält das Chronicon vulgatum (bis zum Jahr 445), aber der Anfang ist durch ein Versehen des Abschreibers verlorengegangen. Der Abschreiber wollte wahrscheinlich nur den Fortsetzungsteil der Chronik kopieren, setzte aber irrtümlich im Text des Hieronymus mit dem Jahr an, in dem Hieronymus seinen eigenen Bericht an Eusebius’ Chronik anschließt. Aus der Chronik des Hieronymus lieferte der Kopist die Kapitel 1022–1048 zu den Jahren 327 bis 337, bevor er den Irrtum bemerkte und mit dem Eigenteil Prospers fortfuhr. Hier setzte er aber erst im Jahr 383 (c. 1178) an.4 Zur anonymen Continuatio in O vgl. Kap. IV.1.

1

Mommsen selbst äußert in Chron. min. 1,354 Bedenken, und in Chron. min. 1,379 berücksichtigt er L nicht als Zeugen in der Echtheitsdiskussion. 2 Zur möglichen Verstümmelung der Vorlage s. o. Der v in allen auf A zurückgehenden Codices zeugt von der realen Existenz der gemeinsamen Vorlage, die wir daher wie Mommsen durch einen Großbuchstaben bezeichnen. 3 Vgl. Bandini 3,574. 4 Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,362; auch: Muhlberger, Chroniclers 56 Anm. 18.

Einleitung

47

R = Augiensis bzw. Reichenaviensis, identisch mit Parisinus 4860 aus dem 9. bzw. teilweise 10. Jh., bietet das Chronicon vulgatum (bis 445). Mommsen bezeichnet mit R einen Codex deperditus, dessen Existenz durch den Bibliothekskatalog des Reginbert von Reichenau bezeugt werde; von diesem Codex seien zwei Abschriften erhalten,1 Rp = Parisinus 4860 aus dem 9. Jh., Rv = Augustanus Vindelicorum 223 aus dem 15. Jh.2 Steinacher dagegen hält mit der neueren Forschung den Codex Parisinus 4860 selbst für den in der Mitte des 9. Jh. auf der Reichenau entstandenen Codex, der im Katalog des Reginbert erwähnt wird.3 Entsprechend stammen für ihn die Hieronymus- und Prosper-Chroniken der Augsburger Handschrift aus dem Parisinus. Wir folgen Steinacher in der Bewertung des Codex Augustanus als descriptus und verwenden ihn, anders als Mommsen, nicht für die Textkonstitution.4 In Rp findet sich der Prosper-Text zwischen der Chronik des Hieronymus und der des Cassiodor, f. 46v–49v. Andere Chroniken und Osterberechnungen folgen. In Rv sind die Chroniken des Hieronymus und Prosper zusammen mit bzw. im Anschluss an die Fredegar-Chronik überliefert, Prospers Text f. 263–70.5 Canisius benutzte diesen Codex für seine Ausgabe von Prosper. Die wissenschaftshistorische Bedeutung der Hs. zeigt sich darin, dass in der älteren Forschung die Kurzversion der Chronik, das Chronicon vulgatum, auch als Prosperi chronicon Augustanum kursierte.6

1

Mommsen, Chron. min. 1,362–66. Zu dieser Handschrift vgl. Schmidt, Reichenau 140–47. 3 Vgl. Steinacher, Laterculus (2001) 11–15; Hoffmann, Buchkunst und Königtum 253 f. Entscheidend ist vor allem der paläographische Befund, vgl. dazu auch das Urteil von Bischoff, das Schmidt, Reichenau 146 A. 25 zitiert. 4 Es finden sich einige Bindefehler, z. B. haben nur Rp und Rv in 1220 perurgetur statt pergere cogeretur, in 1309 ordinatur statt praeficitur, in 1243 Constantinum statt Constantem, in 1329 perturbari statt deturbari. Beide Hss. haben die Auslassungen in 1175–77 und 1303 f. An einigen Stellen versucht der Schreiber von Rv offensichtlich den Text der Vorlage Rp zu verbessern, z. B. in 1263 libere statt libare (Rp) (richtig L dann ut in navibus statt ut in avivus (Rp) (richtig uti navibus). 5 Zur Beschreibung der Hs. R (= Rp) vgl. Hoffmann, Buchkunst und Königtum 253 f., zu v R vgl. auch Krusch, Fredegar 278. Daneben auch Papencordt, Herrschaft 357 ff. 6 Vgl. Papencordt, Herrschaft 357. 2

48

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

C = Bruxellensis 5169, 9. Jh., hat das Chronicon integrum, aber mit einer massiven Lücke (c. 1166–1326), was den Wert für die Konstitution des eigentlichen Prosper mindert. Die Hs. weist Zusatznachrichten am Rand und im Text auf (zu den Randnotizen vgl. Kap. IV.4). X = Limogiensis 1, pars prior, 12. Jh., Chronicon vulgatum (vgl. oben zu Y). Zu den Erweiterungen vgl. Kap. IV.1. Z = Matritensis univ. 134, 13. Jh., enthält eine Epitome der Chronik des Hieronymus, die Chronik Prospers in der Kurzversion (f. 15v–18v) sowie die Fortsetzungen durch Victor von Tunnuna und Johannes von Biclarum. Daran schließen sich eine weitere Epitome der Chronik des Hieronymus und eine Epitome der Chronik Prospers an, die durch eine Fortsetzung bis zum Jahr 462 erweitert ist.1 Laut Mommsen liegen in den Codices X und Z Abschriften eines verlorenen Alcobaciensis aus dem achten Jahrhundert vor, von dem wir Zeugnisse und Zitate in der Edition von de Pontac haben. Die Nähe dieser Auszüge zu den beiden Hss. sowie die Tatsache, dass sowohl in X als auch in Z eine kurze Fortsetzung des Prosper-Textes überliefert ist,2 sprechen für die Existenz einer gemeinsamen Vorlage. Bemerkenswert sind auch die Parallelen zum Text der im folgenden genannten Hss. F und P, die auf eine africanische Rezension schließen lassen. F = Leidensis Freherianus Scal. 14, 9. Jh., Chronicon vulgatum. P = Laurentianus Poggianus plut. 67,15, 15. Jh., Chronicon vulgatum. Beide Codices gehen oft mit XZ zusammen. Sie bilden die alleinige Grundlage der ersten beiden, nur auf Prospers Eigenteil beschränkten Editionen von Mombritio (um 1475) und Santritter/Ratdolt (1483). D = Londiniensis 16974, 10. Jh. Als Anhang an gallische Chroniken, die Hieronymus fortsetzen, sind Einträge zu drei Jahren (453–55) überliefert. H = Hauniensis 454, 12. Jh., bietet nur den Eigenteil Prospers, dies jedoch bis zum Jahr 455.3 Es liegt also offensichtlich eine Kontamination der beiden antiken Rezensionen vor (dazu Kap. IV.4). Prospers Text ist interpoliert mit Material aus den sog. „Italischen Chroniken“.4 1

Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,367. 372 f. 491; Chron. min. 2,169.

2

3

Zur Handschrift vgl. E. Jørgensen, Catalogus codicum Latinorum medii aevi Bibliothecae Regiae Hafniensis, Kopenhagen 1926, 373. 4 Mommsen, Chron. min. 1,362. Zu den Interpolationen und Hinzufügungen in H: Kap. IV.4.

Einleitung

49

B = Bruxellensis 1794, 10. Jh. Der Codex mutilus (bis zum Jahr 440) bietet nur den Eigenteil Prospers ohne die Konsulnamen. Fris. = Frisingensis, zwei Blätter eines Codex aus dem 8. Jh., die an einen Codex aus dem 12. Jh. geheftet waren (Frisingensis 21, jetzt Monacensis 29418[1]).1 Sie enthalten die Kapitel 1294 (quae uti) bis 1310 (militum dignitate) bzw. 1352 (ob cuius reveren…) bis 1364 (cogit in bellum). Parisinus 4871, 11. Jh., wertvoll in Hinblick auf den Titel, den die Hs. in der vollständigen Form von A bietet, aber ansonsten lückenhaft. V = Vaticanus reginae 2077, 6. Jh., Unzialschrift, Epitome des Chronicon integrum. Zwischen c. 1189 und 1190 eingeschoben findet sich eine Liste der Kaiser von Theodosius I. bis Anastasius, deren Annotationen teilweise aus Prosper selbst stammen.2 3. Die Editionen Die ersten Editionen bieten nur den die Chronik des Hieronymus fortsetzenden Eigenteil Prospers (Chronicon vulgatum) und spiegeln damit die verbreitetste handschriftliche Überlieferung. Folgt man Mommsens Urteil, beruhen die frühen Ausgaben auf eher minderen Codices: Die Editio princeps von Mombritio (um 1475) und die Ausgabe von Santritter/Ratdolt (1483) hängen von F und P ab, Canisius (1601) hat als Vorlage den Codex Augustanus (Rv), einen Codex descriptus des Reichenaviensis. Die ersten kritischen Ausgaben besorgen de Pontac (1604) und Duchesne (1636), auf deren Grundlage Labbé (1657) erstmals das Chronicon integrum ediert. Labbé benutzt, so die These Mommsens, neben dem Codex Berolin. Phill. (Au) den verlorenen Codex Spirensis, der zur MY-Familie gehört und darüberhinaus nur noch in Exzerpten Labbés erhalten ist. Die Ausgabe Labbés wird für Mommsen daher zu einem wichtigen Textzeugen (s. o.). Labbés Text wiederum findet sich im wesentlichen abgedruckt bei Migne (PL 51; 1846). Die bis heute maßgebliche Ausgabe bietet Mommsen im ersten Band seiner Chronica minora (MGH AA 9; 1892). Mommsen zieht für die Textkonstitution erstmals den Codex Mediceus heran, dem er zugleich einen hohen Rang als Textzeugen zuweist.3 1

Vgl. H. Hauke, Katalog der lateinischen Fragmente der Bayerischen Staatsbibliothek München, Bd. 2, Wiesbaden 2011, 408. 2 Zur Beschreibung von V vgl. Mommsen, Chron. min. 1,371 f.; eine gesonderte Edition der Zusätze in V bietet Mommsen, Chron. min. 1,491–93. 3 Zur Beschreibung der Editionen: Mommsen, Chron. min. 1,375 f.; Valentin, Saint Prosper 216–19.

50

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Auf Mommsens unbestrittener Leistung bei der Erstellung einer kritischen Edition baut diese Edition auf: Sie stützt sich weitgehend auf die Beschreibung und Benennung der Hss. und auf die Klassifizierung der Hss.Familien durch Mommsen.1 Abweichend von Mommsen wird in dieser Edition die gespaltene handschriftliche Überlieferung bewertet. In der Konsequenz bieten wir weniger Text, da wir Mommsen nicht darin folgen, Sondergut der Hss. aufzunehmen, dessen Authentizität klar in Abrede zu stellen ist. Auch setzen wir weniger Varianten als Autorvarianten in den Text, was zu einer geringeren Zahl an authentischen Doppelfassungen führt, als Mommsen vorschlägt. An Mommsens Edition ist vor allem die typographische Überfrachtung der Darstellung zu kritisieren; sie differenziert im hohen Maße auf Kosten der Lesbarkeit. Überfordert wird der Leser durch ein auf den ersten Blick undurchsichtiges Klammersystem sowie durch zahlreiche weitere Zeichen: Doppelfassungen auf zwei Spalten verteilt, unterschiedliche Zeilenlängen sowie ein zweiter apparatus testium am Rand.2 Die typographische Gestaltung ist aber nicht nur an sich verwirrend, sie spiegelt auch philologische Grundsatzentscheidungen, die irritieren: Diverse Markierungen sind nämlich nur deshalb nötig, weil Mommsen auch Zusätze von mehr oder weniger zweifelhafter Echtheit in den Text aufnimmt, die auf diese Weise sichtbar gemacht werden sollen. Auch ist das Zeichensystem nicht in sich konsequent. Durch eckige Klammern im Text z. B. markiert Mommsen sowohl Lesarten, die gut überliefert sind, aber in einigen Hss. fehlen, als auch offensichtliche Interpolationen, wie sie sich in einigen Hss. gehäuft finden. Verkürzte Zeilen im Text zeigen an, dass es sich um Marginalnotizen handelt, deren Herkunft aber wiederum fast zweifelsfrei auf Prosper zurückgeht. Am rechten Rand der Seite findet sich zudem eine Ergänzung zum apparatus testium und zum textkritischen Apparat, insofern Hss. angeführt werden, welche die im Text eingeklammerte Lesart bzw. den nächststehenden Chronikeintrag nicht haben, oder welche die markierten Lesarten allein haben. Auch gibt es Fälle, bei denen sich der Herausgeber nicht für eine der beiden jeweils in den Hss. breit überlieferten Varianten entschieden hat, son-

1

Digitalisate des Codex Mediceus (M), eines der w der Textedition ständig zum Vergleich herangezogen. Eingesehen wurden auch Digitalisate des Codices Au, B, C, H, P, R sowie des Münchner Fragments (Fris.). 2 Schon Valentin, Saint Prosper 219 erhebt bei allem Lob für die Gesamtleistung Mommsens den Vorwurf, Mommsens Ausgabe sei zu gelehrt und zu kompliziert.

Einleitung

51

dern beide als Doppelfassungen nebeneinander in den Text setzt – ein Vorgehen, das suggeriert, es handele sich um echte Autorvarianten, obwohl die Theorie einer Autorrevision von Mommsen andernorts verworfen wird.1 4. Die überlieferte Textgestalt und Grundsätze dieser Edition Mommsen unterscheidet zwei Rezensionen des Textes: Die eine wird repräsentiert durch A und den Parisinus 4871, Codices, die das Chronicon integrum bewahren, durch O und R, die nur den Eigenteil Prospers haben,2 sowie durch die Hs. V, die eine Prosper-Epitome bietet, die andere durch MY, durch L (den Spirensis, den Labbés Edition bewahrt) und das Fragment im Codex Frisingensis, allesamt Zeugen des ganzen Prosper. Eine dritte Klasse der Codices besteht aus Contaminati: C (der das Chronicon integrum bietet), FPXZ (mit der Kurzversion), DHB (mit Verstümmelungen und Kürzungen).3 Auffallend ist, dass die Hss. AOR der ersten Rezension im großen und ganzen die 445er Edition bewahren, die Hss. MYL der zweiten Rezension die 455er Edition. Die beiden Hss.-Klassen divergieren sowohl quantitativ als auch qualitativ: Es gibt, vor allem in der AOR-Rezension, aber auch vereinzelt in der MY-Rezension, mehr bzw. längere Einträge, und es gibt in einigen Fällen alternative Versionen in Form von inhaltlichen oder stilistischen Dubletten. Der naheliegende Schluss, wir hätten hier mit den beiden Hss.-Klassen die frühere und die spätere Fassung des Autors selbst vorliegen, wird von Mommsen zurückgewiesen. Mommsen hält die Abweichungen der beiden Familien untereinander für so marginal, dass sie kaum auf redaktionelle Überarbeitung durch den Autor zurückgehen dürften. Die Editionen unterschieden sich zudem eher durch die Hinzufügung weiterer Einträge als durch Veränderungen des vorliegenden Textes. Die Unterschiede zwischen den beiden Hss.-Familien führt Mommsen daher nicht auf unterschiedliche Redaktionen des Autors zurück, sondern auf Eingriffe von Abschreibern.4 Mommsen stützt sich auf die indirekte Überlieferung, die Prosper-Exzerptoren Cassiodor und Paulus Diaconus, die einerseits die Edition von 455 benutzt zu haben scheinen, andererseits eine gewisse Nähe zu den kontaminierten Hss. FPZX aufweisen.5 Man könnte auch den Befund der 1

Dazu Kap. IV.4. Das gilt für O allerdings nur mit Einschränkung (Kap. IV.2). 3 Mommsen, Chron. min. 1,376. 4 Vgl. die Listen bei Mommsen, Chron. min. 1,377–79. 5 Mommsen, Chron. min. 1,376–80. 2

52

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Hs. V hinzufügen, denn auch die Epitome basiert auf der 455er Edition, gehört aber zur AOR-Rezension, die die 445er Edition repräsentiert.1 Demgegenüber macht Muhlberger mit aller Vorsicht die These geltend, dass die beiden Hauptrezensionen, die in der Überlieferung greifbar sind, den beiden verbreitetsten Editionen des Autors selbst entsprechen könnten.2 Muhlberger stützt sich vor allem auf die Doppelfassungen, die, auf die beiden Hss.-Klassen verteilt, zu einigen Einträgen überliefert sind und deren vergleichende Analyse eine nachträgliche Revision des Textes durch Prosper selbst sinnvoll erscheinen lässt. In der MY-Rezension läge dann jeweils die spätere, revidierte Fassung vor, in der AOR-Rezension die frühere, ursprüngliche. Die quantitativen Unterschiede beruhten auf Kürzungen durch den Autor, die inhaltlichen auf authentischen Doppelfassungen.3 Die vorliegende Edition und philologische Kommentierung macht sich Muhlbergers Ansatz zu Eigen, indem eine Autorrevision grundsätzlich in Erwägung gezogen wird. Auch Mommsen hat, im Grunde gegen seinen eigenen editorischen Grundsatz verstoßend, Doppelfassungen als Alternativen in den Text gesetzt (vgl. in Mommsens Ausgabe c. 1259. 1286. 1289. 1358. 1373. 1375).4 In der Hälfte dieser Fälle sind vielleicht beide überlieferte Fassungen Prosper zuzuweisen.5 Weiterreichende Untersuchungen von Kürzungen bzw. Hinzufügungen in den verschiedenen Hss.-Klassen, die

1

Muhlberger, Chroniclers 58 Anm. 25. Muhlberger, Chroniclers 58–60. 3 Brook’s führt in ihrer 2014 erschienen Ausgabe die These Muhlbergers in ihrer extremen praktischen Konsequenz vor Augen, indem sie auf der handschriftlichen Basis der AORRezension und der Contaminati die 445er Edition Prospers gesondert ediert. Die von Brook’s vorgelegte Edition steht insgesamt auf schwachen Füßen, weil die Herausgeberin die Möglichkeit von Interpolationen gar nicht in Erwägung zieht. Nur so treten nämlich zahlreiche Unterschiede zwischen den beiden Hss.-Rezensionen zutage. Nach dem Ausscheiden der unechten Varianten in AOR bleiben so wenige und geringfügige Abweichungen, dass eine separate Edition oder auch eine Synopse der Prosper-Editionen nicht gerechtfertigt erscheinen. Beim Rekurs auf sprachliche Parallelen fehlt zudem der Blick auf den ganzen Prosper, da Brook’s den Text der MYL-Rezension gar nicht berücksichtigt. 4 In der Praefatio differenziert Mommsen allerdings, indem er jeweils eine der Varianten 2

lich ist, wieso von Mommsen in 1375 zwei Varianten aus der Epitome in V gegen den sonstigen editorischen Usus als Ersatzfassungen in den Text genommen werden. 5 Vgl. jeweils Komm. zu o. g. Stellen. In der vorliegenden Ausgabe werden die Doppelfassungen nur in c. 1259, 1289 und 1373 gehalten.

Einleitung

53

von Mommsen als wahrscheinliche Interpolationen angesehen werden,1 führen zu dem Ergebnis, dass auch hier die Möglichkeit von Autorvarianten nicht auszuschließen ist (vgl. z. B. c. 1222. 1247. 1252. 1285). Grundsätzlich sind aber auch Interpolationen im Text denkbar und nachweisbar.2 In Prospers Chronik kann man sozusagen drei Stufen der Interpolation unterscheiden, je nach dem Grad der Evidenz. Die erste Gruppe bilden verschiedene frühe Interpolationen, gut und breit bezeugte Zusatz- und Ersatzfassungen zum Text, die nicht unbedingt von derselben Hand stammen.3 Neben substantiellen Ergänzungen, die ein chronistisches Interesse spiegeln, stehen hier bloße Änderungen in der Wortwahl, die den Geist der spätantiken Schule atmen. Besonders im ersten Fall ist die Entscheidung über die Echtheit des Textes oft schwierig. Überall da, wo die AOR-Rezension mehr Material aufweist als die MYRezension, wobei der Überhang aus einzelnen Wörtern, Satzteilen oder Sätzen, aber auch aus längeren Abschnitten und ganzen Einträgen bestehen kann, ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Autor selbst bei seiner Revision des Textes eine Kürzung vornahm (die sich in MY zeigt) und beide Texte genuin von Prosper stammen oder ob ein Epitomator in MY am Werk war4 oder ob ein Zusatz von fremder Hand in AOR vorliegt. Eine sichere Entscheidung ist in der Regel kaum möglich, eine Entscheidung wird aber mit der nötigen Zurückhaltung in allen Fällen angestrebt.5 Auslassungen in MY gegenüber der AOR-Rezension betreffen die Kapitel 1187. 1197. 1204. 1205 (ganz). 1222. 1243. 1247 (ganz). 1252. 1254. 1

Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,377–79. Chroniken sind von ihrem Zweck als Gebrauchsliteratur und von ihrer additiven Struktur her per se anfällig für Interpolationen und Zusätze. Auch Muhlberger, Chroniclers 60 zieht frühe Interpolationen in Betracht. 3 Zur Theorie von der Frühphase der Textentstellung vgl. Jachmann, Ausgewählte Schriften 396; dens., Textgeschichtliche Studien 755 f.; dazu Gnilka, Philologische Streifzüge 244 f. 4 Gegen eine systematische Kürzung durch einen späteren Bearbeiter spricht die verhältnismäßig geringe Menge des wegfallenden Materials. Auch lassen sich einige der umfangreichen Kürzungen in MY dadurch erklären, dass der Autor selbst aus einer veränderten Perspektive und Zielsetzung heraus streicht. Aber eine Auslassung wie die in c. 1336 weist wiederum fast zwingend auf eine fremde Hand hin. 5 Darin unterscheidet sich diese Ausgabe von der Mommsens, alles überlieferte und „der Sache nach“ dem authentischen Gut gleichwertige Material in den Text aufnimmt, also auch Verdächtiges einschließt, dieses dann allerdings durch eckige Klammern als zweifelhaft oder bedenkenswert kennzeichnet. Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,342. 378. Auch Kap. IV.3. 2

54

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1259. 1267. 1278. 1280. 1285 (ganz). 1288. 1298. 1336. 1337 (ganz). 1338. Zusätzliches Material bietet die MY-Rezension in 1191. 1278. 1282. 1312– 18. 1327. 1330. 1333 (ganz). 1348. 1373. Im Fall der meisten alternativen Versionen, der Dubletten also, in denen sich die gespaltene Überlieferung ebenfalls manifestiert, ist eine interpolatorische Bearbeitung des Prosper-Textes greifbar. Es handelt sich um Ersatzfassungen, die von fremder Hand anstelle des echten Textes eingefügt wurden.1 Vor allem in den zahlreichen Wortinterpolationen spiegelt sich das schulmeisterliche, glossierende Interesse eines Bearbeiters der AORKlasse. Auch hier kann aber in einigen Fällen eine Überarbeitung der früheren Version durch Prosper angenommen werden. Dubletten sind z. B. überliefert in 1197. 1259. 1261. 1278. 1280. 1282 (mit 1288). 1286. 1289. 1292. 1294. 1306. 1329. 1373. Offensichtliche und unzweifelhafte Interpolationen, welche die zweite Gruppe bilden, finden sich in der africanischen Rezension von R sowie in der langobardischen bzw. italischen Rezension von H. Beide Rezensionen sind im unmittelbaren Anschluss an die Erstpublikation der Chronik anzusetzen. Mommsen lässt das Sondergut dieser Hss. im Prosper-Text, wider besseres Wissen, wie etwa die Zusammenstellung der zusätzlichen Einträge in R im Anhang seiner Ausgabe der Chronik zeigt (Chron. min. 1,488). Wir scheiden das africanische Sondermaterial in R stringent aus, das sind die Einträge 1168. 1210. 1213. 1225. 1268. Es gibt neben den Zusätzen auch Auslassungen in R, die eine Überarbeitung des Textes im Laufe der Überlieferung spiegeln, vgl. 1243. 1282. 1332. 1333. 1335. 1341. 1348. 1350. 1353. Merkwürdig ist, dass sich darunter auch eine Africa betreffende Nachricht findet, die Verschwörung gegen Geiserich (1348). Einen Widerspruch zum Inhalt der Interpolationen muss man aber nicht konstatieren,2 denn die Zusätze beinhalten fast nur kirchliche Nachrichten (über Konzile in Karthago und den Osterzyklus des Theophilus), sodass von einer Redaktion im kirchlichen Umfeld von Karthago ausgegangen werden kann, bei der wiederum Einträge über die Goten und Hunnen, die Manichäer in Rom, selbst ein Lob des Papstes Leo (1341), aber eben auch eine innervandalische Krise (1348) wegfallen konnten.3 1

2

Zu der auf die Studien von Jachmann zurückgehenden Unterscheidung von Zusatz- und

So Holder-Egger, Untersuchungen 40, der den Widerspruch mit zwei verschiedenen Bearbeitern erklärt, dem ‚Schreiber‘ und dem späteren ‚Besitzer‘ des Archetypos dieser Rezension. 3 Zu den Chronik-Fortsetzungen der africanischen Rezension vgl. Kap. IV.1.

Einleitung

55

Die Kopenhagener Hs. H enthält Zusätze zu Prospers Chronik im Text und am Rand (vom Jahr 388 an). Bei den Texteinschüben wird manchmal die Quelle angegeben, v. a. Isidor. Die Interpolationen korrespondieren in der Hs. H mit einer Fortsetzung der Chronik Prospers ab dem Jahr 456 bis zum Jahr 493 (bzw. 641), der sog. ‚Kopenhagener Fortsetzung‘ (Continuatio Hauniensis).1 Mommsen geht mit guten Gründen von einer Abfassung der Zusätze um 625 in Italien aus, „in den letzten Jahren des Kaisers Heraclius“.2 Sowohl die Hinzufügungen zu Prospers Text als auch die Fortsetzung seiner Chronik werden von Mommsen gesondert ediert, und zwar als Additamenta ad Prosperum codicis Hauniensis sowie als Auctarium ad Prosperum codicis Hauniensis innerhalb der Edition der Consularia Italica.3 Auch die Sonderinformationen in H sind also von Prospers Text fernzuhalten, das betrifft in Mommsens Ausgabe die Einträge 1191 (fränkische Abstammung des Arbogast), 1243 (Ort der Hinrichtung des Konstantin in Oberitalien), auch 1364, wo Mommsen aber den sog. „Frankenzusatz“ in den Apparat verweist.4 Zu einer dritten Stufe der Interpolation gehören schließlich die in einigen Hss. des fünfzehnten Jahrhunderts eingefügten Nachrichten zur Geschichte der Langobarden und Zusätze aus anderen Chroniken und Geschichtswerken, etwa aus der Chronik des Marcellinus Comes. Dabei handelt es sich

1

Auch die Fortsetzung unterlag mehreren Rezensionen, die Einträge zu den Jahren 475– 89 sind in H quasi dreifach überliefert, eine Version am Rand (Mommsen, Chron. min. 1,266); die Jahre 458–73 wiederum fehlen ganz (Muhlberger, Copenhagen Continuation 78). Man kann innerhalb der Continuatio drei Teile unterscheiden, eine Chronikfortsetzung für die Jahre 455–93, eine Konsulliste mit sporadischen Notizen für die Jahre 494–523, eine Geschichte Italiens unter oströmischer und langobardischer Herrschaft für die Jahre 526– 641. 2 Mommsen, Chron. min. 1,267. 3 Mommsen, Chron. min. 1,249–339. Mommsen zerreißt den Text der Continuatio, um eine Synopse der verschiedenen Versionen der italischen Chronik zu erstellen. Zudem unterscheidet er italisches und nichtitalisches Gut, vgl. 1,267–71 (Additamenta minora = nichtitalisches Gut). 298–304 (Additamenta). 304–21 (Auctarium). 331–39 (Auctarium). Der letzte Teil des Auctarium Hauniense (Mommsen, Chron. min. 1,337–39) ist als KFHist G 16 Teil des vorliegenden Editionsprojekts. Vgl. auch G. Hille, De continuatione Prosperi a. 641 4

Vgl. auch Komm. zu c. 1243. Bezeichnenderweise betreffen die Auslassungen in H oströmische Nachrichten (Konsulate des Eutropius und des Stilicho [1216. 1217]). Die Auslassung des Kapitels 1365, die Muhlberger, Copenhagen Continuation 76 konstatiert, ist keine, da Mommsen hier fälschlich eine Sonderinformation aus V in den Text aufnimmt.

56

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

vor allem um Nachrichten aus dem Osten des Reiches, die bei Prosper vielleicht vermisst und erst in der Neuzeit hinzugefügt wurden. Auch in Mommsens Text und Apparat werden diese Interpolationen nicht berücksichtigt.1 Ursprünglich war der Text der Prosper-Chronik wahrscheinlich in Haupttext und Randnotizen unterteilt.2 Dafür spricht die gute Bezeugung der vor allem in der Hieronymus-Epitome auch quantitativ ins Gewicht fallenden Randnotizen in beiden Rezensionen, nämlich in den Hss. MCAO. In A und O stehen die Notizen tatsächlich am Rand, und zwar in Kleinbuchstaben, in M stehen sie im Text, sind aber durch kleinere Buchstaben und verkürzte Zeilen vom Text unterschieden, C tradiert die Notizen teils am Rand, teils im Text, wo sie durch rote Farbe hervorgehoben sind.3 In den übrigen Hss. ist der Marginaltext ohne jegliche Markierung in den Haupttext aufgenommen, wobei es sich fast ausschließlich um Hss. handelt, die das Chronicon vulgatum enthalten. Wegen der geringen Zahl der marginalen Einträge in Prospers Fortsetzung der Hieronymus-Chronik scheint sich eine Differenzierung in diesen Hss. erübrigt zu haben. Für den die vorliegende Edition betreffenden Teil der Chronik gehören zu den überlieferten Randnotizen die Einträge 1177. 1237. 1246. 1285. 1337. 1348. Wie für die HieronymusEpitome gilt auch hier, dass die Randbemerkungen vornehmlich nichtkirchliche Ereignisse bringen, die ersten drei Einträge bieten typisches Chronikmaterial im typischen Chronikstil: knappe Notizen zu Aithanaricus’ Tod in Konstantinopel (1177), zur Eroberung Spaniens durch die Vandalen (1237) sowie zum Einfall der Goten in Gallien (1246). Die übrigen drei Einträge unterscheiden sich davon durch Inhalt und Stil, entweder weil wenig bekannte Personen (der Gallier Exuperantius [1285] und der Gote Vitericus [1337]) im Fokus stehen oder weil eine innervandalische Episode relativ detailliert berichtet und beurteilt wird (1348).4 Allen Randnotizen gemeinsam 1

Die Interpolamente hat Mommsen in seinem Anhang zur Chronikedition gesondert ediert, vgl. Chron. min. 1,497–99. Vgl. auch Holder-Egger, Untersuchungen 31. Unzweifelhaft interpoliert sind auch die Angaben über die Regierungszeiten der Päpste in H (ebd. 34). Dazu Mommsen, Chron. min. 1,270 f. 2 Vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 63, der in der Zweiteilung einen Reflex der schon in der Chronik des Eusebios vorgenommenen Unterscheidung von biblischen und paganen Nachrichten sieht: Die bedeutenden biblischen bzw. kirchlichen Regel im Haupttext, die weltlichen Nachrichten seien eher am Rand notiert. 3 Mommsen, Chron. min. 1,342. 376. 4 Diese Berichte gehören in einen Zeitraum, in dem Prosper weniger aus Quellen als aus eigener Anschauung schöpft und daher zunehmend Stellung bezieht, vgl. Komm. zu c. 1278.

Einleitung

57

ist allerdings der nichtrömische Bezug. Abweichend von Mommsens Textgestalt werden die überlieferten Randnotizen in dieser Edition in den Text integriert und nicht durch verkürzte Zeilen kenntlich gemacht. Die Zählung nach Passionsjahren ist in einigen Hss. mehr oder weniger konsequent überliefert, was jedoch zur Annahme einer Zählung in Dezennien für den echten Prosper ausreicht.1 Mommsen hat die Zählung konsequent für jedes Jahr durchgeführt, worin diese Edition ihm folgt. Wie Mommsen bieten wir zusätzlich zum apparatus criticus einen apparatus testium, sodass für den Benutzer leicht ersichtlich wird, wie die einzelnen Einträge auf die Codices verteilt sind, und die verschiedenen Rezensionen der Chronik besser hervortreten. Spätere Autoren, Chronisten und Geschichtsschreiber, haben aus Prospers Chronik geschöpft. Victor von Aquitanien hat die Konsulliste in seinem Cursus paschalis benutzt, Liberatus zitiert in seinem Breviarium die Einträge 1296 und 1297. Cassiodor in seiner Chronik2 und Paulus Diaconus in seiner „Römischen Geschichte“ haben Prospers Chronik in reichem Maße ausgeschrieben.3 Auch Isidor von Sevilla macht in seiner Chronik von Prosper Gebrauch.4 Diese Werke, insbesondere die Exzerpte bei Cassiodor und Paulus Diaconus, können bei der Konstitution des Prosper-Textes herangezogen werden. Die entsprechenden Stellenangaben erscheinen deshalb ebenfalls im apparatus testium. 5. Bemerkungen zur Orthographie Die Schreibweise der Codices wird in dieser Edition korrigiert, wenn sie nicht die zur Zeit der Abfassung übliche Form, sondern die mittelalterliche Aussprache spiegelt. Im Prinzip verfährt so auch Mommsen. Er orientiert sich aber darüber hinaus an der Schreibweise des Codex M,5 sodass es zu einigen Inkonsequenzen in der Umsetzung der Regel kommt. In folgenden Die Echtheit der Randnotizen in 1285 und 1337 wird bezweifelt, nicht zuletzt wegen ihres disparaten Charakters innerhalb der Randnotizen zu Prospers Eigenteil, vgl. philol. Komm. 1 Mommsen, Chron. min. 1, 350 f. 2 Text bei Mommsen, Chron. min. 2,120–61. Die Chronica des Cassiodor reichen von Adam bis Eutharich (ins Jahr 519) und berücksichtigen besonders die Geschichte der Goten. Manche Veränderungen, die Cassiodor an Prospers Text vornimmt, können auf eine gotenf und 1172 mit Prosp. chron. 1173. 1177. 1222 (dazu O’Donnell, Cassiodorus 38 f.). 3 Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,373 f. 4 Vgl. bes. philol. Komm. zu c. 1175. 5 Vgl. Mommsen, Chron. min. 1,380–84.

58

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Fällen wird daher von der Orthographie der Edition Mommsens abgewichen: 1. Für den germanischen w-Laut setzt Mommsen das Graphem . In den Hss. findet sich das Doppelzeichen neben , wobei sehr viel häufiger auftritt. Auch der Codex Mediceus hat durchgehend das Zeichen in den germanischen Eigennamen Vandali und Vallia (vgl. Vandali 1230. 1237. 1278. 1295. 1304. 1321. 1327. 1344; Vallia 1257. 1259. 1271). Nun erscheint das als ein aus dem Doppelzeichen entstandenes festverbundenes Zeichen in den Hss. überhaupt erst ab dem elften Jahrhundert.1 Da Mommsens Lösung also in doppelter Hinsicht problematisch ist, haben wir uns für die übliche lateinische Graphie entschieden. 2. In einigen Fällen folgt Mommsen der Schreibweise der Hss., obwohl sie vom Standard abweicht. Wir ändern und setzen Carthag- (statt Cartag-), vgl. 1266. 1375, aber 1339. 1342. haeresis, haeretici (statt heresis, heretici), vgl. 1171. 1266. 1301. 1306. 1336. 1358. 1362. Hieronymus (statt Hieronimus), vgl. 1166. 1186. 1274. Andererseits setzen wir Alani mit den Hss. gegen Mommsen (Halani), vgl. 1230. 3. Abweichend von Mommsen wird die Assimilation der Präfixe einheitlich hergestellt. Ausgenommen ist die Schreibung obt- statt opt- in Compositis. [M.B.]

V. Zum Sprachgebrauch und zur Textgestaltung Die Übersetzung orientiert sich in der Wiedergabe von Funktionstiteln der reichsrömischen Zivil- und Militärverwaltung eng am lateinischen Text: Sofern die Titel als konkrete Amtsbezeichnungen dienen, werden sie in lateinischer Form belassen. Der magister militum wird also nicht mit „Heermeister“ o. ä. übersetzt. Gleiches gilt bezüglich des Titels augustus in der Kaisertitulatur. Wo lateinische Titel jedoch nicht als Amts-, sondern als reine Funktionsbezeichnungen dienen, werden die jeweiligen Bezeichnungen übersetzt, so zum Beispiel im Falle von dux.2

1 2

Bischoff, Paläographie des römischen Altertums 164. Vgl. c. 1218. 1240. 1278. 1294. 1344. 1367.

Einleitung

59

Ferner ist zu beachten, dass Prosper in einigen Begriffsfeldern zu einem untechnischen Sprachgebrauch neigt. Aus stilistischen Gründen nutzt er zur Bezeichnung ein- und desselben Gegenstands häufig Synonyme, die im Deutschen nicht immer auch mit verschiedenen Synonymen wiedergegeben werden können. Dies ist auch nicht notwendig: Zwar weisen einzelne von Prosper verwendete Begriffe gewisse Unterschiede in ihrer konkreten Bedeutung auf, diese Unterschiede scheint der Chronist bei der Wahl einzelner Bezeichnungen aber nicht im Sinn gehabt zu haben. So erklärt sich, dass Städte in der Chronik ohne Rücksicht auf eine damit ursprünglich einhergehende Rechtsstellung wahlweise als civitates, oppida oder municipia bezeichnet werden. Dass Prosper die Bezeichnungen in der Tat untechnisch verwendet, zeigt deutlich c. 1324, wo Narbonne sowohl als oppidum als auch als civitas bezeichnet wird. Auch die mehrfache Bezeichnung der Präfekturhauptstadt Arles als oppidum spiegelt kaum die Bedeutung dieser Stadt. Auffällig ist ferner, dass der Begriff urbs nicht der Bezeichnung Roms vorbehalten ist.1 Ähnliche Beobachtungen lassen sich bei der Bezeichnung römischer Kaiser machen. Hier nutzt Prosper, ohne dass eine Vorliebe für bestimmte Wendungen erkennbar wäre, die Begriffe imperator, augustus und princeps nebeneinander. Zwar könnte c. 1183 darauf hinweisen, dass der Chronist dem augustus einen Legitimitätsvorsprung vor dem imperator (hier der Usurpator Magnus Maximus) einräumt; in der Folge werden aber auch zweifellos legitime Kaiser als imperatores gekennzeichnet. Der Befund um Maximus geht somit entweder auf Prospers Quelle zurück oder aber auf ein noch durchscheinendes Verständnis des Titels imperator als Funktionsbeschreibung.2 In der Folge jedenfalls werden Usurpatoren zeitgenössisch korrekt tyranni genannt.3 Gänzlich einer allgemein mangelnden zeitgenössischen Unterscheidung entspricht der synonyme Gebrauch von concilium und synodum.4 Mommsen hat in seiner Edition die Einträge der gesamten Chronik (also inkl. der Hieronymus-Epitome) durchgehend nummeriert und ist so zu einer Epitome und Fortsetzung verbindenden Kapitelzählung gelangt. Da seine Ausgabe seither als maßgeblich galt, soll diese Kapitelzählung auch in der

1

Arles als oppidum: 1243. 1247. 1290. Nicht römische urbes Imperator als Bezeichnung für legitime Kaiser: 1344. 1358. 1361. 1367. 1373. 3 Dies gilt auch für Maximus: 1191. Vgl. ferner 1201. 1232. 1288. 4 Die Synonymität wird am deutlichsten in c. 1266, wo beide Begriffe zur Bezeichnung ein- und derselben Bischofsversammlung genutzt werden. 2

60

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

vorliegenden Ausgabe sowohl im Editions- als auch im Kommentarteil Verwendung finden. Nur so kann die Möglichkeit der Benutzung vorhandener Forschungsliteratur auch im Zusammenhang mit dieser Edition gewährleistet werden. Das Ziel des Kommentars zur Chronik im vorliegenden Band ist nicht, einen vollständigen Überblick über sämtliche Parallelstellen zu einzelnen Berichtereignissen zu geben. Durch Prospers starke Umarbeitung seiner Vorlagen würde ein solcher Überblick ohnehin nicht viel mehr aussagen, als dass Prospers Informationen überhaupt auch an anderen Orten zu finden sind. Ebenso wenig kann es das Ziel sein, zu jedem Darstellungsdetail die gesamte Forschungsgeschichte abzubilden. In Anbetracht dessen, was bezüglich des Quellenwerts der Chronik weiter oben gesagt wurde, muss die eigentliche Aufgabe des Kommentars darin liegen, dem Benutzer eine Hilfestellung zu geben, um die Chronik in Aufbau und Komposition, in Grundpositionen und Aussageabsicht zu verstehen. Der Fokus liegt also letztlich weniger auf den Einzelinformationen als darauf, über die Betrachtung dieser die Chronik als Gesamtwerk in den Blick zu nehmen und zum Geschichtsbild des Autors vorzudringen. [J.K.]

Erklärung der Siglen, Zeichen und Abkürzungen in Text und Apparat M Y L Le Ls A

cod. Mediceus plut. 65,35, 10. Jh. cod. Limogiensis 1 (pars posterior), 12. Jh. cod. Spirensis deperditus, überliefert in der Edition von Labbé (1657) u. in dessen Auszügen am Rand von Au, daher = Lesart in der Version von Labbé = Spirensis am Rand von Au; wenn Ls im app. crit. allein gesetzt ist, Ls = Übereinstimmung von Ls und Le

Ar As At Au Av

Codex deperditus, fünf erhaltene Abschriften = Übereinstimmung von Ar und einer oder mehrerer Lesarten der anderen Abschriften cod. Marcianus 638, 11. Jh. cod. Laurentianus plut. 90,42, 15. Jh. cod. Florentinus Riccardianus 321, 15. Jh. cod. Berolinensis Phillipps 1879, 15. Jh. cod. Matritensis F 63, 15. Jh.

O

cod. Escurialensis Ovetensis R 2,18, 7. Jh.

R

cod. Reichenaviensis sive Augiensis = cod. Parisinus 4860, 9. Jh.

C

cod. Bruxellensis 5169, 9. Jh.

F P X Z

cod. Leidensis Freherianus Scal. 14, 9. Jh. cod. Laurentianus Poggianus plut. 67,15, 15. Jh. cod. Limogiensis 1 (pars prior), 12. Jh. cod. Matritensis 134, 13. Jh.

D H B Fris.

cod. Londiniensis 16974, 10. Jh. cod. Hauniensis 454, 12. Jh. cod. Bruxellensis 1794, 10. Jh. cod. Frisingensis 21, jetzt Monacensis 29418(1, 8. Jh.

V V (epit.) V (ind. imp.) Alcobac.

cod. Vaticanus reginae 2077, 6. Jh. epitome in V index imperatorum in V cod. Alcobaciensis Pontaci, 8. Jh., Zitate des verlorenen Codex in der Ausgabe von de Pontac (1604)

62

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Cassiod. Liberatus Paul. Diac. Vict.

Cassiodorus, Chronica Liberatus, Breviarium Paulus Diaconus, Historia Romana Victorius Aquitanus, Cursus paschalis

{aaa} ⟨aaa〉 (aaa) ⟦aaa⟧ aaa [aaa] ̣̣̣̣ [...]

vom Editor getilgte Buchstaben vom Editor hinzugefügte Buchstaben vom Editor aufgelöste Abkürzungen vom Schreiber oder anderer Hand getilgte Buchstaben unsicher erhaltene Buchstaben vom Editor in einer Lücke ergänzte Buchstaben unleserliche Reste von Buchstaben Zahl der in einer Lücke verlorengegangenen Buchstaben vom Schreiber freigelassener Raum im Umfang eines Buchstabens

*

[1168]

in einigen Codices überlieferter, vom Editor verworfener Eintrag

Aa.c. Ap.c. Acorr. As.l. Amarg.

Lesart in A vor der Korrektur (ante correctionem) Lesart in A nach der Korrektur (post correctionem) korrigierte Lesart in A (was vorher in A stand, ist unklar) über der Zeile (supra lineam) übergeschriebene(r) Buchstabe(n) in A Lesart am Rand (in margine) von A

add. alt. cf. corr. del. dub. eras. fort. in marg. in ras. litt. man. om. rell. s. l. spat. vac. sq., sqq.

addidit vel addiderunt alter, -a, -um confer correxit vel correctus, -a, -um delevit dubitanter erasus, -a, -um fortasse in margine in rasura littera(e) manus omisit vel omiserunt reliqui supra lineam spatium vacuum sequens, -tes

Siglen, Zeichen und Abkürzungen

suprascript. transpos. ut vid. vers.

suprascriptus, -a, -um transposuit vel transposuerunt ut videtur versus, -us

63

(G 5) Prosperi Tironis Chronica incipit epitoma de chronicon, quibus et generationes ab Adam usque ad Abraham et a passione domini omnes consules et, quae consecuta sint post finem Valentis usque ad consulatum Theodosii iunioris XVIII et Valentiniani iunioris Placidiae filii VI Augustorum, adiecimus. 5 ...

(1162) CCCLI: Valente VI et Valentiniano II ... (1166) hucusque Hieronymus presbyter ordinem praecedentium digessit annorum. nos, quae consecuta sint, adicere curavimus. 10

(1167) igitur Valente a Gothis in Thracia concremato Gratianus cum fratre Valentiniano XLI regnavit annis VI. MYLA ZXRFPH (hi sex incipiunt a 1166) B (incipit a 1167 Valente omissis consulibus omnibus) V. de inscriptionibus aliorum librorum vide commentarium. 1 – 4 incipit – adiecimus om. omnes codd. praeter A 1 generationes : geneseos Ar 3 sq. post – adiecimus Mommsen (cf. F in clausula usque in consulatum theodosi iunioris xviii et valentiniani placidiae filii iunioris sexies) : post finem valentii usque ad quintum consulatum valentiniani imperatoris adicimus A 6 CCCLI Mommsen, singulis annis annum passionis semper adscribens 8 sq. hucusque – curavimus MYLAZXFP : hucusque hier. exhinc prosper (tres litt. eras.) secuta subiunxit V : hucusque hier. ordinem praecedentium digessi sunt annorum. nunc ea quae secuntur a viro religiosissimo prospero ac eruditissimo addita subponuntur pauca ex nostro adiuncta studio H : incipit ex chronicis tyronis prosperi chronicorum eusebii temporibus praetermissis R 8 ordinem : ordine Z 9 ann. digessit X | consecutae LX 10 a – Thracia plerique : in trachia a gotis M | Thracia : trachias F : tracias XZ concremato transpos. ante in Z | gratiniano V 11 frate H | Valentiniano : valenti A | XLI : xxxviii R : romanorum xxxviii (xxxix Z) ante gratianus HZ : om. B | regnavit : regnat LXRBV : reg MF : om. H

(G 5) Prosper Tiro, Chronik Prosper Tiros Auszüge aus der Chronik des Hieronymus, der wir sowohl die Geschlechter von Adam bis hin zu Abraham hinzugefügt haben als auch von der Passion des Herrn an alle Konsuln sowie die Geschehnisse, die nach dem Ende des Valens folgten, bis hin zum achtzehnten Konsulat des jüngeren Theodosius Augustus und zum sechsten des jüngeren Valentinian Augustus, des Sohnes der Placidia. ... (1162) Jahr 351 (= 378 n. Chr.): Valens zum sechsten und Valentinian zum zweiten Mal ... (1166) Bis hierhin hat der Priester Hieronymus die Reihe der vorangehenden Jahre geordnet. Wir haben es besorgt, die Ereignisse hinzuzufügen, die folgten. (1167) Nachdem also Valens von den Goten in Thrakien verbrannt worden war, hat Gratian als 41. Kaiser mit seinem Bruder Valentinian sechs Jahre lang geherrscht.

66

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

[1168] (1169) CCCLII: Ausonio et Olybrio (1170) Gratianus post mortem patrui Theodosium Theodosii filium in consortium assumit imperii eique regnum tradit Orientis. 5

(1171) ea tempestate Priscillianus episcopus de Callaecia ex Manicheorum et gnosticorum dogmate haeresim nominis sui condit. (1172) CCCLIII: Gratiano V et Theodosio (1173) Ambrosius episcopus multa pro catholica fide sublimiter scribit.

(1174) CCCLIV: Syagrio et Eucherio 10 (1175) Martinus episcopus Turinorum Galliae civitatis {multis} clarus habetur. (1176) CCCLV: Antonio et Syagrio

MYALOZXRFPHBV; Cassiod. 1134. 1136 (1173. 1175), Paul. Diac. 11,13 (1173. 1175)

1 post vi (1167,11) add. theodosius ordinatur imperator a gratiano sirmii ad quem theofilus paschale scribit R (1168 Mommsen) 2 Ausonio : auxonio V : i (romanorum i P) et sic numerum singulis annis praescribunt ab i ad lxvi FP | elibrio H 3 Theodosium : theudos- H semper | Theodosii : theodosii comitis V 4 adsumpsit R eique : eiusque A : que ei R | tradidit ZRFPV 5 priscilianus MH | callecia M : calletia Y : gallecia BLZP : gallecias F : galletias X : gallechia A : gallicia VH : gallis R | ex : et P 6 ignosticorum XH | heresem VA | nomini sui M : nomini suo Y | nominis – condit : n. condidit sui Z | condit MY : condidit rell. 7 V : quinto F : quinties V 8 Ambrosius – scribit MYAs : ambr. (mediolanensis add. H) ep. pro cath. fide multa sub. scribit (scripsit XR) ArtLZXRHBV : pro cath. fide multa sub. ambr. scribit (ambr. ep. scripsit F) FP 9 Syagrio : sysagrio R : symmacho V | Eucherio ALZRV : eucerio XF : eucaerio M : eutherio H : eleucerio P : euerio Y 10 Turinorum – civitatis (om. gall. civ. R) AXFPHR : torinorum gall. civ. V : turonorum galliae civitatis LZB : t in galli civitatis turinorum M : in gallia civitate turrinorum Y 10 – 68,1 Galliae – Gothorum om. R 10 multis MYLsXFPV : del. Becker : in multis HB : a multis A : miraculorum Z : multis miraculis Labbé : multis miraculorum signis Mommsen 12 antonino AXF | siargio H

Text und Übersetzung

67

[1168] (1169) Jahr 352 (= 379 n. Chr.): Ausonius und Olybrius (1170) Nach dem Tod des Onkels nimmt Gratian Theodosius, den Sohn des Theodosius, in die Teilhabe am Kaisertum auf und vertraut ihm die Herrschaft über den Osten an. (1171) Zu dieser Zeit begründet Priscillian, ein Bischof aus Galicien, ausgehend von der Lehre der Manichäer und Gnostiker die nach ihm benannte Häresie. (1172) Jahr 353 (= 380 n. Chr.): Gratian zum fünften Mal und Theodosius (1173) In erhabenem Stil verfasst Bischof Ambrosius viele Schriften zur Verteidigung des katholischen Glaubens. (1174) Jahr 354 (= 381 n. Chr.): Syagrius und Eucherius (1175) Berühmt ist Martinus, der Bischof der Stadt Tours in Gallien. (1176) Jahr 355 (= 382 n. Chr.): Antonius und Syagrius

68

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1177) Aithanaricus rex Gothorum apud Constantinopolim quinto decimo die, quam fuerat susceptus, occiditur. (1178) CCCLVI: Merobaude II et Saturnino (1179) Arcadius Theodosi imperatoris filius Augustus appellatur. (1180) CCCLVII: Ricomere et Clearcho (1181) Honorius Theodosi filius nascitur. (1182) Romanae ecclesiae post Damasum XXXVI Siricius episcopus praefuit. (1183) in Brittania per seditionem militum Maximus imperator est fac10 tus, quo mox ad Gallias transfretante Gratianus Parisiis Merobaudis magistri militum proditione superatus et fugiens Lugduni captus atque occisus est. Maximus Victorem filium suum consortem regni facit. 5

M (1177 litt. minoribus et vers. brevioribus. deest 1181) Y A (1177 in marg.) L O (incipit a 1179) ZXRFPHBV; Cassiod. 1138. 1140. 1142. (1177. 1179. 1183)

1 Aithanaricus ABV : aitanaricus P : ahitanaricus F : athanaricus Mp.c.YLZXHp.c. Cassiod. : athanarius Ha.c. : atharicus Ma.c. : ante ath. add. hoc tempore MY | Gothorum : gotos V | apud Constantinopolim post fuerat transpos. H 1 sq. quinta decima die RV : quinto decimo P 2 quam : qua RBV : quo P | fuerat susceptus : susceptus est A 3 II om. MYAu 4 Theodosi : theudos- O semper | imperatoris om. OV | filius : faltus Y agustus O | appellatur MYAsLXRHV : appellatus ArtuOZFPB 5 Ricomere MYOZ : ricomede XRFPHV : richemere A : ricemere Ls : ricimere Le | elearco XH : clearo O : cliarco Z 7 Romanae ecclesiae : romae ecclesiae F : romae R 7 sq. Romanae – praefuit : siricius papa fit V 7 post Damasum post ordinatur R | Damasum : damasus Oa.c. : damascum Ma.c. : dasum Ar : damasium Ha.c. | XXXVI post romanae ecclesiae L : post romae R | Siricius ALZV : syricius MYB : sericius H : seritius X : siricus O : sericus FP : ursinus R 7 sq. episcopus praefuit MY : ep. pr. (pr. ep. AL, ep. om. OZXFP, pr. om. et episcopus transpos. ante sericius H) annis xiiii (xvi ZXFP) ALOZXFPHB : ordinatur p. d. annis xiiii R 9 brittaniam F | per seditione V R | gaulias H | transfetante F | perisis ARV : parisius P : peridis O | merobaude R : merabaudis Oa.c. 10 sq. magistro R 11 militum : miliciae H | et fugiens : effugiens AZF : est fugiens H : fugiens R | lucduni O 12 Maximus : maximinus R | Maximus – facit om. A | filium suum : s. f. Z

Text und Übersetzung

69

(1177) Am fünfzehnten Tag nach seinem Empfang wird Athanarich, König der Goten, in Konstantinopel getötet. (1178) Jahr 356 (= 383 n. Chr.): Merobaudes zum zweiten Mal und Saturninus (1179) Arcadius, der Sohn des Kaisers Theodosius, wird zum augustus ernannt. (1180) Jahr 357 (= 384 n. Chr.): Ricomer und Clearchus (1181) Honorius, der Sohn des Theodosius, wird geboren. (1182) Nach Damasus stand Siricius der römischen Kirche als 36. Bischof vor. (1183) Durch einen Aufstand der Soldaten wurde in Britannien Maximus zum Kaiser gemacht. Als er bald darauf in die gallischen Provinzen übersetzte, wurde Gratian durch den Verrat des magister militum Merobaudes bei Paris besiegt und auf der Flucht in Lyon gefangen genommen und getötet. Maximus machte seinen Sohn Victor zum Teilhaber an der Herrschaft.

70

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1184) Valentinianus XLII regnavit cum Theodosio annis VIII. (1185) CCCLVIII: Arcadio et Bautone (1186) hoc tempore Hieronymus presbyter in Bethleem, toto iam mundo clarus, habitabat egregio ingenio et studio universae ecclesiae 5 serviens. (1187) Priscillianus in synodo Burdigalensi damnandum se intellegens ad imperatorem provocavit auditusque Treveris ab Euvodio praefecto praetorio Maximi gladio addictus est cum Euchrotia Delfidi rhetoris coniuge et Latroniano aliisque erroris consortibus. Burdigalae quaedam 10 Priscilliani discipula nomine Urbica ob impietatis pertinaciam per seditionem vulgi lapidibus extincta est. (1188) CCCLIX: Honorio nobilissimo puero et Euvodio (1189) CCCLX: Valentiniano III et Eutropio MYALOZXRFPHB V (inter 1189 et 1190 index imperatorum a Theodosio ad Anastasium); Cassiod. 1143. 1145 (1184. 1186), Paul. Diac. 11,13 (1186)

1 Valentinianus – Theodosio : val. xl regnat cum theodosio ZR : romanorum xlii (xxxviiii H) regn. val. cum th. PH | XLII om. B | regnavit : reg M : regnat LOXRB | VIII RH : vi AuO : vii rell. 2 baptone H : abautone Z 3 hoc – presbyter : hieronimus presbyter hoc tempore R | bethlem B : betlem O 4 habitat AuLH : habetur O Cassiod. et om. P | universae : universali ZXFP : om. Ha.c. 5 serviens om. Z 6 priscilianus MP : priscillanus H | burdegalensi ZXRPV | damnandum se : se damn. P : damn. ibi se O 7 imperatorem MYLs : imperatorem maximum rell. | provocavit : pervolavit R : properavit Z | auditusque : auditisque H : auctusque O : autusque A : om. V | Treveris LsXHP : treviris MYLe : triveris AORB : triberis FV : in triveris Z | Euvodio MYArB : eubodio Hp.c. : eubotio Ha.c. : euodio AuLZXFPV : ebodio R : eudoxio O 7 sq. praefecto praetorio : rii AR : pp V 8 Maximi MYLsHB : a maximo ZXFP : om. ALeORV | adductus Ha.c. : additus P | Euchrotia MYAB : eucrotia OZRFP : eucrocia LsX : eucrothiia H : eudrotia V Delfidi MYR : delfidii F : delfidem V : delphidi AOB : delphidii LXP : delfidis H : delfii Z 8 sq. rectoris coniuge R : rhetoris coniunge Z : recthoris conivie H 9 latraniano AO : latrentano R : latrorvano Z | erroribus RZ | Burdigalae burdegale XP : burdigalem R : burdigali O : burdegali Z 9 – 11 Burdigalae – est om. V 10 prisciliani Mp.c.FP : prisciliana Ma.c. | Urbica : umbiga H : urbita R : usbica O 12 nobilissimo puero : np MYALOHV: nepote ZXFP : imperatore R | Euvodio MYAOp.c.HV : euodio LsZXRFPB : uvodio Oa.c.

Text und Übersetzung

71

(1184) Valentinian, der 42. Kaiser, hat zusammen mit Theodosius acht Jahre lang geherrscht. (1185) Jahr 358 (= 385 n. Chr.): Arcadius und Bauto (1186) Zu dieser Zeit lebte der Priester Hieronymus in Bethlehem, der bereits auf der ganzen Welt berühmt war. Mit hervorragendem Verstand und mit Eifer diente er der ganzen Kirche. (1187) Als Priscillian erkannte, dass auf der Synode von Bordeaux seine Verdammung bevorstand, appellierte er an den Kaiser. Nachdem ihn daraufhin in Trier Evodius, der praefectus praetorio des Maximus, verhört hatte, wurde er dem Schwert preisgegeben – zusammen mit Euchrotia, der Gattin des Rhetors Delfidius, Latronianus und anderen Teilhabern an seinem Irrtum. In Bordeaux wurde eine Schülerin des Priscillian namens Urbica wegen des Starrsinns ihrer Gottlosigkeit in Folge eines Massenaufruhrs gesteinigt. (1188) Jahr 359 (= 386 n. Chr.): Honorius und Evodius (1189) Jahr 360 (= 387 n. Chr.): Valentinian zum dritten Mal und Eutropius

72

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1190) CCCLXI: Theodosio II et Cynegio (1191) Maximus tyrannus Valentiniano et Theodosio imperatoribus in tertio ab Aquileia lapide spoliatus indumentis regiis sistitur et capite damnatur. cuius filius Victor eodem anno ab Arbogaste comite est 5 interfectus in Gallia. (1192) CCCLXII: Timasio et Promoto (1193) Itacius et Ursacius episcopi ob necem Priscilliani, cuius accusatores fuerant, ecclesiae communione privantur. (1194) CCCLXIII: Valentiniano IIII et Neoterio 10

(1195) CCCLXIV: Tatiano et Symmacho (1196) CCCLXV: Arcadio II et Rufino

MYALOZXRFPHBV

1 Theodosio II : theodosio i V | Cynegio : cinicio H : quinegio MY 2 maximius Z 2 – 5 Maximus – Gallia : maximus tyrannus aquileia occiditur et filius eius ab arbogaste in galliis V 2 tyramnus Y | Valentiniano MYAOB : valentiano H : a valentiniano LsZXRFP 3 tertio : tertio miliario H | aquilegia Art | expoliatus H | regis H 4 damnatur : truncatur Z | arvogaste ArH : arvocaste Arst : argovaste O : arbocaste B : argogaste a.c. | comite MYLHB : om. AOZXRFP : qui ex genere francorum erat add. H M F 4 sq. est interfectus (infectus Ar) post in galliis transpos. H 5 Gallia : MYAORB : gallias ZXF : galliis LPHV 6 timatio et praxomotico H 7 MY : ithacius LHB 7 sq. Itacius – privantur : adcusatores priscilliani ob necem eius communione privantur episcopi V 7 Priscilliani : prisciliani MFv 8 fuerunt R ecclesiae om. O 9 Valentiniano : vatano Astu : vetano Ar | neuterio OZV : neotheorio XFP : necterio H 10 tactiano H : taziano ZX : titiano FPV | simmiaco Z

Text und Übersetzung

73

(1190) Jahr 361 (= 388 n. Chr.): Theodosius zum zweiten Mal und Cynegius (1191) Der Usurpator Maximus wird der herrschaftlichen Gewänder entkleidet, beim dritten Meilenstein von Aquileia vor den Kaisern Valentinian und Theodosius vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Sein Sohn Victor wurde im selben Jahr in Gallien vom comes Arbogast umgebracht. (1192) Jahr 362 (= 389 n. Chr.): Timasius und Promotus (1193) Die Bischöfe Itacius und Ursacius werden wegen der Hinrichtung des Priscillian, dessen Ankläger sie gewesen waren, aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen. (1194) Jahr 363 (= 390 n. Chr.): Valentinian zum vierten Mal und Neoterius (1195) Jahr 364 (= 391 n. Chr.): Tatianus und Symmachus (1196) Jahr 365 (= 392 n. Chr.): Arcadius zum zweiten Mal und Rufinus

74

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1197) Valentinianus ad vitae fastidium nimia Arbogastis magistri militum auctoritate perductus laqueo apud Viennam periit. Arbogastes magister exercitus mortuo Valentiniano Eugenium in Gallia imperatorem facit. 5 (1198) Theodosius XLIII cum iam per XIIII regnaret annos, regnat cum Arcadio et Honorio filiis annis tribus. (1199) CCCLXVI: Theodosio III et Abundantio (1200) CCCLXVII: Arcadio III et Honorio II (1201) Iohannes monachus anachorita clarus habetur, qui ornatus pro10 phetiae gratia Theodosium consulentem de eventu belli, quod adversum Eugenium movebat, victorem futurum praedixit. (1202) CCCLXVIII: Olybrio et Probino MYALOZXRFPHB V (1197 et 1198 et in ind. imp. et in epit.); Cassiod. 1153. 1154. 1157 (1197. 1198. 1201), Paul. Diac. 12,4 (1201) 1 – 4 Valentinianus – facit : mortuo aput viennam valentiniano V (ind. imp.) : valentinianus ab arbogastis autoritate laqueo perit et eugenium in gallia imp. (erm suprascript.) facit arbogastes magister V (epit.) 1 sq. nimia – perductus : perd. nim. austeritate arb. mag. mil. Y 1 arvogasti H : ergobastis O 2 auctoritate Ma.c.H : austoritate Mp.c. : autoritate V : austeritate (transpos. post nimia) Y ALOZXRFBP productus O : perducitur Z | vehennam O : vienne R | perit XH | arbogastis MY : 2 sq. magister exercitus arvogastes LsH : arvogastis Ar : argovastis O : arvogastus Astu mag. H 3 post valentiniano add. cuius exitu (-tus A) gravabatur (gravatur AX) ALOZXRFPHBV | gallias ZXFP : galliis L : galliam R 4 facit : imperare FP | fecit OB 5 ante theodosius add. romanorum P | xliii theod. P : theod. xli R : xliii om. B 5 sq. Theodosius – tribus : om. per et filiis V (ind. imp.) : theodosius cum Arcadio et honorio filiis regnat V (epit.) : mortuo valentiniano theudosius c. i. p. xiiii ann. r. r. c. a. et h. annis tribus romanorum xl regnavit theudosius cum filiis archadio et h. annis tribus H 5 cum iam om. A | per – annos : regn. per a. xiiii A : per xiiii a. regn. ZX | regnat om. O 7 theodotio Y | III om. Z | habundantio MOX : abundantio ii R : post abundantio ex Marcellini Comitis chronico Honorium ... factae add. Ls 8 II om. V 9 – 11 Iohannes – praedixit : iohannis monacus habetur (haretur Va.c.) praedixit 9 anachoreta LR : anocorita O | habebatur ALe | ordinatus Ma.c. 10 Theodosium : et theod. B | theodosio consulente R : theudosio consolente O | evento O | adversus ALXP 11 moverat Ar : movebatur O 11 – 76,1 movebat – Eugenium Mmarg (alt. man.) 12 provino V : provino iii R

Text und Übersetzung

75

(1197) Valentinian – durch die übermäßige Machtfülle des magister militum Arbogast des Lebens überdrüssig geworden – kam in Vienne durch den Strick um. Arbogast, der Führer des Heeres, macht nach dem Tod des Valentinian in Gallien Eugenius zum Kaiser. (1198) Nachdem Theodosius, der 43. Kaiser, bereits 14 Jahre lang geherrscht hat, herrscht er zusammen mit seinen Söhnen Arcadius und Honorius drei Jahre lang. (1199) Jahr 366 (= 393 n. Chr.): Theodosius zum dritten Mal und Abundantius (1200) Jahr 367 (= 394 n. Chr.): Arcadius zum dritten und Honorius zum zweiten Mal (1201) Der Anachoretenmönch Johannes ist berühmt. Mit der Gnade der Prophetie ausgestattet, sagte er Theodosius, als dieser nach dem Ausgang des Krieges fragte, den er gegen Eugenius begann, als kommenden Sieger voraus. (1202) Jahr 368 (= 395 n. Chr.): Olybrius und Probinus

76

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1203) Theodosius Eugenium tyrannum vincit et perimit. (1204) Augustinus beati Ambrosii discipulus multa facundia doctrinaque excellens Hippone in Africa episcopus ordinatur. (1205) hoc tempore Claudianus poeta insignis innotuit. 5 (1206) Theodosius imperator Mediolani moritur. (1207) Arcadius XLIIII cum iam regnasset annis XII, regnat cum fratre Honorio annis XIII. (1208) CCCLXIX: Arcadio IIII et Honorio III (1209) CCCLXX: Caesario et Attico 10 [1210] (1211) CCCLXXI: Honorio IIII et Eutychiano (1212) Romanae ecclesiae episcopatum XXXVII tenet Anastasius. [1213] [1214] MY (in his deest 1205). AL O (desunt 1205. 1206) ZXRFPHB V (1206 et 1207 et in ind. imp. et in epit.); Cassiod. 1159-63 (1203- 07), Paul. Diac. 13,1 (1204) 1 tyrannum om. V | vicit OZHB | peremit H 2 agustinus O 2 sq. Augustinus – ordinatur : augustinus ordinatur episcopus V 3 hyppone MY : hippone (hyppone R, ippone O) regio (regione ArR) rell. cum Cassiod. et Paul. Diac. | in Africa : africae R : affricam Z 4 hoc tempore om. RV | poeta – innotuit AZXFB : ins. p. inn. P : poeta insignis habetur LRH Cassiod. : poeta claret V 5 ante theodosius add. romanorum PH Theodosius – moritur : quo mediolani mortuo V (ind. imp.) : theodosius moritur V (epit.) mediolano R 6 xliiii arc. P : arc. xliii MY : arch. xlii R : xlii arch. Z : xliiii om. BV 6 sq. Arcadius – XIII : romanorum xli regnavit archadius cum fr. h. ann. xiii archadius cum iam regnasset ann. xii regnat demum cum fr. h. H 6 cum iam om. MY | annos R cum2 om. V (ind. imp.) | fratre post honorio L : h. filio V 7 XIII : xiiii A : xv R 8 archadio iii MY 9 actico M : catico H 10 post attico add. concilium carthaginis ubi hypponiensis concilii statuta firmantur et inseruntur R (1210 Mommsen) 11 IIII : iii O eutyciano V : eutitiano F : futiciano P 12 anastasius V | episcopatum – tenet : xxxvii episcopatum (episcopus O) tenet ALO : ep. tenet (om. xxxvii) B : xxxvii ordinatur R | Anastasius MY : anast. ann. iiii ALORHB : ann. iii dieb. xxii ZXFP 13 post anastasius anno iiii add. eugenius occiditur R (1213 Mommsen) 14 post anastasius add. gildo in africa occiditur V (1214 Mommsen)

Text und Übersetzung

77

(1203) Theodosius besiegt und tötet den Usurpator Eugenius. (1204) Augustinus, ein Schüler des seligen Ambrosius, der sich durch reiche Beredsamkeit und Gelehrsamkeit auszeichnet, wird in Hippo in Africa zum Bischof geweiht. (1205) Zu dieser Zeit wurde der Dichter Claudianus sehr bekannt. (1206) Kaiser Theodosius stirbt in Mailand. (1207) Nachdem Arcadius, der 44. Kaiser, bereits zwölf Jahre lang geherrscht hatte, herrscht er zusammen mit seinem Bruder Honorius 13 Jahre lang. (1208) Jahr 369 (= 396 n. Chr.): Arcadius zum vierten und Honorius zum dritten Mal (1209) Jahr 370 (= 397 n. Chr.): Caesarius und Atticus [1210] (1211) Jahr 371 (= 398 n. Chr.): Honorius zum vierten Mal und Eutychianus (1212) Anastasius hat das 37. Bischofsamt der römischen Kirche inne. [1213] [1214]

78

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1215) CCCLXXII: Mallio Theodoro viro clarissimo consule (1216) cum hoc consulatum inierat Eutropius eunuchus, qui ablato honore damnatus est. (1217) CCCLXXIII: Stilichone et Aureliano 5 (1218) Gothi Italiam Alarico et Radagaiso ducibus ingressi. (1219) CCCLXXIV: Vincentio et Fravito (1220) Iohannes Constantinopolitanus et Theophilus Alexandrinus episcopi sancti habentur. sed utrumque obscuravit discordia, quae eo usque processit, ut Iohannes a Theophilo oppressus Pontum in exilium pergere 10 cogeretur, cum tamen communionem eius maxima pars episcoporum Romani pontificis exemplum secuta servaverit. (1221) CCCLXXV: Arcadio V et Honorio V

MYALOZXRFP H (desunt 1216. 1217) B (deest 1216) V; Cassiod. 1169 (1218)

1 Mallio OLV : manlio ZXFP : manlus MY : gallio H : mellio A : m R | Theodoro : theudoro O : et theodoro XFP : et theodorio Z : theodosio H | viro clarissimo : ut H : ii P : om. OV | conss. MYO : ss A : om. RV 2 consulatu AV : consolatu O | ingerat O 2 sq. ablato – damnatus MYLs : mox honore ablato damnatus et vita exutus Le : mox et (ex O) honore et vita (et vitae R) exutus (exustus AstO, deiectus R) AOZRFPV : mox et vita et honore exutus X 5 allarico Mp.c.Y : allorico Ma.c. | Radagaiso MYLsZX Cassiod. (cod. Monach.) : radagaiio F : radagaso P : radigauso A : ragaiso H : ragadaiso ORBV Cassiod. (cod. Paris.) | ingressi Le et plerique : ingressi sunt MYLs : ingresso R 6 Fravito MYALOV : frauvito R : frabito XF : brabito Z : fabritio P : fausto H 7 – 11 Iohannes – servaverit : iohannis constantinopolim et theofilus alexandriam episcopi habentur clari. sed utrosque obscuravit discordia. iohannis oppressus exiliatus iniuste V 7 pheophilus Ar : theufilus O 7 sq. episcopi – habentur : eps (ep M) sci hab. MY : ep. habebantur Ar : episcopus habebatur As : inlustres episcopi (episcopos F, om. H) habentur OZXRFPHB : ep. habentur clari V : episcopi clari habebantur AuLe 8 sed : et R 9 precessit O | theophile M : theophilus Z : theufilo O exilio OZXP 9 sq. pergere cogeretur : perurgetur R 10 communicationem MY : orationem P | pars : parte AOR 11 romanae R | exempla H : ad exemplum O | secutus Ha.c. | servaverint Z

Text und Übersetzung

79

(1215) Jahr 372 (= 399 n. Chr.): der vir clarissimus Mallius Theodorus Konsul (1216) Zusammen mit diesem hatte der Eunuch Eutropius das Konsulat übernommen, der seines Amtes enthoben und verurteilt wurde. (1217) Jahr 373 (= 400 n. Chr.): Stilicho und Aurelianus (1218) Die Goten marschierten unter Führung Alarichs und des Radagaisus in Italien ein. (1219) Jahr 374 (= 401 n. Chr.): Vincentius und Fravitus (1220) Die Bischöfe Johannes von Konstantinopel und Theophilos von Alexandria gelten als heilig. Auf beide aber warf die Zwietracht einen Schatten, welche so weit reichte, dass Johannes – von Theophilos unterdrückt – gezwungen wurde, sich in die Verbannung nach Pontus zu begeben, obwohl der größte Teil der Bischöfe, dem Beispiel des römischen pontifex folgend, die Gemeinschaft mit ihm aufrechterhielt. (1221) Jahr 375 (= 402 n. Chr.): Arcadius zum fünften und Honorius zum fünften Mal

80

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1222) Pollentiae adversum Gothos vehementer utriusque partis clade pugnatum. (1223) Romanae ecclesiae XXXVIII praeest episcopus Innocentius. (1224) CCCLXXVI: Theodosio Augusto I et Rumorido 5 [1225]

(1226) CCCLXXVII: Honorio VI et Aristaeneto (1227) CCCLXXVIII: Stilichone II et Anthemio (1228) Radagaisus in Tuscia multis Gothorum milibus caesis ducente exercitum Stilichone superatus et captus est. 10

(1229) CCCLXXIX: Arcadio VI et Probo (1230) Vandali et Alani Gallias traiecto Rheno ingressi II Kal. Ian. (1231) CCCLXXX: Honorio VII et Theodosio II MYALOZXRFPHBV; Cassiod. 1172. 1177 (1222. 1230) 1 poll. adversum (adversus O) gothos vehementer utriusque partis (patris L) clade ALOZXRHB : poll. adversum gothos vehementer MY : adversum (adversus P) gothos veh. utriusque pollentiae partis clade FP : poll. ad gotos utriusque parti in clade V 2 pugnatum : est add. LRB : pugnato Z 3 Romanae – Innocentius : innocentius papa fit V | XXXVIII – episcopus : pr. xxxviii ep. P : pr. ep. B : xxxviii ordinatur ep. R Innocentius MY : inn. ann. xiiii ALORB : inn. ann. xvi H : inn. ann xv mensibus duobus diebus xxi ZXFP 4 theodosius Y | Augusto I MYFH (cf. Cassiod.) : aug. semel ZX : i (om. aug.) A : aug. (om. i) PLe : v̄c augusto (om. i) R : om. VOLs | Rumorido : rumirido MYZX : romorido H : rumoridii O : rumiriolo Alcobac. 5 post rumorido add. carthaginense concilium habitum de donatistis R (1225 Mommsen) 6 et Aristaeneto LRPH (cf. Vict. et Cassiod.) : et aristeneto cons. FX : et aristenoto V : et aristoneto ZP : om. MYAO (cons. M, conf. Y, et conss. AO) 7 II : i M : om. Y | anathemio H 8 Radagaisus MYLOXHB : radagasius ZFP : raidigausus Ars : radigausus Atu : ragadaisus R : radaisus V | tusciam AP | militibus H | ducentem O 8 sq. ducente – Stilichone : stilicone duce V 9 exercitu RFP | stilicone V 11 valdali Ars plerique : et thalani M : et thalanni Y : et Halani Mommsen | transiecto V | reheno B ingressi ii kl ianuar MY : iii kl ian̄ ingressi R : pridie k. ian. ingressi plerique : ingressi sunt V : ab urbe condita mclxii add. H et ad 1237 add. Atuv 12 VII : vi Hp.c. : om. Ha.c. et om. P

Text und Übersetzung

81

(1222) Bei Pollentia wurde zum Schaden beider Seiten heftig gegen die Goten gekämpft. (1223) Innocentius steht der römischen Kirche als 38. Bischof vor. (1224) Jahr 376 (= 403 n. Chr.): Theodosius Augustus erstmals und Rumoridus [1225] (1226) Jahr 377 (= 404 n. Chr.): Honorius zum sechsten Mal und Aristaenetus (1227) Jahr 378 (= 405 n. Chr.): Stilicho zum zweiten Mal und Anthemius (1228) In Tuscien wurden unter Führung Stilichos viele tausend Goten niedergehauen – so wurde Radagaisus besiegt und gefangen genommen. (1229) Jahr 379 (= 406 n. Chr.): Arcadius zum sechsten Mal und Probus (1230) Am 31. Dezember überquerten Vandalen und Alanen den Rhein und marschierten in Gallien ein. (1231) Jahr 380 (= 407 n. Chr.): Honorius zum siebten und Theodosius zum zweiten Mal

82

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1232) Constantinus in Brittania tyrannus exoritur et ad Gallias transit. (1233) CCCLXXXI: Basso et Philippo (1234) Arcadius imperator Constantinopoli moritur. (1235) Honorius XLV cum Theodosio fratris filio regnavit annis XV. 5

(1236) CCCLXXXII: Honorio VIII et Theodosio III (1237) Vandali Hispanias occupaverunt. (1238) Attalus Romae imperator factus, qui mox privatus regno Gothis cohaesit.

10

(1239) CCCLXXXIII: Varane viro clarissimo consule (1240) Roma a Gothis Alarico duce capta (1241) et ob hoc solus fuit Orientalium partium consul, quod et sequenti anno observatum est. (1242) CCCLXXXIV: Theodosio Augusto IIII consule M (1237 litt. minoribus et brevioribus vers.) Y A (1237 in marg., 1238. 1239. 1243-45. 1246. 1240-42) L O (1237 in marg.) ZXRFPH B (desunt 1238. 1241) V (1234 et 1235 et in ind. imp. et in epit.); Cassiod. 1180. 1181. 1183. 1185 (1234. 1235. 1237. 1240), Paul. Diac. 13,7 (1235)

1 brittanias V | exhortus V | ad om. O 3 Arcadius – moritur : mortuo archadio constantinopolim V | Constantinopoli : constantinopolim MYArtuH V (epit.) 4 ante honorius add. romanorum ZPH | Honorius – XV MYALOXRFB : xlv regn. hon. cum th. fr. fil. ann. xv (xvi P) PH : xliii hon. c. th. fr. f. regn. ann. xv Z : hon. cum th. fr. fil. regnat ann. xiv xlv quadragesimus quintus V (ind. imp.) et sic usque ad regnat V (epit.) XLV : xliii R : om. B | regnavit : reg M | XV : xvi Ls 6 Vandali plerique : vvandali YOArRHV : valdali As : ante vand. add. hoc tempore MY | spanias AOV | occuparunt PB 7 roma V | qui om. HV | privatus H | regno om. Y 8 cohaesit MYLsZXFP Alcobac. : coesit R : cessit AruOV : cesit As : adhaesit H : om. At 9 Varane : fl. varane LsZXF : fl. varrone P | viro – consule : v. c. conss hs (id est hic sequitur, ut videtur Mommsen) A : 10 Roma – capta : om. V : varane v. c. et tertullo Vict. : varan et tertullus Cassiod. roma alaricus capit V | a Gothis om. a Y | allarico MY : halarico A | post capta add. et eversa H, viiii kal septemb V 11 sq. et1 insequenti anno V 11 et sequenti : in sequenti P : ē sequenti R 12 observatus A 13 Theodosio – consule LOZ : theodosius augustus iiii consul MY : theodosio iiii cons (consulatu P) suo XFP : theodosio a iiii conss hs Arst : a theodosio an iiii consulatum habens Au : theodosio aug. iiii vc coss H : theodosio iiii cons R : theodosio V

Text und Übersetzung

83

(1232) In Britannien tritt Konstantin als Usurpator auf und setzt nach Gallien über. (1233) Jahr 381 (= 408 n. Chr.): Bassus und Philippus (1234) Kaiser Arcadius stirbt in Konstantinopel. (1235) Honorius, der 45. Kaiser, hat zusammen mit Theodosius, dem Sohn seines Bruders, 15 Jahre lang geherrscht. (1236) Jahr 382 (= 409 n. Chr.): Honorius zum achten und Theodosius zum dritten Mal (1237) Die Vandalen nahmen Spanien ein. (1238) In Rom wurde Attalus zum Kaiser gemacht. Bald darauf wurde er der Herrschaft enthoben, blieb aber mit den Goten verbunden. (1239) Jahr 383 (= 410 n. Chr.): der vir clarissimus Varanes Konsul (1240) Rom wurde von den Goten unter Führung Alarichs erobert. (1241) Und deshalb gab es bloß den Konsul der östlichen Reichsteile, wie es auch im folgenden Jahr beibehalten wurde. (1242) Jahr 384 (= 411 n. Chr.): Theodosius Augustus zum vierten Mal Konsul

84

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1243) Constantinus per Honorii duces Constantium et Ulphulam apud Arelatense oppidum victus et captus. cuius filium Constantem in Hispania regnare orsum Gerontius comes in Maximum tyrannidem transferens interemerat. 5

(1244) CCCLXXXV: Honorio VIIII et Theodosio V (1245) Maximo in Hispania regno ablato vita concessa eo, quod modestia humilitasque hominis affectati imperii invidiam non merebatur.

(1246) Gothi rege Athaulfo Gallias ingressi. (1247) eodem tempore Heros vir sanctus et beati Martini discipulus 10 cum Arelatensi oppido episcopus praesideret, a populo eiusdem civitatis insons et nulli insimulationi obnoxius pulsus est inque eius locum Patroclus ordinatus, amicus et familiaris Constantii magistri militum, cuius per ipsum gratia quaerebatur, eaque res inter episcopos regionis illius magnarum discordiarum materia fuit. M (1246 litt. minoribus et vers. brevioribus. deest 1247) Y (desunt 1246. 1247) A (1246 in textu) LOZXRFPH B (desunt 1243. 1245) V (deest 1247); Cassiod. 1188 (1246)

1 – 4 Constantinus – interemerat : constantinus areto capitur cuius filius in hispania regnare orsus gerontius comis occiditur dum maximum quendam transferens tyrannidem V 1 per – Ulphulam om. R | ducis O | ulpulam O : ulfulam ZXFH : ulphilam Ls 2 arelatensem ArZXFP : arelatensis H : archilatense M : archilatensem Y : areto V | et captus : et captus est LZXFP : om. Ar : ac post in italiam adductus interficitur in loco ubi mincia fluvius oritur add. H | filius H 2 sq. spania O fere : spaniis R 3 orsum : seorsum Ar | geruntius H | Maximum MY : quendam add. rell. 4 iteremerat H 6 spania ORV | concessa : est concessa B : conceditur V 6 sq. eo – merebatur om. V 7 humilitatisque ORFP | affectat A : affecta Z : affectatim R | imperii : perit R 8 ante gothi add. hoc tempore M | rege Athaulfo LOF : rege ataulfo A : rege (regi B) athaulpho MZXPHB : rege ataulpho Cassiod. : rege ataolfo V : a rege thaulfo R | ingresso FP 9 hiros A : eros X 10 arelatensis A : areliathensi H | a : et a H | eiusdem ALORFHB : ipsius ZXP 11 insons : insonis Z : om. O | insimulationibus noxius XF : nullis insimulationibus noxius ZP | insimulationi : -ne Ar : insimilationi Bcorr. | inque : in quem Fa.c. : in qua Z : in quo RAH : inique O | locum : loco ArHB 12 paroclus FP : patruclus Z | ordinatur AOZXFPHB | constantini Z 13 eaque res : eaque per O : quae res L : om. R | regiones Ha.c.

Text und Übersetzung

85

(1243) Konstantin wurde durch die Heerführer des Honorius, Constantius und Ulfilas, in der Stadt Arles besiegt und gefangen genommen. Seinen Sohn Constans, der in Spanien zu herrschen begonnen hatte, hatte der comes Gerontius beseitigt, der die Usurpatorenstellung auf Maximus übertragen hatte. (1244) Jahr 385 (= 412 n. Chr.): Honorius zum neunten und Theodosius zum fünften Mal (1245) Nachdem ihm die Herrschaft genommen worden war, wurde dem Maximus in Spanien deshalb das Leben gewährt, weil er durch seine Bescheidenheit und Demut keinen Hass auf Grund des erstrebten Kaisertums verdiente. (1246) Die Goten marschierten unter König Athaulf in Gallien ein. (1247) Zur selben Zeit wurde Heros, ein heiliger Mann und Schüler des seligen Martinus, als er der Stadt Arles als Bischof vorstand, vom Volk eben dieser Stadt vertrieben – unschuldig und keiner Anklage ausgesetzt. An seiner Stelle wurde Patroclus geweiht, ein Freund und Vertrauter des magister militum Constantius, dessen Gunst dadurch erstrebt wurde. Dieser Vorfall war Anlass für große Uneinigkeiten zwischen den Bischöfen jener Region.

86

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1248) CCCLXXXVI: Lucio viro clarissimo consule (1249) huius collega in consulatu Heraclianus fuit, qui novarum in Africa rerum reus et honore et vita exutus est. (1250) Burgundiones partem Galliae propinquam Rheno obtinuerunt. 5 (1251) Iovinus et Sebastianus fratres in Gallia regno arrepto perempti. (1252) eodem tempore Pelagius Britto dogma nominis sui contra gratiam Christi Caelestio et Iuliano adiutoribus exerit multosque in suum errorem trahit praedicans unumquemque ad iustitiam uoluntate propria regi tantumque accipere gratiae, quantum meruerit, quia Adae peccatum 10 ipsum solum laeserit, non etiam posteros eius obstrinxerit, unde et volentibus possibile sit omni carere peccato omnesque parvulos tam insontes nasci, quam primus homo ante praevaricationem fuit, nec ideo baptizandos, ut peccato exuantur, sed ut sacramento adoptionis honorentur.

(1253) CCCLXXXVII: Constantio et Constante MYALOZXRFPH B (desunt 1249. 1251) V (deest 1250); Cassiod. 1190 (1250) 1 Lucio Le et plerique : luciano LsZXFP | viro clarissimo : clarissimo viro R : vi Y 2 sq. huius – est : et (ut vid.) collega heraclianus revellans africa et honorem amisit et vitam V 2 in consulatu om. A | Heraclianus fuit YALZX (eraclianus Y) : herodianus fuit R : aclianus fuit O : fuit eraclianus MFPH 3 reos Z | et1 – est MYLs (exceptus MY) : et honorem amisit et vitam ALeOZXFPHV : et honorem et vitam amisit R 4 burgunzones ZFPa.c. : bugurdiones O | propinquam MYALORB : propinqua H : propinquantem ZXFP reheno B : rhenum P : regno O 5 iobinus R | sabastianus H : sebastinus X | Gallia : gallias ZRFPV : galliis L | arrepto : abrepto RFP : accepto L : arrepti O | perempti : p. sunt LR 6 eodem tempore MY : hac tempestate ALOZXRFPHB | pelasgius P : pelagus O | brito P : bruto R 6 sq. gratiam : gloriam O 7 multoeque B 8 – 13 praedicans – honorentur om. MY 8 sq. ad – tantumque om. B 8 iustitiam : iusticiamur H | uoluntate propria : pr. vol. X 9 tantamque Z | meruit OP | quia : qui Oa.c. : quod L | Adae om. R Adae peccatum : peccatum adae L 10 ipsum : in ipsum P | leserat H 10 sq. non – sit : unde et nolentibus possibile sit ut non etiam posteros eius perstrinxerit R 10 etiam : autem O | in posteros P | eius : cuius P | obstruxerit Ha.c. | et om. A 11 omni : omnia R | omni – peccato : omnibus carere peccatis B | tam : nam A 14 Constantio – Constante V (cf. Vict. et Cassiod.) : constanti et MY : constantio v. c. cos. ALZXFP : contantio vic conss O : constantio v. c. consule et constante RH

Text und Übersetzung

87

(1248) Jahr 386 (= 413 n. Chr.): der vir clarissimus Lucius Konsul (1249) Dessen Kollege im Konsulat war Heraclianus, der – umstürzlerischer Taten in Africa angeklagt – sowohl des Amtes als auch des Lebens beraubt wurde. (1250) Die Burgunden nahmen den Teil Galliens nahe dem Rhein ein. (1251) In Gallien wurden die Brüder Jovinus und Sebastianus getötet, weil sie die Herrschaft an sich gerissen hatten. (1252) Zur selben Zeit bringt Pelagius, ein Brite, mit Unterstützung von Caelestius und Julianus die nach ihm benannte Lehre gegen die Gnade Christi hervor und zieht viele zu seinem Irrtum hin, indem er lehrt, dass jeder einzelne aus eigenem Willen zur Gerechtigkeit geleitet werde und so viel an Gnade empfange, wie er verdient habe, weil Adams Sünde allein diesen selbst verletzt, nicht aber auch seine Nachkommen gefesselt habe. Deshalb auch sei es denjenigen, die es wollten, möglich, frei von aller Sünde zu sein. Ferner würden alle kleinen Kinder so unschuldig geboren, wie der erste Mensch vor dem Sündenfall gewesen sei; und nicht deswegen seien sie zu taufen, damit sie die Sünde ablegten, sondern damit sie mit dem Sakrament der Adoption geehrt würden. (1253) Jahr 387 (= 414 n. Chr.): Constantius und Constans

88

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1254) Attalus Gothorum consilio et praesidio tyrannidem resumit in Gallia. (1255) CCCLXXXVIII: Honorio X et Theodosio VI (1256) Attalus a Gothis ad Hispanias migrantibus neglectus et praesidio 5 carens capitur et Constantio patricio vivus offertur. (1257) Athaulfus a quodam suorum vulneratus interiit regnumque eius Vallia peremptis, qui idem cupere intellegebantur, invasit. (1258) CCCLXXXIX: Theodosio VII et Palladio (1259) Vallia Placidiam reddit, 10 cuius nuptias Constantius promeretur. 15

Placidiam Theodosii imperatoris filiam, quam Romae Gothi ceperant quamque Athaulfus coniugem habuerat, Vallia pacem Honorii expetens reddit eiusque nuptias Constantius promeretur.

(1260) Romanae ecclesiae episcopatum XXXVIIII suscipit Zosimus. MYALOZXRFPH B (desunt 1254. 1256) V; Cassiod. 1194 (1259) 1 atthalus R : adtalus O : athalus Z | a gothorum R | consilio et om. MY | tyrannidem resumit : tyrannus fit V | resumit : resummittit O : praesumit RH 2 gallias ZXFV : galliis LP : gallias invasit R 4 sq. Attalus – offertur : attalus capitur V 4 a om. MYLsH spanias O | neclectus OH | et : e R 5 et – offertur om. R | vius O 6 Athaulfus ALOF : ataulfus RHV : athaulphus MYXP : atthaulphus B : athaulfus gothorum rex Z 6 sq. Athaulfus – invasit : ataulfus a suis occiditur valia regnum invadit V 6 suorum : socrum R 7 Vallia MYFPB : vablia H : valla A : valia V : vvallia LOZX : vvanlia R | qui idem : quidem AR | qui – intellegebantur : quidem qui eum capere conabantur H 8 theodosio vi ac pall. R 9 – 18 Vallia – promeretur : placidiam vallia reddit constantius eam accepit uxorem V 9 – 11 Vallia – promeretur MY 9 placidia A : placidam Z 12 – 18 Placidiam – promeretur ALOZXRFPHB 12 Theodosii : th. senioris Z 13 gothi romae B : gothi romam O 14 coeperant RB : ceperunt FP | quae H 15 habent Ha | Vallia AFPHB : vvallia LZX : vvanliam R 16 reddidit O 19 Romanae – Zosimus : zosimus papa fit V | xxxviiii ep. transpos. ALOR : ep. B : xxxix H | suscepit AOXRH | Zosimus MY : zos. annis iii ALORHB : anno uno mensibus viiii (viii Z) diebus viiii ZXFP

Text und Übersetzung

89

(1254) In Gallien erlangt Attalus auf Beschluss und mit dem Schutz der Goten die Usurpatorenstellung zurück. (1255) Jahr 388 (= 415 n. Chr.): Honorius zum zehnten und Theodosius zum sechsten Mal (1256) Attalus wird von den nach Spanien ziehenden Goten im Stich gelassen und ermangelt ihres Schutzes. Er wird gefangen genommen und lebend dem patricius Constantius dargeboten. (1257) Athaulf wurde von einem seiner Leute verwundet und kam um. Seine Herrschaft riss Wallia an sich, nachdem er diejenigen getötet hatte, die verdächtigt wurden, dasselbe zu begehren. (1258) Jahr 389 (= 416 n. Chr.): Theodosius zum siebten Mal und Palladius (1259) Wallia gibt Placidia zuWeil er Frieden von Honorius rück, deren Hand Constantius erstrebt, gibt Wallia Placidia erlangt. zurück, die Tochter des Kaisers Theodosius, die die Goten in Rom gefangen genommen hatten und die Athaulf als Gattin besessen hatte. Ihre Hand erlangt Constantius. (1260) Zosimus empfängt das 39. Bischofsamt der römischen Kirche.

90

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1261) quo tempore Pelagianis iam a papa Innocentio praedamnatis Afrorum industria ac maxime Augustini episcopi scientia resistebatur.

(1262) CCCXC: Honorio XI et Constantio II (1263) Honorius Romam cum triumpho ingreditur praeeunte currum 5 eius Attalo, quem Liparae vivere exulem iussit. (1264) CCCXCI: Honorio XII et Theodosio VIII (1265) hoc tempore Constantius servus Christi ex vicario Romae habitans et Pelagianis pro gratia dei devotissime renitens factione eorundem multa pertulit, quae illum sanctis confessoribus sociaverunt. 10

(1266) concilio autem apud Carthaginem habito CCXIIII episcoporum ad papam Zosimum synodalia decreta perlata sunt, quibus probatis per totum mundum haeresis Pelagiana damnata est.

MYALOZXRFPHB V (deest 1261)

1 Pelagianis : pelagianus Ma.c.Y | Pelagianis – praedamnatis : pelagius (pelasgius P) iam a p. i. praedamnatus ZXFP | iam : tam H 2 industria MYLs : vigore ALeOZXRFPHB ac maxime : et maxime FP : maximeque Z | agustini O | episcopi : eps M | scientia MYLsZXFP : industria AOR : industria et scientia LeB : industria scientiae H 3 Honorio XI : et maxime FP : maximeque Z | agustini O | Constantio : eps M 4 sq. Honorius – iussit : honorius roma cum triumpho ingreditur euntes usque V 4 Romam : roma VArt : rome O | cum triumpho : triumpho AOR : triumphans ZXFP | curru F : currium Z 5 eius om. Z | attolo MYZ : attalum H | libare R | exulem iussit MYFPZX : iuss. ex. ALORHB 7 – 9 hoc – sociaverunt : constantius ex vicario romae factione pelagianorum occiditur V 7 vigario A 8 pelasgianis P : pelagianus Z | Pelagianis – renitens MY : pro gr. dei dev. pelagianis (pel. dev. O) resistens ALOZXRFPHB | factionem O 9 quae : qui Z | illum : illis FP 10 concilio : consilio A : conscilio H cartaginensis decreta concilii hereses pelagiana ubi senator V 10 autem MYHB : om. ALOZXRFP | CCXIIII Ls et plerique : ducentorum amplius AO : ccxiiii (add. alt. man.) amplius R : ccxiv et amplius Le | episcorum O 11 synodalia : synodi LRp.c. : sinodali O perlata sunt : perdata sunt H : perlatas F : prelata P 12 pelasgiana P

Text und Übersetzung

91

(1261) In dieser Zeit wurde den Pelagianern, die bereits zuvor von Papst Innocentius verdammt worden waren, durch den Einsatz der Africaner und vor allem durch die Gelehrsamkeit des Bischofs Augustinus Widerstand geleistet. (1262) Jahr 390 (= 417 n. Chr.): Honorius zum elften und Constantius zum zweiten Mal (1263) Honorius zieht im Triumph in Rom ein, wobei seinem Wagen Attalus vorangeht. Diesem erlegte Honorius auf, als Verbannter auf Lipari zu leben. (1264) Jahr 391 (= 418 n. Chr.): Honorius zum zwölften und Theodosius zum achten Mal (1265) Zu dieser Zeit erduldete Constantius, ein Diener Christi und ehemals vicarius, der in Rom wohnte und sich um der Gnade Gottes willen den Pelagianern am hingebungsvollsten widersetzte, durch deren Anhänger viele Dinge, die ihn mit den heiligen Bekennern vereinigten. (1266) Nachdem in Karthago ferner ein Konzil von 214 Bischöfen abgehalten worden war, wurden Papst Zosimus die Synodalbeschlüsse überbracht, durch deren Anerkennung auf der ganzen Welt die pelagianische Häresie verdammt wurde.

92

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1267) Valentinianus Constantii et Placidiae filius nascitur VI Non. Iul. [1268] (1269) CCCXCII: Monaxio et Plinta (1270) Romae XL episcopatum suscipit Bonifatius. 5 (1271) Constantius patricius pacem firmat cum Vallia data ei ad inhabitandum secunda Aquitanica et quibusdam civitatibus confinium provinciarum. (1272) CCCXCIII: Theodosio VIIII et Constantio III (1273) Constantius ab Honorio in consortium regni assumitur. 10

(1274) Hieronymus presbyter moritur anno aetatis suae XCI pridie Kal. Oct. (1275) CCCXCIV: Agricola et Eustathio (1276) Constantius imperator moritur. (1277) CCCXCV: Honorio XIII et Theodosio X

MYAL O (deest 1272) ZXRFPH B (deest 1270) V; Cassiod. 1199. 1201 (1273. 1276), Paul. Diac. 13,3 (1271. 1273). 13,4 (1274)

1 Valentinianus – Iul : valentinianus nascitur V | Constantii – filius om. MY noscitur P | VI : v AR | VI – Iul : iulius H 2 post iul. add. carthagis concilium contra pelagianos R (1268 Mommsen) 3 Monaxio MYLsORV : monachio A : maximo ZXFP : maximos H | Plinta : pintao cons. H 4 Romae : romanae ecclesiae LR | Romae – Bonifatius : Bonifatius papa xlii fit V | xl ep. susc. bonefatius MYR : xl ep. agit bonifatius (sic OPH, -facius rell.) ALOZXFPH | post bonifatius add. ann. iiii ALOR, ann. iii H, ann. iii (om. X) mensibus viii diebus vi ZXFP 5 constantinus O : ante constantius add. hoc tempore fuit iii scisma eulalio (culalio AtLs) antipapa per honorium cesarem eiecto, quod duravit annis duobus an dni cccciiii (sic Atu, om. a. d. cccciiii Le) Atu (marg.) L | patricius om. AOZXRFPV | pace V | firmat : firmam Fa.c. | Vallia plerique : valia V : vvallia OL : vvanlia R : invallia Z | data ei MYV : data (datam B) eidem ALOZXRFPB : eidem data H 5 sq. ad inhabitandum MALOR : ad habitandum YZXFPHB : om. V 6 secunda om. PV | Aquitanica Z aquitaniica O : aquintanica V : aquitania LRH 6 sq. et – provinciarum : et aliis civitatibus V 8 VIIII : viii V | constio Va.c. | III : iiii H 10 sq. Hieronymus – Oct : h. pr. mor. V 10 XCI : lxi MY : xcviii primo O 12 agricula O | eustasio RHV : eustachio YXF : eustatio OP 13 constantinus O

Text und Übersetzung

93

(1267) Am 2. Juli wird Valentinian geboren, der Sohn des Constantius und der Placidia. [1268] (1269) Jahr 392 (= 419 n. Chr.): Monaxius und Plinta (1270) In Rom empfängt Bonifatius das 40. Bischofsamt. (1271) Der patricius Constantius bekräftigt den Frieden mit Wallia. Er gewährte ihm, in der Aquitania secunda sowie in einigen Städten der angrenzenden Provinzen zu siedeln. (1272) Jahr 393 (= 420 n. Chr.): Theodosius zum neunten und Constantius zum dritten Mal (1273) Constantius wird von Honorius in die Teilhabe an der Herrschaft aufgenommen. (1274) Am 30. September stirbt der Priester Hieronymus in seinem einundneunzigsten Lebensjahr. (1275) Jahr 394 (= 421 n. Chr.): Agricola und Eustathius (1276) Kaiser Constantius stirbt. (1277) Jahr 395 (= 422 n. Chr.): Honorius zum dreizehnten und Theodosius zum zehnten Mal

94

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1278) hoc tempore exercitus ad Hispanias contra Vandalos missus est, cui Castinus dux fuit. qui Bonifatium virum bellicis artibus satis clarum inepto et iniurioso imperio ab expeditionis suae societate avertit. nam ille periculosum sibi atque indignum ratus eum sequi, quem discordem 5 superbientemque expertus esset, celeriter se ad Portum atque inde ad Africam proripuit idque rei publicae multorum laborum et malorum sequentium initium fuit. (1279) CCCXCVI: Mariniano et Asclepiodoto (1280) Placidia Augusta a fratre Honorio pulsa ad Orientem cum Hono10 ria et Valentiniano filiis proficiscitur. (1281) Romanae ecclesiae XLI praeficitur episcopus Caelestinus. (1282) Honorius moritur et imperium eius Iohannes occupat conivente, ut putabatur, Castino, qui exercitui magister militum praeerat.

MYALOZXRFPHBV; Cassiod. 1203. 1205. 1206 (1278. 1280. 1282), Paul. Diac. 13,6 (1278). 13,7 (1280). 13,8 (1282)

1 – 7 hoc – fuit : odoacer ad spanias vandalos mittit cum castino duce V 1 spanias O 2 cui : coa O | bellicis : becillis A | satis clarum MY : praeclarum AtLOZRPHB (cf. Paul. Diac.) : perclarum ArsXF 3 inepto : indepto AstXF : indempto Ar | ad exp. s. societatem H | advertit Ha.c.P 4 ratur M 5 supervientemque O | esset : esse F | Portum MY : portum (portam H) urbis ALOZXRFPHB (cf. Paul. Diac.) | inde om. P | ad2 : in L 6 aficam Ma.c. | idque : adque O | labore Z 6 sq. et – sequentium MYLs : om. AOZXRFPHB 8 mariano M | asclipiodoto V 9 Augusta om. V 9 sq. ad orientem (-te V) cum honoria (honorio ZRHB) et valentiniano (valer V) filiis (fil V, om. R) proficiscitur ALOZXRFPHBV : orientem cum filiis petit MY : cum Honorio et Valentiniano filiis ad Orientem mittitur Cassiod. : ad Orientem cum Honoria et Valentiniano filiis profecta Paul. Diac. 11 Romanae – Caelestinus MY : rom. eccl. xli (xli om. B) praesidet ep. cael. ALOZXFPHB : rom. eccl. xli episcopatum suscepit cael. R : caelestinus papa V : ann. viiii add. ALORHB : ann. viiii menses x diebus xvii – praeerat : honorius moritur V (epit.) : quo mortuo V (ind. imp.) 12 imperium MY : regnum ALOZXRFPHB | eius om. Y | iohannis M | conivente H : conibente ZF : connivente LX : cohibente MY : conhibente B : coniubente P 12 sq. conivente – praeerat om. AOR 13 exercitu H | milicie H

Text und Übersetzung

95

(1278) Zu dieser Zeit wurde ein Heer gegen die Vandalen nach Spanien gesandt, dem Castinus als Heerführer diente. Er hielt Bonifatius, einen für seine Kriegskünste sehr berühmten Mann, durch einen törichten und ungerechten Befehl von der Teilnahme an seinem Kriegszug ab. Denn Bonifatius glaubte, es sei für ihn gefährlich und auch schmachvoll, Castinus zu folgen, den er als streitbar und hochmütig erfahren hatte und enteilte daher rasch nach Portus und von da aus nach Africa. Das war für das Staatswesen der Beginn vieler nachfolgender Mühen und Übel. (1279) Jahr 396 (= 423 n. Chr.): Marinianus und Asclepiodotus (1280) Von ihrem Bruder Honorius vertrieben, begibt sich Placidia Augusta zusammen mit ihren Kindern Honoria und Valentinian in den östlichen Reichsteil. (1281) Als 41. Bischof wird der römischen Kirche Coelestin an die Spitze gestellt. (1282) Honorius stirbt und sein Kaisertum ergreift Johannes – mit Duldung des Castinus, wie vermutet wurde, der dem Heer als magister militum vorstand.

96

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1283) Theodosius XLVI Romanum imperium tenet. (1284) CCCXCVII: Castino et Victore (1285) Exuperantius Pictavus praefectus praetorio Galliarum in civitate Arelatense militum seditione occisus est idque apud Iohannem inultum 5 fuit. (1286) Theodosius Valentinianum consobrinum suum Caesarem facit et cum Augusta matre ad recipiendum Occidentale emittit imperium. quo tempore Iohannes, dum Africam, quam Bonifatius obtinebat, bello reposcit, ad defensionem sui infirmior factus est. 10

(1287) CCCXCVIII: Theodosio XI et Valentiniano Caesare (1288) Placidia Augusta et Valentinianus Caesar mira felicitate Iohannem tyrannum opprimunt et regnum victores recipiunt. data venia Aetio

MY ALO (hi tres soli 1285, AO in marg.) ZXRFPHBV; Cassiod. 1207. 1209. 1211 (1283. 1286. 1288), Paul. diac. 13,18 (1283). 13,9 (1286. 1288)

1 Theodosius – tenet (romanorum A) (ten. imp. Y) MYAOX B (add. alt. man.) : theodosius xlvi romanaciperi (romanis imperat dub. Mommsen) V (epit.) : rom. xliiii tenet th. Z : theodosius xlvi V (ind. imp.) : th. xlvi (xliiii R) romanum (romanorum LF) imp. tenet annis xxvii (xxviii R) LRF (cf. Cassiod. et Paul. Diac.) : romanorum xlvi regnavit theodosius annis P : romanorum xliii regnat theudosius minor archadii filius ann xxv H | XLVI om. Bcorr. 2 victorino R 3 Exuperantius : superantius A : ante ex. add. hac tempestate ArO, hoc tempore AuL | praetorio : po O : praetorii AL 4 Arelatense O : arelatensi Le : arhelatensis Ar : arelathensis At : arelatensis Au (deest As) | idque : adque O | inultum OLe (fuit inultum Ls) : ultimum Art : inultimum Au (deest As) 6 consobrinum suum MY (cf. Cassiod.) : amitae suae filium ALOZXRFPHB (cf. Paul. Diac.) : om. V 7 agusta O | matre : sua add. P | occidentalem RF : orientalem O : orientale A | emittit MYAtZXB : emittat H : amittit As : mittit ArLRFP : om. O : et ad rec. imp. cum matrem mittit V 7 – 9 quo – est : contra iohannem V 10 theodosium Z | Valentiniano : valtano O | Caesare MYALOH : consule R : om. ZXFPV 11 – 98,2 Placidia – sunt : placidia et valentinianus iohanne oppremunt data istipendia (aetio venia dub. Mommsen) castino at exilium V 12 victorem XF | venio Z aethio B : etio ZP : aetia Y : actio X

Text und Übersetzung

97

(1283) Theodosius hat das 46. römische Kaisertum inne. (1284) Jahr 397 (= 424 n. Chr.): Castinus und Victor (1285) Bei einem Aufstand der Soldaten wurde in der Stadt Arles Exuperantius von Poitiers, praefectus praetorio Galliarum, getötet. Dies wurde von Johannes nicht gerächt. (1286) Theodosius macht seinen Vetter Valentinian zum caesar und sendet ihn zusammen mit seiner Mutter, der augusta, aus, um das Westreich zurückzuerlangen. In dieser Zeit wurde die Verteidigungslage des Johannes geschwächt, da er durch einen Krieg Africa zurückforderte, das Bonifatius besetzt hielt. (1287) Jahr 398 (= 425 n. Chr.): Theodosius zum elften Mal und Valentinian Caesar (1288) Placidia Augusta und Valentinian Caesar drücken mit erstaunlichem Erfolg den Usurpator Johannes nieder und erlangen als Sieger die Herrschaft zurück. Dem Aëtius wurde Straflosigkeit gewährt, weil

98

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

eo, quod Chuni, quos per ipsum Iohannes acciverat, eiusdem studio ad propria reversi sunt. (1289) Valentinianus ab exerci- 5 Valentinianus decreto Theodotu Augustus appellatur. sii Augustus appellatur. (1290) Arelas nobile oppidum Galliarum a Gothis multa vi oppugnatum est, donec imminente Aetio non impuniti abscederent. (1291) CCCXCIX: Theodosio XII et Valentiniano Augusto II 10

(1292) Patroclus Arelatensis episcopus a tribuno quodam Barnabo multis vulneribus concisus occiditur. quod facinus ad praeceptum Felicis magistri militum referebatur, cuius impulsu etiam Titus diaconus vir sanctus Romae pecunias pauperibus distribuens interfectus. (1293) CCCC: Hierio et Ardabure

MYALOZXRFPHB V (1288. 1291); Paul. Diac. 13, 9 (1289. 1290)

1 eo om. FPH | Chuni quos ML : huni quos ARH : hunni quos X : ugni quos OZ : divini quos Y : unni quos FP : unicus B | iohannis H | acciverat : acciperat F : acceperat AORH (cf. Paul. Diac.) : accreverat B | eiusdem : eius A 2 reversa Ha.c. | post sunt add. castinus autem in exilium actus est quia videbatur iohannes (iohannem LP, iohanni Z) sine coniventia (Alcobac. : conibentia AOZRF : conniventia LXHp.c. : conventia Ha.c. : cohibentia B : comitiva P) ipsius regnum non potuisse (potuisset XH) praesumere (suscipere praesumere Oa.c.) ALOZXRFPHB V (vide supra) 3 sq. Valentinianus – appellatur MYLs 5 sq. Valentinianus – appellatur ALeOZXRFP : val. decreto theodosi ab exercitu augustus (aug. ab exercitus B) app. HB : cuius (praecedit theodosius xlvi) tertio regni eius anno valentinianus xlvii cum socero theodosio ann. xxvi V (ind. imp.) 7 Arelas LZB Alcobac. : arilas H : harilas MY : arhilas Arst : arcilas O : archilas AuXR : archila FP | gauliarum H | a Gothis om. O | vi : vi (= sex) Art : vim Au : om. Ha.c. 8 est om. AOR | ethio B : etio Z : actio X | impunito accederent R 9 xiii Ma.c. | augg. F : augustis X : om. AORV (cf. Vict. et Cassiod.) 10 patruclus Z | arilatensis M : arhilatensis A : acilatensis O | quondam O | Barnabo LsZRP 11 concisus MYLs : laniatus ALeOZXRFPHB | praeceptum MY : occultam iussionem ALOZXRFPHB 12 sq. etiam – interfectus MY : creditus (creditur R, creditum H) est (om. R) etiam titus d. v. s. r. p. p. distr. (om. Ba.c.) interemptus (int. est R, interficitur XF, interfectus ZPB) ALOZXRFPHB

Text und Übersetzung

99

die Hunnen, die Johannes durch ihn herbeigerufen hatte, durch seine Bemühungen in ihre eigenen Gebiete zurückkehrten. (1289) Valentinian wird vom Valentinian wird durch einen Heer zum augustus ernannt. Beschluss des Theodosius zum augustus ernannt. (1290) Arles, die berühmte Stadt Galliens, wurde mit großer Gewalt von den Goten bestürmt, bis Aëtius drohend herannahte und die Goten – nicht ungestraft – abzogen. (1291) Jahr 399 (= 426 n. Chr.): Theodosius zum zwölften und Valentinian Augustus zum zweiten Mal (1292) Patroclus, Bischof von Arles, wird von einem Tribun Barnabus durch viele Hiebe verwundet und getötet. Das Verbrechen wurde auf eine Weisung des magister militum Felix zurückgeführt, auf dessen Anstiftung hin auch der Diakon Titus umgebracht wurde, ein heiliger Mann, der in Rom die Gelder an die Armen verteilte. (1293) Jahr 400 (= 427 n. Chr.): Hierius und Ardabur

100

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1294) Bonifatio, cuius intra Africam potentia gloriaque augebatur, bellum ad arbitrium Felicis, quia ad Italiam venire abnuerat, publico nomine illatum est ducibus Mavortio et Gallione et Sanoece. qui obsidentes Bonifatium prodente Sanoece occisi sunt mox etiam ipso, qui prodide5 rat, interfecto. exinde gentibus, quae uti navibus nesciebant, dum a concertantibus in auxilium vocantur, mare pervium factum est bellique contra Bonifatium coepti in Segisvultum comitem cura translata est.

(1295) gens Vandalorum ab Hispania ad Africam transit. (1296) CCCCI: Felice et Tauro 10 (1297) Nestorius Constantinopolitanus episcopus novum ecclesiis molitur errorem inducere praedicans Christum ex Maria hominem tantum, non etiam deum natum eique divinitatem conlatam esse pro merito. cui MY Fris. (inde a 1294,5 quae) ALOZXRFPHB V (1296. 1297); Liberatus 2 (1296. 1297), Cassiod. 1214. 1215 (1294. 1295), Paul. Diac. 13,10 (1294) 1 bonifacius ZR | cuius om. ZX | intra – gloriaque : pot. gl. que in africa P | agebatur Z 2 quia : qui AOXRFP | italia Z | abnueret Ar(p.c.)stOXF : abnuerit H : annueret P : adnuebat R 3 illatum : in altum AOR | est om. AORH | ducibus : a ducibus Z | mabortio RFB : movortio Art | Gallione MYLs : galbione ZXFPHB (cf. Paul. Diac.) : galvione ArsOp.c. : glauione At : calvione R : gauione Oa.c. | Sanoece MHAu(p.c.) : sanoete Y : sanocce ArsB : saonece R : sonoece X : sonice Z : sinoece F : sinoce Ls : synoce P : sanoce Atu(a.c.) : sanuele O 3 – 5 qui – interfecto MY : cuius proditione mavortius (mabortius ZRFB) et gallio (galbio ZXFPHB, galvio AOR) dum bonifatium obsident (obsederent O, obsiderent L) interempti sunt moxque ipse (om. O) a bonifatio (moxque etiam a b. ipse qui prodiderat HB) doli (dolo ZRPH) detectus (detractus Ha.c., deiectus P) occisus est (detentus est atque occisus R) ALOZXRFPHB 4 Sanoece : sanoete Y 5 exinde : deinde B | uti navibus : ut in avivus R : uti naves O 5 sq. concertaminibus H : certantibus O 6 auxilium : exilium Ba.c. | bellique : belli qui H 6 sq. contra – coepti om. H 7 coepti : caepit H | in Segisvultum MY : in sigisvultum LsXFPB : ̣ ̣ ̣ gisbultu ̣ Fris. : Sigisvuldus Paul. Diac. : insignis vultum (vultu Z) AOZRH | comitem om. R curam P 8 Vandalorum plerique : vvandalorum ORHB Fris. | Hispania : hispanias F : hispaniis (tertia i expuncta) P : spaniam O | transiit Ars 10 Nestorius : nestorianus H : nestorius qui AO : nestoriusque R 10 – 102,2 V 10 episcopus om. O | novum : novum opus Z 11 Christum : ihm H | ex Maria : et mariam O : om. Liberatus | hominem : iohannem P | tantum : tatum Ma.c. 12 etiam om. Z | natum eique : tantumque ei Z | collatum Z | cui MYAORB Fris. : cuius L : huic ZXFPH

Text und Übersetzung

101

(1294) Weil Bonifatius, dessen Macht und Ruhm innerhalb von Africa wuchsen, es abgelehnt hatte, nach Italien zu kommen, wurde auf Entscheidung des Felix im öffentlichen Namen ein Krieg gegen ihn begonnen – unter der Führung von Mavortius, Gallio und Sanoeces. Während diese Bonifatius belagerten, wurden sie getötet, weil Sanoeces Verrat übte, wobei bald darauf auch der Verräter selbst umgebracht wurde. Von da an war das Meer denjenigen Völkern zugänglich, die solange nichts von der Seeschifffahrt verstanden, bis sie von den Kämpfenden zur Unterstützung herbeigerufen wurden. Die Führung des gegen Bonifatius begonnenen Krieges aber wurde auf den comes Sigisvult übertragen. (1295) Das Volk der Vandalen setzt von Spanien nach Africa über. (1296) Jahr 401 (= 428 n. Chr.): Felix und Taurus (1297) Nestorios, der Bischof von Konstantinopel, ist bestrebt, einen neuen Irrtum in die Kirchen einzuführen, indem er lehrt, dass Christus von Maria nur als Mensch, nicht aber auch als Gott geboren und ihm die Göttlichkeit wegen seines Verdienstes verliehen worden sei. Dieser

102

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

impietati praecipua Cyrilli Alexandrini episcopi industria et papae Caelestini repugnat auctoritas. (1298) pars Galliarum propinqua Rheno, quam Franci possidendam occupaverant, Aetii comitis armis recepta. (1299) CCCCII: Florentio et Dionysio (1300) Felice ad patriciam dignitatem provecto Aetius magister militum factus est. (1301) Agricola Pelagianus, Severiani episcopi Pelagiani filius, ecclesias Brittaniae dogmatis sui insinuatione corrumpit. sed ad insinuati10 onem Palladii diaconi papa Caelestinus Germanum Autisidorensem episcopum vice sua mittit et deturbatis haereticis Britannos ad catholicam fidem dirigit. 5

(1302) CCCCIII: Theodosio XIII et Valentiniano III

MYFris. ALOZXRFPHBV; Cassiod. 1217 (1298)

1 impietate H | precipia O | Cyrilli : quirilli RFP : chirilli O | Cyrilli – industria om. O : qui tunc praecipue claritate sciensciae et religione insignis habebatur simul add. H 2 repugnat : repugnabat H : regnat A : repugnavit R | auctoritas : actoritas H : lupus vir mire conversationis relictis uxore divitiis lerinensium abbatum eruditione perfectus tricassinae ecclesiae episcopus ordinatur xiii kl. iun. add. B 3 sq. pars – recepta : partes galliarum quas franci occupaverant aetius recepit V 3 gauliarum H | reheno B 3 sq. occupaverunt OH 4 etio Z | Aetii – recepta : ab (om. O) aetio comite recepta OR comitis : comiti Z : om. MY | praecepta A 6 felicem ZR | Felice – provecto om. B 6 sq. Felice – est : aetius mag. mil. fit V 6 patriam R | dignitatem : civitatem Z profecto OZ | Aetius : eius O 8 Agricola : ex agricola FP 8 – 12 Agricola – dirigit : brittanos ab heresi pelagiana papa corrigit caelestinus V 8 episcopi Pelagiani : pel. ep. P : episcopus pel. X 8 sq. aecclesiae A 9 Brittaniae : brasthaniae F : brastanie Pa.c. sui insinuatione : sui ins. sui O | corrumpit MHB : corrupit YALOZXRFP 9 sq. ad insinuationem (-ne M) MYLsHBXp.c.(s.l.) Fris. : ad (om. Xa.c.) actionem AOZXa.c.RFP : actione Le 10 pallidii F | diaconii MAr | Autisidorensem Fris. : avisidorensem FPa.c. : autisiodorensem B : autisidiorensem ALR : utisiodorensem H : autysidoremsem M : autisiriarensis Op.c. : autisioiarensis Oa.c. : altisiodorensem YZ antisidorensem Pp.c. 11 episcopum : episcopus O : et lupum tricassinum episcopos B mittit et : mittit ut FP : mittet Astu : mittit Ar | deturbati H : desturbatis R | brittanos O 12 dirigit : diriget H : dirigat P : dirigeret Z : redigunt B : redegit R 13 th. xii O | et val. iiii R

Text und Übersetzung

103

Gottlosigkeit leisten in erster Linie Bischof Kyrill von Alexandria mit großem Einsatz und Papst Coelestin mit seinem Ansehen Widerstand. (1298) Der Teil Galliens nahe dem Rhein, den die Franken in Besitz genommen hatten, wurde durch die Waffen des comes Aëtius zurückerlangt. (1299) Jahr 402 (= 429 n. Chr.): Florentius und Dionysius (1300) Nachdem Felix in den patrizischen Rang befördert worden war, wurde Aëtius zum magister militum gemacht. (1301) Der Pelagianer Agricola, ein Sohn des pelagianischen Bischofs Severianus, verdirbt durch die Verbreitung seiner Lehre die Kirchen Britanniens. Auf Empfehlung des Diakons Palladius sendet Papst Coelestin an seiner statt Germanus, den Bischof von Auxerre, und lenkt, sobald die Häretiker niedergeworfen sind, die Briten zum katholischen Glauben hin. (1302) Jahr 403 (= 430 n. Chr.): Theodosius zum dreizehnten und Valentinian zum dritten Mal

104

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1303) Aetius Felicem cum uxore Padusia et Grunito diacono, cum eos insidiari sibi praesensisset, interimit. (1304) Aurelius Augustinus episcopus per omnia excellentissimus moritur V Kal. Sept., libris Iuliani inter impetus obsidentium Vanda5 lorum in ipso dierum suorum fine respondens et gloriose in defensione Christianae gratiae perseverans. (1305) CCCCIV: Basso et Antiocho (1306) congregata apud Ephesum synodo ducentorum amplius sacerdotum Nestorius cum haeresi nominis sui et cum multis Pelagianis, qui 10 cognatum sibi iuvabant dogma, damnatur. (1307) ad Scottos in Christum credentes ordinatus a papa Caelestino Palladius primus episcopus mittitur. (1308) CCCCV: Aetio et Valerio (1309) Romanae ecclesiae XLII praeficitur episcopus Xystus totius ur15 bis pace et consensione mirabili. MYFris. ALOZXRFPH B (deest 1303) V (deest 1303) 1 etius P : eius Z : aetius cum R | uxore : uxore sua ZXFPH | et : e P | Grunito diacono (grunnito A Fris., gerunnito O) (diacone Ar, diacuno Oa.c., diaconum Op.c.) MYAOH : grunitum (grunnitum FPR, grunnitidum Z, grammuticum Alcobac., grannitum X) diaconum LZXRFP 1 sq. cum2 – sibi : eos ins. sibi (om. cum) O : eos ins. sibi cum XF : cum eos sibi (om. ins.) A : eos ins. cum sibi (om. P) ZP 1 – 3 cum2 – Augustinus om. R 2 praesensisset : presensit et O 3 Aurelius MYLs (deficit Fris.) : om. Le et rell. 3 – 6 Aurelius – perseverans : augustinus ep. moritur V 3 agustinus O | per omnia : permia Ars : per dei misericordiam Atu 4 libri AOR | impetu subsedentium O 4 sq. vvandalorum O : vvandolorum R 5 gloriosa A 7 antiaco H 8 – 10 congregata – damnatur : nestorius ab ephes’ damnatur V 8 synodo – amplius MY : sinodo duocentorum ̣ ̣ ̣ ̣us Fris. : plus (om. R) duc. synodo ALOZXRFPHB 9 nestorios B heresim ARFP | pelasgianis P 10 cognitum H : cognominatum Z | sibi MYZXFP Alcobac. : errori suo ALORHB | iubabant RF : invenerant Z : invenerat Alcobac. damnantur ArZH Fris. 11 ad ad scottos R : ̣ ̣ ̣ ̣ttus Fris. 11 sq. ad – mittitur : ad s [ ̣ ̣ ̣] tos primus episc. palladius a papa mittitur caelestino V 11 ordinatus MLsORHB : ordinatur YAZXFP 12 primus : et primus ZXFP | mittitur : moritur A : missus est R 14 sq. Romanae – mirabili : syxtus papa fit V 14 XLII om. B | episcopus Xystus ALZXRF : xystus ep. B : ep. sistus P : ep. sixtus MYO : ep. xϱs H : xystus Hmarg. : ann. viii add. ALORHB : annis viii diebus xviiii add. ZXFP 14 sq. totius – mirabili om. R (cf. FPHB Paul. Diac. trahentes haec ad caput sequens) 14 sq. orbis FPHB (cf. Paul. Diac.) 15 mirabile O : mirabiles Arst

Text und Übersetzung

105

(1303) Weil Aëtius bemerkt hatte, dass sie ihm nachstellten, beseitigt er Felix zusammen mit dessen Gattin Padusia und dem Diakon Grunitus. (1304) Aurelius Augustinus, der in jeglicher Hinsicht vortreffliche Bischof, stirbt am 28. August, während er am unmittelbaren Ende seiner Tage damit befasst ist, inmitten der Attacken der belagernden Vandalen auf die Schriften des Julianus zu antworten und glorreich in der Verteidigung der christlichen Gnade zu verharren. (1305) Jahr 404 (= 431 n. Chr.): Bassus und Antiochus (1306) Durch eine in Ephesus versammelte Synode von mehr als zweihundert Priestern wird Nestorios samt der nach ihm benannten Häresie verdammt – zusammen mit vielen Pelagianern, die die Lehre unterstützten, die ihrer eigenen verwandt war. (1307) Zu den an Christus glaubenden Skoten wird – geweiht von Papst Coelestin – Palladius als erster Bischof gesandt. (1308) Jahr 405 (= 432 n. Chr.): Aëtius und Valerius (1309) Der römischen Kirche wird Sixtus als 42. Bischof an die Spitze gestellt – friedlich und mit bewundernswerter Zustimmung der ganzen Stadt.

106

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1310) Bonifatius ab Africa ad Italiam per urbem venit accepta magistri militum dignitate. qui cum resistentem sibi Aetium proelio superavisset, paucos post dies morbo extinctus est. Aetius vero cum deposita potestate in agro suo degeret ibique eum quidam inimici eius repentino incur5 su opprimere temptassent, profugus ad urbem atque illinc ad Dalmatiam, deinde per Pannonias ad Chunos pervenit, quorum amicitia auxilioque usus pacem principum et ius interpolatae potestatis obtinuit.

(1311) CCCCVI: Theodosio XIIII et Maximo (1312) colliguntur omnes anni usque in consulatum Theodosii XIIII et 10 Maximi a XV Tiberii anno et passione domini anni CCCCVI, (1313) ab instauratione templi sub Dario anni I̅ LIIII, (1314) ab Olympiade prima et Isaia propheta anni I̅ CCX, (1315) a Salomone et prima aedificatione templi anni I̅ CCCCLXVI, (1316) a Moyse et Cecrope rege Atticae anni I̅ DCCCCLXV, MYLH (hi soli 1312-16) Fris. (ad 1310,2 dignitate) A O (deest 1311) ZXRFPB V (1310. 1311); Paul. Diac. 13,11 (1310) 1 – 7 Bonifatius – obtinuit : aetium superat bonifatius aetius pergit ad hunnos V 1 ab Africa om. Z | orbem B | accepta : accepit R | a magistri R 2 dignitatem RF | etium P : etiam MY | proelio : peio H | superasset ALRF : superassed O : superaiussaet H 3 post paucos dies H 4 eum : cum ORP | inimici eius MYLs : inimici (om. eius) B : inimicus AOR : inimicus eius ZXFPH : eius aemulus Paul. Diac. | repetino O 4 sq. occursu premere Z 5 temptassent MYLRHB : temtasset AOZXFP 5 sq. ad1 – e deinde AL OZXRFPHB (cf. Paul. Diac.) : ad (a M) dalmatiam atque inde MYLs 5 urbem : orbem B | illic ZO : inde H | ad2 : a Z 5 sq. Dalmatiam : dalmacias R 6 per om. ZXFP (cf. Paul. Diac.) | panponias B : unnonas O | ad Chunos ALB : ad hunos RHa.c. : ad unnos ZFP : ad hunnos XHp.c. : ad ugnos O : atque chunos (chunnos Y) MY amicitiam ZH 7 principium H | et ius : aetius MFBcorr. : aecius P : eius O | interpolatae MYLOZXRFB (cf. Paul. Diac.) : interpolite A : interpellate PH LsH 10 CCCCVI : cccciv H 11 I̅ LIIII MYLs : dccccliu Le : cx Ha.c. : mcx Hp.c. e 12 – 108,3 ab – I̅ I̅ CCXLII L et rell. : om. Ls 12 ab om. MY | Isaia propheta L : prophetiae ysaia H : prof cia M : profetia Y 14 a – I̅ DCCCCLXV Ms.l. (alt. man.) YL Hcorr. (alt. man.) | cecope M : cicrope Y | i (vel m) dcccclxv MH : mdccccxc L

Text und Übersetzung

107

(1310) Nachdem Bonifatius den Rang eines magister militum erhalten hatte, kam er aus Africa über Rom nach Italien. Er besiegte Aëtius, der ihm Widerstand leistete, in einer Schlacht, wurde aber nur wenige Tage später von einer Krankheit dahingerafft. Als Aëtius jedoch sein Amt niedergelegt hatte und auf seinem Grundbesitz verweilte, versuchten dort einige seiner Feinde, ihn in einem Überraschungsangriff zu überfallen. Daraufhin floh er nach Rom, von da nach Dalmatien und gelangte anschließend über Pannonien zu den Hunnen. Er nutzte ihre Freundschaft und Unterstützung, um ein friedliches Verhalten seitens der principes und die Wiederherstellung seiner Amtsgewalt zu erreichen. (1311) Jahr 406 (= 433 n. Chr.): Theodosius zum vierzehnten Mal und Maximus (1312) Zusammen ergeben alle Jahre vom fünfzehnten Jahr des Tiberius und der Passion des Herrn an bis hin zum vierzehnten Konsulat des Theodosius und dem des Maximus 406 Jahre, (1313) von der Erneuerung des Tempels unter Dareios an 1054 Jahre, (1314) von der ersten Olympiade und dem Propheten Jesaja an 1210 Jahre, (1315) von Salomo und der ersten Erbauung des Tempels an 1466 Jahre, (1316) von Mose und Kekrops, dem König von Attika, an 1965 Jahre,

108

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1317) ab Abraham et regno Nini anni I̅ I̅ CCCCL. (1318) a diluvio autem usque ad Abraham sunt anni DCCCCXLII, ab Adam vero usque ad diluvium anni I̅ I̅ CCXLII. fiunt itaque ab Adam usque in tempus supra scriptorum consulum anni V̅DCXXXIIII. 5

(1319) CCCCVII: Aspare et Ariobindo (1320) CCCCVIII: Theodosio XV et Valentiniano IIII (1321) pax facta cum Vandalis data eis ad habitandum Africae portione.

(1322) eodem tempore Gundicharium Burgundionum regem intra Gallias habitantem Aetius bello obtrivit pacemque ei supplicanti dedit, qua 10 non diu potitus est, siquidem illum Chuni cum populo suo ab stirpe deleverint. (1323) CCCCIX: Isidoro et Senatore (1324) Gothi pacis placita perturbant et pleraque municipia vicina sedibus suis occupant Narbonensi oppido maxime infesti. quod cum diu ob15 sidione et fame laboraret, per Litorium comitem ab utroque periculo MYLH (hi soli 1317-18) A O (deest 1319) ZXRFP B (deest 1322) V (1319-21. 1323); Cassiod. 1225. 1226 (1321. 1322), Paul. Diac. 13,11 (1321). 13,12 (1322. 1324) 1 mini M : nini et semiramidis L 2 sunt om. L | DCCCCXLII MHp.c. : dcccclii Ha.c. : mlxxi L 2 sq. ab – I̅ I̅ CCXLII Ms.l. (alt. man.) YLH 3 fiunt : sunt Ls 4 in tempus MY : ad tempus LsH | scriptum H | consulum : consilium Ha.c. | anni om. L | V̅DCXXXIIII MYLsH : quinquies mille dcclxxiii Le 5 aspere V | Ariobindo MYOZ (cf. Vict.) : ariovindo X (cf. Cassiod.) : ariundo H : ariobinda RFP : ariovinda AV : areobinda L 6 Valentiniano : valeriano Alcobac. | IIII : tercio H : om. V 7 pax – portione : pace facta cum vvandalis data est eis africae portio V | facta : est facta Ar | ad inhabitandum L Africae portione MYHB Cassiod.: africae portio AOR : per trigetium in loco affrice portione iii idus februarii (feberii Z) ippone ZX : per trigetium (trigentium P) in loco (om. L) affrice portione hippone iii (v Alcobac.) idus febr. LeFP Alcobac. 8 gundicarium YALXRFP : gundigarium O : gundicarum Z : gundichario M : regnum diacharium H burgurzionum F : burguntionum P : burgundiorum ArH : burgundorum Ast | reges Z 8 sq. gaulias H 9 Aetius : itius Z | obtrivit : optinuit LR | eis supplicantibus H | qua : quia O 10 potius Oa.c. | Chuni MYAL : unni ZFP : hunni X ac ALZXFH : hac O : atque P : om. R 10 sq. deleverunt LRP : deluerunt O 12 isidorus et senator A 13 placida HR | pleraque : plura R 14 quod cum (dum A) om. Ha.c. | dio M 14 sq. diu obsidione : obs. diu H 15 et om. R | laboraret : laborarent O : liberaret P latorium R

Text und Übersetzung

109

(1317) von Abraham und der Herrschaft des Ninos an 2450 Jahre. (1318) Von der Sintflut wiederum bis hin zu Abraham sind es 942 Jahre, von Adam bis hin zur Sintflut 2242 Jahre. Von Adam an bis in die Zeit der oben genannten Konsuln ergeben sich 5634 Jahre. (1319) Jahr 407 (= 434 n. Chr.): Aspar und Areobindus (1320) Jahr 408 (= 435 n. Chr.): Theodosius zum fünfzehnten und Valentinian zum vierten Mal (1321) Mit den Vandalen wurde ein Friede geschlossen, wobei ihnen zur Besiedlung ein Teil Africas überlassen wurde. (1322) Zur selben Zeit rieb Aëtius den Burgundenkönig Gundahar, der in Gallien siedelte, im Krieg auf und gewährte ihm auf seine Bitte hin Frieden. Daran hatte Gundahar nicht lange Freude, weil die Hunnen ihn mitsamt seinem Volk vollkommen vernichteten. (1323) Jahr 409 (= 436 n. Chr.): Isidorus und Senator (1324) Die Goten stören die Friedensvereinbarungen und nehmen sehr viele ihren Wohnsitzen benachbarte Städte ein; der Stadt Narbonne setzen sie am stärksten zu. Als diese schon lange Zeit unter der Belagerung und am Hunger litt, wurde sie durch den comes Litorius von beiden Ge-

110

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

liberatum est, si quidem per singulos equites binis tritici modiis advectis strenuissime et hostes in fugam verterit et civitatem annona impleverit. (1325) CCCCX: Aetio II et Segisvulto (1326) bellum adversum Gothos Chunis auxiliantibus geritur. (1327) in Africa Gisiricus rex Vandalorum intra habitationis suae limites volens catholicam fidem Arriana impietate subvertere quosdam nostrorum episcopos, quorum Posidius et Novatus ac Severianus clariores erant, eatenus persecutus est, ut eos privatos iure basilicarum suarum etiam civitatibus pelleret, cum ipsorum constantia nullis super10 bissimi regis terroribus cederet. 5

(1328) Valentinianus Augustus ad Theodosium principem Constantinopolim proficiscitur filiamque eius in matrimonium accipit. (1329) per idem tempus quattuor Hispani viri, Arcadius Paschasius Probus et Eutycianus, dudum apud Gisiricum merito sapientiae et

MY C (a 1326 geritur) ALOZXRFPH B (deest 1327) V (1325); Cassiod. 1229 (1328), Paul. Diac. 13,12 (1326. 1328)

1 liberatus ZFP | si om. ZFP | trici Ma.c. : trittici O 2 hostem O | verteret H : vertit R : vertitur Z | impleverit : implevit X (ut vid.) : adiuverit AOR 3 II : i R : om. V Segisvulto (-tu Ma.c.) MYB : sigisvulto LXFPV (cf. Vict. et Cassiod.) : sigisvuldo OR : sigisulto Z : sigisbuldo A : sigivuldo H 4 adversus LORPH | Chunis MYALB : hunis RH : hunnis X : unnis FP : humis Z : ugnis O 5 in Africa om. P | Gisiricus MAOR : gisericus Y : geifericus Z : ginsiricus C : gesericus H : geisiricus XF : geysericus P : gensericus L | vvandalorum R : vandilorum C 5 sq. limites om. O 6 Arriana impietate : in arrianam impietatem R | impietate transpos. ante volens H 7 episcopos : episcoporum OXFP 7 sq. quorum – erant MYCLs : quo apud allia athenas dius et nov. ac sev. cl. erant H : om. AOZXRFPB (cf. Paul. Diac.) 8 eotenus R | ut eos : vicos As : incos At : ut vicos Ar | privato FP 9 suarum om. H | etiam om. Z | constantiam R | nullus Y 9 sq. supervissime O : superbissime Z 10 cederetur H : cederent R 11 principem YALOZXRFPH (cf. Cassiod.) : aug. M : om. BC 11 sq. Constantinopoli Z 12 profisciscitur R | eius om. A | matronium M | accepit OH 13 paschadius MY 13 sq. Paschasius Probus : transpos. ALOZXRFPHB 14 Eutycianus M : eutychianus ALeB : euthycianus C : euticianus YH : eutychius X : euticius RF : eutitius ZP : eustocianus O | Gisiricum MAB : ginsiricum C : geisiricum F : geysiricum P : geisericum YXR : gasericum Z : gensericum L : gesericum OH | et2 : ac L : om. C

Text und Übersetzung

111

fahren befreit. Er hatte nämlich durch Reiter, die je zwei Scheffel Weizen mit sich führten, sowohl die Feinde entschlossen in die Flucht geschlagen als auch die Stadt mit Getreide versorgt. (1325) Jahr 410 (= 437 n. Chr.): Aëtius zum zweiten Mal und Sigisvult (1326) Mit Unterstützung der Hunnen wird Krieg gegen die Goten geführt. (1327) Weil Geiserich, der König der Vandalen, innerhalb der Grenzen seines Siedlungsgebiets den katholischen Glauben durch die arianische Gottlosigkeit untergraben wollte, vefolgte er in Africa einige unserer Bischöfe, von denen Possidius, Novatus und Severianus die bekanntesten waren, dergestalt, dass er sie des Rechts auf ihre Basiliken beraubte und sogar aus den Städten vertrieb, weil sie in ihrer Standhaftigkeit vor keinerlei Schreckenstaten des hochmütigen Königs zurückwichen. (1328) Valentinian Augustus begibt sich zum princeps Theodosius nach Konstantinopel und heiratet dessen Tochter. (1329) Zur selben Zeit wurden von Geiserich seit längerem die vier Spanier Arcadius, Paschasius, Probus und Eutychianus wegen ihrer Weisheit und ihres treuen Gehorsams wert und hoch geschätzt. Um sie

112

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

fidelis obsequii cari clarique habebantur. quos rex ut dilectiores sibi faceret, in Arrianam perfidiam transire praecepit. sed illi hoc facinus constantissime respuentes excitato in rabidissimam iram barbaro primum proscripti, deinde in exilium acti, tum atrocissimis suppliciis ex5 cruciati, ad postremum diversis mortibus interempti illustri martyrio mirabiliter occubuerunt. puer autem Paulillus nomine frater Eutyciani et Paschasii pro elegantia formae atque ingenii admodum regi acceptus cum a professione atque amore catholicae fidei nullis minis deturbari posset, fustibus diu caesus et ad infimam servitutem damnatus est, ideo, 10 ut apparet, non occisus, ne de superata saevitia impii etiam illa aetas gloriaretur.

(1330) eodem anno piraticam barbari foederatorum desertores exercuerunt. (1331) CCCCXI: Theodosio XVI et Fausto

MYCL AOZXPHR (hi septem 1330 post 1328) F (deest 1330) B

1 fideles obsequio Z | cari clarique MYCLs : clari carique H : clarique AOZRFPB : clari X | quos : quod R | ut : utut Ma.c. : om. C | dilectiores MYB : copulatiores ALOXRFP : copulatores Z : copuladilectiores C : copulatores lectorum H 2 ariani Y perfidiam MYCLHB : sectam AOZXRFP | sed MYCLAHB : at AZXRFP : ad O 3 reputantes exercitato Z | rapidissimam R 4 proscripta Ar(a.c.) : proscribi O | in exilium : in exilio Z : in auxilium Ma.c. : exilium H : exilio R | acti tum : acticum At : atticum Ar : acti ac R : acti tum exi O 4 sq. tum – excruciati om. R 4 sq. extruciati H : cruciati P 5 ad : ac R | inlustres H 6 pauli illus B : pauliclus O : paulellus Z 6 sq. Eutyciani – Paschasii MYCLB : pasc. et eutychiani AOH : pasch. et eutychii ZXRFP 7 regi : rei H 8 cum : eum X : om. ZP | a – amore : ad professionem adque amorem C | amare Ma.c. minis : nimiis C | perturbari R 9 possit Z | diu fustibus AOZXRFPH | ad : in O infirmam AHa.c. : infamam XF : infamem P. 10 ALOZXRFPH | de om. ZXFP | superata saevitia : superitia A : superata peritia OR | impii : impii regis LsZXFP : imperii O | aetas illa L 12 piraticum XF : pyraticum P : pirate cum Z | barbarum P : barbaris Z | phederatorum M | foederatorum desertores om. AOR 14 XVI : xv AOcorr.Z | fisto O

Text und Übersetzung

113

noch mehr schätzen zu können, befahl der König ihnen, zum arianischen Unglauben überzutreten. Weil sie aber diese Untat standhaft zurückwiesen, geriet der Barbar in rasenden Zorn, woraufhin sie – zuerst geächtet, anschließend in die Verbannung getrieben, sodann durch die abscheulichsten Foltern gepeinigt und schließlich durch verschiedene Todesarten hingerichtet – in glänzendem Martyrium auf bewundernswerte Weise starben. Ein Junge namens Paulillus aber, der Bruder des Eutychianus und des Paschasius, der dem König wegen der Feinheit seiner Gestalt und auch wegen seines Verstandes sehr gefallen hatte, wurde lange mit Stöcken geschlagen und zur niedrigsten Knechtschaft verurteilt, als man ihn vom Bekenntnis und von der Liebe zum katholischen Glauben durch keinerlei Drohungen abbringen konnte. Wie es scheint, wurde er nur deswegen nicht getötet, damit sich nicht auch noch das jugendliche Alter rühmen konnte, der Grausamkeit des Gottlosen siegreich widerstanden zu haben. (1330) Im selben Jahr betrieben Barbaren, abtrünnige Verbündete, Seeräuberei. (1331) Jahr 411 (= 438 n. Chr.): Theodosius zum sechzehnten Mal und Faustus

114

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1332) hoc quoque anno iidem piratae multas insulas, sed praecipue Siciliam vastavere. (1333) adversum Gothos in Gallia quaedam prospere gesta. (1334) CCCCXII: Theodosio XVII et Festo (1335) Litorius, qui secunda ab Aetio patricio potestate Chunis auxiliaribus praeerat, dum Aetii gloriam superare appetit dumque haruspicum responsis et daemonum significationibus fidit, pugnam cum Gothis imprudenter conseruit fecitque intellegi, quantum illa, quae cum eodem periit, manus prodesse potuerit, si potioris consiliis quam sua 10 temeritate uti maluisset, quando tantam ipse hostibus cladem intulit, ut, nisi inconsideranter proelians captivitatem incidisset, dubitandum foret, cui potius parti victoria adscriberetur. 5

(1336) hac tempestate Iulianus Aeclanensis iactantissimus Pelagiani erroris adsertor, quem dudum amissi episcopatus intemperans cupido 15 exagitabat, multimoda arte fallendi correctionis speciem praeferens moMYC A (deest 1333) L O (deest 1333) ZXFP R (desunt 1332. 1333. 1335) H B (deest 1335) V (1334. 1336); Cassiod. 1232 (1335), Paul. Diac. 13,12 (1332). 13,13 (1335) 1 hoc – iidem om. V | iidem : diem Ha.c. : om. M 1 sq. sicilia C 2 vastaverunt H : vastant V 3 adversus P | gaulis Ha.c. | sprospere H : proprospere P 4 XVII : xvi A fisto VO 5 secundam H | patricio om. A | Chunis : unnis FP : hunnis X : cum hunnis Ca.c. : cum hunis Cp.c. : ugnis OZ 6 gloria CA | superare : superaret C : superatus Ha.c. 6 sq. aruspicium H 7 significationis C 7 sq. fidit – fecitque om. Z 7 sq. cum – imprudenter : cum g. imprudenter cum gothis in O 8 Gothis : gothos C | intelligit ZH 9 perit C | prodeesse O | potioris MYCAstLsOXFH : potioribus ArLeP : potioris veris Z 10 uti : addi O | tantam : tantum MY | tantam – hostibus : et ipse tantam in hostibus Z | ut om. OX 11 inconsideranter : consideranter CAO | proelianas Ha.c. | captivitatem : in captivitatem L : captivitem O 11 sq. dubitandum – potius om. C 11 foret : fore F 12 partim C | victoriae adscrib. Fa.c. : victoriam adscribetur H 13 – 116,5 hac – detruncavisset : iulianus episcopus inrepere conatus vitatur V MYCLXB : heclenensis Z : hecclanensis F : haccl. P : etlanensis H : atelenensis R : celamensis O | lactantissimus A : lactantissimis R | pelaiane C : pelasgiani P 14 adsertor : desertor A | amisi C : amessi FP | episcopatum CZ 15 correptionis H : correononis B | speciem : spm Ha.c. : spem Hp.c.

Text und Übersetzung

115

(1332) Auch in diesem Jahr verwüsteten dieselben Seeräuber viele Inseln, allen voran Sizilien. (1333) In Gallien wurde einiges erfolgreich gegen die Goten ausgerichtet. (1334) Jahr 412 (= 439 n. Chr.): Theodosius zum siebzehnten Mal und Festus (1335) Weil Litorius, der an zweiter Stelle hinter dem patricius Aëtius stand und die hunnischen Hilfstruppen kommandierte, danach strebte, Aëtius an Ruhm zu übertreffen, und weil er den Orakeln der Opferbeschauer und den Zeichen der Götzen vertraute, begann er unvorsichtigerweise einen Kampf mit den Goten. Dadurch erkannte man allseits, wie sehr jene Schar, die zusammen mit ihm umkam, hätte nützen können, wenn er es vorgezogen hätte, den Ratschlägen des Bedeutenderen zu folgen und nicht seiner eigenen Verwegenheit. Denn er selbst fügte den Feinden einen so großen Schaden zu, dass zweifelhaft war, welcher Seite der Sieg hätte zugerechnet werden sollen, wenn er nicht durch seine unbesonnene Kampfweise in Gefangenschaft geraten wäre. (1336) In dieser Zeit bemühte sich Julianus von Aeclanum, der prahlendste Verteidiger des pelagianischen Irrtums, den seit längerem ein maßloses Verlangen nach seinem verlorenen Bischofsamt umtrieb, sich mittels vielfältiger Täuschungskünste in die Gemeinschaft der Kirche

116

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

litus est in communionem ecclesiae irrepere. sed his insidiis Xystus papa diaconi Leonis hortatu vigilanter occurrens nullum aditum pestiferis conatibus patere permisit et ita omnes catholicos de reiectione fallacis bestiae gaudere fecit, quasi tunc primum superbissimam haeresim apos5 tolicus gladius detruncavisset. (1337) per idem tempus Vitericus rei publicae nostrae fidelis et multis documentis bellicis clarus habebatur. (1338) pax cum Gothis facta, cum eam post ancipitis pugnae lacrimabile experimentum humilius quam umquam antea poposcissent. (1339) Aetio rebus, quae in Gallia componebantur, intento Gisiricus, de cuius amicitia nihil metuebatur, Carthaginem dolo pacis invadit omnesque opes eius excruciatis diverso tormentorum genere civibus in ius suum vertit nec ab ecclesiarum despoliatione abstinens, quas et sacris vasis exinanitas et sacerdotum administratione privatas non iam divini 15 cultus loca, sed suorum esse iussit habitacula, in universum captivi populi ordinem saevus, sed praecipue nobilitati et religioni infensus, ut

10

MYC ALOZXFP (hi septem soli 1137, AO in marg., om. Ar) RHB V (1336. 1339); Cassiod. 1233 (1339), Paul. Diac. 13,13 (1338. 1339). 13,14 (1339) 1 communione X | irrepere sed : inrepens R | his : in his H | Xystus YALRFHB : xistus M : sistus P : sixtus OZX : syxtus C 2 diaconis C | diaconi – hortatu om. MY hortatu : hortatur A : ornatu H | pestiferi C 3 conantibus M | permittitur Z | ita om. P de reiectione : de retectione R : directione H : deiectione F : defectione P 4 gaudere fecit : gauderet R | superbissima C : supervissimam O | heresem F : heresin C 5 gladius : gaudius Oa.c. | detruncabisset C : detruncasset OP 6 vintericus O : vitricus AsZXFP : intricus AtuL 7 documenti F | bellicis clarus AtuOZXFP : bellicis L : insignis As | habetur Z 8 eam : eis A : eandem O : eam Romani Paul. Diac. 9 umquam om. MY | ante XP poposcisset A 10 – 118,3 Aetio – quinto : cartago capitur a vandalis anno postquam romana esse coeperat quingentisimo octogisimo quarto V 10 Gallia : gallias XF : galliis P : galilea H | componebantur : gerebantur Ar(a.c.) | intentio O | Gisiricus MAB : ginsiricus C : geisiricus FP : geisericus YRZX : gesiricus O : gesericus H : gensericus L : ginsericus Cassiod. 11 nicil O | metuebatur : movebatur Ha.c. | xiiii kal. nov. LZXFPH 12 opes : opus C | eius : eiusque A | civibus : ante diverso X | in ius : verus Z 13 suum : sum Ha.c. | dispoliatione AORB : depopulatione P | quas – sacris : que sacris et C 14 vasibus P 15 sed : se F | esse iussit : iussit esse LORPH 16 ordine C | religioni : regioni R | infessus B : infestus Z (cf. Paul. Diac.)

Text und Übersetzung

117

einzuschleichen, indem er vorschützte, sich korrigiert zu haben. Doch indem Papst Sixtus auf Mahnung des Diakons Leo diesen Listen wachsam entgegentrat, ließ er nicht zu, dass den verderblichen Bemühungen irgendein Zugang offen stand. Auf diese Weise bewirkte er, dass sich alle Katholiken über die Zurückweisung der betrügerischen Bestie freuten, als ob das apostolische Schwert die hochmütigste Häresie damals zum ersten Mal enthauptet hätte. (1337) Während derselben Zeit stand Vitericus unserem Staatswesen treu zur Seite und war berühmt durch viele Beispiele seiner Kriegskunst. (1338) Mit den Goten wurde ein Friede geschlossen, nachdem sie ihn nach der beklagenswerten Erfahrung des unentschiedenen Kampfes demütiger als jemals zuvor begehrt hatten. (1339) Während Aëtius mit den Angelegenheiten beschäftigt ist, die in Gallien verhandelt wurden, besetzt Geiserich, bezüglich dessen Freundschaft nichts befürchtet wurde, unter Missbrauch des Friedens Karthago und bringt all den Reichtum der Stadt in seinen Besitz, indem er die Bürger auf verschiedene Art foltern lässt. Nicht einmal auf die Plünderung der Kirchen verzichtet er: Nachdem er sie sowohl der heiligen Gefäße beraubt als auch der Obhut der Priester entrissen hatte, befahl er, dass sie nicht länger Orte der göttlichen Verehrung sein sollten, sondern Quartier für seine Leute. Er war gegenüber dem gesamten gefangenen Volk grausam, aber vor allem der Nobilität und dem Klerus

118

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

non discerneretur, hominibus magis an deo bellum intulisset. hanc autem captivitatem Carthago subiit anno, postquam Romana esse coeperat, quingentesimo et octogensimo et quinto. (1340) CCCCXIII: Valentiniano Augusto V et Anatolio (1341) defuncto Xysto episcopo XL amplius diebus Romana ecclesia sine antistite fuit, mirabili pace atque patientia praesentiam diaconi Leonis expectans, quem tunc inter Aetium et Albinum amicitias redintegrantem Galliae detinebant, quasi ideo longius esset abductus, ut et electi meritum et eligentium iudicium probaretur. igitur Leo diaconus 10 legatione publica accitus et gaudenti patriae praesentatus XLIII Romanae ecclesiae episcopus ordinatur. 5

MYCAL O (1339,1 hanc – 3 in marg.) ZXRFPHBV

1 magis Ls Mmarg. (alt. man.) et rell. : om. A | an : an* M : om. R | intulisse RZ 1 – 3 hanc – quinto om. ArR 1 sq. hanc – subiit MYCLHB : cartago capitur a vandalis V : carthago a vandalis capta AstOZXFP 2 Romana : roma As : romanae X 2 sq. ceperat M : coepit B : ceperit ut vid. O 3 quingentesimo – quinto MY et sic fere CLeZXFPHB s (cf. Paul. Diac.) : dxxciii° L : quingentisimo octogisimo quarto V : ̣ ̣ ̣ ̣genten ̣ ̣mo octuagensimo et quarto O : quadingentesimo octuagesimo quarto Astu 4 Augusto om. AORV | V om. H | post anatolio add. hoc tempore consule rome beatus leo est (om. Y) episcopus ordinatus (litt. minoribus et brevioribus vers.) M Y 5 – 11 defuncto – ordinatur : diac leo papa fit V 5 Xysto vel xisto MYALOFHB : systo R : syxto C : sixto ZX : sisto P | XL – diebus : xlii duobus (an suprascript., fort. alt. man.) M Va.c. (ut vid.) romanae C 6 patientia praesentiam AstuLOZXHB : patientiae praesentiam RF : patientiam M : patiencia Y : patientia CAr : patientia adventum P | diaconis C 7 quem : qui R | inter : intra Z | et Albinum : albinum Z : atque et albinum R 7 sq. retintegrantem Ar : ret(re P)integrande FP : integrande R 8 retinebant P 8 sq. R 8 longius : logi C : longe L | adductus MY | ut et : ut OZXFPHBcorr. 9 elegantium Ar : elegentium AtO | iudicum C | diaconus : diconus C : om. AOR 10 accinctus B representatus Z | XLIII : xliiii O : om. B 11 post ordinatur add. leo qui sedit annis xxi mens. i dies xiii H

Text und Übersetzung

119

feindlich gesinnt, so dass nicht zu entscheiden war, ob er mehr gegen die Menschen oder mehr gegen Gott Krieg begonnen hatte. In diese Gefangenschaft aber geriet Karthago im fünfhundertfünfundachtzigsten Jahr, nachdem es begonnen hatte, römisch zu sein. (1340) Jahr 413 (= 440 n. Chr.): Valentinian Augustus zum fünften Mal und Anatolius (1341) Als Bischof Sixtus gestorben war, war die römische Kirche für mehr als 40 Tage ohne Oberhirten, während sie in wundersamem Frieden und auch Geduld die Anwesenheit des Diakons Leo erwartete. Der wurde damals in Gallien festgehalten, weil er versuchte, zwischen Aëtius und Albinus das Freundschaftsbündnis wiederherzustellen, so als ob er deswegen längere Zeit weggeführt worden wäre, damit sowohl die Würdigkeit des Gewählten als auch die Entscheidung der Wählenden geprüft würden. Der Diakon Leo wird daher durch eine öffentliche Gesandtschaft herbeigeholt, der erfreuten Vaterstadt präsentiert und zum 43. Bischof der römischen Kirche geweiht.

120

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1342) Gisiricus Siciliam graviter adfligens accepto nuntio de Sebastiani ab Hispania ad Africam transitu celeriter Carthaginem redit ratus periculosum sibi ac suis fore, si vir bellandi peritus recipiendae Carthagini incubuisset. verum ille amicum se magis quam hostem videri vo5 lens diversa omnia apud barbari animum, quam praesumpserat, repperit eaque spes causa illi maximae calamitatis et infelicissimae mortis fuit.

(1343) CCCCXIV: Cyro viro clarissimo consule (1344) Theodosius imperator bellum contra Vandalos movet Ariobindo et Ansila atque Germano ducibus cum magna classe directis, qui longis 10 cunctationibus negotium differentes Siciliae magis oneri quam Africae praesidio fuere. (1345) CCCCXV: Dioscoro et Eudoxio

MYCALOZXRFPH B (desinit in 1342 recipiendae cartha sqq. foliis amissis) V; Cassiod. 1235. 1237 (1342. 1344), Paul. Diac. 13,14 (1342). 13,15 (1344)

1 Gisiricus MAB : ginsiricus C : geisiricus F : geysiricus P : geisericus YXR : gesiricus LsO : geresicus Z : gesericus HV : gensericus Le : ginsericus Cassiod. 1 – 6 Gisiricus – fuit : gesericus siciliam vastat (sequitur spat. vac.) V 1 nuntiae C | de om. R 1 sq. sevastiani A : sebastiano ZXFP : sabastiani O 2 spania O | Africam : fricam Ca.c. | transitu MYALOXB : transitum CFPa.c.H : transitum faciente Pp.c. : transito R : transituro Z | carthagine F | redit : rediit OXFP | redit ratus : reiteratus Z 3 fore : fore putans Z | peritus : penitus MC 3 sq. carthagine F 4 verum : virum H 4 – 6 verum – fuit om. R 4 se om. H | hoste C | videre O 5 barbari animum : barbarum animum AZXF : barbarorum animum Alcobac. : barbarum P 6 maximae : maxima et P infelicissimae : felicissimae AO 7 ciro V | viro clarissimo : voc Ar 8 – 11 Theodosius – fuere : ariobinda missus a theodosio contra vandalos belli negotium differens magis siciliam praessit quam africae subveniret V 8 imperator om. R | vandilos C | Ariobindo CFP : ariovindo MYOZX : ariobinda LV : ariovinda A : ariundo H : ariobinde R 9 Ansila : anaxilla Ls | classe : clade L | 10 differentis O | honori O | Africae : affligae C 11 fuerunt XP : fuerit H : fruere O 12 Dioscoro – Eudoxio MYCHV : dioscoro et eudoxio (londosio P) cons. ZXFP : dioscoro v. c. et eudoxio Ls : dioscoro v. c. cons. AO : dioscoro vc cons et eudoxio R : in marg. add. 1348 AO

Text und Übersetzung

121

(1342) Gerade als Geiserich Sizilien schwer heimsucht, empfängt er die Nachricht vom Übergang des Sebastianus von Spanien nach Africa und kehrt daraufhin rasch nach Karthago zurück, in der Meinung, dass es gefährlich für ihn selbst und für seine Leute sein werde, wenn sich ein in der Kriegsführung erfahrener Mann der Rückerlangung Karthagos widme. Sebastianus indessen, obwohl er mehr als Freund denn als Feind wahrgenommen werden wollte, fand alle Dinge im Geist des Barbaren anders vor, als er sich vorgestellt hatte. Diese Hoffnung war der Grund für sein großes Unheil und seinen unglücklichen Tod. (1343) Jahr 414 (= 441 n. Chr.): der vir clarissimus Cyrus Konsul (1344) Kaiser Theodosius beginnt einen Krieg gegen die Vandalen, indem er die Heerführer Areobindus, Ansila und Germanus mit einer großen Flotte aussendet. Während sie mit langen Zaudereien das Unternehmen verzögerten, waren sie mehr für Sizilien eine Last als für Africa ein Schutz. (1345) Jahr 415 (= 442 n. Chr.): Dioscorus und Eudoxius

122

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1346) Chunis Thracias et Illyricum saeua populatione vastantibus exercitus, qui in Sicilia morabatur, ad defensionem Orientalium provinciarum revertit. (1347) cum Gisirico ab Augusto Valentiniano pax confirmata et certis 5 spatiis Africa inter utrumque divisa est. (1348) in Gisiricum de successu rerum etiam apud suos superbientem quidam optimates ipsius conspiraverunt. sed molitione detecta multis ab eo suppliciis excruciati atque extincti sunt. cumque idem audendum etiam ab aliis videretur, tam multis regis suspicio exitio fuit, ut hac sui 10 cura plus virium perderet quam si bello superaretur.

(1349) CCCCXVI: Maximo II et Paterio (1350) hoc tempore plurimos Manicheos intra urbem latere diligentiae papae Leonis innotuit, qui eos de secretis suis erutos et oculis totius ecclesiae publicatos omnes dogmatis sui turpitudines et damnare fecit et MYC A (1348 in marg.) L O (1348 in marg.) ZX R (deest 1348) FPHB V (1346. 1347. 1349); Cassiod. 1239. 1240 (1346. 1347), Paul. Diac. 13,16 (1346). 14,1 (1347) 1 Chunis MCLBV : unnis FP : hunnis YX : hunis R : chuni AH : ugnis Z : ugni O 1 – 3 Chunis – revertit : contra hunnos tracia vastantes exercitus de sicilia redit V 1 trachias CA : thrachias M : thraciam YLP | Illyricum : liricum C | populatione : depopulatione AOZ (?) R 2 siciliam M 2 sq. provincialium Ar(a.c.) 3 revertit MCF : se vertit Z : revertitur ALOXRPH 4 sq. cum – est : et inter gesericu et valentinianu africa certis spatiis dividitur V 4 gisirico Mp.c. : girico Ma.c. : ginsirico C : giserico R : gesirico A : geserico OZH : geisirico F : geysirico P : geiserico YX : genserico L : ginserico Cassiod. : autem add. ALOZXRFP | ab – Valentiniano MYCZXFPH : a val. aug. AL : et val. aug. R : valentiniano a O | et om. Z 5 spatiis : partibus A | africam C : africae AO 6 in inde Z | gisiricum MAr : ginstricum C : gesericum ZH : geisericum YX : geisiricum F : geysiricum P : gensericum AuL : gericum O | successu rerum : successorem Ar etiam : et H : om. P | superbientes H : supervenientem C 7 detecta : decreta O 8 supplicitiis P | idem audendum om. O | audendum CLXFP : audiendum MYAZ : ad audiendum H 9 aliis : allis C | tam om. P | regis om. C | suspicio : suplicio Ar | exitionis fuerit H 9 sq. ut – superaretur om. AO 9 hac om. X 11 add. FPX 12 hoc tempore : huius temporis H | plurimas Ra.c. | manicheorum C diligentiae MYCZXH : diligentia ALORFP 13 oculos O 14 duplicatos Z | omnes dogmatis : omnium A | turpitudines : turpitudinis Ha.c. : turpitudinem ALe | et damnare : damnare AL

Text und Übersetzung

123

(1346) Weil die Hunnen Thrakien und das Illyricum furchtbar plünderten und verwüsteten, kehrte das Heer, das sich auf Sizilien aufhielt, zur Verteidigung der östlichen Provinzen zurück. (1347) Von Valentinian Augustus wird der Friede mit Geiserich bekräftigt und Africa zwischen beiden in fest abgegrenzte Gebiete aufgeteilt. (1348) Als Geiserich wegen seiner Erfolge sogar seinen eigenen Leuten gegenüber hochmütig wurde, verschworen sich einige seiner Vornehmen gegen ihn. Das Vorhaben aber wurde aufgedeckt, und sie wurden von ihm durch viele Foltern gepeinigt und umgebracht. Als es schien, dass auch andere eine Verschwörung wagten, brachte der Argwohn des Königs so vielen Vandalen Verderben, dass er durch diese Besorgnis um sich selbst mehr Truppen verlor, als wenn er im Krieg besiegt worden wäre. (1349) Jahr 416 (= 443 n. Chr.): Maximus zum zweiten Mal und Paterius (1350) Zu dieser Zeit ist der Umsicht Papst Leos bekannt geworden, dass innerhalb der Stadt sehr viele Manichäer verborgen waren. Er riss sie aus ihren Verstecken heraus und machte sie den Augen der ganzen Kirche bekannt, veranlasste sie, alle Schändlichkeiten ihrer Lehre zu

124

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

prodere incensis eorum codicibus, quorum magnae moles fuerant interceptae. quae cura viro sancto divinitus, ut apparuit, inspirata non solum Romanae urbi, sed etiam universo orbi plurimum profuit, si quidem confessionibus in urbe captorum, qui doctores eorum, qui episcopi qui5 ve presbyteri in quibus provinciis vel civitatibus degerent, patefactum sit, multique Orientalium partium sacerdotes industriam apostolici rectoris imitati sunt. (1351) CCCCXVII: Theodosio XVIII et Albino (1352) hoc anno pascha domini VIIII Kal. Mai. celebratum est nec erra10 tum est, quia in die XI Kal. Mai. dies passionis fuit. ob cuius reverentiam natalis urbis sine circensibus transiit. (1353) Attila rex Chunorum Bledam fratrem et consortem in regno suum perimit eiusque populos sibi parere compellit.

MY A (desinit in 1350,1 prodere) Fris. (incipit a 1352,10 fuit) CLOZX R (deest 1353) FP (in his deest 1352) H V (1351. 1353); Cassiod. 1243 (1353), Paul. Diac. 14,2 (1353)

1 prodere : perdere H | eorum : eorundem OZXF 1 – 7 quorum – sunt om. R 2 apparuit : adparum O | inspirato O 3 urbi : urbis OZHa.c. 4 confessionibus : a confessoribus Z | in – captorum : in unaquaque urbe catholicorum Z | captorum : captivorum X 4 sq. quive : qui Z 6 sit : fit H | industria H | apostolico C 6 sq. rectores Z 7 sint C 8 Albino : conss add. FP 9 hoc anno om. R | pascha post maias transpos. R | domini om. R | VIIII YCLOZR Alcobac. : xiii MXH | Kal om. R 9 sq. nec – fuit om. O 9 – 11 nec – transiit om. R 10 in die ZXH : inde CL : indict M : indicio Y | Mai dies : mai. đ M : madii Y : diei dies H | passionis : passiones C 10 sq. ob – transiit MYCLH Fris. : hoc anno ... celebratum est O (in textu) : natalis urbis sine cercensibus fuit ob reverentiae ominicofessionis Omarg. (litt. oblitteratis) : ob cuius reverentiam natalis urbis sine circensibus fuit ob reverentiam (scilicet add. X) dominicae passionis XZ Alcobac. 12 Attila YLHV Mmarg. (alt. man.) : atela M : athela COX : atthela F : acthela P : atilla Z 12 sq. consortiumque regni perimit V 12 Chunorum M : hunnorum YCLH : unnorum FPX : ugnorum O : hignorum Z | Bledam LHV (cf. Cassiod.) : blebam MYZXFP Fris. (cf. Paul. Diac.) : blevam O : bleva C | in regno : in regnum H : om. OZXFP 13 suo C (cf. Cassiod.) | peremit CH | parere : comparare Ma.c. : comparere Mp.c.

Text und Übersetzung

125

verdammen und zu verraten; ihre Schriften, von denen große Massen konfisziert worden waren, wurden verbrannt. Diese Sorgfalt, die dem heiligen Mann, wie es schien, von Gott eingegeben worden war, nutzte nicht allein der Stadt Rom stark, sondern auch dem ganzen Erdkreis, weil durch die Geständnisse der in Rom Ergriffenen ans Licht gebracht wurde, welche ihrer Lehrer, welche Bischöfe und welche Priester sich in welchen Provinzen oder Städten aufhielten. Und viele Priester der östlichen Gebiete ahmten den Einsatz des apostolischen Lenkers nach. (1351) Jahr 417 (= 444 n. Chr.): Theodosius zum achtzehnten Mal und Albinus (1352) In diesem Jahr wurde Ostern am 23. April gefeiert. Darin liegt kein Irrtum, weil am 21. April der Tag der Passion war. Aus Rücksicht darauf verging der Geburtstag der Stadt ohne Zirkusspiele. (1353) Attila, der König der Hunnen, tötet Bleda, seinen Bruder und Teilhaber an der Herrschaft, und zwingt dessen Völker, ihm selbst zu gehorchen.

126

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1354) CCCCXVIII: Valentiniano VI et Nomo (1355) CCCCXIX: Aetio III et Symmacho (1356) CCCCXX: Callepio et Ardabure (1357) CCCCXXI: Postumiano et Zenone (1358) hoc tempore Eutychiana haeresis exorta est auctore Eutyche quodam presbytero, qui apud Constantinopolim monasterio celeberrimo praesidebat praedicans Iesum Christum dominum nostrum beatae Mariae virginis filium nihil maternae habuisse substantiae, sed sub specie hominis solam in eo verbi dei fuisse naturam. ob quam impietatem a 10 Flaviano eiusdem urbis episcopo, quia corrigi noluit, condemnatus est. sed fidens amicitia regia et aulicorum favore ab universali synodo se poposcit audiri annuente imperatore Theodosio, qui ob huius causae retractationem omnes episcopos iussit Ephesum convenire. in quo concilio Dioscorus Alexandrinus episcopus primatum sibi vindicans absoluto 15 Eutyche in Flavianum episcopum Constantinopolitanum damnationis sententiam tulit reclamantibus eis, qui vice sancti papae Leonis inter5

MYFris. CL (hi duo 1358 post 1359) OZXRFP (hi sex desinunt in 1354) H V (deest 1358) 1 Nomo MYCOZXR F (an nonio?) HV : nonio LP : conss add. FP : fiunt ab adam usque in consulatum theodosi iunioris xviii et valentiniani placidiae filii iunioris sexies omnes anni num̄e v̄ milia dcxlv add. F : hic finit prosper post hieronymum add. P 3 calepio V | ardabore V : arvabure L : ardebure Fris. 4 posthumiano L 5 hoc – haeresis : her. euthiciana hoc temp. H | eutichiana C : aeuticiana M | Eutyche YL : eutiche C : euthice H : eutice M Fris. 7 beatae : natae C 7 sq. Mariae YCLH Fris. : om. M 10 flabiano Fris. | episcopo : eps Ma.c. 11 amitia Fris. 12 audire Fris. | huius : eius Fris.a.c. 14 episcopus om. C | absolute Ma.c.Y 15 Eutyche MYL : euthice H : euticen C : eutice Fris. | episcopum Constantinopolitanum om. CH 16 – 128,1 reclamantibus – compellerentur MY Fris. : reclamante hilaro (helaro H) diacono ecclesiae romanae qui vice sancti papae leonis (leonis papae L) cum iulio episcopo puteolano (pudeolano H) a sede apostolica fuerat destinatus. nam cum omnes episcopi in consilio (concilio Labbé) constituti vi et (victi H) militum quos dioscoro alexandrinae urbis (urbes C) episcopo attribuerat imperator compellerentur huic haeresi accomodare consensum memoratus diaconus inter tot vitae pericula constitutus voce contradictionis emissa cum in eius propter hoc perniciem saeviretur relictis illic omnibus suis latenter abscessit ut praefato papae vel ceteris italiae

Text und Übersetzung

127

(1354) Jahr 418 (= 445 n. Chr.): Valentinian zum sechsten Mal und Nomus (1355) Jahr 419 (= 446 n. Chr.): Aëtius zum dritten Mal und Symmachus (1356) Jahr 420 (= 447 n. Chr.): Callepius und Ardabur (1357) Jahr 421 (= 448 n. Chr.): Postumianus und Zeno (1358) Zu dieser Zeit entstand die eutychianische Häresie. Erfinder war Eutyches, ein Priester, der bei Konstantinopel einem berühmten Kloster vorstand. Er lehrte, dass Jesus Christus, unser Herr, der seligen Jungfrau Marien Sohn, nichts von der mütterlichen Substanz besessen habe, sondern in der Gestalt eines Menschen allein die Natur des Logos in ihm gewesen sei. Wegen dieser Gottlosigkeit wurde er von Flavian, dem Bischof der Stadt, verurteilt, weil er sich nicht berichtigen lassen wollte. Weil er aber auf die kaiserliche Freundschaft und die Gunst der Höflinge vertraute, forderte er, von einer Gesamtsynode gehört zu werden. Dem stimmte Kaiser Theodosius zu und befahl allen Bischöfen, sich zur Wiederverhandlung des Falles in Ephesus zu versammeln. Bei diesem Konzil fällte der alexandrinische Bischof Dioskor, der für sich den Primat beanspruchte, nach dem Freispruch des Eutyches das Urteil der Verdammung gegen Flavian, den Bischof von Konstantinopel, obwohl*) diejenigen, die an Stelle des heiligen Papstes Leo teilnahmen, widersprachen, da viele durch Gewalt und Einschüchterung zur Zustimmung

*)

Interpolierte Fassung in LCH: ... obwohl Hilarius, Diakon der römischen Kirche, der zusammen mit Julius, dem Bischof von Puteoli, vom apostolischen Stuhl an Stelle des heiligen Papstes Leo geschickt worden war, widersprach. Denn alle Bischöfe, die sich auf dem Konzil befanden, wurden durch Gewalt und Furcht vor den comites, beziehungsweise den Soldaten, die der Kaiser dem Dioskor, dem Bischof der Stadt Alexandria, zugeteilt hatte, gezwungen, der Häresie ihre Einwilligung zu geben. Der erwähnte Diakon dagegen erhob in höchster Lebensgefahr W wütend nach seinem Leben trachtete. Daraufhin ging er heimlich – indem er alle Seinen dort zurückließ – fort, um durch seine Anzeige dem besagten Papst und auch den übrigen Priestern Italiens zu offenbaren, wie dort der katholische Glaube misshandelt wurde.

128

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

erant, cum multi ad consensionem vi et metu compellerentur. sanctus vero Flavianus inter manus eorum, a quibus in exilium ducebatur, glorioso ad Christum fine transivit. (1359) CCCCXXII: Asturio et Protogene 5

(1360) CCCCXXIII: Valentiniano VII et Avieno (1361) Theodosio imperatore defuncto et Chrysafio praeposito, qui amicitia principis male usus fuerat, interempto Marcianus consensione totius exercitus suscepit regnum, vir gravissimus et non solum rei publicae, sed etiam ecclesiae pernecessarius.

10

(1362) huius edictis apostolicae sedis auctoritatem secutis synodus Ephesena damnatur et apud Calchedonam celebrari concilium episcopale decernitur, ut et correctis venia mederetur et pertinaces cum haeresi depellerentur.

(1363) CCCCXXIV: Marciano Augusto et Adelfio 15 (1364) Attila post necem fratris auctus opibus interempti multa vicinarum sibi gentium milia cogit in bellum, quod Gothis tantum se inferre MY Fris. (desinit in 1364,16 bellum) CLH V (1360. 1361. 1363. 1364); Cassiod. 1250. 1251. 1253 (1361. 1364), Paul. Diac. 14,4.6 (1364) sacerdotibus qualiter ibi catholica fides fuerit (fuerat L) violata sua delatione promeret (relatione depromeret H) LCH 16 eis : eius Ma.c. 1 multi Y : in multi M : deficit Fris. 2 flavianes Fris. 2 sq. gloriosa CH 3 finem C 4 austurio Fris. | protegene C : protoenes Y 5 VII : viii L | abieno MC Fris. 6 – 9 Theodosio – pernecessarius moritur theodosius levatur marcianus V 6 defuncto MYH : diem functo CL | Chrysafio M : chrysaphio YL : chrisafio C : crisafio H 7 post Marcianus add. xlviii Fris. | consessione Ma.c. 8 regnum : imperium Y 9 prenecessarius Y : romanorum xliii regnat martianus annis vi add. H 10 huius – secutis : martianus edicto suo secutus auctoritate sed. ap. H 10 sq. synodus – damnatur : sinodum ephesenam dampnat H 11 ephesina L Calchedonam C : calcedonam MH Fris.p.c. : calchedonem YL : caldonam Fris.a.c. celebrari : celebre H : caelebrare Fris. 12 ut om. C | et1 om. L | depellerentur add. ex continuatione codicis Reichenaviensis placidia defuncta est v kal. dec. L 14 Adelfio : delfio H : flavio adelfio L (ex Pontaco) 15 Attila YLHV : atela M : athila C semper 15 – 130,9 Attila – reverterunt : pugnarunt tunc gallis attila et aetius V 15 autus C | auctus – interempti : int. auct. op. Y | oppibus M 16 milia om. H

Text und Übersetzung

129

gezwungen wurden. Der heilige Flavian freilich ging unter den Händen derer, von denen er in die Verbannung geführt wurde, in einem glorreichen Ende zu Christus über. (1359) Jahr 422 (= 449 n. Chr.): Asturius und Protogenes (1360) Jahr 423 (= 450 n. Chr.): Valentinian zum siebten Mal und Avienus (1361) Nachdem Kaiser Theodosius gestorben und der praepositus Chrysaphius, der sich der Freundschaft des princeps in übler Art und Weise bedient hatte, beseitigt worden war, empfing Marcian mit der Zustimmung des gesamten Heeres die Herrschaft – ein überaus ehrwürdiger Mann, und nicht allein dem Staatswesen, sondern auch der Kirche eng verbunden. (1362) Durch dessen Edikte wird die Synode von Ephesus verdammt, wobei der Gewichtigkeit des apostolischen Stuhles gefolgt wird; und es wird beschlossen, dass in Chalcedon ein bischöfliches Konzil abgehalten wird, damit sowohl die Vergebung die auf den rechten Weg Gebrachten versöhne als auch die Starrsinnigen zusammen mit der Häresie vertrieben würden. (1363) Jahr 424 (= 451 n. Chr.): Marcian Augustus und Adelfius (1364) Nachdem sich Attila nach der Hinrichtung seines Bruders durch die Mittel des Beseitigten bereichert hat, zwingt er viele tausend ihm benachbarte Völker in einen Krieg. Gleich wie ein Hüter der römischen

130

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

tamquam custos Romanae amicitiae denuntiabat. sed cum transito Rheno saevissimos eius impetus multae Gallicanae urbes experirentur, cito et nostris et Gothis placuit, ut furori superborum hostium consociatis exercitibus repugnaretur, tantaque patricii Aetii providentia fuit, ut rap5 tim congregatis undique bellatoribus viris adversae multitudini non impar occurreret. in quo conflictu quamvis neutris cedentibus inaestimabiles strages commorientium factae sint, Chunos tamen eo constat victos fuisse, quod amissa proeliandi fiducia qui superfuerant ad propria reverterunt.

10

[1365]

(1366) CCCCXXV: Herculano et Sporacio (1367) Attila redintegratis viribus, quas in Gallia amiserat, Italiam ingredi per Pannonias intendit nihil duce nostro Aetio secundum prioris belli opera prospiciente, ita ut ne clusuris quidem Alpium, quibus hostes 15 prohiberi poterant, uteretur hoc solum spebus suis superesse existimans, si ab omni Italia cum imperatore discederet. sed cum hoc plenum dedeMYCLH V (1365 solus. 1366); Cassiod. 1255. 1256 (1367) 2 galliganae C 3 ut : et MY | furores H 4 post repugnaretur add. thorismotus tunc regnorum gothorum regebat H | patricii – providentia MYC : prov. aet. patr. H : aet. patr. prov. L | fuit : sic C | post ut add. tam gothos ut diximus quam etiam francos in auxilium qui tunc vicina rheno obtinebant de industria vocaret. non enim tunc reges gens francorum habebat, sed ducibus contenti erant sicque H 4 sq. rapti C 5 multitudinis C 5 sq. non impar : nostrae partis non impar H 6 occurreret : occurrit Y : pugnatumque est in quinto miliario de trecas loco nuncupato maurica (maurico Ha.c.) in campania add. H | quamvis : quoevis H 7 cummorientium C | sint : sunt H | eo MYL : ea C : om. H victos : victor C 8 fiducia (add. du s. l. alt. man.) Mp.c. et plerique : officia Y 8 sq. post reverterunt add. aquileia fracta est V (Mommsen 1365), mortuusque est in eo proelio (add. est alt. man.) theodor rex gothorum, in cuius locum thorismotus filius eius maior natu sufficitur. sicque astu aetii (actii Ha.c.) actum, ut, dum francos hortatur ad propria remeare, ne vacuam virorum robore sedem attila occuparet thorismotumque hortatur, ut sumpti honoris gloriam in sedibus regni remeans firmaret, ne a fratribus praeventus dignitate careret, solus cum suorum robore militum remanens cuncta preda et hostium spolia proprium ditat exercitum H 11 herculano (hirc. V) et asphoracio (sporatio MYL) MYLV (cf. Cassiod.) : herculano v. c. consule C (cf. Vict.) : herculano v. c. consule et asparaucio H 12 athela C 13 pamnonias C | actio H 14 hostis Y 15 spebus CH : spes Y : spebi (ebi in ras.) Mcorr. : spei L 16 discederet : dimicans disc. H

Text und Übersetzung

131

Freundschaft kündigte er an, dass er diesen Krieg nur gegen die Goten allein beginne. Als er aber den Rhein überschritten hatte und viele gallische Städte seine überaus heftigen Attacken erfuhren, beschlossen sowohl unsere Leute als auch die Goten rasch, der Raserei der hochmütigen Feinde durch vereinte Heere Widerstand zu leisten. Die Vorausschau des patricius Aëtius war so groß, dass er durch eilig von überall her versammeltes Kriegsvolk der gegnerischen Menge nicht ungleich entgegentrat. Obwohl es in der Schlacht zahllose Gefallene gab, da keine Seite wich, steht immerhin fest, dass die Hunnen im Zusammentreffen von ihm besiegt wurden. Denn diejenigen, die übrig geblieben waren, kehrten in die eigenen Gebiete zurück, weil sie die Zuversicht in das Kämpfen verloren hatten. [1365] (1366) Jahr 425 (= 452 n. Chr.): Herculanus und Sporacius (1367) Nachdem Attila die Truppen aufgefrischt hatte, die er in Gallien verloren hatte, beabsichtigte er, über Pannonien in Italien einzumarschieren. Unser Befehlshaber Aëtius traf keine den Anstrengungen des vorherigen Krieges gemäßen Vorkehrungen, so dass er nicht einmal eine mögliche Sperrung der Alpen nutzte, wodurch die Feinde hätten zurückgehalten werden können. Er meinte, dass eine einzige Hoffnung bliebe, nämlich sich mit dem Kaiser ganz aus Italien zurückzuziehen. Weil dies aber schmachvoll und gefährlich erschien, wurde die Furcht

132

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

coris et periculi videretur, continuit verecundia metum et tot nobilium provinciarum latissima eversione credita est saevitia et cupiditas hostilis explenda nihilque inter omnia consilia principis ac senatus populique Romani salubrius visum est, quam ut per legatos pax truculentissimi re5 gis expeteretur. suscepit hoc negotium cum viro consulari Avieno et viro praefectorio Trygetio beatissimus papa Leo auxilio dei fretus, quem sciret numquam piorum laboribus defuisse. nec aliud secutum est, quam praesumpserat fides. nam tota legatione dignanter accepta ita summi sacerdotis praesentia rex gavisus est, ut et bello abstinere prae10 ciperet et ultra Danuvium promissa pace discederet.

(1368) CCCCXXVI: Opilione et Vincomalo (1369) synodus Calchedonensis peracta Eutyche Dioscoroque damnatis. omnes autem, qui se ab eis retraxerunt, in communionem recepti confirmata universaliter fide, quae de incarnatione verbi secundum evange15 licam et apostolicam doctrinam per sanctum papam Leonem praedicabatur. (1370) Attila in sedibus suis mortuo magna primum inter filios ipsius certamina de obtinendo regno exorta sunt, deinde aliquot gentium, quae Chunis parebant, defectus secuti causas et occasiones bellis dederunt, 20 quibus ferocissimi populi mutuis incursibus contererentur. MYCLH D (incipit a 1368) V (1368); Cassiod. 1258 (1370) 1 videtur H | verecundiam Y | metu C 2 versione H | saevitia et : sevitiae H 3 explenda MYCH : expleta L 4 sq. reges expeterentur C 5 abieno MCY 6 Trygetio M : trigetio YCLH | beatissimos C | fretum C 7 quem : quoniam H | est om. M 8 fides praesumpserat H 9 summo H | sacerdotes C : sacerdoti H | praesentia : praestare H abstinere MH : abstineri YCL 10 Danuvium M : danubium YCLH 11 Opilione – Vincomalo (vincomalos MY) MYV (cf. Vict. et Cassiod.) : opilione v. c. consule CL : c opilionem vel consule (cos. Opilione v. c. Mommsen in app. crit.) D : opilione v. c. consule et vincumalo H 12 synodos M : synodo Y | D : calcedonensi Y | euthyce C 13 autem om. D 15 sanctum : spiritum sanctum Da.c. 17 sidibus D | magnam CDp.c. : magnti Da.c. | ipsius : eius H 18 aliqua H 19 Chunis : cunis Ca.c. : chunus Ma.c. : hunis D : hunos H | praebent Ca.c. | defectos H | occansiones C 20 forocissimi D | mutuis : metuisse C | conterentur Ma.c.C

Text und Übersetzung

133

durch die Scham gezügelt, und man nahm an, dass Grausamkeit und Habgier der Feinde durch die weiträumige Zerstörung so vieler bedeutender Provinzen zu stillen seien. Und nichts unter allen Ratschlägen des princeps und des Senats und des Volks von Rom erschien vernünftiger, als durch Gesandte den Frieden des grimmigen Königs zu erstreben. Zusammen mit dem konsularischen Mann Avienus und dem ehemaligen Präfekten Trygetius übernahm diese Aufgabe der allerseligste Papst Leo, auf die Unterstützung Gottes vertrauend, von dem er wusste, dass er niemals die Mühen der Frommen im Stich gelassen hatte. Und nichts anderes erfolgte, als der Glaube erwartet hatte. Denn nachdem die gesamte Gesandtschaft hochachtungsvoll empfangen worden war, freute sich der König derart über des höchsten Priesters Anwesenheit, dass er befahl, auf Krieg zu verzichten, und sich mit einem Friedensversprechen über die Donau zurückzog. (1368) Jahr 426 (= 453 n. Chr.): Opilio und Vincomalus (1369) Die Synode von Chalcedon wurde beendet, Eutyches und Dioskor wurden verdammt. Alle aber, die sich von ihnen zurückzogen, wurden wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Allgemein bestätigt wurde der Glaube von der Fleischwerdung des Wortes, der gemäß der Lehre der Evangelien und der Apostel durch den heiligen Papst Leo verkündigt wurde. (1370) Als Attila in seiner Residenz gestorben war, brachen zwischen seinen Söhnen zunächst große Streitigkeiten um den Besitz der Herrschaft aus. Anschließend folgte der Abfall etlicher Völker, die den Hunnen gehorchten, was Anlass und Gelegenheit für Kriege gab, in denen die wilden Völker durch wechselseitige Angriffe aufgerieben wurden.

134

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(1371) apud Gothos intra Gallias consistentes inter filios Theodoris regis, quorum Thorismodus maximus natu patri successerat, orta dissensio est et, cum rex ea moliretur, quae et Romanae paci et Gothicae adversarentur quieti, a germanis suis, quia noxiis dispositionibus irrevoca5 biliter instaret, occisus est. (1372) CCCCXXVII: Aetio et Studio (1373) inter Valentinianum Augustum et Aetium patricium post promissae invicem fidei sacramenta, post pactum de coniunctione filiorum, dirae inimicitiae convaluerunt et, unde fuit gratia caritatis augenda, inde 10 exarsit fomes odiorum, incentore, ut creditum est, Heraclio spadone, qui ita sibi imperatoris animum insincero famulatu obstrinxerat, ut eum facile, in quae vellet, impelleret. dum ergo Aetius placita instancum ergo Heraclius sinistra omnia imperatori de Aetio persua- 20 tius repetit et causam filii com15 deret, hoc unum creditum est motius agit, saluti principis profuturum, si inimici molitionem suo opere praeoccupavisset. unde Aetius

MYCLH D (deest 1371) V (1372. 1373); Cassiod. 1260 (1373), Paul. Diac. 14,15 (1373)

1 Theodoris MC : theudoris H : theodorici YL 2 thorismotus H | post successerat add. tertioque iam anno regni sui H | orta : orta est H 3 pacis YH 4 quieti a : qui etiam C : qui etiam a H 5 post occisus est add. in eius locum theodoricus confirmatur frater thorismoti iunior H 6 c aetio et studio D 7 – 136,3 inter – copulabatur : aetius et boetius occisi sunt V 7 patricium om. H 7 sq. promissa inv. faedis sacramenta H 9 diirae H | fuit : fugit D 10 fomis D | ingentore C 11 insincero LHD : insero MY : incicera C | obstrincxerat Y : obstruxerat C : adstrinxerat L quem H : quod D | vellit D | impelleret : impleret M 13 – 18 cum – Aetius MYLH : om. CD 17 molitiones L 18 praeoccupasset LH | unde Aetius om. L 19 – 21 dum – agit CD L (post praeoccupasset Labbé, fort. duce Duchesne, coniungens has duas formas codicum) : om. MYH 19 dum CL : cum D

Text und Übersetzung

135

(1371) Bei den Goten, die innerhalb Galliens siedelten, entstand Uneinigkeit zwischen den Söhnen des Königs Theoderich, von denen Thorismund als ältester dem Vater nachgefolgt war. Und als der König Dinge plante, die sowohl dem Frieden mit den Römern als auch der gotischen Ruhe zuwiderliefen, wurde er von seinen Brüdern getötet, weil er unerbittlich auf seinen schädlichen Anordnungen beharrte. (1372) Jahr 427 (= 454 n. Chr.): Aëtius und Studius (1373) Nachdem sie gegenseitig Treueeide gelobt und eine Übereinkunft über die Verbindung ihrer Kinder getroffen hatten, kamen zwischen Valentinian Augustus und dem patricius Aëtius unheilvolle Feindseligkeiten auf. Wo die Gnade der Zuneigung zu fördern gewesen wäre, da entflammte der Zunder des Hasses – wobei der Anstifter, wie man glaubte, Heraclius war, ein Eunuch, der den Kaiser durch unaufrichtige Ergebenheit derart für sich eingenommen hatte, dass er ihn mühelos zu den Dingen veranlasste, die er wollte. Weil also Heraclius dem Kaiser Während also Aëtius die Verallerlei Übles über Aëtius eineinbarungen eindringlicher einredete, glaubte man, dass dies forderte und die Sache seines allein dem Heil des princeps Sohnes eifriger betrieb, wurde nützen werde, wenn er dem er ... Vorhaben des Feindes mit seinem eigenen Werk zuvorkomme. Deshalb wurde Aëtius ...

136

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

imperatoris manu et circumstantium gladiis intra palatii penetralia crudeliter confectus est Boetio praetorii praefecto simul perempto, qui eidem multa amicitia copulabatur. (1374) CCCCXXVIII: Valentiniano VIII et Anthemio (1375) mortem Aetii mors Valentiniani non longo post tempore consecuta est tam imprudenter non declinata, ut interfector Aetii amicos armigerosque eius sibimet consociaret. qui concepti facinoris opportunitatem dissimulanter aucupantes egressum extra urbem principem et ludo gestationis intentum inopinatis ictibus confoderunt Heraclio simul, ut 10 erat proximus, interempto et nullo ex multitudine regia ad ultionem tanti sceleris accenso. ut autem hoc parricidium perpetratum est, Maximus vir gemini consulatus et patriciae dignitatis sumpsit imperium. qui cum periclitanti rei publicae profuturus per omnia crederetur, non sero documento, quid animi haberet, probavit, si quidem interfectores Valentin15 iani non solum non plecterit, sed etiam in amicitiam receperit uxoremque eius Augustam amissionem viri lugere prohibitam intra paucissimos dies in coniugium suum transire coegerit. sed hac incontinentia non diu potitus est. nam post alterum mensem nuntiato ex Africa Gisirici regis 5

MYCLHDV; Cassiod. 1262. 1263 (1375), Paul. Diac. 14,16 (1375) 1 circum instantium cladiis C | intra – penetralia MH : om. YCLD 2 confectus MYL : effectus C : interfectus est rome xi k. octob. H | Boetio YCH : boethio L : boaetio M praetorii praefecto : praefecto praetorio L : praefecto praecario CH | interempto H 2 sq. eidem : ei D 3 copulaverat D 4 Anthemio : antemio MV : his consulibus ravenna arsit add. H 5 – 138,12 mortem – sunt : valentinianus occiditur levatur maximus xvi kl. april. et occiditur prid. kl. iun.gesiricus intrat romam V 5 Aetii : maeti C | longe C 6 interfectores Ha.c. : interfectur D | eti amiqos C 7 sociaret D | conceptis D | racinoris C 8 urbem : portam H | post principem add. et in campo martio pro tribunali in sexto ad duos lauros residentem H 9 intendentem H | inopinatis : veniente ex adverso accilane aetii bucillario simulque veniente trasilane genero aetii insperatis et inopinatis H 10 nullus MY | ex om. Y | rogia C | ultione C 11 accensus Y | ut om. Ma.c. parricidium (supra alteram r suprascript. r) M : parricium D 12 ante sumpsit add. alia die xiiii k. april. H 13 perecli publicae (tanti rei om. in spat. vac.) C | per omnia profuturus L | sere C 15 solum : solum ut H | plecteret HD MYCa.c. | reciperet H 15 sq. uxoremque : uxorem D 16 prohibitum MY | paucissimos : paucos H 17 suum om. Ma.c. | transire om. H | coegeret H | hac incontinentia : in hac continentia D | diu : diu ut C 18 geserici H : genserici YL : gensirico C : ginsireci D : gerisirici M | regiis Y

Text und Übersetzung

137

... durch des Kaisers Hand und durch die Schwerter der Umherstehenden in den Gemächern des Palastes grausam umgebracht. Der praefectus praetorio Boethius, der Aëtius in großer Freundschaft verbunden war, wurde gleichzeitig getötet. (1374) Jahr 428 (= 455 n. Chr.): Valentinian zum achten Mal und Anthemius (1375) Dem Tod des Aëtius folgte nicht lange Zeit später der Tod des Valentinian, der so unklug nicht abgewendet wurde, dass sich der Mörder des Aëtius mit dessen Freunden und Gefolgsleuten verband. Diese warteten für das ersonnene Verbrechen insgeheim eine Gelegenheit ab, und als der princeps aus der Stadt hinausgegangen war und sich mit einem Ausflug die Zeit vertrieb, durchbohrten sie ihn mit unerwarteten Schwerthieben. Gleichzeitig wurde Heraclius beseitigt, weil er ihm am nächsten stand. Und niemand aus der herrschaftlichen Menge wurde zur Rache eines so großen Frevels entfacht. Sobald aber dieser Mord vollzogen war, ergriff Maximus, zweimaliger Konsul und patrizischen Ranges, das Kaisertum. Obwohl man glaubte, dass er dem bedrohten Staatswesen in allen Belangen nützlich sein werde, bewies er bald durch das Beispiel, was für einen Charakter er besaß, weil er nämlich die Mörder des Valentinian nicht allein nicht bestrafte, sondern sogar in Freundschaft aufnahm. Und dessen Gattin, der augusta, verbot er, den Verlust des Mannes zu betrauern und zwang sie, innerhalb weniger Tage mit ihm die Ehe einzugehen. Aber solche Unmäßigkeit genoss er nicht lange Zeit. Denn zwei Monate später wurde König Geiserichs Anmarsch aus Africa gemeldet, und viele vornehme und auch einfache

138

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

adventu multisque nobilibus ac popularibus ex urbe fugientibus, cum ipse quoque data cunctis abeundi licentia trepide vellet abscedere, septuagesimo septimo adepti imperii die a famulis regiis dilaniatus est et membratim deiectus in Tiberim sepultura quoque caruit. post hunc Ma5 ximi exitum confestim secuta est multis digna lacrimis Romana captivitas et urbem omni praesidio vacuam Gisiricus obtinuit occurrente sibi extra portas sancto Leone episcopo, cuius supplicatio ita cum deo agente lenivit, ut, cum omnia potestati ipsius essent tradita, ab igni tamen et caede atque suppliciis abstineretur. per quattuordecim igitur dies secura 10 et libera scrutatione omnibus opibus suis Roma vacuata est multaque milia captivorum, prout quique aut aetate aut arte placuerunt, cum regina et filiabus eius Carthaginem abducta sunt.

(1376) eodem anno pascha dominicum die VIII Kal. Mai. celebratum est pertinaci intentione Alexandrini episcopi, cui omnes Orientales con15 sentiendum putarunt, cum sanctus papa Leo XV Kal. Mai. potius observandum protestaretur, in quo nec in ratione plenilunii nec in primi mensis limite fuisset erratum. extant eiusdem papae epistolae ad clementissimum principem Marcianum datae, quibus ratio veritatis sollicite evidenterque patefacta est et quibus ecclesia catholica instrui potest, quod 20 haec persuasio studio unitatis et pacis tolerata sit potius quam probata, MY C (desinit in 1376,16 primi) LH D (deest 1376) V (1375) 1 adventum MY 2 habeundi licentia M : licentia abeundi H | bellet C | abscederet C : abscidere D 2 sq. septuagensimo Ma.c. 2 sq. septuagesimo – die MYLH : om. CD 3 regis C 4 hunc : tunc M 5 sq. captivitas : constat civitas C 6 Gisiricus : gesericus H : gesyricus M : ginsericus D : gensericus L : gensiricus C | post obtinuit add. iiii nonas iulias H 8 linivit D | potestati – tradita MY : potestati (-te D, -tis L) ipsius essent tradita sibi civitate (-tem C) CLHD | igne LD 9 igitur om. H | diei M 10 scrutationibus Da.c. 12 eius : suis Ha.c. | cartagine D | abducta YLH : abductae C : abducti D : adducta M 13 pascha dominicum : cum pascha domini H | VIII : xiiii H 14 Orientales : orientales episcopi Ha.c. 15 putaverunt L | cum MY : quam Ca.c. : quum Cp.c. : quod H : quamvis L XV : xlv (ut vid.) Ma.c. 16 sq. in1 – erratum MYH in primi (reliqua deficiunt extrema parte paginae vacante) C : om. L 17 extant : extant autem H 18 Marcianum : astianum H | veritatis : unitatis H 18 sq. sollicite a evidenterque MY : solidae evidenterque H : sollicitatae evidenter L 19 potest quod : pro qua H

Text und Übersetzung

139

Leute flohen aus Rom. Als er selbst – nachdem er allen anderen ebenfalls die Erlaubnis zum Flüchten gegeben hatte – am siebenundsiebzigsten Tag nach der Erlangung des Kaisertums gerade ängstlich davoneilen wollte, wurde er von den kaiserlichen Dienern zerrissen, stückweise in den Tiber geworfen und erhielt auch kein Begräbnis. Nach diesem Ende des Maximus folgte sogleich – vieler Tränen würdig – die römische Gefangenschaft, und Geiserich besetzte die schutzlose Stadt. Außerhalb der Tore trat ihm der heilige Bischof Leo entgegen, dessen Fürbitte durch Gottes Wirken Geiserich insoweit besänftigte, dass er sich immerhin von Brandschatzung, von Mord und auch von Foltern abhalten ließ, wenn alle Dinge seiner eigenen Gewalt ausgeliefert würden. Vierzehn Tage lang wurde Rom also infolge einer unbehelligten und ungehinderten Durchsuchung all seiner Reichtümer beraubt. Und viele tausend Gefangene, so wie sie jeweils entweder durch Jugend oder Kunstfertigkeit gefielen, wurden zusammen mit der Königin und ihren Töchtern nach Karthago weggeführt. (1376) Im selben Jahr wurde Ostern am 24. April gefeiert, wegen des starrsinnigen Beharrens des Bischofs von Alexandria, dem alle Orientalen meinten zustimmen zu müssen, obgleich der heilige Papst Leo verkündigte, dass eher der 17. April zu ehren sei, worin weder bei der Berechnung des Vollmondes noch bei der Abgrenzung des ersten Monats ein Irrtum lag. Es gibt Briefe desselben Papstes an den allergütigsten princeps Marcian, in denen die Berechnung der Wahrheit sorgfältig und einleuchtend dargelegt wurde und durch die die katholische Kirche unterwiesen werden kann, dass wegen des Strebens nach Einigkeit und Frieden diese Überzeugung (sc. der Orientalen) eher erduldet als aner-

140

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

numquam deinceps imitanda, ut, quae exitialem attulit offensionem, omnem in perpetuum perdat auctoritatem. MYLH 2 perdat LH : perdit Y : perdidit M | auctorem M

Text und Übersetzung

141

kannt wurde und in der Folge niemals nachzuahmen ist, so dass das, was verderblichen Anstoß herbeibrachte, für ewig alle Geltung verliere.

Kommentar Incipit Die abgedruckte lange Version des Titels ist im Codex A, der das Chronicon integrum bietet, überliefert. Mommsen hält diese Version für echt, weil nur der Autor selbst die drei Ergänzungen, die er der Hieronymus-Epitome hinzufügt, im Titel habe nennen können (Mommsen, Chron. min. 1,346 f.). Diese Ergänzungen sind die Nachreichung des Anfangs der Schöpfungsgeschichte (c. 1–28), die Konsulliste seit der Zeit der Passion und die Fortsetzung der Chronik vom Jahr 379 an bis zum Jahr 445 (in der 445er-Edition) (1166–1354). Dieses Argument für die Echtheit ist nicht zwingend, aber plausibel. Von den übrigen Hss., die die vollständige Chronik Prospers haben, bieten drei den Werktitel „Chronik“ und den Namen des Autors (Mommsen, Chron. min. 1,346): incipit chronica Prosperi M incipit chronica Prosperi Tyronis C chronica Prosperi Aquitanici et episcopi Regini Y Die lange Version von A steht auch im Parisinus 4871, aber mit der Abweichung, dass als Ende das Jahr 451 angegeben ist: in nomine patris et filii et spiritus sancti incipit epitoma de cronicis quibus et generationes ab Adam usque ad Abraham et passionem domini omnes consules et que consecuta sunt post finem Valentis usque consolatum Placidi Valentiniani Aug. et post Adelfi consolatum adiecimus. Eine Variante zum Titel in A findet sich in F am Ende (c. 1354) in Form einer Komputation (Mommsen, Chron. min. 1,346. 474): fiunt ab Adam usque in consulatum Theodosi iunioris XVIII et Valentiniani Placidiae filii iunioris sexies omnes anni nume V milia DCXLV. epitoma de chronicon = epitoma de (sc. libris) chronicon. epitome (epitoma als Nom. Sg. nur hier und Flor. epit. 1,1 [als Variante]) ist als griechisches Lehnwort seit Cicero in Gebrauch (ThLL s. v. 692,20–75). Griechisch chronicon bzw. chronica (Pl.) wird zuerst von Gellius auf das Werk des Cornelius Nepos angewandt (Gell. vierten Jahrhundert bezeichnet das Lehnwort nahezu exklusiv die christlichen Chroniken des Eusebius und Hieronymus, besonders da sie als Modelle für weitere Chroniken dienten, z. B. Aug. civ. 18,31; Hier. in

144

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Dan. 9,24; Greg. Tur. Franc. 1 praef. (ThLL s. v. chronicus, 1030,28–58; dazu Croke, Chronicles 296 f.). Bei chronicon im Titel handelt es sich um einen griechischen Genitiv Plural Neutrum (vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 61). Zu griechischen Werktiteln in der lateinischen Literatur: Schröder, Titel und Text. [M.B.] Das achtzehnte Konsulat des Theodosius II. fiel ins Jahr 444, das sechste Valentinians III. ins Jahr 445. Das Incipit, das auch die Mommsen-Ausgabe gibt, gehört damit zu der bis ins Jahr 445 reichenden Chronikausgabe, also zur zweiten sicher greifbaren Überarbeitungsstufe des Werks.1 Prosper weist im Incipit auf zwei zentrale Änderungen an seiner Vorlage, der Chronik des Hieronymus, hin. Die erste betrifft die Erweiterung der Eusebius-Hieronymus-Chronik2 nach vorne bis in die Zeit der Schöpfung hinein. Noch Eusebius hatte ganz in der Tradition christlicher Apologetik darauf gezielt, das hohe Alter der christlichen Religion zu belegen. Da Abraham innerhalb der alttestamentlichen Schriften als erste Person galt, die schlüssig in eine Chronologie der heidnischen Umwelt einzufügen war, setzte Prospers Vorlage konsequenterweise erst mit dem israelitischen Stammvater ein. Für das Werk Prospers standen solch apologetische Gedanken hingegen nicht mehr im Fokus. Dem Gallier ging es weniger um eine Apologie der christlichen Religion als um die Darstellung einer umfassenden und damit eben auch vorabrahamäischen Heilsgeschichte.3 Eine zweite Änderung der Vorlage betrifft den chronologischen Rahmen. Während für Eusebius-Hieronymus die Regierungszeiten verschiedener Herrscher das maßgebliche Ordnungsprinzip für die Geschichte darstellten, nutzt Prosper von der Passion des Herrn an eine Datierung nach Konsuln.4 Das Einsetzen seiner Konsulliste markiert gleichzeitig den Ausgangspunkt für eine parallel dazu verlaufende Passionsära, die einen Hin1

Daneben sind die Versionen von 433 und 455 sicher zu greifen, eine Version von 451 mit Muhlberger, Chroniclers 56 f. anzunehmen. Generell zu den verschiedenen Versionen der Chronik vgl. Einl. Kap. II.1. 2 Hieronymus hatte die Chronik des Eusebius übersetzt und bearbeitet. Diese Übersetzung bildet die Grundlage von Prospers Hieronymus-Epitome (Mommsen, Chron. min. 1, 385–460), die dann vom Jahr 378 bis ins Jahr 455 fortgesetzt wurde. 3 Verlängerung der Eusebius-Hieronymus-Chronik nach v ries, Chronicle 157 f. Zu Abraham als chronistischem Ausgangspunkt und zur Chronik des Eusebius-Hieronymus generell: Burgess/Kulikowski, Mosaics 110 f. 119–31. 4 Diese Wahl lag allein deshalb nahe, weil eine solche Datierungsmethode im Westen des Römischen Reichs üblich war: Burgess/Kulikowski, Mosaics 130.

Kommentar

145

weis auf eine zentrale theologische Grundposition Prospers gibt: Da für den auf die heilsnotwendige Gnade Gottes fixierten Augustinus-Anhänger die Heilsgeschichte im Opfertod Christi kulminieren musste, lässt Prosper seine heilsgeschichtliche Ära auch mit der Passion beginnen, und nicht etwa mit Jesu Geburt oder dem Beginn seiner Predigttätigkeit.1 Reste von Herrscherdatierungen finden sich bei Prosper nur in der fortlaufenden Angabe von Amtsdauern römischer Kaiser und in der fortlaufenden Zählung römischer Bischöfe.2 Da die Legitimität des theodosianischen Herrscherhauses und die herausgehobene Rolle der römischen Bischöfe in der Gesamtkirche die beiden maßgeblichen Orientierungsgrößen in seiner Darstellung sind, ist die Weiterführung gerade dieser beiden Herrscherlisten aus seiner Vorlage geradezu programmatisch für Prosper. [J.K.]

1166 ordinem … praecedentium annorum Umschreibung für „Chronik“, vgl. auch annorum series (Cassiod. chron. 1365) und consulum series (Iord. Rom. 388), dazu Einl. zu Cons. Const. (KFHist G 1). consecuta sint Zur Ausbreitung des Konjunktivs im Relativsatz als Phänomen des Spätlateins vgl. K.-St. 2,309 Anm. 17. [M.B.] Bei Hieronymus wäre zum Abschluss der Chronik an dieser Stelle eine Summierung der chronologischen Referenzdaten zu erwarten, in der Art, wie Prosper sie am Ende seiner ersten Chronikversion für das Jahr 433 bietet.3 Da Prosper aber direkt und sogar inmitten eines Berichtjahres an das Werk seines Vorgängers anschließt, ist die Summierung hier ausgefallen. Stattdessen werden Vorlage und Fortsetzung durch die erste von drei namentlichen Erwähnungen des Hieronymus verbunden. Hieronymus selbst hatte zu Beginn seiner Eusebius-Fortsetzung in ganz ähnlichen Worten auf dessen Werk hingewiesen.4 Da Prosper aber ansonsten keine seiner Quellen nennt 1

Vgl. in der Hieronymus-Epitome c. 390 mit 388. Zu den Folgen des Wechsels der Datierungsmethode zwischen Eusebius-Hieronymus und Prosper: Humphries, Chronicle 159. 2 Kaiserliste: c. 1167. 1184. 1198. 1207. 1235. 1283 (ohne A dauer). Liste römischer Bischöfe: c. 1182. 1212. 1223. 1260. 1270. 1281. 1309. 1341. 3 Vgl. c. 1312–18. 4 Hier. chron. a. 326,2 (Helm 231f): Huc usque historiam scribit Eusebius Pamphili martyris contubernalis. Cui nos ista subiecimus.

146

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

und die Hieronymus-Chronik auch vergleichsweise stark überarbeitet hat, ist die Nennung des Hieronymus keineswegs selbstverständlich. Indem der Gallier dadurch jedoch den Autor seiner Vorlage in den Inhalt seiner Fortsetzung integriert, unterstreicht er die Einheit der (Heils-) Geschichte: Zwar wechselt der Autor der Chronik, die beschriebene Geschichte bleibt aber die gleiche. Dementsprechend lässt sich zwischen den aus Eusebius-Hieronymus exzerpierten und den von Prosper hinzugefügten Teilen der Chronik kein Bruch in Stil und Methode erkennen, was jedoch hauptsächlich dadurch zu erklären ist, dass Prosper bis in die 420er Jahre hinein auf die Nutzung von Quellen angewiesen war. Da er diese Quellen, genau wie die Chronik des Hieronymus, überarbeitete, ähneln sich die Einträge vor und nach dem Jahr 378 nahezu zwangsläufig. Stilistische Veränderungen lassen sich erst ab der Berichtzeit greifen, für die Prosper als Zeitzeuge gelten kann. Ab den 420er Jahren fallen die Einträge der Chronik deutlich detailreicher aus.1 [J.K.]

1167 Kaiser Valens war am 9. August 378 in der Schlacht von Adrianopel ums Leben gekommen. Prosper beschreibt seinen Tod im letzten auf die Chronik des Hieronymus zurückgehenden Eintrag. Der in der Schlacht verwundete Kaiser sei in ein Haus gebracht worden, welches dann von feindlichen Goten niedergebrannt worden sei.2 Es verblieben damit zwei Kaiser: Gratian, der Neffe des Valens, der seit 367 im Amt war, und Valentinian II., dessen Halbbruder, der nach dem Tod des gemeinsamen Vaters Valentinian I. im Jahr 375 von dessen Truppen im Alter von nur vier Jahren ausgerufen worden war. Mit dem Tod des Valens war also Gratian der dienstälteste augustus. Diese Stellung innerhalb eines Kollegiums mehrerer Kaiser bildet für Prosper die Grundlage seiner an Eusebius-Hieronymus anschließenden 1

Zum Quellengebrauch Prospers generell: Einl. Kap. II.3. Mit ausreichender Sicherheit lässt sich im frühen Teil der Fortsetzung nur die Verwendung von Augustinusʼ De haeresibus (in c. 1171) und De civitate Dei (in 1201 und 1205) nachweisen. 2 Vgl. in der Hieronymus-Epitome c. 1165. Diese Version des Feuertodes findet sich auch bei Amm. 31,13,14; Oros. hist. 7,33,15; Soz. 6,40,3–5; Theod. Migrations 178 f. gibt zu bedenken, dass gerade für christliche Schriftsteller diesem Ende des „häretischen“ Kaisers im Feuer eine theologisch-didaktische Darstellungsabsicht zugrunde liegen könnte. Andere Quellen jedenfalls liefern abweichende Details zum Tod des Valens, z. B. Sokr. 4,38,7 (Tod im Gefecht).

Kommentar

147

fortlaufenden Zählung der römischen Kaiser und für die Angabe ihrer Herrschaftsjahre.1 Die Herrschaftsdauern werden dabei für gewöhnlich in Exklusivzählung angegeben, was ihre Summierung erleichtert, da sich in einer solchen Zählung einzelne Kalenderjahre nicht doppeln. Die diesbezüglich eigentlich fehlerhafte Angabe von sechs gemeinsamen Herrschaftsjahren für Gratian und Valentinian II. ist hier insofern korrekt, als Prosper den Tod Gratians fälschlicherweise in das Jahr 384 datiert.2 [J.K.]

[1168] Die vorliegende Nachricht über die Kaisererhebung des Theodosius, die nur in R überliefert ist, hat schon Mommsen als verdächtig gekennzeichnet. Sie ist Prosper abzusprechen. Der Amtsantritt des Theodosius wird hier ins Jahr 378 fehldatiert und im folgenden Jahr 379 (1170) chronologisch richtig berichtet. Es liegt also eine Doppelung der Aussage vor, die in [1168] nur den Zweck hat, die Ostertafel des Theophilos einzuführen, die zufällig mit dem Amtsantritt des Theodosius einsetzt. Dieses Motiv lässt sich auch für die parallele Notiz bei Hydatius feststellen (vgl. Komm. zu Cons. Const. 379,3 [KFHist G 1]). Der Text in der Handschrift R enthält neben africanischem Sondergut also möglicherweise auch Material aus spanischen Quellen, oder der Kompilator von R benutzte die Chronik des Hydatius selbst. [M.B.]

1170 comitis fügt die Hs. V dem Namen des Theodosius Senior hinzu. Dieser feierte als comes Erfolge in Britannien und bekleidete später auch das Amt des magister militum. Wenn Prosper selbst einen Amtstitel gesetzt hätte, um die militärischen Erfolge des Vaters des Kaisers zu unterstreichen, hätte er wahrscheinlich den ranghöheren Titel gewählt. Die militärische Rangbezeichnung deutet daher auf einen späteren Zusatz hin, der aus einer Zeit stammt, als der ältere Theodosius bereits besonders eingeordnet werden 1

Hierzu am deutlichsten c. 1207. Vgl. c. 1183. Zu den chronologischen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Regierungszeit Gratians in der Darstellung Prospers: Humphries, Chronicle 166–9. 2

148

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

musste, um ihn von seinem gleichnamigen Sohn auf irgendeine Weise unterscheiden zu können. [M.B.] Offensichtlich ist für Prosper die Erhebung des Theodosius die wichtigste Folge der Niederlage gegen die Goten bei Adrianopel 378, gelangte damit doch der Begründer einer neuen Dynastie ins Kaiseramt. Da Valentinian II. noch nicht annähernd volljährig war und die Goten nach der Niederlage des Valens den Balkanraum bedrohten, berief Gratian mit Theodosius einen erfahrenen Militär als magister militum ins Illyricum. Nach raschen Erfolgen dort wurde der General im Januar 379 schließlich von Gratian zum Mitherrscher befördert.1 Prosper legt bei seiner Beschreibung des Vorgangs darauf Wert, dass der neue Kaiser von Gratian nicht lediglich erhoben, sondern zum gleichberechtigten Teilhaber an der Herrschaft gemacht wird. Theodosius steht damit von Anfang an auf Augenhöhe mit seinem eigentlich ranghöheren Kollegen. Diese spezielle Art und Weise der Darstellung der Kaisererhebung ist mit Prospers Orientierung an der 433 noch herrschenden theodosianischen Dynastie zu erklären, der auch die Erwähnung des Vaters des neuen Kaisers geschuldet ist. Dieser ältere Theodosius war magister militum unter Valentinian I., wurde aber 376 unter dem Vorwurf des Hochverrats hingerichtet.2 Prosper präsentiert ihn fast sechzig Jahre später trotzdem als eine Art Stammvater der theodosianischen Dynastie, weshalb er auch die Umstände seines Sturzes nicht reflektiert. Vielleicht lief die Legitimität des jüngeren Theodosius als Kaiserkandidat aber bereits zeitgenössisch über den Ruhm seines Vaters, der immerhin Siege gegen Pikten, Sachsen, Franken und Alamannen errungen hatte.3 In seiner Bedeutung nicht zu stark aufladen hingegen sollte man den Befund, dass Prosper die gemeinsame Herrschaft über das ganze Reich mit imperium bezeichnet, während er die konkrete partikulare Herrschaft des Theodosius über die praefectura Orientis als regnum präsentiert. Bei Prosper, beziehungsweise bei Prospers Quelle, lässt sich vielmehr ein relativ klarer Reichsbegriff erkennen, der auf einer deutlichen Zusammengehörigkeit

1

Sivan, Theodosius legt nahe, dass der Übergang auf den neuen augustus keineswegs sonderlich glatt verlief. Umstritten ist insbesondere, ob Theodosius I. die Herrschaft zunächst usurpiert hatte. Vgl. zur Herrschaftsübernahme des Theodosius u. Policy 28 f. 62 f. 2 Vgl. Hier. chron. a. 376,1 (Helm 248c); Iord. Rom. 312; Oros. hist. 7,33,3. Für weitere Belege zum magister militum Theodosius: PLRE 1, 902–4 (Flavius Theodosius 3). 3 Vgl. Demandt, Magister militum 602.

Kommentar

149

der einzelnen Reichsteile bei einer zeitgleichen regionalen Kompetenzabtrennung der Kaiser aufbaute.1 [J.K.]

1171 Prosper schöpft seine Auskünfte zur priscillianischen Häresie (Herkunft des Priscillian und Vermischung der Lehre der Manichäer und der Gnostiker) aus Augustinus’ Schrift De haeresibus, und zwar aus dem Einleitungssatz des Kapitels zum Priscillianismus, vgl. Aug. haer. 70 (CCL 46, 333): Priscillianistae, quos in Hispania Priscillianus instituit, maxime Gnosticorum et Manichaeorum dogmata permixta sectantur. Im Vergleich zu den früheren Einträgen zu Häresien in der Hieronymus-Epitome hat Prosper hier die Darstellung gleichsam auf zwei Schlagwörter reduziert (vgl. philol. Komm. zu c. 1252). condit Die Bedeutung „begründen, stiften“ stammt aus dem Kontext der Städte-, Stammes- und Staatsgründungen, übertragen auf philosophische Schulen und Häresien auch Plin. nat. 7,124 condita nova secta; Aug. civ. 8,12; 9,4; Hier. epist. 133,4 heresim; Aug. civ. 5,18; 15,20 diversas haereses; Prosp. chron. 1129 haeresim (vgl. ThLL s. v. 153,31–33). [M.B.] Die Einführung der priscillianischen Häresie bei Prosper weist zwar deutliche Parallelen zu Aug. haer. 70 auf, die Wertung seiner Lehre als „manichäisch“ und „gnostisch“ deckt sich aber auch mit der allgemeinen zeitgenössischen antipriscillianischen Polemik.2 Demgegenüber gesteht Prosper Priscillian zumindest eine „eigene“ Häresie zu, wohl auch, weil diese in ihrem Fokus auf mystische Gedanken und strikte Askese im weitesten Sinne als Wegbegleiterin des von Prosper bekämpften Pelagianismus gelten kann.3 Dass es sich bei der Lehre Priscillians um eine Häresie handelt, steht für den Chronisten außer Frage und zeigt sich strukturell in ihrer konkreten „Be1

Zur Terminologie eines unter Waltung mehrerer Kaiser stehenden Reichs vgl. Pabst, Divisio regni 171–88. 2 Vgl. u. a. Priscill. tract. 2,50; Filastr. 84; Chron. Gall. (452) chäismus auch: Burrus, Making 47–78; Decret, LʼAfrique 133. 3 Zur theologischen Orientierung Prospers vgl. Einl. Kap. I. Darüber hinaus mag man zumindest für den frühen Prosper auch ein gewisses Interesse an den kirchenpolitischen Entwicklungen seiner Heimat annehmen. Vgl. die Andeutung in c. 1193.

150

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

gründung“ durch den Häresiarchen. Im kirchlichen Denken, das die „Orthodoxie“ direkt auf die Vermittlung durch die Apostel und damit auf Christus selbst zurückführte, mussten legitime Lehrmeinungen als heilsgeschichtlich stabil gelten. Im Gegensatz dazu erwies sich eine Häresie durch ihren klar benennbaren Beginn in der Geschichte als unbotmäßige Neuerung. Indem Prosper deutlich darauf hinweist, dass Priscillian eine Lehre nominis sui gleichsam erfunden habe, wird diese Lehre als nicht überzeitlich und damit als Häresie entlarvt.1 Der gleiche Mechanismus wird sich in der Chronik auch bei anderen Häresiebeschreibungen finden, unter anderem bei Pelagius, Nestorios oder dem Eutychianismus.2 Im Hinblick auf die unmittelbar zuvor in die Chronik eingeführte theodosianische Dynastie fällt ein Detail in der Beschreibung Priscillians ins Auge: Der Häretiker stammte wie Theodosius aus Spanien.3 Zwar wird die Herkunft des Kaisers durch Prosper nicht explizit erwähnt, sie dürfte den Zeitgenossen aber bekannt gewesen sein. Während nun der eine Spanier, Priscillian, eine illegitime Neuerung in die Kirche einzuführen versuchte und zu diesem Zweck sogar an einen illegitimen Kaiser appellieren und dadurch den Tod finden sollte, setzte sich der andere Spanier, Theodosius, letztlich gegen alle illegitimen Rivalen durch. Im Scheitern Priscillians und seiner unlauteren Anliegen spiegelt sich also letztlich die Legitimität des theodosianischen Hauses. [J.K.]

1173 Die positive Würdigung des Ambrosius ist nicht überraschend. Der Bischof von Mailand galt als einer der bedeutendsten westlichen Bischöfe. Als solcher hatte er sich – auch wenn Prosper ihn hier in erster Linie als Schriftsteller rühmt – durch seine strikte Wendung gegen homöische Angriffe auf den nizänisch-orthodoxen Glauben hervorgetan. Selbst vor Konfrontationen mit dem Kaiserhaus schreckte er dabei nicht zurück.4 Daneben beeinflusste 1

Vgl. hierzu Kötter, Stability 40 f.; Kötter, Kaiser und Apostel 27 f. Ähnliche Argumentationsfiguren fanden sich freilich auf allen Seiten des dogmatischen Spektrums und waren ein gängiges Mittel theologischer Diskussion in der Spätantike. 2 Vgl. c. 1252. 1297. 1358. 3 Zur Herkunft des Kaisers vgl. u. a. Hyd. chron. 2; Paneg. 2 (12), 4,2; Zos. 4,24,4. 4 Zentral für das Wirken des Ambrosius gegen den Arianismus ist seine Schrift de fide ad Gratianum. In der Darstellung Prospers fällt auf, dass der „Arianismus“, im Gegensatz z. B.

Kommentar

151

er auch Augustinus von Hippo, den prominentesten Vertreter der von Prosper verteidigten Gnadenlehre.1 Die Stelle der Einführung des Ambrosius in unmittelbarer Nähe zur Erwähnung des Priscillian (c. 1171) und des Martinus von Tours (1175) ist bei alldem nicht zufällig gewählt: Dass es gerade Ambrosius und Martinus sein werden, die die spätere Exekution des Priscillian scharf kritisierten, deutet bereits an, dass auch Prosper selbst dem Urteil gegen den Häretiker kritisch gegenüberstand.2 Darüber hinaus bot es sich für den Chronisten an, ein ansonsten berichtleeres Jahr durch eine eher allgemeine Notiz über einen allgemein geachteten Bischof zu füllen. [J.K.]

1175 {multis} Das in den meisten Hss. überlieferte multis ist zwar verständlich – es ist etwa an einen Dativus iudicantis zu denken –, aber höchst ungewöhnlich, weil dieser Dativ durch keine Parallele gedeckt ist. Nirgends findet sich bei der Formel clarus habetur in der Chronik des Hieronymus bzw. des Prosper eine Einschränkung der Aussage in dieser Form. Das Lob des Hieronymus als toto iam mundo clarus (1186) ist nicht vergleichbar, da toto mundo hier der sonst üblichen Ortsangabe entspricht und sie übersteigert. multis ist aber nicht nur inhaltlich problematisch, sondern auch syntaktisch vage. Der doppeldeutige Sinn „durch vieles“ oder „für viele“ spiegelt sich in den überlieferten Lesarten in multis (HB) und a multis (A). Die Hs. Z ergänzt das inhaltlich passende, aber grammatisch unmögliche miraculorum. Diese Variante wird gestützt durch eine Notiz, die Isidor wohl in Anlehnung an Prospers Eintrag zu Martinus von Tours formuliert: Martinus episcopus Turonorum Galliae civitatis multis miraculorum signis effulsit (Isid. chron. 355). Mommsen übernimmt daher die Version Isidors und ergänzt miraculorum signis im Text, wobei er nicht ausschließt, dass es sich dabei um eine Konjektur des Spaniers handelt (vgl. zur Zusammenstellung von signa und miracula z. B. Hier. in Is. 63,7; die Junktur gibt auch Aug.

zu Chron. Gall. (452) (hier c. nymus-Epitome widmet sich kurz der Häresie: c. 1010. 1 So zumindest c. 1204. Der theologische Einfluss des Ambrosius auf Augustinus sollte jedoch nicht überschätzt werden. Vgl. Komm. zu c. 1204. 2 Vgl. hierzu Komm. zu c. 1187. 1193.

152

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

civ. 22,7 [ThLL s. v. miraculum 1055,86–88]). Labbé wandelt den Wortlaut bei Isidor ab und konjiziert multis miraculis. Für die Konjekturen der früheren Herausgeber spricht, dass Prosper auch sonst im Eigenteil der Chronik mehr oder weniger explizit den Grund für die Bekanntheit einer vorgestellten Person angibt. Der Bischof Ambrosius wird unmittelbar zuvor als Lehrer und Kämpfer für den orthodoxen Glauben eingeführt, vgl. c. 1173 Ambrosius episcopus multa pro catholica fide sublimiter scribit. Vgl. auch c. 1186 hoc tempore Hieronymus presbyter in Bethleem, toto iam mundo clarus, habitabat egregio ingenio et studio universae ecclesiae serviens; 1204 Augustinus beati Ambrosii discipulus multa facundia doctrinaque excellens Hippone in Africa episcopus ordinatur und 1337, eine vielleicht interpolierte Notiz zum Goten Vitericus. Dieselbe Ausführlichkeit des Eintrags könnte man auch hier erwarten. Der unmittelbare Vergleich mit dem Lob des Ambrosius scheint es sogar zu verlangen, dass auch die Großtat des Bischofs Martinus genannt wird. Dass es nämlich eine Tradition gab, diese beiden Kirchenmänner zusammenzustellen, zeigt der Eintrag zum Jahr 382 in der Chronik des Hydatius, vgl. Hyd. chron. 8 (Mommsen) Ambrosius in Italia Mediolani episcopus, Martinus in Gallis Turonis episcopus et vitae meritis et patratis miraculis virtutum habentur insignes. Die Erwähnung der miracula bei Hydatius könnte als weiteres Indiz für die Richtigkeit der Konjekturen gewertet werden, auch wenn die Existenz einer gemeinsamen Quelle der beiden Chroniken nicht belegt ist. Allerdings lässt gerade die Nähe zum Ambrosius-Eintrag auch einen anderen Schluss zu: Möglich ist nämlich auch, dass der Bischof von Tours tatsächlich lediglich durch die Formel clarus habetur („berühmt war damals…“) eingeführt wurde. Diese formelhafte Einführung findet sich in Hieronymus’ Chronik häufig in verschiedenen stilistischen Variationen. Am nächsten kommt ihr im Eigenteil Prospers der – allerdings nicht gänzlich unverdächtige – Eintrag zu Claudianus, vgl. 1205 hoc tempore Claudianus poeta insignis innotuit, vgl. aber auch 1201 Iohannes monachus anachorita clarus habetur, qui … Vermutlich lautet der ursprüngliche Text an der vorliegenden Stelle also tatsächlich nur: Martinus episcopus Turinorum Galliae civitatis clarus habetur, und das überlieferte multis beruht auf einem ungeschickten Versuch eines späteren Schreibers, analog zum Neutrum Plural multa in 1173, die Leistung des Martinus von Tours anzugeben. multis ist daher als interpoliert zu tilgen. Ein anderer pers, Cassiodor, der auch sonst eine größere Nähe zu Prosper aufweist als Isidor, bietet mit seiner Variante hierzu eine Bestätigung, vgl. Cassiod. chron. 1136 his conss. Martinus episcopus Turonum Galliae civitatis clarus

Kommentar

153

habetur. Die Lesart in Z muss dann als Reflex einer Konjektur Isidors gewertet werden. clarus habetur i. q. clarus est (zum Ersatz der Formen von esse durch haberi vgl. ThLL s. v. 2458,83–2459,56, besonders Z. 14–22). Die Junktur gehört seit Hieronymus zum Chronikstil, vgl. c. 76. 108. 111. 186. 298. 513. 807 u. ö. in der Hieronymus-Epitome. Im Fortsetzungsteil der Chronik vgl. noch 1201. 1337 clarus habebatur und 1220 sancti habentur. Die Formel clarus habetur dient Hieronymus und Prosper dazu, die Existenz berühmter Persönlichkeiten, insbesondere des kirchlichen und kulturellen Lebens, zu vermerken: Schriftsteller, Philosophen, Priester und Bischöfe, deren Leben und Wirken als chronologische Marker fungieren können. In der Regel werden auch Angaben zum Ort des Wirkens gemacht, vgl. c. 807 hoc tempore Origenes Alexandriae clarus videbatur. Zur näheren Charakterisierung der Leistung genügt dann die Apposition des „Berufes“, vgl. z. B. c. 186 hoc tempore Pythagoras philosophus clarus habebatur; 513 Quintilianus rhetor Calagurritanus Romae clarus habetur. Als Variationen der Formel finden sich illustris, insignis est / habetur, extitit, claruit, im Prosper gehörenden Teil der Chronik noch insignis innotuit (1205). [M.B.] Nach Hieronymus und Ambrosius beschließt Martinus von Tours Prospers Reihe kirchlicher viri illustres des späten vierten Jahrhunderts. Bereits gegen Mitte der 430er Jahre dürfte die Verehrung einer angeblichen Wundertätigkeit des Bischofs eingesetzt haben, stammt doch die zeitgenössisch populäre Martinus-Vita des Sulpicius Severus aus eben dieser Zeit. Die konkrete Stelle der Erwähnung des Bischofs von Tours stellt diesen dabei in einen engen Zusammenhang mit Priscillian (c. 1171) einerseits und Ambrosius (1173) andererseits, womit Prosper auf die späteren Streitigkeiten bezüglich des Todesurteils gegen Priscillian hindeutet, welches von den beiden orthodoxen Kirchenmännern kritisiert werden sollte.1 Dass der Chronist sein Berichtjahr 381 also mit der Erwähnung eines führenden gallischen Bischofs füllt, hat kompositorische Gründe. Auffällig ist an dieser Stelle lediglich, dass Prosper das zweite ökumenische Konzil von Konstantinopel übergeht, welches ebenfalls in diesem Jahr stattfand. Dieses Konzil spielte im theologischen Diskurs der Spätantike bis zum Beginn des sechsten Jahrhunderts aber insgesamt eine nur untergeordnete Rolle. Gerade die römische Kirche gegenüber den Entscheidungen dieses Konzils, welches in seinem dritten 1

Vgl. zu dieser Kritik insbesondere Komm. zu c. 1187.

154

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Kanon erstmals eine Rangerhöhung des Bischofs von Konstantinopel vorgenommen hatte.1 Diese Vorbehalte scheint sich Prosper in seiner engen Orientierung am römischen Papsttum zu Eigen gemacht zu haben. Eine analoge Zurückhaltung legt der Chronist dann ja später bei seiner Berichterstattung zum Konzil von Chalcedon 451 an den Tag.2 [J.K.]

1177 Der Eintrag gehört zu den in einigen Hss. am Rand überlieferten Notizen, die auch ursprünglich als Marginalnotiz konzipiert waren (Einl. Kap. IV.4). Die brevitas des Chronikstils korrespondiert hier mit der inhaltlichen Nähe zu Einträgen in den Consularia Constantinopolitana und in der Chronik des Hydatius, vgl. Cons. Const. 381 his conss. ingressus est Aithanaricus rex Gothorum Constantinopolim die III Id. Ian. eodem mense diem functus idem Aithanaricus VIII Kal. Febr.; Hyd. chron. 6 Aithanaricus rex Gothorum aput Constantinopolim XV die, ex quo a Theodosio fuerat susceptus, interiit. Aufgrund der Übereinstimmungen hält Muhlberger, Chroniclers 75 es für möglich, dass die Consularia Constantinopolitana und die Fasti Vindobonenses Prosper mittelbar als Vorlage dienten (vgl. auch Burgess, Chronicle of Hydatius 188. 195). Es sind nicht die Abweichungen im Wortlaut, die dagegen sprechen, dass die Consularia Constantinopolitana Prosper und Hydatius als beiden gemeinsame Quelle vorgelegen haben können (so Humphries, Chronicle 162). Stilistische Veränderungen des reduzierten, parataktischen Stils der Consularia kann man sogar erwarten. Aber es ist unwahrscheinlich, dass beide Autoren unabhängig voneinander den Eintrag der Consularia so umschrieben, dass statt der Tagesdaten der Zeitraum von fünfzehn Tagen angegeben wird. quinto decimo die quam Vor quam fehlt hier post wie häufig im Spätlatein (vgl. K.-St. 2,355 Anm. 1). [M.B.]

1

Kanon 3 von Konstantinopel (381): COD 28,14–20. Römische Reaktion auf die Beschlüsse: Decret. Gelas. 3, wo Papst Damasus die Leitung der die petrinischen Kirchen von Rom, Alexandria und Antiochia betont. Zur Zuschreibung des entsprechenden Kapitels des Decretum Gelasianum an Damasus: Caspar, Papsttum 247 f.; Schwartz, Decretum Gelasianum 164–6. 168. 2 Vgl. c. 1362. 1369, jeweils mit Komm.

Kommentar

155

Athanarich war als König der gotischen Terwingen nicht an der Schlacht von Adrianopel beteiligt, da er bereits zuvor in einem internen Machtkampf seinem Rivalen Fritigern unterlegen war. Es dürften ähnliche interne Rivalitäten gewesen sein, die den Goten im Januar 381 – nicht 382 – nach Konstantinopel führten, wo er sich dementsprechend als Flüchtling aufhielt. Einzelne Quellen, die Athanarichs Aufenthalt in Zusammenhang mit den Verhandlungen über das noch 382 geschlossene foedus zwischen Ostrom und den Goten bringen, überschätzen daher die Bedeutung des Königs, zumal dieser bereits unmittelbar nach seiner Ankunft in Konstantinopel starb.1 Ob Athanarich wirklich ermordet wurde, ist unklar. Muhlberger führt diese Version der Chronik auf spätere antigotische Polemiken zurück.2 Auch die Consularia Constantinopolitana, die eine substantielle Ähnlichkeit zum Eintrag Prospers aufweisen, sprechen lediglich unspezifisch vom Tod des Athanarich.3 Zumindest scheint ausgeschlossen, dass ein angeblicher Mord von römischer Seite ausging, immerhin war Athanarich von Theodosius I. mit allen Ehren empfangen worden und erhielt dann auch ein entsprechendes Begräbnis.4 Vielleicht lässt Prosper den Gotenkönig nur wegen dessen Rolle als Christenverfolger eines gewaltsamen Todes sterben. Eine entsprechende Information hat der Chronist aus Hieronymus in seine Hieronymus-Epitome übernommen.5 [J.K.]

1

Vgl. Heather, Goths 154; Wolfram, Goten 81–3. Den unmittelbaren Tod des Goten bezeugen neben Prosper Amm. 27,5,10 und Them. or. 15,190 f., in ihrer Folge auch Zos. 4,34,4. Einen Zusammenhang zum foedus konstruieren Iord. Get. 142 f.; Oros. hist. 7,34,6 f.; Zos. 4,34,4 f. (implizit). Generell zu Athanarich: Faber, Athanarich 158–63; Wolfram, Goten 68– 83; PLRE 1, 120 f. (Athanaricus). 2 Muhlberger, Chroniclers 87 Anm. 80. 3 Cons. Const. 381,1 f. Ähnlichkeiten zu Prospers Bericht finden sich darüber hinaus in Hyd. chron. 6. Die Wortwahl bei Hydatius deute mit Humphries, Chronicle 162 auf eine gemeinsame Quelle, die aufgrund der Unterschiede zu den Consularia Constantinopolitana a zu c. 1191 im Vergleich zu Cons. Const. 388,2 gestützt. 4 Iord. Get. 144; Zos. 4,34,4 f. 5 Vgl. c. 1140. Vgl. auch Oros. hist. 7,32,9. Generell zur Athanarich-Episode: Heather, Goths 177 f.; Wolfram, Gotische Studien 114–24.

156

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1178 Im Westen des Reichs amtierte bis März 383 Kaiser Theodosius in seinem zweiten Konsulat. Erst dann ersetzte ihn Saturninus.1 [J.K.]

1179 Die Kaisererhebung des erst fünfjährigen Arcadius stand im unmittelbaren Zusammenhang mit der Usurpation des Magnus Maximus, die Prosper freilich erst für das Jahr 384 erwähnt. In der durch den Tod Gratians hervorgerufenen Herrschaftskrise diente Theodosius die Erhebung seines ältesten Sohns zum Mitregenten als Mittel der Herrschaftsstabilisierung und der Dynastiesicherung. Der Kaiser konnte dadurch unmittelbar deutlich machen, dass er langfristig nicht bereit war, die Herrschaftsansprüche des Maximus zu billigen.2 Die spätere Kaisererhebung des zweiten Theodosius-Sohns Honorius war einer ähnlichen Situation geschuldet. Kurzfristig war der Kaiser nichtsdestotrotz gezwungen, den faktischen Herrscher im Westen anzuerkennen.3 Dieser Umstand kann der Grund sein, wieso die Maximus-Usurpation bei Prosper vergleichsweise wenig ausführlich behandelt wird. [J.K.]

1180 Im Westen hatte der Usurpator Magnus Maximus das Konsulat des Jahres 384 für sich beansprucht.4 Diesem Anspruch des bald gescheiterten – und damit illegitimen – Kaisers konnte und wollte Prosper fünfzig Jahre später nicht mehr folgen, gerade auch angesichts seiner legitimistischen Orientierung an der theodosianischen Dynastie. [J.K.]

1

Vgl. Bagnall, Consuls 300 f. (a. 383). Entsprechend hält Bagnall, Consuls 5 fest, dass auch die Konsulate des Theodosius 388 und 394 als „political gestures to advertise his repudiation of by western usurpers“ gelten müssten. 3 Humphries, Chronicle 166. Vgl. das Konsulat des praefectus praetorio des Maximus, Evodius: c. 1188. Ausführliche Belege: S. 158 Anm. 4. 4 Vgl. Bagnall, Consuls 302 (a. 384). 2

Kommentar

157

1181 Die Angabe über die Geburt des Honorius fehlt im Codex M. Wenn sie nicht einer systematischen Kürzung zum Opfer gefallen ist (vgl. Einl. Kap. IV.4), kann auch ein bloßer Fehler des Abschreibers zugrunde liegen. [M.B.]

1182 Neben der Liste der römischen Kaiser führt Prosper als zweites Relikt einer ursprünglich von Hieronymus verwendeten Herrscherdatierung dessen Liste der römischen Bischöfe fort, im Gegensatz zu Hieronymus allerdings ohne die Angabe jeweiliger Amtsdauern. Die Liste der Päpste ist dabei vollständig, was keineswegs selbstverständlich ist. So kommt es bei Prospers Zeitgenossen, dem anonymen gallischen Chronisten von 452, in der Folge von Hieronymus beispielsweise unmittelbar zu erheblichen Auslassungen in der Sequenz der Pontifikate.1 Die Erfassung wichtiger Bischöfe an sich ist typisch für die spätantike Chronistik insgesamt. Schon Hieronymus gibt neben einer Eusebius folgenden durchgehenden Erwähnung von Erhebungen auf die apostolischen Sitze von Rom, Alexandria, Antiochia und Jerusalem auch einzelne kirchenpolitisch bedeutende Provinzbischöfe an.2 Dass sich Prosper demgegenüber ausschließlich den römischen Päpsten widmet, nicht aber den Bischöfen anderer großer Kirchen des Reichs, entspricht seiner auch sonst zu beobachtenden Orientierung an der römischen Kirche, der er eine zentrale Rolle für die Häresieabwehr zuspricht. Der sich in der Bischofsliste spiegelnden geschlossenen Sukzessionskette römischer Bischöfe kommt damit für Prosper eine wichtige Bedeutung zu: In der ungebrochenen Abfolge der Pontifikate von Petrus an bis in die Gegenwart verbürgt die römische Kirche die Überlieferung der reinen, ursprünglichen apostolischen Lehre.3 [J.K.] 1

So erscheint Leo in Chron. Gall. (452) 122 als 40. Papst, nicht wie bei Prosper als 43.: c. 1341. Als 35. Bischof gilt in Folge von Hieronymus beiden Chronisten Damasus: Hier. chron. a. 366,3 (Helm 244/5e). In Hieronymusʼ Liste wiederum fehlt lediglich das Pontifikat des Marcellus (308/9). 2 Einige finden auch Aufnahme in die Hieronymus-Epitome von Smyrna (c. 550), Irenaeus von Lyon (710) oder Eusebius von Vercelli (1141). 3 Eine ähnliche Verknüpfung von Sukzession und Orthodoxie findet sich bereits bei Irenaeus von Lyon, der am Ende des zweiten Jahrhunderts die erste römische Bischofsliste überliefert: Iren. adv. haer. 3,3,3.

158

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1183 Dass es sich bei c. 1183 um den ersten längeren Eintrag der Chronikfortsetzung handelt, bedeutet nicht gleichzeitig auch, dass Prosper ein größeres Interesse an der Maximus-Usurpation gehabt hätte. Einzelheiten der ereignisreichen Herrschaft des Usurpators werden in der Folge von der Chronik kaum berührt, sodass die Signifikanz der Episode für Prosper in erster Linie in ihren dynastischen und kirchenpolitischen Implikationen begründet liegt.1 Gratian war dem Usurpator bei dessen Übertritt nach Gallien entgegengeeilt. Als es bei Paris zur Schlacht kam, liefen Gratians Truppen unter der Führung des Merobaudes zu Maximus über.2 Gratian blieb nur die Flucht, auf der er am 25. August 383 in Lyon erschlagen wurde.3 Theodosius erkannte den Usurpator, der sich vielleicht sogar auf eine Verwandtschaft zu ihm berief, daraufhin zunächst an.4 Dass Theodosius aber zugleich seinen Sohn Arcadius zum augustus erhob, während Maximus seinerseits seinen Sohn Victor zum caesar ernannte, deutete bereits an, dass diese Situation gegenseitiger Anerkennung von beiden Kaisern als Provisorium aufgefasst wurde. Für Prosper jedenfalls ist die Frage nach der Legitimität des Usurpators klar entschieden: In seiner Orientierung am theodosianischen Herrscherhaus

1

So auch Muhlberger, Chroniclers 89. Dynastisch gingen mit der Usurpation der Tod Gratians und die Erhebung des Arcadius (c. 1179), kirchenpolitisch die Hinrichtung Priscillians (1187) einher. Nähere Beschreibung der Herrschaft des vormaligen comes Britanniarum: Matthews, Aristocracies 173–82; Lunn-Rockliffe, Commemorating 324–32. 2 Laut Demandt, Magister militum 598 f. seien mit Paneg. 2 (12), 28,4 f. nur die Truppen des Merobaudes zu Maximus übergelaufen, während dieser selbst Gratian treu geblieben und daraufhin vom Usurpator zum Selbstmord gezwungen worden sei. Dagegen Enßlin, Merobaudes 1039. Rodgers, Merobaudes 97–105 meint, Merobaudes habe Maximus unterstützt und sich erst das Leben genommen, als sich das Verhältnis des Usurpators zu Kaiser Theodosius verschlechterte. Zu Merobaudes auch: PLRE 1, 598 f. (Flavius Merobaudes 2); Reimitz, Merobaudes. 3 Zur Fehldatierung des Gratian-Todes durch Prosper in Ausführlichkeit: Humphries, Chronicle v. a. 164–9. 4 Stellung des Theodosius zum Usurpator: Baldus, Theodosius 176. 189–91. Die Anerkennung wird u. a. ersichtlich an der Anerkennung des Konsul für 386: Cod. Theod. 2,33,2. 3,4,1. 8,5,48. 9,44,1. 12,6,21. Vgl. ferner Zos. 4,37, 2 f. Kienast, Kaisertabelle 342 datiert die Anerkennung im Osten, gestützt auf AE 1985, 345, auf spätestens Anfang 384. Hinweise auf eine angebliche Verwandtschaft des Maximus mit Theodosius: Paneg. 2 (12), 24,1. 43,6.

Kommentar

159

wird die faktische Anerkennung des Maximus von der Chronik mit keiner Silbe erwähnt.1 [J.K.]

1184 Valentinian war bereits im Jahr 375 zum augustus erhoben worden, Theodosius seinerseits seit 379 im Amt. Eine Zählung aller gemeinsamen Herrschaftsjahre beider Kaiser bis zum Tod Valentinians im Jahr 392 würde damit eine Dauer von 13 Jahren ergeben. Es geht Prosper in der Angabe von Herrschaftsjahren aber nicht um die gemeinsame Regierung beider Kaiser an sich, sondern um die Herrschaftsdauer Valentinians als ranghöchster augustus, die er nun einmal nach dem Tod des Gratian vollständig zusammen mit seinem Mitkaiser Theodosius bestritt. Dementsprechend beginnt die Zählung der Amtsdauer Valentinians eben nicht 375, sondern erst im Jahr 384, nachdem sein älterer Halbbruder Gratian gestorben war, der noch vor ihm in die Herrschaft gelangt war. Mit dem Tod Gratians stieg Valentinian II. dann zum dienstältesten Kaiser auf und die Zählung seiner „eigenständigen“ Regierungsjahre beginnt.2 Dass Magnus Maximus zugleich überhaupt keine Erwähnung in diesem Eintrag findet, zeigt, dass aus Prospers Sicht nach dem Tod Gratians als legitime Kaiser nur Valentinian im Westen und Theodosius im Osten verblieben waren. Die kurzzeitige Anerkennung des Usurpators durch seine Rivalen übergeht die Chronik. [J.K.]

1186 Hieronymus hielt sich ab 385 im Heiligen Land auf, um einige Bücher des Alten Testaments zu übersetzen. Prospers Hinweis auf den Dienst, den sein literarischer Vorgänger der Kirche erwiesen hätte, muss sich dabei aber nicht konkret auf diese Übersetzungstätigkeit beziehen. Zu denken wäre auch an die Rolle des Hieronymus in der Abwehr des Pelagianismus: Nach dem Ausweichen des Pelagius in den Osten hatte sich Bischof Augustinus

1

Mit der Benennung des Maximus als imperator ist an der vorliegenden Stelle jedenfalls keine klare Aussage über die Rechtmäßigkeit des faktischen Herrschers getroffen. 2 Zur Orientierung an den jeweils ranghöchsten augusti in der Abfolge der Kaiser vgl. insbesondere Komm. zu c. 1207.

160

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

im Jahr 415 an Hieronymus gewandt, um auch dort eine Verurteilung des Häretikers zu befördern.1 Zwar hätte der erwähnte „Dienst an der Kirche“ damit erst dreißig Jahre nach dem Berichtjahr stattgefunden; allerdings spricht Prosper keineswegs davon, dass Hieronymus nur im betrachteten Jahr zum Wohl der Kirche gewirkt hätte. [J.K.]

1187 Es ist richtig, dass Priscillian seine provocatio an Maximus richtete, aber die Bezeichnung des Usurpators als imperator irritiert hier, trotz des Berichts in 1183 (vgl. dagegen 1191 Maximus tyrannus). In den Hss. M und Y fehlt der Name Maximum. Vielleicht tilgte Prosper in seiner revidierten Fassung den Namen, um im Zusammenhang mit dem Kaisertitel keine Legitimität des Maximus anklingen zu lassen. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen in einigen Hss. erhaltenen erklärenden Zusatz, der sich aus dem folgenden Bericht (Todesurteil durch Maximus) ergibt. Ergo delendum est. damnandum se Das Gerundivum kann im Spätlatein im rein futurischen Sinn gebraucht werden, und zwar zur Umschreibung des Futur Passivs (K.-St. 1,733 f.). ob impietatis pertinaciam Zu impietas Komm. zu 1297. pertinacia im christlichen Kontext von der Haltung der Häretiker auch Cypr. epist. 45, 1,2; Aug. civ. 6 praef. u. ö. (ThLL s. v. Sp. 1790,61–74). per seditionem per hat hier kausale Bedeutung, also „aufgrund / infolge des Aufruhrs“ (K.-St. 1,557 γ). [M.B.] Der Streit um die Lehren des Priscillian hatte seit Mitte der 370er Jahre Spanien und das südliche Gallien in Unruhe versetzt. Nachdem sich die Priscillianer zunächst der Unterstützung aus dem Umfeld Gratians hatten versichern können, gewannen ihre Gegner mit der Usurpation des Maximus die Oberhand und beriefen 384 ein Konzil nach Bordeaux. Kurz darauf wandten sich dann beide Seiten an Maximus, der seine Residenz in Trier genommen hatte.2 Hier kam es nun wegen des Vorwurfs des Manichäismus zum Prozess 1

Vgl. Aug. epist. 166 f die Motivation Prospers gelegen haben, Hieronymus fortzusetzen. Allgemein zum Leben des Hieronymus: Rebenich, Jerome 3–59. 2 Zur frühen Phase des priscillianischen Streits: Chadwick, Priscillian 1–56, Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 12–4. Speziell zur politischen Unterstützung der Priscillianer bis

Kommentar

161

gegen Priscillian, in dem als Ankläger unter anderem Hydatius von Mérida, Itacius von Ossonuba und Britto von Trier auftraten. Da dem Usurpator in seiner prekären Legitimation an der Unterstützung des gallischen Klerus gelegen sein musste, fällte er gegen Priscillian und einige seiner Anhänger das Todesurteil.1 Priscillian wurde dadurch zum ersten staatlicherseits hingerichteten Häretiker. Ob des harschen kaiserlichen Vorgehens kam es aber rasch zu Spannungen innerhalb des Episkopats. Prominente Bischöfe wie Martinus von Tours, Ambrosius von Mailand und Siricius von Rom protestierten gegen das kaiserliche Todesurteil, freilich ohne die Verdammung der Lehre Priscillians an sich in Zweifel zu ziehen.2 Auch Prosper stand dem Vorgehen mit Vorbehalten gegenüber, wie seine Nachricht über die spätere Verdammung der Bischöfe Itacius und Ursacius zeigt.3 Diese ambivalente Stellung Prospers zu den Geschehnissen wird implizit auch in der Episode um den Lynchmord an Urbica deutlich. Zwar steht der Chronist kaum in Verdacht, Sympathien für die von ihm deutlich als Häresie gebrandmarkte Lehre des Priscillian zu hegen; sprachlich distanziert er sich aber deutlich vom vulgus in Bordeaux. Zwar handelt die Masse aus orthodoxen Motiven heraus, nichtsdestotrotz bewertet Prosper ihre Tat als seditio. Eine eben solche hatte in c. 1183 zur Usurpation des Maximus geführt, der seinerseits nun für die umstrittenen Todesurteile von Trier verantwortlich war. [J.K.]

1188 Der Theodosius-Sohn Honorius war im Jahr 386 erst zwei Jahre alt. Die Determination des Konsuls als nobilissimus puer spiegelt Prospers Konzentration auf die theodosianische Dynastie. Aus dieser Konzentration heraus gibt der Chronist auch keinen Hinweis darauf, dass der Mitkonsul des Honorius, der praefectus praetorio Galliarum Evodius, als Kandidat des Usurpators Magnus Maximus zu gelten hat. [J.K.] 383: Matthews, Aristocracies 162–5. Trier war mit der Anwesenheit des praefectus praetorio Galliarum Evodius zu dieser Zeit noch Sitz der gallischen Präfektur. 1 Zum Fall des Priscillian insgesamt: Sulp. Sev. chron. 2,46–5 Priscillian 111–52; Matthews, Aristocracies 166 f. 2 Zur Ablehnung des Urteils: Sulp. Sev. chron. 2,50; Sulp. Sev. dial. 3,11–3; Ambr. epist. 24,12. Vgl. auch Chadwick, Priscillian 129–31. 145–8. 3 Vgl. c. 1193 mit Komm. zur Rezeption. Mit Ursacius ist Hydatius von Mérida gemeint.

162

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1190 Im Westen hatte sich der Usurpator Magnus Maximus selbst mit seinem zweiten Konsulat belehnt.1 Dies wurde im Reichsosten freilich nicht anerkannt, zumal der latente Konflikt zwischen dem Usurpator und den legitimen Kaisern mittlerweile eskaliert war. [J.K.]

1191 comite bieten als Apposition zu Arbogaste die Hss. MYLHB gegenüber der restlichen Überlieferung. Die Lesart ist wahrscheinlich authentisch, vgl. Mommsen, Chron. min. 1,379. Nur die Hs. H überliefert den Relativsatz qui ex genere Francorum erat als Zusatz zu Arbogaste comite. Die Angabe der fränkischen Abstammung des Arbogast geht sicher auf einen späteren Eingriff zurück (vgl. 1243 und den Franken-Zusatz 1364 [im App.]; zur Hs. H vgl. Einl.). Die Abstammung wird von Prosper in keinem anderen Fall eines römischen Amtsträgers erwähnt. Wenn die Herkunft in Bezug auf Personen vermerkt wird, dann nicht in so dezidierter Form, vgl. 1171 Priscillianus episcopus de Callaecia; 1252 Pelagius Britto. [M.B.] Magnus Maximus hatte den ohnehin prekären Ausgleich innerhalb des Kaiserkollegiums infrage gestellt, als er 387 Valentinian II. aus dessen Herrschaftsgebiet vertrieb. Sein Sohn Victor, mittlerweile selbst im Rang eines augustus, war bei der Invasion Italiens von seinem Vater zur Sicherung Galliens zurückgelassen worden. Mit diesem Vorstoß provozierte Maximus nun aber den Krieg mit seinen Mitkaisern, die ihm ihre Anerkennung entzogen.2 Dass Prosper diesen Zwischenfall völlig ignoriert, ist entweder ein Zeichen dafür, dass er, bzw. seine Quelle, dem Usurpator vergleichsweise positiv gegenüberstand, oder liegt wahrscheinlicher daran, dass der konkrete Kriegsgrund für ihn insofern von untergeordnetem Interesse war, als die Chronik ohnehin nicht von der kurzzeitigen Anerkennung des Maximus durch Theo-

1

Bagnall, Consuls 310 f. (a. 388). Zu der Abwendung des Theodosius vom Usurpator: Errington, Imperial Policy 35–7; Matthews, Aristocracies 223–5. 2

Kommentar

163

dosius berichtet hatte.1 Der von Prosper hier erstmals erwähnte Arbogast war nach der Gefangennahme und Hinrichtung des Maximus von Theodosius nach Gallien gesandt worden, um auch den Sohn des Usurpators zu töten.2 [J.K.]

1193 Itacius von Ossonuba und der hier wohl gemeinte Hydatius von Mérida3 waren in Trier die Hauptankläger des Priscillian gewesen. Während sie die kaiserlichen Machtmittel des Magnus Maximus genutzt hatten, um ihren Gegner zu beseitigen, stieß das Todesurteil gegen den Häretiker bei anderen Gegnern Priscillians auf heftige Kritik. Insbesondere Ambrosius von Mailand und Martinus von Tours erhoben scharfen Protest und erreichten schließlich eine Verurteilung der dogmatisch eigentlich orthodoxen Priscillian-Ankläger, denen vorgeworfen wurde, in Trier nicht für eine Mäßigung der kaiserlichen Reaktion eingetreten zu sein.4 Dass Prosper die Verdammung der beiden Bischöfe, die freilich erst mit der Niederwerfung des Maximus durch Theodosius möglich geworden war, explizit erwähnt, legt nahe, dass er in der Frage ebenfalls eine kritische Position vertrat. Ganz allgemein lässt sich beim Gallier immer wieder ein „disapproval […] of improper secular interference in church affairs“ greifen.5

1

Der Usurpator bleibt in der Chronik also stets tyrannus. Zu dieser zeitgenössisch gägigen Bezeichnung von Usurpatoren (auch Prosper: c. 1203 [Eugenius]. 1232 [Konstantin III.]. 1243 [Maximus]. 1254 [Attalus]. 1288 [Johannes]) vgl. Szidat, Usurpator tanti nominis 27– 32. Ähnlichkeiten ergeben sich hier zu den Cons. Const. 388,2 sowie zu Hyd. chron. 17, wobei wiederum (vgl. S. 155 Anm. 3) festzuhalten ist, dass Hydatius und Prosper nicht gemeinsam aus den Consularia Constantinopolitana geschöpft haben dürften. 2 Zur Rolle des magister militum Arbogast im Krieg gegen Maximus und Victor auch: Oros. hist. 7,35,12; Philost. 10,8; Zos. 4,47,1. 3 „Ursacius“ ist entweder ein Fehler Prospers oder seiner Quelle, jedenfalls ist anderweitig bekannt, dass die Hauptankläger Priscillians Itacius und Hydatius waren. 4

Reaktionen, die zu der nach Felix von Trier benannten „felicianischen Kontroverse“ führten: Chadwick, Priscillian 148–50. 157–65; König, Motives 1–31; Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 14–7; Pietri, Roma Christiana 969–76; Ziegler, Haltung 80 f. 5 Muhlberger, Chroniclers 81.

164

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Solche Vorbehalte richteten sich aber niemals gegen kaiserliches Eingreifen in kirchliche Angelegenheiten an sich, auch nicht an der vorliegenden Stelle. Magnus Maximus war immerhin gemäß eines reichskirchlichen Grundmusters verfahren, nach dem sich das kirchliche Agieren des Kaisers einer bereits erfolgten kirchlichen Meinungsbildung lediglich anschloss. Dass eine solche Durchsetzung kirchlicher Sentenzen durch kaiserliche Machtmittel im Prinzip legitim war, solange sie der „orthodoxen“ Seite diente, wurde grundsätzlich von keinem kirchlichen Akteur jemals bestritten.1 Da auch Maximus lediglich eine kirchliche Verurteilung des Priscillian sanktioniert hatte, reagierte sein Hof auf die Kritik der Bischöfe um Martinus mit Unverständnis.2 Diese Kritik dürfte im Falle des Priscillian aber eben nicht mit dem Eingreifen an sich, sondern in erster Linie mit der außergewöhnlichen Schärfe der Sanktion zusammengehangen haben. In ähnlichen Fällen waren Häretiker bis dahin lediglich mit der Verbannung bestraft worden. Dass sich Prosper der Frage nach der Rechtmäßigkeit des PriscillianUrteils überhaupt widmet und es nicht bei einer bloßen Beschreibung der Abwehr der priscillianischen Häresie belässt, hat mehrere Gründe. Zum einen hatte der Streit um das Urteil zu einem Schisma in der gallischen Kirche geführt. Zumindest in einer frühen Überarbeitungsstufe der Chronik traf dies auf ein verstärktes Interesse des aus Gallien stammenden Chronisten. Zum anderen war die Grundproblematik des Konflikts zur Abfassungszeit der ersten Chronikedition wieder – oder immer noch – aktuell: Bis 433 waren neue Beispiele umstrittener staatlicher Durchsetzung kirchlicher Urteile hinzugekommen, am prominentesten sicher die Exilierung des Nestorios von Konstantinopel nach dem Konzil von Ephesus im Jahr 431. Darüber hinaus dürfte Papst Leo I. das Priscillian-Urteil in den 440er Jahren wieder für vertretbar gehalten haben.3 Zumindest in der römischen Kirche gab es also unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der Legitimität des Trierer Vorgehens. [J.K.]

1

Reichskirchliches Grundmuster der kaiserlichen Durchsetzung kirchlicher Urteile: Kötter, Kaiser und Apostel 33 f.; Kötter, Suche 14–6. 2 Vgl. bspw. die Antwort des Maximus auf die Kritik durch Papst Siricius: Avell. 40. 3 Vgl. Leo. M. epist. 15, praef.

Kommentar

165

1197 auctoritate Die überwiegende Zahl der Hss. bietet austeritate. Die Hs. M hatte ursprünglich auctoritate, was von der Hand des Schreibers von M zu austoritate korrigiert wurde. auctoritate hat auch H. Die Hs. V trägt die Lesart autoritate bei. austeritate ist am besten bezeugt. Auffällig ist, dass auch die Hs. Y hier mit der AOR-Rezension geht, und auch die Korrektur in M scheint ein Argument für die Echtheit der Variante austeritate zu liefern. Mommsen setzt sie in den Text. Dass es sich bei der Variante auctoritate in M aber nicht bloß um einen Fehler des Abschreibers handelt, zeigt die Lesart autoritate im Codex V aus dem 6. Jh., der in der Regel nicht mit der Familie MY geht und auch nicht zu den Contaminati gehört. Zu erklären wäre dann, warum der Schreiber von M auctoritate zu austoritae korrigierte. Vielleicht lagen ihm beide Varianten vor; oder die Variante geht schon auf den Schreiber des Archetypos zurück, der eine der Versionen etwa am Rand als Korrektur notierte, sodass sie in den nachfolgenden Hss. teilweise übernommen wurde. Aus inhaltlicher Sicht gebührt auctoritate der Vorzug. Aus den Quellen ergibt sich nicht, dass Arbogast durch besondere moralische Strenge aufgefallen ist. Gesichert ist hingegen die überlegene Machtposition des Heermeisters, der auch die zivilen Geschäfte führte und dadurch den Kaiser faktisch entmachtete. Wenn Prosper beschreibt, dass sich Valentinian aufgrund der eigenen Machtlosigkeit das Leben nahm, so ist das bei aller Knappheit eine klare Analyse der politischen Situation. Die Selbstmordtheorie wird mit der Person des Arbogast verbunden, ohne diesen zu sehr zu belasten: Arbogast ist in dieser Darstellung die Ursache für den Selbstmord, nicht aber persönlich verantwortlich. Die Variante austeritate suggeriert demgegenüber viel stärker eine persönliche Schuld des Arbogast: Er hat den Kaiser durch sein Verhalten in den Selbstmord getrieben (zu austeritas im übertragenen moralischen Sinn „Strenge, Härte, Konsequenz“, vor allem bei Kirchenschriftstellern, vgl. ThLL s. v. Sp. 1557,26–1558,12). Es ist kaum anzunehmen, dass beide Lesarten auf Prosper zurückgehen. Wenn nicht ein einfaches Versehen vorliegt, ist auch denkbar, dass ein späterer Bearbeiter absichtlich auctoritate durch austeritate ersetzte, weil ihm die übergroße auctoritas des Arbogast nicht ausreichend schien, um den Selbstmord des Kaisers zu erklären. Den politischen Zusammenhang, ignorierend, verdeutlichte und vereinfachte er das Motiv, indem er es auf die menschlich-moralische Ebene hob. Dazu passt, dass der Relativsatz cu-

166

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

ius exitu gravabatur, der mit dem strengen Verhalten des Arbogast korrespondiert, in der Handschriftenfamilie MY fehlt. Die Aussage, dass Arbogast am Tod des Valentinian schwer trug, entlastet Arbogast. Dass es sich dabei um einen nachträglichen Einschub von fremder Hand handelt, ist wahrscheinlich. Zu gravari im Sinne von „beschwert, bedrückt werden (durch alle Widrigkeiten des menschlichen Lebens)“ vgl. ThLL s. v. Sp. 2311– 2313,21. [M.B.] Die genauen Todesumstände Valentinians II. sind umstritten. Nachdem der Kaiser erhängt in seinem Palast aufgefunden worden war, kursierten früh zwei Varianten über die Gründe: Eine Selbsttötung Valentinians wurde ebenso in Betracht gezogen wie ein Mord im Zusammenhang mit der späteren Erhebung des Eugenius durch Arbogast. Rufinus, die nächste zeitgenössische Referenz, wollte sich nicht für die eine oder die andere Variante entscheiden. Die meisten späteren Quellen sind ihm darin gefolgt.1 Prosper hingegen vertritt relativ deutlich die Selbstmordthese, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Ereignissen vielleicht noch als inopportun gegolten haben könnte. Dabei liefert der Chronist aber zugleich einen Ansatz zur Vermittlung zwischen beiden Varianten, indem er deutlich Arbogast als auslösendes Moment des Suizids benennt. Durch dessen überlegene auctoritas besaß der Kaiser faktisch keinerlei Macht, sein magister militum war die alles dominierende Figur.2 Daher bleibt auch unklar, welches Interesse Arbogast überhaupt am Tod des Kaisers hätte haben können, was den Verdacht einer Selbsttötung des machtlosen Kaisers zusätzlich plausibilisiert. Darüber hinaus schuf der Tod Valentinians Arbogast ein Problem: Zur Legitimierung seiner Machtausübung bedurfte der magister militum formal eines Kaisers.3 Theodosius aber

1

Rufin. hist. 11,31. Zur Diskussion in den Quellen vgl. Croke, Arbogast 238–43, der die recht deutliche Stellungnahme Prospers jedoch kaum würdigt. Eine öffentliche Ermordung durch Arbogast selbst, wie sie Ioh. Ant. frg. 280 (Roberto) = frg. 212 (Mariev) und Zos. 4,54, 3 f. berichten, scheint einer Vermischung mit Details zum Mord an Valentinian III. (bei Prosper c. 1375) geschuldet zu sein. 2 Vgl. den Grundtenor einer Anekdote bei Zos. 4,53,2 f.: Als Valentinian Arbogast habe absetzen wollen, hätte dieser ihm entgegnet, dass er seine Macht nicht vom Kaiser empfangen habe, weshalb Valentinian ihn auch nicht absetzen k Arbogast zerrissen. 3 Vgl. Croke, Arbogast 242–4, der im Spiegel der Quellen und angesichts der vergleichsweise langen Vakanz zwischen dem Tod Valentinians (15. Mai) und der Erhebung des Eugenius (22. August) die Suizidvariante für die wahrscheinlichere hält.

Kommentar

167

ernannte weder einen neuen augustus für den Westen noch traute er sich, Arbogast abzuberufen. Die Armee unterstand als faktische Machtgrundlage weiterhin dessen Kontrolle.1 Erst nach einer längeren Vakanz des Throns im Westen und nach offensichtlich gescheiterten Verhandlungen zwischen Arbogast und Theodosius wurde schließlich in Abstimmung mit dem Senat in Rom der Rhetoriklehrer Eugenius zum Kaiser erhoben.2 Von Theodosius und vom Osten wurde dieser jedoch nicht anerkannt. Die Umstände der Erhebung des Usurpators beschreibt Prosper in ähnlich verknappter Form wie bei der Usurpation des Magnus Maximus. Auch in der Folge befasst er sich nicht mit der Herrschaft des Eugenius. Nicht einmal dessen religionspolitische Maßnahmen scheinen den Chronisten zu interessieren, obwohl Eugenius 393 in gewissem Umfang sogar heidnische Kulte restituierte und seine Schlacht gegen Theodosius am Frigidus bereits zeitgenössisch als eine Art „Religionskrieg“ beschrieben wurde.3 [J.K.]

1198 Als Reaktion auf die Usurpation des Eugenius hatte Theodosius seinen zweiten Sohn Honorius zum augustus erhoben, was von Prosper freilich nicht eigens erwähnt wird. Ähnlich wie bei der Kaisererhebung des Arcadius im Zusammenhang mit der Usurpation des Magnus Maximus zeigte der Kaiser dadurch, dass er nicht willens war, den neuen Herrscher im Westen zu dulden, obwohl dieser sich genau darum bemühte.4

1

Zu möglichen Gründen des Zauderns des Theodosius: Szidat, Usurpation 491 f. Die Machtakkumulation des Arbogast erstreckte sich mittlerweile auch auf die ciuilia officia: Sulp. Alex. (Greg. Tur. Franc. 2,9). 2 Verhandlungen mit Konstantinopel erwähnen z. B. Rufin. hist. 11,31; Zos. 4,55,3 f. Dass Arbogast einen Zivilbeamten erheben ließ, war dem Umstand geschuldet, dass der magister militum seine faktisch auf dem Heer beruhende Machtstellung habe sichern wollen, was schon Seeck, Arbogastes 417 feststellt. 3 Vgl. Rufin. hist. 11,33. So kam es u. a. zur Erneuerung eines Herkules-Heiligtums in Ostia: AE 1941, 66. Trotzdem richtet sich Szidat, Usurpation v. a. 487–9 zu Recht gegen eine entsprechende Wertung der Frigidus-Schlacht. Auch Ziegler, Haltung 85–104 führt die Sicht a des Usurpators und seinen Verhandlungen mit Theodosius: Ioh. Ant. frg. 280 (Roberto) = frg. 212 (Mariev); Zos. 4,55,3 f. Vgl. auch Matthews, Aristocracies 239–41. 245–7; Szidat, Usurpation 492–505. 4 Vgl. Komm. zu c. 1179.

168

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Chronologisch auffällig am Eintrag ist, dass die Zählung der bisherigen Regierungsjahre des Theodosius dessen erstes angefangenes Regierungsjahr voll berücksichtigt. Dies wäre der einzige Fall einer Inklusivzählung von Herrschaftsjahren bei Prosper, womit der Angabe offensichtlich ein Fehler zugrunde liegt. Vielleicht geht die Chronik an dieser Stelle von einem Regierungsantritt des Theodosius bereits im Jahr 378 aus.1 In diesem Falle wäre die Angabe von bereits vollendeten 14 Regierungsjahren des Theodosius auch in einer von Prosper für gewöhnlich verwendeten Exklusivzählung stimmig. [J.K.]

1199 Im Westen wurde statt des oströmischen magister militum Abundantius der Usurpator Eugenius als Konsul geführt, von Theodosius im Osten aber nicht anerkannt. Das Konsulat des Theodosius hingegen wurde von Eugenius im Westen sehr wohl bestätigt.2 Dies zeigt, dass sich Eugenius nach seiner Machtergreifung um einen Ausgleich bemüht hatte. Der Usurpator setzte dementsprechend sogar Inschriften im Namen des Theodosius und des Arcadius und prägte Münzen für sie.3 [J.K.]

1200 Im Westen amtierte bis zur Niederlage des Eugenius Virius Nicomachus Flavianus als Konsul, den Theodosius jedoch nicht anerkannte und daher seinerseits seine beiden Söhne das Konsulat des Jahres 394 bekleiden ließ.4 Damit machte er deutlich, dass er weiterhin nicht bereit war, usurpatorische Einbrüche in seine dynastische Nachfolgeplanung zu dulden. [J.K.]

1

Dies kann den interpolierten Bericht über eine verfrühte Kaisererhebung – eben für das Jahr 378 – in c. als nicht ursprünglich verworfen. Vgl. philol. Komm. zu c. [1168]. 2 Bagnall, Consuls 320 f. (a. 393). 3 Vgl. bspw. AE 1941, 66; CIL 13,8262; RIC 9,74. 83 Anm. 32. 4 Bagnall, Consuls 322 f. (a. 394).

Kommentar

169

1201 Diese Stelle ist exzeptionell für Prospers Chronik, die im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Werken in konsequenter Weise beinahe vollständig auf Wundergeschichten, göttliche Zeichen oder Hinweise eines direkten göttlichen Eingreifens in den Lauf der Geschichte verzichtet.1 Bei dem prophetisch begabten Mönch handelt es sich um Johannes von Lykopolis. Die Geschichte seiner Vorhersage des theodosianischen Sieges gegen Eugenius ist breit belegt, erscheint in der speziellen Kombination mit dem Hinweis auf den Poeten Claudianus (c. 1205) jedoch sonst nur bei Augustinus, was an vorliegender Stelle auf die Verwendung von Augustinusʼ De civitate Dei durch Prosper hinweist.2 Bei Augustinus dient die Episode als Beweis der Frömmigkeit des Theodosius. Eine solche Aussageebene ist auch bei Prosper vorhanden und wird gerade im Vergleich mit anderen Akteuren in der Chronik deutlich. So bemüht sich später beispielsweise auch der comes Litorius um Erkenntnis über sein Schicksal. Während aber Kaiser Theodosius zu diesem Zweck christliche Prophezeiungen nutzt und in der Folge triumphiert, stellt die Befragung heidnischer Orakel durch Litorius ein Vorspiel zu dessen Untergang dar.3 [J.K.]

1203 Mit dem Sieg des Theodosius in der Schlacht am Frigidus hatte sich die in c. 1201 gegebene Prophezeiung des Johannes an den Kaiser erfüllt. Arbogast, der von Prosper hier nicht erwähnte magister militum des Eugenius und faktische Machthaber im Westen, beging nach dem Tod seines Kaisers

1

Deutlich wird dies an einem Vergleich mit der etwa zeitgleichen Gallischen Chronik von 452, die voll von Wunderzeichen ist. Vgl. Chron. Gall. (452) 26.33.46.82. 2 Aug. civ. 5,26. Vielleicht erfolgte die Vermittlung der Geschichte über Rufin. hist. mon. 1 und Rufin. hist. 11,32. Weitere Versionen der Prophezeiung finden sich bei Cassiod. chron. 1157; Soz. 7,22,7 f.; Theod. hist. eccl. 5,24,1 f. Zur Identifizierung von De civitate Dei als Quelle Prospers: Trout, Years 394 and 395. 3 Vgl. c. 1335. Zur Frömmigkeit des Theodosius vgl. das oftmals herausgestellte Vertrauen des Kaisers auf göttlichen Beistand in der Auseinandersetzung mit Eugenius: Ambr. obit. Theod. 7; Oros. hist. 7,35,12–6; Rufin. hist. 11,33; Soz. 7,24,2. 4–9; Theod. hist. eccl. 5,24. Hierzu auch: Ernesti, Princeps christianus 161–320.

170

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Selbstmord.1 Die Schlacht selbst fand dabei eigentlich bereits Anfang September 394 statt.2 Da sich keine kompositorischen Gründe für ihre verspätete Erwähnung finden lassen, handelt es sich bei ihrer Fehldatierung um einen von mehreren geringen chronologischen Fehlern Prospers im frühen Teil seiner Chronik. [J.K.]

1204 Erstmals erwähnt Prosper Augustinus und liefert die einzige zeitgenössische Referenz zum Datum seiner Bischofserhebung. Aus anderen Quellen kann ein Datum nur indirekt erschlossen werden.3 Dieses Detail zum Beginn seiner Karriere stützt die These von Trout, dass c. 1201 und 1205 auf Augustinusʼ De civitate Dei zurückzuführen sind.4 Der Hinweis auf ein Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen Augustinus und Ambrosius ist übertrieben. Zwar hatte Augustinus seit 384 als Rhetoriklehrer in Mailand gewirkt und war dort auf Bischof Ambrosius getroffen, der auch einen gewissen Einfluss darauf hatte, dass sich der Africaner dem Christentum zuwandte. Seine umstrittenen theologischen Positionen entwickelte Augustinus aber weitgehend unabhängig von Ambrosius erst später.5 [J.K.]

1205 Der Eintrag zum Dichter Claudianus stammt wahrscheinlich von Prosper. Aber der hss. Befund ist auffällig und verlangt eine Erklärung. Zum einen 1 Zum Ende von Arbogast und Eugenius insbesondere in der Sicht der Zeitgenossen: Salz-

man, Ambrose 196–206. 2 Vgl. Seeck/Veith, Frigidus 456 mit Sokr. 5,25,1. 3 Mit Perler, Datum ist das Jahr 395 glaubhaft. Zunächst amtierte Augustinus jedoch noch zusammen mit seinem Vorgänger, der durch die frühzeitige Weihe seines Nachfolgers dessen Engagement in der Kirche von Hippo sicherstellen wollte: Possid. vita Aug. 8. Zur Vita des africanischen Bischof vgl. jüngst Hombert, Nouvelles Recherches. 4 Trout, Years 394 and 395. Vgl. Komm. zu c. 1201 mit Anm. 5 Theologisches Verhältnis von Augustinus und Ambrosius: Matthews, Aristocracies 213–9. Matthews beleuchtet ganz allgemein die kirchlichen Netzwerke, die Augustinus in Mailand knüpfte. Zu Leben und Theologie des Africaners – neben der klassischen Biographie Browns (Brown, Augustine) – generell: Schindler, Augustin/ Augustinismus 646–89.

Kommentar

171

haben die Hss. verschiedene Versionen des Textes überliefert, zum anderen fehlt der Eintrag in MYO gänzlich. Der Ausdruck innotuit, als Variation der Formel clarus habetur (vgl. zu c. 1175), findet sich im chronistischen Kontext nur bei Prosper. Neben dieser Notiz vgl. noch aus der Hieronymus-Epitome c. 690 Bardesanes alterius haereseos princeps innotescit (ThLL s. v. 1711,81–84); sonst auch Leo M. serm. 76,6. Zum ungewöhnlichen Wortgebrauch kommt die auffällige Doppelung des Ausdrucks in insignis innotuit. Beides zusammen mag die Kopisten zu Korrekturen veranlasst haben. Die Hs. P zieht durch Wortumstellung insignis als Attribut zu poeta (vgl. auch die Übersetzung in Murray, Reader 64), LRH und Cassiodor sowie V vereinfachen den singulären Ausdruck zu poeta insignis habetur bzw. zu poeta claret. Aufgrund des sprachlichen Anstoßes hat der Kopist von O möglicherweise sogar den ganzen Eintrag ausgelassen. Das Fehlen der Notiz in der Hss.-Familie MY dagegen lässt sich dahingehend deuten, dass Prosper selbst das Lob des Claudianus zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr für wichtig hielt und es bei seiner Revision von 455 aus der Chronik entfernte. Die Bedeutung des panegyrischen Werkes des Claudianus als Erklärung für den Eintrag vorausgesetzt (vgl. hist. Komm.), ist die Auslassung vielleicht im Zusammenhang mit Prospers nachlassender Begeisterung für die theodosianische Dynastie zu sehen. Auch eine Kürzung von fremder Hand ist nicht auszuschließen. [M.B.] Sieht man von seiner Funktion als „Hofpoet“ des Honorius ab, so ist Claudianus die einzige in der Chronik auftauchende profane Figur, die nicht der politischen, sondern der kulturellen Sphäre zuzuordnen ist. Er war vielleicht sogar Heide.1 Auch wenn der Eintrag in einigen späteren Manuskripten weggefallen ist, so geht er ursprünglich doch auf Prosper zurück. So finden sich laut Birt im Gesamtwerk Prospers mehrere Reflexe auf die Werke des Claudianus.2 Häufig wird der Claudianus-Eintrag auch mit dem Panegyricus des Dichters auf die Konsuln des Jahres 395 erklärt, der gleichzeitig als Lob des 395 gestorbenen Theodosius gelten kann. Auch Augustinus berichtet von diesem Theodosius-Lob des heidnischen Dichters, das die Frömmigkeit

1

Zur Rolle des Dichters und zur Frage nach seinem Ernesti, Princeps christianus 351–5. Ausführlich zur Frage nach seinem Glauben: Fargues, Claudien 153–72. 2 Vgl. aus der Praefatio zur Ausgabe der Claudianus-Werke durch Th. Birt: MGH AA 10, S. LXXIX.

172

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

des christlichen Kaisers unterstrichen habe.1 Von dieser Augustinus-Passage ausgehend hat Prosper dann das Claudianus-Detail übernommen, wobei das Motiv des Herrscherlobs in der verknappten Darstellung der Chronik in den Hintergrund trat.2 [J.K.]

1206 Theodosius starb bereits im Januar 395, wohingegen Prosper den Tod des Kaisers erst als eines der letzten Ereignisse in diesem Jahr erwähnt. Durch die Fehldatierung der Schlacht am Frigidus in das Jahr 395 war der Chronist dazu aber nachgerade gezwungen. [J.K.]

1207 Eine für die Spätantike charakteristische Mehrkaiserherrschaft stellt die Herrscherchronologie vor die Herausforderung, ein stimmiges System für die fortlaufende Nummerierung der römischen Kaiser und für die Angabe ihrer Regierungsdauern zu finden. Prospers Lösung für dieses Problem wird in diesem Eintrag am deutlichsten: Er orientiert sich in beiden Fragen strikt am jeweils ranghöchsten augustus, mit dem andere augusti lediglich mitregieren. Da Honorius bereits 393 zum Kaiser erhoben wurde – wovon Prosper Kenntnis hatte, auch wenn er die Erhebung selbst nicht erwähnt3 –, regierte Arcadius insgesamt sogar 15 Jahre lang gemeinsam mit ihm. Die ersten beiden Jahre dieser gemeinsamen Herrschaft der beiden Brüder fielen aber noch in die Zeit ihres ranghöheren Vaters Theodosius. Erst mit dessen Tod und der Übernahme der Herrschaft durch Arcadius als ranghöchstem augustus beginnt Prosper, die Herrschaft des Arcadius als 44. Kaiser zu zählen, dessen Mitherrscher nun sein jüngerer Bruder Honorius ist. Wäre Honorius, der spätere 45. Kaiser, also vor Arcadius gestorben, wäre er in Prospers durchlaufender Zählung der Kaiser gar nicht eigens aufgetaucht. So geschieht es zum Beispiel im Fall des Constantius III., der für Prosper 1A

liche Passage. 2 Vgl. Trout, Years 394 and 395 44–6. Schon in c. 1201 fiel das Lob der Frömmigkeit des Kaisers durch Prosper subtiler aus als in der Vergleichsstelle bei Augustinus. 3 C. 1198 macht klar, dass Prosper wusste, dass Honorius schon vor 395 augustus war.

Kommentar

173

zweifelsohne als legitimer Kaiser gilt, durch seinen frühzeitigen Tod aber niemals zum ranghöchsten augustus aufsteigen sollte.1 [J.K.]

[1210] Die Nachricht über das Konzil in Karthago im Jahr 397 gehört zum Sondergut der Hs. R, vgl. [1168]. [1210]. [1213]. [1225]. [1268]. Sämtliche nur in R überlieferten Einträge gehen auf Interpolation zurück (vgl. Einl. Kap. IV.4). Auffällig ist, dass insgesamt drei Nachrichten über Synoden in Karthago zusätzlich eingefügt sind, zu den Jahren 397, 403 und 418 ([1210]. [1225]. [1268]). Die ersten beiden Konzile werden offensichtlich verwechselt bzw. zeitlich falsch zugeordnet (vgl. hist. Komm.). In der Notiz zum dritten Konzil liegt eine Doppelung vor, denn die Synode gegen die Pelagianer wird in der Chronik schon zwei Einträge zuvor, und zwar zum selben Jahr, erwähnt. Die Konzentration auf kirchliche Nachrichten aus Africa einerseits sowie die Nachlässigkeit in der chronologischen Einordnung andererseits lassen vermuten, dass Prospers Chronik in der Verwaltung eines africanischen Bischofssitzes benutzt und bearbeitet wurde. [M.B.] Obwohl Mommsen den Bericht über die africanischen Synoden in Karthago und Hippo in seine Edition übernommen hat, ist die Rückführung der Stelle auf Prosper problematisch: Über die genauen Inhalte der beiden Synoden informiert der Eintrag nicht. Dass sie bereits Konflikte um die augustinische Theologie verhandelten, ist unwahrscheinlich, da Augustinus seine Gnadenlehre im Berichtzeitraum erst formulierte. Für die Synode von Karthago 397 und für das bereits 393 tagende Konzil von Hippo ist vielmehr bekannt, dass beide sich den Donatisten und der Überprüfung des biblischen Kanons widmeten.2 Daher ist eine auf Prosper zurückgehende Herkunft des Eintrags auch aus inhaltlichen unwahrscheinlich, sind doch beide verhandelten Problemkreise für die Chronik ansonsten nicht von Interesse. [J.K.] 1

Vgl. c. 1273. 1276. Zu den Problemen der Differenz von formalem Rang und faktischer Macht am Bsp. von Valentinian II. und Theodosius I.: Kolb, Herrscherideologie 102–4. Eine mit Ebd. 107 f. dabei in unterschiedlichen Diademformen. 2 Hippo 393: Conc. Africae, CCL 149, 20–27; Karthago 397: Conc. Africae, CCL 149, 28–53. Dass es nicht bereits um die Gnadenlehre ging, ergibt sich auch daraus, dass die Augustinus-Gegner von Prosper noch gar nicht in die Chronik eingeführt worden sind.

174

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1212 Prosper datiert den Amtsantritt von Anastasius I., und damit auch den Tod von Papst Siricius, auf das Jahr 398. Faktisch dürften beide Ereignisse ins Jahr 399 gefallen sein. Da Anastasius als Papst für die Chronik aber von geringer inhaltlicher Bedeutung ist, fällt diese geringfügige Fehldatierung nicht ins Gewicht. Vielleicht hat Prosper sie sogar bewusst vorgenommen: Angesichts der unsicheren Zuschreibung weiterer Einträge zum Berichtjahr an Prosper ist es denkbar, dass der Chronik für das Jahr 398 ursprünglich kein weiteres Material vorgelegen haben könnte.1 [J.K.]

[1213] Auch bei diesem knappen Eintrag handelt es sich um eine Interpolation in R. Ob und inwiefern sie mit dem ebenfalls verdächtigen Eintrag in der Prosper-Epitome (V) zum selben Jahr zusammenhängt (c. [1214]), muss offen bleiben. Auffällig ist allerdings, dass dort in V ein africanisches Ereignis nachgetragen wird (Holder-Egger, Untersuchungen 39). [M.B.] Laut der Mommsen-Ausgabe würde Prosper an dieser Stelle abermals von der Hinrichtung des Eugenius berichten. Faktisch wurde dieser aber bereits 394 hingerichtet, was Prosper auch erwähnt.2 Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Eintrag ursprünglich von Prosper selbst stammt. [J.K.]

[1214] Die knappe Nachricht von der Hinrichtung des Gildo ist nur in der Hs. V, also in der Epitome der Chronik, überliefert. Sehr wahrscheinlich gehört sie nicht Prosper. [M.B.] Der comes Africae Gildo hatte sich 397 wahrscheinlich in Absprache mit Konstantinopel gegen die Regierung in Ravenna gerichtet und Getreide-

1

Vgl. hierzu Komm. zu c. [1213 f.]. Zum Überblick über das kurze Pontifikat des Anastasius: Caspar, Papsttum 285–7. 290–2. 2 Vgl. c. 1203 (jedoch für das Jahr 395).

Kommentar

175

lieferungen aus Africa nach Rom gestoppt. Ein Jahr später wurde er besiegt und hingerichtet.1 Von alldem berichtet der vorliegende Eintrag der Chronik jedoch nicht. Dass Gildo hier also kontextlos mit seinem Ende eingeführt würde, ohne auch nur kurz die Gründe für den Krieg gegen ihn zu benennen, stimmt hinsichtlich der Zuweisung des Eintrags an Prosper skeptisch. Daher – und aus Gründen der Überlieferung (vgl. philol. Komm.) – ist c. [1214] gegen Mommsen zu tilgen. [J.K.]

1216 Eutropius diente als praepositus sacri cubiculi am oströmischen Hof. Es war beispiellos, dass mit ihm ein Eunuch das Konsulat erlangte. Durch Intrigen am Hof verlor Eutropius das Amt aber noch im gleichen Jahr, wurde verbannt und in einem späteren Prozess schließlich zum Tode verurteilt.2 Die explizite Erwähnung des Eunuchen durch Prosper hat mehrere Gründe: Zunächst einmal wollte der Chronist erläutern, wieso er für das Jahr 399 mit Mallius Theodorus nur einen Konsul anführt. Daneben kann von Bedeutung sein, dass es der abgesetzte Eutropius war, der den Mönch Johannes im Namen des Theodosius über den Ausgang des Kriegs gegen Eugenius befragt hatte, wovon die Chronik in c. 1201 berichtet.3 Darüber hinaus hatte der von Prosper ebenfalls erwähnte Claudianus eine Schrift gegen den Eunuchen gerichtet.4 [J.K.]

1218 Prosper beginnt hier seine Beschreibung des Verhältnisses Westroms zu den barbarischen Völkerschaften, welche er im Laufe der Chronik nicht allein als Bedrohung auffasst, sondern wesentlich neutraler als neuen politischen 1

Gildo war mit Croke, Arbogast 236 und Matthews, Aristocracies 179 seit 385 im Amt. Auf Spannungen zwischen west- und oströmischem Hof weist bspw. Claud. 15,213–348 hin. Zur Gildo-Revolte neben Claudianusʾ de bello Gildonico: Oros. hist. 7,36,2–13; Zos. 5,11. Ausführliche Darstellung der Vorgänge: Janßen, Stilicho 78–88. 2 Vgl. zu Eutropius: PLRE 2, 440–4 (Eutropius 1). Prosper deutet an, dass Absetzung und Hinrichtung des Konsuls nicht in unmittelbarem Zusammenhang standen. 3 Claud. 18,311–3; Soz. 7,22,7. 4 Claud. 18–20 (in Eutropium).

176

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Faktor, mit dem es teilweise zwar zu Konflikten kommen kann, teilweise aber auch zum Ausgleich und sogar zur Kooperation.1 Die Person des Alarich spiegelt in ihrer historischen Ambivalenz diese relativ neutrale Position Prospers gerade gegenüber den Goten mustergültig: Als Führer gotischer Föderaten hatte er noch unter Theodosius am Feldzug gegen Eugenius teilgenommen, kündigte aber nach dem Tod des Theodosius dessen Nachfolgern seine Gefolgschaft und agierte – von seinen Truppen mittlerweile zum König ausgerufen – eigenständig im griechisch-thessalischen Raum. Nachdem Arcadius ihn daraufhin zum magister militum per Illyricum ernannt hatte, richtete er sich gegen den Westen und fiel um 400 erstmals in Italien ein. Erst 402 sollte es Stilicho gelingen, Alarich zu besiegen, woraufhin dieser sich mit seinen Truppen im Jahr 403 aus Italien zurückzog.2 Diese erste Invasion Italiens unter Alarich bringt Prosper mit einem weiteren Einfall barbarischer Verbände in Verbindung. Dieser fand unter Führung des Radagaisus statt, allerdings unabhängig von Alarich und erst im Jahr 405.3 Ob es sich bei dieser Zusammenschau zweier Italien-Invasionen um einen Fehler des Chronisten handelt, ist unklar.4 Für Prosper standen die Details der einzelnen Invasionen wohl gar nicht im Vordergrund. Wichtiger war ihm für den Fortgang seines Berichts der Umstand, dass auswärtige Völkerschaften nun bis 406 eine beständige Bedrohung Italiens darstellten. Die dadurch hervorgerufene Bindung militärischer Ressourcen in Italien hatte weitreichende Folgen, die Prosper in der Folge auch thematisiert: Hier ist insbesondere an den Einfall vandalischer, suebischer und alanischer Verbände in Gallien zu denken.5 [J.K.]

1220 cum tamen … servaverit Auffallend ist der Konjunktiv Perfekt im konzessiven Nebensatz nach Konjunktiv Imperfekt im vorausgehenden Konsekutivsatz. Unterschiedsloser Wechsel zwischen Konjunktiv Imperfekt und 1

Zur vergleichsweise neutralen Bewertung barbarischer gentes, gerade der Westgoten vgl. Einl. Kap. III.1.c. Höhepunkt war sicherlich die gemeinsame und gleichberechtigte Abwehr der Hunnen durch Aëtius und Theoderich I. im Jahr 451: c. 2 Zusammenfassend zu Alarich: PLRE 2, 43–8 (Alaricus 1). 3 Zu Radagaisus: PLRE 2, 934 (Radagaisus). Vgl. auch Wolfram, Goten 202–4. 4 So sieht es zumindest Baynes, Note 217. 5 Vgl. c. 1230.

Kommentar

177

Perfekt findet sich vor allem bei Historikern seit Livius (H.-Sz. 2, 551). Vgl. auch c. 1322. 1324. 1358. 1375. [M.B.] Bereits länger vorhandene Spannungen zwischen den Bischofssitzen von Konstantinopel und Alexandria kulminierten um die Jahrhundertwende im Konflikt zwischen Johannes Chrysostomos und Theophilos. 380 hatte Petros II. von Alexandria versucht, Einfluss auf die Wahl des Bischofs der östlichen Residenzstadt zu nehmen, war aber vom Konzil von Konstantinopel 381 in die Schranken gewiesen worden, welches feststellte, dass Alexandria lediglich die Aufsicht über die ägyptischen Kirchenprovinzen ausüben sollte.1 Im Zuge der origenistischen Streitigkeiten reicherte sich dieser bis dahin maßgeblich hierarchische Konflikt dann um eine dogmatische Ebene an. Im Jahr 400 hatten sich einige von Theophilos aus Ägypten vertriebene Mönche um Unterstützung an Johannes von Konstantinopel gewandt. Dieser nahm sich ihrer Sache an und wurde deshalb 403 unter Führung des Theophilos auf der sogenannten „Eichensynode“ abgesetzt. Kaiser Arcadius verbannte den auch am Hofe umstrittenen Residenzbischof daraufhin.2 Prosper geht nicht näher auf den Streit und auf dessen theologische und kirchenpolitische Komponente ein. Dies erklärt sich keineswegs einfach mit der Kürze seiner Darstellung, sondern zu einem Gutteil auch mit seinen spezifischen Darstellungsabsichten. Da der Chronist die Neigung aufweist, discordia als Grundübel kirchlicher und politischer Entwicklungen zu sehen3, wäre der Hinweis auf eine tatsächlich vorhandene theologische Ebene des Konflikts zwischen Johannes und Theophilos verfehlt. Hinzu kommt Prospers distanzierte Haltung gegenüber kaiserlichen Eingriffen in kirchliche Belange, wie sie insbesondere bereits bei der Behandlung des Priscillian-Urteils zutage trat. Die Erwähnung des kaiserlichen Einflusses im Streit zweier solch hoher Repräsentanten der Kirche wäre aus dieser Haltung heraus problematisch. Überraschend ist bei alldem die Bezeichnung der Beteiligten als sancti. Zum einen zeigt sich daran, dass Prosper, wie seine Zeitgenossen generell, noch kein institutionalisiertes Verständnis von Heiligkeit kannte. Eine Hei-

1

Vgl. Kanon 2 von Konstantinopel (381): COD 27,16–28,13. Zum Streit zwischen Chrysostomos und Theophilos, der auch politische Implikationen hatte: van Nuffelen, Héritage 20–5. 71–7; Tiersch, Johannes Chrysostomus 335–53. 3 Für den politischen Bereich am deutlichsten in c. 1278. Im kirchlichen Bereich ist neben vorliegender Stelle an die Beschreibung der Synode von Ephesus II (449) zu denken: c. 1358. 2

178

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

ligkeit der beiden Bischöfe drückt sich vielmehr bereits zu Lebzeiten in Lebens- und Amtsführung aus. Zum anderen wird das entsprechende Adjektiv außerhalb von Martyriumszusammenhängen in den späteren Teilen der Chronik ausschließlich Papst Leo vorbehalten bleiben, kaum aber hierarchischen Rivalen des römischen Papsttums.1 Die Benennung von Johannes und Theophilos als „heilig“ ist hier ein paradoxer Teil von Prospers Strategie, die Bedeutung des Papsttums zu übertreiben. Während nämlich die beiden östlichen Rivalen Roms ihren Status der Heiligkeit durch ihr Gezänk verloren hätten, erweist sich der Bischof Roms, unabhängig von seiner Parteinahme im vorliegenden Fall, als ein über dem Streit der Parteien stehender Führer der gesamten Kirche. Der größte Teil des Episkopats sei der Position Roms gefolgt, so Prosper. Dies darf zwar bezweifelt werden, sicher ist hingegen, dass Prosper in seiner Darstellung einen frühen Reflex einer späteren positiven Sicht auf Johannes erkennen lässt. 438, also gute fünf Jahre nach der ersten Chronikedition, wurden die Gebeine des Verbannten nach Konstantinopel überführt.2 [J.K.]

1222 utriusque partis clade fehlt in der MY-Rezension. Prosper betont die Niederlage beider Seiten in der Schlacht bei Pollentia. Der unentschiedene Ausgang ist aber historisch nicht richtig (vgl. hist. Komm.). Dass Prosper diese falsche Aussage, die vielleicht einer gegen Stilicho gerichteten Tendenz einer Vorlage geschuldet ist, in einer späteren Überarbeitung der Chronik entfernt hat, ist gut denkbar. [M.B.] Die Westgoten unter Alarich wurden am 6. April in der Schlacht bei Pollentia zurückgeschlagen. Der magister militum Stilicho verzichtete in der Folge der Schlacht jedoch darauf, den sich zurückziehenden Gegnern nachzusetzen, was der Grund dafür sein könnte, dass Prosper keinen expliziten Sieger

1

Zusammenhang mit Martyrien: c. 1265. 1292. 1358. Bezeichnung Leos: c. 1350. 1369. 1375. 1376. 2 Bspw. Theod. hist. eccl. 5,36,1 f.

Kommentar

179

der Schlacht benennt.1 Tatsächlich konnte Alarich seine Truppen reorganisieren, und noch im Sommer desselben Jahres kam es bei Verona zu einer erneuten Schlacht. Wieder gingen die weströmischen Truppen als Sieger hervor und konnten die Goten damit vorerst aus Italien verdrängen.2 In der Darstellung der Ereignisse durch Prosper fällt auf, dass der Chronist nicht nur darauf verzichtet, Stilicho zum Sieger der Schlacht von Pollentia zu küren, sondern noch nicht einmal den Namen des Heerführers erwähnt. Dieser taucht in der Chronik ohnehin nur ein einziges Mal namentlich auf, nämlich wenig später im Zusammenhang mit der Vertreibung des Radagaisus aus Italien. Man muss die dahinterstehende Tendenz als antistilichonisch werten. Mit dieser Tendenz traf der Chronist durchaus die Stimmung der Zeit, in der man im Verzicht des barbarischstämmigen magister militum auf eine Verfolgung des Alarich einen fatalen, womöglich sogar absichtlichen Fehler zu erkennen meinte.3 [J.K.]

1223 Neben dem in seiner Authentizität strittigen c. [1225] ist die Notiz über die Papsterhebung des Innocentius – die eigentlich bereits Ende 401 stattfand – für eine Dekade der letzte Eintrag, der sich mit einem kirchlichen Ereignis befasst, bevor nun der Schwerpunkt Prospers auf den Folgen der barbarischen Invasionen und der Usurpation Konstantins III. liegen wird. Erst für das Jahr 412 kommt die Chronik wieder auf die kirchliche Entwicklung zu sprechen. [J.K.]

[1225] Vgl. zu [1210]. [M.B.] 1

Zur Schlacht von Pollentia: Dunn, Easter v. a. 58–62. Vgl. daneben Claud. 25 f. Eine allzu deutliche Betonung der westgotischen Niederlage hätte darüber hinaus die Eroberung Roms durch Alarich in c. 1240 erklärungsbedürftig gemacht. 2 3

Dieser Vorwurf dürfte nicht unerheblich zum späteren Sturz Stilichos beigetragen haben. Näheres zu Stilicho: Komm. zu c. 1228. Das Motiv seines Verrats im Umgang mit barbarischen Völkern begegnet verschiedentlich: Philost. 12,2,2; Oros. hist. 7,38; Iord. Get. 115; Chron. Gall. (452) 55.

180

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Die von Mommsen als c. [1225] geführte Stelle, die ein karthagisches Konzil gegen die Donatisten erwähnt, geht nicht ursprünglich auf Prosper zurück: Weder spielt das Problem des Donatismus eine größere Rolle für die Chronik noch wird das genannte Konzil mit einer möglichen Bestätigung der Positionen des Augustinus verbunden. Neben der dünnen Überlieferung der Stelle (vgl. philol. Komm. zu c. [1210]) sprechen auch die Parallelen zum ebenfalls nur in R erwähnten Konzil von Karthago in c. [1210]1 für eine nachträgliche Einfügung der Stelle. Bei den beiden Bischofsversammlungen handelt es sich offensichtlich um die Verwechslung ein- und derselben Synode. Ein solch grober Fehler ist Prosper nicht zuzutrauen. [J.K.]

1228 Die Schlacht bei Faesulae fand im Sommer des Berichtjahres statt. Das Heer, das Stilicho in diese Schlacht führte, setzte sich zu großen Teilen aus gotischen und hunnischen Föderaten zusammen. Insofern ist es denkbar, dass Prosper mit seiner Erwähnung zahlreicher gefallener Goten auf große Verluste beider Seiten hinweist, ähnlich wie bei der Schlacht Stilichos gegen Alarich bei Pollentia. Radagaisus jedenfalls geriet in Gefangenschaft und wurde nur wenige Tage später hingerichtet.2 Damit war nach Alarich, der seine Niederlage im Gegensatz zu Radagaisus freilich überlebt hatte, auch der zweite in c. 1218 benannte barbarische Führer besiegt worden. Zu einer Beruhigung der politischen Situation sollte es dadurch indes nicht kommen. Im Gegenteil: Prosper beschreibt die folgenden Jahre geradezu als Abfolge verschiedener Krisen, die alle zumindest mittelbar mit der vorangegangenen militärischen Konzentration auf Italien und der daraus resultierenden Schwächung der Provinzen zusammenhingen. Die Person des Stilicho wird in der Chronik, abgesehen von seinen beiden Konsulaten, erstmals und ausschließlich hier namentlich erwähnt. Dies ist bemerkenswert, war er doch seit längerem die bestimmende Figur der weströmischen Politik. Bereits unter Theodosius I. hatte er die Position eines magister militum bekleidet und war vom Kaiser testamentarisch sogar

1 Die Hinweise auf die Inhalte beider Synoden

– einerseits die Bekräftigung eines Konzils von Hippo, andererseits die Abwehr des Donatismus – deuten in beiden Fällen auf die Synode von 397: Conc. Africae, CCL 149, 28–53. 2 Zum Radagaisus-Einfall und der Schlacht bei Faesulae: Janßen, Stilicho 187–94.

Kommentar

181

zum Berater seiner Söhne eingesetzt worden.1 Zum Hof in Konstantinopel geriet er aber schnell in Distanz und wurde im Osten zum hostis publicus erklärt, während er im Westen seine dominierende Position behaupten konnte. Spätestens in Reaktion auf die Schonung des Westgotenkönigs Alarich nach der Schlacht bei Pollentia 402 kam es aber auch dort zu wachsender Kritik an ihm. Nur zwei Jahre nach seiner siegreichen Schlacht gegen Radagaisus fiel Stilicho dann einer Intrige zum Opfer und wurde unter der Anklage des Hochverrats hingerichtet.2 Dass die Rolle Stilichos bei Prosper also in keiner Wiese seiner historischen Bedeutung entspricht, mag an der schlechten Beleumundung in Folge seines Sturzes liegen, die dann über die Quellen des Chronisten Eingang in dessen Werk gefunden hat. Die unmittelbare militärische Folge der Ausschaltung des magister militum war dann ein neuerlicher Einfall Alarichs in Italien im Frühjahr 409, wodurch kurzfristig auch die Stellung des Usurpators Konstantin in Gallien gestärkt wurde.3 [J.K.]

1230 Die Angabe des Tagesdatums ist nicht einheitlich überliefert. pridie k. ian. haben die meisten Codices, die Hss. M und Y haben die ungewöhnliche Form ii kl ianuar. Letztere hat den Vorzug, dass die Variante, die R aufweist, iii kalendas ianuarias, sich am ehesten aus einer Verschreibung von ii kl ianuar erklären lässt. Zudem bieten die beiden Hss. M und Y häufig den besten Text. Daher folgen wir Mommsen und halten die Ziffer. [M.B.] Der Rheinübergang der Vandalen und Alanen – auch andere germanische Stämme hatten sich ihrem Zug angeschlossen – war Teil einer größeren Wanderungsbewegung zwischen 405 und 408, die von einem zunehmenden

1

Claud. 7,151–62; Ambr. obit. Theod. 5; Zos. 4,59,1. Sturz Stilichos und Gründe: Demandt, Magister militum 627 f.; Janßen, Stilicho 241– 51; Vössing, Stilicho 20–2. In den Quellen begegnet u. a. der Vorwurf, der magister militum 2

Chron. Gall. (452) 55 (Vorwuf in Zusammenhang mit der Barbareninvasion von 406). Skeptisch: Demandt, Magister militum 628; Janßen, Stilicho 223; Vössing, Stilicho 21. Prospers c. 1373 reflektiert ähnliche Vorwürfe an die Adresse des Aëtius. 3 Vgl. Drinkwater, Usurpers 280 f.

182

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Druck der Hunnen auf das östliche Mitteleuropa ausgelöst worden war.1 Die Verbände, die nun in Gallien einfielen, waren versprengte Teile des Radagaisus-Zugs, der kurz zuvor Italien erreicht hatte.2 Der Rheinübergang bildet bei Prosper den Auftakt zu einer längeren Darstellung von Krisensymptomen im Weströmischen Reich. Dem Einfall der Barbaren ins Reichsgebiet folgten die Usurpationen von Konstantin und Attalus, das Vordringen der Vandalen nach Spanien und die Eroberung Roms. Gemeinsam ist diesen Ereignissen, dass sie alle zumindest mittelbar Folgen der Italien-Invasionen des Alarich und des Radagaisus waren, die eine Konzentration der militärischen Ressourcen des Reichs auf Italien notwendig gemacht hatten. Als einziger zeitgenössischer Autor gibt Prosper ein konkretes Datum für den Übertritt der Vandalen und Alanen nach Gallien an: den 31. Dezember 406. An diesem Datum freilich entzünden sich verschiedene Kontroversen. Relativ nebensächlich ist die Frage, ob die Angabe eines konkreten Tagesdatums bedeuten muss, dass alle barbarischen Verbände den Fluss an einem einzigen Tag überquert hätten. Das Datum könnte ebenso Beginn oder Abschluss des Übertritts kennzeichnen.3 Zwar hätte ein möglichst geschlossener Übergang das Risiko vermindert, direkt von römischen Verbänden zurückgeschlagen zu werden; geht man aber davon aus, dass die militärische Lage in Italien weiterhin gespannt war, dürfte gerade das nicht unmittelbar zu befürchten gestanden haben. Genau hier schließt sich jedoch die zentralere Debatte an: Unter Verweis auf die erklärungsbedürftige Passivität Stilichos im Angesicht der Situation möchte Kulikowski den Rheinübergang der germanischen Verbände auf das Jahr 405 vordatieren. Zu dieser Zeit sei der magister militum noch in Italien mit Radagaisus beschäftigt gewesen, den er letztlich erst im August 406 besiegen konnte.4 Allerdings berücksichtigt dieses Argument nicht, dass Stilicho auch dann bei einem Einfall Ende 406 kaum genug Zeit zum Reagieren geblieben wäre.5 Der im Zusammenhang mit dem Ereignis zum Beispiel von Chron. Gall. (452) 55 erhobene Hochverratsvorwurf Stilicho gegenüber jedenfalls wäre nur dann nachvollziehbar, wenn sich der magister militum

1

Vgl. Heather, Huns 5. 12–16. Mit Vandalen und Alanen wanderten die Sueben. Überblicke über den Rheinübergang und die Quellen dazu: Castritius, Wandalen 176–80; Halsall, Migrations 211 Anm. 117. 2 So zumindest Castritius, Wandalen 177. Vgl. auch Drinkwater, Usurpers 273. 3 Vgl. Castritius, Völkerlawine 37 f. So auch Stevens, Marcus 319 f. 4 Kulikowski, Barbarians 325–31. 5 Dies wird von Kulikowski, Barbarians 332 implizit zugegeben.

Kommentar

183

zum Zeitpunkt des Rheinübergangs tatsächlich bereits Radagaisus hätte entledigen können.1 Auch die Notwendigkeit, die britannischen Usurpationen des Marcus, des Gratian und des Konstantin in einen sinnvollen chronologischen Zusammenhang mit dem barbarischen Rheinübergang zu bringen, muss nicht ausgerechnet in einer Vordatierung des Übergangs münden.2 Letztlich muss die Entscheidung über das korrekte Datum offenbleiben, auch weil Prosper die bloße Ereignissequenz von Radagaisus-Invasion, Rheinübergang und Konstantin-Usurpation sicherlich wichtiger war als die konkreten Zeitangaben zu den einzelnen Ereignissen. Eine Handhabe, von Prospers Datum abzuweichen, ergibt sich daraus jedoch ebensowenig.3 Während bei alldem für Prosper die Alanen nach ihrer Erwähnung hier keine Rolle mehr spielen werden, verfolgt die Chronik den weiteren Weg der Vandalen bis nach Africa mit Interesse.4 Für die früheste Chronikedition des Jahres 433 liegt der Grund dafür im Schicksal des Augustinus, für dessen Tod die vandalische Africa-Invasion den dramatischen Kontext liefern wird. Nachdem sich die Vandalen danach auch als langfristige Bedrohung für Reich und Kirche erweisen sollten, rückt in den späteren Ausgaben der Chronik auch ihr König Geiserich stärker in den Fokus.5 [J.K.]

1232 exoritur i. q. exsurgit, hier mit der Konnotation „sich erheben, aufstehen, auftreten in feindlicher Absicht“, vgl. z. B. Liv. 2,35,1; Tac. ann. 13,7,2 (ThLL s. v. 1573,68–85). [M.B.]

1

Zwar handelt es sich bei diesem vom anonymen gallischen Chronisten erhobenen Vorwurf deutlich um Polemik; nichtsdestotrotz ergibt der Vorwurf gegenüber Stilicho nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass der magister militum überhaupt die grundsätzliche Möglichkeit gehabt hätte, der Invasion in Gallien zu begegnen. 2 Ehling, Geschichte 2 beispielsweise lässt die Kette der britannischen Usurpatoren mit Marcus am Anfang des Jahres 407 beginnen. 3 In der Beobachtung dieses skizzierten Darstellungsprimats Prospers ist Kulikowski, Barbarians 329 zweifellos zuzustimmen. Darüber hinaus ist jedoch einfall zu folgen, der die von Kulikowski vorgenommene Umdatierung als nicht sicher beweisbar ablehnt. 4 In der ersten Chronikedition von 433 c. 1230. 1278. 1295. 1304. 5 Negative Charakterisierung des Königs in c. 1327. 1329. 1339. 1348. 1375.

184

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Nachdem Prosper soeben vom Einfall mehrerer germanischer Stämme in Gallien berichtet hat, widmet er sich nun der unmittelbaren Konsequenz, der Usurpation des Konstantin.1 Infolge des Rheinübergangs kam es zur Verwüstung weiter gallischer Gebiete, eine Situation, die insbesondere Britannien immer deutlicher von den Kerngebieten des Reichs abschnitt. Schon die Usurpation des Magnus Maximus hatte gezeigt, dass es eine gewisse Unzufriedenheit der in Britannien stationierten Soldaten mit der Regierung in Ravenna gab. 407 kam es daher wiederum zu einem Aufstand der britannischen Armee, in dessen Rahmen in rascher Folge mehrere Ggenkaiser ausgerufen wurden. Nach den kurzen Regentschaften eines Marcus und eines Gratian konnte sich schließlich Konstantin als Usurpator durchsetzen.2 Das nun beschriebene Vorgehen Konstantins erinnert deutlich an den Beginn der Maximus-Usurpation in c. 1183, was Prosper unter anderem auch durch seine Wortwahl unterstreicht. Wie Magnus Maximus setzte Konstantin beispielsweise bald nach seiner Machtergreifung nach Gallien über, womit die Ausgangslage von c. 1232 derjenigen Situation ähnelt, in der mit Gratian der vorletzte Vertreter der valentinianischen Dynastie sein Ende fand. Die Chronik präsentiert die Usurpation Konstantins also als eine ähnliche Bedrohung für das nun herrschende theodosianische Kaiserhauses.3 Hinzu kam, dass sich der Usurpator relativ mühelos in Gallien etablieren konnte, wofür Halsall unter anderem eine Abwendung der Provinzeliten von der Zentralregierung verantwortlich macht, die sich zunehmend unfähig zeigte, ihren Status zu garantieren.4 Angesichts dieser Herausforderungen liegt im nun folgenden Bericht Prospers über die Niederschlagung der Konstantin-Usurpation also ein implizites Lob des theodosianischen Hauses, dem es gelang, der usurpatorischen Bedrohung standzuhalten. [J.K.] 1

Die Erhebung britannischer Usurpatoren muss aus chronologischen Erwägungen heraus Folge und nicht Voraussetzung der germanischen Einfälle in Gallien gewesen sein. So auch: Oros. hist. 7,40,4; Zos. 6,3,1. Ihnen folgen Bleckmann, Barbareneinfall; Matthews, Aristocracies 308. 2 Olymp. frg. 13,1 (Blockley) = frg. 12 (Müller); Oros. hist. 7,40,4; Soz. 9,11,2; Zos. 6, 3,1. Regelmäßig wird von den Quellen darauf hingewiesen, dass Konstantin angeblich nur aufgrund seines Namens ausgewählt worden sei. Zu den drei Usurpatoren: PLRE 2, 719 f. (Marcus 2); 518 f. (Gratianus 3); 316 f. (Fl. Claudius Constantinus 21). Zu Konstantin III. speziell: Bleckmann, Constantinus III 454–462. 3

Kaisers: Olymp. frg. 13,1 (Blockley) = frg. 12 (Müller). Vgl. Drinkwater, Usurpers 272. 4 Halsall, Movers and Shakers 143 f. Ähnlich: Heather, Huns 21 („any weakening of the Roman state […] had the more insidious effect of breaking down ties between local Roman elites and the imperial center.“).

Kommentar

185

1236 Im Westen beanspruchte der Usurpator Konstantin das Konsulat für sich, was freilich nur in seinem Herrschaftsbereich, nämlich in Gallien, anerkannt wurde.1 Dementsprechend fand Konstantins Konsulat nach der Niederschlagung seiner Usurpation auch keinen Eingang in die offiziellen Konsullisten. [J.K.]

1237 Nachdem er ihren Rheinübergang erwähnt hat, verfolgt Prosper nun den weiteren Weg der Vandalen bis nach Africa. Dass dieser letztliche Zielort des Volkes das eigentliche Interesse für den Chronisten darstellt, zeigt sich hier deutlich, immerhin spielt Spanien in Prospers Bericht ansonsten so gut wie keine Rolle. Die Invasion der Halbinsel an sich wäre ohne den späteren Übergang der Vandalen nach Africa für den Chronisten also kaum erwähnenswert gewesen. Dieses eher periphere Interesse wird gerade im Vergleich zu Prospers Zeitgenossen Hydatius überdeutlich, der sich sogar mit verschiedenen Traditionen zum Datum der genannten Invasion beschäftigt.2 In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einfall der Barbaren in Spanien stand die Rebellion des magister militum Gerontius gegen seinen Kaiser Konstantin III. Ehling zeigt, dass Gerontius das Eindringen der Vandalen zumindest insofern beförderte, als er mit ihnen Friedensverträge schloss. Dies sei auch der Grund für seine Absetzung durch Konstantin gewesen, die Gerontius dann in die Rebellion getrieben habe.3 Für Spanien selbst waren

1

Bagnall, Consuls 352 f. (a. 409). Hyd. chron. 42. Das Interesse des Spaniers Hydatius ist naheliegend. Humphries, Chronicle 163 nimmt diesen Unterschied hier als ein Indiz dafür, dass sich die beiden Chronisten ab etwa 399 nicht mehr auf eine gemeinsame Grundquelle stützten, wovon er für die Zeit davor noch ausgeht. Vgl. S. 155 Anm. 3. S. 163 Anm. 1. Zum Vordringen der Vandalen bis 409 generell: Castritius, Wandalen 180–2. 3 Vgl. Ehling, Geschichte 8. Auch in den Quellen werden beide Situationen aufeinander 2

Olymp. frg. 17,1 (Blockley) = frg. 16 (Müller); Soz. 9,12 f.; Zos. 6,5,2. Der Zusammenhang mit der Gerontius-Revolte wird auch von Kulikowski, Barbarians 331–3. 337 gesehen, hier dient die Rebellion des Gerontius gegen Konstantin III. aber als Voraussetzung für den Einfall der Barbaren in Spanien.

186

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

die Ereignisse von großer Bedeutung. Waren die dortigen Provinzen bis dahin von den Auswirkungen der Völkerwanderung so gut wie nicht betroffen, so kam es nun zu einer dauerhaften Krise, die mittelfristig zur Lösung der Halbinsel aus dem römischen Herrschaftsverband führen sollte.1 [J.K.]

1238 Die Wirren, in denen sich das Weströmische Reich zu Beginn des fünften Jahrhunderts befand, zeigten sich nicht zuletzt daran, dass es mit Konstantin und Priscus Attalus nun zwei Usurpatoren zur gleichen Zeit gab. Nachdem Stilicho 408 hingerichtet worden war, waren die Westgoten unter Alarich wieder in Italien eingefallen und hatten Rom belagert. Um seine Position in den zeitgleichen Verhandlungen mit Kaiser Honorius zu stärken, ließ Alarich 409 den praefectus urbi Attalus durch den Senat in Rom zum neuen Kaiser ausrufen.2 Erst als der König wenig später bemerkte, dass der Usurpator seine Position gegenüber Honorius faktisch eher schwächte, setzte er Attalus kurzerhand wieder ab.3 Dass Attalus also sein Kaisertum nur der Unterstützung durch die Goten zu verdanken hatte, war bereits den Zeitgenossen bewusst. Nicht zuletzt die arianische Taufe im Zuge seiner Erhebung war ein deutliches Zeichen dafür.4 Prosper weist auf diese Verbindung von Attalus und Alarich indirekt hin, wenn er erwähnt, dass sich der ehemalige Kaiser auch in der Folge im Umfeld der Goten aufhielt. Im Jahr 414 konnte er daher in einer ähnlichen Situation noch einmal kurzzeitig zum Kaiser erhoben werden. [J.K.]

1

Stroheker, Spanien 595 f. Die Chronik des Hydatius (als KFHist G 9 Teil des vorliegenden Projekts) beschreibt diesen Prozess eindrücklich. 2 Das vorherige Amt des Attalus ist breit bezeugt, genauso der Umstand, dass er sich noch im Amt befand, als Alarich ihn zum Kaiser erhob: Chron. Pasch. a. 411; Olymp. frg. 6 (Blockley) = frg. 3 (Müller); Philost. 12,3,4; Soz. 9,8,1; Zos. 5,46,1. 6,7,1. Allgemein zu Attalus: PLRE 2, 180–2 (Priscus Attalus 2). 3

Verhandlungsmasse: Cesa, Matrimonio 25–31; Faber, Athanarich 164 f.; Heather, Goths 213–18, 215 f.; Matthews, Aristocracies 284–306, v. a. 291–9. 4 Vgl. Soz. 9,9,1. Philost. 12,3,4 hingegen bezeichnet Attalus, vielleicht eingedenk seiner späten Taufe, als Heiden.

Kommentar

187

1240 Das genaue Tagesdatum in der Epitome (V) ist offensichtlich nachträglich von einem Bearbeiter eingefügt worden. [M.B.] Nach seinen gescheiterten Verhandlungen mit Honorius hatte Alarich im Jahr 410 Rom belagert und schließlich eingenommen. Es kam zur Plünderung der Stadt, in deren Folge unter anderem die Schwester des Honorius, Galla Placidia, verschleppt wurde.1 Hinsichtlich der Tragweite des Ereignisses und der Reflexe, die der Fall der „Ewigen Stadt“ bei anderen Zeitgenossen hervorgerufen hat, wirkt der Bericht über die Eroberung Roms durch die Westgoten bei Prosper geradezu beiläufig. Während aber andere Quellen das Ereignis zumeist unter der leitenden Fragestellung eines göttlichen Eingreifens in die Geschichte betrachten, sind Prosper solche Gedanken direkter göttlicher Intervention insgesamt fremd. Aus diesem Grund kann ihm die Eroberung Roms auch nicht als Beispiel für ein entsprechendes Wirken Gottes dienen, weshalb er sich nicht am Diskurs um die religiöse Signifikanz des Ereignisses beteiligt.2 [J.K.]

1241 Prosper erklärt die einfache Besetzung des Konsulats für die Jahre 410 und 411 mit den Wirren in Folge der Eroberung Roms durch die Westgoten. Zumindest für das Jahr 410 ist dieser Zusammenhang jedoch nicht gegeben, immerhin war die Stadt erst im Sommer eingenommen worden. Vielmehr wurde in Rom noch auf Beschluss des Usurpators Attalus ein gewisser Tertullus zum Konsul ernannt, den aber weder Honorius noch Theodosius II. anerkannten.3 Insofern ist die einfache Konsulatbesetzung zwar mit den Wirren in Rom seit 408 zu erklären, nicht aber speziell mit der Eroberung der Stadt 410. So oder so aber hatte Honorius durch den Goteneinfall in Italien, den Vandalenzug und die Usurpationen von Konstantin und Attalus für 1

Verschleppung Galla Placidias u. a. Zos. 6,12,3. A De civitate Dei ein Reflex auf die Debatten rund um das fragliche Ereignis war. Zu verschiedenen zeitgenössischen Wertungen des Ereignisses und seiner Wirkungsgeschichte v. a.: Meier/Patzold, August 410, 13–82 (Zeitgenossen). 83–112 (spätere antike Autoren). 3 Bagnall, Consuls 354 f. (a. 410). 2

188

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

den Moment nicht genug Macht, um selbst einen Konsul für den Westen zu erheben. Dass Theodosius II. in dieser Situation darauf verzichtete, entweder den Konsul des Attalus anzuerkennen oder aber selbst einen zweiten Konsul im Osten zu erheben, kann als Unterstützung seines Onkels gewertet werden. Die Bestellung der Konsuln selbst war ein Zeichen der fortdauernden Zusammengehörigkeit beider Reichsteile, kam doch meist jeweils ein Konsul aus dem Westen und einer aus dem Osten des Imperiums.1 [J.K.]

1242 Die Wirren, die die Eroberung Roms durch die Goten und die damit zusammenhängende Destabilisierung der Kerngebiete des Westreichs in den vergangenen Jahren hervorgerufen hatten, waren laut Prosper auch noch im folgenden Jahr spürbar.2 [J.K.]

1243 Die Hs. H gibt den genauen Ort an, an dem der Usurpator Konstantin III. hingerichtet wurde: ac post in italiam adductus interficitur in loco ubi mincia fluvius oritur. Da die Niederschlagung Konstantins zuvor in äußerster Knappheit dargestellt wird, überrascht diese Genauigkeit hier. Italien als Ort der Hinrichtung des Konstantin ist sonst nicht belegt. Der Grund für die offensichtliche Interpolation liegt vielleicht in dem Bestreben, die Episode mit lokalen, italischen Gegebenheiten zu verbinden. Auch die übrigen Zusätze in H zeichnen sich durch die Nennung italischer Orte aus, vgl. z. B. 1208. 1228 (Florenz). 1235a (Rom, Pavia, Ravenna). 1251 (Ravenna). 1310 (Rimini). 1364. 1367 (Aquileia). 1374a (Ravenna) (vgl. Muhlberger, Copenhagen Continuation 71–77 [Zusammenstellung der Zusätze in engl. Übersetzung, Zählung orientiert sich an Mommsens Prosper-Ausgabe]; den Text der

1

Modi der Nominierung und Bedeutung der Z Kaiser des jeweils anderen Reichsteils: Bagnall, Consuls 15–8. 24–6. Vgl. auch Sguaitamatti, Konsulat 98–113. 106 f. 2 Vgl. aber zur Zählung der Konsulate im Osten des Reichs Bagnall, Consuls 356 f. (a. 411). Zur Erklärung des nur einfach besetzten Konsulats: c. 1241.

Kommentar

189

Zusätze ediert Mommsen innerhalb der Consularia Italica, Chron. min. 1, 298–304; zur Hs. H und ihren Interpolationen vgl. Einl. Kap. IV.4). Maximum Die meisten Hss. haben Maximum quendam, dagegen Maximum allein überliefern – wahrscheinlich richtig – MY. Prosper gebraucht zwar adjektivisches quidam häufig, um nicht näher bekannte Personen zu bezeichnen, aber quidam steht nie bei einem Eigennamen allein, sondern immer neben einer Standes- oder Amtsbezeichnung (vgl. 1187. 1292. 1310. 1348. 1358). Die Verwendung hier ist also unüblich und auch deshalb verdächtig. Der fremde Einschub könnte den Zweck haben, den äußerst knappen Bericht vom Ende Konstantins aufzulockern, der die Namen von sechs Protagonisten, davon fünf neu eingeführten, aufreiht. [M.B.] Das Ende der Konstantin-Usurpation ist in Prospers Darstellung bis zur Unverständlichkeit verkürzt. Der Grund hierfür ist hauptsächlich, dass der Chronist die verschiedenen Ereignisse rund um das Scheitern des Konstantin, die faktisch einen Zeitraum von mindestens drei Jahren abdeckten, in einem Bericht zusammenfasst. Für Prosper war der innere Zusammenhang der beschriebenen Einzelereignisse offensichtlich wichtiger als die konkrete zeitliche Abfolge des Geschehens. Konstantin hatte seine Position in Gallien – auch unter Ausnutzung der Wirren, die Alarich in Italien hervorgerufen hatte – zunächst konsolidieren können und Residenz in Arles bezogen. Von hier aus kontrollierte er auch Spanien, wohin er seinen Sohn Constans als caesar zusammen mit dem magister militum Gerontius zur Niederschlagung von Aufständen gegen seine Herrschaft entsandte.1 Auch gelang es dem Usurpator, kurzzeitig Anerkennung durch Honorius zu erfahren.2 Seine Machtbasis fing aber früh an, Stück für Stück zu bröckeln. Zunächst zeigte sich Gerontius im Jahr 409 nicht fähig oder nicht willens, den Zug der Vandalen nach Spanien aufzuhalten, woraufhin Britannien von Konstantin abfiel. Auch Gerontius sagte sich daraufhin noch 409 vom Usurpator los und ernannte mit Maximus einen eigenen Kaiser, wodurch Konstantin die Kontrolle über Spanien verlor.3 Der 1

Zu Gerontius: PLRE 2, 508 (Gerontius 5). Vgl. auch Olymp. frg. 17,1 (Blockley) = frg. 16 (Müller); Oros. hist. 7,42,4; Zos. 6,2,4; 6,5,1 f. Mit Zos. 6,2,4 stammte der magister militum ebenfalls aus Britannien. Prosper erwähnt im Gegensatz zu anderen Quellen hingegen 2

Zos. 5,43; Olymp. frg. 13,1 (Blockley) = frg. 12 (Müller). Maximus sei mit Sulp. Alex. (Greg. Tur. Franc. 2,9) cliens des Gerontius gewesen. Vgl. Soz. 9,13,1. Vielleicht handelte es sich sogar um den Sohn des magister militum: Olymp. frg. 17,1 (Blockley) = frg. 16 (Müller). Für einen Überblick über die Forschungsdiskussion zum 3

190

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

caesar Constans wurde wenig später, vielleicht 410, in einer Schlacht bei Vienne von Gerontius gefangengenommen und hingerichtet, woraufhin der magister militum dann 411 Konstantin in Arles einschloss. Hier wurde der aufständische General nun aber seinerseits von den Heerführern des Honorius, Constantius und Ulfilas1, vertrieben, die daraufhin die Belagerung des Usurpators selbst fortsetzten. Schließlich ergab sich Konstantin und wurde trotz einer ihm gegebenen Sicherheitsgarantie von Constantius hingerichtet.2 Von Bedeutung für den Fortgang der Chronik ist der Eintrag jedoch vor allem aus einem Grund: Prosper führt im Zusammenhang mit der Niederschlagung der Konstantin-Usurpation den eigentlichen Protagonisten seiner Chronikedition von 433 ein, nämlich Constantius. Dessen Karriereweg wird von nun an genau verfolgt, bringt die Chronik ihn doch in einen engen Zusammenhang mit der Stabilisierung der verworrenen politischen Verhältnisse. Die herausragende Bedeutung des Constantius für die kurzzeitige Erholung des Weströmischen Reichs deutet sich dabei im vorliegenden Eintrag bereits an. Letztlich ist er es, der für die Wiederherstellung der legitimen Herrschaft des Honorius verantwortlich ist.3 [J.K.]

1245 Nach der Niederschlagung von Konstantin und Constans galt es für Ravenna, den von Gerontius erhobenen Folge-Usurpator Maximus auszuschalten. Während Gerontius bald nach seiner Flucht vor Constantius in militärisch

Verhältnis von Gerontius und Maximus: Scharf, Kaiser Maximus 374 f. Anm. 2 f. Zum Usurpator selbst vgl. PLRE 2, 744 f. (Maximus 4). 1 Ulfilas amtierte nach PLRE 2, 1181 (Ulphilas) entweder als magister equitum in praesenti oder als magister equitum per Gallias. Demandt, Magister militum 643 f. spricht sich deutlich für die letztere Variante aus. Mit Ebd. 629 begegnet auch Constantius hier erstmals als magister militum. 2 Marcell. chron. a. 411,3; Hyd. chron. 50. Das Schutzversprechen erwähnen u. a. Olymp. frg. 17,1 (Blockley) = frg. 16 (Müller); Soz. 9,15,2. Zur Bleckmann, Constantinus III v. a. 455–60; Drinkwater, Usurpers 271–87; Ehling, Geschichte 4–11; Kulikowski, Barbarians 333–41; Matthews, Aristocracies 308–13. 3 Vgl. Muhlberger, Chroniclers 91. Zur frühen Karriere des Constantius: PLRE 2, 321–5 (Fl. Constantius 17).

Kommentar

191

aussichtsloser Lage Selbstmord begangen hatte1, finden sich über das Schicksal seines Günstlings widersprüchliche Angaben. Entgegen Prospers Nachricht scheint der Usurpator nämlich nach dem Tod des Gerontius zu den Resten der gemeinsamen Truppen in Spanien geflohen zu sein, wo er sich zumindest im Jahr 417 noch aufhielt.2 Wahrscheinlich wurde er dort dann um 418 nochmals zum Kaiser erhoben, vom comes Asterius besiegt und 422 in Ravenna hingerichtet.3 Diese zweite Erhebung passt sich gut ein in das, was über den Rahmen des ersten Kaisertums des Maximus plausibel zu rekonstruieren ist: Wenn es sich bei den Truppen des Usurpators in Spanien in erster Linie um die von seinem magister militum Gerontius 409 in die Provinz geholten Vandalen handelte, so hielt sich der gescheiterte Usurpator nach 411 im Umfeld des Vandalenkönigs Gunderich auf, ähnlich wie der mit den Goten ziehende Attalus. Die Erhebung des Maximus hatte dementsprechend schon 409 den Zweck, dass Gerontius über ihn „kaiserlich“ abgesicherte foedera mit den Barbaren schließen konnte. In der Situation um 418 dann, als die inzwischen mit Ravenna verbündeten Westgoten in Spanien gegen die Vandalen operierten, kann der Vandalenkönig nun seinerseits versucht haben, seinen gotischen Feinden über „seinen“ Kaiser Ansiedlungsangebote zu unterbreiten.4 Prosper hingegen erweckt den Eindruck, als habe sich der Usurpator nach der Niederlage des Gerontius bereitwillig von der Herrschaft zurückgezogen und sei wegen dieser „Bescheidenheit“ und „Demut“ von Honorius nicht weiter belangt worden. Offensichtlich war der Chronist dabei aber gar nicht am tatsächlichen weiteren Weg des Maximus interessiert, sondern nutzte die Person des Usurpators lediglich als Aufhänger für eine moralische Botschaft. Indem Maximus aufgrund von Demut und Bescheidenheit geschont wird, stellt Prosper einen engen Zusammenhang zwischen den mora-

1

Soz. 9,13,4–7. Dagegen wird er bei Oros. hist. 7,42,4 durch Reste seiner Truppen getötet, wiederum aber wegen der militärischen Lage. 2 Orosius, dessen Werk bis in eben dieses Jahr reicht, erwähnt den fortgesetzten Aufenthalt des Maximus in Spanien: Oros. hist. 7,42,5. 3 Marcell. chron. a. 422,2; Chron. Gall. (452) der wahrscheinlichen aber nicht gänzlich sicheren Identifikation der beiden Maximi als einund dieselbe Person. Von dieser geht bspw. Kulikowski, Career 123–6 aus. 4 So jedenfalls Scharf, Kaiser Maximus 383 f. Ähnliche Interessen barbarischer gentes lassen sich bei der Erhebung des Jovinus zum Kaiser greifen. Vgl. Komm. zu c. 1251.

192

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

lischen Qualitäten und dem Schicksal einer Person her. Ein ähnlicher Zusammenhang wird auch an anderen Stellen der Chronik noch zu beobachten sein.1 [J.K.]

1246 Athaulf, der Schwager des noch im Jahr 410 verstorbenen Alarich, ist nach Athanarich erst der zweite Gotenkönig, der von Prosper auch als solcher bezeichnet wird. Alarich und Radagaisus hingegen erschienen lediglich als duces.2 Dass Athaulf die Westgoten nun von Italien aus, wo sie nach dem Tod Alarichs verblieben waren3, nach Gallien führte, beendete vordergründig die durch ihre Invasion Italiens hervorgerufene Stabilitätskrise des Weströmischen Reichs. Durch den mittlerweile errungenen Sieg über den Usurpator Konstantin, den Abzug der Goten aus Italien und die im kommenden Jahr folgende Niederschlagung der Jovinus-Usurpation – mit der der Athaulf-Zug in Verbindung stand –, hatte Honorius seine zwischenzeitlich stark bedrohte Herrschaft wieder festigen können. Indem Prosper aber den Weg der Goten eben nicht als Rückzug aus Italien, sondern als Einmarsch in Gallien beschreibt, deutet er bereits an, dass die Probleme des Reichs noch keinesfalls gelöst waren. Auch in Gallien sollten die Goten, die darüber hinaus Honoriusʼ Schwester Galla Placidia in ihrer Gewalt hatten, eine gewichtige Bedrohung für die Regierung in Ravenna bleiben. [J.K.]

1247 In der MY-Rezension, die vielleicht Prospers Edition von 455 repräsentiert, fehlt der Eintrag. Ein Grund für die nachträgliche Tilgung der HerosPatroclus-Episode durch Prosper oder einen weiteren Bearbeiter mag darin liegen, dass die geschilderte skandalöse Absetzung des Bischofs von Arles einen Schatten auf Constantius wirft – bei allem Bemühen des Chronisten, 1

Von mehreren Beispielen am deutlichsten c. 1294 (Sanoeces) und 1335 (Litorius). Vgl. c. 1218. 1240. Athanarich rex: c. 1177. Halsall, Beleg dafür, dass die Vorstellung, die Goten seien schon immer von Königen regiert worden, eine erst spätere Tradition darstellt. Zur Frage nach den Titeln einzelner Gotenführer: Faber, Athanarich. Zu Athaulf: PLRE 2, 176–8 (Athaulfus). 3 Vgl. Iord. Get. 159 f. 2

Kommentar

193

die Rolle des magister militum klein zu halten. Immerhin führte die Vertreibung des Bischofs Heros durch die Bevölkerung dazu, dass ein Favorit des Constantius dessen Nachfolge als Bischof antrat. Wenn Prosper auch nicht das Eigeninteresse des Constantius bei diesem Vorgang in den Vordergrund rückt, so scheint dieses doch in dem ausdrücklich angeführten Motiv durch, dem Constantius mit der Umbesetzung gefallen zu wollen. Ein weiterer Grund für die spätere Ausscheidung des Eintrags könnte sein, dass er der letzte längere ist, der rein gallisch-kirchliche Verhältnisse betrifft. Prosper legt aber im Verlauf der Chronik den Fokus immer mehr auf die römische Kirche (vgl. Einl. Kap. III.2.b). Dieser Ausrichtung mag er in der 455er Edition dadurch Rechnung getragen haben, dass er die Episode um den Bischof von Arles ganz aus der Chronik genommen hat. eiusdem civitatis idem ersetzt im Spätlatein häufig is in anaphorischer Funktion, vgl. H.-Sz. 2,188; Galdi, Untersuchungen 201 f. Hier ist aber auch die klassische Bedeutung als verstärktes is „eben dieser“ möglich. Dass die Unterscheidung von Identitäts- und Demonstrativpronomen generell schwindet, zeigen in unserem Text zum einen der Wechsel der einleitenden Formel eodem anno, eodem tempore bzw. per idem tempus (1191. 1247. 1252. 1322. 1329. 1330. 1337. 1376) mit hoc (quo) tempore, hac tempestate oder hoc anno (1186. 1261. 1265. 1278. 1332. 1336. 1350. 1352. 1358), zum anderen die hss. Varianten eidem zu ei (1271), eandem zu eam (1338), eorundem zu eorum (1350). per ipsum i. q. per id. ipse wird im Spätlatein mit zunehmender Tendenz als Demonstrativ- bzw. Determinativpronomen verwendet und tritt in diesen Funktionen in Konkurrenz zu is, iste, ille, vgl. H.-Sz. 2,189 f.; Väänänen, Introduction 121; Stotz 4,407. Vgl. auch c. 1288 bis. 1294. 1327. 1348. 1370. 1375. Daneben findet sich ipse in seiner ursprünglichen Funktion als Intensivpronomen, vgl. c. 1252. 1304. 1335. 1375. materia i. q. causa, origo, fons, initium. Vgl. z. B. Aug. civ. 19,8 materia malorum; Amm. 20,4,15 discordiarum materias excitaret; Amm. 20,9,9 u. ö.; Ambr. in psalm. 118 serm. 11,21,5 (ThLL s. v. Sp. 463,30–464,13). Vgl. auch c. 1278. 1342 (und Komm. zu 1278). [M.B.] Heros von Arles hatte sich während der Usurpation Konstantins offensichtlich auf dessen Seite geschlagen. Vielleicht war er sogar gegen den Willen

1

Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 30 f. So auch: Heinzelmann, Affair 244.

194

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Da es auch Heros war, der den Usurpator kurz vor dessen Ende zum Presbyter ordiniert hatte1, war seine Absetzung in Folge der Niederschlagung des Konstantin zwangsläufig. Die von Chron. Gall. (452) 74 erhobenen Simonievorwürfe gegen den Heros-Nachfolger Patroclus deuten darüber hinaus auf eine ganz allgemeine Umbesetzung der kirchlichen Hierarchie Südgalliens nach 411 hin.2 Obwohl diese personellen Konsequenzen sicherlich, wie von Prosper angedeutet, ganz im Sinne des von der Chronik positiv gesehenen Constantius waren, kritisiert der Chronist das Vorgehen in Arles aufs Schärfste. Die Bezeichnung des Heros als vir sanctus, sein Schülerverhältnis zu Martinus von Tours und das deutlich als unkanonisch gebrandmarkte Vorgehen sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache. Für diesen Befund lassen sich zwei Gründe anführen: Zum einen sollte sich Heros in seinem Exil in Palästina gegen das Wirken des Pelagius dort richten, was nicht unerheblich zur positiven Charakterisierung des abgesetzten Bischofs durch Prosper beigetragen haben dürfte.3 Zum anderen kann Prosper mit der Darstellung der Ersetzung eines „heiligen“ durch einen lediglich einflussreichen Bischof einmal mehr den Übergriff politischer auf kirchliche Sphären kritisieren, wie er es beispielsweise im Priscillian-Fall getan hat.4 Das Verletzen kanonischer Regeln – gegen Heros hätten ja keine Anklagen vorgelegen – aus Rücksichtnahme auf politische Ratio will der Chronist nicht dulden. Daher rührt auch sein Bemühen, den Einfluss des von ihm maßgeblich positiv gezeichneten Constantius auf die Ersetzung des Heros herunterzuspielen. Weder wird die unkanonische Umbesetzung des Bistums explizit der Initiative des magister militum zugeschrieben noch wird erwähnt, ob die Einsetzung des Patroclus der Stadt das Wohlwollen des Feldherrn wirklich hatte sichern können. Unklar äußert sich Prosper auch über die Gründe, die zu den großen Uneinigkeiten unter den gallischen Bischöfen geführt hätten. Faktisch nämlich erregte die Episode an sich wohl wesentlich weniger Anstoß als die spätere konkrete Amtsführung des neuen Bischofs von Arles. Patroclus versuchte, Arles zum Obermetropolitansitz für das südliche Gallien aufzuwerten, was 1

Priesterweihe des Konstantin: Olymp. frg. 17,1 (Blockley) = frg. 16 (Müller); Soz. 9, 15,1. Laut Bleckmann, Constantinus III 461 sei dies der erste Versuch eines stürzenden Herrschers gewesen, sein Leben durch den Übertritt in den Klerikerstand zu retten. 2 3

Zu diesem Wirken: Aug. gest. Pelag. 1,2. 16,39. 35,62. Vgl. c. 1187. 1193. Dazu auch: Muhlberger, Chroniclers 80–2. Die explizite Nennung des Martinus mag ein Hinweis auf eine solche Verknüpfung der beiden gallischen Konfliktsituationen sein. 4

Kommentar

195

nach der Verlegung der gallischen Präfektur von Trier nach Arles um das Jahr 400 zwar einer gewissen reichskirchlichen Logik entsprach, aber nichtsdestotrotz zu massiven Widerständen führte.1 Dass Prosper hier die Konfliktgründe innerhalb des gallischen Episkopats nicht allzu deutlich benennt, mag einem gewissen Schutz römisch-bischöflicher Integrität geschuldet sein, immerhin stand Papst Zosimus in den gallischen Hierarchiekämpfen 417 auf der Seite des Patroclus.2 Diese und andere Kontroversen um das Pontifikat des Zosimus verschweigt die Chronik aber. Der vorliegende Eintrag stellt zugleich die letzte detaillierte Behandlung kirchlicher Verhältnisse in Gallien dar.3 Mit dem nun folgenden Auftreten des Pelagius in Africa richtet Prosper seinen Fokus ganz auf die römischen Bischöfe und ihren Kampf gegen Häresien. In dieser Fokusverschiebung spiegelt sich zugleich Prospers grundlegendes ekklesiologisches Konzept: Der Chronist wendet sich ab vom zerstrittenen gallischen Episkopat und richtet seinen Blick auf das einheitsstiftende Papsttum. [J.K.]

1249 Heraclianus war von Honorius zum comes Africae erhoben worden. Als solcher rebellierte er 413 gegen den Kaiser, wurde aber bei seinem Versuch, Rom zu erobern, zurückgeschlagen, daraufhin in Africa gefangen genommen und schließlich hingerichtet. Der offizielle Vorwurf gegen ihn war eine angebliche Usurpation.4 Prosper jedoch bezeichnet Heraclianus nicht explizit als Usurpator. Dies kann erklären, wieso die Chronik die Vorwürfe ihm 1

Der Modus der Angleichung ziviler und kirchlicher Hierarchien wird bspw. aus Novell. Iust. 11,1 deutlich, im Zusammenhang des Übergangs der zivilen illyrischen Präfektur von Sirmium auf Thessalonike im Jahr 441, der zur Änderung der kirchlichen Hierarchie führte. Streit um den südgallischen Metropolitansitz: Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 27–76. Verlegung der Präfektur mit möglicher chronologischer Rekonstruktion: Drinkwater, Usurpers 274. 276 f. Vorsichtiger: Bleckmann, Arelate 165–7; Bleckmann, Ende der römischen Herrschaft 578–85. 2 Vgl. hierzu Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 48–60. 3 Die spätere Darstellung des Patroclus-Todes (c. 1292) muss für den Chronisten inhaltlich eher als politisches Ereignis gelten. 4 Mit Soz. 9,8,3–7 hatte er sich gegen seine Abberufung durch Attalus gerichtet, dies aber vielleicht im Glauben, dass der Abberufungsbefehl von Honorius käme. Auch bei Oros. hist. 7,42,10–4 stellt sich die Episode einigermaßen undurchsichtig dar. Zu Heraclianus generell: PLRE 2, 539 f. (Heraclianus 3).

196

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

gegenüber derart unspezifisch wiedergibt und die eigentliche Geschichte um seinen Fall nicht thematisiert wird. Wahrscheinlich ging es Prosper, wie auch an anderen Stellen, in erster Linie darum, das nur einfach besetzte Konsulat für das Jahr 413 zu erklären. Wenn dem Chronisten darüber hinaus eines erwähnenswert erschien, dann dass die Rebellion des Heraclianus ihren Ausgang in Africa genommen hatte. Die Kontrolle gerade dieser Region wird von der Chronik immer wieder als Problem für die Zentralregierung in Ravenna dargestellt.1 [J.K.]

1250 Die Burgunden waren 406 im Zuge des vandalisch-alanischen Rheinübergangs nach Gallien gelangt, hatten zunächst mit dem Usurpator Konstantin ein foedus geschlossen und waren in der Folge an der Erhebung des Jovinus zum Kaiser beteiligt.2 Es ist daher wahrscheinlich, dass ihrer von Prosper beschriebenen Landnahme eigentlich eine Ansiedlung durch die mit ihnen verbündeten „Kaiser“ zugrunde lag. Dass Prosper durch seine Wortwahl dagegen eine gewaltsame Aneignung des Landes am Rhein durch die Burgunden anzudeuten scheint3, liegt in erster Linie an Konstantin und Jovinus, die als Usurpatoren in Prospers Sicht eine entsprechende Maßnahme gar nicht hätten verfügen dürfen. Gemäß Hydatius, der für das Jahr 436 eine „Rebellion“ der Burgunden gegen die Römer erwähnt, muss es aber bald nach der Niederlage der o. g. Usurpatoren zu einem Vertrag mit den legitimen Vertretern des Reichs gekommen sein.4 Insgesamt spielen die Burgunden in der Chronik eine Nebenrolle. Außer hier tauchen sie nur noch einmal auf, im Zusammenhang mit ihrer Vernichtung durch die Hunnen. Diese Verbindung zu einer für Prospers Chronik 1

Vgl. die Darstellung Africas unter Bonifatius: c. 1278. 1286. 1294. Laut Castritius, Völkerlawine 37 f. seien sie Nachzügler der großen Invasion von 406/7 (c. 1230) gewesen. Vgl. zur Ansiedlung der Burgunden und ihrer Beteiligung an der JovinusErhebung: Sulp. Alex. (Greg. Tur. Franc. 2,9); Olymp. frg. 18 (Blockley) = frg. 17 (Müller). Dass die Ansiedlung im Zusammenhang mit der Konstantin-Usurpation stand, wird nirgends explizit erwähnt, aber durch die spätere Unterstützung des Jovinus durch die Burgunden plausibilisiert (Komm. zu c. sen erwartet haben dürften. 3 Bedeutung von optinere: Castritius, Völkerlawine 40 f. mit Martin, Entstehung 241 f. 4 Hyd. chron. 108. Zur Ansiedlung der Burgunden am Rhein und zu ihrer Vernichtung vgl. auch Stickler, Aëtius 180–5. 2

Kommentar

197

zentraleren Volksgruppe mag auch die Aufnahme der vorliegenden Notiz zur burgundischen Landnahme in Gallien erklären. Einige scheinbar nebensächliche Einträge der Chronik sind in erster Linie dem Bemühen des Chronisten geschuldet, eine Verständnisgrundlage für das spätere Auftauchen zentralerer Phänomene zu liefern. [J.K.]

1251 Nach der Niederlage des Konstantin war die Herrschaft des Honorius über Gallien noch keineswegs wieder hergestellt. Bereits 411, also in unmittelbarer Folge der Niederlage Konstantins, war in der Germania Secunda Jovinus zum Kaiser erhoben worden. Maßgeblich hieran beteiligt waren Alanen und Burgunden. Diese Germanenstämme hatten zuvor mit Konstantin foedera geschlossen, die sie auch nach der Ausschaltung ihres Vertragspartners noch beachtet wissen wollten, was sie nun zur Einsetzung eines neuen Kaisers veranlasste.1 Mit dem Zug der Westgoten nach Gallien kam es dann auch zu Verhandlungen zwischen Jovinus und dem Gotenkönig Athaulf. Als diese aber ins Stocken gerieten und Jovinus 412 seinen Bruder Sebastianus zum augustus erhob, verbündete sich Athaulf mit Honorius, zog gegen die Usurpatoren und schlug sie. Während Sebastianus unmittelbar hingerichtet wurde, konnte Jovinus zunächst fliehen, wurde dann aber in Valence gefangengenommen und dem praefectus praetorio Galliarum Dardanus überstellt. Dieser ließ auch ihn hinrichten und sandte die Köpfe von Jovinus und Sebastianus nach Ravenna.2 Obwohl die Jovinus-Usurpation sogar Eingang in die östliche Historiographie fand3, schweigt sich Prosper über Details aus. In der Kürze seines Berichts erwähnt er weder die Gründe für die Usurpation noch ihre Unterstützer. Auch die Details der Niederschlagung des gegenkaiserlichen Brüderpaares finden keine Erwähnung. Genau hierin aber mag der Grund für

1

Für Belege zu Usurpation und Usurpator vgl. PLRE 2, 621 f. (Iovinus 2). Auch: Scharf, Jovinus. Es gibt also eine inhaltliche Verbindung beider Usurpationen, wie sie Drinkwater, Usurpers 287–9, der aber zugleich die Rolle der Burgunden als „kingmakers“ relativiert, einleuchtend aufzeigt. 2 Chron. Gall. (452) 69; Olymp. frg. 20,1 (Blockley) = frg. 19 (Müller). Zur Usurpation der beiden Brüder: Drinkwater, Usurpers 289 f.; Lütkenhaus, Constantius III 52–62. Zu Dardanus: Drinkwater, Usurpers 290–2; PLRE 2, 346 f. (Claudius Postumus Dardanus). 3 Philost. 12,6.

198

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

die äußerst knappe Darstellung liegen: Zum einen konnte Prosper so die zentrale Rolle verschweigen, die der Constantius-Rivale Dardanus für den Abfall der Westgoten von Jovinus spielte. Zum anderen musste er in seiner Verkürzung des Geschehens nicht auf den wichtigen Beitrag der Westgoten für die Wiederherstellung der Herrschaftsgewalt des Honorius eingehen. In späteren Passagen der Chronik ist Prosper zwar bereit, die faktische und teils auch nutzbringende Rolle der Goten für die legitimen römischen Kaiser zu erwähnen1; nur drei Jahre nach der Eroberung Roms durch Alarich und der damit einhergehenden Entführung der Kaiserschwester Galla Placidia war es dafür dramaturgisch aber sicherlich noch zu früh. [J.K.]

1252 Die Darstellung des Inhalts der pelagianischen Lehre fehlt in MY. Dieses Faktum ist auch im Hinblick auf ähnliche Stellen in Prospers Chronikwerk bemerkenswert: Kennzeichnend für den Umgang Prospers mit der Chronik des Hieronymus ist nämlich die Einführung einer ‚kleinen Häresiegeschichte‘. Den Namen berühmter Häretiker, die bei Hieronymus genannt werden, fügt Prosper eine genaue Beschreibung ihrer jeweiligen Irrlehre hinzu, wobei er sich eng an die Darstellung in Augustinus’ Schrift De haeresibus anlehnt, vgl. c. 617 f. 634–36. 686. 689. 691. 796. 856. 890 f. 919. 1010. 1026. 1059. 1063. 1130. 1149. Hinzu kommen c. 808 aus Augustinus’ De civitate Dei 11,23 sowie in Prospers Eigenteil 1171 (nach Aug. haer. 70), 1297 und 1358 (in eigener Darstellung) (vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 70 f.). An vielen dieser Stellen ist die Textüberlieferung gespalten, insofern in der MY-Rezension die lehrhaften Einträge oft kürzer, manchmal aber auch länger als in den übrigen Hss. sind. CAL liefern in der Regel ein fast wörtliches Exzerpt aus Augustinus, während MY und die Zusätze in Labbés Edition eine gestraffte Version bieten (z. B. 634–36. 686. 919) oder eine durchaus detaillierte, aber freiere Wiedergabe (689. 1063. 1130) (zum Auctarium de variis haeresibus in der Edition von Labbé: Mommsen, Chron. min. 1,354; offensichtlich wurde Prospers Häresiegeschichte auch gesondert überliefert).

1

Vgl. die Friedenschlüsse zwischen Römern und Goten (c. 1259. 1271. 1338) sowie den gemeinsamen Kampf gegen die Hunnen (1364) und die Gleichsetzung der „gotischen Ruhe“ mit dem „Frieden mit den Römern“ (1371). Darüber hinaus Einl. Kap. III.1.c.

Kommentar

199

An der vorliegenden Stelle aber lassen die Hss. MY die Darstellung der Lehre des Pelagius, die sich in den übrigen Hss. im Anschluss an Aug. haer. 88 formuliert findet, gänzlich aus. Der dort überlieferte Text stammt sehr wahrscheinlich von Prosper. Mit den Häresieeinträgen in MY übereinstimmende stilistische Merkmale sind z. B. der Gebrauch des Verbs praedicare in den Formeln, die das Referat der Irrlehre einleiten (vgl. 686 a quibus praedicabatur. 891 praedicatore. 919 apud quos … praedicantur. 1297. 1358 praedicans), und die Neigung zu relativischen Satzanschlüssen, v. a. mit unde (686. 796. 891. 1026. 1063). Prosper entfernt sich hier in auffälliger Weise vom Wortlaut bei Augustinus, wobei die auf das Wesentliche konzentrierte Darstellung paradoxerweise an die Form der Einträge erinnert, die für den ersten Teil der Chronik in der MY-Rezension überliefert sind. Vgl. die Parallelen in Aug. haer.: 88,2 Pelagius setzt nach erfolgter Kritik an ihm die Gnade vor den freien Willen (liberum arbitrium), wobei aber der freie Wille zum Heil genüge: tamen posse homines sine gratia divina facere iussa divina; 88,5 vitam iustorum; 88,4 gratiam dei ... dicentes secundum merita nostra dari; 88,6 eos (sc. parvulos) sine ullo peccati originalis vinculo asserunt nasci; ebd. eos propterea baptizari, ut regeneratione adoptati admittantur ad regnum dei … non ista renovatione ab aliquo malo obligationis veteris absoluti. Der souveräne Umgang mit der augustinischen Vorlage, der den in der AOR-Rezension überlieferten Text in Parallele zu den Häresiekapiteln in der Hieronymus-Epitome setzt, lässt Prosper sowohl als Verfasser dieses Eintrags als auch der MY-Einträge der Epitome hervortreten. Zu erklären ist dann, wieso die Beschreibung des Pelagianismus in MY wegfällt. Dessen Bekämpfung gilt immerhin als ein Hauptanliegen sowohl des Theologen als auch des Chronisten Prosper. Eine Erklärung könnte sein, dass Prosper in seiner Edition von 455, der die Rezension von MY vielleicht entspricht, den dogmatischen Kampf, den er im Hieronymus-Teil der Chronik in den Fußstapfen des Augustinus führt, zugunsten der Darstellung des römischen Papsttums hintanstellt (vgl. Einl. Kap. I). Prosper überarbeitet daher den Text, indem er in der Hieronymus-Epitome die von ihm aus Augustinus hinzugefügten dogmatischen Passagen zugleich inhaltlich kürzt und stilistisch souverän gestaltet. Für die eigene Chronikfortsetzung scheinen aber offensichtlich ganz neue programmatische Vorgaben zu gelten: Die A sie der neuen historiographischen und theologischen Zielsetzung mit Schwerpunkt auf einer römisch zentrierten Ekklesiologie nicht mehr entspricht. Prospers Kirchenverständnis ist ein anderes geworden, die Autorität

200

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

des Papsttums erübrigt die dogmatische Diskussion. Dass gerade der wichtige Eintrag zu Pelagius derart gekürzt wird, mag zunächst verwundern, scheint aber aufgrund seines Umfangs verständlich. Zu beachten sind auch die äußerste Knappheit der Beschreibung des Priscillianismus in c. 1171 (trotz des Anschlusses an Augustinus) und die Kürze der Explikation der nestorianischen Häresie in c. 1297, die auf Prosper selbst zurückgeht. Im Vergleich zu den ausführlichen Darlegungen in der Hieronymus-Epitome fällt selbst die relativ lange Definition der eutychianischen Lehre knapp aus (1358). Aber es kann auch in diesem Fall letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein späterer Bearbeiter die Darstellung Prospers kürzte. [M.B.] Mit Pelagius wird der theologische Hauptgegner des Augustinus und des Prosper in die Chronik eingeführt. Wie zentral für den Chronisten der Kampf gegen den Pelagianismus war, zeigt die Tatsache, dass sich in der Folge mehrere Einträge mit der Reaktion orthodoxer Akteure auf diese häretische Herausforderung beschäftigen.1 Auch die Beschreibung der Häresie, die Pelagius und Caelestius in direkter Abgrenzung zu Augustinus entwickelt hatten, fällt dementsprechend recht detailliert und theologisch grundsätzlich zutreffend aus. Wie im Falle des Priscillian erweist sich der häretische Status für den Chronisten bereits in der Benennung der Häresie des Pelagius nominis sui. In der Vorstellung einer bruchlosen Überlieferung des rechten Glaubens von den Aposteln bis in die Gegenwart hinein entlarvten sich kirchliche Fehlentwicklungen durch ihren konkret benennbaren Beginn in der Geschichte.2 Pelagius lehrte, dass der Mensch vom Wesen her gut und daher auch dazu in der Lage sei, aus eigenem Willen heraus ein gottgefälliges Leben zu führen. Da mit dieser Betonung einer Freiheit des menschlichen Willens das Konzept der Erbsünde verworfen war, entfiel im pelagianischen Gedankengebäude auch die Notwendigkeit zur Säuglingstaufe.3 Die weiteren kirchengeschichtlichen Verwicklungen, die das Auftreten des Pelagius nach sich ziehen sollte, deutet Prosper an dieser Stelle mit dem

1

Muhlberger, Chroniclers 83–5 weist darauf hin. Vgl. c. 1261. 1265 f. [1268]. 1301. 1304. 1306. 1336. 2 Vgl. Komm. zu c. 1171. 3 Wie im Fall des Priscillianismus weist die Häresiebeschreibung an dieser Stelle Parallelen zu Augustinus auf: Aug. haer. 88. Für eine Würdigung der pelagianischen Lehre als Abgrenzung von Augustinus, die theologisch „These“ und „Antithese“ darstellen (Löhr, Verhältnis 63): Löhr, Lebensform.

Kommentar

201

Hinweis auf Caelestius und Julianus bereits an.1 Beide gehören in unterschiedliche Phasen der Kontroverse: Caelestius war schon 410 zusammen mit Pelagius nach Karthago gekommen und war vielleicht sogar der eigentliche Urheber derjenigen Lehren, die dann mit dem Namen des Pelagius in Verbindung gebracht wurden.2 Bei Julianus handelt es sich um den im Laufe der Chronik noch zweimal begegnenden Bischof von Aeclanum, der einer zweiten Phase des pelagianischen Streits angehörte. Sein Wirken fiel maßgeblich in die Zeit nach dem Tod des Pelagius um 418.3 Dass er bereits hier genannt wird, ist dem Umstand geschuldet, dass er später – zumindest in der Sicht Prospers – die gleichen Lehren vertrat wie die beiden anderen Häretiker. Der Eintrag weist dabei mit der Erwähnung des Julianus nicht nur in die Zukunft, sondern ist über ein anderes Detail auch mit zwei in der Chronik bereits geschilderten Ereignissen verknüpft: Die Information über die britannische Herkunft des Pelagius ist zwar historisch korrekt, angesichts dessen, dass sein Wirken in Rom begann und dann in Africa fortgesetzt wurde, aber inhaltlich verzichtbar.4 Es handelt sich bei der Herkunftsangabe des Häresiarchen um einen impliziten Verweis auf die ebenfalls von Britannien ausgehenden Usurpationen des Magnus Maximus und des Konstantin. So wie das Reich von Britannien ausgehend auf politischer Ebene in Unruhe versetzt worden war, so ist die Insel hier nun der Ausgangspunkt für eine theologische Bedrohung. Prosper legt damit den Schluss nahe, dass politische Instabilität das Aufkommen kirchlicher Fehlentwicklungen begünstige. So fiel ja auch der Streit um Priscillian in die Zeit der Maximus-Usurpation.5 Britannien wird in der Darstellung der Chronik in kirchlicher Hinsicht auch eine Unruheregion bleiben, die erst durch das konsequente Eingreifen des römischen Bischofs befriedet werden kann.6 [J.K.]

1

Becht-Jördens, Epigramme 292 bezeichnet die drei Theologen als „Dreigestirn des Pelagianismus“. 2 So zum Beispiel Brown, Augustine 344 f. und mit Nachdruck Becht-Jördens, Epigramme 291: Es sei Caelestius gewesen, der „den Stein ins Rollen gebracht“ hätte. Zu Caelestius ausführlicher: PCBE 2,1, 357–75 (Caelestius). 3 Vgl. c. 1304. 1336, jeweils mit Komm. 4 Zum Leben des Pelagius in augustinischer Verarbeitung: Löhr, Verhältnis 64–70. 5 Vgl. c. 1187. 6 Vgl. zu späteren pelagianischen Missionsversuchen in Britannien c. 1301.

202

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1254 consilio et Wieder bieten die Hss. MY eine kürzere Version und lassen consilio et aus. Die Variante lässt sich aber sprachlich und sachlich halten. [M.B.] Nach seiner ersten Absetzung als Kaiser war Attalus im Umfeld der Westgoten geblieben.1 Jetzt, nach dem Ende von Jovinus und Sebastianus, machte ihn der Gotenkönig Athaulf abermals zum Kaiser. Die neuerliche Erhebung des Attalus dürfte einem ähnlichen Zweck gedient haben wie dessen erste Kaiserproklamation 409. Durch die Erhebung eines ihnen loyal ergebenen Gegenkaisers versuchten die Goten, ihre Position in Verhandlungen mit der Regierung des Honorius um mögliche Siedlungsgebiete auf Reichsboden zu stärken.2 Diese Funktion des Attalus als „Marionette“ der Goten wird an dieser Stelle dabei noch deutlicher als in c. 1238. Wie schon 409 sollte der Usurpator seine Kaiserwürde nicht allzu lange behalten dürfen. [J.K.]

1256 Im Gegenzug für ihre Unterstützung bei der Niederwerfung des Jovinus war den Goten von Honorius wohl eine Ansiedlung in Gallien in Aussicht gestellt worden.3 Teil der Vereinbarungen war dabei sicherlich die Herausgabe der 410 aus Rom entführten Kaiserschwester Galla Placidia. Diesen Teil der Übereinkunft hatte der Gotenkönig Athaulf jedoch nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil hatte er Galla Placidia im Jahr 414 sogar selbst zur Frau genommen4, woraufhin es zu neuen Konflikten zwischen beiden Seiten kam, in deren Rahmen Athaulf unter dem Druck der Angriffe des Constantius nach Spanien ausweichen musste. Im Angesicht dieser Entwicklung scheint Attalus den Goten als Kaiser nicht mehr nützlich gewesen zu sein, weshalb er 1

Prosper weist in c. 1238 darauf hin. im Kontext der zweiten Attalus-Usurpation: Matthews, Aristocracies 316–9. Generell zur Politik des Athaulf gegenüber Rom: Pohl, Völkerwanderung 58–60. 2 Vgl. 3

tes vom Usurpator versprochen hatten. 4 Hyd. chron. 57; Olymp. frg. 24; Oros. hist. 7,40,2. 7,43,2; Philost.12,4,2; Chron. Gall. (452) 77; Chron. Gall. (511) 559 u. a. Vgl. auch die kurze Erwähnung der Eheverbindung bei Prosper in c. 1259.

Kommentar

203

nach 409 sein Amt ein zweites Mal verlor.1 Es ist denkbar, dass er dabei sogar noch in seiner Absetzung als Verhandlungsmasse diente. Prosper zumindest deutet an, dass der Usurpator dem Constantius nicht einfach ausgeliefert, sondern im engeren Sinne des Wortes „angeboten“ wurde. Attalus und Constantius werden in diesem Eintrag als konsequente Gegenentwürfe zueinander präsentiert, wodurch auch die vorliegende Stelle als Constantius-Lob gelesen werden kann. Während der Usurpator nur praesidio der Goten seine Macht erlangt hatte2 und diese nun, da er die Unterstützung des Athaulf verloren hatte, wieder abgeben musste, gründete der steile Aufstieg des Constantius auf der für Prosper einzig legitimen Machtquelle, nämlich auf seinem Dienst für den dynastisch legitimierten Kaiser Honorius. In der Chronik lassen sich die hierauf fußenden Karriereschritte des Constantius in einer Art cursus honorum nachvollziehen: Der nicht weiter spezifizierte dux von 411 erscheint bereits 412 als magister militum und tritt 414 sein erstes Konsulat an.3 Im vorliegenden Eintrag nun begegnet er sogar als patricius, dessen zentrale Bedeutung sich nicht zuletzt daran zeigt, dass der abgesetzte Usurpator Attalus ihm und nicht direkt Kaiser Honorius übergeben wird.4 Auch den weiteren Karriereweg des Constantius wird Prosper verfolgen: Bereits im folgenden Jahr wird er zum Schwager des Kaisers, bevor 417 ein zweites, 420 ein drittes Konsulat folgen. Schließlich endet der Aufstieg des Constantius mit der Erhebung zum Kaiser.5 [J.K.]

1

Zur zweiten Absetzung des Attalus: Olymp. frg. 14 (Blockley) = frg. 13 (Müller); Oros. hist. 7,42,9; Marcell. chron. a. 412,2. 2 Vgl. c. 1254. 3 Vgl. c. 1243. 1247. 1253. 4 Bereits für das Jahr 415 ist der patricius-Titel des Constantius zwar nur bei Prosper belegt, das muss aber nicht gegen die Glaubwürdigkeit dieser Datierung sprechen. Vgl. auch Demandt, Magister militum 630–2. Zweifelsfrei greifbar ist der Rang dann für 416: Cod. Theod. 15,14,14. Zum Patriziat allgemein: Barnes, Patricii; mandt, Magister militum 631 f.; O’Flynn, Generalissimos 85–7. Zumindest im Westen des Reichs kennzeichnete der Titel denjenigen der magistri militum, der die meiste und damit auch die faktische Macht im Reich besaß. 5 Vgl. c. 1262. 1272. 1273.

204

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1257 Athaulf war in Spanien ermordet worden, dies im engeren Sinne aber nicht von „einem seiner Leute“, wie Prosper behauptet, sondern vielmehr von einem Gefolgsmann des Sarus, eines ebenfalls gotischen Heerführers, der 412 oder 413 in einem Gefecht mit Athaulf ums Leben gekommen war.1 Prosper verkürzt diese Verwicklungen auf die an sich korrekte Information, dass der Gote Athaulf von einem anderen Goten tödlich verwundet wurde. Details der Aufsplitterung der Goten in verschiedene Anhängerschaften hingegen scheinen den Chronisten nicht weiter zu interessieren. Dass Prosper den Tod des Königs mit dem Verb perimere beschreibt, macht darüber hinaus deutlich, wie negativ das römische Athaulf-Bild gewesen sein muss. Zumindest in der frühesten Chronikfassung von 433 wird perimere sonst nämlich nur im Zusammenhang mit dem Tod von römischen Usurpatoren verwendet.2 In der Tat war es unter Athaulf niemals zu einem Ausgleich zwischen Römern und Goten gekommen. Dies gelang erst unter seinem Nachfolger Wallia, der 416 einen Frieden mit den Römern schloss und daraufhin im Namen Ravennas die Vandalen in Spanien bekämpfte, bevor er zurückgerufen und mit seinem Volk in Prospers Heimat Aquitanien angesiedelt werden sollte. Die Übernahme des gotischen Königtums durch Wallia war für Prosper aber keineswegs nur wegen dieser neuen Entwicklung römischgotischer Beziehungen berichtenswert. Sie bildete auch die Grundlage für die noch von Athaulf verweigerte Rückgabe der Kaiserschwester Placidia. Diese wurde daraufhin mit Constantius vermählt, dessen weiterer Aufstieg bis ins Zentrum der römischen Macht für Prosper also unmittelbar mit dem gotischen Thronwechsel zusammenhing.3 [J.K.]

1

PLRE 2, 978 f. (Sarus). Vgl. c. 1203 (Eugenius); 1251 (Jovinus und Sebastianus). 3 Vgl. Oros. hist. 7,43,12 f.; Hyd. chron. 60. Damit spielt Wallia eine positive Rolle in 2

Gotenkönig seinerseits erst den direkten Athaulf-Nachfolger Sigerich (PLRE 2, 987 [Segericus]) hatte töten lassen, bevor er selbst die Herrschaft antrat. Zum gotischen Herrschaftsübergang: Oros. hist. 7,43,9; Iord. Get. 163; Olymp. frg. 26,1 (Blockley) = frg. 26 (Müller). Zu Wallia: PLRE 2, 1147 f. (Vallia).

Kommentar

205

1259 In den Hss. sind zwei Fassungen des Eintrags überliefert, eine längere und eine gekürzte, die vielleicht beide auf Prosper selbst zurückgehen. Aber auch eine Kürzung von fremder Hand ist möglich. Die überwiegende Zahl der Hss. (ALOZXRFPHB) bringt eine durch chronologischen Rückgriff und Vorgriff angereicherte Version des Ereignisses von 416, der Rückkehr der entführten Placidia an den Hof des Honorius. Für die Echtheit dieser Variante spricht, dass Wallias Motiv für die Rückgabe der Placidia, nämlich dass er den Frieden mit Honorius suchte, im weiteren Bericht der Chronik quasi vorausgesetzt wird, vgl. c. 1271, wo von weiteren Maßnahmen zur Friedenssicherung die Rede ist. Die kürzere Variante, die sich in der MY-Rezension findet, lässt die Vorgeschichte, nämlich die Entführung der Schwester des Kaisers, sowie das Motiv für die Rückgabe durch Wallia weg; vor allem aber wird Placidias Ehe mit Athaulf ausgeschieden. Dadurch rückt neben der Rückgabe durch Wallia die zweite Ehe der Placidia mit dem patricius Constantius in den Vordergrund. Die Vermählung Placidias mit dem gotischen König Athaulf wird auch in der längeren Version nur en passant erwähnt, was der Diskretion des Chronisten geschuldet ist (Muhlberger, Chroniclers 90 f.). Die gänzliche Auslassung in der späteren kürzeren Version mag denselben Grund haben. Zu bedenken ist auch die generelle Tendenz zur Kürzung, die die MY-Rezension auszeichnet und für die letztlich auch ein späterer Epitomator verantwortlich sein kann. Die Kurzversion liegt auch Cassiod. chron. 1194 zugrunde, vgl. his conss. Gothi placati Constantio Placidiam reddiderunt, cuius nuptias promeretur. [M.B.] Prosper fasst mehrere Ereignisse unterschiedlichen Datums ob ihrer inhaltlichen Zusammengehörigkeit in einem Eintrag zusammen. So fand die Heirat Galla Placidias mit Athaulf bereits 414 statt, ihre Wiederkehr an den Hof des Honorius erfolgte 416, die Vermählung mit Constantius 417.1 Entgegen der Abmachungen, die er mit Ravenna im Rahmen der Abwehr des Usurpators Jovinus getroffen hatte, hatte sich Athaulf geweigert, die aus Rom entführte Schwester des Honorius an die Römer zurückzugeben, sondern die Prinzessin Anfang 414 in Südgallien zur Frau genommen. Der Gotenkönig spielte damit s 1

Vgl. Muhlberger, Chroniclers 97. Ähnlich chronologisch sammelnd geht die Chronik beispielsweise in c. 1243 vor.

206

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Ravenna um Siedlungsland aus: Wie zuvor die zweifache Erhebung des Attalus zum Kaiser, sollte jetzt die Eheschließung zwischen Athaulf und Placidia den Druck auf Honorius erhöhen. Aus der Verbindung ging sogar ein Sohn mit dem programmatischen Namen Theodosius hervor, der jedoch kurz nach seiner Geburt verstarb.1 Dass Prosper bis hierhin weder Galla Placidia noch ihre Ehe mit dem Gotenkönig erwähnt hat, ist aus Gründen politischer Opportunität nur allzu verständlich. Auch an der vorliegenden Stelle erfolgt die entsprechende Beschreibung ja ohne größere Details geradezu en passant. Dem Eintrag steht sogar gleichberechtigt eine noch kürzere Variante zur Seite, in der nur die Rückgabe der Prinzessin und ihre Heirat mit Constantius, nicht aber ihre vorherige Ehe mit Athaulf erwähnt werden.2 Nach dem Tod des Athaulf jedenfalls gestattete der neue Gotenkönig Wallia Placidia die Rückkehr. Prosper weist darauf hin, dass Wallia damit das gleiche Ziel verfolgte wie sein Vorgänger mit der Heirat der Prinzessin: eine Verständigung mit dem Reich zur Erlangung von Siedlungsland. Implizit lassen sich im Bericht der Chronik also innergotische Konflikte über den konkreten Weg zur Erreichung dieses Ziels und damit über die Ausgestaltung des Verhältnisses zu den Römern greifen. Prosper selbst ist auf römischer Seite Teil eines parallelen Diskurses über das Verhältnis zu den Goten.3 Wallia konnte durch sein kooperatives Verhalten ein Teilziel erreichen, ein foedus stattete die Westgoten mit dem Auftrag aus, die in Spanien eingefallenen Barbarenvölker zu bekämpfen.4 In Ravenna konnte nun gleichzeitig Constantius mit seiner Einheirat in die kaiserliche Familie eine weitere Stufe seiner Karriereleiter erklimmen. Der Chronist zeigt dabei durch seine Wortwahl, dass der patricius die Hand der Kaiserschwester auch tatsächlich verdiente5, war er doch zu dieser Zeit

1

Olymp. frg. 26,1 (Blockley) = frg. 26 (Müller). Zur Rolle der Heirat des Athaulf mit Galla Placidia: Cesa, Matrimonio 49. Zu Placidia: PLRE 2, 888 f. (Aelia Galla Placidia 4). 2 Auch Mommsen, Chron. min. 1,468 entscheidet sich nicht für eine der beiden Varianten. Muhlberger, Chroniclers 91 führt die Auslassung des Details in der kürzeren Version zu Recht auf „discretion rather than indifference“ zurück. 3 Prospers Stellung zu den Goten: Einl. Kap. III.1.c. Der Chronist spricht sich, wie Wallia auch, für ein kooperatives Verhältnis beider Völker aus. Mögliche Spuren eines entsprec 4 Oros. hist. 7,43,11–3; Hyd. chron. 60. Vgl. auch Wolfram, Reich 213. 5 […] eiusque nuptias Constantius promeretur. Honorius hingegen bekam mit der Vermählung die Möglichkeit, die seit Jahren wachsende Kluft zwischen militärischer Macht und kaiserlicher Familie im Westreich zu überwinden: Pawlak, Valentinian III 124.

Kommentar

207

längst der bestimmende Akteur im römischen Westen; vom eigentlichen Kaiser Honorius jedenfalls ist bei Prosper in der Folge kaum noch die Rede. Dass sich Constantiusʼ Aufstieg bei alldem auf legitime Ressourcen stützte, jetzt eben auf die Hand Galla Placidias, lässt ihn in der Chronik als Gegenentwurf sowohl zu den sich auf illegitime Ressourcen stützenden Usurpatoren als auch zum ersten Ehemann Galla Placidias, Athaulf, erscheinen. [J.K.]

1260 Das kurze Pontifikat des Zosimus, welches eigentlich erst 417 begann, erwies sich als äußerst desintegrativ. Kritik entzündete sich einerseits an seinem Verhalten im Streit um den gallischen Metropolitansitz, in welchem er Patroclus von Arles gegen Proculus von Marseille unterstützte, andererseits an der Politik gegenüber der africanischen Kirche im Streit um Pelagius. Hier hatte Zosimus kurzzeitig die Verurteilung von Pelagius und Caelestius durch seinen eigenen Amtsvorgänger Innocentius aufgehoben und damit in Africa massive Widerstände gegen den römischen Primat provoziert. Prosper verschleiert beide Kritikpunkte in den Einträgen seiner Chronik mehr oder minder geschickt.1 [J.K.]

1261 Die schwankende Überlieferung zeigt sich hier im Wechsel der Varianten vigore und industria und, damit zusammenhängend, industria und scientia in den beiden Handschriftenfamilien. In der MYLs-Rezension stehen die Varianten industria (sc. Afrorum) und scientia (sc. Augustini episcopi). Die meisten Hss. aber haben die Variante vigore zur Charakterisierung der Aktivität der africanischen Kirche im Kampf gegen die Pelagianer 1

Überblicke über Pontifikat des Zosimus in Hinblick auf die entsprechenden Konflikte: Brown, Augustine 359–62; Chantraine, Schisma 90 f.; Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 48– tenen Agierens des Papstes vgl. Komm. u. a. zu c. 1261. 1265. 1266. 1270. Bereits in der Hieronymus-Epitome verschwieg der Chronist problematisches Agieren von Päpsten. So berichtet Hier. chron. a. 349 (Helm 237b) davon, wie Papst Liberius ein häretisches Bekenntnis billigte. Prospers Hieronymus-Epitome hingegen verschweigt dies: c. 1076

208

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

(AORLeZXFPHB). Dieser Lesart zur Seite tritt in einigen dieser Hss. industria in Bezug auf Augustinus (AOR), in anderen Hss. scientia (ZXFP). H und B bieten ein Potpourri aus allen Varianten, auf vigore folgt industria et scientia (B) bzw. industria scientiae (H). Wir haben hier also einen Beleg für eine kontaminierte Überlieferung in ZXFPHB. Mit Mommsen sind die Lesarten der AOR-Rezension zurückzuweisen (vgl. dazu Mommsen, Chron. min. 1,377). Sie rühren von einer doppelten Wortinterpolation her. Die authentische Version liegt in den Hss. MY vor. Prosper würdigt darin durch die kausalen Ablative industria und scientia den erfolgreichen Einsatz des Augustinus und der africanischen Kirche, die mit Hilfe von Synoden die ganze Zeit über auf die Verurteilung der pelagianischen Lehre hingewirkt haben. Das Lob der Africaner, das in dieser Rezension greifbar ist, wirkt nuanciert. Neben der Tatkraft der Bischöfe insgesamt wird insbesondere Augustinus’ Gelehrsamkeit (scientia) – wie sie sich etwa in den Streitschriften gegen die Pelagianer zeigt – ins Feld geführt, wobei sich die Charakterisierung zum Bild von Augustinus fügt, das Prosper in der Chronik auch sonst zeichnet, vgl. 1204. 1304. Dem Interpolator in AOR scheint vor allem daran gelegen zu sein, den kraftvollen Ausdruck vigor anzubringen (vigor anstelle von vis, potentia ist im Spätlatein beliebt; vgl. Prosp. sent. 204 vigor fidei; Oros. hist. 2,4,23; 2,5,10 u. ö., häufig auch in den africanischen Konzilsakten, z. B. CPL 1765a; 1767). Er setzt vigore anstelle von industria, industria wiederum anstelle des farbloseren scientia, das fallengelassen wird. industria hat Prosper auch sonst, um die Durchsetzungskraft der Agierenden in der Häresieabwehr zu bezeichnen, vgl. 1297. 1350 (jeweils in Bezug auf einen Papst). [M.B.] Da es insbesondere seine Gnadenlehre war, die um 410 von Pelagius und Caelestius angegriffen worden war, ist es nicht weiter verwunderlich, dass gerade Augustinus von Hippo den beiden Häretikern entgegentrat und frühzeitig ihre Verurteilung in Africa erreichte. Er war es auch, der 415 Hieronymus vor den pelagianischen Versuchen warnte, in Palästina Fuß zu fassen.1 In diesem Zusammenhang ergriff der Bischof von Hippo auch in Africa die Initiative und erreichte 416 eine neuerliche Verurteilung der

1

Zum Briefkontakt zwischen Augustinus und Hieronymus: Aug. epist. 166 f.

Kommentar

209

Häretiker durch zwei Regionalsynoden in Karthago und Mileve, deren relationes zur Kenntnisnahme an Papst Innocentius nach Rom gesandt wurden.1 Dass Augustinusʼ Positionen also zumindest in Africa die Mehrheitsmeinung trafen, stellt Prosper zu Recht heraus – in anderen Regionen des Reichs waren die Fronten allerdings keineswegs so klar.2 Auffällig ist angesichts des gerade skizzierten Gangs der Diskussion bis hierher allerdings, dass Augustinus erst jetzt, im Jahr 416, in der Chronik in seiner Rolle als Antipelagianer begegnet.3 Der Grund hierfür ist in Prospers Orientierung am Papsttum zu suchen, das er mit der Verdammung der Pelagianer durch Innocentius erst an dieser Stelle als eigentlichen Garanten des rechten Glaubens in der vorliegenden Streitfrage präsentieren kann. Faktisch aber konnte auch die Bestätigung der antipelagianischen Sentenzen von Karthago und Mileve durch den Papst im Jahr 417 das Problem nicht endgültig aus der Welt schaffen: Die römische Kirche besaß keine politischen Machtmittel zum Eingreifen in Africa. Solche hingen an einer Unterstützung durch das Kaisertum, das in Africa faktisch seit längerem spürbar an Autorität verloren hatte.4 Vielleicht lässt sich an vorliegender Stelle auch ein versteckter Hinweis auf die Haltung des Innocentius-Nachfolgers Zosimus in der Streitfrage erkennen. Dieser hatte auf einen Appell des Caelestius hin die Urteile der nordafricanischen Kirche über die Pelagianer aufgehoben. Zwar konnte er diese Revision in Africa ebenso wenig durchsetzen wie Innocentius seine Bannsentenzen; trotzdem stieß Zosimus mit seinem Vorgehen auf Empörung, was die römischen Primatansprüche gegenüber der africanischen Kirche nachhaltig beeinträchtigen sollte.5 Prosper erwähnt diese von Zosimus losgetretenen Konflikte zwar mit keiner Silbe explizit; da sie ihm und seinen

1

Vgl. Aug. epist. 186,2. Frühe Phase des pelagianischen Streits und Rolle des Augustinus klassisch: Brown, Augustine 340–59. Prosper lobt die beiden Synoden auch in Prosp. carm. de ingrat. 72–92. 2 Dies gilt insbesondere für Gallien, wo die (semi-) pelagianische Debatte Prosper später nach Rom führen sollte: Einl. Kap. I. Semipelagianismus: Komm. zu c. 1336. 3 In c. 1204 wird nur seine Bischofserhebung erwähnt. 4 Zum Durchsetzungsdefizit spätantiker Kirchen: Kötter, Suche 10–2. Der Autoritätsverlust des Kaisertums in Africa wird insbesondere in der Person des Bonifatius greifbar. Vgl. c. 1294. 5 Wie nachhaltig die damit verbundene Störung des Verhältnisses beider Kirchen war, zeigt beispielsweise noch 424/25 das Schreiben einer africanischen Synode an Papst Coelestin: Conc. Africae, CCL 149, 169–72. Generell zum Verhältnis der Kirchen von Rom und Karthago: Fuhrmann, Widerstände 715–7; Marschall, Karthago.

210

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Lesern aber bekannt gewesen sein dürften, gibt er hier vielleicht einen zumindest vorsichtigen Hinweis auf die schwankende römische Position in der Pelagius-Frage. [J.K.]

1263 Ein republikanisches Verständnis zugrunde legend, wird der Begriff triumphus hier natürlich untechnisch gebraucht, widersprach der Einzug des Honorius in Rom doch den Konventionen eines traditionellen republikanischen Triumphs. Zum einen handelte es sich bei Attalus um einen inneren Gegner, zum anderen war dieser keineswegs in einem Krieg besiegt worden, sondern hatte einfach seine Unterstützung durch die Goten verloren und war von diesen an Constantius ausgeliefert worden. Allerdings hatten sich die Ebenen von triumphus und adventus im Laufe der Kaiserzeit mittlerweile so gründlich vermischt, dass auch andere Quellen den Einzug des Kaisers ohne weitere Problematisierung als „Triumph“ bezeichnen.1 Vielleicht spielte hier auch der Umstand eine Rolle, dass der Rombesuch des Honorius eine restauratio der Stadt nach der Eroberung durch die Goten im Jahr 410 verdeutlichen sollte. Durch seine offenkundige Verbindung mit den Goten konnte der Usurpator in diesem Zusammenhang dann doch als äußerer Feind angesehen werden. Die vergleichsweise milde Bestrafung des Attalus hing damit zusammen, dass der Usurpator keine eigene Machtbasis hatte. Zum einen hatte er seine beiden Episoden als Kaiser einzig und allein den Goten zu verdanken, die nun aber zu einem Frieden mit Ravenna gelangt waren. Zum anderen hatte sich der Usurpator arianisch taufen lassen, womit er innerhalb der römischen Führungsschicht isoliert war.2 Die Gefahr einer Rückkehr des Attalus an die Macht jedenfalls dürfte aus diesen Gründen als kaum gegeben erachtet worden sein. [J.K.]

1

Einzug in der alten Hauptstadt hielt. 2 Zur arianischen Taufe des Attalus vgl. Komm. zu c. 1238 mit Anm. 4 (S. 186). Die Milde der Bestrafung wird bei Prosper noch dadurch unterstrichen, dass er darauf verzichtet, auf die Verstümmelung des Attalus im Rahmen seiner Exilierung hinzuweisen.

Kommentar

211

1265 ex vicario = antea vicarius. Die Präposition ex mit einer Amtsbezeichnung dient zur Angabe des ehemaligen Amtes, das in der Regel als Apposition neben dem Namen steht, v. a. spätlateinisch und in Inschriften, auch in Bezug auf Kirchenämter, vgl. z. B. Eutr. 6,3 P. Servilius ex consule; Amm. 14,7,7 Serenianus ex duce; Sulp. Sev. dial. 3,1,7 Eucherium ex vicariis (sic) (ThLL s. v. Sp. 1102,10–55) (infolge von Hypostasierung entsteht die Wortklasse mit präfigiertem ex-, die im Mittelalter weite Verbreitung findet, vgl. Stotz 2,419). Vgl. auch zu pro consule und proconsul I. Hajdú, MH 56 (1999), 119–27. [M.B.] Über die von Prosper hier berichteten Geschehnisse gibt es keine weiteren Informationen. Weder Constantius noch seine genaue Funktion oder die konkrete Art und Weise seines Martyriums sind bekannt. Dieser Befund deckt sich mit der generellen Feststellung, dass Prosper die Streitigkeiten um Pelagius in Rom in sehr kondensierter Form behandelt, was nicht zuletzt der problematischen Rolle von Papst Zosimus geschuldet ist.1 Seinen römischen Helden im Kampf gegen die Häretiker findet Prosper an dieser Stelle jedenfalls bezeichnenderweise nicht in einem fragwürdig agierenden Papst, sondern in einem Laien. Deutlich wird dabei am Bericht über das Martyrium des Constantius, dass die römische Position in der Streitfrage nicht nur auf bischöflicher Seite, sondern auch gemeindeintern nicht eindeutig war. Vielleicht waren es erst die vom Chronisten hier angedeuteten Unruhen, die letztlich den Grund dafür lieferten, die Pelagianer kaiserlicherseits aus Rom auszuweisen.2 Da Zosimus erst diese vollendeten Tatsachen dann dazu veranlassten, sich seinerseits gegen die Pelagianer zu stellen3, kann in c. 1265 eine implizite Kritik am Agieren des Papstes gesehen werden. Offen kritisieren konnte Prosper den Bischof freilich nicht, hätte er ihn damit doch in die Nähe einer Häresie rücken müssen, was im Denken einer apostolischen

1

Muhlberger, Chroniclers 84. Zur Ausweisung der Pelagianer durch Constantius: Coll. Quesn. 19. Pietri, Roma Christiana 449 Anm. 5 weist darauf hin, dass c. von Pelagianern in Rom ist. Das Lavieren des Zosimus könnte dann eine Reaktion auf die auch gemeindeintern unklare Haltung gewesen sein. Vgl. Brown, Augustine 361 f. 3 Jedenfalls ging die staatlicherseits verfügte Ausweisung der Häretiker seiner Wendung gegen diese zeitlich voraus. 2

212

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Sukzession auch den Anspruch folgender Päpste auf das Vertreten der Rechtgläubigkeit negativ beeinflusst hätte.1 Die von Prosper an dieser Stelle verwendete Demutsformel servus Dei kennzeichnet Constantius dabei als Märtyrer. Sie begegnet sie in der Form servus Christi / δοῦλος Θεοῦ im Neuen Testament zur Selbstbezeichnung der Apostel unter Betonung der Notwendigkeit des messianischen Erlösungswerks, womit sie eine theologische Grundüberzeugung des Augustinus-Anhängers Prosper spiegelte.2 [J.K.]

1266 Prosper verkürzt die Rolle, die Papst Zosimus in der Kontroverse um Pelagius und Caelestius spielte, deutlich. Faktisch hatte der römische Bischof den Pelagius-Gegnern seine Unterstützung nämlich nur äußerst zögerlich gewährt. Auf direkte Appelle des Caelestius und des Pelagius hin hatte Zosimus zunächst sogar deren Verurteilung durch seinen eigenen Vorgänger Innocentius kassiert und die Häretiker mit Unterstützung einer römischen Synode formal rehabilitiert.3 Erst der heftige Widerspruch der Africaner sowie die politisch verfügte Ausweisung der Pelagianer aus Rom brachten Zosimus schließlich doch noch dazu, die pelagianische Häresie zu verdammen.4 Dass Prosper nur das Ende dieser Verwicklungen benennt, liegt daran, dass er sich als dezidierter Antipelagianer und als dezidierter Anhänger des Papsttums durch den Gang der Ereignisse vor einen darstellerischen Konflikt gestellt sah. Der Chronist löst diesen Konflikt durch sein weitgehendes Schweigen über die umstrittene Rolle des Zosimus. 1

Hierzu Kötter, Stability 53 f. Im Rahmen der Chronik hätte dies insbesondere dem Bild Papst Leos widersprochen, der als entschiedener Kämpfer gegen Häresien beschrieben wird (vgl. c. 1336. 1350. 1358. 1369) und der seine inhaltlichen Positionen dementsprechend auf eine ungebrochene Apostolizität zurückführen musste. Zum Konzept der Apostolizität bei Prosper Einl. Kap. III.2.b. 2 Im christlichen Kontext kennzeichnete die Formel ursprünglich Charismaträger, wie es im Fall des Märtyrers Constantius noch greifbar ist. Zur Formel selbst: Kötter, Servus Dei. 3 Zur Wendung der beiden Häretiker an den neuen Papst in Rom: Avell. 45 f., v. a. 46, 6 f. Vgl. Wermelinger, Rom 134–41. 4 Widerspruch der Africaner auf der von Prosper erwähnten Synode von Karthago: Conc. Africae, CCL 149, 67–77; Ausweisung der Pelagianer: S. 211 Anm. 2; Mitteilung der päpstlichen Verurteilung an karthagisches Konzil: Avell. 50. Für eine intensive Beleuchtung des Konflikts zwischen Rom und Africa: Wermelinger, Rom 141–218.

Kommentar

213

Diese Rolle hatte aber auch ohne die Erwähnung des Chronisten bereits heftige Kontroversen nach sich gezogen. Da der Papst sein Vorgehen gegen die africanische Kirche wohl auf eine Einsetzung Roms zur reichskirchlichen Appellationsinstanz durch den Kanon 3 von Serdika gestützt hatte, dieser Kanon aber außerhalb von Rom praktisch nirgends anerkannt worden war, führte das päpstliche Eingreifen nahezu zwangsläufig zu einem generellen Konflikt über den von Rom beanspruchten kirchlichen Jurisdiktionsprimat.1 Praktischen Niederschlag fand dieser Konflikt in der Frage nach der Bedeutung einer päpstlichen Synodalrezeption. Prospers Bericht spiegelt hier deutlich eine römische Perspektive wider: Die Beschlüsse der karthagischen Synode seien erst durch ihre Billigung durch Zosimus in Gültigkeit versetzt worden. Dass die Anerkennung der africanischen Sentenzen durch den mit enormer Autorität ausgestatteten Bischof von Rom faktisch die Akzeptanz der Beschlüsse auch durch andere Bischöfe – und damit, wie Prosper es formuliert, „auf der ganzen Welt“ – befördern konnte, ist kaum zu bezweifeln; garantieren konnte die römische Zustimmung diese ökumenische Akzeptanz aber nicht. Auch wenn der Chronist genau das nahezulegen scheint, so war die Zustimmung durch Zosimus in synodaltheoretischer Hinsicht kirchenrechtlich weder bindend noch notwendig.2 Dass die Africaner ihre Synodalbeschlüsse in Rom vorlegten, erwies also nur vordergründig einen römischen Primat. Nicht nur, dass die Sentenzen sicherlich auch in andere Regionen des Reichs gesandt wurden3; vor allem ging es der karthagischen Synode sicherlich weniger um eine kirchenrechtliche Bestätigung ihrer Beschlüsse durch den römischen Bischof als in erster Linie um eine Bekanntmachung dieser. Die Gültigkeit des Urteils war in africanischer Perspektive von der Rezeption durch andere Bischöfe unabhängig. [J.K.]

1

Kanon 3 von Serdika (342) und seine Rezeption: Brennecke, Serdika. Zum Folgekonflikt, der sich um den Fall des abgesetzten africanischen Presbyters Apiarius von Sicca anreicherte: PCBE 1, 82 f. (Apiarius). 2 Zur Bedeutung der Rezeption von Synodalbeschlüssen in theologischer und historischer Perspektive: Sieben, Apostelkonzil 64 f thago 18–83. Daneben Fuhrmann, Widerstände 715–7. 3 Zumindest zum Konzil von 419, das in der gleichen Sache tagte, haben sich Reskripte des Kyrill von Alexandria (Conc. Africae, CCL 149, 162 f.) und des Attikos von Konstantinopel (Conc. Africae, CCL 149, 163) erhalten.

214

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1267 Constantii et Placidiae filius Die Angabe der Eltern des späteren Kaisers Valentinian wurde wohl von Prosper in seiner 455er Edition für entbehrlich gehalten oder von einem Bearbeiter weggekürzt, daher fehlt sie in den Hss. MY. Vgl. auch c. 1280. [M.B.] Galla Placidia ist die einzige von Prosper namentlich genannte kaiserliche Frau.1 Ein maßgeblicher Grund für ihre vergleichsweise prominente Rolle dürfte – wie hier erkennbar – Prospers Interesse an Herkunft und Schicksal des zu seiner Zeit amtierenden Kaisers Valentinian III. sein. Die abermalige Nennung des Constantius an dieser Stelle hingegen hängt darüber hinaus mit dessen Rolle als personifizierte Erklärung für die kurzzeitige Stabilisierung des Weströmischen Reichs zusammen: Durch die Zeugung des Erben sorgt er nun auch für die Fortexistenz der Dynastie.2 [J.K.]

[1268] Vgl. philol. Komm. zu [1210]. [M.B.] Diese nur in der Handschrift R vorhandene Stelle erwähnt ein karthagisches Konzil gegen die Pelagianer. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Konzil um die bereits in c. 1266 genannte Synode, die zur Verurteilung der Pelagianer durch Zosimus von Rom führte. Der Eintrag stammt also nicht von Prosper, sondern ist Ergebnis einer späteren Interpolation. [J.K.]

1270 Der Übergang von Zosimus auf Bonifatius verlief keineswegs reibungslos. Wie Prosper in der kurzen Episode um das Martyrium des ehemaligen vicarius Constantius angedeutet hat3, hatte das kurze Pontifikat des Zosimus 1

Außer hier begegnet sie noch in c. 1259. Emperor Rule 234–9; Oost, Galla Placidia v. a. 210–48; Sivan, Galla Placidia. Jüngst erschienen: Busch, Frauen der theodosianischen Dynastie 86–109. 2 Rolle des Constantius: Einl. Kap. III.4.a. 3 Vgl. c. 1265.

Kommentar

215

durch dessen umstrittenes Eingreifen in gallische und africanische Angelegenheiten auch innerhalb der römischen Gemeinde zu einer Desintegration geführt. Nach dem Tod des Zosimus kam es daher zu einer Doppelwahl. Zeitgleich mit Bonifatius wurde der Diakon Eulalius zum Bischof bestellt. Die römische Gemeinde glitt damit in ein blutiges Schisma ab, welches bis nach Ostern des Folgejahres 419 andauern sollte. Erst durch das Eingreifen des patricius Constantius konnte sich Bonifatius schließlich durchsetzen.1 Prosper muss über diese Doppelwahl informiert gewesen sein. Wahrscheinlich wusste er auch vom allgemeinen Problem turbulenter Bischofsbestellungen in Rom, wo es immer wieder zu Doppelwahlen kam. 2 Dies ergibt sich jedenfalls ex negativo aus seiner deutlichen Betonung von Ruhe und Eintracht bei den späteren Erhebungen des Sixtus und des Leo, die damit einen verdeckten Hinweis auf die problematischen Begleiterscheinungen der Wahl von 418 geben.3 Dass Prosper sich an dieser Stelle über das Bonifatius-Eulalius-Schisma ausschweigt, hat einerseits mit seinem generellen Schweigen über das Wirken des Zosimus und seiner allgemeinen Kritik an staatlichen Eingriffen in kirchliche Angelegenheiten zu tun. Andererseits passt der Befund eines innerrömischen Schismas kaum in das Bild einer Chronik, die den römischen Bischof als höchste kirchliche Autorität darstellen will. Die von Prosper immer wieder explizit herausgestellte Vorbildfunktion des Papsttums für die gesamte Kirche ließ sich kaum in Deckung zum Machtstreben zweier Bischofskandidaten und den Gewaltausbrüchen ihrer jeweiligen Obedienzen bringen. [J.K.]

1271 Der Ansiedlungsvertrag zwischen Goten und Römern war 418 geschlossen worden, nachdem bereits 416 mit der Rückgabe der Galla Placidia durch Wallia eine grundsätzliche Übereinkunft der beiden Völker erreicht worden 1

Vgl. den Briefwechsel zwischen Constantius und dem praefectus urbi Symmachus in Avell. 29 f. 32. Zum Schisma auch: Avell. 19 (Bericht des Symmachus über Unruhen). 37 (Honorius-Reskript zur Regelung künftiger Streitfälle). Zum Schisma von 418/19 generell: Carefoote, Boniface 261–8; Chantraine, Schisma; Cristo, Notes; Lütkenhaus, Constantius III 136–50; Wirbelauer, Nachfolgerbestimmung 410–5. 2 Letztmalig war dies erst 366 im Damasus-Ursinus-Schisma der Fall. Hier. chron a. 366,3 (Helm 244/5e) erwähnt diese Spaltung, die von Prosper – analog zu seinem Vorgehen hier – in der Hieronymus-Epitome (c. 1132) verschwiegen wird. 3 Vgl. c. 1309. 1341.

216

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

war. Nun erhielten die Westgoten die Erlaubnis – offiziell den Befehl –, sich in der Provinz Aquitania Secunda anzusiedeln.1 Dabei verblieben die Goten, darauf deutet die Formel ad habitandum hin, offiziell im Status von foederati.2 Die genauen Motive Ravennas, die Goten aus Spanien, wo sie gegen die Vandalen kämpften, abzuberufen, sind nicht gänzlich klar. Vielleicht war ihre Ansiedlung eine Reaktion auf ein mögliches Ansiedlungsangebot des mit den Vandalen verbundenen Usurpators Maximus in Spanien.3 Vielleicht ging es Ravenna aber auch um eine Eindämmung von BagaudenAufständen in Armorica oder um eine generelle Sicherung Südgalliens, immerhin waren die Westgoten „in einem Teil der großgallischen Präfektur das einzige römische Heer, über das Ravenna verfügte.“4 Von Interesse für das Gotenbild der Chronik ist, wie Prosper die Ansiedlung der Goten in seiner eigenen Heimat bewertet. Zwar macht die Chronik deutlich, dass sich die Goten in der Folge keineswegs immer vertragskonform verhielten5, explizit kritisiert wird die Maßnahme jedoch nicht. Dass Prosper die gotische Ansiedlung sogar positiv gesehen haben könnte, legt die Beteiligung des Constantius an den Vertragsbedingungen nahe, der in der Chronik stets einen wichtigen Faktor für die Sicherstellung von Frieden und Stabilität im Reich darstellt.6 Da Constantiusʼ Maßnahmen für den Chronisten per se positiv zu werten sind, dürfte ähnliches auch für die Landnahme der Goten auf Befehl des patricius gelten. [J.K.]

1

Vgl. auch Hyd. chron. 69. Tatsächlich wurde die Ansiedlung nicht von den Goten erzwungen, sondern von Constantius verfügt. Vgl. Thompson, Romans 26. Zur Ansiedlung auch: Nixon, Relations 70–3. 2 Für einen Forschungsüberblick speziell zu den Ansiedlungsmodalitäten: Pohl, Völkerwanderung 60–3; Wolfram, Gotische Studien 174–81. 187–93. 3 Scharf, Kaiser Maximus 384. Vgl. hierzu Komm. zu c. 1245. 4 Wolfram, Reich 214. Zusammenhang mit Bagaudenaufständen: Thompson, Romans 31 f. 251–5. Dagegen Scharf, Kaiser Maximus 382: „Es ist jedoch kein einziger fallweiser lien nachweisbar.“ Überblick über die diskutierten Motive: Bleckmann, Ende der römischen Herrschaft 586 f. Anm. 89. 5 Vgl. c. 1290. 1324. 6 Vgl. Einl. Kap. III.4.a.

Kommentar

217

1273 Die Kaisererhebung des Constantius fand eigentlich erst 421 statt. Da Prosper sie aber in einen Zusammenhang mit dem gotischen Frieden von 418 bringen will, datiert er die beiden Ereignisse von 418 und 421 in seiner Chronik jeweils leicht um, nämlich auf 419 und 420.1 Damit wird deutlich, dass der Aufstieg des Constantius zum Mitregenten des Honorius in den Augen des Chronisten eine logische Konsequenz seiner Rolle als zentrale politische Figur des Weströmischen Reichs in den vergangenen Jahren war. Faktisch hatte Constantius nämlich schon vor seiner offiziellen Ernennung zum augustus eine dermaßen herausragende Position inne, dass Honorius der Situation nun durch seine auch de iure erfolgte Aufnahme ins Kaisertum Rechnung trug oder tragen musste.2 Die Legitimität des neuen Kaisers steht für den Chronisten dabei außer Frage. Dass Prosper Constantius III. nicht in seine durchlaufende Zählung der römischen Kaiser aufnimmt, liegt nur an seiner chronologischen Orientierung an den jeweils ranghöchsten augusti.3 Da Constantius noch im Jahr seiner Erhebung starb, wurde er von seinem dienstälteren Kollegen Honorius überlebt. [J.K.]

1274 Das vergleichsweise häufige Auftauchen des Hieronymus in der ProsperChronik dient einer Verklammerung mit dem noch auf Hieronymus zurückgehenden Chronikteil, welche die Einheit der über personale Grenzen hinweglaufenden (Heils-) Geschichte unterstreichen soll. Dementsprechend hatte Prosper bereits die Geburt seines literarischen Vorgängers für das Jahr 331 in seine Epitome der Hieronymus-Chronik eingefügt.4

1

Die Einheirat in die kaiserliche Familie ging mit einem ersten Friedensschluss mit den Goten einher: c. 1259. 2 So habe ihn das dritte Konsulat im Jahr 420 (c. 1272) bereits deutlich über den Status des Privatmannes herausgehoben: Bleckmann, Constantius III, 229. Olymp. frg. 33,1 (Blockley) = frg. 34 (Müller) legt jedoch nahe, dass Honorius dem Kollegen nicht allzu euphorisch ge 3 Hierzu am deutlichsten c. 1207. 4 Vgl. c. 1032. Das Geburtsjahr des Hieronymus ist zwar anderweitig nicht überliefert, trotzdem dürfte Prosper es zu früh ansetzen. Wahrscheinlicher ist ein Datum um das Jahr 347: Booth, Date.

218

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Die enge Bindung des Prosper an Hieronymus rührt nicht nur von dessen Funktion als literarisches Vorbild her. Der Presbyter war auch ein Verbündeter im Kampf gegen Pelagius. So hatte Augustinus 415 Kontakt zu Hieronymus aufgenommen, um sich für die Zurückdrängung der Pelagianer im Osten des Reichs dessen Unterstützung zu sichern.1 Die Notiz über Hieronymusʼ Tod ist also vielfältig begründbar und darüber hinaus auch der inhaltlichen Konzeption der Chronik geschuldet: Während mit Hieronymus eine kirchliche Führungspersönlichkeit gestorben war, sollte mit Kaiser Constantius III. im kommenden Jahr auch ein zentraler politischer Akteur sterben. In dieser Situation erweist sich die Kirche im Gegensatz zum Reich als gefestigter. Während der Tod des Constantius das Reich in grundlegende politische Unruhe versetzen sollte, führte der Tod des Kirchenmannes keineswegs unmittelbar zu größeren theologischen Bedrohungen.2 [J.K.]

1276 Laut Olympiodor rüstete Constantius III. im Moment seines Todes gerade zum Krieg gegen Theodosius II., der seine Kaisererhebung nicht anerkannt hatte.3 Prosper weiß hiervon zwar nichts zu berichten, dies muss aber nicht heißen, dass die Information falsch ist. Sie passt lediglich nicht in Prospers Bild vom ungebrochenen Aufstieg des Constantius, der sich darüber hinaus durch die Vorbereitung eines Bürgerkriegs diskreditiert hätte. Vielleicht ist die Nichtanerkennung durch Theodosius daneben ein Hinweis darauf, dass auch Honorius seinem neuen Amtskollegen nicht allzu euphorisch gegenüberstand, sondern angesichts dessen faktischer Macht eher dazu gezwungen gewesen war, ihn mehr oder weniger widerwillig an der Herrschaft zu beteiligen. Zu guter Letzt wäre es für Prosper einigermaßen inopportun gewesen, den Vater des späteren Kaisers Valentinian III., in den Verdacht einer Usurpation zu bringen.

1

Vgl. S. 160 Anm. 1. S. 208 Anm. 1. Diese relative Stabilität der Kirche wiederum ist in dem antihäretischen Wirken der römischen Bischöfe geschuldet: c. 1297. 1301. 1336. 1350. 3 Olymp. frg. 33,1 (Blockley) = frg. 34 (Müller). Vgl. auch Philost. 12,12,2 f. Zur mangelnden Anerkennung des Constantius im Oströmischen Reich vgl. Matthews, Olympiodorus 91. 2

Kommentar

219

Für die Geschichtsdarstellung der Chronik stellt die kurze Nachricht über den Tod des Constantius einen inhaltlichen Wendepunkt dar.1 Der Kaiser hinterließ ein Machtvakuum, das Honorius, dessen Schwäche Constantius als Grundlage seines Aufstiegs gedient hatte, nicht zu füllen in der Lage war. Hinzu kam, dass auch keine andere Person in Sicht war, die unmittelbar das politische Erbe des mächtigen Kaisers hätte antreten können. Auf dieser Grundlage kam es nun zu einer Phase interner Kämpfe unter Honoriusʼ Generälen, die um die dominierende Position des verstorbenen Constantius stritten. Das Beispiel seines Aufstiegs hatte offensichtlich Begehrlichkeiten geweckt. Prosper widmet diesem desintegrativen „Kampf der Generäle“ nun eine ebenso große Aufmerksamkeit wie zuvor dem Aufstieg des Constantius.2 Die Darstellung interner Rivalitäten im Weströmischen Reich kann damit als politisches Hauptthema der ersten Chronikedition gelten. [J.K.]

1278 bellicis artibus = belli artibus „aufgrund seiner Kriegskünste“. Der Plural konnotiert vielleicht die konkreten Beweise, die Bonifatius von seiner Kriegskunst geliefert hat (vgl. u. zu 1337). Zum Plural vgl. auch Liv. 38,53,9 bellicis … quam pacis artibus memorabilior; Plin. nat. 5,67. satis clarum satis ist hier steigernd gebraucht (zur periphrastischen Steigerung mit satis, admodum, sane in der gepflegten Umgangssprache vgl. H.-Sz. 2,163–65; Stotz 4,301 f.). Anstelle von satis clarum (in MY) findet sich die Lesart praeclarum (perclarum ArsXF) in AtLOZRPHB und bei Paulus Diaconus Rom. 13,5. Sie wurde vielleicht deshalb interpoliert, weil satis in der Funktion des steigernden Adverbs nicht verstanden wurde. satis clarum gebührt auf jeden Fall der Status der lectio difficilior. Das Simplex clarus wiederum gehört zum von Hieronymus etablierten Chronikstil (vgl. auch zu 1175). ad Portum ohne den Zusatz urbis in MY; urbis ist nach Mommsen, Chron. min. 1,379 in den übrigen Hss. interpoliert. idque … initium fuit Zur Form der abschließenden Wertung vgl. auch c. 1247 eaque res inter episcopos regionis illius magnarum discordiarum materia fuit; 1342 eaque spes causa illi maximae simae mortis fuit. 1 2

So auch: Muhlberger, Chroniclers 92. Vgl. c. 1278. 1286. 1294. 1303. 1310.

220

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

et malorum sequentium fügen MYL nach laborum hinzu. Alle anderen Hss. lassen den Eintrag mit einer einfachen Bewertung des berichteten Ereignisses enden: idque rei publicae multorum laborum initium fuit. Der Zusatz in MYL bringt in der Sache nichts Neues, sondern verstärkt nur die negative Konnotation von labor und betont den zwangsläufigen Ablauf der zukünftigen Ereignisse, die dem zeitgenössischen Leser bekannt waren. Aus der Rivalität zwischen den römischen Heerführern und der Ausbootung des Bonifatius durch Castinus folgte die Niederlage der Römer gegen die Vandalen in Spanien, die den Vandalen den Weg frei machte zur Eroberung Africas und schließlich, im Jahr 455, auch zur Plünderung Roms. Muhlberger, Chroniclers 58 f. sieht in dem Zusatz, den auch Mommsen, Chron. min. 1, 379 für echt hält, einen Beleg für die 455er Revision der früheren Editionen durch Prosper, die in den Hss. MYL bewahrt ist. Ob aber der unmittelbare Eindruck der Plünderung Roms 455 oder vielleicht bereits die Einnahme Karthagos durch die Vandalen (vgl. hist. Komm.) den Autor veranlasste, die verheerenden Folgen der persönlichen Unfähigkeit der römischen Heerführer an dieser Stelle durch eine Ausdrucksverstärkung einzuschärfen, muss unentschieden bleiben. Auch eine Ergänzung von fremder Hand ist nicht auszuschließen. [M.B.] Mit seiner deutlichen persönlichen Stellungnahme und seiner klaren moralischen Botschaft erweist sich gleich der erste Eintrag nach dem Tod des Constantius als charakteristisch für den Stil der folgenden Teile der Chronik. Prosper stößt in Berichtzeiträume vor, aus denen er zunehmend auf Grundlage eigener Anschauung berichten kann. Seine Einträge werden daher detaillierter und meinungsfreudiger.1 Exemplarisch hierfür ist Prospers Wertung, dass der Konflikt zwischen Castinus und Bonifatius in der Folge „Mühen und Übel“ für das Reich hervorgerufen hätte. Auch wenn der Chronist diese „Mühen und Übel“ nicht inhaltlich füllt, dürfte seinen Lesern doch klar gewesen sein, was gemeint war: Da Castinus gegen die Vandalen in Spanien nichts auszurichten vermochte2, schuf das Scheitern seines Feldzugs die Voraussetzung für den

1

Humphries, Chronicle 163; Muhlberger, Chroniclers 87. 92 f. Den Fehlschlag des Unternehmens thematisieren: Hyd. c 107. Hinzu kam, dass Ravenna in Folge des Feldzugs die Küstenstädte Sevilla und Cartagena verlor, dazu fielen Transportschiffe in die Hände der Vandalen: Chron. Gall. (511) 584. Die Niederlage des Castinus bildete damit nicht bloß mittelbar eine Voraussetzung für die spätere Invasion Africas. 2

Kommentar

221

späteren Zug der Vandalen nach Africa, dessen Konsequenzen Prosper wiederum mit Interesse verfolgen wird. Da die Etablierung der Vandalen in Africa in eine Zeit nach 433 fiel, könnte Prospers et malorum sequentium an dieser Stelle auch die Ergänzung einer späteren Chronikedition sein.1 Sicher in die älteste Schicht der Chronik gehört aber die Beschreibung des Grundes für eine neue Phase interner Instabilität des Reichs. In den folgenden Jahren werden Neid, Zwietracht und Bürgerkriege zwischen hohen Militärs zum zentralen Charakteristikum für Prospers Bericht. Der dargestellte Konflikt zwischen Castinus und Bonifatius ist diesbezüglich paradigmatisch, ist es doch die superbia des Castinus, die verhindert, dass sich Bonifatius dem Unternehmen gegen die Vandalen in Spanien anschließt. Damit schreibt Prosper Castinus eine in seiner Chronik immer wiederkehrende negative Charaktereigenschaft zu: den Hochmut. Aus diesem erwächst sowohl im kirchlichen wie im politischen Bereich immer wieder discordia, die dann zu politischen wie kirchlichen Bedrohungen führt.2 Dass am vorliegenden folgenschweren Zerwürfnis vergleichsweise einseitig der comes domesticorum Castinus, der nun als magister militum nach Spanien zog3, die Schuld trägt, liegt an einer tendenziell positiven Sicht des Chronisten auf dessen Gegenspieler Bonifatius, der als einer der wenigen Heerführer nach 421 nicht gänzlich negativ dargestellt wird. Prosper betont aus diesem Grund, dass Bonifatius es nicht nur für persönlich schmachvoll, sondern eben auch für gefährlich hielt, sich seinem Rivalen anzuschließen. Der Verwurf persönlicher Ambition trifft ihn also weniger als Castinus. Trotzdem wird es Bonifatius bei seiner Flucht nach Africa nicht einzig und allein darum gegangen sein, sich dem Zugriff durch Castinus zu entziehen, sondern auch darum, sich eine eigene Machtbasis zu schaffen.4 Dass dabei

1

Muhlberger, Chroniclers 58 f. sieht diese Stelle unter dem Eindruck der vandalischen Plünderung Roms 455 (c. 1375). Inwiefern ihm zu folgen ist, bleibt fraglich. Für den Chronisten selbst jedenfalls dürften andere Entwicklungen um die Vandalen wichtiger gewesen sein, an erster Stelle ihre Eroberung Karthagos 439 (1339). 2 Zur discordia: c. 1220. 1247. Zur superbia: 1327. 1336. 1348. 1364. 3 Zu Castinus im Überblick: PLRE 2, 269 f. (Fl. Castinus 2). 4 Im Zusammenhang mit der Motivation des Bonifatius zur Flucht steht die Frage, wann er in das Amt des comes Africae gelangt ist. Enßlin, Rez. de Lepper 141 meint, er sei bereits z 3) hingegen habe der General zwar 417 als Föderatenführer in Africa gedient (vgl. Aug. epist. 185. 189), sei aber erst 423 oder 424 von Theodosius II. zum comes Africae gemacht worden. Zumindest begegnet er als solcher um diese Zeit in Olymp. frg. 38 (Blockley) = frg. 40 (Müller). Stickler, Aëtius 28 Anm. 133 führt eine dritte Möglichkeit ins Feld: Seines Erachtens

222

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Africa sein Ziel war, war diesbezüglich kaum ein Zufall. Die Provinz stand in kultureller und wirtschaftlicher Blüte und besaß mit Karthago eines der wichtigsten politischen Zentren des Westreichs. Darüber hinaus zeichnete sich die Zentralregierung in Ravenna bereits seit längerem durch erhebliche Durchsetzungsdefizite in Africa aus, wie Prosper bereits mehrfach angedeutet hat.1 Diese Faktoren nutzte Bonifatius nun zum Machtgewinn, wodurch sich die africanischen Provinzen unter seiner Führung in den kommenden Jahren zu einer Art autonomer Region innerhalb des Reichs entwickeln sollten. Der Römer nahm damit die Entwicklungen nach der Eroberung der Region durch Geiserichs Vandalen gewissermaßen vorweg.2 Eingedenk dessen ist die einseitig positive Charakterisierung des Bonifatius an dieser Stelle keineswegs zwangsläufig, auch wenn sie sich ebenfalls in anderen Quellen findet.3 Für Prosper mag sie unter anderem Bonifatiusʾ späterer Unterstützung des Valentinian im Kampf gegen den Usurpator Johannes geschuldet sein. Ebenfalls nicht abträglich für sein Bonifatius-Bild war der Briefkontakt zwischen diesem und Augustinus. Auch wenn die genauen Kenntnisse Prospers bezüglich des Verhältnisses von Augustinus zu Bonifatius unklar sind, zeigen sich doch verschiedene inhaltliche Anknüpfungspunkte an den Briefkontakt beider. So hatte der Bischof dem General bereits 418 einen Kommentar über den richtigen Gebrauch militärischer Macht zukommen lassen, der Parallelen zu Prospers Kritik an der zeitgenössischen militärischen Führung aufwies, insbesondere hinsichtlich rein von persönlicher Geltungssucht motivierter Kriege. Aus einem solchen Grund tadelte Augustinus Bonifatius 427 dafür, dass er den Schutz Africas zugunsten des Kampfes gegen seinen neuen Rivalen Felix vernachlässigen würde4, womit Bonifatius ein Beispiel

würden die Quellen dafür sprechen, dass Bonifatius seine Position mit der Flucht zunächst usurpiert hätte. 1 Zur Bedeutung Africas in der Spätantike: Halsall, Migrations 93–6. 2 Paradigmatisch für diesen Befund ist, dass sich Bonifatius angesichts unklarer Sympathien des Hofs in Ravenna weigern sollte, Africa zu verlassen: c. 1294. Als er 432 doch nach Italien zurückkehrte, fand er unmittelbar den Tod: c. 1310. 3 Vgl. z. positiver Charakterisierung des Aëtius); Vict. Vit. 1,19 (famosus comes). 4 Brief von 418: Aug. epist. 189,4–7; Brief von 427: epist. 220,7 f. Briefwechsel generell: Aug. epist. 185. 185a. 189. 220. Zweifellos gefälscht ist die Sammlung in PL 33, 1093– 8: Clover, Pseudo-Boniface 86–8.

Kommentar

223

desjenigen Falles von falschem Gebrauch militärischer Macht lieferte, dessen unheilvolle Konsequenzen Prospers Chronik immer wieder darstellt.1 Trotz des relativ positiven Bonifatius-Bildes ist an Prospers moralischer Botschaft an dieser Stelle also nicht zu deuteln: Die Repräsentanten des Weströmischen Reichs ließen durch superbia, ambitio und discordia die Gelegenheit ungenutzt, dem Staat unnötige Probleme zu ersparen. [J.K.]

1280 Honoria et Valentiniano Vgl. zu 1267. Was dort über die Eltern gesagt ist, gilt hier für die Namen der Kinder; sie werden in der MY-Rezension weggekürzt. [M.B.] Infolge des Todes ihres Mannes Constantius war die Stellung Placidias am Hof geschwächt. Schon bald ergaben sich Spannungen zu ihrem Bruder Honorius, deren Gründe nicht klar sind. Wahrscheinlich war die augusta in verschiedenen Konflikten zwischen die Fronten geraten, beispielsweise in zunehmenden Friktionen zwischen römischen Soldaten und gotischen Verbänden, zu denen sie als ehemalige gotische Königsgattin ein Nahverhältnis hatte.2 Dass Prosper den vorliegenden Eintrag in direkter Folge des Berichts über die Entzweiung zwischen Castinus und Bonifatius einfügt, legt darüber hinaus vor allem einen Zusammenhang zum Streit dieser beiden Heerführer nahe. Denn während Castinus ein erklärter Gegner Galla Placidias war und sich während der Johannes-Usurpation nicht auf ihre und Valentinians Seite schlug, unterstützte Bonifatius sie im Kampf gegen den Usurpator.3 Honorius jedenfalls scheinen diese Konflikte um seine Schwester nicht ungelegen gekommen zu sein. Er nutzte die Gelegenheit, um ihr

1

Dieser Vorwurf des falschen Gebrauchs militärischer Macht trifft bei Prosper, im Gegensatz zu Augustinus, nicht Bonifatius direkt, sondern stets dessen Gegner. Zu Bonifatius: PCBE 1, 152–5 (Bonifatius 13); PLRE 2, 237–40 (Bonifatius 3); Lepper, De Rebus Gestis v. a. 38–106; Muhlberger, Chroniclers 99–101. 2 Ein angebliches inzestuöses Verhältnis zu ihrem Bruder (Olymp. frg. 38 [Blockley] = frg. 40 [Müller]) hingegen gehört sicherlich in die Kategorie „Hof-Tratsch“. 3 Zur unterschiedlichen Parteinahme des Castinus und des Bonifatius: c. 1282. 1286. Zur Rolle Placidias in den Konflikten hoher Militärs: Pawlak, Valentinian III 124 f.

224

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

den augusta-Titel zu entziehen und sich damit von ihrem politischen Einfluss zu befreien.1 Die ehemalige Kaiserin suchte mit ihren Kindern daraufhin bei ihrem Neffen Theodosius II. in Konstantinopel Zuflucht, obwohl der seinerzeit die Rechtmäßigkeit ihres Mannes Constantius als Kaiser nicht anerkannt hatte. Dass sie sich dennoch zu ihm flüchtete, zeugt davon, wie tief das Zerwürfnis mit dem eigenen Bruder gewesen sein muss.2 [J.K.]

1281 In Prospers Darstellung der Abfolge römischer Pontifikate lässt sich einmal mehr3 eine kleinere chronologische Ungenauigkeit greifen. Der vormalige Diakon Coelestin war bereits 422 zum Bischof geweiht worden. Da dieses Berichtjahr aber durch einen zentralen politischen Eintrag bereits hinreichend gefüllt war, mag es Prosper für legitim gehalten haben, den Wechsel an der Spitze der römischen Kirche ins folgende Jahr zu verlegen. [J.K.]

1282 imperium haben MY, regnum ALOZXRFPHB. Die Variante zeugt von dem offensichtlichen Bedürfnis eines Bearbeiters, das vielschichtige Wort imperium durch das eindeutige regnum zu ersetzen. conivente … praeerat Der Ablativus absolutus fehlt in der AOR-Überlieferung. Die Aussage selbst findet sich aber mit fast wörtlichen Übereinstimmungen an späterer Stelle in dieser Überlieferung, vgl. 1288 Castinus autem in exilium actus est, quia videbatur Iohannes sine coniventia ipsius regnum non potuisse praesumere. Dieser Text wiederum fehlt in der MYRezension. Wir haben hier also den Fall einer Doppelfassung, die nicht zu 1

Vgl. Olymp. frg. 38 (Blockley) = frg. 40 (Müller); Chron. Gall. (452) 90. Zum Einfluss der augusta: Oost, Galla Placidia 87–168. 210–48; Sivan, Galla Placidia 60–118. Vielleicht ging schon die Erhebung des Constantius zum Kaiser auf den Druck Placidias zurück. 2 Laut Chron. Gall. (452) 90 wurde Placidia zunächst nach R den Osten floh: Romam exilio relegata. Der entsprechende Hinweis findet sich nur dort und muss mit Vorsicht behandelt werden. Oost, Galla Placidia 176 legt sich bezüglich der Glaubwürdigkeit dieser Sonderinformation nicht fest. 3 Vgl. c. 1260 (Zosimus 416 statt 417); 1270 (Bonifatius 419 statt 418).

Kommentar

225

ein und demselben Eintrag verfasst, sondern verschiedenen Ereignissen bzw. Jahren zugeordnet wurde. Die sprachlichen Parallelen sind auffällig: 1282 conivente–1288 coniventia, 1282 putabatur–1288 videbatur. Mommsen, Chron. min. 1,379 stellt keine Verbindung zwischen den Einträgen her. Er hält sowohl die Version von 1282 als auch diejenige von 1288 für authentisch – wobei er im Fall von 1288 leichte Zweifel anmeldet, daher auch die Klammer in seinem Text – und vermutet, ein späterer Schreiber habe den zweiten Eintrag gekürzt, was durch die MY-Fassung bezeugt sei. Mommsen übersieht dabei, dass er noch einen zweiten kürzenden Abschreiber, nämlich in der AOR-Rezension, annehmen müsste, der die Version von 1282 dort streicht, um den überlieferten Text allein durch Kürzung zu erklären. Dass aber zwei Bearbeiter unabhängig voneinander eine im Ursprungstext wiederholte Aussage einmal an der einen, ein anderes Mal an der anderen Stelle kürzen, ist unwahrscheinlich. Die Divergenz im hss. Befund deutet dagegen klar auf eine Doppel- bzw. Ersatzfassung hin. Dass Prosper in ein und derselben Chronikedition eine Aussage fast wörtlich wiederholt, ist schon wegen der geforderten brevitas des Chronikstils auszuschließen. Wir haben es hier also entweder mit Autorvarianten zu tun, die in verschiedene Redaktionen des Werkes eingefügt waren, oder mit einer Interpolation in einem der beiden Fälle. Letzteres ist sowohl aus inhaltlichen als auch aus stilistischen Gründen wahrscheinlich. In der Überzeugung, dass ein späterer Bearbeiter den echten Text aus 1282 in den Eintrag von 1288 versetzte, tilge ich den Satz Castinus – praesumere in 1288. Es geht um die Rolle, die Castinus bei der Usurpation des Johannes im Jahr 423 gespielt hat. Prosper berichtet von dem Verdacht, der damalige Heerführer Castinus habe die Erhebung des Usurpators geduldet. Ursprünglich wird der Verdacht im Zusammenhang mit der Usurpation selbst angeführt, also in 1282. Er bietet die notwendige Erklärung dafür, warum Johannes überhaupt zum Kaiser erhoben werden konnte. Der Fokus der Aussage im Ablativ liegt hier ganz auf dem Verhalten des Heerführers Castinus, vgl. conivente, ut putabatur, Castino, qui exercitui magister militum praeerat. Nachdem Prosper im Eintrag zum Vorjahr 422 den Konflikt des Castinus mit Bonifatius geschildert hat und mit seinem Urteil über das Unvermögen und die Überheblichkeit des Castinus nicht hinter dem Berg hält (1278), dokumentiert er hier erneut ein illoyales V Heermeisters. Dies geschieht mit aller Vorsicht, wie der Einschub ut putabatur zeigt, weil dem Castinus eine aktive Unterstützung der Usurpation wohl nicht nachgewiesen werden konnte. Mit der Ernennung des Castinus

226

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

zum Konsul für das folgende Jahr 424 (1284) findet der Aufstieg des Castinus sein Ende. Die zweite Version der Nachricht findet sich im Kontext der Niederwerfung des Usurpators Johannes, wo der Verdacht, Castinus habe die Usurpation geduldet, als Grund für seine Exilierung genannt wird. Den Sieg der Placidia und ihres Sohns Valentinian über Johannes nimmt Prosper zum Anlass, einen weiteren Akteur der Usurpation, Aëtius, einzuführen. Obwohl Aëtius den Johannes aktiv unterstützt hat, geht er aufgrund eines geschickten Einsatzes seiner hunnischen Hilfstruppen straffrei aus, vgl. 1288 data venia Aetio eo, quod Chuni, quos per ipsum Iohannes acciverat, eiusdem studio ad propria reversi sunt. Gerade die Tatsache, dass Prosper in diesem Eintrag das Schicksal zweier Hauptakteure der Usurpation gegenüberstellt, Niederlage sowie (implizit) Tod des Usurpators und Straffreiheit des Unterstützers, mag einen späteren Bearbeiter veranlasst haben, die Sanktion gegen einen weiteren Beteiligten anzufügen, dessen Schicksal der echte Prosper womöglich nicht weiter verfolgte. Ob Castinus wirklich mit dem Exil bestraft wurde, geht aus anderen Quellen nicht hervor. Denkbar ist trotzdem, dass hier eine sichere Information vorliegt. Denkbar ist aber auch, dass ein Interpolator, im Bestreben den Konnex von Schuld und Strafe einzuschärfen, diese passende Strafe erfunden hat. Typisch ist, dass der Interpolator Wortmaterial des Originals aufnimmt. Neben coniventia und videbatur (aus 1282) ist in exilium actus zu nennen (vgl. 1329). Zur explizierenden Tendenz, die dem Einschub zugrunde liegen mag, passt das Bestreben, die Aussage zu vereinfachen und zu verdeutlichen. Deutet Prosper die indirekte Beteiligung des Castinus nur an, formuliert der Interpolator die Rolle des Steigbügelhalters klar aus: Ohne Duldung des Castinus hätte Johannes die Herrschaft nicht ergreifen können. conivente conivere im übertragenen Sinn „ein Auge zudrücken, dulden“ findet sich seit Cicero, vermehrt aber im spätantiken Gebrauch, wo das Substantiv coniventia „Nachsicht, Duldung“ hinzutritt (ThLL s. v. 319, 80– 321,70). Die Lesarten conibente (ZF) und cohibente (MY) erklären sich durch den lautlichen Zusammenfall von b und v im Spätlatein (Stotz 3,255– 58). Vgl. auch die Überlieferung von coniventia (c. 1288). Aber nicht nur die Wortgestalt, auch der Inhalt scheint Schwierigkeiten zu bereiten, daher auch die Lesart coniubente in P. Wahrscheinlich ist das seltene Wort conivere bentia (in 1288) ergeben aber (auch in Anbetracht der Karriere des Castinus) keinen Sinn. [M.B.]

Kommentar

227

Prospers Bericht erweckt den Eindruck, als sei Johannes direkt nach dem Tod des Honorius zum Kaiser erhoben worden. Dies stimmt nicht. Dem Tod des Kaisers folgte vielmehr eine mehrmonatige Vakanz des westlichen Throns. Ein dynastisch legitimierter Nachfolger war im Weströmischen Reich nicht unmittelbar greifbar, da Honorius kinderlos gestorben, seine Schwester Galla Placidia mit ihrem Sohn Valentinian in den Osten geflohen war. Vor einer Erhebung seines erst vierjährigen Cousins scheute Theodosius aber zurück, auch weil dessen Vater Constantius III. im Osten als Usurpator gegolten hatte und seine Mutter Galla Placidia auf die Ablehnung des westlichen „Statthalters“ Castinus stieß.1 Formal herrschte Theodosius II. damit nun zwar über das Gesamtreich, faktisch aber waren seine Möglichkeiten begrenzt, von Konstantinopel aus eine dauerhaft stabile Kontrolle über den westlichen Reichsteil auszuüben. Dies zeigte sich am Fortgang der Ereignisse: Während der Kaiser in Konstantinopel die Ernennung eines Amtskollegen immer weiter hinauszögerte, schuf der Castinus-Rivale Bonifatius von Africa aus Fakten, indem er die Getreideversorgung Roms aussetzte und damit Ende November die Erhebung des Johannes zum Kaiser provozierte.2 Die Rolle des Castinus bei diesem Vorgang ist unklar. Prosper jedenfalls behauptet keinesfalls, dass er maßgeblich an der Erhebung des Johannes beteiligt gewesen wäre. Als magister militum wäre es ihm gleichzeitig aber wohl möglich gewesen, die Usurpation zu verhindern. Genau das tat er jedoch nicht. Er duldete Johannes, der im Gegenzug dafür die Ernennung des Castinus zum Konsul für 424 anerkannte.3 [J.K.]

1283 Auch wenn Prosper die Erhebung des Arcadius-Sohns nicht eigens berichtet hat, war er sich doch bewusst, dass Theodosius II. bereits seit 408 als Kaiser im Oströmischen Reich amtierte, immerhin gibt er zu diesem Jahr die Dauer

1

Mit Stickler, Aëtius 26 f. war diese Feindschaft zu Castinus bereits einer der Gründe für ihre Flucht aus dem Westen. 2 Dass Bonifatius Placidia gegenüber loyal blieb, erwähnt Olymp. frg. 38 (Blockley) = frg. 40 (Müller). Vgl. auch Stickler, Aëtius 27–9, mit dem Hinweis, dass Bonifatius schon den Vandalen-Zug des Castinus sabotiert hatte. 3 Vgl. c. 1284.

228

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

seiner gemeinsamen Herrschaft mit Honorius an.1 Dass Theodosius erst jetzt explizite Aufnahme in die durchnummerierte Liste römischer Kaiser findet, hängt damit zusammen, dass sich diese Liste in der Chronik immer an den dienstältesten augusti orientiert, was bereits an anderen Stellen deutlich geworden ist.2 Auffällig und neu ist im Vergleich zu Prospers anderen Berichten über Kaiserwechsel hingegen, dass für Theodosius II. hier keine Herrschaftsdauer angegeben wird. Im Fall der Erstveröffentlichung der Chronik 433 erklärt sich dies damit, dass der Kaiser zu dieser Zeit noch amtierte. In den späteren Editionen, die nach dem Tod des Theodosius 450 veröffentlicht wurden, scheint Prosper dann darauf verzichtet zu haben, das entsprechende Detail nachzutragen. Der Chronist unterlässt die Zählung der Kaiser und ihrer Amtszeiten nach Theodosius II. sogar gänzlich. Für Valentinian III. oder Marcian finden sich diese Informationen an den zu erwartenden Stellen in den Jahren 450 (Tod des Theodosius II.) und 455 (Tod des Valentinian III.) jedenfalls nicht.3 [J.K.]

1284 Wahrscheinlich war Castinus nicht vom Usurpator Johannes zum Konsul ernannt, sondern noch von Honorius designiert worden. Im anderen Falle hätte der Usurpator wohl selbst das Amt übernommen. Dass Castinus offensichtlich auch nach Johannesʼ Niederlage nicht konsequent aus der Liste der Konsuln getilgt wurde, spricht ebenfalls für diesen Befund, immerhin zeichnet sich Prosper dadurch aus, Abweichungen vom gängigen Besetzungsschema für gewöhnlich zu berücksichtigen und zu erklären.4 Ähnliches geschieht hier für das Jahr 424 aber gerade nicht. Damit spiegelt sich im Konsulat des Castinus seine undurchsichtige Rolle in den Wirren nach dem Tod des Honorius. Offensichtlich machte man ihn für die Usurpation des Johannes zwar nicht direkt verantwortlich, warf ihm aber vielleicht vor, sich

1

Vgl. c. 1235. Vgl. Komm. zu c. 1207. 3 Zum möglichen Grund, nämlich der Abwendung des Chronisten vom theodosianischen Haus, vgl. Komm. zu c. 1361. 4 Vgl. c. 1215 f. (a. 399). 1239–42 (a. 410/1). 1248 f. (a. 413). Auch Demandt, Magister militum 635 hält Castinus nicht für den Kandidaten des Johannes. Direkte Übernahme des Konsulats durch neu ausgerufene Kaiser: Bagnall, Consuls 23. Zum Konsulat des Jahres 424: Bagnall, Consuls 382 f. (a. 424). 2

Kommentar

229

nicht deutlich gegen den Usurpator gestellt zu haben, wie es beispielsweise sein Rivale Bonifatius getan hatte.1 Falls Castinus nach der Rückkehr von Valentinian und Placidia im Gegensatz zu Johannes nicht zum Tode verurteilt wurde, sondern lediglich in die Verbannung gehen musste, würde dies die ambivalente Rolle des Castinus in den Jahren 423 bis 425 spiegeln.2 [J.K.]

1285 Der Bericht über die Ermordung eines Anhängers des Johannes, des Prätorianerpräfekten Exuperantius, gehört zu denjenigen Einträgen, die in einigen Hss. am Rand vermerkt sind. Überliefert haben den Eintrag nur die Hss. AO (am Rand), und auch Labbé (L) führt ihn im Text. In der MY-Familie fehlt er dagegen. An der Echtheit der Nachricht ist aber kaum zu zweifeln; der Text bietet in stilistischer und inhaltlicher Hinsicht nichts Anstößiges (für authentisch halten ihn auch Mommsen, Chron. min. 1,379 und Muhlberger, Chroniclers 80 Anm. 66, vgl. aber ebd., 60 mit Anm. 29). Wenn die spätere Rezension den Eintrag nicht enthält, mag das vielleicht daran liegen, dass der späte Prosper auf die gallische Episode verzichten zu können meinte. Der gallische Widerstand gegen den Usurpator fällt zugunsten der Aktionen des Bonifatius und der erfolgreichen Niederschlagung der Usurpation durch das theodosianische Haus unter den Tisch (vgl. c. 1286 und 1288). An Ereignissen für das Jahr 424 mangelte es dem Chronisten zudem nicht, da Theodosius in diesem Jahr mit der Erhebung Valentinians zum Kaiser die Voraussetzungen für den Sieg über Johannes schuf. apud Iohannem inultum fuit apud im Sinne von iudicio, a parte alicuius (vgl. ThLL s. v. Sp. 342,38–344,33, vgl. besonders die Verbindung veniam apud aliquem esse, z. B. Liv. 36,9,12; 42,29,3; Plin. epist. 8,11,3); beim Passiv anstelle von a / ab bei Prosper auch c. 919 apud quos (sc. Manichaeos) duo principia praedicantur; 1329 quattuor Hispani viri … apud Gisiricum … cari clarique habebantur. [M.B.] Kaiser Johannes blieb nicht nur die Anerkennung des Theodosius II. im O 1

Zum Widerstand des Bonifatius c. 1286. Vgl. auch Komm. zu c. 1282. 1288. Vgl. eine Interpolation zum Prosper-Text, die Aufnahme in die Mommsen-Edition findet: Castinus autem in exilio actus est… Zur Stelle vgl. den philol. Komm. zu c. 1282. 2

230

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Widerstände. Während der comes Africae Bonifatius mit seiner Blockade Roms die Ausrufung des Usurpators überhaupt erst notwendig gemacht hatte, weist Prosper auch für Gallien auf Durchsetzungsprobleme des neuen Kaisers hin. Falls Exuperantius ein Parteigänger des Johannes war – oder diesen zumindest tolerierte –, so hatten sich die in Gallien stationierten Truppen mit dem Mord am Prätorianerpräfekten deutlich positioniert, offensichtlich ohne dass Johannes die Möglichkeit gehabt hätte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.1 Auch der Rückhalt des Usurpators bei den in Italien stationierten Einheiten unter Castinus war wohl eher verhalten, geht man davon aus, dass Castinus nicht direkt an der Erhebung des Johannes beteiligt gewesen war und diesen eventuell mehr duldete als aktiv unterstützte.2 Diese allgemein mangelnde militärische Unterstützung des Usurpators sollte letztlich zu dessen Sturz führen. [J.K.]

1286 consobrinum suum In der Bezeichnung des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Theodosius II. und Valentinian ist die Überlieferung gespalten. MY setzen consobrinum suum zum Namen des Valentinian, alle übrigen Hss. haben amitae suae filium. Beide Varianten sind sachgerecht. Sehr wahrscheinlich aber handelt es sich bei der Lesart in MY um die echte, bei der in der A-Familie und in den Contaminati überlieferten Lesart um eine interpolierte Ersatzfassung (vgl. Mommsen, Chron. min. 1,379 gegen seine eigene Edition, die zwei Versionen im Text anbietet). consobrinum kann hier im alten Wortsinn gemeint sein, nämlich „Vetter von der Schwester (sc. des Vaters) her“, vgl. Don. Ter. Hec. 459 sobrini sunt de duabus sororibus, consobrini de fratre ac sorore (ThLL s. v. 473, 82–474,3). Im Gebrauch des Spätlateins war diese ursprüngliche Bedeutung nicht mehr greifbar (vgl. z. B. Paul. dig. 38,10,10,15; ThLL 473,76–82), ein Interpolator ersetzte das

1

Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 71. Davon, dass Exuperantius ein Unterstützer des Johannes war, ist allein deshalb auszugehen, weil im anderen Falle unklar bliebe, wieso der Usurpator den Tod des Präfekten überhaupt hätte rächen PLRE 2, 448 (Exuperantius 2). Gegen eine feste Zuordnung des Exuperantius zur Gruppe um Johannes jedoch: Stickler, Aëtius 32 Anm. 156. 2 Diese Duldung wiederum erfolgte im Gegenzug für die Anerkennung des CastinusKonsulats von 424 (c. 1284) durch Johannes.

Kommentar

231

Wort durch die genaue Umschreibung „Sohn der Schwester des Vaters“ (zu amita vgl. Paul. Fest. 14; Isid. orig. 9,6,25 [ThLL s. v. 1919,19–55]). [M.B.] Theodosius II. hatte sich lange geweigert, seinen minderjährigen Cousin zum Kaiser zu erheben. Erst als daraufhin in Rom Johannes den Thron usurpiert hatte, blieb Theodosius nichts anderes übrig, als sein Widerstreben gegen Valentinian aufzugeben und ihn als Nachfolger für den verstorbenen Honorius in Position zu bringen. Eine andere Wahl war für den Kaiser im Osten kaum denkbar. Angesichts der ausgeprägten dynastischen Orientierung der Zeitgenossen war es unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ein dynastiefremder Kaiser mehr Rückhalt im Westen erfahren hätte als der Usurpator Johannes.1 Eine andere dynastische Lösung als Valentinian war nicht vorhanden. Theodosius mag nun die Möglichkeit gesehen haben, mit Valentinian im Westen wenigstens einen loyalen und möglichst von ihm abhängigen Mitkaiser zu installieren. Um diese Abhängigkeit zu unterstreichen, erhob Theodosius Valentinian am 23. Oktober zunächst lediglich zum caesar und verlobte ihn gleichzeitig mit seiner Tochter Licinia Eudoxia.2 Schließlich rüstete er Valentinian und seine Mutter Galla Placidia mit Truppen unter der Führung seines magister militum Ardabur aus und sandte sie gegen Johannes nach Italien.3 Johannes hatte nicht nur mit diesem Angriff Konstantinopels, sondern auch mit dem Widerstand des Bonifatius in Africa zu kämpfen, der sich aus persönlicher Konkurrenz zu maßgeblichen Anhängern oder Duldern der Usurpation heraus – vor allem Castinus, aber auch Aëtius – auf die Seite der rückkehrenden Theodosianer stellte und von Africa aus Rom bedrohte.4 Dem Umstand, dass Prosper den westlichen Reichsteil in diesem Zusammenhang dezidiert als westliches Reich bezeichnet, sollte nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden. Auch in der Spätantike wurde das Kaisertum weiterhin als eines gedacht. Theodosius II. und Valentinian III. herrschten 1

Prospers Bericht ist ein Zeugnis für die weiterhin legitimierende Wirkung dynastischer Zusammenhänge. Vgl. Einl. Kap. III.1.a. Für Theodosius II. kam hinzu, dass sich die meisten anderen Kandidaten im Westen der Illoyalität verdächtig gemacht hatten. 2 Damit konnte sich Theodosius II. als auctor imperii seines jüngeren Kollegen inszenieren. Zur späteren Hochzeit zwischen Valentinian und Licinia Eudoxia: c. 1328. 3 Ardabur (PLRE 2, 137 f 9 [Fl. Ardabur Aspar]) begleitet, der seit den 440er Jahren bis zu seiner Ermordung 471 eine zentrale politische Rolle im Osten spielen sollte. Zu beiden auch Demandt, Magister militum 747–51. 4 Zur Konkurrenz mit Castinus schon c. 1278.

232

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

nominell jeweils über das Gesamtreich. Und so wie das Kaisertum streng genommen nicht geteilt, sondern nur gemeinsam ausgeübt werden konnte, war auch das Reich nicht teilbar, sondern stand allenfalls unter gemeinsamer Waltung mehrerer legitimer Kaiser.1 [J.K.]

1287 Im Westen amtierte ursprünglich der Usurpator Johannes, dessen Konsulat aber im Osten nicht anerkannt wurde.2 Noch im Jahr seines Konsulats wurde er von Valentinian und Galla Placidia, beziehungsweise von den Truppen des Theodosius II., beseitigt. [J.K.]

1288 Vgl. philol. Komm. zu c. 1282. per ipsum Vgl. zu c. 1247. [M.B.] Prosper schrieb als Untertan Valentinians III. Daher präsentiert er eine deutlich valentinianisch geprägte Variante vom Sieg über Johannes, indem er betont, dass es Galla Placidia und Valentinian waren, die den Usurpator besiegt hätten. Im Osten des Reichs hingegen galt die Wiederherstellung der einheitlichen Reichswaltung unter der theodosianischen Dynastie als die politische Großtat des Theodosius II., weshalb der Kaiser in Konstantinopel auch als auctor imperii seines jüngeren westlichen Kollegen dargestellt wurde.3 Und tatsächlich waren es die Soldaten des Theodosius unter dem magister militum Ardabur und dessen Sohn Aspar, die die schnelle Niederwerfung des Usurpators herbeigeführt hatten. Auf die faktischen Machtverhältnisse verweist der Chronist nur durch seine Wortwahl, wenn er mit dem Verb recipere implizit auf den Auftrag zurückverweist, den Theodosius seinen

1

Zur fortgesetzten Reichseinheit im Denken der Zeitgenossen und zur Benennung der Reichsteile in den Quellen: Pabst, Divisio regni v. a. 172. 2 Bagnall, Consuls 384 f. (a. 425). 3 Vgl. Stickler, Aëtius 37 f.

Kommentar

233

beiden Verwandten in c. 1286 zur Rückgewinnung der Herrschaft erteilt hatte.1 Die Träger der Johannes-Usurpation ereilte nach der Ausführung dieses Auftrags ein höchst unterschiedliches Schicksal. Während der Usurpator selbst getötet wurde, musste Castinus wahrscheinlich lediglich in die Verbannung gehen.2 Ganz anders verhält es sich mit dem hier erstmals in der Chronik begegnenden Aëtius, der den Kampf des Johannes immerhin ganz eindeutig unterstützt hatte. Der Sohn des magister militum Gaudentius hatte Teile seiner Jugend als Geisel bei Westgoten und Hunnen verbracht und sich aus dieser Zeit insbesondere zu letzteren ein gutes Verhältnis bewahrt.3 Aus diesem Grund sollte er Johannes für dessen Kampf gegen die Truppen Ostroms hunnische Hilfsverbände zuführen. Aëtius traf mit diesen aber zu spät ein und trug damit zur raschen Niederwerfung des Usurpators bei, was aber schwerlich bereits zu seiner von Prosper betonten Straffreiheit führte, hatte Aëtius mit seiner Verspätung doch sicherlich keinen bewussten Verrat am Usurpator geübt. Nur wenige Tage nach dessen Tod lieferte er sich sogar noch ein Gefecht mit dem Theodosius-Heerführer Aspar.4 Danach nutzte der Feldherr seine mitgeführten hunnischen Verbände offenbar als Faustpfand, um sich von Valentinian und Galla Placidia in seinem Amt als comes rei militaris bestätigen zu lassen.5 Erst dann brachte er die Hunnen dazu, sich wieder aus dem Reich zurückzuziehen. Da sich Aëtius bald zum faktischen Lenker der weströmischen Politik aufschwingen sollte und dies auch bis zu seiner Ermordung im Jahr 454 blieb, verbot sich für Prosper eine allzu klare Darstellung dieser Erpressung des Kaiserhauses. Der Chronist kehrte des-

1

Eine möglicherweise ähnliche Konkurrenz valentinianischer und theodosianischer Geschichtsdeutungen findet sich in dem in zwei Varianten überlieferten c. 1289. Vgl. aber dort Komm. zu abweichenden Interpretationen. 2 Eine von Mommsen in seine Edition aufgenommene Interpolation der Stelle lässt sich dahingehend interpretieren, dass man Castinus vorwarf, die Erhebung des Johannes nicht aktiv verhindert zu haben: …quia videbatur Iohannes sine coniventia ipsius regnum non potuisse praesumere. Vgl. auch c. 1282 mit philol. Komm. Der magister militum verschwindet jedenfalls spurlos aus der Überlieferung, sieht man von einer Nachricht über seine angebliche Flucht zu Bonifatius in den Ps.-Bonifatius-Briefen ab, die gegen PLRE 2, 270 (Fl. Castinus 2) aber kaum glaubhaft sein dürfte: PL 33, 1097 f. 3 Zur frühen Biographie des Aëtius: Stickler, Aëtius 20–5. Sein Nahverhältnis zu den Hunnen wird nicht nur an der vorliegenden Stelle deutlich, sondern überdies in c. 1310. 4 Philost. 12,14,1. 5 Amt nach Demandt, Magister militum 654. So auch: Stickler, Aëtius 40.

234

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

halb die Ereignisse um: Die Rückführung der Hunnen sei überhaupt der Anlass gewesen, Aëtius in den Genuss einer Amnestie kommen zu lassen.1 [J.K.]

1289 Überliefert sind zwei Versionen über die Erhebung Valentinians III. zum augustus, die wohl beide von Prosper stammen. Die Varianten decreto Theodosii und ab exercitu stehen zur Wahl. Die kontaminierte Überlieferung zeigt sich in der Lesart von H und B, die beide Varianten zusammenfügt, vgl. Valentinianus decreto Theodosii ab exercitu Augustus appellatur. Mommsen, Chron. min. 1,380 hält die Heeresvariante in MYLs für die echte, die Theodosius-Variante (ALeOZXRFP) sei von späterer Hand, und zwar erst nach dem Tod Valentinians, als Ersatz eingefügt worden. Für Muhlberger, Chroniclers 59 f. liegen dagegen Autorvarianten vor, wobei die AORRezension die ursprüngliche, die MY-Rezension die spätere Variante liefere. Zur Argumentation vgl. hist. Komm. [M.B.] Nachdem die Truppen seines Cousins Theodosius II. den Usurpator Johannes besiegt hatten, wurde Valentinian am 23. Oktober in Rom zum augustus ausgerufen. Dass Theodosius bei dieser Erhebung die zentrale Rolle spielte, ist angesichts des jungen Alters des neuen Kaisers und seiner mangelnden eigenen militärischen Ressourcen unbestreitbar. Die Krönung erfolgte dementsprechend auch durch den magister officiorum des Theodosius.2 Prosper liefert jedoch zwei Varianten der Krönung Valentinians: Eine, in der Valentinian von Theodosius zum augustus gemacht wird, eine bei der das Heer ihn ausruft. Hinsichtlich der faktischen Rolle des Theodosius sollte man diesem Unterschied keine allzu große Bedeutung beimessen, immerhin handelt es sich beim ausrufenden Heer in der einen Variante letztlich um das Heer des Theodosius, nicht um das Valentinians. Nichtsdestotrotz kann eine Klärung des Verhältnisses der Varianten aufschlussreich für das Geschichtsbild Prospers sein. Mommsen hält die Heeresvariante für die ursprüngliche, 1

Vgl. dagegen die deutlich kritischere Darstellung der Umstände der Amnestie in anderen Quellen: Chron. Gall. (452) 112 mit 115; Philost. 12,14,1 f. Zur Rolle des Aëtius während der Johannes-Usurpation und zur Straffreiheit ferner Stickler, Aëtius 38–40. 2 Olymp. frg. 43,1 (Blockley) = frg. 46 (Müller); Theophan. 5915 f.

Kommentar

235

da er in der expliziten Ausrufung durch das Heer eine besondere Ehrung des Valentinian zu erkennen meint, unter dem Prosper geschrieben hat. Die Variante, die dagegen Theodosius als Akteur in den Mittelpunkt rückt, schreibt Mommsen einer späteren Hand zu: Erst nach dem Tod Valentinians hätte die Abhängigkeit des westlichen Kaisers von seinem älteren Kollegen im Osten so deutlich betont werden können.1 Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass nicht ersichtlich ist, wo Prospers Motivation liegen sollte, nach dem Tod Valentinians den Bericht über dessen Ausrufung durch das Heer ausgerechnet zugunsten eines Berichts über die Kaisererhebung durch Theodosius zu ersetzen. Immerhin war Theodosius bereits vor Valentinian gestorben, während die gemeinsame Dynastie mit dem Tod des letzteren erloschen war. Darüber hinaus ist die Variante der Kaisererhebung des Valentinian durch Theodosius keineswegs antivalentinianisch: Da die Ernennung eines Kaisers durch einen dienstälteren Kollegen gängige Praxis in der Spätantike war, führt Prosper in der Chronik beispielsweise auch die Erhebung des Theodosius I. auf einen Beschluss Gratians zurück.2 Hinzu kommt, dass in Prospers Denken dynastischer Legitimität die Kooptierung Valentinians ins Kaiserkollegium durch seinen älteren Vetter deutlich seine Legitimität unterstreicht. Die Usurpatoren der Chronik zeichnen sich auf der anderen Seite gerade dadurch aus, dass ihnen eine solche dynastische Legitimität fehlt. So wurde Magnus Maximus in der Darstellung Prospers ausdrücklich von Soldaten zum Kaiser erhoben, was mit Prosper eine Grundlage für seine Stellung als Usurpator war.3 Mit Muhlberger wird daher die Variante der Erhebung durch Theodosius ausdrücklich als ursprünglich angenommen, wobei aber beide Varianten sicher von Prosper stammen. Die spätere Änderung des Berichts hin zur Ausrufung durch das Heer erklärt Muhlberger durch die Kaisererhebung Marcians im Jahr 450. Dieser wurde in Ermangelung direkter dynastischer

1

Mommsen, Chron. min. 1,380. Dementsprechend entscheidet sich Mommsen in seiner Edition auch nicht zwischen den beiden Varianten. Ebenso verfährt er bei einigen anderen Prosper-Stellen: c. 1259. 1358. 1373. 1375. Murray, Reader 67 gibt in seiner Teilübersetzung des Texts für die vorliegende Stelle ebenfalls beide Varianten an. 2 Vgl. c. 1170. 3 Zur rein militärisch gestützten Erhebung des Maximus: c. 1183. Insofern ist die Variante der Ausrufung des Valentinian durch das Heer gegen Mommsen nicht – zumindest nicht zwangsläufig – provalentinianisch.

236

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Kontinuität in der Tat durch die Armee zum Kaiser gemacht.1 Da dieser Umstand bei Prosper bis dahin eher Usurpatoren auszeichnete, Marcian vom Chronisten aber hochgeschätzt wird, sei die Erhebung Valentinians III. nachträglich der Erhebung Marcians angeglichen worden.2 Damit wäre die Heeresvariante weder provalentinianisch noch antitheodosianisch, sondern schlicht promarcianisch. [J.K.]

1290 Den Goten war 418 die Ansiedlung in der Aquitania Secunda und in einigen angrenzenden Gebieten zugestanden worden. Arles gehörte sicherlich nicht zu diesen Gebieten, immerhin war die Stadt der Verwaltungshauptsitz der gallischen Präfektur. Nun nutzten die Goten aber offensichtlich die Wirren des Bürgerkriegs zwischen Theodosianern und Johannes, um über ihre vertraglich zugesicherten Siedlungsgebiete hinauszugreifen. Was die Goten konkret zum Friedensbruch veranlasste, ist unklar. Stickler sieht das Westgotenreich durch eine „strukturelle Aggressivität“ gekennzeichnet: Durch die Ansiedlung von 418 sei den Königen ihre traditionell legitimierende Grundlage eines Heerkönigtums weggebrochen, während sie zugleich auch nicht mehr mit römischen Ämtern und Titeln belehnt worden seien. Vor dieser Grundlage boten die innenpolitischen Wirren im Reich für die gotische Führung eine günstige Gelegenheit, aus den sich ergebenden Legitimationsdefiziten auszubrechen.3 In dieser Situation war es Aëtius, der die Goten erfolgreich zurückschlagen konnte und damit gleichzeitig die ihm zuteilgewordene Amnestie nach der Niederlage des Johannes rechtfertigte. Der hier noch als comes agierende Heerführer legte damit eine Grundlage für seine spätere Ernennung zum magister militum per Gallias im Jahr 429.4 Zu einer deutlich positiven Würdigung des Aëtius gelangt Prosper dadurch jedoch nicht, stand er ihm doch

1

Eine weitere Legitimationsquelle, die Heirat Marcians mit der Theodosius-Schwester Pulcheria (vgl. S. 306 Anm. 1), verschweigt Prosper. Zu möglichen Gründen vgl. Komm. zu c. 1361. 2 Muhlberger, Chroniclers 59 f. Zum zu c. 1361 f. 3 Stickler, Aëtius 207 f. Schließt man sich dieser Argumentation an, so ist auch der Gotenkrieg der 430er Jahre (c. 1324 ff.) mit ähnlichen Mustern zu erklären. 4 Vgl. c. 1300. Zur Karriere des Aëtius bis hier hin: Stickler, Aëtius 25–35. 39–48.

Kommentar

237

zu dessen Lebzeiten im Rahmen des politisch Opportunen vergleichsweise kritisch gegenüber.1 Eine solche positive Würdigung wäre an dieser Stelle der Chronik aber auch aus einem anderen Grund verfehlt: Zwar endet das ereignisreiche Jahr 425 mit der Niederschlagung der Johannes-Usurpation, der Ernennung eines dynastisch legitimierten augustus und dem militärischen Sieg gegen die Goten positiv; die Konflikte der großen Heerführer des Reichs untereinander sollten sich aber dessen ungeachtet fortsetzen. An Stelle der folgenreichen Rivalität zwischen Bonifatius und Castinus traten nach der Ausschaltung des letzteren nun ähnliche Rivalitäten zwischen Bonifatius, Flavius Felix und Aëtius. Die gefährlichen Folgen dieser internen Spannungen im Reich zeigt Prosper immer wieder auf, so nicht zuletzt auch an dieser Stelle, hatten doch erst die Wirren eines Bürgerkriegs den Goten den Angriff auf Arles ermöglicht.2 [J.K.]

1291 Durch die Nennung des augustus-Titels Valentinians unterstreicht Prosper dessen Promotion aus dem Jahr 425. Zugleich wird damit implizit die Kontinuität und Sieghaftigkeit des theodosianischen Hauses im Angesicht von Usurpationen herausgestellt. Dass die Angabe des Kaisertitels in Konsullisten für Prosper weder obligatorisch noch typisch ist, sieht man nicht zuletzt daran, dass Theodosius II. an dieser Stelle nicht ebenfalls als augustus bezeichnet wird. [J.K.]

1292 concisus haben MYLs, laniatus überliefern ALeOZXRFPHB. Das bildliche, umgangssprachliche Wort soll hier offensichtlich das schwache Kompositum concisus ersetzen.

1

Zur Stellung Prospers Aëtius gegenüber: Einl. Kap. III.4.b. Zu den nun folgenden Rivalitäten der hohen Militärs in weils mit Komm. c. 1294. 1303. 1310. Dass Prosper an vorliegender Stelle die Gefahr interner Spannungen nicht allzu deutlich betont, liegt in erster Linie daran, dass diesmal nicht bloß überambitionierte Heerführer an diesen Spannungen beteiligt waren, sondern auch das aus Prospers Sicht legitime Kaiserhaus. 2

238

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

praeceptum haben MY, occultam iussionem ALOZXRFPHB. Auch hier versucht der Interpolator durch eine Variante den Sinn zu verdeutlichen. [M.B.] Die von Prosper hier beschriebenen Vorgänge liegen weitgehend im Dunkeln. Über Patroclus wissen wir wenig, über Titus so gut wie nichts. Sogar über Flavius Felix ist vergleichsweise wenig bekannt, obwohl dieser bis zu seiner Ermordung im Jahr 430 die politisch dominierende Figur des Weströmischen Reichs war. Die Dominanz des Aëtius in den dann folgenden Jahren hat aber die Person seines Rivalen weitgehend überdeckt, nicht nur im Bericht der vorliegenden Chronik.1 So wird Felix durch Prosper äußerst negativ gezeichnet, an der vorliegenden Stelle durch seine angebliche Verwicklung in die Morde an Bischof Patroclus von Arles und Diakon Titus von Rom, kurz darauf an anderer Stelle durch seine Verantwortlichkeit für den Ausbruch eines Bürgerkriegs.2 Über die tatsächliche Rolle des Felix in den Fällen von Patroclus und Titus lässt sich also keine letztgültige Klarheit gewinnen, dient sie bei Prosper doch in erster Linie der negativen Charakterisierung des Felix. So ist es auch möglich, dass der Chronist hinsichtlich der Verantwortlichkeit an den Morden nur ein diesbezügliches Gerücht wiedergibt.3 Auch die von Prosper so herausgehobene Rolle des römischen Diakons in der Armenfürsorge ist hinsichtlich einer möglichen Rekonstruktion der Vorgänge wenig aufschlussreich, da diese typischerweise ein Aufgabenfeld der unter anderem mit der Finanzverwaltung der römischen Gemeinde betrauten Diakone darstellte.4 Einen Ansatzpunkt zur Füllung von Leerstellen liefert daher allenfalls die Person des Patroclus. Dieser hatte sich bemüht, seinen Bischofssitz Arles mit suprametropolitanen Vorrechten in Gallien auszustatten und war in einen scharfen Konflikt zur Kirche von Marseille geraten.5 Zunächst hatte er Erfolg, Papst Zosimus kam seinen Anliegen entgegen und verfügte 417 1

Zu Felix: PLRE 2, 461 f. (Fl. Constantius Felix 14). Das von Rivalität geprägte Verhältnis von Felix zu Aëtius wird in c. 1300. 1303 deutlich. 2 Vgl. c. 1294. 3 Zumindest behauptet Prosper an dieser Stelle nicht dezidiert, dass Felix die beiden Morde tatsächlich persönlich veranlasst hätte. 4 5

Einen Zusammenhang dieser hierarchischen Streitigkeiten mit dem Tod des Patroclus legt auch ein Brief Papst Coelestins nahe, in dem dieser kritisiert, dass Proculus von Marseille die Nachricht vom Tod seines Rivalen Patroclus unpassend erfreut aufgenommen habe: Coelest. epist. 4,10.

Kommentar

239

eine entsprechende Privilegierung des Bischofs von Arles.1 Da der Einfluss des Patroclus aber eng an der Patronage durch Kaiser Constantius III. hing, widerrief der Zosimus-Nachfolger Bonifatius diese Privilegierung nur fünf Monate nach dem Tod des Kaisers im Jahr 421.2 Vielleicht versuchte Patroclus jetzt, seine in Gallien umstrittenen Ansprüche vom wiederum neuen Papst Coelestin abermals anerkennen zu lassen. Sollte er dabei auf die Unterstützung durch den Felix-Rivalen Aëtius gesetzt haben, der sich 425/26 in Arles aufhielt, so ist Mathisens Verdacht begründet, dass beide von Prosper erwähnten Verbrechen in einem engen Zusammenhang mit Intrigen in der hohen Kirchen- und Reichspolitik gestanden haben könnten.3 Der Umstand, dass im Zuge der späteren Ermordung des Felix ebenfalls ein Diakon sein Leben lassen musste, deutet ebenfalls in diese Richtung. Dass Prosper hier keine näheren Details liefert, liegt zum einen an seiner generellen Neigung, alle Kontroversen um Papst Zosimus mit Rücksicht auf die Integrität der römischen Kirche zu verschweigen.4 Zum anderen würde eine allzu deutliche Betonung politischer Zusammenhänge der zentralen Aussageabsicht Prospers an dieser Stelle widersprechen, da sich die Morde an den Kirchenvertretern dann nicht mehr so einseitig als staatliche Übergriffe auf die Kirche darstellen ließen. Wie kritisch Prosper solchen Übergriffen begegnet, zeigt sich an der Person des Patroclus: Der Bericht über seinen Tod ist inhaltlich wie sprachlich eng mit c. 1247 verknüpft.5 Dort beschreibt der Chronist die Absetzung des Bischofs Heros von Arles und die Einsetzung des jetzt getöteten Patroclus. Während dort die aus politischen Erwägungen erfolgte Absetzung des Heros als unkanonisch kritisiert wird, wird jetzt der Mord an dessen Nachfolger Patroclus als Verbrechen charakterisiert, obwohl dessen Legitimität ja durchaus in Zweifel gestanden haben dürfte. Unabhängig also vom Ansehen der Betroffenen heißt Prosper Übergriffe politischer Autoritäten auf kirchliche Akteure nicht gut. [J.K.]

1

Zosim. epist. „placuit apostolicae“ (PL 20, 641), c. 2 (Verleihung der Formatrechte über Viennensis, Narbonensis Prima und Narbonensis Secunda). Zum Problemkomplex: Bleckmann, Arelate. 2 Bonif. epist. 12. Prosper selbst weist auf das Nahverhältnis des Patroclus zu Constantius hin: c. 1247. Vgl. auch Heinzelmann, Affair 244. 3 4

Dieses Verschweigen galt bis hierhin Zosimusʼ Eingreifen in den Pelagianischen Streit: c. 1261. 1265. 1266. 1270. Sein Verhalten im Konflikt der gallischen Kirche war aber ebenso umstritten – und wird daher vom Chronisten ebenfalls übergangen. 5 So taucht die Wendung vir sanctus nur an diesen beiden Stellen der Chronik auf.

240

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1293 Zeitnah zu seinem erfolgreichen Feldzug gegen den Usurpator Johannes wurde Ardabur mit dem Konsulat bedacht. [J.K.]

1294 Auch zu diesem Eintrag gibt es eine Doppelfassung. Es sind zwei Versionen des Geschehens um Mavortius, Gallio und Sanoeces überliefert, die als Heerführer im Kampf gegen Bonifatius nach Africa gesandt wurden. Wieder trennt sich die Überlieferung in MY von der in den übrigen Hss. Im Unterschied zu anderen Doppelversionen bietet die zweite Fassung hier aber kaum inhaltliche Änderungen, sondern auf den ersten Blick nur eine stilistische Variation: … ducibus Mavortio et Gallione et Sanoece. qui obsidentes Bonifatium prodente Sanoece occisi sunt mox etiam ipso, qui prodiderat, interfecto (MY) und … ducibus Mavortio et Gallione et Sanoece. cuius proditione Mavortius et Gallio, dum Bonifatium obsident, interempti sunt moxque ipse a Bonifatio doli detectus occisus est (ALOZXRFPHB). Mommsen hat die Variante aus ALOZXRFPHB in den textkritischen Apparat verbannt und entgegen seinem sonstigen Verfahren nicht als Alternative zur MY-Version in den Text gestellt. Unter den Interpolationen, die er in seiner Einleitung sammelt, führt er die Stelle allerdings nicht auf (vgl. Mommsen, Chron. min. 1,379). Bei der Variante der AOR-Familie kann es sich um den Versuch handeln, einen leichten Anstoß in Prospers Text zu beheben. In der MY-Version kann nämlich qui fälschlich auf alle drei Generäle bezogen werden, die Tötung der drei stände dann dem späteren gesonderten Ereignis der Tötung des Verräters Sanoeces gegenüber, der somit praktisch zweimal stürbe. An dieser schiefen Ausdrucksweise, die eine Folge der syntaktisch gedrängten Periode ist und vom Autor in Kauf genommen wurde, mag sich ein späterer Bearbeiter gestört haben. Er ‚korrigiert‘ und macht dabei klar, in welcher Reihenfolge die Generäle den Tod fanden. Gleichzeitig Element in den Bericht ein. Denn die Version der AOR-Familie lässt sowohl Bonifatius als Agens als auch ein Motiv für die Tötung des Sanoeces hervortreten, wenn Bonifatius diesen der Hinterlist überführt und ihn hinrichtet,

Kommentar

241

vgl. a Bonifatio doli detectus occisus est. Was mit dolus gemeint ist, bleibt dabei vage. Man könnte an den Verrat an den Kollegen denken, aber auch an einen weiteren Betrug, diesmal an Bonifatius selbst. Die Version in MY ist einerseits klarer, insofern Sanoeces als Verräter getötet wird, vgl. mox etiam ipso, qui prodiderat, interfecto. Andererseits wird Bonifatius nicht explizit mit dem Tod des Sanoeces in Verbindung gebracht, was zur allgemeinen Tendenz der Darstellung in diesem Eintrag passt. Prosper ist es hier offenbar daran gelegen, das insgesamt positive Bild, das er von Bonifatius zeichnet, durch dessen Rolle als Rächer nicht zu verdunkeln. Durch den Parallelismus der Ablativkonstruktionen und die Wiederholung des Verbums prodere gelingt es zudem, dass der unmittelbare kausale Zusammenhang zwischen dem Verrat des Sanoeces und seinem eigenen Untergang deutlich zutage tritt: prodente Sanoece – mox etiam ipso, qui prodiderat, interfecto – ein Beispiel für die für Prosper typische moralische Deutung des Geschehens. Vielleicht hat sich ein späterer Bearbeiter daran gestört, dass hier weder Motiv noch Urheber der Tötung des Sanoeces genau benannt werden und beides durch eine Umformung der Erzählung nachzureichen versucht. Indem er als Motiv den dolus des Sanoeces anführt, schafft der Redaktor aber typischerweise nicht Klarheit, sondern ein neues Problem, denn nun steht eine weitere mysteriöse List des Sanoeces im Raum. Kurz: Die Variante in der A-Rezension ist als interpolierte Ersatzfassung zu bewerten und wurde von Mommsen zu Recht bei der Textkonstitution nicht berücksichtigt. ipso Vgl. zu 1247. [M.B.] Die Aggression im folgenschweren Konflikt zwischen Bonifatius und Felix geht in der Darstellung Prospers klar von Felix aus, der als magister militum verantwortlich für die Mobilmachung gegen den comes Africae ist. Allerdings sollte deshalb die Rolle des Bonifatius an dieser Stelle nicht zu positiv gesehen werden. Zwar ist es richtig, dass sich Prosper ihm gegenüber – ganz im Gegenteil zu seinen verschiedenen Rivalen – mit direkter Kritik im Laufe der Chronik zurückhält; dies muss aber nicht mit einer regelrechten Sympathie des Chronisten für Bonifatius zusammenhängen. Auch wenn sich der comes Africae im Krieg gegen den Usurpator Johannes dem theodosiater Linie seiner eigenen Stellung verpflichtet gewesen. Ein von Muhlberger vorgenommener Vergleich der Bonifatius-Bilder bei Prosper und bei Augustinus jedenfalls erweist zutreffend, dass der General von beiden Auto-

242

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

ren als nach potentia und gloria strebend gezeichnet wird.1 Dass es bei Prosper trotzdem zu keiner expliziten Kritik an ihm kommt, kann vielleicht mit dem Ruf besonderer Frömmigkeit erklärt werden, den Bonifatius bereits bei seinen Zeitgenossen hatte.2 Wahrscheinlicher ist der Grund aber schlicht in der Komposition der Chronik zu suchen: Bonifatius dient Prosper hier und an anderer Stelle als leidlich positive Schablone für die negative Charakterisierung anderer Führungspersönlichkeiten des Reichs, insbesondere des Aëtius, der aus dem Machtkampf der Generäle schließlich als Sieger hervorgehen wird. Für den ereignisgeschichtlichen Fortgang der Chronik ist hier ohnehin entscheidender, dass sich Bonifatius weigerte, seiner von Ravenna verfügten Abberufung Folge zu leisten und damit seiner Machtbasis Africa den Rücken zu kehren. Dadurch provozierte er den Krieg gegen sich.3 Abermals ist es also das Streben nach persönlichem Vorteil, das einen Schaden für das Gemeinwesen nach sich zieht. Die fatale Konsequenz der Felix-Mobilmachung gegen Bonifatius benennt Prosper in aller Deutlichkeit: Es kam zur Öffnung des Meeres für barbarische Völker. Während beispielsweise die Westgoten noch unter Alarich und Wallia bei Versuchen des Übersetzens nach Sizilien oder Africa gescheitert waren4, sollte die durch den hier beschriebenen Konflikt hervorgerufene Öffnung des Meeres direkt im Anschluss zur Invasion Africas durch die Vandalen führen, welche Prosper noch für dasselbe Berichtjahr erwähnt und welche er damit in einen direkten 1

Muhlberger, Chroniclers 101. Zum Verhältnis des Augustinus zu Bonifatius vgl. eingehender Komm. zu c. 1278. 2 Muhlberger, Chroniclers 101. Dieser Ruf könnte von ihm selbst oder von seinen Anhängern durch die Fälschung weiterer Briefe an Augustinus noch befördert worden sein. Vgl. S. 222 Anm. 4 mit Lepper, De Rebus Gestis 4–17. 3 Als comes Africae war Bonifatius dem magister militum in praesenti Felix direkt verantwortlich. Ausführlich zur Entwicklung der militärischen Spitzenämter im Weströmischen Reich, insbesondere des magisterium militum: Demandt, Magister militum v. a. 588–672. Ioh. Ant. frg. 290 (Roberto) führt die Rückberufung des Bonifatius auf eine Intrige des Aëtius zurück. Eine solche Sicht projiziert aber den späteren Konflikt zwischen diesen beiden Akteuren fälschlicherweise auf einen früheren Zeitpunkt. Ähnlich: Bleckmann, Der salmasische Johannes Antiochenus 59 f. 4 Oros. hist. 7,43,11 f.; Iord. Get. 156 f. 173; Olymp. frg. 16 (Blockley) = frg. 15 (Müller). Auf dieses westgotische Scheitern spielt Prosper u. a denen Völker bis dato nicht in der Lage gewesen seien, sich Schiffen zu bedienen. Auch Cod. Theod. 9,40,24 legt nahe, dass die germanischen Stämme des Schiffbaus unkundig waren, wenn bestimmt wird, jeden Römer mit dem Tode zu bestrafen, der „Barbaren“ das Bauen von Schiffen beibringen würde.

Kommentar

243

Zusammenhang mit dem innerrömischen Konflikt stellt.1 Damit fügt sich der Eintrag in die zentrale moralische Botschaft des Chronisten ein: Uneinigkeit und persönliches Vorteilsstreben legen die Grundlage für größeres Unheil. Dieser Gedanke liegt auch der kurzen Episode um das Schicksal des Sanoeces zugrunde, der zusammen mit seinen beiden Kollegen Mavortius und Gallio als Heerführer gegen Bonifatius gesandt worden war. Als er an diesen beiden Verrat übte, sollte er selbst diesen Verrat nicht lange überleben. Sanoecesʼ moralisches Fehlverhalten führt also zu seinem eigenen Untergang.2 [J.K.]

1295 Indem er die vandalische Africa-Invasion zwei Jahre zu früh ansetzt, bringt Prosper diese in einen direkten Zusammenhang mit den Kämpfen zwischen Bonifatius und Felix. Inhaltlich erklären sich beide Einträge also gegenseitig. Einerseits machte die in c. 1294 berichtete Öffnung des Meeres für barbarische gentes die Invasion Africas durch die Vandalen möglich, andererseits machte diese Invasion den Umstand der Meeröffnung in Folge des Konflikts zwischen Bonifatius und Felix für Prosper erst erwähnenswert. Wie der Zusammenhang beider Ereignisse konkret gelagert war, ist umstritten. Dies gilt insbesondere für die Frage nach der Verantwortlichkeit des Bonifatius. Zumindest Prokop sollte gut einhundert Jahre nach den Geschehnissen dezidiert behaupten, dass es Bonifatius war, der die Vandalen nach Africa geholt habe und damit für den späteren Verlust der Provinz verantwortlich sei.3 Vom Bericht des Zeitgenossen Prosper wird diese Einschätzung jedoch nur bedingt gedeckt. Zwar betont der Chronist in c. 1294, dass die römischen Konfliktparteien barbarische Völker zur Unterstützung gerufen hätten und zeigt, dass sich Felix dabei der Unterstützung des Westgoten Sigisvult hatte versichern können4; über die Bundesgenossen des 1

Nähere Diskussion zur Frage des historischen Zusammenhangs zwischen der Rivalität des Bonifatius mit Felix und der Vandaleninvasion: Komm. zu c. 1295. 2 Laut PLRE standen die von Prosper erwähnten duces im Rang von comites rei militaris: PLRE 2, 492 (Gallio); 736 (Mavortius 1); 976 (Sanoeces). 3 Procop. Vand. 1,3,25. Ähnlich auch Iord. Get. 167. 169; I 5931. Unmittelbar zeitgenössisch findet sich der Vorwurf jedoch nicht. 4 PLRE 2, 1010 (Fl. Sigisvultus). Dass Felix die Kriegführung gegen Bonifatius auf Sigisvult übertragen hatte, bedeutet jedoch nicht, dass er damit die Goten ins Feld geführt hätte. Sigisvult agierte als römischer Offizier, seine ethnische Zugehörigkeit ist daher letztlich uner-

244

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Bonifatius hingegen schweigt Prosper. Zwar könnte der comes Africae in der Tat ein Bündnis mit Geiserich geschlossen haben, der Chronik selbst allerdings ist dies nicht zu entnehmen.1 Aus diesem Grund hegen viele Forscher berechtigte Zweifel gegenüber einem Bündnis des Bonifatius mit den Vandalen. So weist Oost mit Blick auf Prokop einerseits auf die unter antiken Autoren weit verbreitete Neigung hin, Sündenböcke für militärische Rückschläge zu suchen, und legt unter Hinweis auf eine von Hydatius bereits für 425 berichtete Baleareninvasion andererseits nahe, dass Prospers Formulierung „Völker, die nichts von der Seeschifffahrt verstanden“ in c. 1294 gerade nicht die Vandalen habe meinen können.2 Ganz unabhängig davon führen Spekulationen über ein Bündnis der Vandalen mit Bonifatius auf Grundlage von Prospers Bericht ohnehin nicht weiter, vor allem wenn man die Pointe in seinem Hinweis auf die Öffnung des Meeres für barbarische Völker mit Muhlberger folgendermaßen gelagert sieht: Prosper sei „not concerned here with isolated raids on obscure islands, but with the fact that rival leaders, armed with governmental authority and resources, were encouraging barbarian peoples to cross the sea that had effectively limited their large-scale movements.“3 Der Chronist hatte also letztlich nicht eine Öffnung der See für bestimmte Föderaten im Sinn gehabt, sondern eine generelle Schwächung der römischen Seemacht in Folge der Bonifatius-Felix-Rivalität. Diese erlaubte den Vandalen dann zwar, Africa

heblich. Dies gilt umso mehr, als es wohl zu keinen Kampfhandlungen zwischen Sigisvult und Bonifatius kam. Beide haben sich anscheinend friedlich miteinander und mit dem Hof in Ravenna verständigt: Mathisen, Sigisvult 176–83. 1 Enßlin, Rez. de Lepper 142 kommt zu einem anderen Schluss. Das angebliche Bündnis des Bonifatius mit Geiserich ist weiterhin gedanklicher Bestandteil vieler Arbeiten. Vgl. z. B. Demandt, Spätantike 151; Scharf, Sebastianus 142; Spielvogel, Vandalen 202. Kritisch oder zumindest vorsichtig dagegen: Clover, Geiseric the Statesman 18–31; Lepper, De Rebus Gestis 72–86; Mathisen, Sigisvult 189–91; Oost, Galla Placidia 223 f. Anm. 58; Schmidt, Wandalen 57–9; Vössing, Königreich 34–7; Wolfram, Reich 238 f. 2 Oost, Galla Placidia 197–9. Zur Baleareninvasion: Hyd. chron. 86. Allerdings wäre dagegen ins Feld zu führen, dass eine Kenntnis dieser Invasion für Prosper nicht vorausgesetzt werden muss, zumal diese ohnehin ausschließlich bei Hydatius erwähnt wird. Außerdem war den Vandalen wahrscheinlich bereits durch ihren Sieg gegen Castinus eine größere Zahl an Transportschiffen in die Hände gefallen. Vgl. Komm. zu c. Vielleicht handelte es sich bei den Alliierten des Bonifatius dementsprechend eher um Goten. Solche fanden sich 430 in seiner Armee, als er von den Vandalen in Hippo belagert wurde: Possid. vita Aug. 28,12. Vgl. auch Schmidt, Wandalen 57 f. Anm. 1 (58). 3 Mulhberger, Chroniclers 96.

Kommentar

245

zu erobern; ob Geiserich dabei aber ursprünglich ein Verbündeter des Bonifatius gewesen ist oder nicht, dürfte für den Chronisten zweitrangig gewesen sein. Eine Antwort auf diese Frage ist seinem Bericht daher auch nicht zu entnehmen.1 [J.K.]

1297 Liberatus brev. 2 zitiert fast wörtlich den ersten Satz des Eintrags sowie die vorangehende Konsulangabe (c. 1296): Felice et Tauro consulibus Nestorius Constantinopolitanus episcopus novum ecclesiis molitur errorem inducere, praedicans Christum hominem tantum, non etiam deum natum eique divinitatem conlatam esse pro merito. Die Notiz wird von Liberatus aber nicht Prosper, sondern einem unbekannten Lucentius zugeschrieben, der sie in seiner epitoma chronicorum anführe. Zur Erklärung des Namens Lucentius: Mommsen, Chron. min. 1,343 (Spitzname Prospers); Schwartz, ACO 2,5, p. XVII (möglicher Kompilator Lucensius, der am Konzil von Chalcedon teilgenommen hat); vgl. auch Drecoll, Analyse zu Liberatus 18 f. impietati impietas wird im dogmatischen Zusammenhang synonym zu haeresis gebraucht, vgl. auch c. 796. 891. 1010. 1026. 1054. 1327. 1358; Hier. chron. 237a; Hier. epist. 17,2,2; Aug. civ. 21,19; Hyd. chron. 120 (Mommsen) (vgl. ThLL s. v. 613,60–70). [M.B.] Nestorios war von 428 bis zu seiner Absetzung auf dem Konzil von Ephesus 431 Bischof von Konstantinopel. Er wandte sich gegen die Bezeichnung Mariens als theotokos und machte sich stattdessen für ihre Titulierung als christotokos stark. Auf dieses theologische Grundanliegen des Häretikers weist Prosper in der Beschreibung der nestorianischen Häresie hin. Nicht deutlich hingegen wird, dass der Absage an die theotokos eine Zweinaturentheologie zugrunde lag, die von den Gegnern des Nestorios als Trennungschristologie kritisiert wurde.2 Die Zurückhaltung in der Häresiebeschreibung an dieser Stelle findet eine Entsprechung in späteren theologischen 1

Für eine Zusammenfassung der Diskussion um c. 1294 f.: Muhlberger, Chroniclers 95– 7. Man beachte, dass Possid. vita Aug. 28 in diesem sich dem Zug der Vandalen auch Alanen, Goten und Angehörige anderer Völker angeschlossen hätten. 2 Zur Lehre des Nestorios und ihrer Rezeption gerade im kirchlichen Osten des Reichs: Grillmeier, Jesus der Christus 642–91.

246

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Positionen Roms: Zwar stellt Prosper korrekt dar, dass Rom unter Coelestin an der Verurteilung des Nestorios beteiligt war, und auch später sollte Rom den Nestorianismus formell immer wieder verurteilen. Faktisch aber näherte sich das Papsttum mit dem Lehrbrief Papst Leos an Bischof Flavian von Konstantinopel 448 und dem Konzil von Chalcedon 451 den Grundaussagen nestorianischer Lehren wieder an.1 Darüber hinaus übertreibt Prosper an vorliegender Stelle auch die konkrete Rolle Roms in der Abwehr des Nestorios. Implizit weist der Chronist auf diesen Umstand sogar selbst hin, wenn er betont, dass Coelestin den Kampf gegen die Häresie lediglich mit seinem Ansehen unterstützt habe, auch wenn aus römischem Selbstverständnis heraus freilich erst diese päpstliche auctoritas die Frage nach Orthodoxie und Häresie zweifelsfrei klärte.2 Der Hauptgegner des Nestorios war jedenfalls nicht Papst Coelestin, sondern Kyrill von Alexandria. Dieser hatte nicht nur theologische Interessen an der Verurteilung des Bischofs von Konstantinopel, sondern stand als Bischof von Alexandria darüber hinaus auch in einem hierarchischen Konflikt mit der Kirche der Kaiserresidenz um die Führungsrolle im Reichsosten.3 In diesem Konflikt war dem Patriarchen der traditionsreichen Bischofsstadt Alexandria sehr daran gelegen, den aufstrebenden Sitz von Konstantinopel durch die Häretisierung eines seiner Bischöfe zu schwächen. Dass Rom ein ähnliches Interesse hatte, mag einer der Gründe für Coelestin gewesen sein, Kyrill in seinem Kampf gegen Nestorios zu unterstützen.4

1

Verurteilung des Nestorios 431 in Ephesus: c. 1306. Tomus Leonis ad Flavianum: ACO 2,2,1,24–33. Ekthesis der Synode von Chalcedon 451: ACO 2,1,2,128–30. Die Gegner der chalcedonischen Theologie sahen in den entsprechenden Positionen ein Wiederaufleben des Nestorianismus. Vgl. Ps.-Zach. hist. eccl. 3,1. Selbst Nestorios fand seine Anliegen in den Worten des tomus Leonis wieder: Nestor. lib. Heracl. 2,2 (298, 20–3). Caspar, Papsttum 393 Anm. 3 hält diese Wertungen dogmengeschichtlich für vertretbar. Näheres: Komm. zu c. 1358. 2 Den Höhepunkt erfuhren entsprechende Formulierungen über die Rolle Roms unter Papst Leo. Der späte Prosper vertritt ebenfalls eine römisch-leonische Ekklesiologie, wie beständige Hinweise auf die „Apostolizität“ Roms zeigen: c. 1336. 1350. 1362. 1369. 3 Kirchliches Verhältnis zwischen Alexandria und Konstantinopel in der Spätantike: Blaudeau, Alexandrie et Constantinople 1–239 (mit nachchalcedonischem Schwerpunkt). Römischer Beitrag in der Zurückweisung des Nestorius: Green, Leo 373–7. 4 Zur Aufwertung Konstantinopels 381 und der römischen Reaktion: S. 154 Anm. 1. Generell liegt den hierarchischen Streitigkeiten ein Gegensatz zwischen apostolischen und politischen Rangbegründungen zugrunde: Kötter, Kaiser und Apostel 191–223.

Kommentar

247

Daneben mag für die Entscheidung des Papstes gegen den Bischof von Konstantinopel auch dessen kurzzeitige Unterstützung des Pelagianers Julianus von Aeclanum eine Rolle gespielt haben.1 Im Rahmen des in der Chronik insgesamt recht breit dargestellten Kampfes gegen den Pelagianismus würde die vorliegende Stelle damit noch zusätzliche Relevanz erhalten. [J.K.]

1298 comitis Der Titel des Aëtius ist zwar in der MY-Rezension wieder ausgefallen – wohl aus der bekannten Tendenz heraus, Überflüssiges zu kürzen, er gehört aber wahrscheinlich Prosper und spiegelt dessen Bestreben, den Aufstieg des Generals nachzuzeichnen. [M.B.] Bis hierhin war bei Prosper von einer Besetzung von Teilen Galliens durch die Franken noch gar nicht die Rede. Allerdings hat der Chronist bereits Eroberungen der Burgunden in Gallien beschrieben, ebenfalls „nahe dem Rhein“.2 Während sich die Burgunden wahrscheinlich in der Nähe von Mainz angesiedelt hatten, verschlug es die Franken in die Gegend um Köln. Mutmaßlich lag beiden Ansiedlungen ursprünglich ein foedus mit dem Usurpator Konstantin zugrunde.3 Es war diese Verbindung zum ehemaligen Usurpator, die Aëtius veranlasste, im Zuge der Rückgewinnung Galliens für Ravenna gegen das Volk vorzugehen. Dabei zeigte sich der comes wiederholt erfolgreich im Kampf gegen ein germanisches Volk und legte damit den Grundstein für seinen weiteren Aufstieg zum magister militum. Wie zuvor bei Constantius zeichnet Prosper also auch im Fall des Aëtius dessen Aufstieg detailliert nach.4 Das unterstreicht, dass die Chronik zwischen dem Tod des Constantius und dem Jahr 433 unter dem Leitmotiv des Machtkampfs

1

Komm. zu c. 1304. Vgl. c. 1250. 3 Sollte die Ansiedlung der Burgunden auf Grundlage von foedera erfolgt sein (Komm. zu c. 1250 f.), so dürfte es sich im Fall der Franken kaum anders verhalten haben. Aus chronologischen Gründen müssen die ersten Verträge mit den Völkern zurückgeführt werden. Zu den Orten der Ansiedlung u. a. Martin, Entstehung 240–3. 4 Aëtiusʼ weitere Karriereschritte: c. 1300 (magister militum); 1335 (patricius); 1375 (angestrebte Verschwägerung mit dem Kaiserhaus). Dass Aëtius für die Niederwerfung der Franken direkt verantwortlich war, geht auch aus Hyd. chron. 98 hervor. 2

248

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

hochrangiger Militärs steht, aus dem Aëtius schließlich als Sieger hervorgehen wird. [J.K.]

1300 Da die Informationen über seinen Karriereweg insgesamt vergleichsweise spärlich sind, herrscht auch über den Zeitpunkt der Ernennung des Felix zum patricius Uneinigkeit. Einer Angabe bei Hydatius folgend, datiert Demandt seine Erhebung bereits in das Jahr 425.1 Allerdings ist die Chronologie bei Hydatius gerade für Ereignisse in Italien weniger zuverlässig als die des Prosper. Aus der Angabe Prospers lässt sich jedoch lediglich ein Terminus ante quem ableiten, schließlich behauptet der Chronist nicht, dass Felix erst im Berichtjahr 429 patricius geworden sei. Die Inschrift auf dem Konsulardiptychon des Felix, der 428 das Konsulat bekleidete, erwähnt den patriciusTitel jedenfalls bereits.2 In Analogie zur Karriere des Constantius, der 414 Konsul war und 415 zum patricius befördert wurde, kann auch für Felix an einen engen zeitlichen Zusammenhang in der Abfolge Konsulat–Patriziat gedacht werden, was wiederum gegen eine allzu frühe Datierung nach Hydatius sprechen würde. Sicher ist immerhin, dass Felix mit seiner Promotion den Höhepunkt seiner Karriere erreicht hatte.3 In eine enge Verbindung zu diesem Karriereschritt des Felix setzt Prosper nun die Karriere des Aëtius. Dieser sei nach der Beförderung des Felix seinerseits zum magister militum erhoben worden. Indem Prosper damit den Eindruck erweckt, die Karriere des Aëtius wäre der Karriere des Felix einen Schritt hinterher und stände in direkter kausaler Konkurrenz zu dieser4, lässt 1

Demandt, Magister militum 653 f. mit Hyd. chron. 84. Dem Datum folgt in jüngerer Zeit Stickler, Aëtius 36. 47. 2 ILS 1298. Dieser Angabe folgt PLRE 2, 461 (Fl. Felix 14). 3 Erstes Konsulat des Constantius: c. 1253. Constantius patricius: 1256. Felix nahm mit seiner Ernennung zum patricius nun also eine ähnliche Position ein wie Constantius vor der Ernennung zum Kaiser. 4 Da Felix bereits vor 429 patricius gewesen sein dürfte, ist dieser Zusammenhang beider Karrieren im Sinne des Darstellungsinteresses konstruiert. Einerseits muss Felix auch als patricius weiterhin magister militum Funktion beinhaltete: Barnes, Patricii; Barnwell, Emperor 44–7; O’Flynn, Generalissimos 85–7. Andererseits wurde Aëtius 429 wohl lediglich zum magister militum per Gallias erhoben und war damit nicht unmittelbar Nachfolger des Felix, der als magister utriusque militiae in praesenti amtierte und in dieser Funktion von Aëtius erst 430 beerbt wurde. Vgl. Demandt,

Kommentar

249

sich die vorliegende Information deutlich als Teil der Beschreibung des Ringens hoher Militärs um die Stellung des verstorbenen Constantius interpretieren. Der Eintrag stellt damit bereits eine Hinleitung zum Mord des Aëtius an Felix wenig später dar, mit dem die Konkurrenz der beiden Männer ihren Höhepunkt erreichen und die Karriere des patricius abrupt enden sollte. [J.K.]

1301 dogmatis sui insinuatione – ad insinuationem Palladii diaconi Auffällig ist der wiederholte Gebrauch des Wortes insinuatio in diesem Eintrag. Im zweiten Fall trennt sich zudem die Überlieferung: ad insinuationem haben MYLsHBXp corr Fris., AOZRFP bieten ad actionem, X hat von zweiter Hand actionem, das oberhalb der Zeile von derselben Hand zu insinuationem korrigiert wird, Labbé konjiziert actione. Mommsen entscheidet sich wie so oft für die Variante der MY-Rezension. Ihm zu folgen fällt hier nicht schwer. Das Wort actio ist in diesem Zusammenhang zu allgemein und vage und daher eher der Interpolation verdächtig: Was für eine Handlung des Palladius könnte gemeint sein? Die Konjektur von Labbé zeigt, dass die Konstruktion ad actionem ungewöhnlich ist; zu erwarten wäre eher ein Ablativus causae im Sinne von auctore Palladio. Man kann sich zudem vorstellen, dass die Wiederholung von insinuatio im Text bei einem Schreiber Anstoß erregte und ihn veranlasste, das zweite insinuatio durch actio zu ersetzen. Tatsächlich liegt ein Spiel mit den unterschiedlichen Bedeutungen und Konstruktionen von insinuatio vor (vgl. ThLL s. v. 51–81; dazu hist. Komm. sowie den Gebrauch von cura in 1348 und 1350). Der ursprünglich rhetorische Terminus technicus meint hier in Bezug auf die häretische Lehre (im Gen. obi.) negativ konnotiert „verführerische Darstellung, listig gewinnende Einführung“ (im dogmatischen Kontext auch Tert. anim. 46, 12; resurr. 2; Firm. math. 6,3,4.7; das Verb insinuare bezeichnet im Besonderen die Verführung durch den Teufel, z. B. Prosp. carm. de ingrat. 926; Cassiod. in psalm. 139,5), in Bezug auf den Diakon Palladius (im Gen. subi.) positiv konnotiert „Empfehlung, Rat“. Der Kontrast von falscher und richtiger Anwendung der rhetorischen Technik der insinuatio, der Kirchen Britanniens durch den Pelagianer Agricola und zu ihrem Heil Magister militum 653 f. 662–6. Auch: Stickler, Aëtius 47 f.; PLRE 2, 461 f. (Fl. Constantius Felix 14).

250

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

durch Gegenmaßnahmen in der römischen Kirche, hebt die Zielgerichtetheit des Kampfes gegen die pelagianische Irrlehre hervor und dient dazu, die Rechtmäßigkeit der römischen Einmischung in Britannien zu unterstreichen. deturbatis haereticis deturbare hier bildlich im Sinne von „niederwerfen, vertreiben“, nämlich die Häretiker (zum eigentlich militärischen Sinn vgl. die Beispiele ThLL s. v. Sp. 846,53–69). dirigit überliefern die meisten Hss. (MYALOXF), andere Endungen des Verbs haben H (diriget), P (dirigat) und Z (dirigeret), wobei in P der Konjunktiv durch vorangehendes ut statt et zu erklären ist. Die Lesarten redigunt bzw. redegit in B und R sind nicht nur grammatisch, sondern auch sachlich falsch, da der katholische Glaube in Britannien zuvor noch gar nicht allzu sehr Fuß gefasst hatte, also eher eine Missionierung als eine Rückführung zum Katholizismus stattfand (vgl. hist. Komm.). Zu dirigere „auf den rechten Weg bringen, konvertieren“, allerdings in Bezug auf Einzelne, vgl. ThLL 1237,58–1238,15. [M.B.] Da Prosper den Pelagianer Agricola unter Angabe einer Filiation determiniert, ist davon auszugehen, dass zumindest sein Vater Severianus den Zeitgenossen bekannt gewesen sein dürfte.1 Der Pelagianismus stellte die katholische Mehrheitskirche, trotz der Verurteilung der Häresie durch prominente kirchliche Akteure2, weiterhin vor große Herausforderungen. Es handelte sich keineswegs um eine verstreute und damit vergleichsweise harmlose Häresie. In der Person des Agricola begannen die Pelagianer nun sogar zu missionieren. Dass das Ziel dieser pelagianischen Mission Britannien war, ist kaum ein Zufall. Die Christianisierung der britischen Inseln wird im frühen fünften Jahrhundert noch nicht allzu weit vorangeschritten gewesen sein; mithin dürften die kirchlichen Verhältnisse der Insel erst durch den dogmatischen Streit um den Pelagianismus überhaupt in den Fokus der Akteure der Zentralregionen des Reichs gerückt sein. Nur wenige Jahre später sollte Papst Coelestin auch einen Missionsbischof nach Irland schicken. Die Region galt zu Prospers Zeiten dazu als wenig zivilisiert und die römische Herrschaft über die Insel befand sich in Auflösung, was sich 1

Außerhalb der Chronik sind beide Pelagianer unbekannt. Gedanken zu ihrer Herkunft: Thompson, Saint Germanus 21 f nus um einen der italischen Bischöfe um Julianus von Aeclanum gehandelt haben. 2 Prosper erwähnt die Päpste Innocentius (c. 1261) und Zosimus (1266). Hinzu kommt die Verurteilung durch die africanische Kirche unter Führung des Augustinus: 1266 (identisch mit [1268]).

Kommentar

251

in der Chronik unter anderem an der Rolle Britanniens als Ausgangspunkt zweier Usurpationen zeigt. Analog dazu erscheint die Insel hier nun auch als kirchliche Unruheregion.1 Bezeichnenderweise ist es nun die römische Kirche, die dieser Destabilität in den abgelegenen Provinzen entgegentritt, indem sie durch einen päpstlichen Vikar zumindest die Integrität der Glaubensformulierungen dort sichert. Während sich also der politische Weltmachtanspruch des Römischen Reichs im Angesicht der Faktizität politischer Entwicklungen zunehmend relativiert, präsentiert Prosper im Gegensatz dazu einen römischkirchlichen Weltmachtanspruch, der bis in die entlegensten Winkel des Reichs Gültigkeit besitzt und von Rom auch erfolgreich durchgesetzt werden kann.2 Prospers Darstellung geht dabei wie selbstverständlich von einer römischen Verantwortung für die britannischen Christen aus. Faktisch war der Erfolg der orthodoxen Bemühungen auf der Insel aber Germanus von Auxerre zu verdanken, der auf Anregung des Vikars Palladius hin von Coelestin nach Britannien gesandt worden war. Dementsprechend schreibt der spätere Germanus-Biograph Constantius von Lyon auch jegliche Initiative zur Expedition des Bischofs von Auxerre gallischen Akteuren zu.3 Die Aufgabe der Pelagianer-Abwehr war 425 kaiserlicherseits auch in der Tat Bischof Patroclus von Arles übertragen worden, was Prosper jedoch schwerlich erwähnen konnte, weil Coelestin dem entsprechenden Gesetz 428 die päpstliche Zustimmung verweigert hatte.4 Aus dieser unklaren Situation heraus scheint es plausibel, dass es sich bei der Sendung des Germanus von Auxerre um eine konzertierte Aktion der

1

Vgl. Muhlberger, Chroniclers 84 f. Zu Britannien als Ausgangspunkt politischer wie kirchlicher Unruhe: c. 1183 (Usurpation des Magnus Maximus). 1232 (Usurpation Konstantins III.). 1252 (britische Herkunft des Pelagius). Vgl. Barrett, Saint Germanus 198 f. 2 Die deutlichste Relativierung des politischen Führungsanspruchs Roms dürfte die Eroberung der Stadt durch die Westgoten dargestellt haben: c. 1240. Vgl. dagegen die in Prospers Darstellung weiter vorhandene Durchsetzungsstärke der römischen Kirche in c. 1307. 1336. 1350. 3 Constantius vita Germ. 12. Zur Mission insgesamt: vita Germ.12–8. Prosper liefert den einzigen zeitgenössischen Bericht über die Germanus-Mission. Zu dieser: Barrett, Saint Germanus 200–5; Thompson, Saint Germanus 29 f., 79–81. 4 Übertragung der Pelagianer-Abwehr auf Patroclus: Const. Ecclesiastical Factionalism 101 f. Es zeigen sich Parallelen zum etwa zeitgleichen Ausscheiden päpstlicher Initiativrechte im Illyricum durch ein kaiserliches Gesetz (Cod. Theod. 16,2, 45), das einige Jahre später durch Sixtus nicht anerkannt werden sollte: Coll. Thess. 11–4. Hierzu auch Kötter, Autonomie 178–81.

252

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

römischen und der gallischen Kirche handelte. Die Initiative ging von Gallien aus, wurde aber durch ein päpstliches Mandat mit zusätzlicher Autorität versehen. Da in der Sicht des Papstes Bischof Germanus dadurch vice sua, also als päpstlicher Vikar handelte, konnte man durchaus die Position vertreten, dass Rom in der Angelegenheit die Prärogative zugekommen sei. 1 Dass Coelestin erst durch Diakon Palladius auf die Idee gebracht wurde, einen Vikar auszusenden, tut diesem Befund keinen Abbruch und ist sicherlich nicht als implizite Kritik Prospers an diesem Papst zu werten, der in der Chronik insgesamt eine positive Rolle spielt. Palladius seinerseits wird für seinen guten Rat wenig später immerhin mit dem Bistum über die Skoten belohnt.2 Das in diesem Sinne positiv zu wertende Zusammenspiel vom Papst mit dem Diakon Palladius wird auch in einem Wortspiel deutlich: Während die insinuatio der häretischen Lehre durch Agricola klar negativ gesehen wird, führt die dagegengesetzte insinuatio des Palladius zu einer Abwehr dogmatischer Übel.3 [J.K.]

1303 cum uxore Padusia uxor ist für lange Zeit das reguläre Wort für Ehefrau in allen Varietäten des Lateinischen, bis es im Frühmittellatein durch mulier ersetzt wird. coniunx, ein hohes poetisches Wort, taucht erst in der Kunstprosa der späten Kaiserzeit vermehrt auf (vgl. Adams, Woman and Wife 249–55). praesensisset i. q. sensisset. Die Bedeutung des Präfixes schwindet im Spätlatein mehr oder weniger, vgl. ThLL s. v. Sp. 860,39–47. [M.B.] Die von Prosper bis dato nur angedeuteten Spannungen zwischen Felix und Aëtius erreichen ihren Höhepunkt in der Ausschaltung des Ersteren. Anlass soll laut Prosper eine Verschwörung des Felix gegen Aëtius gewesen sein. 1

Konzertierte Aktion gallischer mit römischer Kirche: Pietri, Roma Christiana 1040 f. Die Kategorie päpstlicher Vikare wird mitunter institutionell zu stark aufgeladen. Letztlich muss jeder Gesandte eines Papstes, unabhängig von seiner technischen Bezeichnung mit einer vice-Formel und unabhängig von der Reichweite seines Auftrags, als Vikar gelten: Kötter, Autonomie 172 Anm. 33. 2 Vgl. c. 1307. 3 Ähnlich wie in der Zuschreibung von cura sowohl an Geiserich (c. 1348) als auch an Leo (1350) ergibt sich die Bewertung ein- und derselben Handlung oder Eigenschaft bei Prosper also erst aus der Legitimität oder Illegitimität der dahinterstehenden Ziele.

Kommentar

253

Die genauen Hintergründe liegen aber im Dunkeln, vor allem bezüglich der Rolle der Padusia und des ansonsten unbekannten Diakons Grunitus. Letztlich ist in der allgemeinen Konkurrenz der führenden Feldherren im Reich keinesfalls auszuschließen, dass Aëtius seinem Rivalen Felix tatsächlich nur zuvorgekommen ist. Das Motiv der Verschwörung gegen Aëtius an sich ist jedenfalls auch außerhalb der Chronik bezeugt.1 Zwar erweckt Prosper also den Eindruck, dass der Verdacht des Aëtius gerechtfertigt war, allerdings kann dieser Verschwörungsvorwurf gegen Felix auch eine offizielle Rechtfertigung für dessen Ermordung gewesen sein, die Prosper deshalb hier aufnahm, weil sich der damit zu beschreibende Tatablauf gut in eine generelle moralische Botschaft einpasste: Der patricius Felix wird durch seine Intrige letztlich Opfer seines eigenen Machtstrebens.2 Mit dem Ende des Felix blieb als letzter maßgeblicher Rivale des Aëtius jetzt nur noch Bonifatius. [J.K.]

1304 Prosper reichert den Tod des Augustinus3 mit ungewöhnlich vielen Details an. Den dramatischen Hintergrund für die letzte Bewährungsprobe des Bischofs liefert die Belagerung Hippos durch die Vandalen. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch Prospers bisheriges Interesse an den vandalischen Wanderungsbewegungen: Der Chronist musste erklären, wieso das Volk plötzlich vor Hippo stehen konnte. Das Augenmerk der 433er-Chronikedition auf die Vandalen ist also eigentlich ein Augenmerk auf Augustinus. Die Vandalen jedenfalls tauchen in der frühesten Stufe der Chronik von jetzt an nicht mehr auf; Prosper erwähnt nicht einmal den Ausgang der Belagerung von Hippo.4 1

Es hat sogar Eingang in die östliche Historiographie gefunden: Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,2 (Mariev). Weitere Hinweise über die Ermordung des Felix: Agnell. lib. pont. Rav. 31; Hyd. chron. 94; Marcell. chron. a. 430,2. Auch Stickler, Aëtius 48–50 hält es für plausibel, dass Felix gute Gründe hatte, Aëtius ausschalten zu wollen. 2 Ganz ähnlich der Tod des Sanoeces (c. 1294) und des Litorius (1335). 3 Die Namensform „Aurelius“ ist weder durch Augustinus selbst noch durch Possidius oder Briefpartner des Bischofs bezeugt. Erstmals belegt ist sie, wohl fälschlicherweise, in Oros. apol. 1,4, wo es vielleicht zu einer Verwechslung m men ist. Vgl. La Bonnardière, Aurelius Augustinus. Daneben Horn, Augustinus 13; Schindler, Augustin/Augustinismus 646. 4 Die Bedeutung, die die Vandalen und ihr König Geiserich in späteren Ausarbeitungen der Chronik noch erlangen sollten, ergab sich erst mit der Eroberung Karthagos (c. 1339),

254

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Trotz der Bedrohung seiner Bischofsstadt sah sich Augustinus noch dazu in der Lage, die Schriften seines Gegners Julianus zu refutieren, wovon der Bischof auch selbst Zeugnis ablegt.1 Gemeint ist mit Julianus der ehemalige Bischof von Aeclanum, der von Prosper bereits zuvor als Unterstützer des Pelagius erwähnt wurde. Er war 417 zum Bischof gemacht worden, hatte dann aber ein Jahr später die Verdammung des Pelagius durch Papst Zosimus nicht mitvollzogen, woraufhin er abgesetzt wurde und sich 421 in den Osten des Reichs ins Exil begeben musste. Dort knüpfte er Kontakte zu bedeutenden östlichen Theologen, unter anderem auch zu Nestorios von Konstantinopel, der ihn zwischenzeitlich unterstützte, was sich mit Prospers Feststellung einer Nähe von Pelagianismus und Nestorianismus deckt.2 Darüber hinaus wandte sich Julianus aus seinem Exil heraus schriftlich gegen die Lehren des Augustinus.3 Prosper weist nach der Erwähnung des Wirkens von Severianus und Agricola in Britannien also auch an dieser Stelle darauf hin, dass die kirchliche Bedrohung durch die Pelagianer noch keineswegs endgültig beseitigt war. Die letzte Glaubenstat des Augustinus erscheint vor diesem Hintergrund umso bedeutsamer. [J.K.]

1306 synodo … sacerdotum sacerdos dient hier als Bezeichnung des Bischofsamtes, wie häufig im Spätlatein, vgl. auch 1350. 1367 (vgl. Stotz 1, 521). cognatum sibi iuvabant dogma Die handschriftliche Überlieferung geht wieder auseinander: sibi haben MYZXFP und die Reste des Codex Alcobaciensis bei de Pontac, errori suo überliefern ALORHB. sibi gebührt der Vorrang. Es liegt eine Art Metonymie vor, insofern sich sibi auf die Pelagianer bezieht, die Personen also für die Irrlehre stehen. errori suo mutet

dem endgültigen Festsetzen des Volks in Africa (1347) und den antikatholischen Maßnahmen Geiserichs (1327. 1329). 1 Das opus imperfectum contra Iulianum wird vom Bischof in Aug. epist. 224,2 f. selbst erwähnt, was u. a 2 Beide Häresien sollten auf dem Konzil von Ephesus 431 gemeinsam verdammt werden: c. 1306. Zur inhaltlichen Nähe der Lehren vgl. Komm. zu c. 1306. 3 Zu Julianus und seiner Kontroverse mit Augustinus: Brown, Augustine 381–97. Generell zur Vita des Bischofs von Aeclanum: PCBE 2,1, 1175–86 (Iulianus 9).

Kommentar

255

demgegenüber als vereinfachender und erklärender Ersatz an, der wahrscheinlich von fremder Hand stammt. [M.B.] Gemessen an der kirchengeschichtlichen Bedeutung des dritten ökumenischen Konzils fällt dessen Schilderung bei Prosper relativ kurz aus. Dieser Befund ist aber insofern zu relativieren, als Prosper die Begleitumstände des Konzils von Ephesus bereits mitgeteilt hat. Die 431 verdammten Lehren wurden in detaillierten theologischen Exkursen geschildert, die maßgeblich an den Sentenzen beteiligten Akteure benannt.1 Damit musste der Chronist auch eine Billigung der Synodalsentenzen durch den römischen Bischof nicht mehr ausdrücklich erwähnen, da diese bereits in der vorherigen Wendung Coelestins gegen Nestorios implizit vorausgesetzt wurde. Bedeutung und Autorität des Konzils sind für Prosper also unzweifelhaft und spiegeln sich nicht zuletzt in der Betonung der Größe der versammelten Synode. Ein solches Detail begegnet in der Chronik sonst nur für das Konzil von Karthago, das 418 Pelagius verdammt hatte. Die positive Stellung des Chronisten zur Synode ergibt sich aus deren Beschlüssen, wurde doch in Ephesus die Verdammung des Pelagianismus auch von der östlichen Kirche vollzogen. Dabei spielte die von Prosper so deutlich betonte Verbindung von Pelagianern und Nestorianern eine wichtige Rolle. Die angebliche Verwandtschaft beider Häresien war jedenfalls nicht allzu weit hergeholt. Auch andere Zeitgenossen attackierten Nestorios, weil dieser die Fehler des Pelagius zu teilen schien.2 So beschäftigten sich beide Lehren intensiv mit Fragen nach der Unterscheidung menschlicher und göttlicher Sphären. Für Nestorios gab es in Christus eine Person göttlicher und eine Person menschlicher Natur, der Pelagianismus erteilte dem Konzept der Erbsünde eine Absage, da die menschliche Natur von Gott geschaffen sei und damit von sich aus das Gute tun könne. Während die pelagianische Lehre damit für den Nestorianismus erklären konnte, wie der menschliche Anteil Christi in der Welt sündenfrei bleiben konnte, lieferte Nestorios den Pelagianern mit seiner Christologie das Beispiel für eine

1

Häresien: c. 1252 (Pelagianismus). 1297 (Nestorianismus); Gegner dieser: 1261. 1266. 1301 (Rom und Africaner im Fall des Pelagianismus). 1297 (Rom des Nestorianismus). 2 Ein Beispiel ist der von Prosper seinerseits als Pelagianer angegriffene Cassianus: Cassian. c. Nest. 1,3. 5,2. 6,14. Prosper widmet sich selbst der Zusammenschau beider Häresien im Epitaphium Nestorianae et Pelagianae haereseon.

256

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

menschliche Natur, die sich selbst hatte erlösen können, indem sie sündenlos geblieben war.1 Über diese theologischen Parallelen hinaus war die Allianz des Nestorios mit exilierten pelagianischen Führungsgestalten wie Julianus von Aeclanum schlichtweg ein Faktum. Aufgrund dieser mehrfachen Anknüpfungspunkte hatte sich eine breite westlich-östliche Allianz gegen die westlichen Pelagianer und die östlichen Nestorianer gleichermaßen gefunden. Beide „orthodoxe“ Seiten konnten sich der Unterstützung durch die Gegner der jeweils anderen Häresie versichern, womit Ephesus zur Verdammung beider Irrlehren gelangte und damit als wahrhaft „ökumenisches“ Konzil gelten darf.2 [J.K.]

1307 Die Skoten waren ein in Irland beheimateter Volksstamm. Zu ihnen wurde als Missionsbischof Palladius gesandt, der kurz zuvor Papst Coelestin bereits den Rat gegeben hatte, Germanus von Auxerre als Vikar nach Britannien zu senden.3 Bemerkenswert ist, dass in der Darstellung der Chronik die beginnende Christianisierung Irlands der Bestellung des Bischofs zeitlich vorausgeht. Prosper sagt deutlich, dass Palladius zu einigen bereits christianisierten Skoten gesandt wurde, um diesen vorzustehen. Diese zeitliche Abfolge dürfte keine Ausnahme gebildet haben, die kirchliche Organisation folgte einem faktischen Bedarf an Amtsträgern oftmals nach. Dass Palladius in seinem sicherlich schwach christianisierten Sprengel jedoch auch missionieren sollte, muss nicht in Abrede gestellt werden. Prosper äußert sich ja nicht zur Größe der skotischen Gemeinde. Wie im vorhergehenden Fall Britanniens, so wird auch hier die römische Kirche als Vorkämpferin des Christentums und der Orthodoxie selbst in den

1

Vgl. etwas relativierend Caspar, Papsttum 393: „In der Tat bestand eine gewisse allgemeine Verwandtschaft der geistigen Haltung […], und westliche Theologen von minder geschärftem begrifflichen Unterscheidungsvermögen verfielen in der Tat dem Irrtum, die beiden Irrlehren, die an sich nichts miteinander zu tun hatten, zusammenzuwerfen.“ Zu Schnittmengen beider Häresien, gerade bezüglich der Anthropologie des Pelagianismus und der Christologie des Nestorianismus: Becht-Jördens, Epigramme 302 2 Die Akten der Synode sind ediert in ACO 1. Überblick über die Synode: Grillmeier, Jesus der Christus 687–91. 3 Vgl. c. 1301. Prosper lobt die römische Häresieabwehr auf den britischen Inseln auch in anderen Werken: Prosp. c. coll. 21,2. Vgl. Caspar, Papsttum 388.

Kommentar

257

entlegensten Regionen der Welt präsentiert.1 Da die Weihe des Palladius durch den römischen Papst erfolgte, standen der neue Bischof und sein Bistum in einer Abhängigkeit zu Rom, die sicherlich größer war als die vieler älterer Kirchen des Reichs, beispielsweise in Gallien oder Africa. Rom begann also, seinen kirchlichen Einflussbereich durch die direkte Gründung neuer Bistümer im äußersten Westen des Reichs auszudehnen. Dies war sicherlich auch eine Reaktion auf den zunehmend deutlichen Einflussverlust der römischen Kirche im Osten des Reichs, der sich verstärkt am Bischof von Konstantinopel orientierte. Papst Sixtus sollte beispielsweise nur wenige Jahre später in einen Konflikt mit seinem Amtsbruder in Konstantinopel um die Jurisdiktion über die Kirchen des Balkanraums geraten.2 [J.K.]

1309 Xystus Die hss. Überlieferung schwankt bei der Wiedergabe des Namens zwischen der griechischen Form Xystus und der lateinischen Sixtus (vgl. auch 1336. 1341). In M findet sich Sixtus (1309) neben Xistus (1336) und Xystus (1341). Nur der Codex Augustanus (Rv) hält die Schreibung Sixtus durch. Wir folgen Mommsen und setzen einheitlich die ursprüngliche griech. Variante Xystus. Dem Wechsel in der Graphie liegt eine Lautentwicklung zugrunde, die schon in frühester Zeit belegt ist: Die Lautfolge ks wird über die Assimilation der Konsonanten zu ss bzw. s vereinfacht (vgl. Väänänen, Introduction 64 f.; Stotz 3,318–23), seit dem 2. / 3. Jahrhundert auch vor Konsonant und im Anlaut. Bei Xystus tritt in der Folge eine Dissimilation ein, insofern hier das s vor t zu ks wird, ein Vorgang, der durch die falsche etymologische Ableitung von lat. Sextus begünstigt scheint. [M.B.] Der Bericht über die Einsetzung eines allgemein anerkannten Papstes dient Prosper als krönender Abschluss seiner Darstellung römisch geführter Häre-

1

Vgl. Komm. zu c. 1301. Dementsprechend führt Markus, Chronicle 33 f. die Informationen der beiden verwandten Einträge c. 1301 und 1307 auf Aufenthalt um 431 zurück. 2 Coll. Thess. 13 f. Vgl. Kötter, Autonomie v. a. 169–73. Der Einflussverlust der römischen Kirche im Reichsosten hing mit dem lokalen Nahverhältnis des Bischofs von Konstantinopel zum oströmischen Kaisertum zusammen.

258

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

sieabwehr bis hierhin.1 Die in diesem Zusammenhang stehende Betonung von pax und consensio bei der Wahl des Sixtus geht aber über diese Darstellungsabsicht hinaus. Der Chronist deutet implizit vielmehr an, dass der Zustand von Ruhe und Eintracht bei römischen Bischofswahlen keineswegs den Normalfall darstellte. Zweimal hatten römische Bischofsbestellungen in den letzten Jahrzehnten zu blutigen Schismen geführt: 366 bei der Doppelwahl der Päpste Damasus und Ursinus, 418 bei der Doppelwahl von Bonifatius und Eulalius.2 Der zweite Vorfall fiel sogar in den Berichtzeitraum von Prospers Chronikfortsetzung, ohne freilich, dass der Chronist die Unruhen im Rahmen der Bischofswahl des Bonifatius thematisiert hätte. Dies hätte dem von ihm gezeichneten positiven Bild des römischen Bischofs in der Kirche massiv widersprochen. Gleichzeitig müssen Prosper die Gefahren der kurzzeitigen Vakanz des Papstthrons aber bewusst gewesen sein, weshalb er nun die allgemeine Zustimmung zu Sixtus als „bewundernswert“ empfindet. [J.K.]

1310 ius interpolatae potestatis wörtlich „das Recht auf die unterbrochene potestas“. interpolare wird im Spätlatein oft fast synonym zu interpellare „unterbrechen“ gebraucht‚ vgl. ThLL s. v. Sp. 2244,68–2245,18. Der sperrige Ausdruck betont, dass Aëtius nicht nur de facto, sondern auch de iure die Wiedereinsetzung in das Amt des magister militum erreichte. Nicht nur wegen der starken Verbündeten, der Hunnen, sondern auch mit Gutheißung der Kaiser übte Aëtius sein Amt wieder aus. Dass von einer bloßen Unterbrechung der Amtsausübung die Rede ist, unterstreicht die Rechtmäßigkeit seines Anspruchs. Aëtiusʼ Handeln wird sozusagen in den rechtlichen Rahmen der Amtsniederlegung und der Wiedererlangung des Amtes gespannt, vgl. deposita potestate – ius interpolatae potestatis obtinuit. Aëtius tritt zudem in beiden Fällen als Agens hervor. Vor dem Hintergrund, dass er zur Zeit der Abfassung der ersten Stufe der Chronik, deren

1

Muhlberger, Chroniclers 86 f. Überblick über das Damasus-Ursinus-Schisma 366: Pietri, Roma Christiana 407–23, v. a. 407–18; Bonifatius-Eulalius-Schisma 418/9: Pietri, Roma Christiana 452–60. Vgl. auch Komm. zu c. 1270. 2

Kommentar

259

letzter Eintrag hier vorliegt, noch lebte, ist es zu erklären, dass Prosper sowohl die Niederlage des Aëtius gegen Bonifatius als auch seine spätere Machtbehauptung durch offizielle juristische Akte verbrämte. [M.B.] Nachdem Castinus verbannt und Felix getötet worden war, präsentiert Prosper nun den Endkampf um das politische Erbe des Constantius III. Da der Kampf der Generäle für den Chronisten das bestimmende Thema seit 422 war, ist es folgerichtig, dass er die erste Fassung seiner Chronik mit diesem Ereignis beschließt. Ein wichtiger Nebeneffekt des Italienzugs des Bonifatius bleibt diesem Fokus auf internen Konflikten entsprechend unerwähnt, nämlich dass die Vandalen nun für ihr Vorrücken in Africa freie Hand bekamen.1 Auch ganz allgemein übergeht der Eintrag trotz seiner Länge viele ereignisgeschichtliche Details. Zum Beispiel werden weder Galla Placidia, die Bonifatius aus Africa zurückrief, noch Sebastianus, der Schwiegersohn des Bonifatius und sein kurzzeitiger Nachfolger als magister militum, erwähnt.2 Diese Auslassungen sind auf eine für Prosper typische Technik bei der Darstellung von Bürgerkriegen zurückzuführen: Der Chronist kondensiert komplexe politische Zusammenhänge zu Dramen zweier Protagonisten.3 Die Protagonisten im vorliegenden Drama sind Bonifatius und Aëtius. Von Usurpatoren wie von legitimen Herrschern war bereits mehrfach versucht worden, Bonifatius zu besiegen. Diese Versuche und auch zahlreiche Intrigen seiner Rivalen am Hof von Ravenna waren aber jeweils daran gescheitert, dass sich der comes Africae geweigert hatte, seine sicheren africanischen Provinzen zu verlassen.4 Erst jetzt war er bereit, sich seinen Gegnern auch außerhalb von Africa zu stellen. Offensichtlich hatte sich sein latent gespanntes Verhältnis zum Kaiserhof verbessert, nachdem sein Rivale Aëtius – vielleicht wegen der von ihm zu verantwortenden Ausschaltung des Felix – seinerseits die Gunst des Hofs verloren hatte. Bonifatius wurde von Ravenna mit der Aufgabe betraut, Aëtius in seiner de iure sicherlich bereits 1

Da 433 aber noch nicht absehbar war, dass sich das Volk in Africa würde festsetzen können, konnte dieser Umstand zu diesem frühen Zeitpunkt kaum in den Fokus des Chronisten rücken, für den die Vandalen bis hier ohnehin eher eine Nebenrolle spielten. Vgl. hierzu Komm. zu c. 1304. 2 Diese Verkürzungen fallen insbesondere im Vergleich zu den chron. 99 oder in der sonst eigentlich wesentlich kürzeren Chron. Gall. (452) 109–11 auf. Vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 98 f. 3 Muhlberger, Chroniclers 99. 4 Am deutlichsten c. 1294.

260

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

auf Bonifatius übergegangenen Position als magister militum nun auch faktisch abzulösen.1 Die beiden Kontrahenten trafen sich in einer Schlacht bei Rimini, aus der Bonifatius zwar als Sieger hervorging, kurze Zeit später aber starb. Angesichts paralleler Überlieferungen ist gegen Prosper davon auszugehen, dass der General dabei faktisch seinen im Kampf davongetragenen Verwundungen erlag.2 Dass Prosper als Todesursache eine Krankheit angibt, ist letztlich seinem eigentümlich positiven Bonifatius-Bild geschuldet, das an der vorliegenden Stelle auch eine implizite antiaëtianische Tendenz offenbart: Indem der Chronist Bonifatius an einer Krankheit sterben lässt, macht er ihn nicht zum Verlierer einer zunächst gewonnenen Schlacht. Die letztliche Machtbehauptung des Aëtius baut damit nicht im Geringsten auf dessen militärischer Tüchtigkeit, sondern lediglich auf einem ungewöhnlichen Glücksfall auf. Nach dem Tod des Bonifatius war das alte Amt des Aëtius nun keinesfalls vakant, wie es die Darstellung der Chronik nahelegt. Zunächst hatte nämlich Sebastianus die Funktion seines Schwiegervaters übernommen und den Kampf gegen Aëtius fortgesetzt. Der von Prosper erwähnte Anschlag auf Aëtius dürfte also vom neuen magister militum ausgegangen sein.3 Aëtius floh daraufhin zu den mit ihm befreundeten Hunnen, die er nun dazu nutzte, seine vormalige Stellung zurückzuerlangen. Dies war ein erprobtes Mittel seiner Politik. Prosper hatte bereits zuvor angedeutet, dass der Feldherr schon die Niederschlagung des Johannes vor allem dank des Bedrohungspotentials seiner hunnischen Hilfstruppen schadlos überstanden hatte. Auch diesmal baute der General mit Unterstützung der Hunnen eine Drohkulisse auf, die so groß war, dass der kaiserliche Hof die Wiedereinsetzung in seine Ämter verfügte. Zum wiederholten Male hatte Aëtius Valentinian und Galla Placidia erpresst.

1

Mit Scharf, Sebastianus 148 hatte Placidia Africa bis dahin als Gegengewicht zur gallischen Hausmacht des Aëtius genutzt. Stickler, Aëtius 52–4 hingegen meint, dass Aëtius vergeblich versucht habe, Nordafrica für den Hof zurückzugewinnen, woraufhin Placidia umgeschwenkt sei und auf Bonifatius zur Ausschaltung des Aëtius gesetzt hätte. Von der nur kurz zurückliegenden Ausschaltung des Felix durch Aëtius berichtet c. 1303. 2 Dieser Sichtweise schließt sich die Forschung mehrheitlich an, bspw. Oost, Galla Placidia 233; Scharf, Sebastianus 146. Vgl. auch Chron. Gall. (452) 111; Hyd. chron. 99; Marcell. chron. a. 432,3. Dagegen erkennt Ioh. Ant. frg. 293,1 ähnlich wie Prosper, eine Krankheit als Todesursache. 3 Scharf, Sebastianus 147; Stickler, Aëtius 55 f. Vgl. auch Hyd. chron. 99. Zu Sebastianus: PLRE 2,983 f. (Sebastianus 3). Der kurzzeitige magister militum begegnet bei Prosper in c. 1342.

Kommentar

261

Indem er nun die Bonifatius-Witwe heiratete, konnte er darüber hinaus seine materiellen Ressourcen durch das Erbe seines Konkurrenten vergrößern.1 Auch die von ihm ins Reich geführten hunnischen Truppen sollten in den kommenden Jahren auf römischem Boden verbleiben und Aëtius damit eine verlässliche Machtressource liefern.2 Aëtius hatte den Machtkampf der Generäle damit endgültig für sich entschieden. Er sollte in den kommenden Jahrzehnten die führende Persönlichkeit im Weströmischen Reich bleiben. Trotzdem stand Prosper ihm insgesamt eher kritisch gegenüber, weshalb der Chronist an vorliegender Stelle auch darauf verzichtet, ihn aufgrund seiner Erfolge der letzten Jahre zu loben. Aëtiusʼ Gemeinsamkeiten mit seinen eher schlecht beleumundeten Rivalen waren für Prosper nur allzu offensichtlich. Die detaillierte Schilderung der brutalen Mittel und kontingenten Umstände, die den Aufstieg des Aëtius bis in die Spitze des Reichs begleitet hatten, zeigt diese Distanz zu ihm deutlich. [J.K.]

1312–1318 Die Komputation ist zwar nur in einer Hss.-Familie überliefert (MYLH), wird aber allgemein als echt angesehen (Mommsen, Chron. min. 1,379; Muhlberger, Chroniclers 57). [M.B.] Mit einer Aufsummierung der Jahre von der Schöpfung bis in die Gegenwart endet im Jahr 433 der erste Teil der Chronik. Da Hieronymus, an den sich Prosper anschließt, seine Chronik mit einem ähnlichen Eintrag beendete, ist die Komputation der chronologischen Referenzen an dieser Stelle das deutlichste Indiz für eine erste Redaktionsstufe der Chronik im Jahr 433.3 Für diese 433er-Edition spricht ferner, dass Prosper für das vorliegende und auch für das folgende Jahr keine Ereignisse berichtet. Solche Jahre ohne Ereignisbericht finden sich in der Chronik insgesamt recht selten, zuletzt im Jahr 404. Dort war die Ereignislosigkeit aber noch Lücken in Prospers Quellen geschuldet. Ähnliches kann man für die vorliegenden Jahre jedoch nicht 1

Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,2 (Mariev). Die Chronik erwähnt diese hunnischen Verbände in c. 3 Vgl. Muhlberger, Chroniclers 57. Daneben Einl. Kap. II.1. Komputation bei Hieronymus als Vorbild für Prosper: Helm, Prosper 895. Die genrespezifischen Ursprünge solch chronistischer Gesamtzählungen liegen in der jüdischen Tradition. Im christlichen Kontext hatten sie ursprünglich das Ziel der Parusiedatierung: Burgess/Kulikowski, Mosaics 114–6. 2

262

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

mehr annehmen, für deren Füllung der Chronist mittlerweile auf selbst Erlebtes hätte zurückgreifen können. Auch die nächsten berichtlosen Jahre nach 434, nämlich 445, 446 und 447, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer anderweitig belegten weiteren Redaktionsstufe der Chronik von 445.1 Im Gegensatz zu Hieronymus baut Prosper seine Chronologie auf einer römischen Konsuldatierung auf, die ihrerseits mit einer Passionsära verknüpft ist. Diesen aus römischer Tradition und christlicher Heilsgeschichte kombinierten chronologischen Rahmen lässt der Chronist mit der Passion Christi beginnen, die er ins Jahr 29 datiert: Incipit adnotatio consulum a passione domini nostri Iesu Christi cum historia.2 Um nun aber eine Einheit der gesamten Heilsgeschichte verbürgen zu können, musste Prosper die jüngeren Teile seiner Chronik in Verbindung zu Ereignissen des Alten Testaments und der älteren Profangeschichte setzen. Diese Funktion übernimmt die in c. 1312–1318 vorliegende Aufzählung wichtiger alttestamentlicher und profangeschichtlicher Ankerpunkte, die chronologisch aufeinander bezogen und damit auch in chronologischen Bezug zu Prospers eigener Gegenwart gebracht werden. Da das Passionsjahr 29 dabei dem 15. Regierungsjahr des Tiberius entspricht, ergeben sich für die anderen hier genannten Ereignisse folgende Datierungen (jeweils v. Chr.): Erneuerung des Tempels in Jerusalem unter Dareios: 621; erste Olympiade und Jesaja: 777; Salomo und erste Erbauung des Tempels: 1033; Mose und Kekrops: 1532; Abraham und Ninos: 20173; Sintflut: 2959; Adam: 5201. Wo diese chronologischen Referenzereignisse historisch greifbar sind, sind Prospers Datierungen teilweise relativ exakt, beispielsweise im Falle der ersten Olympiade. Einzig bei der Erneuerung des Tempels unter Dareios, die eigentlich ins Jahr 515 fiel, irrt die Chronik um mehr als ein Jahrhundert. Das jedoch ändert nichts an der Tatsache, dass die Aufsummierung der Zeitspannen zwischen den einzelnen Ereignissen tatsächlich zurück ins Jahr 433 n. Chr. führt, beziehungsweise ins Jahr 406 1

Die Existenz dieser Redaktionsstufe ist u. a. durch das dieser Version zugehörige Incipit gesichert. Vgl. Komm. zum Incipit. Zu den verschiedenen Entstehungsstufen der Chronik Einl. Kap. II.1. 2 Vgl. in der Hieronymus-Epitome c. 390. Bericht zur Passion Christi mit Rechtfertigung ihrer Datierung ins Jahr 29: c. 388. Ebenfalls ins Jahr 29 datiert Frage nach dem Jahr der Passion Strobel, Ursprung 101–8. Generell zum chronologischen Rahmen der Chronik: Muhlberger, Chroniclers 63–70. Darüber hinaus Einl. Kap. II.2. 3 Ninos selbst ist in der Prosper-Epitome ausgelassen, seine chronologische Nähe zu Abraham ergibt sich aber aus Hier. chron. (Helm 20a ab).

Kommentar

263

der Passionsära Prospers. Man erkennt, dass der Chronist sich hinsichtlich seines chronologischen Rahmens – beziehungsweise hinsichtlich der Umarbeitung des chronologischen Rahmens des Hieronymus – eine nicht geringe Mühe gegeben hat. [J.K.]

1321 Die Hss. LXZFP fügen der Nachricht über eine Landzuweisung an die Vandalen in Africa genaue Angaben hinzu, nämlich über Vermittler, Ort und Tagesdatum des Vertragsschlusses, vgl. Mommsen, Chron. min. 1,474 per Trigetium in loco Hippone III idus Febr. Gegen die Echtheit spricht nicht nur das Fehlen in den besten Hss., sondern auch die für Prospers Chronik eher unübliche genaue Datierung eines politischen Vorgangs. Die Nachricht einschließlich einiger spezieller Angaben taucht auch in der Chronikkompilation auf, in deren unmittelbaren Anschluss die Hs. Z, der spanische Codex Matritensis univ. 134, den Laterculus regum Vandalorum et Alanorum überliefert: par cum vvandalis facta data eis ad habitandum per trigetium hipponie regie (vgl. Mommsen, Chron. min. 1,497; der Laterculus ist im vorliegenden Band ediert). Dass der Zusatz aus derselben africanischen Quelle stammt wie der Eintrag des Laterculus, ist daher wahrscheinlich (zum Verhältnis der Hss., die den Zusatz haben, vgl. Mommsen, Chron. min. 1,367. Mommsen geht für FP einerseits und XZ [einschließlich der Erweiterung in Z bis zum Jahr 462] von einem gemeinsamen Archetyp eines africanischen Exemplars der Chronik aus). Mommsen weist noch auf eine Parallele bei Paulus Diaconus hin, vgl. Rom. 13,11 data per Trigetium ad habitandum Wandalis Africae portione pax cum eisdem necessaria magis quam utilis facta est. Hier ist ebenfalls Trygetius als Vermittler des Friedensschlusses genannt. [M.B.] War Prospers Hauptthema der ersten Chronikedition noch die folgenschwere Rivalität einzelner römischer Heerführer untereinander, so wendet er sich in der zweiten Stufe der Chronik einer anderen Grundthematik zu: dem Kampf des Reichs gegen einzelne Barbarenvölker. Dabei rücken insbesondere Goten und Vandalen ins Zentrum der D Prospers Interesse an den Vandalen, mit denen er seine zweite Chronikedition beginnen lässt, deutlich ausgeprägter ist. Die Gotenkriege der 430er

264

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Jahre werden dagegen nur oberflächlich gestreift.1 Die plötzliche Konzentration des Chronisten auf die Vandalen, beziehungsweise auf deren König Geiserich, ist nicht allzu schwierig zu erklären. Während sie ihm zuvor noch lediglich als Rahmenakteure für den heroischen Tod des Augustinus gedient hatten, so war mittlerweile deutlich geworden, welch weitreichende Folgen die vandalische Invasion sowohl für das Reich als auch für die africanischen Christen hatte. Der erste Eintrag der zweiten Chronikedition ist also programmatisch, beschäftigt er sich doch mit der Legalisierung vandalischer Ansiedlungen in Africa durch Ravenna. Nach den Eroberungen der letzten Jahre wurde den Vandalen 435 offiziell die Ansiedlung in der nördlichen Numidia, dem Nordosten der Mauretania Sitifiensis und im westlichen Teil der Proconsularis zugestanden. Die in diesem Zusammenhang von Prosper gewählte technische Formel für Landzuweisungen im Rahmen eines foedus (ad habitandum) zeigt, dass die Vandalen nominell als Föderaten in den Dienst des Reichs traten und damit ähnliches erreicht hatten, wie wenige Jahre zuvor die Goten in Südgallien.2 Eine entsprechende Parallelisierung der ähnlichen Ausgangssituationen beider Völker wird in den Berichten zu den folgenden Jahren implizit auch von Prosper selbst vorgenommen. Die von ihm dargestellte Entwicklung des Verhältnisses der Vandalen zum Reich ist in der Folge damit stets vor dem Spiegel der Beziehungsentwicklung zwischen Reich und Goten zu sehen. Die in einigen Hss. der Chronik angegebenen Details zu Ort (Hippo), Datum (11. Februar) und Vermittler (Trygetius) des Friedensschlusses mit den Vandalen stammen zwar nicht von Prosper selbst, sind dadurch aber nicht per se weniger glaubhaft. Hält man sich vor Augen, dass der infrage stehende Trygetius 452 zusammen mit Papst Leo dem Hunnenkönig Attila zur Rettung Roms entgegengesandt wurde, ist zumindest dieses Detail stimmig. Die erfolgreiche Vermittlung eines Friedens mit Geiserich hätte Trygetius für die spätere diplomatische Mission qualifiziert.3 [J.K.]

1

Gotenkrieg: c. 1324. 1326. 1333. 1335. 1338. Vandalen, bzw. Geiserich, bis zum Frieden von 442: 1321. 1330. 1332. 1339. 1342. 1344. 1347. 2 Die entsprechende Formel wird auch im Zusammenhang mit der Ansiedlung der Goten in c. 1271 verwendet. Vgl. zum Föderatenstatus der Vandalen Diesner, Vandalenreich 53 f. weist darauf hin, dass die Friedensbedingungen Rom im Angesicht der Situation durchaus entgegenkamen. Generell zum Friedenschluss von 435 u. a.: Clover, Geiseric the Statesman 53–62; Courtois, Vandales 168–70; Vössing, Königreich 45 f. 3 Zu Trygetius: PLRE 2, 1129 (Trygetius 1).

Kommentar

265

1322 siquidem mit rein kausaler Bedeutung findet sich seit Cicero, ist vor allem aber im Spätlatein verbreitet. Es folgt häufig, auch bei der Angabe eines tatsächlichen Grundes, der Konjunktiv (H.-Sz. 2,673 f.; K.-St. 2,427 f.). Zum ungewöhnlichen Konjunktiv Perfekt vgl. Komm. zu 1220. [M.B.] Für das Jahr 413 hat Prosper von der Landnahme der Burgunden „nahe dem Rhein“ berichtet. Offensichtlich waren sie mittlerweile, ähnlich wie Vandalen und Goten, als foederati auf Reichsgebiet angesiedelt worden und hatten dafür Aufgaben der Grenzsicherung übernommen.1 Als ihr König Gundahar jedoch versuchte, seinen Machtbereich über die ihm von Ravenna zugestandenen Gebiete hinaus zu erweitern, gerieten sie in Konflikt mit dem Reich und wurden von Aëtius besiegt. Vielleicht lässt sich bereits hier eine implizite Kritik am späteren Verhalten des Reichs den Vandalen gegenüber greifen, die in der Chronik ebenfalls als abtrünnige foederati beschrieben werden, im Gegensatz zu den Burgunden aber eben nicht frühzeitig in die Schranken gewiesen werden, was mittelfristig zum Verlust der Provinz Africa führen wird.2 Prosper berichtet noch von einer zweiten Niederlage der Burgunden, in der das Volk vernichtet worden sei und König Gundahar den Tod gefunden habe. Im Rahmen dieser zweiten Schlacht weiß der Chronist nichts von einer römischen Beteiligung zu berichten. Die als verantwortlich benannten Hunnen sind aber sicherlich identisch mit den hunnischen Hilfstruppen des Aëtius, die dieser nach seiner Niederlage gegen Bonifatius ins Reich geführt hatte. Dass es sich nicht um unabhängig in Gallien operierende Einheiten handelte, wird beispielsweise in der anonymen gallischen Chronik von 452 deutlich, die die Zerstörung des Burgundenreichs explizit Aëtius zuschreibt.3 Warum Prosper dagegen für die Vernichtung der Burgunden ausschließlich die Hunnen verantwortlich macht, lässt sich mit Muhlberger 1

Entsprechend meint Oros. hist. 7,32,13 um 420, dass die Burgunden keine Feinde des Reichs mehr seien. Aus einer Angabe bei Hyd. chron. 108 und dem Franken-Feldzug des Aëtius von 428 bei Prosper (c. 1298) schließt Martin, Entstehung 243, dass es zwischen 417 und 428 zu einem Vertrag Ravennas mit den Burgunden gekommen sein muss. 2 Zur Beschreibung der Vandalen als abtrünnige foederati vg c. 1321. 1330. 1332. 1339. 3 Chron. Gall. (452) 118; Hyd. chron. 110. Dass die Burgunden mitnichten vollständig ausgerottet wurden, zeigt sich ebenfalls in der Gallischen Chronik, die von der Ansiedlung der (Rest-) Burgunden in Savoyen berichtet: Chron. Gall. (452) 128. Die Version Prospers

266

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

durch die militärische Situation der Abfassungszeit der zweiten Chronikedition um 445 erklären, in der sich die Hunnen unter ihrem König Attila immer deutlicher zur Bedrohung für das Weströmische Reich entwickelt hatten.1 Auf diese Gefahr gibt der Chronist zu Beginn seiner zweiten Chronikedition also einen Vorgeschmack, ohne dass das Ereignis der Vernichtung der Burgunden an sich für ihn von größerem Interesse gewesen wäre. [J.K.]

1324 siquidem Vgl. zu c. 1322. [M.B.] Der Friedensschluss zwischen den Westgoten und den Römern im Jahr 418 hatte die Ansiedlung der Goten in der Provinz Aquitania Secunda vorgesehen.2 Bereits mehrfach scheint diese Vereinbarung von Seiten der Goten verletzt worden zu sein. So berichtet Prosper beispielsweise von einem Angriff auf Arles, den Aëtius im Jahr 425 zurückschlagen musste. Mit dem Angriff der Goten auf Narbonne kam es nun 436 endgültig zum Krieg, der bis 439 andauern sollte und für Prosper eine wichtige Rolle in der Konzeption seiner zweiten Chronikedition spielte. Da der hier beschriebene Bruch des foedus durch die Goten später eine direkte Entsprechung in der Eroberung Karthagos durch Geiserich finden wird3, bringt die Chronik im Folgenden beide Ereignisketten in einen Zusammenhang: Der Vertragsbruch der Goten als Beginn einer Phase länger anhaltender Feindseligkeiten dient dem Chronisten als Folie für die Darstellung des Vorrückens Geiserichs in Africa. Gleichzeitig liefert die vorliegende Stelle ein neuerliches Beispiel für die charakterliche Ambivalenz hoher militärischer Führer. Mit Litorius ist es ein

entspricht damit eher der späteren literarischen Rezeption des Ereignisses im Nibelungenlied. Zur Zerschlagung des Burgundenreichs auch: Stickler, Aëtius 182–5. 1 Muhlberger, Chroniclers 103 f.: Prosper weise in den späteren Teilen der Chronik immer wieder auf die generelle Wildheit des Volkes hin: c. 2 Komm. zu c. 1271. 3 Vgl. c. 1339. Dabei ist die Eroberung der africanischen Metropole nur der Höhepunkt einer längeren Entwicklung. Prosper weist schon in c. 1330 auf den Abfall der Vandalen vom foedus mit Ravenna hin.

Kommentar

267

von Prosper neu eingeführter und ansonsten weitgehend unbekannter Militär, der den gotischen Angriff auf Narbonne zurückschlägt.1 Diese Tat veranlasst den Chronisten zu einem für seine Verhältnisse äußerst untypischen direkten Lob des doppelten Retters der Stadt: Nicht nur, dass sich Litorius in der Bekämpfung des Feindes als strenuus erweist, er legt darüber hinaus sogar die Weitsicht an den Tag, mit Hilfe seiner Reiterei auch die Getreidezufuhr der belagerten Stadt sicherzustellen. Dieses Lob wird aber bereits beim zweiten Auftauchen des Litorius in der Chronik relativiert: In c. 1335 ist ihm seine hier noch gerühmte Weitsicht gänzlich abhandengekommen und einer persönlichen Geltungssucht gewichen, weshalb ihn ein unrühmliches Ende ereilen wird. Dass der General hier also namentlich erwähnt und darüber hinaus auch so deutlich gelobt wird, hängt mit eben diesem Ende zusammen. Durch die Ambivalenz der erst dezidiert positiven und dann dezidiert negativen Darstellung des Litorius kann Prosper ein Beispiel für die Unzulänglichkeit des Vertrauens in bloß menschliche Fähigkeit liefern.2 [J.K.]

1326 Während Prosper noch bei der Beschreibung der Vernichtung der Burgunden durch die Hunnen den Umstand übergeht, dass diese Hunnen im römischen Dienst standen, wird die gemeinsame Bekämpfung der Goten durch Hunnen und Römer nun deutlicher herausgestellt. Bei den hunnischen Hilfstruppen muss es sich weiterhin um die Verbände gehandelt haben, die Aëtius 432 zur Rückerlangung seiner ihm entzogenen Ämter ins Reich geführt hatte. Während es, wie Heather treffend feststellt, nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass Aëtius nun ausgerechnet hunnische Verbände nutzte, um Unruhen Herr zu werden, die der Druck einer hunnischen Expansion zu Beginn des Jahrhunderts überhaupt erst ausgelöst hatte3, zogen auch die jetzt vom Chronisten berichteten Unruhen wiederum weitere Kreise. Da der Krieg gegen die Goten die Kräfte Westroms in Gallien band, gab er dem Vandalenkönig Geiserich in Africa die Möglichkeit zu antikatholischen 1

Die von Prosper geschilderte Rettung Narbonnes erwähnen 110 und Sidon. carm. 7,246–50. Zu Litorius: PLRE 2, 684 f. (Litorius). 2 Vgl. auch Komm. zu c. 1335. Eine ganz ähnliche Darstellungstechnik wendet der Chronist später in Bezug auf Aëtius an: c. 1364. 1367. 3 Heather, Huns 26.

268

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Maßnahmen, zu Piraterie und letztlich zur Eroberung Karthagos. Prospers knappe Hinweise auf die gallischen Gotenkriege sind also jeweils unter der Perspektive ihrer Konsequenz für die Verhältnisse in Africa zu sehen.1 [J.K.]

1327 Arriana impietate Vgl. zu c. 1297. ipsorum Vgl. zu c. 1247. [M.B.] Die religiösen und politischen Verfehlungen des Vandalenkönigs Geiserich sind ein wichtiges Thema für die zweite Chronikedition von 445, wobei an der vorliegenden Stelle erstmals auffällt, dass stets Geiserich persönlich, niemals aber das Volk der Vandalen an sich als Aggressor auftritt. Wie in der Darstellung interner römischer Rivalitäten fokussiert Prosper also auch hinsichtlich der „barbarischen“ Völker allein auf die moralischen Qualitäten einzelner Persönlichkeiten.2 In Africa kam es zu ersten antikatholischen Maßnahmen des homöischen Königs. Ob diesen Maßnahmen dabei ein Missionseifer zugrunde lag, ist fraglich, würde Geiserich damit doch in der vielköpfigen Reihe homöischer Barbarenkönige der Zeit eine deutliche Ausnahme bilden. Wahrscheinlich ist seine Motivation eher im politischen Bereich zu suchen. Da der katholische Episkopat Africas intensive reichsweite Kontakte pflegte, könnten die Bischöfe für den Vandalenkönig aus einem nicht mehr greifbaren Anlass in eine Art Kollektivverdacht des Hochverrats geraten sein.3 Von den drei 1

Antikatholische Maßnahmen Geiserichs: c. 1327. 1329. Piraterie: 1330. 1332. Eroberung Karthagos: 1339. 2 Es sind solche Einzelpersönlichkeiten, an denen der Chronist seine moralischen Botschaften am besten verdeutlichen kann. Zur Darstellung Geiserichs vgl. neben der vorliegenden Stelle c. 1329. 1339. 1348. 3 Westgoten, Ostgoten und Burgunden waren auch Homöer (mit Brennecke, Arianismus 128 ist die polemische Bezeichnung „Arianer“ zu vermeiden), zeigten sich gegenüber der katholischen Bevölkerung ihrer Reiche aber tolerant. Vgl. Jones, Later Roman Empire 262 f. Vössing, Victor von Vita 25 jedenfalls erklärt die Betonung Stärkung einer vandalisch-homöischen Identität. Für den Moment betraf die Verfolgung aber ohnehin nur die unmittelbaren Siedlungsgebiete der Vandalen. Erst mit der Eroberung Karthagos und der damit einhergehenden Ausweitung der Maßnahmen auf die Africa Proconsularis bekamen sie größere Relevanz. Vgl. c. 1339.

Kommentar

269

namentlich genannten Bischöfen erweist sich im Fall des Possidius eine Identifizierung mit Possidius von Calama als relativ sicher, da es sich bei diesem um den Mitarbeiter und Biographen des von Prosper verehrten Augustinus handelte. Bei Novatus und Severianus könnte es sich mit Courtois um die Bischöfe von Sitifis und Cera handeln.1 Als konkreten Auslöser der mehrstufigen Verfolgungsmaßnahmen vermutet Schmidt eine Weigerung der katholischen Bischöfe, den vandalischen Homöern ihre Kirchen für Gottesdienste zur Verfügung zu stellen.2 Tatsächlich nennt Prosper als ersten Akt der Verfolgung die Lösung einzelner Kirchen aus der Verfügungsgewalt ihrer Bischöfe. Ein solcher Schritt hatte eine erhebliche Tragweite, da er die katholischen gottesdienstlichen Versammlungen erschwerte, was das spirituelle Leben in den spätantiken bischofszentrierten Stadtgemeinden nicht geringfügig gefährdete.3 Es kam aber auch kaum gänzlich zum Erliegen. Die von Prosper erwähnte Verschärfung der Verfolgung durch die Vertreibung der Bischöfe aus den Städten lässt sich vielleicht darauf zurückführen, dass sich einzelne Gemeinden auch weiterhin gottesdienstlich organisieren konnten. Immerhin gab es in Africa durch zahlreiche kirchliche Spaltungen eine gewisse Routine beim Agieren im kirchlichen Untergrund. Prosper weist mit der Bezeichnung der Verfolgten als „unsere“ Bischöfe auf diese innerafricanischen Spaltungen implizit hin. Die donatistische Gegenkirche jedenfalls blieb von Verfolgungen der homöischen Vandalen offensichtlich unberührt.4 [J.K.] 1

Courtois, Vandales 170 Anm. 2. Skeptisch bezüglich konkreter Sitzzuweisungen äußert sich Howe, Vandalen 267 Anm. 106, zumal diese in der Argumentation von Courtois nur die Ausweitung laufender Verfolgungsmaßnahmen belegen sollen. Mit PCBE 1 jedoch sind entsprechende Identifikationen von Novatus (783 f.: Novatus) und Severianus (1069: Severianus 3) „très probablement“. Zu Possidius: PCBE 1, 890–6 (Possidius 1). 2 Schmidt, Wandalen 66. 3 Da die Gemeinden episkopal organisiert waren, lassen sich ähnliche Maßnahmen auch in anderen Verfolgungszusammenhängen greifen, am prominentesten im Rahmen der diocletianischen Christenverfolgung, die mit einer Konfiskation liturgischer Bücher und der Ausschaltung des Episkopats ebenfalls auf eine Schwächung kirchlicher Infrastruktur zielte: Eus. hist. eccl. 8,2; Eus. mart. Pal. praef.; Lact. mors. pers. 12. 15. Vgl. Schwarte, Christengesetz 221 f. 231. 4 Unter Hunerich kam es sogar zu einer Annäherung von Homöern und Donatisten: DiesNizäa 325 nicht mehr beteiligt war, stand sie dogmatisch neutral zwischen den nizänischen Katholiken und den antinizänischen Homöern. Moorhead Victor of Vita, S. XIII weist jedoch relativierend darauf hin, dass es keinen Beweis gibt, dass die Vandalen in ihrer Katholikenverfolgung Unterstützung bei den Donatisten gefunden hätten. Dies jedoch wird durch o. g.

270

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1328 Die Vermählung von Valentinian III. mit Licinia Eudoxia war Teil der Vereinbarungen, die zwischen Galla Placidia und Valentinian im Rahmen ihrer Rückkehr ins Weströmische Reich mit Theodosius II. geschlossen worden waren.1 Die Hochzeit des weströmischen Kaisers mit der Tochter seines oströmischen Amtskollegen stärkte die verwandtschaftlichen Bindungen innerhalb des Herrscherhauses und damit auch die Zusammengehörigkeit der beiden Reichsteile. Für Valentinian war sie darüber hinaus auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil Theodosius seinen Vater Constantius nicht als rechtmäßigen Kaiser anerkannt hatte. Zumindest in östlicher Perspektive musste die Hochzeit die dynastische Legitimität des westlichen Kaisers damit erheblich steigern, auch wenn sie natürlich zugleich die Seniorität des Theodosius über seinen Cousin und jetzt auch Schwiegersohn unterstrich.2 Mit seiner Heirat übernahm Valentinian schließlich auch de iure die volle Regierungsgewalt von seiner Mutter Galla Placidia, der bisherigen Regentin für ihren bis dahin minderjährigen Sohn.3 De facto aber entschied längst Aëtius über die Politik des Weströmischen Reichs. [J.K.]

1329 merito sapientiae merito mit Gen. ist hier als kausale Präposition verwendet, synonym zu propter (ThLL Sp. 817,60–818,19). Die Textzeugen divergieren bei diesem Eintrag in einigen Fällen, sodass am hss. Befund wie an einem Muster die von Mommsen vorgenommene Klassifizierung der Codices illustriert werden kann (vgl. Einl. Kap. IV.4; ferner: Mommsen, Chron. min. 1,378). Für Mommsen ist jeweils die Lesart aus der MY-Familie authentisch. cari clarique bieten MYCLs, clarique AOZRFPB durch Haplographie. dilectiores haben MYB, copulatiores ALOXRFP (copulatores) Z, eine kontaminierte Lesart bieten C (copuladilectiores) und H (copulatores lecStimmen auch gar nicht behauptet. Näheres zu den Verfolgungen im vandalischen Africa: Komm. zu c. 1339 mit Anm. 3 (S. 285). 1 Vgl. c. 1286 mit Komm. 2 Zu Licinia Eudoxia: PLRE 2, 410–2 (Licinia Eudoxia 2). 3 Zu Galla Placidia als Regentin für ihren minderjährigen Sohn: Oost, Galla Placidia 210– 48; Sivan, Galla Placidia 94–141.

Kommentar

271

torum). copulatus im passiven Sinn von „innig verbunden, geliebt“ ist selten belegt (CIL 13,2027; Sidon. epist. 1,10,1; ThLL s. v. copulo Sp. 924, 30– 35). Zum aktiven Sinn vgl. Cic. off. 1,56. Das Verb copulare ist aber verbreitet bei Kirchenschriftstellern und in den Bibelübersetzungen (in Bezug auf die Freundschaftsverbindung vgl. ThLL s. v. 921,74–922,20). Vielleicht liegt darin der Grund für einen Interpolator, das schwache dilectus durch das gängigere und ausdrucksstärkere copulatus zu ersetzen. Bemerkenswert ist, dass C beide Varianten so zusammenbringt, dass sie in einem Wort verschmelzen. Bei den folgenden Lesarten geht C mit der MY-Rezension. perfidiam bezeugen MYCLHB, sectam AOZXRFP; letzteres ist das semantisch neutrale Wort, daher eher als Ersatz für das zwar starke, aber nicht eindeutige Wort perfidiam gedacht als umgekehrt (zu perfidia als Bezeichnung der Häresie vgl. etwa auch Hyd. chron. 89 [Mommsen]). sed findet sich in MYCLHB, at in AZXRFP (ad) O. occisus haben MYCB, interfectus ALOZXRFPH. superata saevitia MYCHBZXFP, superitia A, wobei in der Mitte etwas ausgelassen wurde, superata peritia OR, wobei die Lücke durch Interpolation geschlossen ist. [M.B.] Der vorliegende Eintrag setzt Prospers Bericht über antikatholische Maßnahmen aus c. 1327 fort. Konnte dort über mögliche politische Gründe für Geiserichs Vorgehen gegen die katholische Kirche nur spekuliert werden, so wird hier für das Vorgehen gegen mehrere katholische Christen ein politisches Motiv klar benannt: In der Konversion seiner engen Mitarbeiter sah der Vandalenkönig eine Art Loyalitätsbeweis. Ein regelrechter homöischer Missionseifer seitens Geiserichs hingegen kann ex negativo allein dadurch ausgeschlossen werden, dass die vier spanischen Männer als Katholiken überhaupt ins engere Umfeld des Homöers gelangt waren, dem sie wohl aus ihrer Heimat Spanien als Berater nach Africa gefolgt waren.1 Über die vier Männer selbst ist außerhalb von Prosper nichts bekannt. Für ihre Standhaftigkeit in den sich verschärfenden Stufen ihrer Verfolgung, an deren Ende letztlich der Tod der vier Spanier steht, lobt sie der Chronist geradezu überschwänglich. Dass ihr Tod neben den Fällen des Constantius

1

Mehr lässt sich über die vier Märtyrer kaum sagen, da es z lege gibt. Vgl. allenfalls Antonin. Honorat. epist. ad Arc. (PL 50, 567–70), die an einen Arcadius gerichtet ist, bei dem es sich mit PCBE 1, 89 f. (Arcadius) um den hier begegnenden Märtyrer handelt. Zu den Gründen der Verfolgung katholischer Christen durch Geiserich vgl. Komm. zu c. 1327. 1339.

272

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

in Rom, des Flavian von Konstantinopel und des Patroclus von Arles, dessen Tod der Chronik aber eher als politisches denn als kirchliches Ereignis gilt, das einzige tödliche Martyrium darstellt, von dem Prosper zu berichten weiß, exponiert Arcadius, Paschasius, Probus und Eutychianus zusätzlich.1 Trotzdem steht eigentlich eine andere Person im Mittelpunkt des Martyriumsberichts. Das Schicksal der Geiserich-Berater ist Bestandteil der Charakterisierung des Vandalenkönigs, die an dieser Stelle aber insgesamt so topisch ist, dass abgesehen von einer vielleicht tatsächlich erfolgten Hinrichtung einzelner Berater des Königs die Historizität konkreter Details in der berichteten Gegebenheit weder zu vermuten noch unbedingt zu suchen ist.2 Die vier Märtyrer liefern hier in erster Linie ein Gegenbild zu Geiserich, dessen moralische Defizite vor dem Spiegel ihrer Qualitäten nur umso deutlicher werden. Es ist der Konflikt ihrer constantia mit der bereits mehrfach festgestellten königlichen superbia, der Konflikt zwischen sapientia und obsequium auf der einen und perfidia und saevitia auf der anderen Seite, dessen Darstellung hier dermaßen auf die Spitze getrieben wird, dass Geiserich wie keine zweite Figur in der Chronik ausschließlich negativ gezeichnet wird.3 In diesem Zusammenhang ist die Wortwahl des Chronisten zusätzlich aufschlussreich. So ist das hier verwendete barbarus in der Chronik insgesamt nur dreimal bezeugt, zweimal davon zur Charakterisierung Geiserichs.4 Auch das Adjektiv saevus bezeichnete in der Chronik bis hierhin weder die Goten noch die Hunnen oder ihre jeweiligen Führer; in der Folge wird der Vorwurf der saevitia außer Geiserich nur noch die Hunnen unter Attila sowie (allerdings nur in einer späteren Interpolation zu c. 1358) die Gegner Papst Leos auf der Synode von Ephesus 449 treffen, womit sich der

1

Sonstige Martyrien in der Chronik: c. 1265 (Constantius). 1292 (Patroclus). 1358 (Flavian). Die Fälle des Johannes Chrysostomos (1220) und des Heros von Arles (1247) enden unblutig in der bloßen Absetzung und Exilierung, während die Hinrichtung des Häretikers Priscillian (1187) für Prosper kaum als Martyrium gelten kann. 2 Zur Charakterisierung Geiserichs ferner c. 1348. Vgl. auch topische Elemente wie Grausamkeit oder Hochmut in Victor von Vitas Darstellung der vandalischen Katholikenverfolgung unter Geiserich und Hunerich: Howe, Vandalen 183–217. 3 Zum Geiserich-Bild vgl. auch Einl. Kap. III.4.c. 4 Neben der vorliegenden Stelle auch in c. 1342. Diese zweifache Benennung des Geiserich als barbarus ist ein Argument dafür, dass es sich bei den barbari der dritten Verwendung des Worts in c. 1330 ebenfalls um Vandalen handelt. Vgl. Komm. zu c. 1330.

Kommentar

273

Vandalenkönig in illustrer Gesellschaft von Häretikern und Wilden befindet.1 Als zentrales Laster in der Darstellung durch den Augustinianer Prosper muss aber die superbia des Königs gelten, die den Vandalen in eine Linie mit Castinus, Attila und Julianus von Aeclanum stellt.2 [J.K.]

1330 Bei den von Prosper hier und in c. 1332 erwähnten Seeräubern handelt es sich zweifelsohne um die Vandalen, die sich nach ihrer Ansiedlung in Africa zu einer Gefahr für das Tyrrhenische Meer entwickelt hatten.3 Ein Hinweis darauf ist die hier benutzte Bezeichnung der Seeräuber als barbari. Das Wort barbarus kommt in der gesamten Chronik nur an zwei weiteren Stellen vor, beide Male auf den Vandalenkönig Geiserich bezogen. 4 Als weiteres Indiz für die Identifizierung der Seeräuber mit den Vandalen ist die spätere Anwesenheit Geiserichs auf Sizilien im Jahr 440 zu werten, die ohne einen vormaligen Hinweis Prospers auf das Piratentum der Vandalen und ihre damit zusammenhängende Seehoheit vor Italien recht unvermittelt wirken würde. Indem Prosper die Seeräuber als „abtrünnige Verbündete“ beschreibt, deutet er zusätzlich darauf hin, dass der Friedensschluss von 435 die Vandalen in ein Föderatenverhältnis zu Ravenna gestellt hatte.5 Vor allem aber präsentiert der Chronist Geiserich durch diese Formulierung deutlich als vertragsbrüchig – und das bereits zwei Jahre vor seiner Eroberung Karthagos. Hierin liegt eine implizite Kritik an der mangelnden Umsicht der Reichsführung in Ravenna, die im Gegensatz zu Prosper von der späteren Eroberung Karthagos durch die Vandalen angeblich überrascht worden sei. Um diese Kritik wiederum nicht allzu deutlich aussprechen zu müssen, 1

Zur saevitia des Geiserich auch c. 1339. Weitere Zuschreibungen von saevitia: 1346. 1364. 1367 (jeweils Hunnen). 1358 (Gegner Papst Leos 449 in einer späteren Interpolation). Vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 107. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das vergleichsweise neutrale Barbarenbild Prospers explizit nicht auf die Hunnen anwendbar ist. 2 Belege von superbia: c. 1278 (Castinus). 1327. 1348 (Geiserich). 1336 (Julianus von Aeclanum). 1364 (Attila). 3 Die entsprechende Identifizierung der hier genannten Seeräuber mit den Vandalen: Castritius, Wandalen 190 f. 4 Vgl. c. 1329. 1342. 5 Hierauf weist Schmidt, Wandalen 64 f. hin. Vgl. Komm. zu c. 1321.

274

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

könnte Prosper dann darauf verzichtet haben, an der vorliegenden Stelle die ethnische Herkunft der Seeräuber explizit zu benennen. [J.K.]

1332 Wenn es sich, was anzunehmen ist, bei den Seeräubern aus c. 1330 um Vandalen handelt, so hat Prosper auch an der vorliegenden Stelle dieses Volk vor Augen. Dafür spricht nicht zuletzt die explizite Erwähnung Siziliens als Ziel der seeräuberischen Übergriffe: Im Bericht der Chronik wird nur zwei Jahre später der Vandalenkönig Geiserich auf eben jener Insel begegnen.1 [J.K.]

1333 Der Eintrag zum Krieg der Goten in Gallien fehlt in der AOR-Rezension. Wie in c. 1326, 1328, 1330 und 1332 tritt hier der knappe Chronikstil hervor. Weil der Eintrag nur wenig konkrete Angaben enthält, ist weniger an einen späteren Zusatz in der MY-Rezension zu denken als an eine Tilgung durch einen Bearbeiter der AOR-Rezension, der in der Nachricht wahrscheinlich eine Doppelung zu den Einträgen 1326 oder 1338 gesehen hat. Für Mommsen, Chron. min. 1,379 ist der Text echt. [M.B.] Prosper versäumt es auch für 438 nicht, auf den Fortgang des Kriegs gegen die Westgoten in Gallien hinzuweisen. Er verzichtet dabei jedoch auf die Beschreibung konkreter Ereignisse. Dies ist wiederum ein Indiz dafür, dass die Erwähnung des Gotenkriegs für den Chronisten im Zusammenhang seines Berichts über die 430er Jahre in erster Linie den Zweck erfüllte, die weitgehende Handlungsfreiheit der Vandalen in Africa zu erklären.2 [J.K.]

1 2

Vgl. c. 1342. Vgl. hierzu Komm. zu c. 1321. 1326. 1338.

Kommentar

275

1335 daemonum significationibus Mit den daemones sind die heidnischen Götter gemeint, vgl. Colpe u. a., Geister 765–8. dum … dumque … fidit dum mit Indikativ hat hier kausale Bedeutung, vgl. dazu K.-St. 2,377. potioris consiliis haben die meisten Hss., die varia lectio potioribus consiliis findet sich in einer Abschrift von A (Ar) und in P; auch Labbé entscheidet sich für sie, offensichtlich gegen den Spirensis. Auch Murray, Reader 70 und Muhlberger, Chroniclers 104 legen ihren Übersetzungen diese Lesart zugrunde (mit falschem Bezug des quam auf den Komparativ potioribus statt auf maluisset). potioris gebührt der Vorzug, weil es nicht nur in beiden Hss.-Klassen gut bezeugt ist, sondern auch weil der Gegensatz von potioris und sua sehr viel sinnvoller erscheint als der von potioribus und sua: Litorius hätte besser auf die Klugheit des (im Vergleich zu ihm) Bedeutenderen, Aëtius, vertraut als auf seine eigene Verwegenheit. Im Fall der anderen Lesart müsste der Komparativ potioribus ohne Bezug bleiben („wenn er es vorgezogen hätte, den besseren Ratschlägen und nicht seiner eigenen Verwegenheit zu folgen“), da die temeritas wohl kaum unter die klugen Ratschläge subsumiert werden kann. [M.B.] Prosper nimmt sein Hauptmotiv der Chronikedition von 433 wieder auf, die Rivalität römischer Heerführer und die sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen für die Akteure im Speziellen und die Geschicke des Reichs im Allgemeinen. Im vorliegenden Fall ist es Litorius, der von Prosper noch kurz zuvor als Retter von Narbonne gefeiert worden ist, den sein Geltungsstreben das Leben kostet, während das Reich einen fähigen Militär verliert.1 Die Ambitionen des Litorius waren dabei direkt gegen Aëtius gerichtet. Da über Litorius aber recht wenig bekannt ist, lässt sich nicht zweifelsfrei klären, was Prosper mit „an zweiter Stelle hinter Aëtius“ genau meint. Wahrscheinlich war er als magister militum per Gallias Aëtius direkt untergeben.2 Sein Befehl über die hunnischen Hilfstruppen wird von Hydatius und Jordanes bestätigt.3 Während Litorius bei der Rettung Narbonnes vor Goten 1

Als ein solcher hatte sich Litorius bei der Befreiung Narbonnes erwiesen: c. 1324.

2

worden, vielleicht wegen der Rettung von Narbonne. Für die Diskussion um sein Amt: Demandt, Magister militum 666 f. Ebenso Stickler, Aëtius 205. 3 Hyd. chron. 116; Iord. Get. 177. Prosper äußert sich zur Rolle der Hunnen in den Auseinandersetzungen der 430er Jahren unpräzise, vgl. jeweils mit Komm. c. 1322. 1326.

276

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

und Lebensmittelknappheit noch 436 eine explizit gelobte Weitsicht an den Tag gelegt hatte, verkehrt sich das, was dort noch gelobt wurde, nun ins Gegenteil: Statt wiederum Weitsicht unter Beweis zu stellen, wird Litorius Opfer seines Geltungsdrangs und seiner Unbesonnenheit. Zum einen habe er die Ratschläge und Anweisungen seines Vorgesetzten Aëtius in den Wind geschlagen, zum anderen – und das symbolisiert die genannte Unbesonnenheit in erster Linie – pagane Riten praktiziert. Damit ist Litorius übrigens der letzte römische Heerführer, von dem das Einholen heidnischer Auspizien überliefert ist.1 Eine Parallelüberlieferung zum Untergang des Litorius findet sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den beschriebenen Ereignissen bei Salvian, deren Unterschiede zum Prosper-Bericht dessen darstellerische Absichten erhellen. Salvian zieht die Litorius-Episode zur Unterstützung seiner These heran, dass römische Rückschläge Ausdruck göttlichen Zorns über die generelle Disposition römischer Führer seien, nicht Gott, sondern ihrer eigenen Macht zu vertrauen. In diesem Rahmen stellt Salvian dar, wie der Gotenkönig Theoderich im Gegensatz zu seinem Gegner die Schlacht durch Gebete vorbereitet hätte.2 Prosper stimmt dieser Deutung insofern zu, als die Niederlage des Litorius auch bei ihm dessen Hochmut geschuldet ist. Sie stellt bei ihm jedoch keine Konsequenz direkten göttlichen Eingreifens in den Gang der Geschichte dar, welches in der Chronik ohnehin kaum zu beobachten ist. Auch unterlässt es der Chronist, einen generellen römischen Stolz einer ebenso generellen barbarischen Tugendhaftigkeit gegenüberzustellen, weshalb das Gebet des Theoderich bei ihm keine Rolle spielt. Das Fehlverhalten des magister militum ist bei Prosper ein rein persönliches.3 Litoriusʼ moralisches Versagen bringt daher in erster Linie ihm den Untergang. In der von Prosper beschriebenen Schlacht bei Tolosa geriet er in Gefangenschaft und erlag kurz darauf seinen Verwundungen.4 Wie zentral für Prosper die moralische Botschaft des abermaligen Versagens eines hohen Militärs war, zeigt sich daran, dass der Verlauf der Schlacht an sich eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt; die Chronik benennt nicht einmal einen Sieger. Damit unterscheidet sich der vorliegende Eintrag trotz seiner

1

Maenchen-Helfen, Welt der Hunnen 195 f. hält es für unwahrscheinlich, dass ein römischer General noch 439 Heide war und vermutet daher, dass die ihm untergebenen Hunnen Orakel zum Ausgang der Schlacht eingeholt hätten. 2 Salv. gub. 7,10. 3 Vgl. hierzu auch Muhlberger, Chroniclers 104 f. 4 Zur Schlacht vor Tolosa auch: Hyd. chron. 116; Salv. gub. 7,10.

Kommentar

277

Länge nicht grundsätzlich von Prospers anderen Bemerkungen zum Gotenkrieg in Gallien, die ebenfalls wenig konkrete Informationen zum Krieg selbst liefern. [J.K.]

1336 Xystus Vgl. zu c. 1309. diaconi Leonis hortatu fehlt in MY. In der Rolle des Ratgebers des Papstes Sixtus wird der spätere Papst Leo adäquat eingeführt. Unter der Voraussetzung, dass MY die letzte Edition der Chronik bewahren, scheint daher eine spätere Tilgung der Junktur durch Prosper selbst so gut wie ausgeschlossen. Warum sollte Prosper diesen ersten Hinweis auf das kluge und erfolgreiche Wirken seines Helden Leo später ausgeschieden haben, zumal an der Faktizität nicht zu zweifeln ist? Da sich gegen die Echtheit keine Bedenken erheben, ist wahrscheinlich, dass – wie es auch andere Kürzungen in MY nahe legen – ein fremder Bearbeiter am Werk war. quasi tunc primum superbissimam haeresim apostolicus gladius detruncavisset Zum Bild der Enthauptung des Irrglaubens vgl. Prosp. sent. 350 duobus … verbis duae simul haereses detruncantur; Leo M. epist. 31,4 ut omnes haereticorum opiniones … possint gladio detruncari (ThLL s. v. detrunco, Sp. 845,54–57). Vgl. auch die Enthauptung der superbia durch die humilitas Prud. psych. 282 f. Zur Darstellung der superbia in der Psychomachie weist der Eintrag auch insofern eine Parallele auf, als sich zum Hochmut des Häretikers der Betrug gesellt. Julianus von Aeclanum wird nicht nur als iactantissimus charakterisiert, sondern legt in Prospers Darstellung auch ein betrügerisches Täuschungsverhalten an den Tag, das ihn umso gefährlicher für den wahren Glauben erscheinen lässt (vgl. arte fallendi, pestiferis conatibus, fallacis bestiae; vgl. in der Psychomachie 259 f. die Charakterisierung der fraus als fallendi versuta opifex). [M.B.] Bereits zweimal hat Prosper Julianus, den abgesetzten Bischof von Aeclanum, als dogmatische Gefahr erwähnt: In c. 1252 erschien er als Mitkämpfer des Pelagius, während es in c. 1304 seine Schriften waren, denen Augustider ebenfalls in c. 1252 erwähnte Caelestius, dabei einer zweiten Generation von Pelagianern an und war einer der prominentesten Vertreter antiaugustinischer Theologie in den 420er und 430er Jahren. 418 war er abgesetzt

278

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

worden und daraufhin in den Osten des Reichs geflohen, wo er zeitweise Unterstützung durch Nestorios von Konstantinopel und Theodor von Mopsuestia erfahren hatte, die aber ihrerseits 431 von der Synode von Ephesus zu Häretikern erklärt wurden.1 Julianus hielt sich also weiterhin im Exil auf, als er den hier geschilderten Versuch unternahm, auf seine sedes zurückzukehren. Über die konkreten Vorkommnisse sind wir nicht informiert, auch weil Prospers Schwerpunkt an dieser Stelle auf der häresieabwehrenden Reaktion des römischen Bischofs liegt. Dem Bericht der Chronik kann man immerhin entnehmen, dass sich Julianus als geläutert präsentierte, ohne dass Prosper davon ausging, dass dies tatsächlich der Fall gewesen wäre. Allem Anschein nach lässt sich damit ein Reflex des Chronisten auf das Phänomen des „Semipelagianismus“ greifen, der sich nach der Verurteilung des Pelagianismus in Ephesus vor allem in Gallien ausbreitete: Verschiedene Bischöfe führten zentrale theologische Anliegen des Pelagius fort, erteilten aber gleichzeitig der Radikalität der originär pelagianischen Theologie eine Absage, indem sie deren Urheber verdammten.2 Sollte Julianus eine ähnliche Position an den Tag gelegt haben, könnte seine in ihrer Aufrichtigkeit von Prosper angezweifelte Läuterung aus einer offiziellen Verdammung des Pelagius bestanden haben. Der dezidierte Antipelagianer Prosper jedoch wollte in einer solchen bloß personellen Abgrenzung vom Häresiarchen Pelagius nicht automatisch auch eine Absage an dessen Theologie erkennen.3 Julianus jedenfalls wird vom Chronisten als „hochmütig“ beschrieben, 1

Generell zum Leben des Julianus: PCBE 2,1, 1175–86 (Iulianus 9). Darüber hinaus Lössl, Julian. Speziell zur Rezeption des Bischofs: Lössl, Augustine. Auf der Unterstützung des Verbannten durch Nestorios beruht die von Prosper herausgestellte Parallelität der Verurteilung von Nestorianismus und Pelagianismus in Ephesus 431: c. 1306. 2 Zum Semipelagianismus: Bonner, Pelagius/Pelagianischer Streit 180–2; Chéné, Origines 94–109. Prosper kritisiert die Semipelagianer auch in Prosp. carm. de ingrat. 114–46. Mathisen, Ecclesiastical Factionalism 129–31 weist aber zurecht darauf hin, dass der Terminus „Semipelagianer“ mit Vorsicht zu gebrauchen ist, da es sich bei den damit bezeichneten Personen streng genommen genauso um Antipelagianer handelte wie bei ihren Gegnern. Mit Hwang, Lover 2–6 sei daher eher vom „Augustinischen Streit“ zu sprechen. 3 Eine ähnliche Unversöhnlichkeit theologischer Fronten ließ sich bereits nach der Synode von Nizäa 325 beobachten, als die Anhänger des homoousios, allen voran Athanasios v ner“ bezeichneten: Barnes, Athanasius 392 f.; Hanson, Search 304 f. Ganz allgemein wurde die theologische Vorurteilsbehaftetheit zum Grundproblem kirchlicher Entwicklung. Konkrete theologische Positionen vermeintlicher dogmatischer Gegner wurden immer seltener wahrgenommen. Vgl. hierzu Kötter, Stability 53.

Kommentar

279

weist damit also weiterhin eine typisch antiaugustinische Charaktereigenschaft auf. Über diese Zuschreibung von superbia parallelisiert Prosper dabei das kirchliche Verhalten des Julianus mit dem gleichzeitigen politischen Verhalten des Vandalenkönigs Geiserich und gelangt dadurch zu einem deutlichen Lob der römischen Kirche. Während nämlich Geiserich unter dem Deckmantel seiner angeblichen Freundschaft zum Reich von den politischen Entscheidungsträgern in Ravenna unbeargwöhnt Karthago einnehmen wird1, scheitert Julianus mit seinem Täuschungsmanöver an der Aufmerksamkeit der orthodoxen Kirchenvertreter. Prospers Lob gilt in diesem Zusammenhang allen voran dem Diakon und späteren Papst Leo. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt tut sich der spätere Held der Chronik also im Kampf um die Verteidigung des rechten Glaubens hervor – eine Rolle, in der Leo im Folgenden noch häufig begegnen wird. Diese vergleichsweise frühe Erwähnung Leos kann noch einen weiteren Grund haben: Muhlberger weist auf die Möglichkeit hin, dass es vielleicht sogar Prosper selbst gewesen sein könnte, der in der Sache des Julianus wiederum Leo beraten hatte.2 Prosper sollte immerhin später zu einem engen Mitarbeiter von Papst Leo werden. Ein möglicher Ratschlag Prospers an Leo gereicht diesem dabei genauso wenig zur Kritik wie Sixtus der leonische Rat. Beeinflussungen von Päpsten durch subalterne Kleriker lassen sich auch in zahlreichen anderen Pontifikaten greifen: Prosper berichtete zuvor, wie Coelestin auf Rat des Diakons Palladius einen Vikar nach Britannien sandte. Die späteren Päpste Simplicius und Felix III. (II.) wurden nachweislich von ihrem Nachfolger Gelasius in dessen Funktion als Diakon beraten, während Papst Symmachus enge Kontakte zu Ennodius von Pavia unterhielt.3 Solche informellen Ebenen der Entscheidungsfindung innerhalb der römischen Gemeinde lassen sich in den Quellen zwar selten greifen, nichtsdestotrotz deuten die wenigen sicheren Beispiele aber darauf hin, dass sich die Päpste selbstverständlich mit ihrem Klerus berieten.4 An der Historizität 1

Vgl. c. 1339. Muhlberger, Chroniclers 111 mit Phot. bibl. 54. 3 Coelestin: c. 1301; Simplicius und Felix III.: Koch, Gelasius; Ullmann, Gelasius 116– 27; Symmachus: Gioanni, Contribution 257–68; Wyatt, Ennodius. Ein enger Kontakt der 2

auch der jeweils neue Papst rekrutierte. Zur Grundlage des Einflusses der Diakone als „une sorte d’aristocratie cléricale“: Pietri, Roma Christiana 714–8. 4 Zu den Konsequenzen für die Betrachtung römischer Kirchenpolitik: Kötter, Kaiser und Apostel 144–7.

280

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

der berichteten Beteiligung Leos an der Zurückweisung des Julianus ist also nicht zu zweifeln. Unabhängig davon aber sollten Maßnahmen, die im Pontifikat eines bestimmten Papstes getroffen wurden, auch diesem Papst verantwortlich zugeschrieben werden.1 Dementsprechend war es letztlich also Papst Sixtus, der die Verdammung des Julianus von Aeclanum erneuerte, was Prosper martialisch als „Enthauptung der Häresie“ beschreibt. Hält man sich die Hinrichtung des Priscillian in Trier vor Augen, die Prosper ob ihrer staatlichen Veranlassung kritisiert hatte, so wird deutlich, wen der Chronist für die Häresieabwehr für verantwortlich hielt: Die Enthauptung einer Häresie – wohlgemerkt nur der Lehre, nicht ihrer Vertreter – durch die dafür zuständige Instanz, nämlich die römische Kirche, wird von ihm als einzig gerechtfertigte und wirksame Art der Häresiebekämpfung gesehen. Die Reinerhaltung des Dogmas gilt Prosper also dezidiert als Aufgabe des Papsttums; es sei ja nicht das erste Mal, dass Rom die Gefahr häretischer Anfechtung gebannt hätte.2 Das in diesem Zusammenhang verwendete Bild vom „apostolischen Schwert“ entspricht dabei deutlich späteren Argumentationslinien Leos gegenüber den gestiegenen Rangansprüchen Konstantinopels, in denen der Papst den römischen Primatanspruch mit einer angeblich petrinischen Apostolizität der römischen Kirche verteidigte. Eingedenk dessen mag Prospers Hinweis auf die rechtmäßige Enthauptung der Häresie durch Rom bereits Diskurse des hierarchischen Konflikts zwischen Rom und Konstantinopel spiegeln, die damit bereits unter Sixtus erkennbar vorhanden waren.3 [J.K.]

1337 Der Eintrag ist als ganzer verdächtig, nicht aufgrund der Überlieferung am Rand (vgl. Einl. Kap. IV.4), sondern weil er in einigen Hss. fehlt, und zwar 1 So Schwartz, Sammlungen 277 in Hinblick auf die

Frage nach der möglichen Abfassung von Briefen des Papstes Felix durch seinen Diakon Gelasius. 2 In der Tat hat Prosper bereits mehrfach auf ein vergleichbares Handeln Roms hingewiesen: c. 1261. 1266. 1297. 1301. Zum Rom-Bild des Chronisten Einl. Kap. III.2.b. 3 „Apostolizität“, die geradezu zu einem leonischen Schlagwort wurde: Dvornik, Apostorone, Concezione 74–85; Ullmann, Machststellung 11–5. Vgl. auch Komm. zu c. 1350. Zu den hierarchischen Spannungen mit Konstantinopel unter Sixtus: Coll. Thess. 11–4. Vgl. Kötter, Autonomie 178–86. Eine ganz ähnliche Wendung wie an der vorliegenden Stelle verwendet Prosper in c. coll. 21,2.

Kommentar

281

in Hss. beider Überlieferungsstränge. Das Lob des Vitericus findet sich in AstuOZXFP und L, MYCArRHB lassen es aus. Laut Mommsen, Chron. min. 1,379 f. ist die sog. AOR-Rezension nicht frei von Interpolationen. Zur Bewertung der einzelnen Abschriften von A vgl. Mommsen, Chron. min. 1, 361. Gerade der beste Codex dieser Rezension, der Marcianus (Ar), dem Mommsen in der Regel folgt, bietet den Vitericus-Eintrag nicht. Die gespaltene Überlieferung gilt auch für die Randnotiz über den Gallier Exuperantius (c. 1285). Mit dem Vitericus-Eintrag hat diese Notiz zudem gemeinsam, dass ein relativ unbekannter barbarischer Militär eingeführt wird. Im Unterschied zum Exuperantius-Eintrag neigt Mommsen, Chron. min. 1,379 aber im vorliegenden Fall dazu, eine Interpolation anzunehmen (so auch Muhlberger, Chroniclers 60 Anm. 29, aber 105 f. Anm. 109). Auffällig in inhaltlicher Hinsicht ist das Lob eines Goten an dieser Stelle: Vitericus wird als treuer Verbündeter des römischen Staates und als für seine Kriegskunst berühmter Mann präsentiert. Die Bezeichnung rei publicae nostrae fidelis spiegelt durch den Gegensatz „wir – die anderen“ eine Haltung gegenüber den Barbarenvölkern, die Muhlberger, Chroniclers 124 generell für die späteren Editionen von Prospers Chronik konstatiert: Die Römer werden als ein Volk unter anderen wahrgenommen, und vornehmlich die Goten werden auf eine Stufe mit ihnen gestellt. Wenn eine solche Sicht auch hier greifbar sein sollte, steht sie in gewissem Widerspruch zu Muhlbergers Annahme, die Notiz stamme vielleicht vom Autor selbst und sei erst später von ihm entfernt worden (Muhlberger, Chroniclers 105 f. Anm. 109). Auch die knappe Form des Eintrags wirft Probleme auf. Die Einführung einer berühmten Person im formelhaften Stil der Hieronymus-Chronik, die sich im ersten Teil der Chronik Prospers aus der Nähe und Anlehnung an die Vorlage erklärt, überrascht in diesem Stadium der Chronikfortsetzung (vgl. zu c. 1175). Hinzu tritt eine gewisse Inkongruenz in der Konstruktion: Das erste Prädikatsnomen rei publicae fidelis (sc. habebatur) erfordert eher den vollen Sinn von haberi, formelhaftes clarus habebatur dagegen einen abgeschwächten Sinn (Murray, Reader 71 entscheidet sich in der Übersetzung von habebatur für ersteren, Kötter in der vorliegenden Ausgabe für letzteren). Der inhaltliche und der leichte sprachliche Anstoß sowie der Ausfall in Teilen beider Hss.-Familien lassen den Eintrag als interpoliert erscheinen. Andererseits hat der Text den typischen Charakter einer Randnotiz, wie sie Prosper offensichtlich selbst in Epitome der Hieronymus-Chronik eingefügt hat (z. B. c. 465. 513). Bei allen Unsicherheiten, die der Eintrag aufwirft, ist eine klare Entscheidung gegen die Echtheit daher nicht zu treffen.

282

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

multis documentis bellicis clarus Zu documentum im Sinne von exemplum vgl. auch c. 1375 non sero documento, quid animi haberet, probavit (sc. Maximus), dazu ThLL Sp. 1806,48–1808,13. Auffällig ist die Konstruktion mit dem Adjektiv, um den Bereich anzugeben, in dem jemand Proben seines Könnens gibt. Zu erwarten wäre anstelle von bellicis ein Gen. obi., etwa artis bellicae oder virtutis bellicae, vgl. auch c. 1278 virum bellicis artibus satis clarum. Vielleicht erklärt sich durch diese Ungenauigkeit des Ausdrucks die Variante, die L (also Labbé) bietet. In L fällt clarus aus, sodass der Text sinngemäß lautet: „Zu dieser Zeit war Vitericus unserem Staat treu ergeben, auch durch viele Beweise im Kampf.“ [M.B.] Da der von Prosper genannte Vitericus außerhalb der Chronik nicht sicher bezeugt ist, ist der vorliegende Eintrag in seiner Deutung problematisch. Zwar finden sich abseits von Prosper kurze Hinweise auf einen Amaler namens Vitirichus oder Vetericus bei Jordanes. Ob es sich bei diesem aber um denselben Mann wie hier handelt, ist unklar, auch wenn Stickler in Vetericus den Sohn des Amalers Beremud sehen will, der seinerzeit Ansprüche auf die Nachfolge des Westgotenkönigs Wallia formuliert hätte. Sollte diese Identifizierung korrekt sein, könnte c. 1337 ein Hinweis darauf sein, dass Aëtius angesichts der Feindseligkeiten mit den Goten einen Konkurrenten gegen deren König Theoderich aufgebaut hätte.1 Muhlberger schließt aber aufgrund der vielen Unsicherheiten auch nicht aus, dass es sich bei der vorliegenden Nachricht um eine spätere Interpolation handeln könnte. Dafür spräche auch die Überlieferung, da der Eintrag in einigen Manuskripten fehlt.2 Sollte der Eintrag aber wirklich von Prosper selbst stammen, ist auffällig, dass im direkten Umfeld des Gotenkriegs in Gallien ein gotischer General gepriesen wird, nicht aber Aëtius, der eigentlich Verantwortliche für den römischen Kampf. Neben einer abermaligen impliziten Aëtius-Kritik würde der Chronist damit deutlich machen, dass er die Goten keineswegs per se für eine Gefahr für das römische Staatswesen hielt. [J.K.]

1

So deutlich: Scharf, Sebastianus 151 f (Vetericus). Zur Bezeugung in Jordanes: Iord. Get. 81. 174. 251. 298. Die jeweiligen Daten der Bezeugung von Vitirichus/Vetericus und Vitericus sind jedoch nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen. 2 Muhlberger, Chroniclers 105 f. Anm. 109. Vgl. auch Mommsen, Chron. min. 1,379 f.

Kommentar

283

1338 umquam fehlt in MY. Zur Kürzungstendenz in diesen Hss. vgl. Einl. Kap. IV.4. [M.B.] Nach der Niederlage des Litorius handelte Aëtius einen Frieden mit den Westgoten aus. Der von Prosper angesprochene „unentschiedene Kampf“ weist dabei allerdings wohl nicht auf die Litorius-Schlacht bei Tolosa hin, deren unentschiedenen Ausgang der Chronist nahelegt1, sondern vielmehr auf den Krieg zwischen Goten und Römern insgesamt. Mutmaßlich waren beide Seiten in den Kämpfen der letzten Jahre an ihre Grenzen gestoßen, weshalb die Information Prospers, nach der es die Goten waren, die um den Frieden nachgesucht hätten, nicht völlig aus der Luft gegriffen sein dürfte, auch wenn der Friede zweifelsohne auch im römischen Interesse lag. Damit finden die Berichte über den Gotenkrieg ihr Ende. Die Chronik geht direkt zur Beschreibung der Karthago-Eroberung durch die Vandalen über. Da die vergleichsweise detailarmen Informationen zu den Auseinandersetzungen in Gallien ohnehin in erster Linie der Spiegelung der zeitgleichen Ereignisse in Africa dienten, ist dies durchaus konsequent. Denn wie im Falle der Westgoten hatten auch die Vandalen die Bedingungen eines mit Ravenna geschlossenen foedus übertreten.2 Da ihnen das unter anderem durch den Konflikt des Reichs mit den Goten in Gallien erst möglich geworden war, gelangt Prosper an dieser Stelle auch nicht zu einer explizit positiven Würdigung des nun abgeschlossenen Gotenfriedens. [J.K.]

1339 Am 19. Oktober 439 nahm Geiserich Karthago ein. Das genaue Tagesdatum (XIIII Kal. Nov.) ist wahrscheinlich in den Hss. LZXFPH interpoliert. In den besten Hss. fehlt es. In den africanischen und italischen Rezensionen der Chronik manifestiert sich dagegen das Bestreben, den Fall Karthagos, der den Zeitgenossen als Besiegelung der Vandalenherrschaft in Africa galt, genauer zu datieren. Vgl. auch zu c. 1321.

1

Vgl. c. 1335. Mehr oder minder versteckt weist Prosper in c. 1330. 1333 darauf hin, dass der Vertragsbruch der Vandalen seiner Meinung nach bereits vor 439 stattgefunden hat. 2

284

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

in universum captivi populi ordinem ordo betont hier die Vielzahl, die große Menge, also etwa „gegen die Gesamtheit, gegen alle Stände des gefangenen Volkes“, vgl. Bspp. ThLL s. v. ordo Sp. 962,58–69. [M.B.] Es waren zwei Faktoren, die laut Prosper entscheidend dazu beitrugen, dass sich Geiserichs Vandalen 439 der africanischen Metropole Karthago bemächtigen konnten: Zum einen war der africanische Schauplatz durch den Gotenkrieg in Südgallien etwas aus dem Blickfeld der römischen Akteure gerückt. Aëtius war gerade damit beschäftigt, einen Frieden mit den Westgoten auszuhandeln, als Geiserich diese Gelegenheit für seine Attacke auf Karthago nutzte. Erschwerend hinzu kam in dieser Situation, dass der über drei Jahre andauernde Kampf gegen die Goten die militärischen Ressourcen des Reichs geschwächt hatte, worauf Prosper beispielsweise durch die Beschreibung der Litorius-Niederlage vor Tolosa hingewiesen hat.1 Zum anderen traf die Hinterlist des Vandalenkönigs auf fruchtbaren Boden, stellt der Chronist doch fest, dass die Verantwortlichen in Ravenna, sicherlich eingedenk des foedus von 435, überhaupt nicht mit einer Gefahr gerechnet hätten. Damit aber war gerade Aëtius im angeblichen Vertrauen auf die Freundschaft des Vandalen einer fatalen Fehleinschätzung aufgesessen, die in der Darstellung Prospers umso unverständlicher wirkt, als sich Geiserich bereits zuvor als zumindest unzuverlässiger Bündnispartner erwiesen hatte, wenn nicht sogar als offensichtliche Bedrohung sowohl für die katholische Kirche als auch für das Reich. Von Verfolgungen katholischer Christen jedenfalls berichtet der Chronist offen.2 Nimmt man darüber hinaus seine mehr oder minder versteckten Hinweise auf die vandalische Piraterie ernst3, so galt das barbarische Volk mit c. 1330 zumindest dem Chronisten bereits vor dem Jahr 439 als de facto vom Reich abgefallen. Prosper kritisiert die weströmischen Entscheidungsträger also vergleichsweise offen für ihre arglose Missachtung vergleichsweise offensichtlicher Warnsignale. Erhärtet wird dieser Befund durch den Hinweis der Chronik, dass das römische Papsttum im gleichen Jahr einem ähnlich arglistigen Täuschungsversuch des Pelagianers Julianus im kirchlichen Bereich nicht aufgesessen war.4 1

Litorius-Niederlage: c. 1335. Friedensverhandlungen: 1338. Damit gibt Prosper nun die Antwort auf die Frage nach dem Zweck seiner zwar ständigen, aber recht inhaltsleeren Verwe 2 Vgl. c. 1327. 1329. 3 Vgl. c. 1330. 1332 jeweils mit Komm. 4 Vgl. c. 1336. Wiederum erweist sich die Kirche in der Beschreibung der Chronik dem Reich darin überlegen, den alltäglichen Gefahren ihrer inneren und äußeren Entwicklung zu

Kommentar

285

Neben dieser Kritik gerade an Aëtius setzt der vorliegende Eintrag die negative Charakterisierung des Geiserich fort. Prosper bleibt dabei seiner bisherigen Zeichnung des Vandalenkönigs treu, wenn er abermals explizit dessen saevitia betont.1 Da die bisherigen recht detaillierten Schilderungen von Geiserichs Untaten immer die dogmatisch-kirchliche Sphäre betrafen, darf davon ausgegangen werden, dass den Chronisten auch an vorliegender Stelle der von Geiserich gegen Gott erklärte Krieg stärker beunruhigte als die nur gestreiften Gewalttätigkeiten gegenüber dem „gesamten Volk“ oder der „Nobilität“ allgemein. Die von Prosper geschilderten Maßnahmen gegen die Kirchen Karthagos ähneln dementsprechend denjenigen, die die Chronik bereits in c. 1327 in Bezug auf die restlichen Teile Africas beschrieben hat. Waren dort die katholischen Priester vom „Recht auf ihre Basiliken“ befreit worden, so setzte Geiserich hier katholische Kleriker ab und befahl Einquartierungen in ihren Kirchen. Dabei dürften diese Einquartierungen entweder vandalischer Truppen oder, was wahrscheinlicher ist, homöischer Priester2 wiederum nicht an sich das Hauptproblem gewesen sein. Schwerer wogen die Folgen der Ausweitung der bisherigen africanischen Verfolgungspolitik des homöischen Königs: Auch in Karthago wurde nun das katholische Leben durch die Verhinderung gottesdienstlicher Versammlungen massiv gefährdet. Dass der Bischof von Karthago, vormals neben dem Papst in Rom der wichtigste Bischof im Weströmischen Reich, in der Folge der Eroberung seiner Bischofsstadt unmittelbar an reichskirchlichem Einfluss verlor, verdeutlicht, wie problematisch die Situation für die katholische Kirche in Africa war.3 begegnen. Zur darin implizierten Kritik an den politischen Entscheidungsträgern im Reich: Muhlberger, Chroniclers 107. 1 Zur Charakterisierung Geiserichs, insbesondere zu seiner Beschreibung als saevus, vgl. Komm. zu c. 1329 mit Anm. 1 (S. 273). 2 Schmidt, Wandalen 68: Mit sui sei die arianische Geistlichkeit gemeint. 3 Bischof Quodvultdeus von Karthago wurde vertrieben (Vict. Vit. 1,15), was zu einer nachhaltigen Schwächung der africanischen Kirche führte. Erst 454 konnte mit Deogratias ein Bischof nachgewählt werden, nach dessen Tod es nur wenig später wieder zu einer Vakanz und sogar zum Verbot von Weihen in der Africa Proconsularis kam: Vict. Vit. 1,24. 27. 29. Die Probleme sollten unter den Nachfolgern Geiserichs nicht geringer werden. So kann Móderan, Guerre 24 für die Jahre 439 bis 523 mit Recht von einer nahezu durchgehenden „ auf die neu eroberten Gebiete der Africa Proconsularis ausgeweiteten Verfolgungsmaßnahmen, die unter dem Geiserich-Sohn Hunerich ihren Höhepunkt finden sollten, zielten ursprünglich auf eine Stärkung vandalischer Gruppenidentität Einen zusammenhängenden Bericht über die Maßnahmen bis 484 gibt Victor von Vita.

286

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Die außergewöhnliche Signifikanz, die Prosper – wie die zeitgenössische und spätere Chronistik insgesamt1 – dem Ereignis zumaß, wird abschließend in der Schlussnotiz des Eintrags deutlich. Eine gesonderte chronologische Einordnung eines Einzelereignisses findet sich in der Chronik ausschließlich an dieser Stelle. Sowohl Prospers Vorgänger Hieronymus als auch Orosius, später auch Marcellinus Comes, nutzten solche expliziten Jahressummationen immer dort, wo sie einen entscheidenden geschichtlichen Wendepunkt zu erkennen meinten.2 Der Fall Karthagos ist für den Chronisten also alles andere als ein gewöhnlicher Rückschritt. So wie Rom einst Karthago und damit auch die Dominanz in Africa erobert hatte, so war beides nun an die Vandalen verloren worden. [J.K.]

1341 Xysto Vgl. zu c. 1309. [M.B.] Gerade als das Reich mit dem soeben geschilderten Fall von Karthago seine Katastrophe erlebt hat, tritt ein kirchlicher Akteur auf den Plan, der sich hier und in der Folge als Stabilitätsfaktor sowohl für die römische Kirche als auch für den römischen Staat erweisen wird. Diesem Darstellungsinteresse gemäß stellt der gesamte Eintrag c. 1341 eine einzige Eloge auf den neuen Papst Leo dar.3 Auf kirchlicher Ebene ist es seine unumstrittene Eignung zum Amt, die einen harmonischen Amtsübergang von Papst Sixtus III. auf ihn garantiert, obwohl die Rahmenbedingungen der Erhebung Leos alles andere als ideal sind. Es ist schwer vorstellbar, dass Prosper nicht um die potentiell gespannte Situation römischer Bischofserhebungen gewusst haben soll, wie sie sich beispielsweise 366 und 418 in Doppelbischofswahlen entladen hatte.4 Die Gefahr einer neuerlich umstrittenen Amtsbesetzung wurde durch die

1

Vgl. aus der zeitgenössischen Chronistik Cassiod chron. 1233; Chron. Pasch. a. 439; Chron. Gall. (452) 129; Chron. Gall. (511) 598; Hyd. chron. 115; Marcell. chron. a. 439.3. 2

chron. (Helm 61ab): Troia capta; (Helm 187): Eroberung Jerusalems (übernommen durch Prosper in c. 482); Marcell. chron. a. 476,2 (Absetzung des Romulus Augustulus). 3 Deutlich: Muhlberger, Chroniclers 111. 4 Zu diesen vgl. Komm. zu c. 1309 mit Anm. 2 (S. 258).

Kommentar

287

lange Abwesenheit des Diakons, auf die Prosper explizit hinweist, nicht geringer. Vor diesem Hintergrund einer relativ langen Vakanz kann dem Chronisten das explizit erwähnte friedliche und geduldige Warten der Gemeinde mit gutem Grund als mirabilis erschienen sein. Den Grund für den letztlich unumstrittenen Übergang sieht Prosper freilich in der herausragenden Persönlichkeit des Leo selbst begründet. Die Chronik gibt sich alle Mühe, den Eindruck zu erwecken, Leo sei geradezu zum Bischofsamt designiert gewesen. Durch wörtliche Anklänge an den Bericht der ebenfalls als sehr geordnet beschriebenen Erhebung des Sixtus wird Leo als dessen würdiger und damit rechtmäßiger Nachfolger präsentiert.1 Auch hatte der vormalige Diakon in der Chronik bereits seine Fähigkeiten unter Beweis stellen dürfen, als er Sixtus riet, Julianus von Aeclanum entgegenzutreten.2 Es muss also gar nicht bestritten werden, dass Leo tatsächlich schon vor dem Tod des Sixtus als aussichtsreicher Kandidat für dessen Nachfolge galt und dementsprechend auch recht einmütig gewählt und geweiht worden sein dürfte. Nichtsdestotrotz war aufgrund des Verbots einer direkten Nachfolgerdesignation und angesichts der langen Sedisvakanz die Wahl- und Weihesituation von 440 sicherlich offener als vom Chronisten in seinem Bestreben, Leo als kirchlichen Stabilitätsfaktor zu zeigen, dargestellt.3 Aber auch auf politischer Ebene erscheint der neue Papst direkt in seiner Stabilität stiftenden Rolle, war der Grund für seine Abwesenheit aus Rom doch, einen Streit zwischen Aëtius und dem praefectus praetorio Galliarum Albinus zu schlichten. Über den Inhalt dieses Streits können nur Mutmaßungen angestellt werden. Vielleicht war der Gegenstand die Forderung nach einer Intervention des Aëtius in Nordafrica, wohin Albinus Patronagebeziehungen pflegte.4 Unabhängig vom konkreten Anlass war aber offensichtlich, dass das Zerwürfnis zweier hochrangiger politischer Funktionsträger in der gegenwärtigen Situation die Stabilität des Reichs gefährden musste. Diese 1

Zur ebenfalls explizit als mirabilis bezeichneten Wahl des Sixtus: c. 1309. Vgl. c. 1336. 3 Faktisch scheinen Verbote der Designation umgangen worden zu sein. Wie Leo gehörten die meisten Päpste der Spätantike, sofern sich etwas über ihren Karriereweg sagen lässt, vor ihrem Pontifikat dem Diakonenkollegium an. Zur Nachfolgeregelung in der römischen Gemeinde: Fuhrmann, Wahl 765; Schweizer, Hierarchie 76 f.; Wirbelauer, Nachfolgerbestimmung. 4 So zumindest Stickler, Aëtius 240 f. 298 f. Twyman, Aetius 490 f. will den Konflikt in Zusammenhang zu einer Opposition der italischen Aristokratie gegen Aëtius bringen. Zu Albinus: PLRE 2, 53 (Fl. Albinus 10). Laut Caspar, Papsttum 424 f. sei der spätere Papst vom Kaiser persönlich mit der diplomatischen Aufgabe betraut worden. 2

288

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Gefahr konnte nun unter Zutun des Diakons Leo abgewendet werden, der erfolgreich einen Ausgleich zwischen Aëtius und Albinus vermittelte. In einer ähnlichen diplomatischen Funktion wird der vormalige Diakon als Papst in der Chronik noch zweimal begegnen: 452 im Rahmen einer Gesandtschaft an Attila, 455 an Geiserich.1 Durch das direkte Nebeneinanderstellen des kirchlichen und des politischen Wirkens Leos in einem Eintrag gelingt es Prosper an der vorliegenden Stelle, der Kirche eine geradezu staatsbewahrende Funktion zuzuschreiben. Während die politischen Akteure im Laufe der Chronik bereits mehrfach bewiesen hatten, dass sie selbst nicht dazu in der Lage waren, Stabilität und Frieden im Reich zu wahren, hatte sich die Kirche zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Ordnung als fähig erwiesen.2 Nun unterstützten konsequenterweise kirchliche Akteure auch die politische Sphäre dabei, ihren internen Herausforderungen Herr zu werden. Während Prosper also Übergriffe staatlicher Instanzen auf kirchliche Angelegenheiten tendenziell ablehnt, ist der Befund für den umgekehrten Fall ein anderer. Die Rolle, die der neue Papst nicht nur für seine geduldig auf ihn wartende Gemeinde, sondern mittlerweile auch für politische Akteure spielte, spiegelt sich dementsprechend auch in der generellen Wertschätzung des neuen Bischofs in der Stadt Rom. Es ist in Prospers Worten eine öffentliche, also eine zivile, Gesandtschaft, die ihn zur Weihe aus Gallien nach Rom zurückbegleitet. [J.K.]

1342 Spätestens mit der Eroberung Karthagos waren die Vandalen zu einer Bedrohung des westlichen Mittelmeerraums geworden, wobei sich Geiserichs Aktivitäten laut Prosper bereits zuvor auf Sizilien konzentriert hätten.3 Daher ist verständlich, dass der Chronist nicht eingehender erklären muss,

1

Vgl. c. 1367. 1375. Zur Abfassungszeit der Chronikedition von 445 hat Prosper von diesen späteren Missionen Leos freilich nichts wissen können, was die Information an vorliegender Stelle umso glaubwürdiger macht. Vielleicht war Leo im Rahmen seiner Mission auch auf Prosper getroffen: Einl. Kap. I. Der Erfolg Leos zeigte sich daran, dass Albinus seine Karriere fortsetzte und im Jahr 444 als Konsul amtierte: c. 1351. 2 Dies betrifft insbesondere die Abwehr von Häresien. Vgl. zur unterschiedlichen Durchsetzungsstärke von Reich und Kirche bei Prosper Einl. Kap. III.3. 3 Bereits in c. 1332 lässt der Chronist die Vandalen diese Insel heimsuchen. Vgl. zur Rolle Siziliens in der Folge auch c. 1344. 1346.

Kommentar

289

wieso sich der Vandalenkönig an vorliegender Stelle scheinbar unvermittelt gerade auf dieser Insel aufhält. Sebastianus war der Schwiegersohn des Bonifatius und nach dessen Tod 432 kurzzeitig auch sein Nachfolger als magister militum. Als jedoch Aëtius an die Macht zurückgekehrt war und sich sowohl das materielle als auch das politische Erbe des Bonifatius einverleibt hatte, wurde Sebastianus seines Amts enthoben und suchte daraufhin Zuflucht im Osten des Reichs. Auch dort scheint er sich bald Feinde gemacht zu haben, sodass er erneut fliehen musste. Da er im Westen mittlerweile jedoch als hostis publicus galt, gelangte Sebastianus über Gallien und Spanien schließlich als Flüchtling ins vandalische Africa, wo er Geiserich zunächst als Berater diente, sich dann aber mit dem Vandalenkönig überwarf, da dieser ihn laut Victor von Vita als Bedrohung seiner eigenen Macht gesehen hätte. Geiserich ließ Sebastianus schließlich unter dem Vorwand seines katholischen Glaubens hinrichten.1 Eine Rolle spielte dabei sicher auch, dass der König seinen 442 geschlossenen Frieden mit Ravenna nicht gefährden wollte.2 Prosper verkürzt diese Ereignisse in seinem Bericht stark. Der Chronist verschweigt nicht nur konkrete Details über das Verhältnis von Sebastianus und Geiserich, er evoziert sogar fehlerhafte Vorstellungen. So bleibt fraglich, wieso der Vandalenkönig zu Anfang der Darstellung überhaupt Furcht vor einer Rückeroberung Africas gerade durch Sebastianus hätte haben sollen, der schließlich dem Reich als Staatsfeind galt, als Flüchtling nach Africa gekommen war und auch darüber hinaus eine vergleichsweise marginale Figur gewesen sein dürfte. Hinzu kommt, dass Prosper die Vorkommnisse möglicherweise zu früh ansetzt, nämlich vor dem Friedensschluss zwischen Römern und Vandalen 442.3 Insgesamt liegt der Schluss nahe, dass der Chronist an dieser Stelle kein Interesse an der tatsächlichen

1

Zur Lebensgeschichte des Sebastianus vgl. die Hinweise bei Hyd. chron. 99. 104. 129. 132. 144; Marcell. chron. a. 435.2; Vict. Vit. 1,19–21. Für einen schnellen Überblick aus einer Hand: Scharf, Sebastianus 140–54. Daneben PLRE 2, 983 f. (Sebastianus 3). 2 Von diesem Friedensschluss berichtet c. 1347 nach der Sebastianus-Episode. Ob die Personalie des Sebastianus einen bestehenden Frieden gefährdete oder seine Ausschaltung erst Voraussetzung für den Frieden war, bleibt ungeklärt. Stickler, Aëtius 66 sieht auch einen ebenfalls nicht. 3 PLRE 2, 983 f. (Sebastianus 3) jedenfalls datiert den Tod des ehemaligen magister militum mit Hyd. chron. 132 auf das Jahr 450. Vgl. auch Vict. Vit. 1,19–21. Dagegen Lepper, De Rebus Gestis 109–112; Scharf, Sebastianus 150–4 (Tod des Sebastianus 441).

290

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Vita des Sebastianus hatte.1 Es geht ihm hier einzig und allein um die Schilderung des unrühmlichen und unglücklichen Endes eines bedeutenden Mannes. Statt Sebastianus könnte hier jeder andere Name stehen. Der Zweck dieser Schilderung des angeblichen Sebastianus-Schicksals besteht einmal mehr in der Kritik am weströmischen Verhalten gegenüber den Vandalen.2 Während Geiserich die Möglichkeit für seine Eroberungen in Africa erst durch die von Prosper kritisierte Arglosigkeit der römischen Entscheidungsträger bekommen hatte, kostet nun eine ähnliche Arglosigkeit Sebastianus das Leben. Der Chronist kritisiert damit aber nicht mehr nur die Versäumnisse der Reichsregierung während der vandalischen Eroberung Africas, sondern wendet sich auch gegen das Verhalten Ravennas in der Folge. Obwohl Prosper offensichtlich der Meinung ist, dass eine Rückeroberung Africas einem geeigneten Mann möglich wäre, hatten die kaiserlichen Regierungen in Ost und West bis 445, also bis zum Veröffentlichungszeitpunkt der zweiten Chronikedition, ihre diesbezüglichen Versuche aufgegeben. Valentinian III. hatte darüber hinaus sogar einen Frieden mit den Vandalen geschlossen.3 Das Reich handelte also, als ob es Geiserichs Freund sei, und nicht sein Feind. Die gefährlichen Konsequenzen eines solchen Verhaltens zeigt Prosper am Beispiel des Sebastianus. [J.K.]

1343 Der Konsul der östlichen Reichshälfte, Cyrus von Panopolis, amtierte vielleicht wirklich ohne Kollegen.4 Entgegen seiner üblichen Gewohnheit informiert Prosper hier nicht über die Gründe dieser Einfachbesetzung. Cyrus selbst wurde noch im Laufe seiner Amtszeit all seiner Ämter enthoben.5 [J.K.]

1

Eine solche Sicht ist auf jeden Fall plausibler als andere Erklärungsversuche. So will Mathisen, Sigisvult 187 f. in der Sebastianus-Reise ein Täuschungsmanöver der Reichsregierung gegen Geiserich sehen. 2 Ähnlich: Muhlberger, Chroniclers 108 f. 3 Vgl. c. 1347. Zum Gang der Kritik an dieser Stelle: Muhlberger, Chroniclers 113f. 4 Bagnall, Consuls 416 f. (a. 441). 5 Zum Überblick vgl. PLRE 2, 336–9 (Fl. Taurus Seleucus Cyrus 7).

Kommentar

291

1344 Da die von den Vandalen ausgehende Bedrohung des Mittelmeerraums auch Konstantinopel beeinträchtigte, entschied sich Theodosius II. zum Eingreifen und sandte oströmische Truppen unter oströmischen Heerführern zur Bekämpfung der Vandalen in den Westen.1 Von einer westlichen Beteiligung an der Operation, wie sie für einen anderen erfolglosen Vandalenfeldzug von 468 bekannt ist, hören wir nichts. Zwar wurde der östliche Entsatz in einer Novelle Valentinians angekündigt und war dementsprechend mit Ravenna abgesprochen oder zumindest von dort gebilligt2; dass aber oströmische Verbände nun eigenständig im Reichswesten operieren sollten, spricht Bände bezüglich der Schwäche des Weströmischen Reichs. Nachdem Prosper also bereits mehrfach Kritik an der Passivität des Valentinian und des Aëtius gegenüber Geiserich geübt hatte, der seine Macht in Africa nur wegen verschiedener Versäumnisse Ravennas hatte ausbauen und behaupten können, wird diese Kritik an der vorliegenden Stelle dadurch fortgesetzt und zugespitzt, dass der Chronist explizit betont, dass es nun Truppen des Theodosius waren, die sich endlich des Problems der Vandalen annahmen. Diese Kritik wird jedoch dadurch etwas relativiert, dass auch die östlichen Akteure in der Folge nicht zielgerichteter und erfolgreicher handeln sollten als ihre westlichen Kollegen. Durch Kompetenzstreitigkeiten der östlichen Generäle verzögerte sich der Vormarsch ihrer Truppen so sehr, dass bereits hier die Basis für das spätere Scheitern der Expedition gelegt wird.3 Wieder sind es also Rivalitäten einzelner Protagonisten, die sich nachteilig auf das Gemeinwesen auswirken. Dass das oströmische Heer dabei als Last für Sizilien präsentiert wird, birgt eine gewisse Ironie, immerhin hatte auch Geiserich in den letzten Jahren gerade diese Insel immer wieder heimgesucht. Der Fehlschlag des Kriegszugs ließ sich für Prosper kaum besser versinnbildlichen. [J.K.]

1

Die erwähnten oströmischen duces nahmen hohe militärische Positionen ein: Areobindus (PLRE 2, 145 f. [Fl. Ariobindus 2]) ist spätestens mit seinem Oberbefehl über die Flotte als magister militum bezeugt, ein Amt, das auch Germanus bekleidete. Ähnliches ist dementsprechend vielleicht auch für Ansila (PLRE 2, 92 f. [Ansila 1]) anzunehmen. 2 Novell. Valent. 9 mit einem vagen Hinweis auf ein späteres Eingreifen des Aëtius. 3 Verzögerung und Scheitern des Feldzugs: Theophan. 5941 f. Vgl. auch c. 1346.

292

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1346 Prosper hatte das letztliche Scheitern der oströmischen Expedition gegen die Vandalen durch den Hinweis auf die Verzögerungen des Unternehmens in c. 1344 bereits angedeutet. Nun hielt sich das Heer noch immer auf Sizilien auf, womit ein Erfolg der Operation immer unwahrscheinlicher wurde. So war es nur konsequent, dass Kaiser Theodosius II. den Feldzug angesichts einer Balkaninvasion durch die Hunnen unter Attila nun abbrach.1 Zwar hatte der oströmische Vandalenfeldzug an sich gezeigt, dass die vandalische Eroberung Africas nicht als bloß lokales westliches Problem wahrgenommen wurde; für Konstantinopel war die neue Bedrohung in der unmittelbaren Nachbarschaft aber eine wesentlich unmittelbarere Gefahr. Insofern scheint Ostrom seinen Rückzug von Sizilien selbst auch keineswegs als ein Scheitern des Unternehmens wahrgenommen zu haben, auch wenn es zu keiner erfolgreichen Waffenhilfe für den Westen gekommen war. In den nun folgenden Kämpfen Konstantinopels gegen die Hunnen jedenfalls sollte wiederum Areobindus die oströmischen Armeen befehligen.2 In letzter Konsequenz strebten die beiden Reichsteile also jeweils danach, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. [J.K.]

1347 Nach dem Rückzug der oströmischen Flotte von Sizilien kam es nun zum neuerlichen Frieden zwischen Römern und Vandalen. Die ausgehandelten Bedingungen waren dabei für Geiserich recht vorteilhaft, wurde doch zum Beispiel seine Eroberung Karthagos bestätigt und die vandalische Herrschaft über weite Teile Africas anerkannt. Im Gegenzug fand sich der Vandalenkönig immerhin dazu bereit, das faktisch von ihm besessene Sizilien und auch Mauretanien wieder an das Weströmische Reich abzutreten. Hierin mochte die von Prosper erwähnte „Aufteilung“ Africas liegen.3 Das Ost1

Mit den „östlichen Provinzen“ meint Prosper nicht etwa die östlichen Regionen des Weströmischen Reichs, sondern das Oströmische Reich selbst. Vgl. Komm. zu c. 1241. 1286. Zum hunnischen Einfall in Thrakien: Chron. Gall. (452) 130. 2 Theophan. 5942. 3 Zum Frieden und zur Aufteilung der Provinzen: Novell. Valent. 13. 34; Vict. Vit. 1, 13 f. Die Definition „fest abgegrenzter Gebiete“ zeige mit Schmidt, Wandalen 71, dass die Herrschaft Geiserichs 442 offiziell als selbstständig anerkannt worden sei. Ähnlich: Vössing, Königreich 50–3.

Kommentar

293

römische Reich hingegen fand sich noch zu keinem Friedensschluss bereit, war aber durch das Vorrücken der Vandalen in Africa selbst nicht territorial betroffen. Obwohl Prosper seine Schilderung an dieser Stelle dezidiert neutral auf einer rein deskriptiven Ebene hält, dürfte er angesichts seiner bisherigen Kritik an der weströmischen Politik Geiserich gegenüber die Verständigung mit den Vandalen abgelehnt haben. Immerhin tat Valentinian III. nun genau das, wovor Prosper in c. 1342 am Beispiel des Sebastianus so deutlich gewarnt hatte: Der Kaiser suchte freundschaftliche, zumindest aber friedliche Kontakte zu Geiserich. Während Konstantinopel also wenigstens noch versucht hatte, gegen die Vandalen vorzugehen, taten die westlichen Verantwortlichen noch nicht einmal mehr das. [J.K.]

1348 ipsius Vgl. zu c. 1247. [M.B.] Prosper kehrt zu einem seiner zentralen Themen zurück, welches in unterschiedlichen Konstellationen die gesamte Chronik durchzieht: Ein durch Erfolge hervorgerufener Hochmut wird zur Gefahr für die Früchte dieser Erfolge.1 An vorliegender Stelle befällt der Hochmut zum wiederholten Male Geiserich, dem es in der Darstellung Prospers unmittelbar zuvor gelungen war, seine africanischen Eroberungen der letzten Jahre von der Reichsregierung in Ravenna offiziell anerkennen zu lassen. Freilich begegnet die Beschreibung des Vandalenkönigs als hochmütig bei Prosper hier keineswegs zum ersten Mal2, diesmal trifft Geiserichs mangelnde Demut aber nicht seine politischen und kirchlichen Feinde, sondern die Eliten seines eigenen Volks. Was konkret der Grund für die mit seinem Hochmut im Zusammenhang stehende Wendung vandalischer Adliger gegen ihren König war, erwähnt Prosper jedoch nicht. Mit Schmidt könnten in der Verschwörung verschiedene Spannungen kulminiert sein, die sich aus dem internen Ausbau der vandalischen Königsherrschaft ergaben, der wiederum den alten, vom König eigentlich weitgehend unabhängigen Geschlechtsadel in

1

Vgl. geradezu paradigmatisch das Schicksal des Litorius: c. 1324. 1335. Auch c. 1278 äußert sich über die desintegrativen Effekte von superbia. 2 Vgl. c. 1327.

294

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

seiner Bedeutung zu marginalisieren drohte.1 Der König konnte die Verschwörung jedoch aufdecken und die Verschwörer bestrafen. Dass es daraufhin offensichtlich noch zu weiteren Säuberungen kam, hatte – wie Prosper andeutet – Auswirkungen auf die Stärke der Vandalen, die ohnehin keine allzu große Gruppe darstellten.2 Prosper setzt die negative Charakterisierung Geiserichs also fort. Zentral ist an dieser Stelle dabei die vom Chronisten so herausgehobene cura des Königs, die im Sinne eines ängstlichen Argwohns deutlich negativ besetzt ist und Geiserich in einen darstellerischen Gegensatz zu Papst Leo bringt, der in c. 1350 ebenfalls cura walten lassen wird. Da Leos cura aber eine dezidiert positive Sorgfalt bezeichnet, nämlich die Sorge des Bischofs um die Herde Christi, stellt Prosper die beiden Hauptpersonen der zweiten Chronikedition, den hochmütigen Vandalenkönig und den heiligen Papst, in ihren charakterlichen Vorzügen und Defiziten einander klar gegenüber, was das Geiserich-Bild des Chronisten umso düsterer erscheinen lässt.3 Damit gelangt Prosper gleichzeitig zum Ende seiner Darstellung vandalischer Aktivitäten in Africa. Geiserich wird in der Folge nur noch einmal auftauchen, nämlich im Jahr 455 bei der Eroberung Roms. Der Antiheld der Chronik macht damit an dieser Stelle Platz für den erklärten Helden Prospers, für Leo. [J.K.]

1350 moles fuerant interceptae intercipere im Sinn von „beschlagnahmen, zu Unrecht wegnehmen“ selten in Bezug auf Schriften, vgl. aber Suet. gramm. 3,2 cum librum … nondum editum fraude intercepisset; 5,1; Plin. epist. 6,22,4 corrupto … servo interceperat commentarios; Apul. apol. 85 1

Schmidt, Wandalen 74. 154. Entsprechend bringt Diesner, Vandalen 959 die erwähnte Adelsverfolgung in Zusammenhang mit der Katholikenverfolgung Geiserichs. Beide hätten das Ziel gehabt, die zentrale Rolle der Könige innerhalb von Africa und innerhalb des vandalischen Volks zu stärken. Ähnlich: Vössing, Victor von Vita 26 f. 2 Hinweise auf die vergleichsweise geringe Größe des Volkes finden sich relativ häufig, vgl. z. B. Salv. gub. 7,7; Ps.-Zach. hist. eccl. 9,17. Am deutlichsten sind die Angaben bei Vict. Vit. 1,2, auf die aufbauend Vössing, Victor von Vita 154 f. Anm. 15 000 vandalischen Kriegern ausgeht. 3 Vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 76. 112. Ähnlich geht der Chronist in c. 1301 vor, wo der negativen insinuatio des Pelagianers Agricola die positive insinuatio des Palladius entgegengestellt wird.

Kommentar

295

tabulas; mit dem Nebenbegriff des Zerstörens: Arnob. nat. 3,7 scripta (vgl. ThLL s. v. Sp. 2165,48–50. 69 f.; 2166,32 f.). sacerdotes Vgl. zu c. 1306. [M.B.] Auch wenn der Vorwurf des „Manichäismus“ von christlichen Akteuren in der Spätantike häufig in polemischer Absicht zur Bezeichnung jeglicher Art von Häresie gebraucht wurde1, spricht im vorliegenden Fall alles dafür, dass es sich bei den von Papst Leo verfolgten „Manichäern“ tatsächlich um solche handelte. Die im dritten Jahrhundert n. Chr. in Persien aufgekommene synkretistische Erlösungsreligion war Mitte des fünften Jahrhunderts durchaus noch existent. Prosper weist auf eine zeitgenössische reichsweite Organisationsstruktur der Religion hin, die in ihrer Ämterstruktur dem Aufbau christlicher Gemeinden ähnelte.2 Selbst Bischof Augustinus von Hippo war zu Beginn des Jahrhunderts längere Zeit auditor der manichäischen Gemeinde Nordafricas gewesen.3 Auch wenn die Manichäer mittlerweile sicherlich keine ernsthafte Konkurrenz für das Christentum mehr darstellten, konnte es Prosper mit gutem Grund den wichtigeren Verdiensten Leos zurechnen, gegen die Anhänger der Religion entschieden vorgegangen zu sein. Die zentrale innerstädtische Maßnahme bei diesem Vorgehen bestand in der Verbrennung manichäischer Schriften, zu der sich Leo selbst in einem Brief äußerte.4 Das Ziel war, ähnlich wie bei der von Prosper kritisierten Unterbindung katholischer Gottesdienste durch Geiserich in Africa, eine Zerschlagung der Infrastruktur der Manichäer.5 In einem außerstädtischreichsweiten Kontext hatte die Identifizierung manichäischer Kleriker durch die Informationen ihrer in Rom aufgegriffenen Glaubensbrüder dieselbe Funktion. Dem Christentum gelang damit ein bedeutender Schlag gegen die Strukturen der Konkurrenzreligion.6 Wichtiger als die Darstellung dieses ökumenischen Erfolgs an sich ist Prosper aber an vorliegender Stelle die Feststellung, wem die reichsweite Kirche diesen Erfolg verdankte: Der Chronist setzt den römischen Bischof als „apostolischen Lenker“ zum Vorbild für die Bischöfe des gesamten 1

Vgl. Lim, Nomen Manichaeorum 146 f. 149–54. Manichäische Kirchenstruktur: Decret, LʼAfrique 179–210 (Schwerpunkt Africa). 3 Vgl. u. a. Aug. conf. 3,10 f. 4,1. 4 Leo M. epist. 7. 5 Vgl. Komm. zu c. 1327 mit Anm. 3 (S. 269); 1339. 6 Hyd. chron. 130. 133. 138 zeigt, dass es sogar in Spanien, wo die römische Herrschaft mittlerweile weitgehend kollabiert war, auf Grundlage der leonischen Vorarbeiten zu Maßnahmen gegen die Manichäer kam. 2

296

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Reichs.1 Eine solche Rolle entsprach auch der Eigenperspektive römischer Bischöfe, die ihre Primatansprüche durch den Hinweis auf die petrinischapostolische Qualität ihrer sedes unterstrichen und zu legitimieren suchten. Die nun regelmäßigen Hinweise auf eine Apostolizität des Papsttums auch bei Prosper transportieren also ein römisches Selbstverständnis, Primatforderungen auf die Gründung der Gemeinde durch den Apostel Petrus zurückzuführen. Dass dieses von Prosper aufgegriffene Konzept der Apostolizität gerade im Pontifikat Leos einen vorläufigen Höhepunkt fand, lag nicht zuletzt an neuerlichen hierarchischen Konflikten mit der dezidiert nichtapostolisch begründeten Kirche von Konstantinopel.2 Solche Konflikte und Widerstände gegen die beanspruchte Rolle Roms werden von der Chronik freilich nicht oder nur indirekt erwähnt. Für Prosper steht der Primat des Papsttums nicht zur Diskussion, auch weil Papst Leo seiner damit einhergehenden Rolle des Häresieabwehrers geradezu mustergültig nachkommt. Die Vehemenz des Leo-Lobs bei Prosper wird auch durch eine Analyse der Wortwahl des Chronisten offenbart. Taucht das Adjektiv sanctus in der Chronik sonst fast nur in Bezug auf Märtyrer auf, so wird nun auch Leo mit dem Prädikat der Heiligkeit versehen, womit Prosper ihn deutlich über andere kirchliche Akteure erhebt, die in seiner Darstellung eben nicht dergestalt tituliert werden.3 Gleichzeitig hat Prosper mit dem Vandalenkönig Geiserich ein direktes Gegenbild zu Leo konzipiert, vor dessen moralischen Defiziten sich der heilige Papst umso glänzender abhebt. Ein entsprechender Vergleich zwischen beiden Männern wird von Prosper selbst durch die den beiden jeweils zugeschriebene cura nahegelegt, die bei Geiserich noch im 1

Dass Prosper diese Vorbildfunktion an dieser Stelle so herausstellt, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sie sich kurze Zeit später im Rahmen eines Osterterminstreits keineswegs als gültig erweisen sollte: c. 1352. Dieser inhaltlich-antithetische Zusammenhang beider Einträge stützt die Zurückweisung einer von Mommsen angenommenen gesonderten Chronikedition von 443 (Mommsen, Chron. min. 1,345), zu der Muhlberger, Edition mit anderen Argumenten gelangt. 2 Apostolizität des Papsttums in der Folge vorliegender Stelle: c. 1362. 1369. Leos Konflikt mit Konstantinopel, gerade im Umfeld der Synoden von Ephesus II 449 und Chalcedon 451, fand seinen späteren Höhepunkt in der chalcedonischen Formulierung suprametropolitaner Rechte für die Kirche von Konstantinopel im sog. Kanon 28: COD 75,27–76,38. Zur leonischen Petrus-Lehre weiterhin gültig: Klinkenberg, Papsttum 41–5; Ullmann, Machtstellung 11–5. Auch der auf S. 295 Anm. solch apostolischer Argumentationsmuster. 3 Verwendung von sanctus in Martyriumszusammenhängen: c. 1247. 1265. 1292. Eine Ausnahme bildet die Bezeichnung von Johannes Chrysostomos und Theophilos als sancti in c. 1220. Diese ist aber anderen Darstellungsinteressen Prospers geschuldet.

Kommentar

297

Sinne einer zerstörerischen Angst des Tyrannen vor Verschwörungen zu verstehen war, bei Leo jetzt aber als bischöfliche Sorge um den rechten Glauben überaus positive Folgen nach sich zieht.1 Darüber hinaus bilden Leos Erfolge als umsichtiger und erfolgreicher Verteidiger der Orthodoxie auch einen Kontrast zum häufigen politischen Versagen der Reichsregierung in den vorhergehenden Jahren. Dass Prosper gegen Ende der Chronikedition von 445 sein Loblied auf Papst Leo singt, weist auch auf die Inhalte folgender Editionen voraus, in denen sich das positive Bild des römischen Bischofs noch verfestigen wird. Es ist somit zu erwägen, ob c. 1350 damit nicht ein Indiz dafür sein könnte, dass Prosper bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine Fortsetzung seines Werks in Betracht gezogen hat. [J.K.]

1352 Immer wieder sollte es im Verlauf der Spätantike zu Unstimmigkeiten bezüglich des Ostertermins kommen. Während das Osterfest wegen des von Prosper erwähnten heidnischen dies natalis der Stadt Rom nach römischer Terminberechnung nicht auf ein Datum nach dem 21. April fallen sollte, kannte die alexandrinische Berechnung einen solchen Vorbehalt nicht, weshalb es in unregelmäßigen Abständen zu Differenzen zwischen beiden Systemen kam.2 Durch das vergleichsweise späte Osterfest in diesem Jahr wich auch für 444 der römische Termin von der Berechnung des Bischofs von Alexandria ab. Da es dieser war, der den Kirchen im Reich traditionellerweise den Festtermin anzeigte und ihm in den östlichen Kirchen hierin für gewöhnlich auch gefolgt wurde, gab Papst Leo in der Frage letztlich nach und beging das Osterfest zeitgleich zu den anderen Bischöfen der reichsweiten Kirche.3 Auch wenn Leo dies offenbar damit begründete, dass aus liturgischen Erwägungen heraus einer gemeinsamen Osterfeier die Priorität vor dem unbedingten Beharren auf dem römischen Termin zukam4, 1

Geiserichs cura: c. 1348. Vgl. auch Muhlberger, Chroniclers 76. 111 f. Die Osterterminberechnung war auch einer der Gründe für das christliche Interesse an chronologischen Fragen generell: Croke, Origins 121. 3 Eine entsprechende Bestimmung war vielleicht von der Synode von Nizäa getroffen worden. Zur technischen Komponente des Themenkreises: Ginzel, Chronologie 210–25. 4 Generell zur Frage des Ostertermins 444 vgl. ein Brieffragement Kyrills von Alexandria an Leo sowie die vollständig erhaltene epistula 3 an den Papst: PL 54, 601–10. 2

298

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

scheint für Prosper das Nachgeben des Bischofs in diesem Punkt zumindest insofern erklärungsbedürftig zu sein, als er doch von einer Führung der reichsumspannenden Kirche durch das Papsttum ausgeht. Gerade weil die vorliegende Stelle also darauf aufmerksam macht, dass Rom mit seinen kirchlichen Positionen gerade im Osten des Reichs nicht per se Gehör fand, stellt der Eintrag einerseits eine Apologie leonischen Handelns, andererseits die Relativierung einer päpstlichen Durchsetzungsschwäche dar.1 Einerseits verteidigt Prosper die Entscheidung Leos, andererseits weist er auf eine positive Folge dieser hin, die freilich mit dem Osterterminstreit an sich nur noch am Rande zu tun hat: Aufgrund der terminlichen Überschneidung mit dem dies natalis der Stadt Rom habe der Papst immerhin erreicht, dass die mit diesem Tag zusammenhängenden Zirkusspiele zumindest für ein Jahr ausgesetzt worden seien. Da diese Spiele ein Relikt heidnischer religiöser Praxis waren, war ihre Absage aus christlicher Sicht keineswegs unerheblich.2 Wenn Prosper also Leo schon nicht für sein Einlenken im Osterterminstreit loben kann, sondern ihn nur entschuldigt, so taugt doch wenigstens die Bekämpfung heidnischer Relikte durch ihn zum Lob des Papstes. Dass Prosper überhaupt ein so deutliches Interesse an der Berechnung des Ostertermins hatte, hängt damit zusammen, dass er Leo in dieser Frage vielleicht direkt beraten hatte. Laut Gennadius hatte Prosper selbst einen Osterkreis berechnet.3 [J.K.]

1

Vgl. Muhlberger, Chroniclers 112 f. Indem die vorliegende Stelle in klarem Kontrast zu c. 1350 steht, wo Leo als „apostolischer Lenker“ dargestellt wird, stößt Prosper seine Leser ungewollt auf die Spannung von Primatanspruch und dessen Rezeption. 2 Da die ursprünglich heidnischen Feste weiterhin von Bedeutung für Aufrechterhaltung und Repräsentation sozialer Hierarchien waren, blieb eine strukturelle Konkurrenz zwischen Kirche und stadtrömischer Aristokratie auch in Zeiten fortgeschrittener Christianisierung bestehen. Noch fünfzig Jahre später wandte sich Papst Gelasius gegen die Lupercalien-Feiern und geriet dadurch in Konflikt zu Teilen des Senats: Holleman, Pope Gelasius; Markus, Spectacula 268–71. 3 Gennad. vir. ill. 87. Dieser Angabe folgen Caspar, Papsttum 458–61; James, Leo 563. Es zeigt sich eine Parallele der Vita Prospers zu derjenigen des Hieronymus, der ebenfalls an der Formulierung päpstlicher Stellungnahmen in Osterkontroversen beteiligt war. Zur Rolle Prospers in den Streitigkeiten auch: James, Leo 563 f. 567 f. 583 f.

Kommentar

299

1353 Erstmals lässt die Chronik an dieser Stelle den Hunnenkönig Attila auftauchen. Dieser hatte sich seit Mitte der 430er Jahre mit seinem Bruder Bleda die Herrschaft über das Hunnenreich geteilt. Als es aber zwischen den beiden zu Unstimmigkeiten bezüglich ihrer Ausrichtung gegenüber dem Römischen Reich gekommen war, tötete Attila seinen Bruder und herrschte von nun an allein.1 Prosper weist durch die Verwendung des Wortes populus darauf hin, dass Attila sich mit dem Brudermord nicht nur zum Herrscher über Bledas Anhänger aufgeschwungen hatte, sondern im engeren Sinne tatsächlich zum Herrscher über dessen „Völker“. Auch aus anderen Zusammenhängen ist das multiethnische Gepräge des Hunnenreichs bekannt.2 Dass der Hunnenkönig zum einen hier überhaupt begegnet, dies zum anderen ausgerechnet im letzten Eintrag der zweiten Chronikedition, kann entweder dafür sprechen, dass er zum Veröffentlichungszeitpunkt dieser Edition im Jahr 445 bereits als maßgebliche Bedrohung des Reichs angesehen wurde, oder dass Prosper durch seine Einführung einen Ausblick auf folgende Editionen der Chronik geben wollte, in denen Attila dann eine wichtige Rolle spielt.3 Die zweite Variante würde jedoch voraussetzen, dass der Eintrag erst nachträglich in die Chronik eingefügt wurde, wofür die Überlieferung aber keine Anhaltspunkte liefert. Eine „Cliffhanger“-Funktion von c. 1353 ist also abzulehnen. Eine solche käme wenn überhaupt eher dem Fokus auf Papst Leo in c. 1350 zu, da dieser als Papst für Prosper per se eine zentrale Rolle in einer vielleicht schon angedachten weiteren Fortsetzung spielen musste. [J.K.]

1358 Im Kapitel über das Aufkommen und die Bekämpfung der eutychianischen Häresie gibt es eine Doppelfassung, und zwar zum Ablauf des Konzils von

1 2

Vgl. Maenchen-Helfen, Welt der Hunnen 78. Hinweise auf diesen multiethnischen Charakter finden sich bspw. in einem Bericht ost-

96–102, der von einer „hunnischen Kriegerkoalition“ spricht. 3 Zum Beispiel in c. 1364. 1367, wobei festgehalten werden muss, dass der Fokus bei diesen Stellen auf Aëtius und Leo liegt. Attila liefert lediglich die Folie, vor deren Hintergrund der Charakter dieser beiden Akteure beleuchtet wird.

300

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Ephesus II. Die Hss. divergieren im Punkt der Ausgestaltung des römischen Widerstandes gegen die Verurteilung des Flavianus. MYFris. bieten wieder eine Kurzversion, LCH eine ausführliche Darstellung, die sowohl zusätzliche historische Details (beteiligte Personen, Vorgeschichte) liefert als auch ein kleines Drama um den Protagonisten Hilarus. Im Vergleich zur Kurzfassung werden die Gesandten des Papstes Leo mit Namen genannt, neben dem Diakon Hilarus noch Julius von Puteoli. Die Lebensgefahr, unter der Hilarus seinen Widerspruch erhebt, wird herausgestellt und ausgemalt: Zu den zusätzlichen Details gehören die Soldaten des Kaisers auf der Seite des Bischofs von Alexandria sowie die Verfolgung und Flucht des Hilarus. Mommsen hält die Langversion für die authentische, die Version in MY geht für ihn auf einen Abschreiber zurück (Mommsen, Chron. min. 1,379). Im Text enthält er sich aber einer Entscheidung und druckt beide Fassungen. Im Gegensatz zu Mommsen weisen wir nur die Kurzversion Prosper selbst zu. In der Hilarus-Episode liegt für uns eine Ersatzfassung vor, die von fremder Hand stammt. Aber zunächst einige prinzipielle Überlegungen. Kann auch bei dieser Dublette mit einer Revision, also einer Kürzung durch den Autor selbst gerechnet werden? Da eine Neuedition durch Prosper im Jahr 451 mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden kann (vgl. Einl. Kap. II.1), ist es nicht unmöglich, dass Prosper im Jahr 455 diesen Eintrag aus der 451er Redaktion selbst neu verfasst hat. Der Grund könnte neben dem generellen Bestreben zu kürzen darin liegen, die Rolle des Hilarus zu beschneiden, um Papst Leo als Kämpfer gegen die Häresie deutlicher in den Mittelpunkt zu stellen – wobei Leo allerdings auch durch das standhafte Verhalten seines Diakons Hilarus indirekt gelobt wird. Dagegen, dass in MYFris. eine Autorvariante der 455er Edition vorliegt, spricht aber die Tatsache, dass auch die Langversion nur in Hss. überliefert ist, die das Chronicon integrum bieten bzw. den Endpunkt im Jahr 455 haben. Schwerer wiegen stilistische Gründe. Obwohl in der Hilarus-Geschichte durchaus Prospers Diktion anklingt, wirkt das Heldenstück des Hilarus im Unterschied zum Rest des ganzen Eintrags unverhältnismäßig aufgebläht, und zwar dadurch, dass das Erzählgerüst durch zahlreiche Details in Form von Attributen angereichert wird. Man vergleiche z. B. die schwerfällige Reihung comitum vel militum (sc. vi et metu)1, wobei auch der Genitiv zur 1

Die disjunktive Partikel vel wird im Spätlatein häufig aut vorgezogen (K.-St. 2,107 f.), ihre ausschließende Kraft verliert sich, vgl. auch in diesem Kapitel praefato papae vel ceteris Italiae sacerdotibus, wo vel im Sinne von et steht. In Prospers Chronik findet sich vel nur

Kommentar

301

Angabe des Verursachers von Gewalt und Schrecken den sonstigen Gebrauch der Junktur vi et metu sprengt (vgl. ThLL s. v. metus Sp. 912,6–14; zu metus im aktiven Sinn von „Furchteinflößung“ vgl. 911, 69–912,35). Die Konjunktion vel findet sich in diesem Eintrag gleich noch einmal (vgl. o. Anm. 1). Redundant ist die Apposition Alexandrinae urbis episcopus zu Dioskor, weil Dioskor bereits zuvor in diesem Eintrag als Bischof von Alexandria eingeführt worden war, vgl. Alexandrinus episcopus wie episcopus Constantinopolitanus (in Bezug auf Flavianus). Diese Wiederholung ist Prosper, der seine Informationen in der Regel sparsam einsetzt, nicht zuzutrauen.1 In stilistischer Sicht fallen zudem die schwerfälligen Attribute memoratus (sc. diaconus) und praefatus (sc. papa) auf, die auf schon genannte Personen zurückweisen. Sie finden sich in Prospers Chronik nur hier. Kurz: Es handelt sich bei der Langversion mit großer Wahrscheinlichkeit um einen sehr zeitnah verfassten Ersatz der ursprünglichen Version, der vielleicht dem regierenden Papst Hilarus (461–68) zu Ehren in Prospers Chronik eingeschoben wurde. Zu bedenken ist dabei, dass außer in C und bei Labbé die Hilarus-Episode in der Kopenhagener Hs. H überliefert ist, die nachweislich italisches Sondergut vermittelt. Auch der Interpolator erzählt eine genuin italische Heldentat: Der Protagonist ist ein Diakon der römischen Kirche, sein Begleiter der Bischof von Puteoli, und beide fungieren nicht nur als Stellvertreter des römischen Papstes, sondern auch als Abgesandte der insgesamt als rechtgläubig dargestellten italischen Priester, denen schließlich von der Verletzung der Orthodoxie in Ephesus Bericht erstattet wird. [M.B.] Auch ohne die wahrscheinlich nachträgliche Ergänzung um das Verhalten des Hilarus / Hilarius2 auf der Synode liefert Prosper einen der ausführlichsten zeitgenössischen Berichte über den eutychianischen Streit und das Konzil von Ephesus II.3 Die dabei berichteten Ereignisse erstrecken sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Während der Streit zwischen Eutyches noch in c. 1350 in quibus provinciis vel civitatibus. Die auffallende Häufung in diesem Kapitel passt also zum ausmalenden Stil der Hilarus-Episode. 1 Die zweimalige Bezeichnung des Flavianus als Bischof von Konstantinopel hingegen kann sich durch den nicht nur dogmatischen Gegensatz zum Bischof von Alexandria erklä2

Es begegnen in der Überlieferung zu ihm beide Namensvarianten. Andere Beschreibungen: Euagr. 1,9 f.; Ps.-Zach. hist. eccl. 2,2–4. Kurze Forschungsüberblicke zu den hier geschilderten Ereignissen: Blaudeau, Rome contre Alexandrie 145– 50; Grillmeier, Jesus der Christus 727–50. 3

302

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

und Flavian von Konstantinopel bereits 448 seinen Höhepunkt fand, datiert die Wiederaufnahme des Falls auf der Synode von Ephesus II erst in das Jahr 449. Da aber beide Ereignisse eng zusammengehören, schlägt Prosper sie gemeinsam dem Ausgangsjahr zu. Seinen Ausgang nahm der Konflikt in den Lehren des Konstantinopler Archimandriten Eutyches, den Prosper dezidiert als auctor einer Häresie beschreibt, womit der Chronist den gleichen Denkmustern Rechnung trägt, die bereits für die Erwähnung Priscillians festgestellt werden konnten: Prospers Häresiebeschreibungen setzen den „rechten Glauben“ als heilsgeschichtlich stabil, wohingegen sich Irrlehren durch ihren benennbaren Beginn in der Geschichte auszeichnen und damit weder die Einsetzung durch Christus noch überzeitliche Geltung für sich beanspruchen können.1 Die dogmatische Positionierung des Chronisten ist also unzweifelhaft, genauso wie seine Beschreibung der eutychianischen Häresie recht präzise ist. Eutyches hatte sich gegen die bereits 431 auf der Synode von Ephesus I verurteilte nestorianische Zweinaturenlehre gerichtet, die – verstanden als Trennungschristologie – in weiten Teilen der östlichen Kirchen weiterhin als dogmatisches Grundübel galt. In seinem Antinestorianismus war Eutyches nun aber gewissermaßen in entgegengesetzter Richtung über das Ziel hinausgeschossen: In einer Radikalisierung der Einnaturenlehre, die Kyrill von Alexandria seinerzeit gegen Nestorios gerichtet hatte2, erklärte er, dass die menschliche und die göttliche Natur Christi in einer Natur verbunden seien, wodurch die Menschheit Christi von der Gottheit aufgesogen worden sei. Indem Eutyches damit eine Wesensgleichheit Christi mit den Menschen dezidiert bestritt, hatte er in der Sicht seiner Gegner zugleich auch die Wirksamkeit des messianischen Erlösungswerks für die Menschen infrage gestellt.3 Bischof Flavian von Konstantinopel hatte Eutyches daher 448 auf einem Konzil in der östlichen Kaiserstadt exkommuniziert. Damit aber weitete er den eigentlich lokalen Konstantinopler Streit ungewollt aus. Denn während sich Papst Leo mit einem Lehrbrief, dem tomus Leonis ad Flavianum, dogmatisch ungewöhnlich explizit auf die Seite Flavians geschlagen hatte4, 1

Vgl. Kötter, Stability 40–3. Ganz ähnlich geht die Chronik auch bei anderen Häresiebeschreibungen vor: c. 1171 (Priscillian). 1252 (Pelagius). 1297 (Nestorios). 2 Die sog. „zwölf Anathematismen“ des Kyrill: ACO 1,1,1,40,22–42,5. Zum Konflikt des Nestorios mit Kyrill c. 1297. 3 Zur Lehre des Eutyches: Grillmeier, Jesus der Christus 731–3. Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass einer Häresie eine Gegenhäresie entgegengesetzt wird. 4 ACO 2,2,1,24–33. Zur theologischen Würdigung dieses Dokuments: Arens, Sprache 331–49; Grillmeier, Jesus der Christus 734–50, v. a. 747–50.

Kommentar

303

sprang Bischof Dioskor von Alexandria nun Eutyches bei. Der Grund hierfür war einerseits die kaum bestreitbare Nähe der Eutyches-Lehren zu den Theologoumena des Dioskor-Vorgängers Kyrill, andererseits aber auch die mittlerweile traditionelle Konkurrenz der Bischofssitze von Alexandria und Konstantinopel.1 Dass Prosper als Motiv das Primatstreben des Dioskor nennt, trifft genau diesen zweiten Aspekt. Gleichzeitig lag die Zuschreibung dieses Motivs ganz auf der Linie einer generellen Kritik des Chronisten an einem politisch wie kirchlich desintegrativen Ehrgeiz einzelner Protagonisten.2 Da sowohl Dioskor als auch Eutyches gute Kontakte zu Hof und Kaiser pflegten, konnten sie eine Wiederaufnahme des Falles erreichen. Theodosius II. berief ein Reichskonzil ein, das sich nun unter Führung des Dioskor gegen Flavian richten sollte. Bereits die Wahl des Tagungsorts Ephesus kann als Präjudiz gegen den Bischof von Konstantinopel gesehen werden; keine zwanzig Jahre zuvor war immerhin genau dort Nestorios verurteilt worden, gegen den sich Eutyches nun in größter Konsequenz gerichtet hatte. So wurde Eutyches im Laufe der Synode rehabilitiert, während Flavian verdammt und abgesetzt wurde. Dioskor unterließ es bei dieser Gelegenheit, den proflavianischen tomus Leonis verlesen zu lassen.3 Damit stellte das Ergebnis der Synode eine verheerende Niederlage für Rom dar, was Prosper aber dadurch verschleiert, dass er gar nicht erst die deutliche Parteinahme Leos für Flavian von 448 erwähnt. Die Darstellung der Vorgänge auf dem Konzil ist ganz im Gegenteil sogar als Lob der dogmatischen Standfestigkeit Roms konzipiert, hätten die römischen Legaten doch der Gewalt und Einschüchterung widerstanden und der häretischen Lehre ihre Zustimmung verweigert. Die Bedrohlichkeit der Situation zeigt dabei die Wortwahl der wohl nicht lange nach Prosper in den Bericht gelangten Interpolation. Das dort verwendete Verb saevire erinnert an die

1

Zur strukturellen Rivalität beider Städte, die ihre volle Wirkung nach 451 entfalten sollte, maßgeblich Blaudeau, Alexandrie et Constantinople, der seine Betrachtung der Städte geradezu als Konfliktgeschichte anlegt. Vgl. auch Komm. zu c. 1220. 1297. 2 Dass sich dogmatische und hierarchische Anliegen jedoch nicht per se ausschließen m Man sollte die dogmatische Motivation der Akteure nicht vorschnell als bloßen Vorwand für kirchenpolitische Maßnahmen abtun. 3 Überblick über den Verlauf der Synode von 449: Grillmeier, Jesus der Christus 733–7. Zum Osterterminstreit von 444: c. 1352.

304

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

grausamen Taten Geiserichs bei der Verfolgung katholischer Christen in Africa.1 Der Widerspruch der Römer verhallte jedoch ungehört, womit die von Prosper immer wieder als „apostolisch“ bezeichneten Ansprüche des römischen Bischofssitzes in auffälligem Widerspruch zu den faktischen Ergebnissen von Ephesus II standen. Rom hatte keineswegs eine ausreichende Autorität entwickeln können, um Dioskor wirksam entgegenzutreten. Der Partei Flavians wurde auf der Synode keinerlei Möglichkeit zur Verteidigung eingeräumt, eine Verlesung des tomus Leonis wurde verhindert. Prosper erklärt diesen Fehlschlag mit der kaiserlichen Einmischung in den Gang der Verhandlungen. Ähnliche staatliche Übergriffe auf kirchliche Angelegenheiten hatte er bereits zuvor mehrfach kritisiert. Tatsächlich entschuldigten zwei Jahre später in Chalcedon viele Bischöfe ihre Zustimmung zu den von Dioskor beförderten Entscheidungen von Ephesus damit, dass sie in den Tumulten nach der Absetzung des Flavian Angst um ihr Leben gehabt hätten und zur Zustimmung gezwungen worden seien. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass sich auch andere Bischofsversammlungen der Zeit nicht durch grundlegend andere Begleitumstände auszeichneten. Ephesus I und Chalcedon waren in diesem Sinne kaum weniger irregulär als Ephesus II. Die deutliche Kritik Prospers am kaiserlichen Eingreifen galt also weniger dem Eingreifen an sich als dem konkreten Eingreifen des Theodosius zugunsten einer vom Chronisten als häretisch wahrgenommenen Theologie. Immerhin ging diese Kritik aber im vorliegenden Fall so weit, dass Prosper in der Folge von seiner positiven Haltung gegenüber der theodosianischen Dynastie abrücken sollte.2 Damit spiegelt die Darstellung der Chronik deutlich die zeitgenössische Wut Roms über die Vorgänge in Ephesus, die Leo wenig später als latrocinium brandmarken sollte.3 Seiner damit einhergehenden Nichtanerkennung der Synode schloss sich die westliche Kirche an, womit es zu einer kurzzeitigen Spaltung des Reichsepiskopats kam. Im Osten wurde das Konzil nämlich bestätigt. Die am Ende des Eintrags stehende kurze Notiz über den Tod des Flavian zeigt zusätzlich, dass Prosper die Vorgänge von 449 als Verfolgung des „rechten Glaubens“ bewertet. Flavian wird als sanctus apostrophiert und 1

Charakterisierung des Geiserich als saevus im Zusammenhang mit Verfolgungsmaßnahmen: c. 1329. 1339. 2 Vgl. Komm. zu c. 1361. 3 Leo M. epist. 95,2.

Kommentar

305

geht als Märtyrer in den Himmel ein. Die genauen Umstände seines Todes sind jedoch äußerst unklar, auch die Chronik äußert sich unspezifisch. Andere Quellen berichten, dass der Bischof noch während des Konzils unter den Schlägen seiner Gegner ums Leben gekommen sei, was allerdings als ausgeschlossen gelten darf, nicht zuletzt, weil Prosper eben dies nicht erwähnt.1 [J.K.]

1361 Theodosius II. war 450 durch einen Reitunfall ums Leben gekommen. Sein Tod leitete nun einen Wandel der politischen wie kirchenpolitischen Landschaft des Römischen Reichs ein. Diesen Bruch mit der Herrschaft des Theodosius deutet Prosper mit der Notiz über die Beseitigung seines Ratgebers, des praepositus Chrysaphius, an. Dieser galt den Zeitgenossen als verantwortlich u. a. für den miaphysitischen Kurs in den Jahren um die Synode von Ephesus II. Sein auch andernorts herausgestellter schlechter Einfluss auf den Kaiser entspricht dabei der Rolle des Valentinian-Beraters Heraclius in c. 1373, der maßgeblich für die folgenschwere Entzweiung zwischen Valentinian III. und Aëtius verantwortlich gemacht wird und der, wie Chrysaphius, seinen Kaiser nicht lange überlebt.2 Es lässt sich ein gängiger Zug spätantiker Kaiserkritik greifen, in der Herrscher nicht direkt kritisiert werden, sondern über die Personen ihrer Berater. Gerade in der kirchenpolitischen Polemik erscheinen angeblich häretisierende Kaiser immer wieder als Instrumente böswilliger Ratgeber.3 Unabhängig davon lag es aber auch in einer allgemeinen Herrschaftslogik, dass sich der neue Kaiser Marcian des einflussreichen und ungeliebten praepositus entledigte.

1

Chadwick, Exile geht gar davon aus, dass Flavian zum Opfer einer Intrige um einen angestrebten abermaligen Bekenntnisumschwung in Konstantinopel nach dem Tod des Theodosius im folgenden Jahr geworden sein könnte. Der Flavian-Nachfolger Anatolios habe diesen Umschwung mittragen wollen, der aber konsequenterweise die Restituierung des noch lebenden Flavian erfordert hätte. Der entstandene Zielkonflikt sei dann unkonventionell gelöst worden. 2 Zu Chrysaphius: PLRE 2, 295–7 (Chrysaphius qui et 450.2 beschreibt Rolle und Tod des praepositus mit großen Ähnlichkeiten zu Prosper. 3 Man denke bspw. an die angebliche Beeinflussung Constantiusʾ II. durch Ursacius von Singindunum und Valens von Mursa im vierten Jahrhundert oder die des Zenon durch Akakios von Konstantinopel am Ende des fünften Jahrhunderts.

306

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Prospers Kritik an Theodosius II. wird jedoch durch die Vermittlung dieser Kritik über Chrysaphius keineswegs grundsätzlich relativiert. Hatte sich der Chronist bis hierher immer als Anhänger der theodosianischen Dynastie gezeigt, so wendet sich die Chronik nun von dieser dynastischen Orientierung ab. Beispielsweise verzichtet Prosper darauf, den verstorbenen Kaiser formal in die Reihe seiner Vorgänger zu stellen, indem er es im Moment seines Todes unterlässt, in c. 1283 die Regierungsdauer des Theodosius nachzutragen. Auch Valentinian III., immerhin der letzte Vertreter des theodosianischen Hauses, wird nun nicht mehr eigens als chronologisch maßgeblicher augustus gekennzeichnet, die fortlaufende Zählung der römischen Kaiser bricht ab. Zugleich verschweigt der Bericht über den Herrschaftsantritt Marcians dessen Heirat mit der Theodosius-Schwester Pulcheria. Als Legitimationsgrundlage seines Kaisertums fungiert damit nicht eine über diese Heiratsbindung vermittelte Anknüpfung an die theodosianische Dynastie, sondern lediglich die Zustimmung durch die Armee.1 Vielleicht ging der Chronist sogar so weit, zur Unterstreichung dieser neuen Legitimationsquelle den Eintrag über die Kaisererhebung Valentinians in c. 1289 nachträglich ebenfalls an diese Erhebung durch die Armee anzupassen.2 In dem Moment also, in dem Prospers Orientierung an der theodosianischen Dynastie einerseits und am römischen Papsttum andererseits auf der Synode von Ephesus II 449 miteinander in Konflikt geraten, erweist sich Prospers kirchliche Bindung als stärker. Seine positive Sicht auf die herrschende Dynastie jedenfalls, die sich im Osten als häretisch, im Westen als durchsetzungsschwach erwiesen hatte, hat der Chronist endgültig verloren. Marcian dagegen gewinnt seine kaiserliche Legitimität nun gerade als Gegenentwurf zu Theodosius und Valentinian, nämlich als politisch durchsetzungsstarker und kirchlich orthodox agierender Herrscher. Gerade letzteres ist von Bedeutung: Der Wechsel auf dem Kaiserthron von Konstantinopel hatte kirchenpolitische Implikationen, die vor allem den Bischofssitz von Rom betrafen, wie die direkt im Anschluss berichteten religionspolitischen Maßnahmen des neuen Kaisers zeigen.3 [J.K.] 1

Heirat mit Pulcheria: Theophan. 5942; Euagr. 2,1; Joh. Mal. 367; Hyd. chron. 147; Iord. Rom. 332. Valentinian III. hingegen wurde in der Nachfolgefrage übergangen, weshalb er Marcian, anfänglich als Usurpator betrachtete: Ioh. Ant. frg. 2 (Mariev). Insgesamt ist Muhlberger, Chroniclers 117 Recht zu geben, der den gesamten Bericht über den Herrschaftsübergang auf Marcian als „surprisingly offhand“ beschreibt. 2 So zumindest Muhlberger, Chroniclers 59 f. Vgl. Komm. zu c. 1289. 3 Vgl. c. 1362. 1369.

Kommentar

307

1362 Die in c. 1361 bereits deutlich gewordene positive Sicht des Chronisten auf den neuen Kaiser Marcian findet nun ihre Begründung: Unmittelbar im Anschluss an seinen Herrschaftsantritt stellte Marcian seine in Prospers Sicht korrekte dogmatische Ausrichtung unter Beweis und abrogierte die Beschlüsse der Synode von 449. Dabei ist der Bericht über den bekenntnispolitischen Umschwung im Osten des Reichs aus zwei Gründen beachtenswert: Zum einen lobt Prosper einen Kaiser, der auf Basis seiner herrschaftlichen Machtvollkommenheit kirchliche Beschlüsse aufhebt, was offenbart, dass der Chronist mit den meisten seiner Zeitgenossen letztlich doch eine typisch „reichskirchliche“ Sicht auf kaiserliches Handeln in kirchlichen Angelegenheiten teilte. In letzter Instanz diente als Bewertungsgrundlage kaiserlicher Eingriffe die jeweilige dogmatische Ausrichtung der Betroffenen.1 Auch wenn Prosper sicherlich im Vergleich zu anderen Beobachtern eine durchaus kritische Distanz zu politischen Übergriffen auf die kirchliche Sphäre einnahm2, ging er ungeachtet dessen nicht so weit, einem Kaiser, der seine dogmatischen Positionen teilte, die prinzipielle Legitimität kirchenpolitischer Eingriffe abzusprechen. Die von Prosper behauptete Bindung des marcianischen Vorgehens an die Weisungen Leos führte also dazu, dass der Chronist den Kaiser an dieser Stelle für sein Handeln loben kann. In politischer Perspektive ist dieses Lob umso bemerkenswerter, als Marcian zunächst von seinem westlichen Amtskollegen Valentinian III. gar nicht als legitimer Kaiser anerkannt worden war.3 Dies ist insbesondere dann von Interesse, wenn von einer gesonderten dritten Chronikedition des Jahres 451 ausgegangen wird, c. 1362 also noch zu Lebzeiten Valentinians geschrieben wäre. Dann würden seine kirchenpolitischen Maßnahmen Marcian für Prosper auch über jeden politischen Zweifel erheben.4 1

Vgl. hierzu Kötter, Suche 8–20. Dies wird insbesondere im Vergleich zu anderen Chronisten deutlich. So lobt Chron. Gall. (452) 12. 22 Magnus Maximus (!) und Theodosius I. für ihr antihäretisches Wirken. Ähnlich positive Funktionszuschreibungen an weltliche Akteure lassen sich bei Prosper nicht finden, da er die Häresieabwehr als Aufgabe der Kirche sieht. Wenn kaiserliches Agieren in kirchlichen Dingen überhaupt beleuchtet wird, dann zumeist kritisch. Vgl. c. 1187. 1247. 1358. Darüber hinaus auch Einl. Kap. III.3. 2

3

Vgl. aus einem Zusatz zur Prosper-Chronik: Chron. min. 1,490,21. Als Grund für diese Anerkennung sieht Stickler, Marcianus 78 den Attila-Krieg. 4 Die Chronikversion von 451 ist mit Muhlberger, Chroniclers 56 f. zwar anzunehmen, im Gegensatz zu den Editionen der Jahre 433, 445 und 455 jedoch nicht sicher belegbar.

308

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

Zum anderen muss festgehalten werden, dass Prosper in seinem Bericht über die kaiserliche Abrogation des Konzils von Ephesus II eine Ereigniskette liefert, die dem tatsächlichen Gang der Ereignisse widerspricht. Laut Prosper hätte Marcian die Ergebnisse von Ephesus II abrogiert, bevor das Konzil von Chalcedon 451 die entsprechenden Maßnahmen beschloss. Faktisch aber hatte Marcian den Ausgang des Konzils abgewartet und erst dann dessen Beschlüsse anerkannt und sanktioniert. Auch hinsichtlich dieser Beschlüsse nimmt der Chronist eine klare Verkürzung vor: Die Synode von Chalcedon hatte disziplinarische und dogmatische Fragen verhandelt, wohingegen in der Darstellung der Chronik das einberufene Konzil nach der bereits päpstlich-kaiserlich erfolgten Klärung der dogmatischen Fragen nur noch einer disziplinarischen Aufarbeitung des latrocinium von 449 dienen sollte.1 Da Prosper als unmittelbarem Zeitgenossen und engem Vertrauten des Bischofs von Rom der korrekte Ablauf bekannt gewesen sein muss, ist der Grund für die Darstellung an dieser Stelle erklärungsbedürftig. Eine Möglichkeit wäre, dass unter Annahme einer dritten Chronikedition des Jahres 451 die Synode von Chalcedon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeiten Prospers an seiner Chronik noch nicht beendet war. Dass er ihre Ergebnisse dennoch, wenn auch beiläufig, erwähnen und damit gewissermaßen vorwegnehmen konnte, läge dann am bereits offenkundigen Kurs Kaiser Marcians, einen Bekenntnisumschwung zu initiieren. Dass der Chronist an der vorliegenden Stelle nur die Einberufung der Synode erwähnt, den Bericht über die Bischofsversammlung selbst aber erst für das Jahr 453 nachreicht, könnte diesen Befund erhärten. Eine andere Erklärung, die die gerade genannte aber nicht ausschließt, ist, dass Prosper bewusst eine interpretatio Romana des Bekenntnisumschwungs von 450/51 liefern will. Der beschriebene Verfahrensgang entspricht in seinen spezifischen Verkürzungen jedenfalls genau derjenigen Art und Weise der Bereinigung der Situation, die Papst Leo gegenüber Marcian ausdrücklich bevorzugt hätte. Eigentlich hatte der Papst gar kein weiteres Konzil gewollt, sondern strebte die Revision der Beschlüsse von 449 mit Hilfe der kaiserlichen Durchsetzungsmacht einzig

1

Zu den Ergebnissen dieser Aufarbeitung und zur Identifizierung der „Starrsinnigen“ und der „auf den rechten Weg Gebrachten“: Komm. zu c. 1369. Die Akten des Konzils von Chalcedon (ACO 2,1–3) zeigen deutlich, dass es dogmatische Verhandlungen waren, die im Zentrum des Synodalgeschehens standen. Überblick: Grillmeier, Jesus der Christus 751–64.

Kommentar

309

und allein durch sein päpstliches Urteil an, um so en passant den eigenen Primat in der reichsweiten Kirche zu erweisen.1 Genau ein solches Vorgehen wird in Prospers Bericht von der Abrogation der Bestimmungen von Ephesus II durch kaiserliche Edikte in Folge der Sentenzen des „apostolischen Stuhles“ beschrieben, hatte so jedoch niemals stattgefunden. Dieser Darstellungsabsicht gemäß hat der Chronist im vorliegenden Eintrag auf die detaillierte Darstellung der Synodalverhandlungen geradezu verzichten müssen. Sein Bericht spiegelt somit Leos ursprünglich sehr ambivalente Position zur Synode, die er nicht gewollt und der er wegen ihrer hierarchischen Regelungen anfangs sogar seine Zustimmung verweigert hatte.2 [J.K.]

1364 Als einziger unmittelbarer Zeitgenosse widmet sich Prosper der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Trotz der Länge des vorliegenden Eintrags sind die Informationen, zumindest bezüglich der Schlacht an sich, recht spärlich, liegt der Schwerpunkt der Darstellung doch eher auf einem, freilich ambivalenten, Aëtius-Lob. Ausführlicher über die Schlacht und ihre Hintergründe berichtet ein Jahrhundert später Jordanes.3 Der neue östliche Kaiser Marcian hatte den Hunnen bereits 450 die Tribute verweigert, die das Oströmische Reich bis dahin zur Wahrung des Friedens jährlich an die Hunnen bezahlt hatte.4 Da der von Konstantinopel kontrollierte Balkanraum durch die Verheerungen der letzten Jahrzehnte aber kaum mehr ein lohnendes Ziel für Attila war, wandte dieser sich nun gegen das Westreich, zu dem seine Beziehungen bis dahin eigentlich recht gut gewesen waren. Einer der Gründe waren aktuelle Spannungen mit Ravenna hinsichtlich der umstrittenen Thronfolge bei den Franken.5 Die Historizität eines angeblichen Hilfsgesuchs der Valentinian-Schwester Honoria an Attila, das den Hunnenkönig 1

Zu römischen Vorbehalten gegenüber einem Konzil in der Situation um 450: Klinkenberg, Papsttum 63–85, v. a. 76. 2 Leo M. epist. 104. Leos Vorbehalte galten in erster Linie dem sog. „Kanon 28“, der einer hierarchischen Aufwertung der Kirche von Konstantinopel unter Hinweis auf säkulare Analogien diente: COD 75,27–76,38. 3 Iord. Get. 184–213. Allerdings berichtet dieser nicht nur ausführlicher, sondern auch freier ausgeschmückt. 4 Iord. Get. 225. 5 Prisc. frg. 20,3 (Blockley) = frg. 16 (Dindorf).

310

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

eine Mitgiftforderung auf die Hälfte des westlichen Imperiums hätte stellen lassen, ist umstritten, wenn auch nicht per se von der Hand zu weisen.1 Prosper zumindest scheint von entsprechenden Vorgängen nichts zu wissen. Er betont vielmehr, dass Attila unter angeblicher Wahrung der Freundschaft zum Reich seinen Kriegszug offiziell nur gegen die Goten in Südgallien begonnen hätte.2 Auch wenn die Historizität dieser offiziellen Rechtfertigung der Invasion nicht in Zweifel gezogen werden muss und der Hunnenzug durch Gallien darüber hinaus kaum territorialen Eroberungen gedient haben dürfte, sondern vielmehr dem Gewinn von Beute und der Wahrung des königlichen Prestiges3, nahm Ravenna die Invasion trotzdem als Bedrohung eigener Interessen wahr. Dass ausgerechnet Aëtius, der ein traditionell freundschaftliches Verhältnis zu den Hunnen pflegte, sich trotz der Beteuerungen Attilas gezwungen sah, mobilzumachen, spricht diesbezüglich Bände. Unterstützung fand Ravenna nun bei den von den Hunnen ebenfalls und ausdrücklich bedrohten Westgoten. Der praefectus praetorio Galliarum und spätere Kaiser Avitus vermittelte ein Bündnis zwischen beiden Völkern.4 Im Angesicht der hunnischen Bedrohung zeigte sich nun deutlich, dass Römer und Goten seit der Ansiedlung letzterer in Aquitanien durch ähnliche Interessen verbunden waren, was sich nicht zuletzt auch in den mangelnden Vorbehalten des Chronisten gegenüber den Goten zeigt, die gerade im Gegensatz zu den stets als bedrohlich dargestellten Hunnen umso auffälliger sind. Das Heer, das Aëtius und der Gotenkönig Theoderich I. den Hunnen entgegenstellten, bestand jeweils etwa zur Hälfte aus römischen und westgotischen Kontingenten. Die vom Chronisten gelobte providentia des Aëtius, der es geschafft hatte, innerhalb kürzester Zeit ein Heer zu mobilisieren, das den Hunnen in nahezu gleicher Stärke gegenübertreten konnte,

1

Erwähnt wird diese Episode u. a. von Iord. Get. 223 f.; Ioh. Ant. frg. 292 (Roberto) = frg. 223,2 (Mariev); Prisc. frg. 20,3 (Blockley) = frg. 16 (Dindorf); Marcell. chron. a. 434. Unter Verweis auf die sonstigen Heiratsverbindungen des Kaiserhauses zu barbarischen gentes hält Wirth, Attila 93–6 die Geschichte vom Honoria-Verrat für plausibel. PLRE 2, 568 (Iusta Grata Honoria) kommt zum gleichen Schluss. 2 Der Hinweis in Iord. Get. 184 hingegen, der Vandalenkönig Geiserich hätte den Angriff aus seiner Angst vor den Goten heraus durch Geschenke an die Hunnen befördert, entspringt Attila v. a. 109–17; Wolfram, Reich 246 f. 3 Dies war in der Situation, in der die römischen Reiche ihre Tributzahlungen eingestellt hatten, umso notwendiger. 4 Sidon. carm. 7,347–53. Zu Avitus: PLRE 2, 196–8 (Eparchius Avitus 5).

Kommentar

311

war also hauptsächlich der Kooperation mit den Goten geschuldet. Es war dem magister militum aber auch gelungen, weitere foederati zu den Waffen zu rufen, zum Beispiel die linksrheinischen Franken oder die Alanen.1 Das Heer Attilas bestand ebenfalls nur etwa zur Hälfte aus Hunnen. Neben ihnen kämpften verschiedene Völker als Vasallen, allen voran Ostgoten, aber auch Gepiden und Franken.2 Bereits im Zusammenhang mit dem Mord Attilas an seinem Bruder Bleda hatte Prosper auf den multiethnischen Charakter des hunnischen Reichs hingewiesen. Dass nun ein hunnisch geführtes Vielvölkerheer auf ein römisch-westgotisch geführtes Vielvölkerheer traf, deckt sich mit der, freilich kolossal übertriebenen, Aussage des Chronisten, dass der Hunnenkönig „viele tausend Völker“ in einen Krieg gezwungen hätte.3 Nachdem das hunnische Heer verschiedene gallische Städte eingenommen und geplündert hatte, wurde es von der Aëtius-Theoderich-Armee gestellt. Es kam zu einer heftigen Schlacht, in deren Verlauf unter anderem der Gotenkönig fiel, sich Attila mit seinen Truppen letztlich aber zurückziehen musste. Daraufhin wurde er von der gotisch-römischen Koalition in seinem Lager eingekesselt.4 Überraschenderweise verzichtete Aëtius nun aber darauf, den festgesetzten Hunnenkönig endgültig auszuschalten, sondern ließ ihn mit den Resten seines Heeres unbehelligt über den Rhein abziehen und eröffnete ihm damit die Möglichkeit, seine Truppen zu reorganisieren und nur ein Jahr später wiederum ins Reich einzufallen.5 Bereits unmittelbar in Folge der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern hatte Aëtius also seine gerade noch gelobte providentia verloren. Das Lob des magister militum dient Prosper an dieser Stelle daher nur als Kontrast für eine umso schärfere Kritik im Rahmen der Italieninvasion Attilas im kommenden Jahr. [J.K.]

[1365] Der äußerst knappe Eintrag zur Eroberung Aquileias ist Sondergut der Hs. V und sicher interpoliert. [M.B.] 1

Römisches Kontingent der alliierten Armee: Iord. Get. 191. Hunnisches Heer: Iord. Get. 199. 3 Zur Multiethnizität des Hunnenreichs vgl. Komm. zu c. 4 Zur Schlacht im Bericht des Jordanes: Iord. Get. 197–213. 5 Stickler, Aëtius 142–5 meint in der Folge von Täckholm, Aetius 270–3, dass eine Vernichtung der Hunnen nicht im Interesse der mit Rom verbündeten Westgoten lag, da sie eine Stärkung des Aëtius bedeutet hätte. Sie seien daher abgezogen. 2

312

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1366 Das Konsulat des östlichen Konsuls Sporacius ist in einigen Handschriften ausgefallen, dies vielleicht aufgrund der fehlenden Anerkennung durch Valentinian III., der den oströmischen Kaiser Marcian noch bis 452 als Usurpator betrachtete.1 [J.K.]

1367 summi sacerdotis Vgl. zu c. 1306. [M.B.] Der Hinweis auf die in Gallien verlorenen Truppen Attilas verknüpft die hunnische Italieninvasion von 452 aufs engste mit der Invasion in Gallien im Jahr zuvor.2 Diesem ununterbrochenen Bericht über die beiden Hunneneinfälle und der dadurch umso deutlicher werdenden Kritik an Aëtius musste die Synode von Chalcedon 451 weichen, die Prosper ins Berichtjahr 453 umdatiert. In der Zusammenschau mit c. 1364 wird deutlich, dass das dortige Lob der providentia des Aëtius – das einzige explizite Lob des Heerführers in der gesamten Chronik3 – nur als Spiegel für die umso harschere Kritik an der vorliegenden Stelle dient. Hatte seine Voraussicht Aëtius im Jahr zuvor noch ermöglicht, Attila mit einem starken Heer entgegenzutreten, so hatte sie ihn nun offensichtlich verlassen. Die hier ohnehin recht deutliche Kritik Prospers an der taktischen Fehlleistung des Generals fällt also umso heftiger aus, weil dieser im Zusammenhang mit der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern noch bewiesen hatte, dass er prinzipiell zu vorausschauendem Handeln in der Lage war. Die Darstellung ähnelt dem Fall des Litorius, der zunächst umsichtig eine Hungersnot in Narbonne abgewendet hatte, daraufhin aber, von jeglicher Umsicht verlassen, in einem übereilten Gefecht mit den Goten ums Leben gekommen war.4 Konkret rügt der Chronist Aëtius für die

1

Bagnall, Consuls 438 f. (a. 452). Zu Sporacius: PLRE 2, 1026 f. (Fl. Sporacius 3). Vgl. Muhlberger, Chroniclers 121. 3 Damit ist Stickler, Aëtius 5 f. gegen Zecchini, Aezio 74 f dass Prosper Aëtius keineswegs positiv gegenüber stand – auch nicht vor 452. Vgl. Einl. Kap. III.4.b. 4 Vgl. c. 1324. 1335. Auf diese darstellerische Parallele weist auch Muhlberger, Chroniclers 121 f. hin. 2

Kommentar

313

unterlassene Sperrung der Alpenpässe, über die Attilas Heer, vom Balkan her kommend, ungehindert in Italien hatte eindringen können.1 Darüber hinaus standen Aëtius keine ausreichenden Kontingente zur Verfügung, um der Gefahr der Hunnen begegnen zu können. Zum einen fehlte ihm diesmal der militärische Beitrag der Westgoten, zum anderen hatte die Abwehr der Gallieninvasion im Jahr zuvor die Reserven Ravennas weitgehend erschöpft. Die Lage sei so dramatisch gewesen, dass Aëtius angeblich sogar geplant habe, Italien zusammen mit Valentinian III. zu verlassen. Letztlich flohen der Kaiser und sein Heerführer aber lediglich von Ravenna nach Rom. Dass Prosper, nachdem er Aëtius bis hierhin stets nur zwischen den Zeilen kritisiert hatte, nun zu einem solchen Schlag gegen den magister militum ausholen konnte, lag in erster Linie daran, dass dieser, genauso wie Valentinian III., zum Veröffentlichungszeitpunkt der letzten Chronikfassung bereits tot war. Die Kritik des Chronisten erschöpft sich daher auch keineswegs in der mangelnden militärischen Vorbereitung auf die Invasion Italiens, sondern geht noch wesentlich weiter. Prosper vermittelt den Eindruck einer Ohnmacht der Reichsregierung im Angesicht der Bedrohung. Laut seinem Bericht hätten sich die Planungen der Flüchtenden in der Hoffnung erschöpft, dass Attila sich nach dem Gewinn angemessener Beute wieder aus Italien zurückziehen würde. Auch der letztlich erfolgreiche Schritt, eine hochrangige Delegation zu Verhandlungen mit dem Hunnenkönig zu senden, scheint nicht vom Kaiser oder vom magister militum ausgegangen zu sein. Prosper jedenfalls legt nahe, dass es in erster Linie die Akteure der Stadt Rom waren, die durch die beschriebene Legation eigenverantwortlich Schaden von ihrer Stadt und damit auch von Italien insgesamt abgewendet hätten.2 Die römische Gesandtschaft, der es gelingen sollte, Attila zum Rückzug zu bewegen, bestand neben Papst Leo aus Avienus, der 450 Konsul gewesen war, und Trygetius, bei dem es sich um den Unterhändler beim GeiserichFrieden von 435 handelte.3 Gerade seine Person zeigt, mit wie viel Bedacht 1

Maenchen-Helfen, Welt der Hunnen 102 f. nimmt Aëtius gegen diesen Vorwurf Prospers in Schutz. Weder Stilicho noch der Usurpator Johannes im Krieg gegen die Truppen des Theodosius II. oder später Odoacer gegen Theoderich hätten Italien direkt an den Alpenpässen verteidigt. 2 Die Anspielung auf das Senatus Populusque Romanus a diesbezüglich kaum ein Zufall sein. 3 PLRE 2, 193 f. (Gennadius Avienus 4); 1129 (Trygetius 1). Konsulat des Avienus: c. 1360. Zur anzunehmenden Rolle des Trygetius beim Friedensschluss mit den Vandalen: Komm. zu c. 1321.

314

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

die beiden hochrangigen weltlichen Würdenträger ausgewählt wurden, dürfte doch zumindest Trygetius ein ausgewiesener Experte für diplomatische Missionen zu „barbarischen“ Königen gewesen sein. Auch die Teilnahme Leos kann angesichts der zentralen kirchlichen wie auch zivilen Rolle, die er in Rom spielte, nicht überraschen. Darüber hinaus hatte sich der Papst bereits zuvor als Vermittler in weltlichen Angelegenheiten hervorgetan, als er im Jahr 440 die Verständigung zwischen Aëtius und Albinus herbeigeführt hatte.1 Genauso wenig überrascht, dass Prosper gerade Leo ins Zentrum seines Legationsberichts stellt. Ob es aber wirklich bloß das Treffen mit dem Papst war, das Attila letztlich bewog, nicht auf Rom zu marschieren und sich sogar gänzlich aus Italien zurückzuziehen, darf als fraglich gelten. Wahrscheinlicher ist, dass auch die Ressourcen der Hunnen in Folge ihrer Niederlage von 451 und angesichts der problematischen Versorgungslage ihres von Seuchen bedrohten Heeres mittlerweile so stark geschwächt waren, dass ein Versuch der Eroberung Roms für sie ein zu großes Risiko dargestellt hätte. Attila hatte also selbst ein gewisses Interesse, Italien schnell wieder zu verlassen, zumal laut Hydatius oströmische Einheiten zeitgleich begonnen hatten, die Siedlungsgebiete der Hunnen zu attackieren.2 Zu guter Letzt hatte sich der Hunnenkönig seinen Rückzug wohl teuer bezahlen lassen. Doch auch wenn sich der Rückzug Attilas ohne die Intervention Leos erklären ließe, muss an der diplomatischen Mission des Papstes an sich kein Zweifel bestehen. Im Rahmen der Darstellung hat diese freilich primär den Zweck, ein Gegenbild zum Versagen der politischen Führung zu entwerfen. Prosper schreibt den Erfolg der Legation ausdrücklich der auf Leo ruhenden göttlichen Gnade zu. Der darauf aufbauende Triumph des Papstes spiegelt das Versagen des Aëtius und lässt den Vergleich der Geschicke der beiden Protagonisten an dieser Stelle geradezu sinnbildlich für die mangelnde Verlässlichkeit menschlicher Einsicht erscheinen. Während sich Aëtius auf die eigene, menschliche und daher prekäre Urteilsfähigkeit verlässt und dadurch

1

Vgl. c. 1341. Hyd. chron. 154. Generell zu den möglichen Gründen für Attilas Rückzug: MaenchenHelfen, Welt der Hunnen 104–6; Wirth, Attila 110 f. Ähnliche Darstellungen des Ereignisablaufs finden sich u. a. bei Vict. Tonn. chron. a. 449; Iord. Get. 222 f. 2

Kommentar

315

Italien und Rom beinahe in die Katastrophe führt, beweist Papst Leo in seinem Vertrauen auf die von Gott kommende Weisheit, dass einzig die göttliche Gnade langfristigen Erfolg verheißt.1 [J.K.]

1368 In einigen Manuskripten ist das Konsulat des Vincomalus ausgelassen. Valentinian III. hatte mittlerweile zwar Marcian als Kaiser anerkannt, nicht aber dessen Recht, Konsuln zu erheben.2 Vincomalus könnte also erst im Laufe der Überlieferung Opilius zur Seite gestellt worden sein. [J.K.]

1369 Die Umdatierung der Synode von Chalcedon, die eigentlich bereits 451 stattfand, ist auffällig und muss von Prosper, der ein unmittelbarer Zeitzeuge der Ereignisse war, bewusst vorgenommen worden sein. Der Grund hierfür liegt in den Attila-Invasionen Galliens und Italiens, die der Chronist offensichtlich als unmittelbar zusammengehörig auffasste und daher auch ungebrochen behandeln wollte. Prosper legt die beiden Hunneneinfälle also vor das Konzil, welches chronologisch eigentlich genau zwischen den beiden Invasionen lag.3 Dass in der dadurch notwendigen Umdatierung einzelner Ereignisse die Synode den Kriegszügen weichen musste, und nicht umgekehrt, liegt an der kritischen Distanz der zeitgenössischen römischen Kirche zum Konzil von Chalcedon. Dieses war von Papst Leo gar nicht gewollt und hatte dessen Zielsetzungen auch nicht gänzlich befriedigen können. Insbesondere die Aufwertung des Bischofssitzes von Konstantinopel durch den sogenannten „Kanon 28“ von Chalcedon war in Rom auf Missfallen gestoßen und hatte dazu geführt, dass Leo das Konzil erst 453 – also im hier 1

Wieder sind es kirchliche Akteure, die die Herausforderungen ihrer Zeit zu bestehen in der Lage sind und sich von den politisch Handelnden unterscheiden. Ähnlich c. 1336 (vs. 1339). 1375. 2 Bagnall, Consuls 440 f. (a. 453). Zu Vincomalus: PLRE 2, 1 lus). 3 Muhlberger, Chroniclers 123. Vict. Tonn. chron. a. 449. 451 geht ähnlich vor, datiert die Synode an sich aber richtig und verlegt dafür die Italieninvasion Attilas: Muhlberger, Edition 243. 241 f. Anm. 11.

316

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

gewählten Berichtjahr – anerkannte. Dies geschah freilich unter expliziter Ausnahme der hierarchischen Regelungen, welche von Prosper konsequenterweise auch verschwiegen werden.1 Das Konzil von Chalcedon war dem Chronisten jedenfalls zu verdächtig, als dass es seine dramatische Beschreibung der Attila-Kriege von 451 und 452 hätte unterbrechen dürfen. Die von Prosper beschriebenen Ergebnisse der Synode von 451 entsprechen folgerichtig nur der bereits in c. 1362 postulierten Zielsetzung. Diejenigen Bischöfe, die sich von Dioskor und Eutyches lossagten, wurden wieder in die Kirche, also in die römische communio, aufgenommen. Da Ephesus II faktisch vom gesamten östlichen Episkopat gebilligt worden war, war eine Alternative zu einem solch konzilianten Vorgehen kaum gegeben.2 Wie weit diese Konzilianz ging, zeigt der Fall des prominentesten Rückkehrers in die „orthodoxe“ Gemeinschaft: Bischof Juvenal von Jerusalem hatte noch zwei Jahre zuvor fest an der Seite Dioskors gestanden, um sich aus der Jurisdiktion des mit Flavian von Konstantinopel verbündeten Bischofs von Antiochia zu lösen. Nun trug Juvenal wiederum die Verurteilung des Dioskor mit und erhielt dafür als Lohn die Bestätigung seiner bereits in Ephesus errungenen eigenständigen Jurisdiktion über die drei palästinischen Provinzen.3 Mit der Wiederaufnahme der geläuterten Bischöfe in Chalcedon war in der Darstellung der Chronik der kirchliche Frieden wiederhergestellt. Faktisch aber setzte mit Chalcedon ein kirchlicher Entfremdungsprozess ein, der 484 im Akakianischen Schisma münden sollte. Die dogmatischen Entscheidungen des Konzils, das den tomus Leonis anerkannt und zur Grundlage seiner ekthesis gemacht hatte, erwiesen sich gerade im Reichsosten als Stein des Anstoßes, galt Chalcedon doch weiten kirchlichen Kreisen dort als Neuformulierung der nestorianischen Trennungschristologie.4 Während Prosper also den römischen Bischof als Inbegriff der Apostolizität und da-

1

Kanon 28: COD 75,27–76,38. Initiale Zurückweisung des Konzils durch Rom: Komm. zu c. 1362. Anerkennung unter ausdrücklicher Ausnahme der hierarchischen Regelungen: Leo M. epist. 114. Die Akten zum Konzil von Chalcedon sind ediert in ACO 2,1–3. 2 Die östlichen Bischöfe entschuldigten sich damit, 449 zur Zustimmung gezwungen worden zu sein. 3 Ps.-Zach. hist. eccl. 3,3 weist auf den unmittelbaren Zusammenhang von Juvenals dogmatischen Umschwung mit der Zuerkennung der palästinischen Jurisdiktion hin. 4 So z. B. Ps.-Zach. hist. eccl. 3,1. Zu den Kerndokumenten der Synode oben S. 246 Anm. 1. „Akakianisches Schisma“: Kötter, Kaiser und Apostel; Schwartz, Sammlungen.

Kommentar

317

mit einer dem Evangelium gemäßen Lehre darstellt1, wurde diese positive Sicht keineswegs von allen kirchlichen Akteuren geteilt, was einer allgemeinen und reichsweiten Synodalrezeption von vornherein im Weg stand. [J.K.]

1370 ipsius Vgl. zu c. 1247. [M.B.] Attila war in der Nacht seiner Hochzeit mit Ildiko an einem Blutsturz gestorben.2 Für Ost- wie für Weströmisches Reich war die Gefahr der Hunnen damit gebannt. Das Reich, das Attila geschaffen und stabilisiert hatte3, sollte kurz nach seinem Tod in sich zusammenbrechen. Unter Attilas Söhnen kam es zu Nachfolgestreitigkeiten, bis sie sich darauf einigten, jeweils eigene Herrschaften aufzurichten und die verbündeten Völker unter sich aufzuteilen. Mehrere dieser Völker hatten aber mittlerweile die Gelegenheit genutzt, um von den Hunnen abzufallen, allen voran die Ostgoten und die Gepiden, die Attila noch 451 in Gallien unterstützt hatten. Spätestens als der älteste Attila-Sohn Ellac 454 in einer Schlacht gegen diese abtrünnigen Völker fiel, war die Macht der Hunnen gebrochen.4 Da in den blutigen Kämpfen aber nicht nur die Hunnen geschwächt wurden, sondern auch die Völker, die zuvor mit ihnen verbunden waren und die

1

Die biblischen Schriften insgesamt waren unter Berücksichtigung ihrer „Apostolizität“ kanonisiert worden. Dieser Zusammenhang wird in Decret. Gelas. 2 f. deutlich. Die beiden von Prosper hier nebeneinander gestellten Ebenen von Apostolizität und Evangelizität bedingten sich also gegenseitig. Mit James, Leo 561 f. handele es sich bei der Formulierung evangelica et apostolica doctrina also um eine für Prosper typische Wendung. Vgl. Prosp. epist. 2,3; Prosp. c. Coll. 18,3. 2 Weitere Berichte zum Tod des Königs: Iord. Get. 254; Marcell. chron. a. 454,1; Joh. Mal. 359; Theophan. 5946. Verschiedentlich begegnet das Gerücht, der Hunnenkönig sei ermordet worden. Prosper weiß als unmittelbarer Zeitgenosse – ähnlich wie Hyd. chron. 154; Chron. Gall. (511) 622; Vict. Tonn. chron. a. 453,2 – davon nichts zu berichten. 3 Implizit weist Prosper durch seine Anmerkung, Attila sei in seiner Residenz gestorben, wird durch einen Bericht oströmischer Gesandter gestützt: Prisc. frg. 11,2 (Blockley) = frg. 8 (Dindorf). Vgl. hierzu Browning, Attila’s Camp; Wirth, Attila 84 f. 4 Zum Niedergang der Hunnen: Vict. Tonn. chron. a. 453,2; Iord. Get. 259–63. Vgl. aus der Forschung Maenchen-Helfen, Welt der Hunnen 107–27; Wolfram, Reich 202–4.

318

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

jeweils für sich ebenfalls eine potentielle Gefahr darstellten, kam die Entwicklung dem Römischen Reich umso mehr entgegen.1 Prosper weist auf diese günstige Ausgangssituation hin, die noch dadurch verbessert wurde, dass es zeitgleich auch bei den Westgoten zu ganz ähnlichen Problemen kam, nachdem deren König Theoderich I. in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gefallen war.2 Damit hatte sich nach der Regelung der kirchlichen Zerwürfnisse auf der Synode von Chalcedon jetzt auch die politische Situation entspannt. Diese plötzliche Wendung der Verhältnisse hin zum Guten hing dabei aber lediglich am plötzlichen Tod maßgeblicher Akteure, war also keineswegs von der römischen Führung planvoll herbeigeführt worden. Im Gegenteil: Der bald folgende Konflikt zwischen Valentinian III. und Aëtius sollte die günstige Ausgangslage unmittelbar wieder zunichtemachen. [J.K.]

1371 Nachdem der westgotische König Theoderich I. 451 im Kampf gegen die Hunnen gefallen war, hatten die Truppen noch auf dem Schlachtfeld seinen ältesten Sohn Thorismund zum neuen König erhoben. Diesem hatte Aëtius angeblich geraten, unverzüglich nach Aquitanien zurückzukehren, um dort seinen Thronanspruch gegen seine Brüder durchzusetzen.3 Jordanes sieht diesen Ratschlag in Aëtiusʼ Sorge vor einer gotischen Übermacht im Falle einer Vernichtung der Hunnen begründet, überschätzt in seiner progotischen Orientierung damit jedoch vielleicht die faktische Rolle der Westgoten.4 Zumindest aber dürfte die Episode deutlich machen, dass es bereits 451 Spannungen unter den Theoderich-Söhnen gegeben hat. Zunächst hatte sich Thorismund nichtsdestotrotz durchsetzen können, wurde dann aber 453

1

Allerdings stellt Heather, Huns 29 einschränkend fest, dass das plötzliche Ende der hunnischen Macht für das Römische Reich mittelfristig gefährlicher war als die hunnischen Expeditionen der Jahre zuvor. 2 Situation bei den Westgoten nach 451: c. 1371. Tod Theoderichs 451: Iord. Get. 214. 3 So zumindest Greg. Tur. Franc. 2,7; Iord. Get. 216. 218. 4 Iord. Get. 215 f eher in einer Sorge der Goten vor einer zu großen Macht des Aëtius im Falle der Vernichtung Attilas begründet: S. 311 Anm. 5. Zu den Darstellungsabsichten und damit zum historischen Wert des Jordanes: Heather, Goths 34–67. Deutlich kritisch in der Bewertung der „Getica“ als reine „origin story“: Halsall, Movers and Shakers 135 f.

Kommentar

319

durch seinen Bruder Theoderich gestürzt, der daraufhin als Theoderich II. die Herrschaft über die Westgoten antrat.1 Prosper deutet an, dass einer der Gründe für diese Beseitigung des Thorismund dessen feindselige Haltung gegenüber dem Römischen Reich gewesen sei. So hatte der König beispielsweise 452 Arles belagert, was schon 425 zu kriegerischen Spannungen zwischen Römern und Goten geführt hatte.2 Theoderich II. hingegen zeichnete sich zu Beginn seiner Herrschaft durch ein gutes Einvernehmen mit Ravenna aus. Genau wie bei den Hunnen kam es also zu Beginn der 450er Jahre auch bei den Westgoten zu internen Spannungen, die sich für das Reich als vorteilhaft erwiesen, im Fall der Westgoten aufgrund der Durchsetzung eines prorömischen Thronprätendenten. In seiner Beschreibung der gotischen Uneinigkeit über das Verhalten gegenüber dem Reich greifen wir insgesamt die klarste Stellungnahme Prospers bezüglich eines adäquaten Verhältnisses von Römern und Westgoten. Wie für die Brüder des Thorismund, so gehörten auch für den Chronisten „gotische Ruhe“ und „Frieden mit den Römern“ offensichtlich untrennbar zusammen.3 Noch klarer als in der Darstellung der gemeinsamen Hunnenabwehr zeigt sich damit, dass Prosper die Geschicke beider Völker seit der Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien 418 eng verbunden sah: Ein friedliches Miteinander war von gegenseitigem Nutzen. Muhlberger möchte diese Position des Chronisten mit dessen Erfahrungen aus dem Jahr 455 begründen: Nachdem die vandalische Plünderung Roms gezeigt hatte, wie wünschenswert eine Übereinkunft mit den Goten war, pflegte der neue Kaiser Avitus enge Beziehungen zu Theoderich II., dessen Volk ihm als Gegengewicht zu den Vandalen dienen sollte.4 Letztlich ist das Gotenbild Prospers aber auch in den früheren Chronikeditionen keinesfalls explizit negativ, sodass die Erfahrungen von 455 seine Sicht zwar bestärkt haben mögen, aber sicherlich nicht die einzige Grundlage für seine Position in der Frage sind. [J.K.]

1

Greg. Tur. Franc. 2,7; Hyd. chron. 156. Vgl. c. 1290. Neuerliche Belagerung von Arles: Chron. Gall. (511) 621. 3 Muhlberger, Chroniclers 124. Generell zum Barbarenbild Prospers: Einl. Kap. III.1.c. 4 Muhlberger, Chroniclers 124. Zum Verhältnis von Avitus und Theoderich II.: Sidon. carm. 7,481–3. 495–9. 2

320

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

1372 Bei dem hier erwähnten Aëtius handelt es sich wohl nicht um den magister militum des Weströmischen Reichs. Da dieser bereits dreimal Konsul war, hätte Prosper den Antritt eines vierten Konsulats sicherlich auch mit einem entsprechenden Hinweis vermerkt. Der Konsul des Jahres 454 war vielmehr der gleichnamige comes domesticorum des Oströmischen Reichs, der beispielsweise als Vertreter Kaiser Marcians auf der sechsten Sitzung des Konzils von Chalcedon 451 anwesend war.1 Bei Hydatius wird er darüber hinaus im Zusammenhang mit einem Feldzug gegen die Hunnen 452 erwähnt, der einer der Gründe für Attilas Rückzug aus Italien war.2 [J.K.]

1373 Die Hss. bieten zwei unterschiedliche Versionen des Mordes an Aëtius. Die eine Version (MYH) beschreibt Heraclius’ Bemühungen, den Kaiser gegen Aëtius aufzubringen, in der anderen (CD) provoziert Aëtius selbst den Kaiser durch nachdrückliches Auftreten in seiner Sache. Die Versionen unterscheiden sich also nicht nur quantitativ, sondern auch in der Sache, die Rolle des Aëtius wird jeweils anders dargestellt, mal ist er „a victim of a devious plot“, mal ein „over-ambitious man“ (Muhlberger, Chroniclers 125). Der hss. Befund weicht insofern von dem der anderen Doppelfassungen ab, als in diesem Fall die MYH-Rezension die längere Variante hat, während CD die kürzere Form bieten. Mommsen plädiert für die Echtheit der MYHVersion, in konsequenter Anwendung seiner editorischen Regel, sich an M als die beste Hs. zu halten, unabhängig davon, ob sie mehr oder weniger Text bietet. Dabei zieht er auch einen Vorschlag Duchesnes in Betracht, der in seiner Ausgabe beide Varianten zu einem längeren Eintrag verbindet, also beide für original hält (Mommsen, Chron. min. 1,378 f.). Der jeweils fehlende Teil müsste dann von Schreibern in beiden Rezensionen gekürzt worden sein – ein sehr unwahrscheinlicher Zufall. Wie Duchesne verfährt auch Labbé in seiner Edition. Dabei wird deutlich, wie problematisch das Vorgehen von Mommsen ist, eine Hs. L aus der Edition von Labbé zu extra1

PLRE 2, 29 f. (Fl. Aetius 8). Beobachter in Chalcedon 451: ACO 2,1,2,138. Hyd. chron. 154. Zum Rückzug der Hunnen aus Italien: Komm. zu c. 1367. Stickler, Aëtius 147 f. hingegen identifiziert den von Hydatius erwähnten Aëtius als den westlichen magister militum, seine Argumente machen diesen Schluss aber nicht zwingend notwendig. 2

Kommentar

321

hieren. Mommsen gibt in seiner Ausgabe nämlich L als Zeugen für beide Versionen in 1373 an. Die Vermutung liegt aber nahe, dass Labbé sich die Konjektur von Duchesne zu Eigen gemacht und die beiden überlieferten Fassungen hintereinander gestellt hat. Die Angabe der Hs. L bei Mommsen ist also zumindest irreführend. Muhlberger, Chroniclers 125 hält die eine Version für die ursprüngliche, die andere für eine spätere Ersatzfassung des Autors, die möglicherweise einer veränderten politischen Lage geschuldet sei, wobei er sich in der Reihenfolge Mommsen anschließt, die MYHVersion also als die ursprüngliche ansieht – eine These, die angesichts der Tatsache, dass wir es hier mit der letzten Edition Prospers zu tun haben, sehr spekulativ bleiben muss. Die längere Version in MYH wiederholt im Grunde die Intrige des Heraclius, sie betont und konkretisiert die Bemühungen des Eunuchen, Valentinian gegen Aëtius aufzustacheln. Auffällig ist dabei die wörtliche Wiederholung von creditum est. Dagegen bringt die kürzere Fassung einen ganz neuen Aspekt, indem sie Aëtius als maßlos fordernden Vertragspartner zeigt. Da in der Konsequenz beide, der magister militum und der Kaiser, als verantwortlich für den Bruch dargestellt werden, entspricht diese Version wohl eher der Grundaussage der Chronik, allen an den politischen Prozessen beteiligten Personen gleichermaßen Verantwortung zuzuschreiben (vgl. hist. Komm.). Ein Grund für eine mögliche spätere Ersetzung der kürzeren, Aëtius belastenden Version in CD(L) durch die längere Version in MYH(L), die Heraclius nochmals als Verleumder des Aëtius präsentiert, könnte sein, dass der Kaiser, der selbst den Mord ausführt, durch diese Fassung in gewisser Weise exkulpiert wird, indem er in einer Art Notwehrhandlung einem Anschlag des Aëtius zuvorkommt. Die Variante in MYH(L) ist also nicht unbedingt Aëtius-freundlicher, wie Muhlberger suggeriert, sondern in erster Linie kaiserfreundlicher. Auch wenn einiges dafür spricht, diese längere Variante für interpoliert zu halten, ist es nicht ausgeschlossen, dass beide Versionen Prosper gehören, weshalb wir auch hier mit Mommsen beide Varianten bieten. [M.B.] Die Entspannung der politischen Situation durch die Spannungen bei Hunnen und Westgoten machen die Verantwortlichen im Reich unmittelbar wieder zunichte, indem sie sich selbst in interne Konflikte verstricken. Anders einzelne Heerführer gegenüber, sondern als Höhepunkt der Entwicklung Aëtius und Kaiser Valentinian höchstpersönlich. Die Effekte ihres Streits sind aber ähnlich wie die der Konflikte subalterner Amtsträger. So wie die

322

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

beständigen Rivalitäten römischer Generäle dem Reich erheblichen Schaden zugefügt hatten1, so wird auch der Konflikt zwischen Kaiser und magister militum schon bald negative Konsequenzen nach sich ziehen, sowohl für die Beteiligten selbst als auch für das Reich an sich: Binnen eines Jahres werden sowohl Aëtius als auch Valentinian tot und Rom von den Vandalen geplündert sein. Durch die von der Chronik implizierte Gegenüberstellung einer eigentlich positiven Ausgangslage mit den zerstörerischen Folgen von Eitelkeit und Eigensinn wird die Tragik dieser Entwicklungen umso deutlicher.2 Dass es zur Entzweiung zwischen Valentinian und Aëtius kommen konnte, hatte mehrere Gründe. Durch den Wegfall der hunnischen Bedrohung schien Valentinian die Gelegenheit günstig zu sein, sich seines magister militum zu entledigen und damit die Herrschaft über das Reich endlich auch faktisch selbst auszuüben. Dies dürfte dem Kaiser umso geratener erschienen sein, als Aëtius ihm, der er selbst keine Söhne hatte, offenbar das Versprechen abgerungen hatte, dass der Aëtius-Sohn Gaudentius die Tochter des Kaisers zur Ehe erhalten sollte. Dies hätte die Stellung Valentinians gegenüber dem magister militum strukturell noch weiter geschwächt und setzte ihn damit unter einen gewissen Handlungsdruck.3 Zwar weist zeitgenössisch nur Prosper explizit auf diese geplante Verschwägerung des magister militum mit dem Kaiserhaus hin, nichtsdestotrotz kann seine Information als authentisch gelten. Zum einen legen andere Fälle nahe, dass es ganz allgemein ein Bestreben führender magistri militum war, ihre Stellung durch Heiratsverbindungen mit dem Kaiserhaus abzusichern. Aëtius hätte diesbezüglich nicht anders gehandelt als beispielsweise Stilicho, der seinerzeit seinen Sohn Eucherius mit Galla Placidia verlobt hatte. Zwei Jahrzehnte nach Aëtius verfolgte auch Aspar im Oströmischen Reich eine ähnliche Politik.4 Zum anderen war auch im Fall des Constantius, 1

Vgl. c. 1278 (Niederlage gegen die Vandalen in Spanien und Flucht des Bonifatius nach Africa). 1294 f. (Öffnung des Meeres für barbarische Völker; vandalische Africa-Invasion). 1335 (Niederlage gegen die Goten). 2 Eine solche Sicht dürften auch andere zeitgenössische Beobachter eingenommen haben. So berichtet Procop. Vand. 1,4,24–8 über die Bewertung des Aëtius-Mordes durch einen römischen Zeitgenossen: Valentinian (und somit das in ihm personifizierte Reich) hätte sich mit der linken Hand die rechte Hand abgeschlagen. 3 Zur Diskussion der Motive Valentinians: O’Flynn, Generalissimos 88 f. 95 f.; Pawlak, Valentinian III 131 f.; Stickler, Aëtius 76–9. 4 Zu den Plänen Stilichos: Soz. 9,4,1; Zos. 5,32,1. Vgl. auch O’Flynn, Generalissimos 59–61. Zu Aspar: Marcell. chron. a. 471; Iord. Get. 239.

Kommentar

323

dessen Karriere eine erstaunliche Parallelität zu der des Aëtius aufwies, die Verschwägerung mit dem Kaiserhaus im Berichtjahr 416 der letzte und entscheidende Schritt für seinen Aufstieg ins Kaisertum gewesen. Dieser Aufstieg diente gewissermaßen als Blaupause für seine Nachfolger, deren Rivalitäten sich letztlich daran entzündet hatten, dass sie jeweils für sich das politische Erbe des Constantius antreten wollten.1 Die angestrebte Verbindung der Kinder von Aëtius und Valentinian ist also wahrscheinlich keine Fiktion. Prosper bewertet diese angestrebte Verschwägerung keineswegs negativ. Ganz im Gegenteil stellt er das pactum coniunctione und die in diesem Zusammenhang ausgetauschten gegenseitigen Treueeide als Höhepunkt einer wünschenswerten Harmonie dar. Dezidiert betont der Chronist aber auch, dass es auf dieser Grundlage nun notwendig gewesen wäre, diese wechselseitige Zuneigung weiter zu fördern. Dass es gerade dazu nicht kam, sondern stattdessen zum tödlichen Konflikt zwischen Kaiser und patricius, passt die vorliegende Episode stimmig in Prospers generelles Bild verderblicher individueller Ambitionen ein. Die Erklärung, wie es auf Basis des eigentlich hergestellten Einvernehmens nun zu einem solch raschen Umschwung im Verhältnis von Valentinian III. und Aëtius kommen konnte, personalisiert Prosper in der Figur des Heraclius, des kaiserlichen praepositus, der auch in anderen Quellen für das Zerwürfnis des Kaisers mit Aëtius verantwortlich gemacht wird.2 Diese Personalisierung der Gründe für die Verschlechterung des Verhältnisses von Kaiser und patricius trägt dabei den gleichen Mustern Rechnung, wie sie bereits in des Einflusses von Chrysaphius auf Kaiser Theodosius II. zu beobachten gewesen sind.3 Über den Umweg kaiserlicher Berater ließen sich einzelne kaiserliche Maßnahmen kritisieren, ohne den Herrscher an sich

1

Einheirat des Constantius ins Kaiserhaus und Kaisererhebung: c. 1259. 1273. Kampf der Generäle nach dem Tod des Constantius: c. 1278. 1286. 1288. 1294. 1300. 1303. 1310. Da diese Rivalitäten eines der Hauptthemen Prospers sind und Aëtius sich in ihnen letztlich durchgesetzt hatte, gelangt dieses Thema mit der Darstellung des Aëtius-Todes im Konflikt mit Valentinian III. zu einem gewissen Abschluss. 2 Viele Autoren meinen auch, dass es Petronius Maximus gewesen sei, der die Intrigen ge gewiesen: Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,1 (Mariev); Marcell. chron. a. 455,1; Procop. Vand. 1,4,24–8. Zu Petronius Maximus: Komm. zu c. 1375. Zu Heraclius: PLRE 2, 541 (Heraclius 3). 3 Vgl. c. 1361 mit Komm.

324

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

allzu deutlich angreifen zu müssen.1 Prosper folgt diesem Grundmuster antiker Polemik an dieser Stelle jedoch nicht konsequent, sondern distanziert sich zu einem gewissen Grad von der angeblich alleinigen Verantwortlichkeit des Heraclius. So werden die Intrigen des Eunuchen nicht als Faktum dargestellt, sondern mit dem Vorbehalt „wie man glaubte“ eingeleitet. Der Grund für eine solche Distanzierung des Chronisten von den Vorwürfen gegenüber Heraclius liegt auf der Hand: Für das Geschichtsbild Prospers wäre es inadäquat, einer einzelnen Person jegliche Verantwortung für den fatalen Bruch zwischen Valentinian und Aëtius zuzuweisen und die beiden Hauptfiguren damit gewissermaßen zu entschuldigen. In den Augen des Chronisten wares es ja gerade individuelle Eitelkeiten, die dem Gemeinwesen Schaden zufügten.2 Von solchen Eitelkeiten war hier aber eben auch Aëtius betroffen, der mit Macht eine Verschwägerung mit dem Kaiserhaus herbeiführen wollte, genauso wie Valentinian, der eine solche offenbar retardierte. Eine eindeutige Analyse tatsächlicher und zugeschriebener Verantwortlichkeiten wird dadurch erschwert, dass sich hinsichtlich des unmittelbaren Auslösers für den Mord an Aëtius zwei Varianten finden lassen, die beide in der Überlieferung breit bezeugt sind und die im vorliegenden Fall vielleicht beide der Feder Prospers entstammen.3 Während eine längere Variante ihren Schwerpunkt abermals auf die Intrigen des Heraclius legt, der dem Kaiser eine angebliche Aëtius-Verschwörung eingeredet hätte, fokussiert eine kürzere Variante auf Aëtius und dessen Forcierung der vereinbarten Verbindung seines Sohns mit der Kaisertochter. Die Frage nach der Stellung beider Varianten zueinander ist historisch-inhaltlich also kaum zu klären. Muhlberger weist aber darauf hin, dass die Moral in beiden Fällen die gleiche wäre: Statt die notwendige gegenseitige Zuneigung zu fördern, war es zum Konflikt zwischen Kaiser und magister militum gekommen, der

1

Faktisch umgab sich jeder Kaiser mit einem Stab von Ratgebern; trotzdem, oder gerade deshalb, wurde der Vorwurf der „Beeinflussbarkeit“ zur zentralen Eigenschaft „schlechter“ Kaiser. Vgl. am Beispiel Constantiusʼ II.: Klein, Constantius II 68–105. 157 f. 2 Zum Geschichtsbild Prospers zusammenfassend Einl. Kap. 3 Muhlberger, Chroniclers 125. So wie in c. 1259. 1289. 1358. 1375 entscheidet sich Mommsen, Chron. min. 1,483 nicht für eine der Varianten. Für vorliegende Stelle folgt ihm auch Murray, Reader 75, der sich an anderen Stellen seiner Übersetzung (c. 1259. 1358. 1375) stillschweigend für jeweils eine Variante entscheidet.

Kommentar

325

für den einen unmittelbar, für den anderen im folgenden Jahr in die Katastrophe führen sollte.1 Unabhängig von den konkreten Auslösern der nun folgenden Bluttat erwies sich die Beseitigung des Aëtius für Valentinian als heikles Unterfangen. Der patricius war zu einflussreich, als dass der Kaiser ihn einfach seiner Ämter hätte entkleiden können. Ein Prozess gegen ihn kam ebenfalls kaum infrage, da Aëtius, wie Prosper es anklingen lässt, deutlich um Loyalitätsbeweise bemüht war und für einen Prozess daher keine Handhabe bot. So griff Valentinian zu der radikalen Lösung, Aëtius während einer Audienz im Palast umzubringen. Dass der Kaiser dabei eigenhändig an der Tötung mitwirkte, betonen auch andere Quellen. Einige dieser Quellen belegen dabei explizit auch die Beteiligung des Heraclius, während Prosper in seiner Relativierung von dessen Rolle in den beschriebenen Vorkommnissen nur allgemein von „Umherstehenden“ spricht.2 Der Hinweis auf die zeitgleiche Ermordung des praefectus praetorio Boethius schließlich, offenbar ein enger Vertrauter des am Hofe gut verknüpften Aëtius, ist eine Sonderinformation der Chronik.3 [J.K.]

1375 siquidem Vgl. zu c. 1322. ipsius Vgl. zu c. 1247. [M.B.] Die Ausschaltung des Aëtius hatte nun auch Konsequenzen für dessen Mörder, mit dem hier natürlich Valentinian III. gemeint ist. Prosper wertet dessen Verhalten nach dem Mord am patricius im Jahr zuvor als „unklug“ und weist in diesem Zusammenhang vor allem darauf hin, dass der Kaiser sich weiterhin mit den Gefolgsleuten des Getöteten umgeben hatte. Eine

1

Muhlberger, Chroniclers 125. Mommsen, Chron. min. 1,379 spekuliert, dass den Varianten ein längerer Eintrag zugrunde gelegen habe, der im Laufe der Überlieferung verschiedentlich gekürzt worden sei. Vgl. hierzu philol. Komm. 2 Zur Ermordung des Aëtius: Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg Tonn. chron. a. 454 (mit Muhlberger, Edition 242 direkt von Prosper abhängig); Sidon. carm. 5,305 f.; Marcell. chron. a. 454,2; Hyd. chron. 160; Greg. Tur. Franc. 2,8. 3 Zu Boethius: PLRE 2, 231 (Boethius 1). Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um den Großvater des gleichnamigen späteren Theoderich-Beraters.

326

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

konsequente Ausschaltung dieser war Valentinian aber nur schwerlich möglich. Aëtius hatte über Jahre hinweg enge Kontakte bis in die politische Spitze des Reichs gepflegt, womit die Zahl seiner Anhänger für eine breite Verfolgung schlicht zu groß gewesen sein dürfte. Das gleiche galt in Bezug auf die beachtliche militärische Klientel, die Aëtius in seiner langjährigen Rolle als oberster Kriegsherr aufgebaut hatte und die keine besonders ausgeprägte Loyalität zum Kaiser aufwies. Zugleich war der Kaiser nach der Ausschaltung seines Rivalen weiterhin auf die politische und militärische Fachkompetenz einzelner Aëtius-Anhänger angewiesen. Damit war es weniger unklug als kaum vermeidbar, dass sich der Kaiser weiterhin auf bestehende Hierarchien in Verwaltung und Militär stützte. Problematisch war eher, dass Valentinian die inhärente Gefahr dieser Situation offensichtlich nicht ausreichend bedacht hatte, in der sich nichts an seiner strukturellen Schwäche geändert hatte. Hinzu kam, dass der Kaiser in der Sicht der Zeitgenossen wohl auch der charakterlichen Qualitäten zur Ausübung seines Amts ermangelte. Dass Prosper darauf hinweist, dass sich Valentinian im Moment seiner Ermordung dem ludus widmete, während sich das Reich weiterhin in einer prekären Situation befand, macht dies nur allzu deutlich. Da der Staatsstreich des Valentinian also an einer inadäquaten Vorbereitung gekrankt hatte, trifft der von Prosper so häufig bemühte Hauptkritikpunkt an der politischen Führungsschicht des Reichs schlussendlich auch den Kaiser selbst: Die politischen Entscheidungsträger verließen sich hauptsächlich auf ihre eigene Voraussicht, wurden von dieser aber allzu oft verlassen.1 Die Angemessenheit der Wertung, dass der Tod Valentinians die direkte Folge des Todes des Aëtius war, ist also nicht zu bestreiten, immerhin wurde der Kaiser von Gefolgsleuten seines vorherigen Opfers getötet. Zusammen mit dem Kaiser fand Heraclius den Tod, womit es diesem ähnlich erging wie zuvor dem Theodosius-Berater Chrysaphius oder dem mit Aëtius verbundenen praefectus praetorio Boethius.2 Der Hinweis des Chronisten, Heraclius habe proximus zu Valentinian gestanden, verweist dabei nicht bloß auf eine räumliche Nähe zum Kaiser im Moment seiner Ermordung, sondern auch auf das funktionale Nahverhältnis der beiden Akteure. Wie falsch Valen-

1

Ähnlich in c. Heraclius galt den Zeitgenossen als mitverantwortlich für die Entzweiung zwischen Valentinian und Aëtius: c. 1373. Andere Berichte zur Ermordung Valentinians: Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,4 (Mariev); Greg. Tur. Franc. 2,8; Joh. Mal. 360; Iord. Rom. 334. Tod des Chrysaphius: c. 1361; Tod des Boethius: 1373. 2

Kommentar

327

tinian die Machtverhältnisse zuvor eingeschätzt hatte, zeigt sich schlussendlich daran, dass niemand, also auch kein Angehöriger der kaiserlichen Garde, zu seinem Schutz einschritt.1 Auch in der Folge sollte der Mord am Kaiser ungesühnt bleiben. Prosper jedenfalls betont ausdrücklich, dass der kurzzeitige Valentinian-Nachfolger Maximus die Täter nicht bestraft hätte. Vielleicht war dieser Petronius Maximus – patricius, zweimaliger Konsul, ehemaliger praefectus urbi sowie praefectus praetorio Italiae – sogar selbst in den Anschlag verwickelt oder über ihn zumindest informiert.2 Die Frage nach einer Mittäterschaft ist aufgrund der nur spärlichen zeitgenössischen Informationen letztlich aber nicht zu beantworten. Eindeutig ist hingegen, dass Maximus das Machtvakuum nach dem Tod Valentinians, der keinen Erben hinterlassen hatte, nutzte, um sich selbst zum Kaiser aufzuschwingen. Aber auch er konnte sich nicht lange halten, nicht zuletzt deshalb, weil er sich seinerseits wiederum auf die vorhandenen administrativen und militärischen Eliten stützen musste, was seine Position von vornherein schwächte. Selbst die Maßnahmen zur Legitimierung seiner frisch errungenen Herrschaft hatten letztlich destabilisierende Effekte: Während er selbst unmittelbar nach seiner Machtübernahme die Witwe des Valentinian heiratete, vermählte er seinen zum caesar erhobenen Sohn Palladius mit Valentinians Tochter Eudocia.3 Zwar hatte im Osten des Reichs Marcian nur wenige Jahre zuvor seine Stellung als Kaiser mit einer ähnlichen Heiratspolitik stärken können, indem er durch seine Vermählung mit der Theodosius-Schwester Pulcheria an die erloschene Dynastie anknüpfte; sein Vorgänger Theodosius war aber im Unterschied zu Valentinian nicht ermordet worden. Darüber hinaus hatte die neue Gattin Marcians dessen Aufstieg durch die Eheschließung wohl selbst befördern wollen.4 Im Vergleich dazu wirkte das Vorgehen des Maximus problematisch, was dazu führte, dass Zeitgenossen die Legitimität des neuen Kaisers trotz seiner Verbindung zu den Resten des theodosianischen Hauses negativ beurteilten. Als problematisch erwies sich insbesondere die Hochzeit des MaximusSohns mit Valentinians Tochter Eudocia, die bereits Hunerich, dem Sohn 1

Neben Prosper verweist auch Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,4 (Mariev) auf diesen Umstand. 2 Sowohl Procop. Vand. 1,4,24–8 als auch Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,1.3 die Ermordung des Aëtius als auch in die des Valentinian verstrickt war. Zu Maximus und seiner Karriere bis 455: PLRE 2, 749–51 (Petronius Maximus 22). 3 Hyd. chron. 162. 4 Zur Heirat des Marcian in den Quellen: Burgess, Marcian 49–58.

328

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

des Vandalenkönigs Geiserich, zur Ehe versprochen worden war.1 Geiserich bekam durch die Notwendigkeit, die Ansprüche seines Sohns wahren zu müssen, einen Vorwand, Italien anzugreifen und gegen Rom zu ziehen. Sein Verhältnis zum Reich war seit dem Friedensschluss von 442 relativ entspannt gewesen; mit dem Tod Valentinians hatten sich die Bedingungen aber derartig geändert, dass der Vandalenkönig es für angebracht hielt, der neuen Führung des Reichs seine Stärke zu demonstrieren.2 Durch diese Zusammenhänge kann Prosper das Verhalten des Maximus während seiner kurzen Herrschaft also nutzen, um noch einmal darzustellen, wie charakterliche Defizite eines ambitionierten Politikers in die Katastrophe für ihn und das Gemeinwesen führen. Die Nachricht vom Anrücken der Vandalen sorgte in Rom nämlich für eine Panik, die Maximus laut dem Chronisten nicht verhinderte und durch sein Verhalten sogar beförderte. Am Ende versuchte der Kaiser sogar selbst, aus der Stadt zu fliehen, womit er nahezu jeder maßgeblichen Kaisertugend zuwider handelte. Valentinian beispielsweise hatte sich, als er drei Jahre zuvor vor den Hunnen angeblich aus Italien fliehen wollte, letztlich doch noch eines Besseren besonnen und sich in einer weniger schmachvollen Variante lediglich in Rom verschanzt. Die versuchte Flucht unterstreicht also Prospers Sicht von der Unwürdigkeit des Maximus zum Kaisertum. Die Zeitgenossen in Rom dürften dies ähnlich gesehen haben. Als Maximus auf seiner Flucht erkannt wurde, wurde er von der empörten Masse gelyncht und seine Leiche in den Tiber geworfen.3 Der Hinweis auf die mangelnde Bestattung des Kaisers rundet das Bild der Chronik von Maximus ab, der den Angehörigen seines Vorgängers zuvor ebenfalls eine adäquate Trauer um den Verstorbenen verwehrt hatte. 1

Hinweis auf die Verlobung: Prisc. frg. 38,1 (Blockley) = frg. 29 (Dindorf). Wahrscheinlich waren die beiden verlobt worden, als sich Hunerich nach dem Friedensschluss von 442 als Geisel am weströmischen Hof aufhielt. So auch: Vössing, Königreich 53–5. 2 Zur Motivation des Geiserich-Überfalls auf Rom: O’Flynn, Generalissimos 90–2. Sein Einvernehmen mit dem Reich hing maßgeblich am theodosianischen Haus und an Aëtius. In diesem Zusammenhang gewinnt die Information an Gewicht, dass Valentinian nach der Ermordung des Aëtius Gesandte an die barbarischen Völker geschickt hätte: Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,4 (Mariev). An der gleichen Stelle erwähnt Johannes von Antiochia mit aller Vorsicht das Gerücht, dass Geiserich von Eudoxia herbeigerufen worden sei. Vgl. auch Euagr. 2,7; Marcell. chron. a. 455,3; Procop. Vand. 1,4,36–9. Dies ist kaum glaubhaft. So auch Wolfram, Reich 247. 3 Zum Tod des Maximus auch: Marcell. chron. a. 455,1 f.; Ioh. Ant. frg. 293,1 (Roberto) = frg. 224,3 (Mariev); Hyd. chron. 162; Iord. Get. 235; Joh. Mal. 366; Procop. Vand. 1, 5,2. Die konkreten Angaben zu den Mördern des Kaisers variieren zwischen Soldaten des Maximus, den Römern an sich oder sogar Geiserich.

Kommentar

329

In dem Moment, da die politischen Akteure durch ihre charakterlichen Defizite das Gemeinwesen abermals in Gefahr gebracht haben, ist es wieder der auf Gott vertrauende Papst Leo, der die Situation bereinigt. Während Petronius Maximus verantwortlich für den Angriff Geiserichs auf Rom war und darüber hinaus maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Stadt den Vandalen nun wehrlos zu Füßen lag, ist es der römische Bischof, der in dieser Situation das schlimmste Unheil verhindern und Geiserich zumindest davon überzeugen kann, weder die Stadt zu zerstören noch ein Blutbad unter der Bevölkerung anzurichten. Indem Leo also den Vandalenkönig milde stimmt, erweist sich der Papst, wie bei der Italieninvasion Attilas 452, als eigentlicher Beschützer der Stadt Rom. Den Kaisern Valentinian und Maximus war es dagegen nie gelungen, eine entsprechende Rolle auszufüllen. Ungeachtet der von Leo ausgehandelten Plünderungskonditionen war der Preis hoch, den Rom für den vandalischen Verzicht auf Brandschatzung, Mord und Folter zahlen musste. Der Chronist hält es dabei für besonders erwähnenswert, dass Geiserich potentiell nützliche Teile der stadtrömischen Bevölkerung gefangen nahm und nach Karthago führte. Explizit genannt werden in diesem Zusammenhang auch die zweifache Kaiserwitwe Licinia Eudoxia und ihre Töchter. Ähnlich wie 410 Galla Placidia den Westgoten, so fielen nun auch den Vandalen Kaiserin und Prinzessinnen in die Hände. Gerade die Valentinian-Tochter Eudocia war hierbei von Bedeutung, war es doch die Missachtung ihrer Verlobung mit Hunerich, die Geiserich den Vorwand zum Zug gegen Rom gegeben hatte.1 [J.K.]

1376 Der beschriebene Osterterminstreit liegt chronologisch eigentlich vor der vandalischen Plünderung Roms. Muhlberger führt diese finale Durchbrechung der Chronologie darauf zurück, dass Prosper seine Darstellung nicht mit der Rom-Plünderung Geiserichs habe enden lassen wollen, weil dieses Ereignis als apokalyptische Vorausdeutung auf das Ende der Welt hätte gesehen werden können, was aber der konsequent in diesseitigen Deutungskontexten stehenden Darstellungsabsicht des Autors widersprochen hätte.2 Ein solcher Erklärungsansatz blendet aber aus, 1

So wie ursprünglich vorgesehen, heiratete Eudocia bereits im folgenden Jahr Hunerich: Ioh. Ant. frg. 296 (Roberto) = frg. 227 (Mariev); Procop. Vand. 1,5,6. 2 Muhlberger, Chroniclers 126 f.

330

(G 5) Prosper Tiro, Chronik

die Eroberung der Ewigen Stadt durch die Alarich-Goten 410 nicht dergestalt aufgeladen hatte. Darüber hinaus berücksichtigt Muhlbergers Erklärung weder die kirchliche Bedeutung der Osterterminberechnung noch die zentrale Rolle, die der Papst in der Chronik spielt. Die Funktion des Eintrags ist daher nicht primär die, der Eroberung Roms durch die Vandalen überhaupt noch einen Eintrag hinzuzufügen, sondern zum Ende der Chronik auf die kirchliche Entwicklung im Allgemeinen und auf Papst Leo im Speziellen zurückzukommen. Wie im Jahr 444 kam es auch für das Jahr 455 zu einem Osterterminstreit, über den Prosper diesmal vergleichsweise detailliert berichtet. Dass der Gegner Leos mit Proterios von Alexandria dabei ein Bischof war, der dogmatisch eigentlich römischer Parteigänger war und mit dem tomus Leonis implizit einen römischen Lehrprimat anerkannt hatte, zeigt, dass die regelmäßigen Spannungen beider Städte bezüglich des Ostertermins weitgehend unabhängig von sonstigen theologischen Positionierungen waren.1 Der Kern des Konflikts lag vielmehr im alexandrinischen Selbstverständnis, Führer der östlichen Christenheit zu sein.2 In der Frage des Ostertermins richteten sich die östlichen Kirchen trotz des römischen Protests auch diesmal nach dem Bischof von Alexandria. Wie 444 blieb Leo nichts anderes übrig, als der alexandrinischen Terminberechnung widerwillig zuzustimmen, wollte er nicht eine maßgebliche liturgische Brücke der kirchlichen Ökumene abbrechen. Genau dieses Argument führt auch Prosper zur Rechtfertigung des leonischen Nachgebens gegenüber dem alexandrinischen „Starrsinn“ an. Vielleicht weist der Bericht des Chronisten damit implizit auch darauf hin, dass die Nachgiebigkeit des Papstes keineswegs allgemein gutgeheißen worden war. Tatsächlich aber wäre ein Festhalten der westlichen Kirche unter Führung Roms an der eigenen Terminberechnung theologisch kaum weniger problematisch gewesen als die Verlegung des Osterfestes auf den östlichen Termin.3 Um das Einlenken Leos nun wenigstens etwas zu relativieren, berichtet Prosper vom scharfen Protest, den der Papst gegen die Handhabung des 1

Zur „Rechtgläubigkeit“ des Proterios vgl. entsprechende Äußerungen des Leo: Leo M. epist. 127. 130. 2 Zur Stellung des ägyptischen Patriarchats in der Kirche: Blaudeau, Pierre et Marc 578– des Ostertermins vgl. Komm. zu c. 1352. Spezieller Streit 455: Strobel, Osterkalender 41. 3 Als Papst Symmachus im Jahr 501 Ostern an einem anderen Termin feierte als die östliche Kirche, erwies sich dies als Stein des Anstoßes für die Erneuerung des römischen Symmachus-Laurentius-Schismas von 498/99: Frg. Laurent. 44,20–6.

Kommentar

331

Ostertermins erhoben hatte und der sich in verschiedenen Briefen an Kaiser Marcian äußerte.1 Dass der Papst seine Schreiben in dieser theologischen Frage ausgerechnet an den Kaiser richtete, war einer spezifisch reichskirchlichen Grundproblematik geschuldet: Im Konflikt mehrerer patriarchaler Großkirchen untereinander war es in letzter Instanz nur die kaiserliche Macht, die den Ausschlag zugunsten der einen oder der anderen Seite geben konnte. Auch wenn verschiedene kirchliche Akteure, nicht zuletzt Leo und Prosper, ein kritisches Bewusstsein für das Problem kaiserlicher Interventionen in kirchliche Belange aufwiesen, kamen sie doch niemals umhin, anzuerkennen, dass einzig der Kaiser der Kirche wirksame Durchsetzungsinstrumente zur Verfügung stellen konnte. Aus diesem Grund hielt Prosper seine latente Kritik am staatlichen Übergreifen auf die Kirche auch nicht konsequent durch, was sich hier oder auch in c. 1361 f. zeigt. Aus genau solchen Gründen blieb das Problem einer allgemein akzeptierten Definition der kaiserlichen Rolle in der Kirche die gesamte Spätantike über ungeklärt. Allen Akteuren war bewusst, dass der Kaiser de facto immer ein entscheidender Faktor in der Durchsetzung theologischer Anliegen bleiben musste.2 [J.K.]

1

Mommsen, Chron. min. 1,485 Anm. 1 identifiziert diese Briefe als Leo M epist. 121 (15. Juni 453). 137 (29. Mai 454). 142 (13. März 455). 2 Hierzu Kötter, Suche 8–20.

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Einleitung I. Handschriften und Überlieferung Beim sogenannten Laterculus regum Vandalorum et Alanorum handelt es sich um Bruchstücke einer Chronik des Vandalenreichs.1 Diese Bruchstücke sind in folgenden Handschriften überliefert: Rp = Parisinus 4860, 10. Jh., von Mommsen als Kopie eines als Augiensis bezeichneten Codex aus dem 9. Jh. identifiziert; Steinacher weist dies im Einklang mit der neueren Forschung zurück und verlegt die Entstehung des Parisinus selbst in die Mitte des neunten Jahrhunderts auf die Reichenau.2 Rv = Augustanus Vindelicorum 223, 15. Jh., für Mommsen eine weitere Abschrift des Augiensis, für Steinacher aus dem Parisinus stammend. Die Abweichungen zum Parisinus sind in der Tat nur gering, eindeutige Trennfehler finden sich nicht. Dasselbe gilt für die Prosper-Überlieferung in Parisinus und Augustanus.3 Wir folgen daher Steinacher in der Bewertung des Augustanus als descriptus und berücksichtigen ihn nicht bei der Textkonstitution. Da aber einige Lesarten des Augustanus die richtige grammatische Form bzw. Zahl bieten4, werden diese Varianten im textkritischen Apparat angeführt. Anders als Mommsen bezeichnen wir mit Augiensis im Folgenden also allein die Recensio des Parisinus. M = Matritensis univ. 134, frühes 13. Jh. (= Z in der vorausgehenden Prosper-Edition [KFHist G 5]).

1

Neuere Editionen bieten Mommsen, Chron. min. 3,456–60, der auch den Namen prägt, und Steinacher, Laterculus (2004) 165 f. (nach dem Parisinus), 167 f. (nach dem Matritensis). Ein Vorzug der mehr oder weniger diplomatischen Editionen, die Steinacher bietet, liegt in der besseren Einbettung in den originalen Überlieferungskontext. Zu unterscheiden ist zwischen den überlieferten Bruchstücken des Laterculus einerseits und der verlorenen gemeinsamen Texttradition – im Folgenden als „vandalische Königschronik“ bezeichnet – andererseits. 2

ben dem Bibliothekskatalog des Reginbert spricht vor allem der paläographische Befund dafür, die Hs. auf die Reichenau zu lokalisieren. 3 Zur Beschreibung von R: Kap. IV.2 der Prosper-Einl. im vorliegenden Band. 4 Bspw. in A 13 f.

336

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

O = Osmensis, heute verloren; einer älteren Abschrift gemäß nicht grundlegend verschieden vom Matritensis.1 Die handschriftliche Überlieferung lässt sich auf zwei Überlieferungsstränge aufteilen: Dem kürzeren Text im Matritensis steht die längere Rezension im Augiensis (Parisinus) gegenüber. Deutlich erkennbar wird dadurch, dass die den Bruchstücken zugrunde liegende vandalische Königschronik im Laufe der Überlieferung verschiedentlich umgestaltet wurde. Dies geschah mit einer solchen Ungleichmäßigkeit, dass sich die beiden Stränge inhaltlich erheblich voneinander unterscheiden. Dass sie aber beide Zeugen einer gemeinsamen Ursprungstradition sind, belegen jeweils korrespondierende Einträge und Detailinformationen unzweifelhaft.2 Bereits Mommsen hat sich daher entschlossen, sie in seiner Edition einander gleichberechtigt gegenüberzustellen. Steinacher gibt ebenfalls beide Stränge; auch im vorliegenden Band soll nicht anders verfahren werden. Da die Stellenzählung in diesem Band der Zählung bei Mommsen folgt, wird die Rezension von R – hier maßgeblich der Parisinus – im Folgenden wie bei ihm als A(ugiensis), die Rezension, die durch M und O repräsentiert wird, als H(ispani) bezeichnet.3 Der Laterculus findet sich sowohl im Codex Parisinus 4860 als auch im Codex Matritensis 134 im Kontext chronologischer Quellen im weitesten Sinne. Während der Parisinus mehrere Chroniken, naturwissenschaftliche Erörterungen und komputistische Hilfsmittel zusammenstellt, finden sich im Matritensis chronistische und theologische Werke vereint. Im Codex Augustanus werden die Chroniken von Hieronymus und Prosper zusammen mit der Fredegar-Chronik überliefert.4 Die Inhalte der Codices legen also

1

Abschrift ediert bei Villanueva, Viage 3 203. 306 (vgl. Mommsen, Chron. min. 2,8. 3,456). 2 Daneben findet sich in beiden Strängen nach der Herrschaft des Thrasamund eine Komputation. Zum Verhältnis beider Stränge zueinander und zur vandalischen Königschronik vgl. Kap. III.2. 3 Dass die von Steinacher zurückgewiesene These Mommsens vom verlorenen Augiensis (s. o.) damit Eingang in die Benennung der einzelnen Abschnitte findet, ist in Kauf zu nehme kürzung der Zeichen im Apparat vgl. einerseits Kap. IV.5 der Prosper-Einl., andererseits die Siglen-Liste zu Prosper, jeweils im vorliegenden Band. 4 Zur Beschreibung der Hss.: Kap. IV.2 der Prosper-Einl. im vorliegenden Band (M dort unter der Sigle Z).

Einleitung

337

nahe, dass es sich bei dem Text, dessen Bruchstücke der Laterculus überliefert, selbst um eine Chronik handelte.1 Im Parisinus folgt der Laterculus auf die durch fremde Zusätze bis ins Jahr 457 erweiterte Chronik Prospers (fol. 49v) und wird durch die Erwähnung des Konsuljahres der Karthago-Eroberung durch die Vandalen an diese angeschlossen (A 2). Im Matritensis ist der Laterculus (fol. 47v) Teil einer längeren, in sich geschlossenen Chronik, die auf fol. 42r–47v hauptsächlich aus Prosper schöpft. Die Fragmente der vandalischen Königschronik folgen hierbei, abgegrenzt durch eine Komputation, wiederum der Prosper-Chronik, die diesmal in Form einer Epitome begegnet.2 Allein diese Anschlüsse an Prosper zeigen, dass der Laterculus nur schwerlich ein eigenständiges Werk darstellt. Zumindest in seiner überlieferten Form ist er nicht von der Chronik des Galliers zu trennen. Auch die dieser Überlieferung zugrunde liegende vandalische Königschronik war wahrscheinlich bereits als Fortsetzung Prospers gestaltet, will man es nicht bloßem Zufall zuschreiben, dass beide Überlieferungsstränge die Fragmente dieser Chronik direkt an Prospers Chronik anhängen.3 Augiensis und Matritensis bezeugen damit die Rezeption, Nutzung und Aneignung der Prosper-Chronik auch in Africa.4

II. Eigenständiger Wert Der Laterculus regum Vandalorum et Alanorum ist in seiner Überlieferung nicht von Prosper zu trennen. Zumindest die Kompilatoren der Codices im 1

Ausführliche Handschriftenbeschreibungen: Steinacher, Laterculus (2001) 6–24; Steinacher, Laterculus (2004) 164 f. 166 f. Die Übergänge von reinen Königslisten und „echten“ Chroniken müssen als fließend verstanden werden, vgl. dazu Einl. zu den Consularia Constantinopolitana, die als KFHist G 1 Teil des vorliegenden Projekts sind. Über den Inhalt der ursprünglichen vandalischen Königschronik lässt sich über die Herrscherliste hinausgehend wenig Definitives sagen: Kap. III.2. 2 Im Falle des Matritensis ist die Anknüpfung an Prosper auch insofern enger, als das Sondergut, das hier in der Prosper-Epitome begegnet, wohl ebenfalls aus africanischem Umfeld stammt, mutmaßlich also den gleichen Überlieferungszusammenhängen entspringt wie der Laterculus. Mommsen hat dies dazu veranlasst, in seiner Edition zwei Angaben aus der Epitome (H 1 und H 2) dem Laterculus zuzuschlagen. H 2 übernehmen wir wegen der inhaltlichen Parallelität zu A 2, H 1 scheiden wir aus. 3 Vgl. hierzu Kap. II. 4 Zu den africanischen Rezensionen von Prospers Chronik, die u. a. durch Interpolationen und Fortsetzungen in den Hss. R und M bzw. Z greifbar sind, vgl. Kap. IV.4 der ProsperEinl. im vorliegenden Band.

338

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

9. und im 13. Jahrhundert haben den Text nicht als eigenständig aufgefasst, sondern als Fortsetzung der Prosper-Chronik, die diese durch Informationen zum vandalischen Africa ergänzte. Diese enge Verknüpfung beider Quellen zeigt sich in gemeinsamen chronologischen Rahmendaten. Dies betrifft weniger die Angabe zur Eroberung Karthagos durch die Vandalen am 19. Oktober 439, die von vielen zeitgenössischen Quellen überliefert wird und damit sicherlich nicht als Sondergut Prospers gelten kann.1 Dezidiert auf Prosper verweisen hingegen die verschiedenen Komputationen im Augiensis. So bezieht sich A 22 in der Datierung Adams eindeutig auf die Chronologie Prospers.2 Auch die Bezugnahme auf den Herrschaftsantritt von Kaiser Avitus 455 (A 13) und auf den Tod des Valens in der Schlacht bei Adrianopel 378 (A 14 und A 21) ist einer solchen Verknüpfung geschuldet, markieren diese beiden Daten doch Ausgangs- und Endpunkt von Prospers eigenständiger Geschichtsdarstellung. Ähnlich eindeutig auf Prosper zu beziehende Angaben finden sich im Matritensis nicht, verweist die zu A 13 f. analoge Stelle H 13 doch lediglich auf die Eroberung Karthagos durch Geiserich. Damit gehen die ProsperBezüge im Augiensis (A 13 f. und A 21 f.) erst auf den Kompilator dieses Überlieferungsstranges zurück. Der Kompilator des Matritensis hingegen erreichte eine ähnliche Verknüpfung durch die Ergänzung der Prosper-Epitome um africanische Detailinformationen.3 Damit ist die mangelnde Eigenständigkeit auch in diesem Überlieferungsstrang ersichtlich. Aber nicht nur die in Augiensis und Matritensis bewahrten Bruchstücke der vandalischen Königschronik müssen offensichtlich als Fortsetzung Prospers gelten, sondern – bei aller gebotenen Vorsicht – bereits die ursprüngliche Chronik selbst. Dieser Schluss liegt schon deshalb nahe, weil beide Überlieferungsstränge ihre Fragmente unabhängig voneinander an

1

Vgl. für das Tagesdatum u. a. Hyd. chron. 115. Das Jahr 439 mit leicht abweichendem Tagesdatum (23. Oktober) bezeugt Marcell. chron. 439,3. Das Chron. pasch. a. 439 nennt neben dem Jahr den Monat. Außer in den Anschlüssen A/H 2 bezieht sich der Laterculus auch in H 13 und A 20 auf die Eroberung Karthagos am 19. Oktober 439. 2 Prosp. chron. 1318 errechnet von Adam bis ins Jahr 433 eine Summe von 5634 Jahren. Dass die in A 22 angegebenen 5733 Jahre damit nur ins Jahr 532, nicht aber korrekterweise ins Jahr 533 führen, entwertet den grundsätzlichen Befund einer mit Prosper geteilten Chronologie nicht. Vgl. hierzu unten Kap. IV. 3 Wenn die im Matritensis erhaltene Komputation zur Abgrenzung der Prosper-Epitome vom Laterculus aus der Zeit Thrasamunds stammt (vgl. S. 339 Anm. 1), können auch die Zusätze in der Prosper-Epitome bereits auf die ursprüngliche vandalische Königschronik zurückgehen.

Einleitung

339

Prosper-Versionen anschließen. Vor allem aber die Komputation, die im Matritensis den Laterculus von der Prosper-Epitome abgrenzt, weist deutlich in eine solche Richtung, da sie zusammen mit H 13 in der Zeit um 523 entstanden ist und damit zum ursprünglichen Bestand der Königschronik gehören dürfte.1 Der Wechsel der Datierungsmethode von der einen zur anderen Quelle – statt der von Prosper verwendeten Konsuldatierung nutzt die vandalische Königschronik eine Herrscherdatierung –, kann nicht gegen eine solche Zusammengehörigkeit beider Texte ins Feld geführt werden, da dieser Wechsel hauptsächlich praktische Gründe gehabt haben dürfte. Da die Datierung nach Herrscherjahren im Vandalenreich die offizielle Datierungsmethode war, hätte die Verwendung einer anderen Methode den Gebrauchswert einer Chronik dieses Reichs zumindest in Africa gemindert. Der Anschluss an eine auf Konsuln aufbauende Reichschronologie wird außerdem durchaus sichergestellt. So verknüpft A 2 beide Datierungsvarianten durch die Angabe des Konsulpaars für das Jahr der Eroberung Karthagos. Die Herrscherdatierung und die damit in Zusammenhang stehenden detaillierten Angaben zu den Regierungszeiten der einzelnen Könige – im Augiensis sogar auf den Tag genau – haben dazu geführt, dass die Forschung die vandalische Königschronik als Rest urkundlicher Überlieferung identifiziert hat und deshalb den Informationen des Laterculus ein besonderes Gewicht zugestand. Eine solche zum Beispiel von Schmidt oder Courtois postulierte Nähe zum Urkundenwesen ist zwar keineswegs auszuschließen; mit Steinacher ist aber auch nicht endgültig zu beweisen, dass das chronologische Gerüst tatsächlich unmittelbar vandalischen Kanzleien entstammte.2 Implizit befördert wurde eine solche Sicht nicht zuletzt durch Mommsens Edition des Laterculus fernab der Prosper-Chronik, die den Text aus seinen literarischen Ursprungszusammenhängen löste und damit – genauso wie die für die Fragmente gewählte Bezeichnung Laterculus – eine assoziative Nähe des Texts zur dokumentarischen Quellengattung der Herrscherlisten evozierte.3 Zwar stellt eine solche Herrscherliste unbestreitbar das chronologische Grundgerüst der vandalischen Königschronik dar; dass sie 1

Der Wortlaut von H 13 (ac sic agitur hodie LXXXIIII annus ab ingressu Carthaginis) deutet auf eine Entstehung der Stelle unmittelbar nach dem Tod des Thrasamund. Da dieser Ausgangspunkt von der einleitenden Komputation aufgenommen wird (colliguntur a principio mundi usque ad novissimum annum Trasamundi anni VDCCVIII (2004) 167]), scheint es plausibel, diese ebenfalls als Teil der Ursprungsquelle zu sehen. 2 Steinacher, Laterculus (2004) 169. Vgl. Schmidt, Wandalen 194 und Courtois, Vandales 405. 3 So zumindest Steinacher, Laterculus (2001) 3; Steinacher, Laterculus (2004) 163. 169 f.

340

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

aber auch der eigentliche Zweck der Darstellung gewesen sein muss, ist damit nicht gesagt. Genauso wenig muss die Abfolge der einzelnen Könige offiziellen Dokumenten entnommen worden sein. Die bloße Verwendung einer Herrscherdatierung an sich erzwingt jedenfalls nicht den Schluss, dass offizielle Quellen als Grundlage der Königschronik gedient haben müssen. Freilich ist es so, dass die Angaben zu Herrschaftsdauern der offiziellen Datierungsweise im vandalischen Africa entsprechen. Im Gegensatz zu anderen germanischen Königreichen wurde hier das römische Konsuljahr von vornherein nicht in die offizielle Jahreszählung übernommen. Die beiden bei Victor von Vita überlieferten Edikte Hunerichs belegen, dass der Jahresbezeichnung im Vandalenreich die Herrschaftsdauer des regierenden Königs zugrunde lag.1 Aber auch andernorts begann im fünften Jahrhundert eine entsprechende Datierungsmethode die römische Konsuldatierung abzulösen, zumindest aber ihr an die Seite zu treten.2 Insofern ist die Datierung nach Herrschaftsdauern mitnichten ein Spezifikum der vandalischen Königschronik: Bereits die anonymen gallischen Chroniken von 452 und 511 nutzten Herrscherjahre als chronologisches Grundgerüst, obwohl in ihrer Entstehungsregion weiterhin die Konsuldatierung offizielle Datierungsmethode gewesen sein dürfte. Trotz dieser Datierungsweise stehen die beiden gallischen Chroniken aber nicht im Ruf, urkundliches Material zu überliefern und dadurch exzeptionell genaue Informationen zu bieten.3 Eine faktische Nutzung von Urkunden durch die Königschronik soll damit gar nicht bestritten werden. Die detaillierte Genauigkeit der Angabe von Herrschaftsdauern gerade in der Augiensis-Variante spricht mithin sogar für die Verwendung offiziellen oder zumindest offiziösen Materials, nicht zuletzt auch deshalb, weil die einzelnen Angaben im Bezug zueinander chronologisch stimmig sind. Aus der Quelle selbst heraus ist diese Vermutung jedoch nicht zu belegen. Vor allem aber sagt eine vermutete Genauigkeit des chronologischen Rahmens nichts über die Qualität sonstiger Informationen aus, zumal angesichts der Überlieferungslage im Einzelfall unklar bleiben 1

Vict. Vit. 2,39; 3,4.12. Zur ausschließlichen Verwendung des Herrscherjahrs im vandalischen Africa auch Fichtenau, Datierungen 189; 192 f.; Heuberger, Reichskanzlei 93–104. 2 Vgl. hierzu Fichtenau, Datierungen 195; Steinacher, Laterculus (2004) 170 f.; Wolfram, Reich 241 f. 3 Sowohl inhaltlich als auch chronologisch dürfte im Hinblick auf die Chroniken von 452 und 511 (Mommsen, Chron. min. 1,615–66; beide Werke als KFHist G 7 und G 8 Teil des vorliegenden Projekts) eher das Gegenteil der Fall sein. Vgl. auch Steinacher, Laterculus (2004) 170 f.

Einleitung

341

muss, ob diese Angaben überhaupt Teil der ursprünglichen Königschronik waren oder nicht.1

III. Entstehung 1. Entstehungszeit und Entstehungsort der Königschronik Während über die Genese der beiden greifbaren Überlieferungsstränge zumindest hinsichtlich der konkreten Entstehungszeit Unklarheit herrschen muss2, lassen sich über Entstehungszeit und Entstehungsort der ursprünglichen Königschronik genauere Aussagen treffen: Es steht außer Zweifel, dass die Königschronik in zwei Stufen abgefasst wurde, einmal Mitte der 520er Jahre nach dem Tod König Thrasamunds, einmal nach dem Ende des Vandalenreichs 533. Als Entstehungsort lässt sich mit Vorsicht Karthago vermuten. Terminus post quem für die Abfassung der zweiten und endgültigen Stufe der Königschronik ist das Frühjahr 534, in das die in H 19 beschriebene Gefangennahme des letzten Vandalenkönigs Gelimer durch den oströmischen Feldherrn Belisar fiel. Dieses Ereignis ist das späteste im Laterculus berichtete und dürfte mit einiger Sicherheit Teil der ursprünglichen Quelle gewesen sein.3 Ihm schloss sich dem Zeugnis des Augiensis gemäß noch eine abschließende Komputation an (A 20–22). Auch diese geht vom Ende des Vandalenreichs aus, das hier auf den Tag der Landung Belisars in Africa, den 30. August 533, datiert wird.4 Offensichtlich entstand eine erste Stufe der ursprünglichen Königschronik aber bereits nach dem Tode Thrasamunds im Jahr 523. Beide Stränge des Laterculus geben mit der vom Todesjahr Thrasamunds ausgehenden Komputation (A 13 f., H 13) einen Hinweis auf eine solche Version. Papencordt deutete diese chronistische Zwischenzählung als Abschluss einer ers-

1

Vgl. hierzu unten Kap. III.2. So oder so ist mit Steinacher, Laterculus (2004) 168 f. festzuhalten, dass die Aufnahme präziser Daten prinzipiell auch ohne die Verwendung von Urkunden möglich ist. 2 Dies gilt insbesondere für die Passagen zur vandalischen Katholikenverfolgung in A 5 f. und A 16. Vgl. dazu unten Kap. III.2. 3 Vgl. dazu unten Kap. III.2. Falls H 19 doch erst nachträglich in die Quelle gelangt sein sollte – was nicht auszuschließen ist, da die entsprechende Stelle im Augiensis fehlt –, so würde sich der Terminus post quem um ein Jahr nach vorn auf 533 verschieben. 4 Zu den unterschiedlichen Daten für das Ende des Vandalenreichs vgl. unten Kap. IV.

342

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

ten Stufe der Königschronik. Dagegen wollte Holder-Egger in ihr kein Zeichen einer abgeschlossenen Editionsstufe sehen, sondern lediglich die Kennzeichnung eines Abschnittsendes innerhalb der Chronik: Die Restituierung kirchlicher Rechte unter Hilderich sei für den katholischen Autor der Grund gewesen, innerhalb seines Werks eine neue Ära beginnen zu lassen.1 Die Komputation hätte diese neue Ära dann von der alten Ära der Katholikenverfolgung abgegrenzt. Sowohl Papencordt als auch Holder-Egger argumentieren aber ausschließlich auf Grundlage des Augiensis-Textes. Damit wäre die Frage nach einer oder zwei Redaktionsstufen der Königschronik in der Tat kaum zu beantworten. Erst der Text des Matritensis liefert Gewissheit zugunsten der Überlegungen Papencordts, wird hier die Komputation doch mit den Worten ac sic agitur hodie eingeleitet (H 13).2 Der Herkunftsort der Königschronik ist eindeutig Africa. Es wäre fraglich, welches Interesse ein nichtafricanischer Autor an der Abfolge vandalischer Könige hätte haben sollen. Abgesehen davon weisen die Zusätze zur Prosper-Epitome im Matritensis auf die africanische Provenienz der Ursprungsquelle: Die Zusätze bieten zumeist Africa betreffende Sonderinformationen und sind damit wahrscheinlich schon beim Anschluss der Königschronik an Prosper in dessen Text gelangt.3 Weniger sicher hingegen ist die weitere Eingrenzung des Entstehungsortes auf die africanische Hauptstadt Karthago. Zwar sind die Hinweise auf diese Stadt im Text relativ zahlreich, im Einzelfall allerdings keineswegs sonderlich stichhaltig. Wenn beispielsweise im Matritensis bei jedem Thronwechsel explizit betont wird, dass der jeweils neue Herrscher in Karthago regierte (H 4. 7. 12. 15), so spiegelt das in erster Linie nur die zentrale Bedeutung der Hauptstadt für das vandalische Reich, nicht aber zwangsläufig auch die Herkunft der Quelle.4 Ganz ähnlich kann sich die Erwähnung der karthagischen Bischöfe Eugenius (A 5, 8 f.) 1

Papencordt, Herrschaft 358; Holder-Egger, Untersuchungen 47. Die von Holder-Egger unterstellte Funktion der Zwischenzählung entspräche derjenigen in Prosp. chron. 1339 nach dem Bericht über die Eroberung Karthagos, die dort ebenfalls keinen Abschluss der Chronik kennzeichnet. 2 Auch die dem Laterculus im Matritensis vorausgehende Komputation bezieht sich auf den novissimus annus Trasamundi. Holder-Eggers Argumente werden zusätzlich dadurch geschwächt, dass fraglich ist, ob die Konzentration auf das Schicksal der katholischen Kirche überhaupt Teil der ursprünglichen Chronik war oder nicht vielmehr erst durch den Kompilator des Augiensis acher, Laterculus (2004) 172 f. 3 Vgl. Steinacher, Laterculus (2004) 167. 4 Die Eroberung Karthagos stellte überhaupt erst den Beginn der Herrscherdatierung dar, in deren Rahmen nun im Matritensis immer wieder auch der Name der Stadt auftaucht.

Einleitung

343

und Bonifatius (A 16) aus der suprametropolitanen Bedeutung dieser Bischöfe für die gesamte africanische Kirche erklären. Hinzu kommt, dass es fraglich ist, ob die die Kirche betreffenden Informationen im Augiensis überhaupt Teil der ursprünglichen Königschronik waren, was auch die Aussagekraft der – wohl Ortskenntnis voraussetzenden – Hinweise auf die religiöse Topographie Karthagos in A 8 und vor allem in A 16 mit einem Fragezeichen versehen muss. Nichtsdestotrotz darf von der karthagischen Provenienz der Königschronik ausgegangen werden – und sei es nur deshalb, weil die Herstellung einer solch genauen Chronologie der Vandalenkönige, wie sie im Augiensis begegnet, kaum außerhalb des Hauptverwaltungssitzes des Königreichs vorstellbar ist.1 2. Verhältnis der Überlieferungsstränge Bei der Klärung der Entstehung der überlieferten Texte ist streng zwischen den beiden von Mommsen edierten Chronik-Resten und der ursprünglich dahinter stehenden vandalischen Königschronik zu unterscheiden. Zwar ist klar, dass die beiden Laterculus-Texte auf eine gemeinsame ältere Texttradition zurückgehen; weder über den genauen Inhalt dieser Texttradition an sich noch über die Entstehung der in Augiensis und Matritensis vorliegenden Rezensionen lässt sich jedoch Verlässliches sagen.2 Die vandalische Königschronik beinhaltete sicherlich die im Laterculus bewahrten Angaben zu Abfolge und Herrschaftsdauer der vandalischen Könige. Die Parallelität der Überlieferung dieser Informationen in beiden Rezensionen lässt keinen anderen Schluss zu (A/H 3, 4, 7, 12, 15, 17). Das gleiche gilt dementsprechend auch für die Komputation nach dem Tod des Thrasamund (A 13 f., H 13). Dass jeweils beide Stränge das Jahr 523 in einen weiten chronologischen Rahmen einbetten, legt nahe, dass die ursprüngliche Königschronik hier ebenfalls einen Bruch aufwies. Muss dieser Umstand an sich als unstrittig gelten, so ist über die konkrete Ausgestaltung dieses Bruchs in der ursprünglichen Chronik hingegen keine letztgültige Klarheit zu erlangen, da Augiensis und Matritensis nämlich nicht die gleichen chronologischen Ankerpunkte wählen. Während der Matritensis auf die Eroberung Karthagos durch Geiserich 439 zurückrechnet, verknüpft der

1

Königschronik: Kap. II. 2 Steinacher, Laterculus (2004) 174: „The versions from Paris and Madrid derive from the same sixth-century African textual tradition. This does not imply a canonical or fixed text.”

344

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Augiensis das Ende Thrasamunds mit den Jahren 378 und 455. Will man nicht davon ausgehen, dass beide Varianten bereits in der ursprünglichen Quelle auftauchten und von den Kompilatoren lediglich unterschiedlich gekürzt worden sind, so dürfte der Variante des Matritensis der Vorzug zu geben sein, da das Jahr 439 für die vandalische Königschronologie relevanter ist als der Tod des Valens 378 oder der Herrschaftsantritt des Avitus 455. Die Wahl der beiden letzten Daten verrät deutlich das Bemühen des Augiensis, die Chronikfragmente an Prosper zu binden.1 Ganz ähnlich wäre dann davon auszugehen, dass in der abschließenden Komputation im Augiensis zumindest die Stellen A 21 und A 22 sekundär sind, da sie sich beide auf Referenzdaten beziehen, die die Quelle wiederum mit Prosper verknüpfen. A 20 hingegen nimmt den chronologischen Ankerpunkt aus H 13 auf, die Eroberung Karthagos durch Geiserich, und ist damit vermutlich Teil der ursprünglichen Königschronik.2 Allein aus Gattungsgründen wäre ein solcher Abschluss für die ursprüngliche Chronik zu erwarten. Ebenfalls als Teil der Ausgangsquelle darf der in H 19 überlieferte Bericht über die Eroberung des Vandalenreichs durch Belisar gelten. Dieser wird zwar nur vom Matritensis bewahrt, ist als Abschluss der vandalischen Königsgeschichte aber so eng auf die sicher aus der Königschronik stammende Herrscherliste bezogen, dass von einer abweichenden Herkunft der Information kaum ausgegangen werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Augiensis-Variante die Eroberung Karthagos zwar nicht eigens erwähnt, sie aber zur Grundlage der Berechnung in A 20 macht.3 Mehr lässt sich über den Inhalt der gemeinsamen Texttradition kaum sagen. Über die oben genannten Informationen hinausgehende Inhalte können für die Königschronik jedenfalls nicht mit Sicherheit postuliert werden. Vielleicht erschöpfte sich der Bericht tatsächlich im bloßen Skelett einer Königschronologie. Sollte die africanische Chronik ähnlich informativ ge-

1

Der Matritensis hingegen stellt diesen Anschluss über die inhaltliche Verknüpfung mittels einer Komputation zwischen Prosper-Epitome und Laterculus her. 2 Dass A 21 genauso wie A 22 ins Jahr 532 führt (vgl. Kap. IV), A 20 hingegen korrekterweise ins Jahr 533, spricht ebenfalls dafür, eine unterschiedliche Herkunft von A 20 einerseits und A 21 um nachträgliche Berechnungen handeln. 3 Über die Gründe des möglichen Ausfalls der Information von H 19 im Augiensis lässt sich nur spekulieren. Vielleicht ist sie bereits bei der ersten Trennung beider Stränge versehentlich verloren gegangen.

Einleitung

345

wesen sein wie beispielsweise die etwa zeitgleiche anonyme gallische Chronik von 511, so ist allenfalls mit wenigen Ergänzungen zu rechnen.1 Dass es sich bei möglichen Ergänzungen um diejenigen Berichte zur Katholikenverfolgung handeln sollte, die der Königschronologie im Augiensis zur Seite gestellt sind (A 5 f. 8–10. 16), ist zumindest fraglich. Der Umstand, dass diese Berichte lediglich in einem Überlieferungsstrang begegnen, bedeutet entweder, dass sie aus dem anderen Strang herausgekürzt wurden, oder aber, dass sie erst im Laufe der Überlieferung überhaupt in den Strang des Augiensis Eingang gefunden haben. Steinachers Vergleich des Augiensis-Textes mit anderen zeitgenössischen Quellen legt letzteres zumindest für die Berichte in A 5 f. und A 16 nahe: Geht man davon aus, dass die Hauptquelle dieses Sonderguts die Chronik Victors von Tunnuna war, die nach 567 geschrieben wurde, so können diese Berichte kein genuiner Teil der Königschronik gewesen sein.2 Anders verhält es sich allenfalls mit den Angaben in A 8–10, die in die Herrscherchronologie der Königschronik eingebettet sind. A 10 gibt, ähnlich wie für die Herrschaft der einzelnen Könige, eine auf den Tag genau berechnete Dauer der Verfolgung an. Diese Angabe kann daher, anders als die detaillierten kirchengeschichtlichen Berichte im Augiensis, durchaus Teil der Ursprungsquelle gewesen sein. Dieser Befund deckt sich mit der Feststellung, dass beiden Überlieferungssträngen zwar die gleiche Text-Tradition zugrunde liegt, keineswegs aber der gleiche Text. Offensichtlich haben sich beide Varianten in der Überlieferung vergleichsweise früh getrennt, wodurch sich ihre Verwandtschaft hauptsächlich auf die gemeinsame Verwendung der vandalischen Königsliste beschränkt. Somit ist auch festzuhalten, dass der Matritensis-Text keine Schwundstufe des Augiensis darstellt, nicht aus diesem geschöpft hat. Beide Varianten dürften nicht einmal direkt auf einen identischen Text zurückgehen, den sie dann in unterschiedlichem Maße verkürzten. Wahrscheinlich verwendeten beide Stränge verschiedene Vorlagen, die ihrerseits bereits nicht mehr mit der ursprünglichen Königschronik identisch waren. Ein Indiz dafür sind sowohl die unterschiedlich konstruierten Verwandtschaftsangaben in A/H 7 und 12 als auch, unter Vorbehalt, der Verzicht des 1

Beide Quellen ähneln sich immerhin in ihrer Datierungsmethode, in ihrer Entstehungszeit und in ihren Entstehungskontexten. Zur gallischen Chronik von 511 vgl. S. 340 Anm. 3. 2 Zur Verwendung Victors von Tunnuna vgl. Steinacher, La v. a. 180. Zwar muss über die genaue Abfassungszeit der Königschronik Unklarheit herrschen, sie sollte aber nicht allzu lang nach dem Ende des Vandalenreichs angesetzt werden. Im anderen Fall wäre ein chronologisches Interesse an den Königen der Vandalen kaum noch gegeben gewesen.

346

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Matritensis auf taggenaue Angaben einzelner Herrschaftsdauern.1 Auch die Auslassung des Berichts zur Eroberung Karthagos durch Belisar (H 19) im Augiensis legt die Verwendung zwar verwandter, aber dennoch bereits voneinander unabhängiger Zwischenquellen nahe. Genauso wie das Fehlen der Detailberichte zur Katholikenverfolgung im Matritensis erklärt sich die Summe dieser Beobachtungen am einfachsten dadurch, dass den beiden Kompilatoren von vornherein überhaupt nicht mehr die gleichen Informationen vorlagen. 3. Quellen des Laterculus Als Quelle gemein ist beiden Überlieferungssträngen die ursprüngliche vandalische Königschronik, aus der sie ihre Informationen zu Abfolge und Herrschaftsdauer der Vandalenkönige zogen. Dieser Zusammenhang erweist Teile beider Stränge als Fragmente ein- und derselben Quelle. Ob die beiden Laterculus-Traditionen dabei noch direkt aus der ursprünglichen Chronik schöpften oder ihnen die gemeinsame Königsliste bereits über andere Quellen vermittelt wurde, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, auch wenn die zweite Variante sicherlich eine größere Wahrscheinlichkeit für sich hat.2 Gleichfalls offen muss bleiben, ob die Komputationen im Text des Augiensis (A 13 f., A 20–22) aus der Königschronik stammen oder erst von einem späteren Kompilator berechnet wurden. Als relativ sicher kann hingegen gelten, dass die Angaben des Augiensis zum Schicksal der katholischen Kirche in Africa – ausgenommen vielleicht die chronologische Einordnung dieser in A 8–10 – erst im Laufe der Überlieferung in den Text gelangt sind, da sie eine große Nähe zu den Informationen der Chronik Victors von Tunnuna aufweisen.3 Da diese Angaben zur katholischen Kirche, abgesehen von H 19 und den unterschiedlich gestalteten Komputationen, das einzige Sondergut der beiden Überlieferungsstränge bilden, widmet sich Steinacher in seinem detaillierten Vergleich des

1

Der gröbere chronologische Rahmen im Matritensis ließe sich noch mit einer simplen Kürzung begründen; die differierenden Verwandtschaftsangaben hingegen verlangen eine Umarbeitung, die einfacher dadurch erklärbar ist, dass dem Matritensis (oder dem Augiensis) bereits eine umgearbeitete Version zugrunde lag. 2 Vgl. oben Kap. III.2. 3 Steinacher, Laterculus (2004) 180. Vgl. darüber hinaus Kap. III.2. Dass sich die entsprechenden Hinweise im Matritensis nicht finden, liegt also nicht an einer Kürzung in diesem Überlieferungsstrang, sondern daran, dass die Sonderinformationen des Augiensis niemals Teil der gemeinsamen Texttradition waren.

Einleitung

347

Laterculus mit anderen zeitgenössischen Quellen nur dem Augiensis. Im Ergebnis stellt er dabei fest, dass dieser ganz in der Tradition der zeitgenössischen kirchlichen Literatur Africas steht.1 Deutlich wird diese Verwandtschaft zu Texten kirchlicher Provenienz vor allem an der Beschreibung des Hunerich-Todes (A 6): Während sich das vom Augiensis gewählte Motiv der Bestrafung des Verfolgerkönigs durch Gott in nahezu allen kirchlichen Quellen findet, spricht der Profanhistoriker Prokop nur unspezifisch von einer „Krankheit“, der Hunerich erlegen sei.2 Eine genauere Identifikation einzelner Quellen der Augiensis-Variante wird dadurch erschwert, dass der Kompilator des Textes seine Vorlagen offensichtlich stark raffte und einzelne, ihm unwichtig erscheinende Detailinformationen ausließ. So wird beispielsweise die aus Victor von Vita bekannte Sequenz der Maßnahmen Hunerichs gegen die katholische Kirche dermaßen gekürzt, dass der eigentliche Gang der Ereignisse aus dem Augiensis selbst heraus nicht mehr verständlich ist (A 5). Mit einem solchen Vorgehen ist die Quelle keineswegs allein, wie aus dem parallelen Bericht des Victor von Tunnuna ersichtlich wird. Ob ein solcher Vorgang der Kürzung ausladender Historiographie dabei aber noch auf dieser Historiographie selbst aufbaute oder bereits auf anderen, ebenfalls verkürzenden Quellen, lässt sich im Einzelfall kaum mit letztgültiger Sicherheit entscheiden.3 In denjenigen Fällen, in denen sich noch Parallelen zu anderen zeitgenössischen Werken finden lassen, lässt sich eine deutliche Nähe zur Chronik Victors von Tunnuna feststellen. Dies gelte laut Steinacher vor allem für die Informationen rund um die Restitution der katholischen Kirche durch Hilderich (A 16) und die Gelimer-Usurpation (A 17 f.). Dass Victor dabei ausführlicher berichtet als der Laterculus, spricht dafür, ihn als Quelle für den 1

Steinacher, Laterculus (2004) 175–180. Es ist wohl kein Zufall, dass sich Victor von Tunnuna ebenfalls an Prosper anschloss. 2 Procop. Vand. 1,8,5. Dagegen aus der kirchlichen Literatur: Vict. Vit. 3,71; Pass. mart. Carth. 2; Vict. Tonn. chron. a. 479,2; aber auch Greg. Tur. Franc. 2,3. An dieser Stelle schöpft der Augiensis aus Victor von Vita: Steinacher, Laterculus (2004) 176 f. Generell zum Motiv der Gottesstrafe: Steinacher, Würmer. 3 Vgl. Steinacher, Laterculus (2001) 52. Zur Christenverfolgung Hunerichs in den zeitgenössischen Quellen generell: Steinacher, Laterculus (2001) 49–52. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Informationen im Text Sondergut darstellen, zu dessen Herkunft keine verierten Verfolgung (A 10) beispielsweise informiert nur der Augiensis. Dass diese Information aus der ursprünglichen Chronik stammt, ist wegen der taggenauen Datierung nicht ausgeschlossen; beweisbar ist es wegen der mangelnden Absicherung der Stelle durch den Matritensis jedoch ebenfalls nicht.

348

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Text des Augiensis anzunehmen.1 In diesem Fall hätte die ursprüngliche Königschronik selbst nicht über das Schicksal der katholischen Kirche in Africa berichtet, womit der Text des Matritensis auch nicht um die entsprechenden Informationen A 5 f. und A 16 gekürzt worden wäre. Dass also diese Informationen nicht aus der ursprünglichen gemeinsamen Quelle stammen, sondern einer späteren Ergänzung dieser geschuldet sind, stützt die oben getroffene Feststellung, dass der Text des Matritensis keine Schwundstufe des Augiensis darstellt, sondern weitgehend unabhängig entstanden ist.

IV. Chronologisches Gerüst und inhaltliche Konzeption Das chronologische Gerüst der Quelle ist präzise. Die Abfolge der Vandalenkönige ist ungebrochen und vollständig, die Darstellung ihrer Verwandtschaftsverhältnisse korrekt, die verschiedenen chronologischen Berechnungen weitgehend stimmig. Auch die angegebenen Herrschaftsdauern passen sich nahezu bruchlos in den chronologischen Gesamtrahmen ein. Dies gilt explizit auch für die Version des Matritensis, die zwar im Gegensatz zum Augiensis auf die taggenaue Angabe von Regierungszeiten verzichtet, in ihrer Addition aber zu einem nahezu identischen Zeitpunkt für das Ende des Vandalenreichs gelangt.2 Ohnehin ergibt sich bezüglich der Herrschaftsdauer einzelner Könige nur im Fall des Hilderich eine Abweichung beider Codices von mehr als zwei Monaten (A/H 15). Chronologische bzw. rechnerische Ungenauigkeiten oder Fehler finden sich damit nur an wenigen Stellen. Sie dürften zumeist erst im Laufe der Überlieferung ihren Weg in die Quelle gefunden haben, nicht aber bereits genuin aus der Königschronik stammen: 1) Die Komputation in A 14 bezieht sich nicht auf den annus XXVII Trasamundi, sondern faktisch auf dessen erstes Herrschaftsjahr. Hierbei handelt es sich schlicht um ein Versehen, wahrscheinlich vom Kompilator des Augiensis. A 13 jedenfalls bezieht den Herrschaftsantritt von Kaiser Avitus 455

1

2

Vgl. Vict. Tonn. chron. a. 523,2. 531. Ein Hinweis im Lib. pontif. p. 130,17 f. zeigt,

Ausgehend von der sicheren Emendation bezüglich der Herrschaftsdauer des Hilderich in A 15 variieren die Daten zwischen dem 15. September (Addition der Herrschaftsdauern im Augiensis), dem 30. August (A 20) und Anfang Juli (Addition der Herrschaftsdauern im Matritensis) 533.

Einleitung

349

korrekterweise auf das 27. und damit letzte Herrschaftsjahr des Thrasamund, sofern man davon ausgeht, dass das Zahlzeichen XVIII am Ende einer Lücke im Codex zu LXVIII zu ergänzen ist.1 2) Die Herrschaftsdauer Hilderichs wird in A 15 mit annos VIII dies VIII angegeben, in H 15 jedoch mit annos VII dies XIIII. Sowohl Prokop als auch Victor von Tunnuna stützen die Angabe des Matritensis. Bei der Angabe im Augiensis handelt es sich um eine Verschreibung.2 3) Der in H 19 berichtete Einzug Belisars in Karthago fand nicht am 14., sondern erst am 15. September 533 statt. Mit Papencordt und Schmidt sei das Datum sub die XVIII Kal. Oct. daher in sub die XVII Kal. Oct. zu emendieren. Der Fehler rühre daher, dass der oströmische Feldherr die Stadt zwar am 14. September erreicht, sie aber erst am darauffolgenden Tag betreten hatte.3 4) Die Abschlussberechnung in A 20 errechnet für das Vandalenreich eine Dauer von 93 Jahren, zehn Monaten und elf Tagen. Damit wäre das Ende des Reichs auf den 30. August 533 zu datieren. Die Addition der einzelnen Herrschaftsdauern im Augiensis jedoch ergibt eine Dauer von 94 Jahren, zehn Monaten und 27 Tagen, also ein Ende des Reichs am 15. September 534. Mit der oben vorgenommenen Emendation der Herrschaftsjahre Hilderichs von acht auf sieben (vgl. Pkt. 2) lässt sich die gröbste Abweichung beider Angaben bereits bereinigen, die nun beide in den Spätsommer 533 führen. Bezüglich des Tagesdatums können dann beide Angaben eine gewisse Geltung für sich beanspruchen: Während der 15. September 533 das Datum des Einzugs Belisars in Karthago war, könnte am 30. August die Landung seiner Truppen in Africa erfolgt sein.4

1

Vorschlag von Courtois, Vandales 406. Dieser Ergänzung stimmt Steinacher, Laterculus (2004) 172 zu, weist aber darauf hin, dass die Lücke im Codex länger ist als das bloße Zahlzeichen L. Becker ergänzt in dieser Ausgabe daher anni sunt L. 2 Courtois, Vandales 405 f., Schmidt, Wandalen 120 Anm. 3 und Steinacher, Laterculus (2004) 173 mit Procop. Vand. 1,9,9 und Vict. Tonn. chron. a. 523,2. 3 Papencordt, Herrschaft 152 und Steinacher, Laterculus (2004) 174 mit Procop. Vand. 1,20. Generell zur Chronologie des Untergangs des Vandalenreichs: Courtois, Vandales 353. 4 Courtois, Vandales 406 nimmt mit Prokop eine Dauer der gesamten Belisar-Kampagne von der Landung bis zum Einzug in Karthago von16 Tagen an; datum am 30. August mit dem Einzugsdatum 15. September in Übereinstimmung bringen. Vgl. Holder-Egger, Untersuchungen 46; Steinacher, Laterculus (2004) 174. Wieso hier beide Daten als Endpunkt des Reichs genutzt werden, muss fraglich bleiben, es sei denn, man ginge davon aus, dass neben A 21 f. (vgl. oben Kap. II) auch A 20 erst dem konkreten Anschluss

350

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

5) A 21 führt vom Jahr 378 ins Jahr 532, nicht aber korrekterweise ins Jahr 533. Dies gilt ebenso für die auf Adam aufbauende Berechnung in A 22: Der chronologische Rahmen hierbei ist Prosper entnommen, der aber von Adam bis ins Jahr 433 eine Summe von 5634 Jahren errechnet, womit sich bis ins Jahr 533 eine Anzahl von 5734 Jahren ergeben müsste.1 Von wo diese Ungenauigkeit ihren Ausgang nahm, ist unklar. Nur wenn die mehrfachen chronologischen Verknüpfungen zwischen dem Augiensis-Text und Prosper nicht bereits auf die ursprüngliche vandalische Königschronik zurückgehen, ließe sich der Fehler eindeutig dem Kompilator des Codex zuordnen. Alle weiteren Angaben sind sowohl sachlich als auch rechnerisch weitgehend korrekt. Für spätantike Verhältnisse stellt der Laterculus damit eine chronologisch außergewöhnlich präzise Quelle dar. Geht man von ihren im Matritensis erhaltenen Resten aus, so lag das zentrale Augenmerk der vandalischen Königschronik auf der Geschichte der vandalischen Herrschaft in Africa. In diesem Fall standen die Abfolge der einzelnen Könige, die Dauer ihrer jeweiligen Herrschaft und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen untereinander im Mittelpunkt der Quelle und wurden allenfalls durch die chronologische Einbettung der von Hunerich initiierten Katholikenverfolgung ergänzt. Die Detailliertheit der Angaben zu Herrschaftsdauern im Augiensis spricht dafür, dass es der ursprünglichen Quelle in erster Linie um die Herstellung eines genauen Rahmens der Herrscherchronologie ging. Mehr lässt sich allein deshalb kaum sagen, weil wir nicht darüber informiert sind, inwieweit die ursprüngliche Chronik Informationen lieferte, die über die bloße Herrscherliste hinausgingen. Sieht man aber den Bericht über die Eroberung des Vandalenreichs durch Belisar in H 19 als einen Rest solch zusätzlicher Informationen, so ist anzunehmen, dass diese nicht über Ereignisse hinausgingen, die in unmittelbarem Zusammenhang zur politischen Geschichte des vandalischen Regnums standen.2 Dies gilt auch für die Informationen zur Katholikenverfolgung in A 8–10, die im Ursprung wohl nicht über die rein chronologische Einbettung in diese Königsgeschichte hinausgegangen sind. Nur in der Version des Augiensis wurde das chronologische Grundgerüst der vandalischen Könige von Geiserich bis Gelimer durch eine ausführdes Augiensis an Prosper geschuldet ist. Dann wäre der Addition der Herrschaftszeiten der Könige der Vorzug zu geben. 1 Vgl. Prosp. chron. 1318. 2 Zur Zuordnung von H 19 zur Königschronik: Kap. III.2.

Einleitung

351

lichere Narration des Schicksals der katholischen Kirche in Africa ergänzt, den chronologischen also kirchengeschichtliche Informationen beigegeben. Der Fokus liegt dabei auf der Verfolgung der Katholiken durch Hunerich (A 5 f.). Im Rahmen dieses Interesses, das der Kompilator der Kirchenpolitik entgegenbringt, dient die Abfolge der Vandalenkönige im Augiensis der historischen Einbettung dieser Verfolgung. Die vandalische Monarchie wird mit dem konkurrierenden Ordnungsmodell der katholischen Kirche konfrontiert, oder, um es in den Worten Steinachers auszudrücken: „Einer königlichen Chronologie wird die kirchliche Chronik gegenübergestellt, die andere Organisation, die Dominanz beansprucht, will auch hier ihren Platz einnehmen.“1 Dass die katholische Kirche die Verfolgungen durch die Vandalen übersteht, während das vandalische Königreich letztlich untergeht, erweist dabei die katholische Kirche als Triumphator im Ringen der beiden widerstreitenden Institutionen.2

V. Zur Abschnittzählung Mommsen stellt in seiner Ausgabe die Texte von Augiensis (A) und Matritensis (H) einander in jeweils eigenen Spalten gegenüber. Gleichzeitig teilt er jeder gegebenen Einzelinformation eine fortlaufende Nummer zu. In beiden Handschriften korrespondierende Informationen stehen dadurch direkt nebeneinander, während Sondergut eines Überlieferungsstrangs durch eine Lücke im jeweils anderen Strang als solches kenntlich gemacht wird. Die Einzelinformationen lassen sich also hinsichtlich ihrer Überlieferung in drei Gruppen aufteilen: 1) Einzelinformationen, die sowohl vom Matritensis als auch vom Augiensis gegeben werden: A/H 2–4, 7, 12–16.3 Hierbei handelt es sich in erster

1

Steinacher, Laterculus (2001) 67 f. Die Vandalenkönige stellten nach der Eroberung Africas für die dortige katholische Kirche diejenige politische Potenz dar, die die Rahmenbedingungen für das kirchliche Handeln bestimmte. 2 Diese Darstellungsabsicht liefert ein weiteres Argument dafür, dass die kirchengeschichtlichen Anteile des Augiensis nicht Teil der ursprünglichen Chronik waren. In diesem Fall ließe sich die erste Bearbeitungsstufe nach dem Tod des T nicht schlüssig erklären, da die katholische Kirche schließlich erst mit dem Untergang des Vandalenreichs endgültig triumphierte. 3 Hierzu gehören auch die Komputationen zum Tod des Thrasamund (A 13 f., H 13). Diese sind in den beiden Codices zwar nicht inhaltsgleich; entscheidender ist aber, dass beide

352

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Linie um das chronologische Gerüst der vandalischen Königsliste. Da sich die Informationen in beiden Überlieferungssträngen jeweils entsprechen, werden sie im historischen Kommentar auch gemeinsam behandelt. 2) Einzelinformationen, die nur vom Augiensis gegeben werden: A 5 f., 8–11, 17 f., 20–22. Diese Informationen betreffen zumeist das Schicksal der katholischen Kirche im vandalischen Africa und die abschließende Komputation. 3) Einzelinformation, die nur vom Matritensis gegeben wird: H 19. Das Sondergut beschränkt sich auf die Eroberung des Vandalenreichs durch Belisar. Die gerade skizzierte Abschnittszählung aus Mommsens Ausgabe wird hier übernommen. Von den Einträgen H 1 und H 2, die bei Mommsen nur wegen der Africa betreffenden Nachrichten Aufnahme fanden, wird H 1 ausgeschieden. Bei der von Mommsen H 16 genannten Stelle liegt offensichtlich ein Nummerierungsfehler vor: Die in H 16 gegebene Information korrespondiert zur Information aus A 17; sie ist von Mommsen auch an der entsprechenden Stelle eingeordnet worden. Mommsens H 16 firmiert hier also richtigerweise als H 17.

Stränge an derselben Stelle eine Berechnung vornehmen. Das ohne Widerpart im Matritensis stehende A 14 darf also nicht als Augiensis-Sondergut gelten.

Sigla codicum R, Rp

cod. Reichenaviensis sive Augiensis = cod. Parisinus 4860, 9. Jh.

Rv

cod. Augustanus Vindelicorum 223, 15. Jh., Abschrift von Rp

M

cod. Matritensis 134, 13. Jh.

O

cod. Osmensis deperditus

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum Augiensis (cod. Rp; cod. Rv)

recensio Hispana (codd. MO)

(A 2) post consulatum Theodosii XVII et Festi Geisericus Vandalorum rex Carthaginem ingressus est die XIIII Kal. Nov.

(H 2) Geisericus tribus annis Hippone regio exemptis Carthaginem occupat sub die XIIII Kal. Nov.

(A 3) qui regnavit in eadem Africa civitate annis XXXVII mensibus III diebus VI. (A 4) post hunc regnavit Hunerix filius eius annis VII mensibus X 10 dies XXVIII. (A 5) qui in fine anni VII regni sui catholicae ecclesiae persecutionem fecit omnesque ecclesias clausit et cunctos domini catholi15 cos sacerdotes cum Eugenio Carthaginensi episcopo exilio relegavit. 5

(H 3) Geisericus regnavit in Africa annos XXXVII menses II. 5 (H 4) Hugnericus filius eius regnavit Carthagine annos VII menses X.

(A 6) qui dei iudicio scatens vermibus vitam finivit. 5 sq. in – civitate : eandem africam civitatem Rv 6 XXXVII Mommsen (cf. Rv) : xxvii Rp 10 dies : diebus Rv v XXVIII : xviii R

4 regnavit O : rege M xxvii M 6 Hu 6 sq. regnavit O : rege M

5 XXXVII :

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

(A 2) Nach dem 17. Konsulat des Theodosius und dem des Festus zog Geiserich, der König der Vandalen, am 19. Oktober in Karthago ein. (A 3) Er herrschte in dieser africanischen Stadt 37 Jahre, drei Monate und sechs Tage lang. (A 4) Nach ihm herrschte sein Sohn Hunerich sieben Jahre, zehn Monate und 28 Tage lang. (A 5) Dieser veranlasste am Ende des siebten Jahres seiner Herrschaft eine Verfolgung der katholischen Kirche, schloss alle Kirchen und schickte alle katholischen Priester des Herrn zusammen mit Eugenius, dem Bischof von Karthago, in die Verbannung. (A 6) Auf das Urteil Gottes hin beendete er, von Würmern voll, sein Leben.

(H 2) Geiserich besetzt am 19. Oktober Karthago, nachdem er drei Jahre in Hippo Regius verbracht hat. (H 3) Geiserich herrschte in Africa 37 Jahre und zwei Monate lang. (H 4) Sein Sohn Hunerich herrschte in Karthago sieben Jahre und zehn Monate lang.

356

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

(A 7) post eum regnavit Guntamundus, Gentunis eiusdem Hunerici fratris filius, annos XI menses VIIII dies XI. 5 (A 8) qui tertio anno regni sui coemeterium sancti martyris Agilei apud Carthaginem catholicis dare praecepit Eugenio Carthaginensis episcopo ab eodem iam de exilio 10 revocato.

(H 7) Gunthamundus, nepos ex filio Geiserici Gentune, regnavit Carthagine annos XI menses VIII.

(A 9) decimo autem anno regni sui ecclesias catholicorum aperuit et omnes dei sacerdotes petente Eugenio Carthaginense episcopo 15 de exilio revocavit. (A 10) quae ecclesiae fuerunt clausae annos X mensibus VI diebus V, hoc est ab octavo anno Hunerici, id est ex die VII Id. 20 Febr., usque in decimum annum regis Guntamundi in die IIII Id. Aug.; in quo completi sunt supradicti anni X menses VI dies V.

25

(A 11) qui memoratus Guntamundus rex postmodum vixit annos II mensem I. 2 sq. Hunerici : regis add. Rv 3 filium Rv 5 sq. coemeterium Mommsen : cymeterium Rp : cymiterium Rv 8 praecipit Rv | carthaginensi Rv 17 X : xi Rv menses Rv 18 dies Rv 19 Hunerici Mommsen (cf. Rv) : henerici Rp 21 in diem Rv 26 mense Rv

1 guntamundus M 2 geyserici O

Text und Übersetzung

(A 7) Nach ihm herrschte Gunthamund, der Sohn des Gento, des Bruders jenes Hunerich, elf Jahre, neun Monate und elf Tage lang. (A 8) Gunthamund ordnete im dritten Jahr seiner Herrschaft an, die Ruhestätte des heiligen Märtyrers Agileus in Karthago den Katholiken zu übergeben, nachdem er Eugenius, den Bischof von Karthago, bereits zuvor aus der Verbannung zurückgerufen hatte. (A 9) Im zehnten Jahr seiner Herrschaft ließ er ferner die Kirchen der Katholiken öffnen und auf Bitten des Eugenius hin, des Bischofs von Karthago, rief er alle Priester Gottes aus der Verbannung zurück. (A 10) Die Kirchen waren zehn Jahre, sechs Monate und fünf Tage lang geschlossen, das heißt vom 7. Februar des achten Jahres des Hunerich an bis zum 10. August des zehnten Jahres von König Gunthamund. Dadurch wurden die erwähnten zehn Jahre, sechs Monate und fünf Tage vollendet. (A 11) Der erwähnte König Gunthamund lebte daraufhin noch zwei Jahre und einen Monat lang.

357

(H 7) Gunthamund, ein Enkel des Geiserich über dessen Sohn Gento, herrschte in Karthago elf Jahre und acht Monate lang.

358

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

(A 12) post quem regnavit Trasamundus, Gentunis filius, annos XXVI menses VIII dies IIII. (A 13) ab exordio ergo imperii 5 Aviti usque ad annum XXVII Trasamundi [anni sunt L] XVIII.

(H 12) Trasamundus, frater Gunthamundi, regnavit apud Carthaginem annos XXVI menses IX. (H 13) ac sic agitur hodie LXXXIIII annus ab ingressu Car- 5 thaginis.

(A 14) a XIIII autem anno imperii et morte Valentis usque in annum XXVII Trasamundi anni sunt 10 CXVIII. (A 15) post quem regnavit Hiltirix, filius Hunerici, annos VII dies VIII.

15

(H 15) deinde Hildrix, Hugnerici filius, Geiserici atque nepos, regnavit Carthagine annos VII dies XIIII. 10

(A 16) qui in exordio regni sui Bonifatium episcopum apud Carthaginem in ecclesia sancti Agilei ordinari praecepit et omnibus catholicis libertate restituit.

(A 17) quo regnante adsumpta ty20 rannide Geilamer regnum eius invadit, in quo fecit annos III menses III. 5 ad annum Mommsen (cf. Rv) : annum Rp | XXVII Mommsen (cf. Rv): xxvi Rp 6 anni – L supplevit Becker, duce Courtois | XVIII Rp in marg. (manus prima, ut videtur) 9 XXVII Mommsen (cf. Rv) : xxvi Rp 11 hildrix Rv 12 VII Becker, duce Papencordt : viii Rp (cf. Rv) 14 sq. Bonifatium Mommsen : bonifacium Rp (cf. Rv) 18 libertatem Rv

(H 17) Gheilamir tyrannide adsumpta Hilderico regno pulso eiusque origine truncata dominatus est Afris annos III menses III. 15 1 transamundus O 1 sq. guntamundi M 2 sq. carthagine O 5 LXXXIIII Mommsen : dccciiii MO 7 deinde : dehinc O | hildirix O | hucnerici M 8 geyserici O 11 ghegilamir O 12 regno : a regno O

Text und Übersetzung

(A 12) Nach ihm herrschte Thrasamund, ein Sohn des Gento, 26 Jahre, acht Monate und vier Tage lang. (A 13) Vom Beginn also der Kaiserherrschaft des Avitus bis hin zum 27. Jahr des Thrasamund sind es 68 Jahre. (A 14) Ferner sind es vom vierzehnten Jahr der Kaiserherrschaft und vom Tod des Valens an bis in das 27. Jahr des Thrasamund 118 Jahre. (A 15) Nach ihm (sc. Thrasamund) herrschte Hilderich, der Sohn des Hunerich, acht Jahre und acht Tage lang. (A 16) Am Beginn seiner Herrschaft ordnete er an, dass Bischof Bonifatius in der Kirche des heiligen Agileus in Karthago geweiht werde, und gab allen Katholiken die Freiheit zurück. (A 17) Noch während er herrschte, riss Gelimer als Usurpator die Herrschaft an sich; diese besaß er drei Jahre und drei Monate lang.

359

(H 12) Thrasamund, der Bruder des Gunthamund, herrschte in Karthago 26 Jahre und neun Monate lang. (H 13) Und so sind vom Einzug in Karthago an bis heute 84 Jahre vergangen.

(H 15) Von da an herrschte Hilderich, der Sohn des Hunerich und ein Enkel Geiserichs, in Karthago sieben Jahre und 14 Tage lang.

(H 17) Gelimer riss die Herrschaft an sich, verjagte Hilderich, rottete dessen Familie aus und war dann drei Jahre und drei Monate lang Herr über Africa.

360

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

(A 18) qui tanta homicidia scelestus commisit, ut nec parentibus parceret. (H 19) ingressus est Belisarius magister militiae cum exercitu Orientis Carthaginem sub die XVII Kal. Oct., Gheilamir in fugam verso, postea capto. 5 (A 20) fiunt ergo ab exordio regni 5 Geiserici regis usque ad exitium Vandalorum anni XCIII menses X dies XI. (A 21) ab interitu ergo Valentis, quod erat in XIIII anno regni eius, 10 usque ad supradictum tempus sunt anni CLIIII. (A 22) collecta ergo omnium summa annorum ab Adam usque ad Vandalorum perditionem fiunt 15 anni V̅DCCXXXIII. 2 nec : suis add. Rv 4 regni om. Rv 5 Geiserici Mommsen (cf. Rv) : geisirici Rp | regis ante geiserici transpos. Rv 9 quod erat om. Rv 10 sunt om. Rv v 12 omnis R

1 Belisarius Mommsen : bellisarius O : belisaricus M

3 carthagine O

4 XVII

Steinacher, duce Papencordt : xviii M : xviiii O | geylamer O

Text und Übersetzung

361

(A 18) Dieser Verbrecher verübte so schwere Morde, dass er nicht einmal seine Verwandten verschonte. (H 19) Der magister militum Belisar betrat zusammen mit einem Heer des Oströmischen Reichs am 14. September Karthago. Gelimer wurde in die Flucht geschlagen und später gefangen genommen. (A 20) Es ergeben sich also vom Beginn der Herrschaft des Königs Geiserich an bis hin zum Untergang der Vandalen 93 Jahre, zehn Monate und elf Tage. (A 21) Vom Verschwinden des Valens, welches ins vierzehnte Jahr seiner Herrschaft fiel, bis hin zum oben genannten Zeitpunkt sind es 154 Jahre. (A 22) Zusammen also beläuft sich die Geamtzahl aller Jahre von Adam bis zur Vernichtung der Vandalen auf 5733.

Kommentar [H 1] Das von Mommsen in seine Edition aufgenommene Fragment H 1 ist Teil der Prosper-Epitome im Manuskript des Matritensis. Ein erster Teil (pax facta cum Vandalis data eis ad habitandum Africae portione) stammt direkt aus Prospers Feder. Ergänzt wird er durch Informationen zu Unterhändler, Ort und Datum des Friedens von 435.1 Diese Ergänzungen müssen africanischer Hand sein, sind aber kein Teil der vandalischen Königschronik. Dies liegt schon durch ihren mangelnden direkten Anschluss an den Laterculus auf der Hand.2 Hinzu kommt, dass der Frieden zwischen Geiserich und Ravenna aus dem Jahr 435 für die im Laterculus folgende Königsliste von keinerlei Bedeutung sein wird. Für diese Liste ist das alleinige chronologische Referenzdatum der Einzug der Vandalen in Karthago im Jahr 439.

A2/H2 Die Einnahme Karthagos am 19. Oktober 439 bildet in beiden Überlieferungssträngen den Ausgangspunkt für die Liste der vandalischen Könige. Der Matritensis nimmt in der Folge sogar bei jedem Vermerk über einen Wechsel auf dem vandalischen Thron Bezug auf diesen Ausgangspunkt, indem er die Herrschaft der einzelnen Könige als Herrschaft „in Karthago“ beschreibt (H 4.7.12.15). Gleichzeitig dient die Einnahme der Stadt als Anknüpfungspunkt an Prosper. Mit der zeitlichen Bestimmung des Beginns der vandalischen Königsliste durch die Konsuldatierung in A 2 wird der chronologische Rahmen des Laterculus in den chronologischen Rahmen Prospers eingebettet. Das angegebene Datum für die Einnahme Karthagos

1

Vgl. Komm. zu Prosp. chron. 1321 im vorliegenden Band. M Details des Friedenschlusses fälschlicherweise in seine Prosper-Ausgabe. Dass aber die Informationen an sich korrekt sind, stellt schon Schmidt, Wandalen 64 fest. 2 Zum Kontext des Laterculus im Matritensis vgl. die Ausgabe von Steinacher, Laterculus (2004) 166 f.

364

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

selbst steht nicht in Zweifel und deckt sich mit den Angaben bei Prosper und in anderen Quellen.1 So oder so bleibt aber die Feststellung unberührt, dass die Einnahme Karthagos von größter Bedeutung für das vandalische Regnum war. Zwar war die Eroberung der kaum verteidigten Stadt unter Bruch bestehender Friedensbedingungen sicherlich keine Heldentat, und so spricht A 2 bewusst nicht von einer „Eroberung“, sondern lediglich von einem „Einzug“ (ingressus). Die Folgen der damit einhergehenden Verschiebung der vandalischen Siedlungsgebiete nach Osten in die Africa Proconsularis hinein, dem ökonomischen und politischen Zentrum Africas, waren jedoch weitreichend: Die Vandalen hatten die neuen Kerngebiete ihres Reichs 439 eigenständig erobert und waren nicht, wie noch 435, lediglich als Föderaten von Gnaden Ravennas dort angesiedelt worden.2 Der Regierung des Weströmischen Reichs blieb nichts anderes übrig, als das Fait accompli bereits 442 zu billigen. Aus diesem Zusammenhang heraus erklärt sich, dass die vandalische Königsära ihren Ausgang im Jahr 439 nahm, und nicht etwa mit dem Herrschaftsantritt Geiserichs 428, der Africainvasion 429 oder dem Frieden von 435. Die Datierung der Herrschaftsjahre Geiserichs nach der Erlangung Karthagos war mit Fichtenau also ein „Zeichen der souveränen Regierung“.3

A3/H3 Das Vandalenreich nahm seinen Ausgang aus Sicht der Vandalen mit der Eroberung Karthagos und der damit einhergehenden Siedlung in der Africa Proconsularis. Zwar amtierte Geiserich bereits seit 428 als König und war bereits 429 nach Africa übergesetzt; A 3 aber macht deutlich, dass für seine Herrschaftsdauer nur die Zeit seit dem 19. Oktober 439 von chronologischer Relevanz war, die Zeit also, in der er in seiner neuen Hauptstadt Kar1

Vgl. Prosp. chron. 1339 und Hyd. chron. 115. Nur beim Tagesdatum – sofern angegeben – kommt es vereinzelt zu Abweichungen, bspw. bei Marcell. chron. a. 439,3. Das Jahr 439 findet sich ferner in Cassiod. chron. 1233; Chron. Pasch. a. 439. Damit ist die Datierung post consulatum in A 2 nicht wörtlich zu verstehen, sondern kennzeichnet das Amtsjahr der Konsuln nach 2 Dieser Umstand wird nicht zuletzt durch die Aufteilung Africas in „fest abgegrenzte Gebiete“ (Prosp. chron. 1347) beim Friedensschluss von 442 deutlich. Vgl. Castritius, Eden 372; Schmidt, Wandalen 71. 3 Fichtenau, Datierungen 189 f.

Kommentar

365

thago herrschte. Trotz dieser Bedeutung der Einnahme Karthagos werden die Könige nach Geiserich nicht – wie H 13 nahelegen könnte – nach einer Ära ab ingressu Carthaginis datieren, sondern nach ihren jeweiligen Herrschaftsjahren.1 Dies wird in der Folge an der Königsliste deutlich, auch wenn die Matritensis-Variante immer wieder auf Bedeutung Karthagos abhebt, indem sie die Herrschaft der Könige an ihre Hauptstadt knüpft. Inwiefern eine solche Herrscherdatierung in Geiserichs Sinne war, muss offen bleiben, weil für ihn Herrschaftsjahr und karthagische Ära noch in eins fielen.2

A4/H4 Hunerich war zu Beginn des Jahres 477 seinem verstorbenen Vater als König nachgefolgt.3 Vom Zeitpunkt seiner Thronbesteigung an verweist die Variante des Matritensis bei jedem weiteren Thronwechsel auf Karthago als Zentrum des vandalischen Regnums. Diese Verweise waren wahrscheinlich bereits Teil der ursprünglichen Königschronik. Auch H 13 und A 20 verweisen in ganz ähnlicher Weise auf die Bedeutung der KarthagoEroberung für den chronologischen Rahmen der Quelle.

A5 Seine Informationen über die Katholikenverfolgung schöpft der Augiensis aus kirchlichen Quellen Nordafricas. Steinachers Vergleich zur Darstellung in anderen Quellen zeigt, dass der Bericht in A 5 einer durch Victor von

1

Mommsen, Herrscherjahr 63 f. meint, eine solche Ära identifizieren zu können. Heuberger, Reichskanzlei 83 f. und Fichtenau, Datierungen 191 f. widersprechen. Dass die Vandalenkönige nach Geiserich nach ihrer jeweiligen Herrschaftsdauer datierten, machen auch zwei durch Victor von Vita überlieferte Hunerich-Erlasse deutlich: Vict. Vit. 2,39. 3,3–14, v. a. 3,4.12. 2 Fichtenau, Datierungen 191 stellt zu Recht fest, dass sich noch nicht festlegen musste. Allgemein zu Geiserich und seiner Herrschaft: Diesner, Vandalenreich 53–75; Vössing, Königreich 50–117; PLRE 2, 496–99 (Geisericus). 3 Zu Hunerich: Diesner, Vandalen 957–62; Diesner, Vandalenreich 75–84; Vössing, Königreich 118–24; PLRE 2, 572 f. (Hunericus).

366

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

Tunnuna vermittelten Ereigniskette des Victor von Vita entspricht.1 Da der Augiensis dabei die bereits von Victor von Tunnuna stark gekürzte Verfolgungsdarstellung des Victor von Vita noch zusätzlich rafft, sind die tatsächlichen Geschehnisse und Zusammenhänge in A 5 stark vereinfacht, verschiedene Phasen der Verfolgung vermischt worden. Laut Victor von Vita begannen die vandalischen Repressionen mit einem Befehl an die Hofangehörigen, zum arianischen Bekenntnis zu konvertieren. Erst daraufhin wurden etwa 5.000 Kleriker in entlegene mauretanische Gebiete deportiert. Der Klerus von Karthago mit seinem Erzbischof Eugenius war von dieser ersten Verbannungswelle offenbar nicht betroffen, wie die Liste der Teilnehmer an einem im Februar 484 von Hunerich veranlassten Religionsgespräch zeigt. Erst nachdem dieses Gespräch gescheitert war, wurde die Verfolgung allgemein ausgeweitet und traf auch die Hauptstadt.2 Die erwähnten flächendeckenden Kirchenschließungen und Verbannungen aller Priester im gesamten Africa gehören in diese Eskalationsphase der Verfolgung. Die Gründe für die von Hunerich veranlasste Verfolgung sind nicht klar. Schon Geiserich hatte antikatholische Maßnahmen getroffen. Sein Wirken erlangte aber niemals eine umfassende Systematik. 3 Unter Hunerich gab es dann anfangs überhaupt keine Zeichen von Feindschaft gegenüber der katholischen Kirche. Der neue König gestattete sogar die Neubesetzung des Bischofsstuhls von Karthago, der seit dem Tod des Deogratias 456/57 vakant geblieben war. Falls der neue Bischof Eugenius nun aus Byzanz gekommen sein sollte, ließe sich seine Ordination mit einer Eingabe des oströmischen Kaisers Zenon in Zusammenhang bringen, womit die initiale Annäherung Hunerichs an die katholische Kirche eher auf Staatsräson als auf religiöse Motive zurückzuführen wäre. Dementsprechend wenig plausibel ist es, den Grund für die spätere Verfolgung in einem arianischen

1

Vgl. Steinacher, Laterculus (2001) 49–52. Zur Verfolgung bis hierhin bei Victor von Vita und Victor von Tunnuna: Vict. Vit. 2,23–3,14; Vict. Tonn. chron. a. 479. 2 Zum Ereignisablauf: Vict. Vit. 2,23–3,14. Als Grundlage der letztlich allgemeinen Verfolgung diente eine Anwendung der Ketzergesetze des Cod. Theod. 16,5,52 und 54 gegen die katholischen Untertanen der Vandalen. Vgl. hierzu das 24. Februar 484: Vict. Vit. 3,3–14. Kurze Überblicke über die Verfolgung: Diesner, Vandalen 959–62; Schmidt, Wandalen 101–6. 3 Zu den Maßnahmen Geiserichs (teils stark übertrieben): Prosp. chron. 1327. 1329. 1339; Vict. Vit. 1,15–51.

Kommentar

367

Missionseifer zu suchen.1 Es waren politische Erwägungen, die zum Umschwung in Hunerichs Religionspolitik führten. In erster Linie ging es um eine Vereinheitlichung des Vandalenreichs. Durch ihre Verbindungen ins Römische Reich und zum Kaisertum sahen sich die katholischen Priester in Africa einem latenten Illoyalitätsverdacht ausgesetzt. So hatte Hunerich laut Victor von Vita von den katholischen Bischöfen seines Reichs den Abbruch ihrer Beziehungen zur christlichen Ökumene gefordert, wozu diese aber nicht bereit waren.2 Der Versuch einer breit angelegten Arianisierung hatte insofern ursprünglich das politische Ziel einer Homogenisierung der Untertanen und ihrer Loyalitäten. Erst in der Folge brachte der arianischen Klerus eine auch religiös motivierte Schärfe in die Maßnahmen.3 Auf diesen arianischen Klerus war Hunerich wegen eines weiteren politischen Ziels unbedingt angewiesen: Die Katholikenverfolgung muss auch im Zusammenhang mit seinen Versuchen gesehen werden, die Regelung zur Herrschaftsnachfolge bei den Vandalen zugunsten seines Sohns Hilderich zu durchbrechen. Für diese Pläne benötigte der König Unterstützung, die er beim vandalischen Gentiladel nicht mehr finden konnte, da dieser seit Geiserichs Zeiten in seiner Bedeutung zurückgedrängt worden war. In dieser Situation bot sich für den König eine Annäherung an die arianische Geistlichkeit an.4 Diese An-

1

Vict. Vit. 2,1 verweist explizit auf das zunächst gute Verhältnis des neuen Königs zur katholischen Kirche. In Vict. Vit. 2,2–5 gibt es im Zusammenhang mit der Weihe des Bischofs Eugenius zudem Hinweise auf eine Gesandtschaft Kaiser Zenons. Wahrscheinlich war es auch eine Eingabe Zenons, die Hunerich zum Religionsgespräch vom Februar 484 veranlasste. Vgl. Schwarcz, Textüberlieferung 117; Spielvogel, Vandalen 206 f. Zu Eugenius: PCBE 1,362–5 (Eugenius 2). Dass der König nicht von einem homöischen Eifer geleitet war (gegen die jüngst noch von Moorhead, Victor of Vita, S. XII vertretene Meinung), zeigt sich daran, dass sich seine Maßnahmen nicht gleichsam auch gegen die Donatisten richteten, die in seinen Augen auch als Häretiker gelten mussten: Diesner, Vandalen 962. Kritisch zur religiösen Motivation auch: Vössing, Victor von Vita 26–8. 2 Vict. Vit. 3,19. Noch unter Hunerichs Nachfolger Gunthamund scheint diesbezüglich ein gewisses Misstrauen gegenüber katholischen Untertanen geherrscht zu haben: Vössing, Victor von Vita 18 f. mit Drac. satisf. 93 f. 3 Auf diese Rolle des Klerus weisen u. a. hin: Castritius, Eden 375–7; Móderan, Guerre 25–30. 4 Pläne zur Änderung der Nachfolge: Vict. Vit. 2,12–6. In der angebliche Versuch, katholische Kleriker auf Hilderich zu verpflichten: Vict. Vit. 3,19. Der Zusammenhang zwischen Verfolgung und Nachfolgeplänen wird u. a. gesehen von Vössing, Victor von Vita 26 f. Vgl. auch weniger deutlich Diesner, Vandalen 959; Diesner, Vandalenreich 78 f.; Wolfram, Reich 250 f.

368

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

näherung fand dann ihren sichtbaren Ausdruck in der gemeinsamen Verfolgung der katholischen Kirche.1

A6 Hunerich starb im Dezember 484. Seine Todesumstände bleiben unklar, da es sich beim Bericht des Laterculus um katholische Polemik gegenüber dem homöischen Verfolgerkönig handelt. Das aufgegriffene Motiv des Wurmtodes ist ausgehend von Apg 12,23 in der kirchlichen Literatur allgemein stark verbreitet. Dies belegt, dass der Augiensis sein Sondergut gegenüber der Variante des Matritensis aus kirchlichen Quellen schöpfte. Der Profanhistoriker Prokop jedenfalls beschreibt das Ende Hunerichs deutlich sachlicher.2 Mit Steinacher lehnt sich A 6 daher entweder an Victor von Vita oder an die Passio beatorum martyrum an, da in der eigentlichen Hauptquelle, Victor von Tunnuna, das Motiv der Würmer ebenfalls nicht enthalten ist.3

A7/H7 Nach dem Tod Hunerichs folgte diesem nicht sein Sohn Hilderich, sondern sein Neffe Gunthamund nach.4 Das entsprach der von Geiserich festgesetzten Nachfolgeordnung, die ein Senioritätsprinzip vorsah, gemäß dem jeweils das älteste männliche Mitglied der asdingischen Königssippe zum neuen Herrscher werden sollte, nicht aber zwangsläufig der Sohn des vor-

1

Diese Verfolgung scheint durchaus wirksam gewesen zu sein. Vgl. Castritius, Eden 378 f. mit Hinweis auf Not. episc. Afric., die einen breiten Abfall innerhalb des katholischen Klerus belegt. In eine ähnliche Richtung deutet Novell. Iust. 37,7. 2 Procop. Vand. 1,8, 5. Dagegen Schilderung des Todes durch kirchliche Autoren als Gottesstrafe, vgl. bspw. Vict. Vit. 3,71; Vict. Tonn. chron. a. 479,2. Der Schilderung im Laterculus sehr ähnlich ist der Bericht der Pass. mart. Carth. „Würmerstrafe“ in der christlichen Literatur: Steinacher, Würmer v. a. 155–60. 3 Vgl. Steinacher, Laterculus (2001) 54. 4 Zu dessen Herrschaft: Diesner, Vandalen 962–4; Diesner, Vandalenreich 84; Vössing, Königreich 124 f.; PLRE 2, 525 f. (Gunthamundus).

Kommentar

369

herigen Königs.1 Ältester Thronanwärter war 484 Gunthamund, der Sohn des bereits verstorbenen Hunerich-Bruders Gento. Hunerich hatte zwar versucht, seinem eigenen Sohn Hilderich die unmittelbare Nachfolge zu sichern, war damit aber gescheitert. Die beiden Fragmente des Laterculus unterscheiden sich an dieser Stelle letztlich nur in der sprachlichen Konstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse. H 7 weist ausdrücklich darauf hin, dass Gunthamund ein Enkel Geiserichs war. Dieser Bezug auf den Eroberer Karthagos entspricht den regelmäßigen Verweisen des Matritensis auf die Bedeutung der Stadt Karthago für das vandalische Regnum. Ein ähnlicher dynastischer Rückbezug wie in H 7 findet sich im Augiensis in der abschließenden Komputation (A 20). Diese Häufung von Geiserich-Erwähnungen macht es wahrscheinlich, dass diese ein ursprünglicher Teil der Königschronik waren, womit der Variante des Matritensis an vorliegender Stelle der Vorzug zu geben ist. Die geringe Differenz in der Angabe der Herrschaftsdauer kann dagegen außer Acht gelassen werden. Die Variante des Augiensis stimmt diesbezüglich weitgehend mit den Angaben in A 10 f. überein.2

A 8 f. Nicht zuletzt deshalb, weil der ausführliche Verfolgungsbericht des Victor von Vita mit dem Tod Hunerichs endet, liefern die Einträge A 8–11 Sondergut. Unklar bleibt, woher die Informationen dabei im Einzelnen stammen. Laut Steinacher schöpft der Augiensis hier aus einer unbekannten Quelle africanisch-kirchlicher Provenienz. Die sonstige Hauptquelle für das Sondergut, Victor von Tunnuna, kennt die von A 8 f. berichtete Zweistufigkeit der Verfolgungsbeendigung jedenfalls nicht.3 Dass Gunthamund zunächst nur eine Restituierung der katholischen Kirche in Karthago vorgenommen, eine allgemeine Amnestie jedoch erst sieben Jahre später verkündet hätte, muss jedoch nicht in Zweifel gezogen werden: A 10 legt mit

1

Zur Entstehung des Seniorats: Castritius, Eden; Claude, Herrschaftsnachfolge v. a. 335; Diesner, Vandalen 976; Vössing, Königreich 91–3; W Procop. Vand. 1,7,29; Vict. Vit. 2,13. 2 Auch die Zahl von ca. zwölf Herrschaftsjahren entspricht der sonstigen Überlieferung, sie wird auch von Procop. Vand. 1,8,7 oder Vict. Tonn. chron. a. 479,2 erwähnt. 3 Vict. Tonn. chron. a. 479,2.

370

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

seinen präzisen und stimmigen Datierungen nahe, dass die Quelle an dieser Stelle durchaus glaubhaft sein kann. Der genaue Ablauf der Maßnahmen aber ist umstritten, mögliche Deutungen der Stellen hier und bei Victor von Tunnuna bleiben spekulativ. In einem Versuch der Harmonisierung der Berichte meint Courtois, dass unmittelbar mit Amtsantritt Gunthamunds nur katholische Laien die Rückkehrerlaubnis erhalten hätten, da Eugenius erst ab 487 wieder in Karthago residiert hätte. Eine allgemeine Restituierung aller Kleriker und Kirchen sei dann 494 veranlasst worden.1 Laut Schmidt gingen die massenhafte Rückkehr katholischer Laien und Kleriker sowie die Öffnung der Kirchen hingegen bereits mit der Eugenius-Rückkehr einher. In einer zweiten Phase seien dann lediglich die restlichen Exulanten, vor allem Bischöfe, zurückgekehrt.2 Beide Vorschläge ergeben sich nicht zwangsläufig aus A 8 f. So wäre auch denkbar, dass eine erste Restitutionswelle ausschließlich die Gemeinde von Karthago betraf. Gunthamund könnte Eugenius die Rückkehr gestattet haben, um in der relativ einfach zu überblickenden Situation seiner Residenzstadt Akzeptanz und Entwicklung der Maßnahmen zur Verfolgungslockerung zu testen. Die Zuweisung einer gottesdienstlichen Versammlungsstätte an die katholische Gemeinde, die im Märtyrerheiligtum des Agileus gefunden wurde, war notwendige Konsequenz dieser Rückkehr des Bischofs.3 Die Amnestie wäre dann erst später auf andere Gemeinden ausgedehnt worden. Vielleicht hatte Eugenius bei König Gunthamund dabei nicht bloß um diese Maßnahme nachgesucht, sondern die Jahre zuvor bereits damit zugebracht, von Karthago aus „seine“ Kirche zu reorganisieren, die zweite Rückkehrwelle gewissermaßen vorzubereiten. Die Gründe, die Gunthamund zur Abkehr von der Verfolgung veranlassten, sind ebenfalls umstritten. Diesner erkennt keine gezielten Maßnahmen, sondern lediglich einen Beleg für Schwäche und Unentschlossenheit Gunthamunds, was aber eher Vorurteilen Diesners als dem Charakter des Königs entsprechen dürfte.4 Ebenfalls nicht weiterführend sind Hinweise der Forschung auf das 482 von Kaiser Zenon erlassene Henotikon, das mit dem Akakianischen Schisma zur Entzweiung der östlichen und der west1

Courtois, Vandales 300. Schmidt, Wandalen 108 f. 3 Das genannte Heiligtum des Agileus taucht auch in A te Bischof Bonifatius hier außerdem ein katholisches africanisches Konzil: Conc. Africae, CCL 149, 254–82 (= Conc. Carth. a. 525). Das Agileus-Heiligtum dürfte für die katholische Gemeinde Karthagos also von zentraler Bedeutung gewesen sein. 4 Vgl. Diesner, Vandalen 962 f.; Diesner, Vandalenreich 86. 2

Kommentar

371

lichen Kirche im Römischen Reich geführt hatte. Da sich in diesem Bruch beide Parteien jeweils selbst als katholisch sahen, dürfte sich weder in Rom noch in Konstantinopel die Stellung gegenüber den homöischen Vandalen grundlegend geändert haben, was unter anderem durch einen Brief von Papst Gelasius unterstrichen wird, in dem Gunthamund weiterhin als Verfolger gilt.1 Auch in Karthago selbst dürfte man in dieser Situation keine allzu feinen Unterscheidungen zwischen chalcedonischen und antichalcedonischen Antiarianern getroffen haben. Die Motivation Gunthamunds, von den radikalen Maßnahmen Hunerichs abzugehen, lag wohl anders: Wenn die von Hunerich initiierte Verfolgung der Katholiken im Zusammenhang mit seinen Plänen stand, die Thronfolge im Vandalenreich zu ändern und damit Gunthamund seines Thronanspruchs zu berauben, so hatte der neue König per se gute Gründe, die Maßnahmen seines Vorgängers rückgängig zu machen.2 Gleichzeitig dürfte sich in den Jahren der Verfolgung gezeigt haben, dass diese – gegen die Intentionen Hunerichs – zu einer latenten Schwächung des vandalischen Regnums führte: „Mit der Existenz dieser aus vandalischer Sicht religiös nicht integrierbaren Masse [sc. der Katholiken] hatte man sich also abzufinden. Sie systematisch und dauerhaft zu terrorisieren (und damit vielleicht auch zu mobilisieren), lag weder im Interesse noch in den Möglichkeiten der neuen vandalischen Herren.“3 Es war aus politischen Erwägungen also geboten, der katholischen Mehrheitsbevölkerung Africas wieder entgegenzukommen.

A 10 f. Der in A 8 f. dargestellte Triumph der katholischen Kirche wird durch eine chronologische Detailberechnung unterstrichen. Die eine Einzelinformation herausstellende Funktion solch chronologischer Einfügungen zeigt 1

Vgl. Avell. 95,63. Auch Procop. Vand. 1,8,7 erkennt in Gunthamund einen Verfolger, geht dabei aber wohl a priori von der Fortsetzung der Maßnahmen Hunerichs aus. Zum Henotikon und zum Akakianischen Schisma als Erklärungsansätze für die Haltung Gunthamunds: Diesner, Vandalen 963; Diesner, Vandalenreich 85 f.; Schmidt, Wandalen 109; Wolfram, Reich 248 f. 2 Vgl. Schwarcz, Textüberlieferung 118; Vössing, Victor von Vita 26–8. 3 Vössing, Victor von Vita 23 f. Eine solche Schwächung war umso gefährlicher, als die maurischen Stämme zu einem immer größeren Problem für die Vandalen wurden. Vgl. Procop. Vand. 1,8,6 f. Zur Rolle dieser Stämme auch: Vössing, Königreich 108–10.

372

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

sich in verschiedenen Werken der Chronistik. So versieht beispielsweise Prosper seinen Bericht über die Einnahme Karthagos durch die Vandalen mit dem Hinweis, dass diese im 585. Jahr der Zugehörigkeit der Stadt zum Römischen Reich erfolgt sei.1 Die konkreten Daten zu Beginn und Ende der Verfolgung aus A 10 tauchen nur hier auf, was mit Steinacher belegt, dass der Schreiber des Augiensis eine heute unbekannte Quelle genutzt haben muss.2 Trotz der dadurch fehlenden Parallelüberlieferung sind die chronologischen Informationen stimmig; zumindest rechnerisch sind sie weitgehend plausibel. Sollten die angegebenen Daten also korrekt sein, so fiele auf, dass die allgemeine Schließung der katholischen Kirchen unter Hunerich (7. Februar 484) bereits vor der Verordnung zur Anwendung der Ketzergesetze des Codex Theodosianus auf die katholische Bevölkerung des Vandalenreichs (24. Februar 484) erfolgt wäre.3 Die in A 11 den chronologischen Komplex abschließende Information zur Restherrschaftsdauer Gunthamunds nach Beendigung der Verfolgung dient nur noch der Absicherung der oben erwähnten Angaben, ergibt sie sich doch grob bereits aus der Kombination der Angaben zu Gesamtherrschaftsdauer (A/H 7) und Verfolgungsbeendigung am 10. August 494 (A 10).

A 12 / H 12 Thrasamund erlangte 496 mit dem Tod seines Bruders Gunthamund den Thron. Wie im Fall von dessen Thronerhebung (A/H 7) unterscheiden sich Augiensis und Matritensis hier hauptsächlich in der Angabe der Verwandtschaftsverhältnisse, wobei aber wiederum beide an sich korrekt berichten. Dass beide Versionen nichts Näheres über die Herrschaft des neuen Königs sagen, kann angesichts der Länge dieser Herrschaft und der von Thrasamund verfügten Wiederaufnahme der unter Gunthamund sistierten antikatholischen Maßnahmen überraschen.4 Zum einen aber erreichten Thrasa1

Prosp. chron. 1339. Vgl. Steinacher, Laterculus (2004) 177. 3 Vict. Vit. 3,3–14. 4 Zu Thrasamund und seiner Herrschaft: Diesner, Vandalen 964–7; Diesner, Vandalenreich 88–94; Vössing, Königreich 125–8; PLRE 2, 1116 f. (Thrasamundus 1). Das zeitgenössische Bild des Herrschers ist uneinheitlich, weist aber durchaus positive Züge auf. Dies kann damit zusammenhängen, dass seine Verfolgungsmaßnahmen weit weniger direkt 2

Kommentar

373

munds Maßnahmen niemals die gleiche Vehemenz und Radikalität wie noch unter Hunerich, zum anderen legte die ursprüngliche vandalische Königschronik ihren Schwerpunkt wahrscheinlich ohnehin nicht auf das Schicksal der katholischen Kirche in Africa, sondern auf die bloße Abfolge der vandalischen Könige.1

A 13 f. / H 13 Beide Überlieferungsstränge liefern an dieser Stelle eine Komputation. Damit ist sicher, dass auch die vandalische Königschronik hier eine solche aufwies. Ihr Grund und ihre konkrete Form sind aber nicht unmittelbar klar. Andere Gründe als ein durch sie angezeigtes vorläufiges Ende der Chronik nach dem Tod Thrasamunds lassen sich jedenfalls nicht greifen. Dies gilt vor allem für einen möglichen Zusammenhang mit dem sich wandelnden Schicksal der katholischen Kirche unter Thrasamund einerseits und seinem Nachfolger Hilderich andererseits. Da die Katholikenverfolgung mutmaßlich kein Teil der ursprünglichen Königschronik war, lässt sich hiermit kein Abschnittswechsel erklären.2 Unsicher ist auch die in A 13 f. und H 13 überlieferte Form der Komputation. Augiensis und Matritensis wählen unterschiedliche chronologische Anknüpfungspunkte, was darauf hindeuten kann, dass nicht alle chronologischen Angaben an dieser Stelle originär auf die Königschronik zurückgehen. Da der im Matritensis gegebene Rückbezug auf den Ausgangspunkt der vandalischen Königsliste – die Einnahme Karthagos – unmittelbar mit der chronologischen Grundaussage der Königschronik korrespondiert, dürfte H 13 ursprünglicher sein als die Angaben des Augiensis. Auch bei den Einträgen zu Herrschaftsdauern der einzelnen Könige bezieht sich der Matritensis ja stets auf die Herrschaft dieser Könige „in Karthago“.3 Die Bezüge auf die römischen Kaiser Valens und Avitus in repressiv waren als die des Hunerich: Procop. Vand. 1,8,8 f. Vgl. zur Verfolgung unter Thrasamund auch Vict. Tonn. chron. a. 497,4; Vita Fulg. Rusp. 40–9. 1 Dass also eine erste Version der Königschronik offensichtlich nach dem Tod Thrasamunds abgefasst wurde, dürfte eher dem Zufall geschuldet sein als konzeptioneller Absicht. Vgl. Komm. zu A 13 f. / H 13. 2 Vgl. Einl. Kap. III.1 und III.2. 3 Trotzdem ist es gegen Mommsen, Herrscherjahr 63 f. nicht zulässig, mit H 13 die Existenz einer offiziellen vandalischen Ära ab ingressu Carthaginis zu postulieren. Vgl. S. 365 Anm. 1.

374

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

A 13 f. hingegen dienen dazu, die Fragmente der ursprünglichen Chronik enger an die Chronik Prospers anzubinden, auf die sie in der überliefernden Handschrift auch folgen: Valens starb im Jahr 378, Avitus gelangte 455 auf den Thron. Damit rechnet die Variante A also auf Beginn und Ende der Prosper-Chronik zurück, worin sich das Selbstverständnis des Laterculus als Anhang zu eben dieser Chronik spiegelt. Darauf, dass die Angaben des Augiensis sekundär sind, deutet auch der chronologische Fehler hin, der in A 14 unterläuft: Die Berechnungen an dieser Stelle führen nicht in das 27. und damit letzte Herrschaftsjahr des Thrasamund, sondern in dessen erstes Herrschaftsjahr. Der Ursprung dieses Fehlers ist nicht mehr zu erschließen, auch weil wegen einer größeren Lücke in der Handschrift nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden ist, ob den parallelen Angaben in A 13 dasselbe Missgeschick unterläuft. Am Ende der Lücke in A 13 jedenfalls steht das Zahlzeichen XVIII, das mit Courtois um L auf LXVIII zu ergänzen sei. Das würde die Berechnung zwar ins korrekte letzte Herrschaftsjahr Thrasamunds 523 führen, weshalb die von Courtois vorgeschlagene Emendation auch schlüssig ist; die relativ große Lücke in der Handschrift ist durch diese kurze Ergänzung jedoch nicht vollständig gefüllt.1

A 15 / H 15 Mit der Thronbesteigung Hilderichs war der Sohn des Hunerich schließlich doch noch in die Herrschaft über die Vandalen gelangt. Dass der neue König als Sohn der Eudocia gleichzeitig Enkel des früheren weströmischen Kaisers Valentinian III. war, wird in der Konzentration auf die väterliche Linie in beiden Überlieferungssträngen nicht weiter thematisiert.2 Abermals weisen beide Stränge nur bei der Erläuterung der innervandalischen Verwandtschaftsbeziehungen Unterschiede auf, wenn H 15 einen zusätzlichen Bezug auf Geiserich, den Eroberer Karthagos und damit den Begründer des Vandalenreichs, herstellt. Die relativ deutliche Differenz in der Angabe der Herrschaftsdauer hingegen ist mit Papencordt durch die Änderung der „acht Jahre“ in A 15 auf „sieben Jahre“ aufzulösen. Hierdurch fie1

Hierauf weist Steinacher, Laterculus (2004) 172 hin. Wir füllen die Lücke provisorisch mit anni sunt L. Zum Emendationsvorschlag: Courtois, Vandales 406. 2 Zu Hilderich und seiner Herrschaft allgemein: Diesner, Vandalen 967–9; Diesner, Vandalenreich 94–7; Vössing, Königreich 128–30; PLRE 2, 564 f. (Hildericus).

Kommentar

375

le auch das Problem einer Differenz der aufsummierten Herrschaftsdauern dieses Überlieferungsstranges zur Angabe in A 20 weg.1

A 16 Laut Victor von Tunnuna hatte Thrasamund noch kurz vor seinem Tod seinem Nachfolger das Versprechen abgenommen, dass er die katholische Position nicht wieder stärken würde.2 Sollte diese Information stimmen, so deutet sie darauf hin, dass bekannt war, dass der Halbrömer Hilderich der katholischen Kirche nicht so ablehnend gegenüberstand wie seine Vorgänger. Tatsächlich sollten sich die Sorgen Thrasamunds bestätigen: Im Bestreben, das quantitativ dominierende romanische Element in sein Regnum zu integrieren, beendete Hilderich die homöische Verfolgungspolitik.3 Diese hatte sich unter anderem im Weiheverbot für katholische Bischöfe geäußert, was zu einer Vakanz des Obermetropolitansitzes von Karthago geführt hatte. Hilderich hingegen erlaubte nun die Ordination eines neuen Bischofs für die Hauptstadt und gab der africanischen Kirche damit ihre hierarchische Spitze zurück. Der neue Bischof Bonifatius hielt in seiner Bischofsstadt dann bereits 525 ein großes africanisches Konzil ab, das sich mit der Reorganisation der katholischen Kirche Africas nach dem Ende der Verfolgung befasste.4 Bischof Bonifatius selbst wurde wahrscheinlich aus dem Oströmischen Reich nach Africa gesandt, sollten die prokatholischen Maßnahmen des Königs doch seine enge außenpolitische Anlehnung an Byzanz unterstreichen.5 Seine Weihe erfolgte in der bereits (A 8) erwähnten Kirche des heiligen Agileus. 1

Vgl. Courtois, Vandales 405 f. Dem Emendationsvorschlag folgt Steinacher, Laterculus (2004) 166. 173. Auch vorliegende Ausgabe schließt sich an. Vgl. Einl. Kap. IV. 2 Vict. Tonn. chron. a. 523,2. 3 Der Laterculus freilich hat schon nicht mehr von einer Wiederaufnahme der Verfolgung durch Thrasamund nach ihrer vorläufigen Beendigung durch Gunthamund berichtet. Allerdings sahen andere Zeitgenossen die Verfolgungspolitik unter diesem fortgesetzt. Vgl. S. 371 Anm. 1. Ähnlich Castritius, Eden 376 f. Die Verfolgungsbeendigung unter Hilderich hingegen findet ein breites zeitgenössisches Echo. U. a. Lib. Vict. Tonn. chron. a. 523,2; Vita Fulg. Rusp. 55. 4 Zu diesem Konzil: Conc. Africae, CCL 149, 254–82 (= Conc. Carth. a. 525). 5 So schon Schmidt, Wandalen 118 f. Zu Bischof Bonifatius: PCBE 1, 159–61 (Bonifatius 26).

376

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

A 17 f. / H 17 Mit seiner Annäherung an Byzanz, zu der die Einstellung der Katholikenverfolgung gehörte, scheint Hilderich auf Widerstände innerhalb der vandalischen Führungsschicht gestoßen zu sein. Vielleicht entzündete sich auch wegen seiner halbrömischen Abkunft Kritik. Für seinen Sturz entscheidend dürfte letztlich aber seine militärische Schwäche gewesen sein, die sich vor allem in den Problemen bei der Abwehr maurischer Stämme zeigte.1 Als Hilderichs Neffe Hoamer 530 eine Schlacht gegen diese Stämme verlor, war die Position des Königs so sehr geschwächt, dass eine Gruppe von Adligen um Gelimer es wagen konnte, diesen zum Gegenkönig zu erheben. Gelimer war Enkel des Geiserich-Bruders Gento und als zweitältestes männliches Mitglied der Königssippe designierter Thronfolger. Aus diesem Grund hatte er gute Chancen, als legitim anerkannt zu werden, und war damit geradezu der natürliche Fluchtpunkt für eine Opposition gegen die Herrschaft Hilderichs. Der entthronte König und sein Neffe Hoamer wurden zusammen mit ihren Kernfamilien und Anhängern eingekerkert und später, als der Konflikt mit Byzanz eskalierte, hingerichtet.2 Die negative Darstellung Gelimers in beiden Überlieferungssträngen nimmt ihren Ausgang unter anderem von diesen Morden her. Da Gelimer mit Hilderich verwandt war, löst sich der scheinbare Widerspruch der Angaben zu den Opfern von Gelimers Herrschaft in H 17 und A 18 auf: Die dezimierte Verwandtschaft Hilderichs ist zugleich auch diejenige Gelimers. Aufgrund dieser Parallelität ist davon auszugehen, dass die negative Zeichnung des Usurpators bereits Teil der ursprünglichen Königschronik war. Gelimer galt dieser Chronik als tyrannus, nicht als legitimer Herrscher. Diese negative Sicht auf ihn ist jedoch wiederum schwerlich Ergebnis einer katholischen Orientierung des Verfassers, da von Gelimer gar keine katholikenfeindlichen Maßnahmen

1

Als maßgebliches Argument für seine Usurpation scheint Gelimer nicht die Religionspolitik Hilderichs herausgestellt zu haben, sondern dessen Rückschläge bei der Maurenabwehr: Joh. Mal. 459; Procop. Vand. 1,9,1–8. Zur der halbrömischen Abkunft des Königs: Dossey, Job v. a. 120 f. Laut Procop. Vand. 1,9,5 war Hilderich ein Freund Justinians. Vgl. auch Wolfram, Reich 252 f. 2 Vgl. Procop. Vand. 1,9,14–9. 1,17,11; Theophan. 6026; Vict. Tonn. chron. a. 531. 534,1. Siehe auch: Diesner, Vandalenreich 97; Wolfram, Reich 254 f.

Kommentar

377

belegt sind.1 Sehr wohl könnte sie aber eine byzantinische Sicht auf den Kriegsgegner spiegeln.

H 19 Die Nachricht über die Rückeroberung Africas durch den oströmischen magister militum Belisar2 im Spätsommer des Jahres 533 bildet den Terminus post quem für die Abfassung der Königschronik. H 19 muss Teil dieser dem Laterculus zugrunde liegenden Ursprungsquelle gewesen sein, da die gegebene Information unmittelbar mit der vandalischen Königsliste zusammenhängt, die an dieser Stelle endet. Das Fehlen einer analogen Nachricht im Augiensis jedenfalls ist kein Argument gegen diese Annahme: Die dortige Komputation in A 20 bezieht sich chronologisch direkt auf die von H 19 berichtete Zerschlagung des Vandalenreichs durch Konstantinopel. Der Bericht über dieses Ende ist im Überlieferungsstrang des Augiensis also aus unbekannten Gründen ausgefallen.3 Kaiser Justinian I. hatte sich nach dem Sturz Hilderichs 530 in die Thronstreitigkeiten der Vandalen eingeschaltet und den Kontakt zum Usurpator Gelimer gesucht. Dieser erkannte in den Interventionen Konstantinopels eine Einmischung in die internen Angelegenheiten seines Reichs und erteilte jeglicher Forderung Justinians nach einer Restituierung des abgesetzten Hilderich eine scharfe Absage. Daraufhin begann der Kaiser, unter dem Vorwand, in Africa den rechten Glauben schützen zu müssen, den Krieg gegen Gelimer.4 Belisar wurde mit einer Invasionsarmee in den Westen gesandt, landete Ende August 533 an der africanischen Küste und marschierte auf Karthago. Der überraschte Gelimer stellte sich ihm am 13. September kurz vor der Hauptstadt bei Decimum entgegen und wurde geschlagen. Während der Vandale floh, zog Belisar in Karthago ein – ge-

1

Vgl. Schmidt, Wandalen 186. Die negative Sicht auf Gelimer ließe sich katholischerseits daher höchstens aus einer positiven Sicht auf Hilderich herleiten, zu dem Gelimer als generelles Gegenbild fungiert. Zu Gelimers Herrschaft: Diesner, Vandalen 969–73; Diesner, Vandalenreich 98–104; Vössing, Königreich 131–8; PLRE 3, 506–8 (Gelimer). 2 Zu diesem: PLRE 3, 181–224 (Fl. Belisarius 1). 3 Vgl. Einl. Kap. III.2. 4 Vgl. zur Vorgeschichte des Kriegs den (gegenüber Justinian kritischen) Bericht bei Procop. Vand. 1,9 f. Zum Vorwand der Verteidigung des Glaubens indirekt auch: Vict. Tonn. chron. a. 534,1.

378

(G 6) Laterculus regum Vandalorum et Alanorum

gen den Laterculus allerdings erst am 15. September.1 Zwar kam es im Dezember noch zu einer weiteren Schlacht bei Tricamarum, und Gelimer gab erst Ende März oder Anfang April 534 seinen Widerstand gegen die Invasoren auf und begab sich in Gefangenschaft; nichtsdestotrotz hatte das Vandalenreich de facto im Spätsommer 533 sein Ende gefunden. A 20 jedenfalls geht von diesem Enddatum aus.2

A 20–22 Es ist nicht zu bezweifeln, dass die in A 20–22 erhaltene Abschlusskomputation im Grundsatz bereits Teil der ursprünglichen Königschronik war, ganz ähnlich wie die Stellen A 13 f. / H 13. Derartige chronologische Zusammenfassungen begegnen in Texten chronistischer Natur am Ende der Darstellung regelmäßig. Dass die Königschronik mit H 19 ihr Ende erreicht hat, muss als sicher gelten, immerhin hatte sie ihren zentralen Betrachtungsgegenstand verloren. Zwar liefert der Augiensis keinen Bericht über das in H 19 thematisierte Erlöschen der Reihe vandalischer Herrscher, während im Matritensis keine abschließende chronologische Gesamtzählung begegnet; da sich A 20 chronologisch aber auf H 19 bezieht, ist davon auszugehen, dass beide Fragmente ursprünglicher Teil der Quelle waren. Während die reine Existenz der Komputation also als gesichert gelten darf, muss das Urteil hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung differenzierter ausfallen: Offensichtlich gehören A 20 einerseits und A 21 f. andererseits nicht originär zusammen. So fällt auf, dass sich A 20 – wie der gesamte parallele Strang des Matritensis und letztlich auch der chronologische Anknüpfungspunkt H 19 – gänzlich auf Zeitpunkte bezieht, die für die Geschichte des vandalischen Regnums relevant sind. A 21 f. hingegen bezieht sich auf Ankerpunkte, die nichts mit den Vandalen zu tun haben,

1

Papencordt, Herrschaft 152. Ihm folgt Schmidt, Wandalen 134. Zur Vandalenkampagne Belisars insgesamt: Schmidt, Wandalen 128–41; Wolfram, Reich 254–6; Vössing, Königreich 132–9. Zur Größe der oströmischen Verbände: Procop. Vand. 1,11,1. 2,7,18–21. 2

Zwar lässt sich das Ende des Vandalenreichs auch anders datieren (Diesner, Vandalen 971 f. z. B. nimmt die Schlacht bei Tricamarum als Enddatum), letztlich ist die Frage nach dem konkreten Ende des Reichs aber weder zu beantworten noch überhaupt von größerer Bedeutung.

Kommentar

379

dafür aber die Chronologie an die Chronik des Prosper anschließen.1 Als weiterer Unterschied kommt hinzu, dass A 20 das Ende des Vandalenreichs korrekt in den Spätsommer 533, konkret auf den 30. August, legt, A 21 und A 22 aber jeweils nur bis ins Jahr 532 führen. Ähnlich wie in A 13 f., wo mit H 13 am Vorhandensein der Komputation an sich kein Zweifel besteht, der Variante des Matritensis aber der Vorzug zu geben ist, dürfte an dieser Stelle nur A 20 der ursprünglichen Berechnung entstammen. Der chronologische Anschluss an die Prosper-Chronik in A 21 f. hingegen stammt von einem späteren Kompilator.

1

Der Tod des Valens markiert den Beginn der Fortsetzung der Hieronymus-Chronik durch Prosper. Die chronologische Verortung Adams in A 22 deckt sich, wenn auch mit einer kleinen Ungenauigkeit, mit der Angabe in Prosp. chron. 1318.