Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext: Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis [1 ed.] 9783896449313, 9783896732330

Globalisierungs- und Internationalisierungsprozesse erfordern zunehmend die Realisierung von Projekten und Kooperationen

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Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext: Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis [1 ed.]
 9783896449313, 9783896732330

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Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation

Tanja Emmerling (Hrsg.)

Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis

Verlag Wissenschaft & Praxis

Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation herausgegeben von: Prof. Dr. Jürgen Bolten, Universität Jena Prof. Dr. Peter Oberender, Universität Bayreuth

Band 10

Tanja Emmerling (Hrsg.)

Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-233-1 © Verlag Wissenschaft & Praxis

Dr. Brauner GmbH 2005 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Inhaltsverzeichnis EINLEITUNG

7

I Interkulturelles Projektmanagement und internationale Kooperationen Review: Interkulturelles Projektmanagement – Kulturvergleichende und interkulturelle Studien

15

Interkulturelle Projektteams: Adjustment an interkulturelle Kontexte

34

Opportunismus – Die „dunkle Seite“ internationaler Unternehmenskooperationen

52

Gabriela Kessler

Jonas F. Puck, Michael P. Cerhak

Nada Endrissat, Torsten M. Kühlmann

II Observationsmethoden, Teamentwicklung und Mediation Observationsmethoden und Analysen multikulturellen Kooperierens in Teams nach Bales

73

Interkulturelle Teamentwicklung

87

Rogier Crijns

Matthias Otten

Interkulturelle Mediation: Grenzen und Chancen Dominic Busch

103

III Länderspezifisches und Fallbeispiele Frankreich: Management von IT-Projekten in Frankreich und Deutschland

Alp Kor, IBM Business Consulting Services

129

6

Italien: Kommunikationsstile zwischen Italienern und Deutschen

137

Großbritannien – Holland: Umgang mit Konflikten und Stereotypen in einem internationalen Projektteam

142

Brasilien: Wirtschaftspartner Brasilien – Eine Verhaltensanalyse

150

USA: Die Einführung eines neuen EDV-Systems während einer amerikanischen Übernahme

156

Arabischer Raum: Geschäftsbeziehungen und interkulturelles Projektmanagement

163

China: Und plötzlich ist da nur noch Mattscheibe ... Praktische Spotlights aus dem Geschäftsleben in Shanghai

169

Japan: Entscheidungsprozesse in Japan am Beispiel der Organisation eines Betriebsausfluges im Vergleich mit der bedrohlichen Situation eines Giftgasanschlages

176

Multikulturell: Let’s Make a Book! – die Organisation einer internationalen Zusammenarbeit

180

Sylvia Kumm, AHK Italien

Michael Köhler, freier Unternehmensberater

Günter Hierneis, Adviser Intercultural Management

Anja Walter, initii Unternehmensberatung

Dalia Abu Samra, Ahk Abu Dhabi Sven Rohte, Detecon International GmbH

Frieder Demmer, HRO Consulting

Christine Heinze, Relationship Manager für asiatische Banken

Christof Häger, IBM Deutschland GmbH

Autorinnen und Autoren

191

7

EINLEITUNG Die Begriffe Projekt und Kooperation werden in den unterschiedlichsten Zusammenhängen mit entsprechend definitorischen Unterschieden verwendet. In Bereichen der Wirtschaft werden diese durch bestimmte Eigenschaften abgegrenzt. So zeichnen sich Projekte durch eine festgelegte Zielvorgabe, die Einmaligkeit des Vorhabens sowie die zeitlichen, personellen und finanziellen Begrenzungen aus. Die Bezeichnung Kooperation bezieht sich neben der konsensorientierten Zusammenarbeit in einer Arbeitsgruppe im internationalen Kontext überwiegend auf Unternehmenskooperationen, die die unterschiedlichste Gestaltung von rechtlichen Zusammenschlüssen bis hin zu rein operativen Kooperationen erfahren können. Unabhängig von der Ausgestaltung sind für diese aber die freiwillige, zeitlich flexible Zusammenarbeit und ein abgegrenztes Leistungsspektrum charakteristisch. Neben diesen Unterschieden werden beide Begriffe in der Literatur aber auch in einen direkten Zusammenhang gestellt. Einzelne Phasen der Anbahnung einer Unternehmenskooperation werden dabei als Einzelprojekte aufgefasst oder so genannte Ad-hoc-Kooperationen auch als Projektkooperationen bezeichnet. Innerhalb von Projekten wird dagegen von kooperativem Verhalten gesprochen. Durch diese definitorische Verquickung erschien es sinnvoll, Projekte und Kooperationen nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern in einem Band zusammenzuführen. Inwieweit Projekte und Kooperationen erfolgreich umgesetzt und die vorgegebenen Ziele erreicht werden, hängt, wie der vorliegende Band zeigt, neben einer ganzen Reihe von Rahmenbedingungen von der Gestaltung der Beziehungsebene der Beteiligten und Verantwortlichen ab. Insbesondere durch die strikte Zielausrichtung und den Zeitdruck in Projekten sowie in der sensiblen Phase der Anbahnung und Aufrechterhaltung von Kooperationen können Störungen auf der Beziehungsebene schnell auch zum Scheitern des Vorhabens führen. Aufgrund dieser Erkenntnis wird der Gestaltung der Interaktion und Kommunikation in diesem Zusammenhang verstärktes Interesse entgegengebracht. Bei Planung und Durchführung zeitlich befristeter Zielsetzungen und Unternehmenspartnerschaften gewinnt die Beziehungsebene zwischen den Beteiligten oder Verantwortlichen in Projekt- und Kooperationsmanagement zunehmend an Bedeutung. Vor allem das Projektmanagement wird inzwischen als „Managen mit und für Menschen“ verstanden, das unter einer begrifflichen Gleichsetzung von „general management“ und „project management“ ein „kooperatives Führen“ erforderlich macht.1 1 Projektmanagement. Grundlagen: Kennzeichen erfolgreicher Projektabwicklung; Aufbau und Ablauf des Projektmanagements; Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten, Bd. 1, Herne; Berlin: Verlag Neue Wirtschaftsbriefe 2000, S. 35 f.

8 Obwohl durch Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft bi- und multikulturelle Projekte sowie Unternehmenskooperationen zwischen Partnern unterschiedlicher Kulturräume schon mehr die Regel als die Ausnahme sind, wird dem kulturellen Einfluss auf die Beziehungsebene aber immer noch zu wenig Beachtung geschenkt (s. Kessler). Die Unterschätzung kulturdeterminierter Beziehungsstörungen mag darin begründet sein, dass es gerade in der Anfangsphase neuer interkultureller Formierungen von Teams und Partnern für die Beteiligten oftmals schwierig ist zu differenzieren, welche Handlungsabweichungen und Normvorstellungen (in den Augen des Betrachters der Ausgangskultur) individuengebunden und welche kulturgebunden zu verstehen sind. Während der Vorrecherchen zu diesem Band bewerteten Projektmitarbeiter, die sich mit kulturellen Determinanten bisher nicht auseinander gesetzt hatten, diese als zu subjektiv, um deren Auswirkungen auf die Zusammenarbeit beschreiben zu können. Gerade das Unterschlagen der subjektiven Bewertungsschemata verhindert jedoch die Lösung der aufkommenden Schwierigkeiten und erschwert die Möglichkeit, eine Basis für ein gemeinsames Handeln zu schaffen. Dadurch kann die kulturell determinierte Beziehungsebene zwischen den Partnern in Projekten und Kooperationen ein Unsicherheits- oder Risikofaktor für den Erfolg des Vorhabens darstellen. Andererseits bietet die interkulturelle Beziehung aber auch neue Handlungsmöglichkeiten. Der Faktor „Interkulturalität“ und das daran geknüpfte Bewusstsein für die Anpassungsanforderungen an den interkulturellen Kontext begünstigen durch die Bereitschaft des gegenseitigen Voneinanderlernens, der kooperativen Interaktion oder einer Thematisierung der bestehenden Schwierigkeiten auf der Metaebene Synergien für eine erfolgreiche Realisierung. Der vorliegende Band soll dabei vor allem deutlich machen, dass es immer Individuen sind, die in der interkulturellen Zusammenarbeit zu einem Team oder Partnerschaft finden müssen. Die Kombinationsmöglichkeiten bikultureller oder multikultureller Projektteams bzw. Kooperationspartner sind aber so vielfältig, dass keine allgemein gültige Aussage über einen bestimmten Interaktionsablauf zwischen den Beteiligten gemacht werden kann. Daher geht dieser Band die Thematik aus zwei Perspektiven an. Zum einen wird aus der forschungsorientierten Perspektive (Teil I und II) der interkulturelle Kontext von Projekten und Kooperationen als solcher diskutiert. Zum anderen werden die in der Theorie behandelten Grundproblematiken von Projekt und Kooperation anhand von länderspezifischen Beispielen aus der praxisorientierten Perspektive (Teil III) besprochen. In Teil I vollzieht Kessler zunächst einen Forschungsüberblick über bisherige Ansätze zum Projektmanagement und erfasst dabei die Länder, die auch in Teil III aus der Praxisperspektive analysiert werden. Des Weiteren werden in diesem Abschnitt Chancen und Risiken, die in Projekt und Kooperation aus dem interkulturellen Kontext erwachsen, sowie die Spielarten des Beziehungsrisikos verdeutlicht. Komplexere Vorhaben erfordern in der Wirtschaft die Zusammenarbeit mehrerer Personen mit entsprechend spezifischem Fachwissen, was die Aufstellung eines Teams erforderlich macht. Puck und Cerhak zeigen in diesem Zusam-

9 menhang, welche Möglichkeiten und Probleme mit interkulturellen Projektteams verbunden sind. Ihre Studie demonstriert, wie das subjektive „adjustment“ des Einzelnen den Erfolg eines Projektes bestimmt (s. Puck/Cerhak). Zwar unterliegen Unternehmenskooperationen deutlich höheren rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Aufwendungen als zeitlich begrenzte Projekte, Endrissat und Kühlmann verdeutlichen aber, dass auch in Unternehmenskooperationen auf der Beziehungsebene kulturell bedingte Risiken entstehen können, die den Erfolg der Unternehmenspartnerschaft beeinträchtigen. Dabei fokussieren sie insbesondere opportunistisches Verhalten und verweisen neben Budgetierung und Kontrollmaßnahmen auf den Aufbau von Vertrauen sowie sozialer Netzwerke, um diesem Verhalten entgegenzuwirken (s. Endrissat/Kühlmann). Die Studien in diesem Abschnitt machen deutlich, dass vor allem fachübergreifend noch geraumer Forschungsbedarf bezüglich der Auswirkungen und des effektiven Umgangs mit „Interkulturalität“ in diesen Beziehungskonstellationen besteht. Die Forschung zur allgemeinen interkulturellen Kommunikation hat deutlich gemacht, dass das Verständnis für die Kulturkonzepte des jeweils anderen, dessen Erwartungen, Normen und Stereotype auf der einen Seite und das aktive Gestalten einer der Situation angepassten Interaktion und Kommunikation auf der anderen Seite dazu beitragen können, eine erfolgreiche Arbeitsbeziehung aufzubauen und zu erhalten. Während bei Unternehmenskooperationen noch die Möglichkeit besteht, dass sich die Verantwortlichen gezielt auf die Kultur des Gastlandes vorbereiten, ist dies in zeitlich begrenzten Projekten, in denen darüber hinaus eine höhere Fluktuation der Mitarbeiter und eine Rotation der Aufgabenbereiche bestehen kann, nur sehr eingeschränkt (vgl. Puck/Cerhak) oder projektbegleitend möglich. Aber auch mit entsprechend kultureller Vorbildung besteht aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen immer die Gefahr, dass die Beteiligten in eigenen Handlungsroutinen verharren, Missverständnisse latent fortwirken lassen und nicht metakommunikativ zu einer Lösung gelangen. Dadurch wird schnell die Gelegenheit verpasst, Gemeinsamkeiten auf der Grundlage der Interaktion und Kommunikation auszubilden und die kulturellen Risiken des Vorhabens einzudämmen. Eine Chance bestände jedoch gerade im sukzessiven Entwickeln einer den Rahmenbedingungen angepassten Interkultur zwischen den jeweiligen Partnern und Teammitgliedern und, sofern ein entsprechender Zeitrahmen gegeben ist, auch einer eigenständigen Projekt- oder Kooperationskultur (vgl. Puck/Cerhak). Daher fokussiert Teil II dieses Bandes detaillierter die Forschungsansätze, die zum einen die Gestaltung der Interaktions- und Kommunikationsebene und zum anderen die Konzepte, die in der Planungsphase oder interaktionsbegleitend zur Anwendung kommen, betrachten. Hierfür wurden solche Fragestellungen ausgewählt, die in der Zusammenarbeit in Kooperationen und Projekten häufig anzutreffen sind wie

10 die Formierung von Projektteams, die Interaktion und Kommunikation im Team und die Behandlung offener Konflikte. Crijns stellt hierzu Ansätze zur Beobachtung, Beschreibung und Analyse von Gruppen und Teams aus interaktionstheoretischer, systemtheoretischer, soziometrischer, allgemeinpsychologischer und linguistischer Perspektive vor (s. Crijns). Hieran schließt die Studie Ottens zur Förderung der Projektteamentwicklung an. Sie beleuchtet die fragilen Sozialbeziehungen interkultureller Teams, Vertrauenskonzepte und praktische Maßnahmen zur Förderung der Teamentwicklung (s. Otten). Busch diskutiert Chancen und Grenzen der Mediation als Mittel zur Konfliktbearbeitung, in Verständigungsprozessen und für Entscheidungsfindung in interkulturellen Kontexten (s. Busch). Um den Spagat zwischen theoretischen Ansätzen zum interkulturellen Kontext und konkreten Problembereichen und deren unterschiedlichen Ausprägungen in der Zusammenarbeit mit bestimmten Ländern zu vollziehen, führt dieser Band Beispiele aus der Praxis (Teil III) auf. Anstatt auf geleitete Interviews oder Fragebögen zurückzugreifen, berichten in diesem Band Autoren der Wirtschaft, die in den Bereichen Projektmanagement oder Consulting, als Unternehmer oder „Expatriates“ in Amerika, Asien, Europa sowie dem arabischen Raum tätig sind, über authentische Länder- und Fallbeispiele aus der eigenen Berufspraxis. Der Erkenntniswert der Länder- und Fallbeispiele, die von den Beteiligten interkultureller Projekte und Kooperationen selbst erstellt werden, liegt hier in dem vernetzten Wissen, das durch die Darstellungsform übermittelt wird. Die Fallbeispiele stehen dadurch im Gesamtzusammenhang des kommunikativen Gefüges zwischen textexternen Faktoren (Autor), situativem Kontext (Referenz auf den spezifischen Problemkontext) und ggf. impliziten Adressaten des Textes (Betrachtung einer bestimmten Subgruppe wie z. B. Kleinunternehmer mit Kooperationspartnern im Ausland oder Expatriates in multinationalen Unternehmen). Die Praxisbeiträge erfassen dabei zentrale Problembereiche, die sich in Projektteams ergeben, wie z. B. den Alleingang einzelner Subgruppen im Team, die unzureichende Kommunikation mit der Gesamtprojektgruppe (s. Kor), latentes Misstrauen, Spannungen und Entfremdung innerhalb eines Teams (s. Köhler) sowie die Dominanz bestimmter Kulturräume im Team (s. Häger). Des Weiteren verdeutlichen sie die allgemeinen Schwierigkeiten in der interkulturellen Zusammenarbeit wie z. B. Stereotype und die mangelnde Bereitschaft, sich auf die andere Kultur einzulassen (s. Kumm), die zu große Versteifung auf Handlungsrezepte statt auf konzeptionelles Denken und Verständnis der eigenen Interaktion (s. Hierneis), das Unterschätzen des Stellenwertes des persönlichen Umgangs (s. Demmer) und die unvermeidliche Annäherung an die Handlungsmuster der anderen Kultur (s. Heinze). Außerdem verweisen sie auch auf methodische Defizite wie z. B. die mangelnde Einforderung von Unterstützung im Umgang mit Unterschieden in Führungsstil und Projektabwicklung (s. Walter), die falsche Ziel- und

11 Ergebnisorientierung durch unzureichende regionale Kenntnisse bzw. kulturelle Differenzierung (s. Abu Samra/ Rohte) und die unzulängliche Gestaltung eines Kommunikationsmanagements (s. Häger). Dabei können individuengebundene, methodenspezifische und situationsabhängige Probleme von Projekten oder bei Anbahnungen von Kooperationen sehr ähnlich sein, in den einzelnen Ländern aber unterschiedliche Ausprägung erfahren. Die Bewertung der Situation ist abhängig von der Ausgangskultur des Betrachters sowie der jeweiligen Zielkultur. Ziel der in diesem Band dargestellten Länder- und Fallbeispiele ist dabei nicht, die Generalisierung des Einzelfalls anzustreben, sondern die Komplexität der Interaktion hervorzuheben, die sich im Gefüge individuengebundener, situationsbedingter und länderspezifischer Problemkontexte im Gesamtzusammenhang ergibt. Durch die verschiedenen Ausbildungen, beruflichen Werdegänge bzw. wissenschaftlichen Hintergründe der Autoren ergibt sich ein vielseitiges Korpus, das dem Leser dieses Zusammenspiel verdeutlicht und darüber hinaus Möglichkeiten zur Überprüfung theoretischer Konzepte und Einsichten in die praktische Umsetzung vermittelt. Insgesamt ergänzen sich wissenschaftlich theoretische und praxisorientierte Beiträge in diesem Band so, dass der Leser ein umfassendes Verständnis über das Zusammenwirken von situativen, methodischen und individuengebundenen Faktoren in interkulturellen Projekten und Kooperationen erhält. Dabei wendet sich der Band an alle, die sich theoretisch oder praktisch mit Projekt- und Kooperationsmanagement beschäftigen. Allen Autoren sei an dieser Stelle für die Darstellung ihrer Forschungsergebnisse und Praxiserfahrungen herzlich gedankt. Da dieses Buch ein eigenes Projekt darstellte, das die virtuelle Zusammenarbeit zwischen einander völlig Fremden über mehrere Kontinente hinweg erforderte, waren eine offene Kommunikation und das Vertrauen aller Beteiligten unerlässlich. Auch hierfür möchte ich allen meinen Dank aussprechen. Darüber hinaus möchte ich meine deutliche Anerkennung dem hervorragenden Networking der IBM Deutschland GmbH und des PMI Frankfurt Chapter e.V. entgegenbringen, wodurch erst viele Kontakte hergestellt werden konnten. Besonderer Dank gilt Professor Dr. Jürgen Bolten für Unterstützung und Ermutigung zur Erstellung dieses Bandes sowie denjenigen, die mir in redaktionellen Fragen unermüdlich zur Seite standen.

Gießen, im August 2004

Tanja Emmerling

I Interkulturelles Projektmanagement und internationale Kooperationen

15

Review: Interkulturelles Projektmanagement – Kulturvergleichende und interkulturelle Studien Gabriela Kessler Der folgende Beitrag beleuchtet zunächst kritisch weit verbreitete Annahmen zum Projektmanagement. Da es keine explizite Forschung zum interkulturellen Projektmanagement gibt, werden anschließend Bestandteile des Kulturbegriffs geklärt. Für die Klassifizierung der Studien wird von den Bereichen der interkulturellen Managementforschung ausgegangen, die sich in die kulturvergleichende Forschung, die Forschung zu interkulturellen Interaktionen und die Forschung zu multiplen Kulturen gliedert. Diese Differenzierung bildet die Basis, um den Einfluss der Kultur auf menschliches Verhalten in Organisationen zu verstehen. Vorliegende Studien zum interkulturellen Projektmanagement werden entsprechend klassifiziert, wobei der Frage nachgegangen wird, welche Anforderungen sich daraus für die Projektleitung und Mitarbeiter ergeben. Der Fokus der Studien liegt auf den Ländern Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, USA, Brasilien, China, Japan sowie der MENA-Region. Es zeigt sich, dass zum Projektmanagement in und mit anderen Kulturen noch großer Forschungsbedarf besteht.

1 Projektmanagement, Theorien und Modelle Projekte sind eine temporäre, lösungsorientierte Form der Zusammenarbeit in Teams mit flachen Hierarchien, um ein oder mehrere Leistungsziele mit komplexen, planbaren Aufgaben, innerhalb eines festgelegten zeitlichen Rahmens, mit einem bestimmten Budget zu erreichen (Gaddis 1959; Packendorff 1995). Projektmanagement ist ein zeitlich begrenzter Prozess von Interaktionen, Organisation und Management. Charakteristisch sind die Aufgabenkomplexität, die zeitliche Begrenzung, eine bewusste Planung und Kriterien der Evaluation (Packendorff 1995, S. 32; Söderlund 2004, S. 185). Gründe für den vermehrten Einsatz von Projekten und Projektmanagement sind verkürzte Produktlebenszyklen, eine Zunahme der Märkte und komplexer technischer Produkte, die Notwendigkeit ganzheitlicher Problemlösungen komplexer

16 Probleme, die Transaktionskostentheorie, die Globalisierung und Migration, Partizipation, Kreativität, das Lernen sowie Synergien, um Innovation zu erreichen (Adler 1991; Kreiner 1992; Pinto 2002; Shenkar/Dvir 1996). Theorien zum Projektmanagement sind Modelle und Techniken zur Planung und Kontrolle komplexer Aktivitäten, die Strukturen und Verhalten erklären (Packendorff 1995). Die ältere Tradition wurzelt in den Ingenieurwissenschaften sowie der „Operations Research“ und fokussiert primär Planungstechniken, Risikoanalyse und Evaluation als Problemlösungsmethode zur Gruppierung und Beschränkung von Aktivitäten. Die zweite Tradition wurzelt in den Sozialwissenschaften und fokussiert organisationale Aspekte sowie Verhalten bei der Projektorganisation und -durchführung (Söderlund 2004). Das traditionelle Projektmanagement legt den Fokus auf die Struktur und vertritt eine sequenzielle Sichtweise mit drei Phasen – Planung, Implementierung, Evaluation. Heute wird Projektmanagement als „zeitliches System“ gesehen und der Fokus auf das Handeln von Individuen, ihre Erwartungen, Prozesse und das Lernen als grundlegende Elemente gerichtet (Packendorff 1995). Entgegen der weit verbreiteten Annahme, es gäbe ein universell gültiges Projektmanagement, belegen Studien recht unterschiedliche Auffassungen dazu. Die Suche nach einer universellen Theorie erweist sich deshalb als unangemessen. Fruchtbarer ist eine Debatte über kontextuelle Variationen und eine Differenzierung der Forschung und Theorien zum Projektmanagement (Schneider 1995; Singer 2003; Smith/Blancka 2002; Söderlund 2004). Bis anhin gibt es keine explizite Forschung zum interkulturellen Projektmanagement. Es ist deshalb ein Zugang über verschiedene Ansätze, welche die Organisation sowie Führung, die Zusammenarbeit, die Kommunikation und Evaluation einbeziehen, nötig. Um mit Menschen anderer Kulturen erfolgreich zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, ist zunächst ein Verständnis des Begriffs „Kultur“ notwendig.

2 Kultur als Einflussfaktor in der interkulturellen Zusammenarbeit Kultur ist ein handlungsleitendes Orientierungssystem, das sich über Generationen hinweg herausgebildet hat und Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns beinhaltet, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer Kultur für sich und andere als normal, typisch und verbindlich angesehen werden und viele Lebensbereiche betreffen (Thomas 2000). Kultur beinhaltet tradierte Ideen, Werte, Muster des Denkens, Fühlens und Verhaltens, die von Generation zu Generati-

17 on weitergegeben werden (Kroeber/Kluckhohn 1952), die Organisation des Zusammenlebens und welche Bedeutung Handlungen haben (Tenbruck 1990), Normen und Rollen (Triandis 1983), das Kommunikationssystem mit Informationsund Interpretationsmethoden (Hall 1990), Konfliktlösungsmethoden (Augsburger 1992), das kollektive Gedächtnis (Assmann 1999) und die soziale Identität (Brown 2000; Tajfel 1982). Nach erfolgreicher Sozialisation ist sie internalisiert und wirkt als unreflektierte Theorie über Ist- und Soll-Zustände, auf deren Basis eigenes und fremdes Verhalten beurteilt wird (Thomas 2000). Kultur wird oft durch das „Eisbergmodell“ veranschaulicht. Ein kleiner Teil ist wahrnehmbar, jedoch nicht immer verständlich. Der größere Teil entzieht sich der unmittelbaren Wahrnehmung. Unterschiede in Sprache, Kleidung, Verhalten in Unternehmen fallen zwar auf, können jedoch nur durch Rückgriff auf die kulturellen Orientierungen angemessen interpretiert werden (Ferraro 1998). In der Konsequenz haben Menschen, die der gleichen Kultur angehören, weniger Verständnisprobleme, weil sie über gemeinsame Werte, Normen und Wissen verfügen. In der Interaktion zwischen Personen verschiedener Kulturen können kulturelle Unterschiede jedoch erhebliche Verständnisprobleme erzeugen. Besondere Bedeutung kommt Symbolen wie Worten, Begriffen, Verhalten und Gerüchen zu. Aus dem Nichtverstehen der Bedeutung erwächst das „kulturelle Missverständnis“ (Hofstede 1997, S. 68). Dies erschwert die interkulturelle Zusammenarbeit. Oft werden unterschiedliche Vorstellungen der Mentalität zugeschrieben, insbesondere dort, wo sich Unterschiede in Sprache und Vorstellungen über Arbeitsabläufe, „richtiges“ Verhalten, Unternehmens- und Institutionskulturen und Rechtssystemen zeigen. Sie verweisen jedoch auf unterschiedliche kulturelle Wertesysteme und Grundannahmen.

3 Kulturvergleichende Studien Die kulturspezifische Forschung beschreibt einzelne Kulturen. Die kulturvergleichende Forschung fragt nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in Praktiken, Werten und kulturellen Standards (Sackmann et al. 1997, S. 16 ff.). Kulturvergleichende Studien zum Projektmanagement in den ausgewählten Kulturen wurden durchgeführt zu den Themen • Bedeutung des Projektmanagements (Chen/Partington 2001; Kruglianskas/Thahaim 2000) • Managementstile (Pheng/Lee 1997; Schroll-Machl 1995) • Risikowahrnehmung (Keil et al. 2000) • Management von Innovationen, Unsicherheitsreduktion (Herstatt et al. 2004)

18 • Projektplanung, -durchführung und Rollen (Schroll-Machl 1996) • Organisation (Leung 2001) • Projektführung und Personalmanagement (Proverbs et al. 1999; Rickards et al. 2001; Swejczewski et al. 2003), Höflichkeit (Rogers 2003) • Vertrauensaufbau (Cousins/Stanwix 2001) • Wissensmanagement (Collinson 2001), Lernstile (Smeds et al. 2001) • Partizipation (Regalia 1996), Arbeitsklima (Keller et al. 1996) • Faktoren, die zum Projektabbruch führen (Balachandra 1996) (s. Tab. 1 Kulturvergleichende Studien, Tab. 2 Kulturspezifische Studien) Die Studien belegen kulturelle Unterschiede in verschiedenen Bereichen des Projektmanagements. Die meisten kulturvergleichenden Studien schließen leider nur zwei bis vier Kulturen ein. Bei europäischen Ländern fehlen vergleichende Studien zur Bedeutung des Projektmanagements, zu Planung, Durchführung, Managementstil, Formen der Zusammenarbeit und erwarteten Leistungen. Zum Projektmanagement in Italien, Brasilien und der MENA-Region liegen wenig Daten vor. Es gibt jedoch eine Reihe von kulturspezifischen Studien, die Einblick in Formen des Projektmanagements in einzelnen Ländern gewähren. Die meisten davon wurden in China und den USA durchgeführt. Tabelle 1: Kulturvergleichende Studien zum Projektmanagement Autor Balachandra 1996 Chen/ Partington 2001 Collinson 2001

Länder D, GB USA Japan China Westen UK Japan

Cousins/ Stanwix 2001

UK Japan

Herstatt et al. 2004

D Japan

Keil et al. 2000

Singapur NL Finnland

Fokus Faktoren, die zu Projektabbruch führen Bedeutung des PM, Beziehungen; in der Konstruktion Management von F&E-Projekten; chem. Industrie Beziehungsmanagement, Vertrauensaufbau, Risiken; Zulieferer, 43 Interviews, Japan Unsicherheitsreduktion; 14 dt., 13 jap. Projekte Kostensenkung, Risikowahrnehmung, „Commitment“, ein Projekt fortzusetzen

Ergebnisse • Unterschiede und Ähnlichkeiten in Faktoren, die in D, GB, USA und Japan zu Projektabbruch führen. • verschiedene Bedeutung des PM • verschiedene Beziehungen • Unterschiede bei der Integration des Wissens und technischer Expertise • Hindernisse; Benötigung verschiedener Organisationsmechanismen • Unterschiede im Vertrauensaufbau • Modell für gegenseitigen Vertrauensaufbau zwischen japanischen und nichtjapanischen Firmen • projektspezifische Formen • Unterschiede im Management von Innovationen, Risikoreduktion • Kostensenkung, Risikowahrnehmung sind kritische Faktoren • in Singapur stärker ausgeprägt

19 Autor Keller, Julian, Kedia 1996

Länder 11 Länder ohne USA

Fokus Arbeitsklima; 658 akademische u. 1033 F&E-Teams

Kruglianskas 2000 Leung 2001

Brasilien USA China Hongkong Europa

Projektmanagement

Pheng/Lee 1997

China Westen

Managementstile, Ost-West-Vergleich

Proverbs, Holt, Olomolaiye 1999 Regalia 1996

D F GB Europa

Planung; Engineering, Fragebogen Partizipation

Rickards, Chen, Moger 2001 Rogers 2003

Europa Asien Afrika USA Asien D USA

7-Faktorenmodell; 1.103 Fragebögen; Projektteams Höflichkeit bei Berichterstattung Projektplanung und Durchführung, Rolle des Projektleiters und der Teammitglieder Kommunikationsstil Lernstil; Fallstudie F&E-Designer Leistung, Qualität; Ingenieursunternehmen, Fragebogen

Schroll-Machl 1995 Smeds, Olivari, Corso 2001 Szwejczewski et al. 2003

D Italien Schweden Finnland I GB

PM Software, organisationale Faktoren

Ergebnisse • kulturelle Effekte • Arbeitsklima und -zufriedenheit mit Bezahlung und Supervision haben stärkeren Effekt • Hinweise für transkulturelles Projektmanagement in MNC • Management-Praktiken in Hongkong • unterstützende Organisation • Unterschiede zu Europa • Vergleich westlicher Managementstile mit Zhuge Liang 12. Jh., Feststellung von Gemeinsamkeiten • signifikante Unterschiede im modernen Projektmanagement und im Personalmanagement • kulturspezifische Unterschiede in Erwartungen an direkte Partizipation • transformationale Teamführung erhöht die Teamleistung überall • Unterschiede in der Höflichkeit gegenüber Vorgesetzten kulturspezifische Unterschiede bei • Projektplanung, -durchführung • Rollen: Projektmanager, Team • Konfliktfelder d. Zusammenarbeit • Unterschiede in Lernstilen, Kommunikationsstil, Meetings • Belohnungen, Interprojektlernen • kein großer Unterschied in Leistung und Qualität • große Unterschiede im Personalmanagement

Tabelle 2: Länderspezifische Studien zum Projektmanagement Autor Eppler 2000 Bryde 2003 Benghozi 1990 Charue-Duboc/Midler 2002 Midler 1995 Anarboldi et al. 2004 Cesaria 2000 Chiaromonte 1997 Morley et al. 1997 Zucchermaglio, Talamo 2000 Bounds 1998

Land D GB F F

Fokus Wissensmanagement in Projektteams traditionelles und heutiges Projektmanagement in GB Projektmanagement bei der französischen Telecom Projektmanagement: Untersuchung kritischer Faktoren

F Italien Italien Italien Italien Italien

Projektmanagement bei Renault Projektmanagement im öffentlichen Bereich Kommunikation in italienischen Multinationals Organisation, Management, Innovationsprobleme Organisationskultur, Kommunikation, Hightech-Unt. Differenzierung von Zeitkonzepten in Italien; Verhandlungen über Zeit; qual. + quant. Daten; Bank Projektmanagement und -teams in den USA

USA

20 Autor Bowen/Clark 1994 Cooper et al. 2004 Ellis et al. 2003 Fox/Spence 1999 Henderson 2004 Hist/Mann 2004 Patrashkova 2002 Tukel/Rom 2001 Al-Arjani 2000 Cheung/Chuah 1999 Chuah et al. 1995 Liu et al. 2004 Pheng/Leong 2000 Pheng/Yuquan 2002 Wong et al. 2001 Lindkvist et al. 1998

Land USA USA USA USA USA USA USA USA Saudi Ar. Hongkong Hongkong China China Singapur Hongkong Japan

Fokus 7 kritische Faktoren, Produktentwicklungsprojekte „Best practices“-Produktentwicklungsprojekte Wissenserwerb und Lernen in Projektteams Entscheidungsstile von amerikan. Projektmanagern Kommunikationsfertigkeiten von Projektmanagern effektive Führung und Teamkommunikation, F&E Kommunikation in Projektteams Kriterien der Projektevaluation Bietungsverhalten bei Projekten Konfliktmanagementstile, 63 Fallbeispiele Projektmanagement, Strukturen, 84 Fallstudien Probleme des Projektmanagements; Konstruktion Projektmanagement in China und interkulturell chines. Kultur in Konstruktionsprojekten nach Hofstede HR Management, „Commitment“, chinesische Werte Produktentwicklung, Organisation, Unterstützung

4 Interkulturelle Interaktionen, Kommunikationsstile Die Forschung zu interkulturellen Interaktionen bezieht sich auf die Bedeutung, die in der interkulturellen Interaktion entsteht. Eine zentrale Rolle kommt interkultureller Kommunikation zu, denn alle internationalen Kontakte beinhalten Gespräche mit Personen anderer Länder. Kommunikation umfasst die verbale Kommunikation (mündlich, schriftlich), die nonverbale Kommunikation (räumliches Verhalten, Körperhaltung, Mimik, Gestik, Berührungen, Erröten, Schweißausbrüche), die paraverbale Kommunikation (Intonation, Lautstärke, Pausen, Schweigen) und die olfaktorische Kommunikation (Gerüche). Kommunikation stellt allgemein hohe Anforderungen, die in interkultureller Kommunikation ungleich höher sind. Nach Schulz von Thun (1991) gibt es vier Ebenen einer Nachricht: eine Sachebene, eine Beziehungsebene, eine Selbstoffenbarungsebene und eine Appellebene. • Die vier Ebenen haben in den Kulturen einen unterschiedlichen Stellenwert. Beispielsweise hat die Beziehungsebene in kollektivistischen Kulturen einen höheren Stellenwert als in individualistischen Kulturen. • Die Kommunikation unterscheidet sich auch in der Bedeutung. Dieselben Worte, Mimik, Gestik, Intonation, Lautstärken, Pausen können in anderen Kulturen eine ganz andere Bedeutung haben. Selbst Lächeln bedeutet nicht in allen Kulturen dasselbe. In Asien kann es Enttäuschung überspielen. • Die Erwartungen an Organisationsstrukturen und die Arbeit haben einen Einfluss darauf, wie Individuen auf unbekannte Situationen in der Interaktion mit Personen anderer Kulturen reagieren.

21 Problematisch in interkulturellen Interaktionen ist, wenn das Handeln anderer auf Basis der eigenen Wertvorstellungen beurteilt wird und zu einer ganz anderen Interpretation führt. Menschen suchen nach Erklärungen, um das Verhalten anderer zu verstehen (Heider 1977). Die Ursachenzuschreibung (Attribution) unterliegt jedoch ebenfalls dem eigenkulturellen Wertesystem und bewirkt u. U., dass den Motiven des anderen falsche Ursachen zugeschrieben werden (Bochner 1982). Dies kann zu einem fundamentalen Attributionsfehler führen, indem die Ursache in der „problematischen Persönlichkeit“ des anderen gesehen wird, weil kulturelle Ursachen des Verhaltens ausgeblendet werden (Gudykunst 1998; Thomas 1993, S. 383 f.). Die umgekehrte Gefahr besteht in der Stereotypisierung, wenn Personen nur als Vertreter ihrer Gruppe beurteilt und vorhandene Vorurteile dadurch bestätigt werden. Interkulturelle Interaktionen kennzeichnen sich deshalb durch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Konflikten, deren Überwindung hohe Gesprächsbereitschaft und Verständnis für andere Sichtweisen erfordern. Tab. 3 enthält Studien zur interkulturellen Kommunikation und zu Interaktionen im Projektmanagement. Sie wurden durchgeführt zu • Kommunikationsstil, Verhandlungsstil, Misskommunikation (Bilbow 1997; Ghauri/Fang 2001; Günthner 1991; von Helmolt 1997; Kotthoff 1991; Kowner 2002; Loosemore/Al Muslmanib 1999; Nelson et al. 2002; Santosa 2001; Stowell 2003; Zeutschel 1999) • Kommunikation zwischen Projekteignern und Projektmanagern (Mueller/ Turner 2004) • Erwartungen an die Kommunikation (Kessler et al. 2004) • semantischen Unterschieden von Symbolen (Piamonte 2001) • unterschiedlicher Wahrnehmung schlechter Nachrichten (Tan et al. 2001) • Bedeutungsaushandlung (Santosa 2001) • Arbeitsstilen und Entscheidungsstilen (Schroll-Machl 1996; Zeutschel 1999) Es fehlen Studien zur deutsch-britischen, deutsch-italienischen, deutsch-arabischen Kommunikation in Projekten. Auch die Wirkung des Englischen auf anderssprachige Kontexte ist bisher schlecht erforscht (Feely/Harzing 2003). Tabelle 3: Studien zur interkulturellen Kommunikation Autor

Länder

Fokus, Vpn

Ergebnisse

Bilbow 1997

China/ Hongkong Westen

Impressionmanagement; Fluggesellschaft

Bosch 1997

D, F, USA

Cesaria 2000 Feghali 1997

Italien MENA-Reg.

Projektmanagement; Raumfahrtprojekte Kommunikation Kommunikationsstil

• Unterschiede im Impressionmanagement, Diskursstil, Sprechakten • Attributionen, Misskommunikation • Trainingsprogramm • Projektmanagement, versch. Aspekte • Aufgaben italien. Multinationals • arabische Kommunikationsmuster

22 Autor

Länder

Fokus, Vpn

Ergebnisse

Ghauri/Fang 2001 Günthner 1991 Von Helmolt 1997

China Schweden D, China

Verhandlungen in Projekten; Ericcson Stilunterschiede

• Hinweise zu Verhandlungen, Priorität, Geduld, Preis, Personen • Kommunikationsstil

F, D

Kessler, Undy, Heron 2004

• Unterschiede im Kommunikationsstil • Probleme angemessener Interpretation bei Interaktionen • MA in F, GB erwarten mehr direkt konsultiert zu werden als in D, I • Einfluss von MA, am höchsten in F • Informationsart und -Umfang

Kotthoff 1991

F D I GB D, USA

interaktive Konstituierung von Modalitäten Erwartungen an Kommunikation u. Beratungsmuster Stilunterschiede

Kowner 2002

Japan u. a.

Kommunikation

Loosemore/ Al Muslmanib 1999 Moosmüller 1997 Müller/ Turner 2004

Araber (Pers. Golf) GB D, USA, Japan weltweit

Kommunikation; Konstruktion Proj.

• Hinweise auf die arabische Kultur für Projekte am Persischen Golf

• Unterschiede in versch. Aspekten des Projektmanagements

Nelson et al. 2002 Piamonte 2001 Pheng 2000 Santosa 2001

Ägypten USA EU, USA Asien China u. a. D Indonesien

Kommunikation, Erwartungen Kommunikation zw. Projekteignern u. -managern; 200 FB, Dimens. Hofstede + Komm. Kommunikationsstil

Stowell 2003 Tan et al. 2003 Zeutschel 1999

China, Japan USA Singapur Deutsche u. US-amerik. Projektgruppen

semantische Unterschiede Projektmanagement Sprechaktsequenzen, Bedeutungsaushandlung Kommunikation Wahrnehmung von „bad news“ Zusammenarbeit; Expertenbefragung, Fallbeobachtungen Die Studie gehört auch zu Kap. 5.

• Unterschiede im Kommunikationsstil • Unterschiede im Kommunikationsstil

• 4 Ländergruppen entlang eines Kontinuums mit Polen, Kollektivismus vs. Individualismus und high-context vs. low-context • signifikante Unterschiede • Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Arabischen und US-Englisch • unterschiedliche semantische Muster bei Interpretation von Symbolen • interkulturelles PM in China • kulturelle Unterschiede • Formen und Prozess interkultureller Bedeutungsaushandlung • Einfluss konfuzianischer Werte • Unterschiede zw. individualistischen u. kollektivistischen Projektteams • Arbeitsstile, Gesprächssteuerung, Entscheidungsstile, Teamwork • Bedingungen effektiver Zusammenarbeit • Entwicklungsstufen internationaler Kooperation, Empfehlungen

5 Globales und transkulturelles Projektmanagement Eine dritte Forschungsrichtung im internationalen Management beschäftigt sich mit multiplen Kulturen in Organisationen. Hier wird von Organisationen als heterogenen, pluralistischen Systemen ausgegangen. Es stehen die Wirkung der Di-

23 versität, der Umgang mit Diversität und die Berücksichtigung von Minoritäten im Mittelpunkt des Interesses (Sackmann 1997). Hier sind Studien zum Projektmanagement in globalen und transnationalen Projektgruppen zu verorten. Im Rahmen der Globalisierung werden sie vermehrt eingesetzt, um horizontale Kooperation in multinationalen Unternehmen zu erleichtern sowie Demokratisierung und Innovationen zu fördern. Denn Gruppen mit Mitgliedern verschiedener Kulturen bieten mehr Ideen, Perspektiven und Problemlösungen. Der diverse Hintergrund erfordert jedoch mehr Zeit für die Kommunikation, Koordination und Entscheidungen und stellt hohe Anforderungen an interkulturelle Kompetenzen des Projektleiters, des Teams und des Personalmanagements (Adler 1991; Cox et al. 1991). Der Erfolg dieser Gruppen hängt von den Methoden des Projektmanagements und von der Berücksichtigung kultureller Unterschiede ab. Tab. 4 enthält die Studien zu gemischtkulturellen Projektgruppen, gruppiert nach dem Fokus der Studie (Spalte 3). Studien sind durchgeführt worden zu • geeigneten Aufgaben/Einsatzbereichen (Adler 1991) • Organisationsformen (Chiesa 2000; Mendez 2003; Montoya-Weiss et al. 2003; Hauptman/Hirij 1999) • Faktoren der Effektivität und Produktivität (Hauptman/Hirij 1999; Hofner Saphiere 1996; Howell/Shea 2001; Schweiger/Atamer/Calori 2003) • Projektführung (Alder 1991; Chevrier 2003; Evaristo 2004) • Vertrauen (Jarvenpaa/Leidner 1999) • Kommunikation und geeigneten Kommunikationsmedien (Cheng 2001; Hofner Saphiere 1996; McDonough/Kahn 1997; McDonough et al. 1999; Moenaert et al. 2000; Sosa et al. 2002) • Wissensmanagement (Lagerström/Andersson 2003; Lunnan/Barth 2003) • interkulturellem Lernen (Somekh/Pearson 2003) • Erfolgsfaktoren (Kayworth/Leidner 2000; Glass 2000; Lampel 2000; Pheng/Leong 2000) Studien wurden vor allem zu Organisationsformen, Faktoren der Effektivität und Produktivität, zur Kommunikation und zu Erfolgsfaktoren durchgeführt. Der Einfluss des Herkunftslandes des Unternehmens (Noorderhaven/Harzing 2003) auf Projektgruppen und ihre Besetzung wurde noch nicht untersucht. Tabelle 4: Studien zu gemischtkulturellen Projektgruppen Autor Adler 1991 Chiesa 2000 Mendez 2003

Datenquelle ältere Forschung USA 12 Unternehmen, EU, USA, Japan Pharm. Chem. Computer-Ind. F, GB, I, D

Fokus Einsatz Führung Organisationsformen globaler F&E Organisation, Koordination

Ergebnisse • geeignete Aufgaben, Teammitglieder, Einführung, Führung • 4 Organisationsformen: Center of Excellence, unterstützende Spezialisierung, Netzwerk, spezialisierte Struktur • Projektleitung, Bedingungen • Organisation als Koordination, Konfiguration und Einflussfaktoren: Strategie, Organisationsstruktur, HRM

24 Autor MontoyaWeiss et al. 2001 Nandhakumar 2002 Hauptman/ Hirji 1999

Veil 2002 Thamhain 2004 Hofner Saphiere 1996

Howell/ Shea 2001 Schweiger, Atamer, Calori 2003 Chevrier 2003

Evaristo 2004 Mühlbacher 2002 Pheng 1998 Jarvenpaa/ Leidner 1999 Cheng et al. 2001

Datenquelle 35 Teams; USA, Japan Experiment multinationales Unternehmen 50 Engineering Teams, versch. Branchen; GB, USA, Kan., AUS, DK, Finnl. Praktiker 75 Teams Fortune 500 56 Personen, 12 globale Teams; Inhaltsanalyse, Prozessanalyse d. Meetings, Fragebogen 47 Projektmanager 9 Projektteams; Interviews; USA, GB, F, D, I, Japan EU-Länder, 3 Projektgruppen, F&E

Fokus Koordination, Konfliktmanagement Zeitmanagement Einfluss, Integration u. Koordination auf die Effektivität

Ergebnisse • Konfliktmanagement ist wichtig • moderierender Einfluss der zeitlichen Koordination • Zeitmanagement bei der Softwareentwicklung; Geografie der Zeit • Effektivität: Einstellungen und Verhalten • Unterstützung durch Integration, JobRotation, Koordination, Projektstrukturen, IT, Führungsstil • Implikationen für organisat. Lernen

Effektivität Teameffektivität Verhaltensmuster von Produktivität

• Verbesserung der Gruppeneffektivität • in erster Linie menschliche Faktoren u. organisationale Prozesse Merkmale produktiver globaler Teams: • häufigere, informelle Kommunikation • aufgabenorient. u. affektives Verhalten • äußern häufig andere Meinung • analysieren Inhalte in Meetings kritisch • agieren als interkulturelle Mediatoren Prädiktoren der Meisterschaft: • Selbstbestimmung, Interesse • Neg. Bewertung von Ideen wirkt negativ. • Kontextfaktoren, Seniormanagement, Administration der Töchter • Einflussfaktoren auf die Teameffektivität • Anforderungen an die Teamführung • Strategien von Projektführern • 3 wichtige Aspekte für PM in Europa: Toleranz, Versuch-Irrtum-Prozessentwicklung, transnationale Kultur • kulturspezif. Management in transnationalen Projektgruppen notwendig • Management von „verteilten“ Projekten

Prädiktoren der Projektleistung Faktoren der Effektivität Projektführung

Europa, USA, Japan Projektteams

Management

Projektteams virtuelle Projektteams; 350 Stud. von 28 Universit. weltweit; Projektgruppen Konstruktionsindustrie

Teamführung Vertrauen

Management

Kommunikation im Netzwerk

• Management der Diversität multikultureller Projektgruppen • biblische Weisheiten zur Teamführung • Vertrauen ist zerbrechlich und temporär • erleichtert: soziale Einführung OnlineKommunikation, Enthusiasmus, Problemlösungsfähigkeiten, Flexibilität, Information, rotierende Führung • Unterstützungsmodell für effektive Kommunikation zw. multiplen Parteien • wichtige Aspekte der Kommunikation zw. Allianzpartnern und dem Team: interorganisationale Kommunikation, Kommunikationskanäle • Die Wahl des Mediums hängt ab vom Umfang, dem Bedarf, der Effizienz und der Effektivität der Kommunikation.

25 Autor McDonough /Kahn 1997

Datenquelle USA, ProduktentwicklungsTeams globale Teams Produktentw.; explorative Studie

Fokus Kommunikation

Moenaert et al. 2000

Produktentwick -lungsteams, 4 europ. MNC

Kommunikationseffektivität u. Effizienz

Sosa et al. 2002

globale Teams, Produktentw.

Kommunikakation

Lagerström, Andersson, 2003 Pirinen 2000

Fallstudie Tiefeninterviews Fallstudie

Lunnan/ Barth 2003

„bridging teams“; 4 Fallstudien, 2 Firmen

Wissensgenerierung u. Teilung Wissensgenerierung Wissensmanagement lernen

Somekh Pearson 2002 Wysocki 2002 Demeester 1999

europ. Länder ethnograf. Studie n. Geertz interkulturelle Teams 96 interkult. Projektgruppen

McDonough /Kahn, Griffin 1999

Glass 2000

Kayworth/ Leidner 2000 Lampel 2000

Kommunikationsmanagement

interkult. Lernen Teams TechnologieTransfer Erfolgsfaktoren

12 virtuelle Teams Europa, USA, Mexico F, GB, USA, Can, Japan

Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren

Ergebnisse • Kommunikationserleichterung durch Telefon, Fax, E-Mail, Teleconferencing • mehr Kommunikation bei hoher Leistung • Einfluss der Kultur auf das Bedürfnis nach schneller u. reicher Information, • Einfluss auf die Kommunikation: Problemlösung, Komm. zur Führung, Entscheidungspraktiken, Sprache, Ferne • Telefonate erhöhen die Leistung; Videokonferenzen nicht (neg.) • 4 Anforderungen an effektive und effiziente Kommunikation: Netzwerktransparenz, Wissenskodierung, Zuverlässigkeit des Wissens, Kommunikationskostenbewusstsein, Verschwiegenheit • Unterstützung durch das Unternehmen • Kommunikationshäufigkeit, Medien • behindernder Einfluss der geogr. Distanz • Minderung durch techn. Medien, Bindung 1. Sozialisation der Teammitglieder 2. Informationstechnologie • Bedingungsfaktoren für Wissensgenerierung in interkulturellen Projektteams • Typ des Lernens in „bridging teams“ • Behinderung durch das Unternehmen • Einfluss auf Lernen u. Wissensteilung: Aktivitäten, das Team, die Firma • Große Distanz führt zu weniger Sichtbarkeit, größeren Integrationsproblemen. • Gebrauch von Englisch und E-Mails zur Kommunikation und unterschiedliche Interpretationen des method. Konzepts • Analyse und Entwicklung von Projektteams • Konzepte zur Lösung kulturbasierter Konflikte bei Technologie-Transfer, 7 Dimensionen kultureller Präferenzen, Einfluss auf Entscheidungen, Prozesse • internationale Strategie, multikulturelle Teams, Projektorganisation, Klärung des Führungsstils, Teambuilding, Auftragsklärung, Monitoring, Konfliktmanagement, Erfahrungsaustausch • 4 Herausforderungen für virtuelle Teams: Kommunikation, Kultur, Technologie, Projektmanagement (Führung) • Anforderungen an Projektmanager • erfolgreiche Projektmanagementstrategien für globale Projekte

26

6 Zusammenfassung Am häufigsten wurden Studien zum Projektmanagement in globalen Projektgruppen durchgeführt. Kulturvergleichende Studien fallen im Vergleich dazu geringer aus. Zum Projektmanagement in Italien, Brasilien und der MENA-Region liegen nur wenige Daten vor. Es wurden noch keine Studien zur interkulturellen Kommunikation in Projekten mit Italienern, Arabern oder Brasilianern durchgeführt. Insgesamt besteht noch Informationsbedarf zur interkulturellen Kommunikation in Projekten und kulturspezifischen Formen des Projektmanagements unter Berücksichtigung der Projektplanung und Durchführung, der sozialen Identität, der Arbeitswerte, der Kommunikationsstile sowie der Erwartungen an die Projektführung, die Zusammenarbeit im Team, das Wissensmanagement, Feedback und Motivation, Leistungen und Belohnung.

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Interkulturelle Projektteams: Adjustment an interkulturelle Kontexte Jonas F. Puck Michael P. Cerhak

1 Einleitung „To build a power plant in India with German technology, transformers from

Great Britain, an Italian general contractor, and a Swiss with overall project responsibility, six business areas, 200-300 employees from five countries, 20 languages, and $ 200-300 million are involved“ (Kopper 2003, S. 374). Im Rahmen der Globalisierung erfolgt in multinationalen Unternehmungen immer häufiger eine Zusammenarbeit von Mitarbeitern einer Vielzahl von Nationalitäten (Davison 1994, S. 81). Die Teambesetzung mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern und somit unterschiedlichen Kulturkreisen bedingt innerhalb der Arbeitsgruppe unterschiedliche Sprachen, Wertvorstellungen und Normen, die es seitens des Managements zu berücksichtigen gilt. Der Einsatz international zusammengesetzter Teams ergibt sich teils zwangsläufig aufgrund von äußeren Umständen (beispielsweise bei der Fusion von Unternehmen aus verschiedenen Nationen), teils werden sie jedoch sehr gezielt vom Management eingesetzt. Durch die gezielte Einrichtung interkultureller Teams erhoffen sich die Unternehmungen Vorteile gegenüber rein national besetzten Teams. Diese Vorteile werden auch von der Wissenschaft im Zusammenhang mit einem transnationalen Personalmanagement theoretisch erörtert. Ansatzpunkte bieten die Organisationspsychologie, die Spiel- und Lerntheorie, aber auch die Humankapitaltheorie. Die Vorteile kulturell heterogener Teams werden z. B. in kreativeren Problemlösungen, einem weiteren Wissensspektrum oder auch der geforderten Widerspiegelung der Marktverhältnisse im Organisationsgefüge gesehen (Welge/Holtbrügge 2003a, S. 242 f.). Neben einer Vielzahl positiver Effekte werden interkulturelle Teams aber auch mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. So kann z. B. die Handlungsfähigkeit durch höheren Koordinationsaufwand oder Kommunikationsprobleme eingeschränkt werden. Schließlich besteht beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen aufgrund von Stereotypenbildung die Gefahr des gegenseitigen Misstrauens (Adler 2002, S. 143). Einen Sonderfall interkulturell besetzter Teams stellen Projektteams dar, welche nur temporär zusammenarbeiten. Der restriktive Faktor Zeit stellt hier einen we-

35 sentlichen Unterschied zu anderen interkulturellen Teams dar. Dieser Unterschied macht sich insbesondere während der Einsatzphase der Gruppe bemerkbar (Holtbrügge/Puck 2003, S. 48). Einige Erfolgsfaktoren interkultureller Teams, wie z. B. die Bildung einer eigenständigen Teamkultur (Kühlmann 1998) oder der Grundsatz „start slowly and end faster“ (Davison 1994, S. 89) sind möglicherweise aus zeitlichen Gründen hier nicht anwendbar. Neben organisationstechnischen Fragen wie der Eingliederung dieser Teams ins unternehmerische Gesamtgefüge stellt sich jedoch auch die Frage nach Problemen der einzelnen Mitglieder dieser interkulturellen Projektteams. Mitarbeiter solcher Teams sehen sich tagtäglich mit einer Vielzahl von Kulturen konfrontiert. Diese Konfrontation erleben sie sowohl im Umfeld, in dem sie leben, als auch im Arbeitsalltag. In welchem Ausmaß sich ein Mitarbeiter diesen Umständen gewachsen sieht, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Diese reichen vom Grad der persönlichen kulturellen Flexibilität bis hin zur empfundenen Unterstützung seitens des Unternehmens. In jedem Fall aber ist der Erfolg eines Teams stets von der Leistungsfähigkeit und dem Leistungswillen seiner Teammitglieder abhängig. Verschiedene Autoren argumentieren, dass im Rahmen von Auslandseinsätzen insbesondere das Adjustment1 des Mitarbeiters an die fremde Kultur diese Faktoren beeinflusst (Black 1988; Mendenhall/Oddou 1985). Ziel dieses Beitrages ist es, in Anlehnung an das Konzept von Black (1988) die Rolle des subjektiven Adjustment-Gefühls von Mitarbeitern in interkulturellen Projektteams zu analysieren. Zunächst werden dafür der Begriff „interkulturelle Projektteams“ definiert sowie Chancen und Risiken kulturell heterogen besetzter Teams diskutiert. Darauf wird knapp die Rolle des Adjustments in der bisherigen Managementliteratur thematisiert. Im Hauptteil erfolgt zunächst die Diskussion der Fragestellung, ob der bisherige Ansatz des Adjustments auf projekttypische interkulturelle Kontexte übertragbar ist und in welcher Form eine Anpassung des Konzeptes notwendig wäre. Dann werden mögliche Beeinflussungsstrategien auf das Adjustment aus der Literatur abgeleitet und in einem Fazit die Erkenntnisse zusammengefasst.

2 Interkulturelle Projektteams 2.1 Begriffsfindung Als Grundlage der Arbeit wird zunächst eine knappe Begriffsfindung interkultureller Projektteams vorgenommen. Dies wird als notwendig erachtet, da beispielsweise ein Team mit 15 Mitgliedern aus Deutschland und einem Mitglied aus Ös1 Aufgrund des hohen Anteils an englischsprachiger Literatur zu diesem Thema wird hier der englische Terminus verwendet.

36 terreich, das für drei Tage einen Workshop macht, weniger als interkulturelles, temporäres Projektteam zu bezeichnen wäre als ein Team, das sich aus 15 Nationalitäten zusammensetzt und für mehrere Jahre zusammenarbeitet. Wir folgen daher der Definition von Adler, wonach ein interkulturelles Team aus Mitgliedern von drei oder mehr Kulturen bestehen muss (Adler 2002, S. 139)2. Ein interkulturelles Team im Allgemeinen kann daher bezeichnet werden als „a cross border team of individuals of different nationalities, working in different cultures, businesses and functions, who come together to coordinate some aspect of the multinational operation on a global basis“ (Govindarajan/Gupta 2001, S. 63). Kopper (2003, S. 369) bezeichnet die hier betrachteten interkulturellen Projektteams als Teams, die für eine relativ kurze Zeitspanne zusammenarbeiten und ein spezifisches Ziel verfolgen: das Projekt. Kopper (2003, S. 369) bringt somit auch den temporären Aspekt in derartigen Teams mit ein, indem er von einer Zusammenarbeit über eine begrenzte Zeitspanne spricht. Für die vorliegende Arbeit wird diese Zeitspanne auf einen Horizont von sechs Monaten bis fünf Jahren begrenzt. Bei einem längeren Einsatz kann nicht mehr von einer Arbeit an einem Projekt gesprochen werden; dies entspräche vielmehr einer Entsendung, die mit einem Übertritt in die Tochtergesellschaft verbunden wäre. Eine weitere Besonderheit liegt im deutlich geringeren Bezug interkultureller Projektteams zum Gastland. Zwar sehen sich auch diese Teams mit lokalen Besonderheiten konfrontiert, primäres Ziel ist jedoch die Umsetzung des Projektes, welches in der Regel einen hohen Interaktionsaufwand innerhalb des interkulturellen Teams, jedoch nur eine geringe Interaktion mit Partnern außerhalb des Teams erfordert. Das Projekt selbst steht somit absolut im Vordergrund und die Tatsache, dass die Durchführung des Projektes in einem bestimmten Land erfolgt, ist eher nebensächlich. Die Notwendigkeit, sich an lokale Faktoren anzupassen, ist somit deutlich geringer als beispielsweise in Teams mit direktem lokalen Bezug (z. B. Gründung eines lokalen Tochterunternehmens). Dafür steigt in diesen Teams die Notwendigkeit, sich an einen multikulturellen Kontext anzupassen. Im Sinne dieses Beitrags werden demnach Teams bestehend aus Mitgliedern dreier oder mehr Nationalitäten, die zum wirtschaftlichen Zweck für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu fünf Jahren für ein spezifisches Projekt zusammenarbeiten, als interkulturelle Projektteams bezeichnet.

2.2 Chancen und Risiken interkultureller Projektteams Theoretisch begründen lassen sich die Vorteile interkultureller Teams vor allem mit Erkenntnissen der Organisationspsychologie, die sich seit längerer Zeit mit 2 Adler (2002, S. 139) spricht in diesem Zusammenhang von multikulturellen Teams; die Begriffe interkulturell und multikulturell werden im vorliegenden Beitrag synonym verwendet.

37 der optimalen Zusammensetzung von Entscheidungs- und Problemlösungsgruppen beschäftigt. Empirische Studien belegen, dass Gruppen, deren Mitglieder über unterschiedliche Werthaltungen und Persönlichkeitseigenschaften verfügen, bei neuartigen und unstrukturierten Aufgaben homogen zusammengesetzten Gruppen überlegen sind, da diese zumeist kreativere Problemlösungen hervorbringen (Simons et al. 1999; Williams/O’Reilly 1998). Darüber hinaus deuten spieltheoretische Untersuchungen darauf hin, dass kulturell heterogene Gruppen häufiger kooperative Spielzüge wählen als Gruppen, die eine homogene Mitgliederstruktur aufweisen (Cox et al. 1991). So stellen auch Neuman, Wagner und Christiansen (1999, S. 40) fest, dass schon der Einfluss heterogener Persönlichkeiten und ihr jeweils einzigartiger Beitrag zur Teamarbeit die Effektivität des Teams erhöhen können. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass durch das breitere Wertespektrum neue Ideen eingebracht und Konformitätsschranken abgebaut werden, wodurch Innovationen stimuliert sowie individuelle und organisatorische Lernprozesse beschleunigt werden können (Herriot/Pemberton 1995). Im Unterschied zum Konzept der Erfahrungskurve, bei dem Lernen auf Wiederholung zurückgeführt wird, liegt dieser lerntheoretischen Erklärung die Annahme zugrunde, dass Lernen durch die Wahrnehmung von Unterschieden angeregt wird (Welge/Holtbrügge 2003b). Nicht zuletzt lässt sich die Überlegenheit international zusammengesetzter Entscheidungsgremien auch mithilfe der Humankapitaltheorie erklären. Im Mittelpunkt der Argumentation steht die Annahme, dass Unternehmungen heterogener werdenden Marktanforderungen dann am besten gerecht werden, wenn ihre interne Organisationsstruktur die externe Marktstruktur möglichst deckungsgleich widerspiegelt. Die „Inkorporation von Diversität“ (Holtbrügge 2001, S. 155) wird in diesem Sinne gerade für multinationale Unternehmungen, die in einer sehr heterogenen und stark fragmentierten Wettbewerbsumwelt agieren, als bedeutender Wettbewerbsvorteil aufgefasst (Holzmüller/Berg 2002). Schließlich stellt die Einführung interkultureller Teams auch die Chance dar, auf dem internationalen Markt gewonnene Arbeitskräfte besser ins unternehmerische Umfeld zu integrieren (Hambrick et al. 1998, S. 199 f.). Diesen positiven Aspekten internationaler Entscheidungsgremien stehen jedoch auch gravierende Nachteile gegenüber. So bedingt die Diversität insbesondere zu Beginn der Teamarbeit (Earley/Mosakowski 2000; Watson et al. 1993) einen Mangel an Gruppenkohäsion, was zu Misstrauen, Kommunikationsproblemen sowie erhöhtem Stress innerhalb der Gruppe führen kann. Misstrauen entsteht vor allem durch die geringere Attraktivität, die interkulturelle Teams für viele Mitarbeiter besitzen, Stereotypenbildung gegenüber Teammitgliedern aus anderen Kulturen oder eine vorwiegend kulturinterne Kommunikation, z. B. aufgrund von Sprachbarrieren. Diese Kommunikationsprobleme bedingen außerdem einen erhöhten Zeitaufwand durch Übersetzungen sowie einen Mangel an sprachlicher

38 Genauigkeit. Obwohl interkulturelle Teams häufig oberflächlich durch eine besonders freundliche Atmosphäre gekennzeichnet sind, offenbart sich unter der Oberfläche häufig besonders starker Stress bei den Teammitgliedern, hervorgerufen durch kulturbedingte Spannungen oder kontraproduktives Verhalten zwischen den Kulturen. Die Zunahme an Komplexität verstärkt zudem das Auftreten von Ambiguitäten und erschwert die Konsensfindung, die Bestätigung von Personen und Ideen sowie die Durchführung konzertierter Aktionen (Adler 2002, S. 133 ff.; Phillips 1994, S. 107). Bei Projektteams kommt hinzu, dass während der Phase des Teameinsatzes oft auch eine Fluktuation der beteiligten Unternehmen existiert. Die dann fehlende Kontinuität in der Besetzung des Teams erschwert zusätzlich die Bildung einer ausgeprägten Teamkultur, deren positive Wirkung beispielsweise von Kühlmann (1998) hervorgehoben wird. Die Auswirkungen der besonderen Eigenschaften interkultureller Teams im Allgemeinen und interkultureller, temporärer Projektteams im Speziellen, werden sowohl in der Führung dieser Teams wie auch für die einzelnen Mitglieder spürbar. Es stellt sich die Frage, wie sich die einzelnen Teammitglieder auf diesen interkulturellen Kontext einstellen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. In vorliegendem Beitrag geschieht dies in Anlehnung an das Adjustment-Konzept, welches in nachfolgendem Kapitel zunächst in seinen Grundzügen dargelegt werden soll. In dem daran anschließenden Kapitel wird auf die Abwandlungen unter dem Fokus des interkulturellen Kontextes eingegangen.

3 Adjustment – ein multidimensionales Konzept Die Thematik des Adjustments behandelt die Frage der Anpassung einzelner Mitarbeiter an für sie unbekannte Gegebenheiten. Als Definition des Adjustments wird der Grad des empfundenen psychologischen Wohlbefindens und der Vertrautheit in einem neuen Umfeld herangezogen (vgl. hierzu beispielsweise Black/ Mendenhall 1990 oder Torbiörn 1982). Es stellt die Anpassung an ein neues Umfeld als ein subjektives Empfinden dar (Puck et al. 2003, S. 3) und grenzt sich somit von der (versuchten) objektiven Einschätzung des Anpassungsgrades einer Person ab. Lysgaard (1955) kann vermutlich als Begründer des Adjustment-Konzeptes betrachtet werden. In seinen Studien betrachtet er Adjustment als ein unidimensionales Phänomen, welches sich primär auf die individuelle Anpassung an generelle Umweltbedingungen oder Kulturen bezieht. Diese Sichtweise behielten auch einige Studien und Forscher in den Folgejahren bei (vgl. z. B. Oberg 1960 oder Torbiörn 1982). Neuere Studien gehen jedoch von einem vielschichtigerem, sich

39 aus drei Dimensionen zusammensetzenden Modell aus und konnten diese Multidimensionalität auch empirisch nachweisen (vgl. z. B. Black 1988; Black et al. 1991): 1. „adjustment to the work situation“ 2. „adjustment to interacting with host nationals“ 3. „adjustment to the general environment“ Es wird also das Adjustment des Einzelnen in seiner Arbeitswelt, seinem Umgang mit Gastlandangehörigen und seinem generellen Umfeld unterschieden. Der Grad der Anpassung in den einzelnen Dimensionen ist dabei unabhängig voneinander. Ein Mitarbeiter kann daher an seine neue Umgebung (z. B. neue Stadt) bereits angepasst sein, im Umgang mit den neuen Mitarbeitern und deren Kultur jedoch Probleme haben. Neben dem positiven Einfluss eines höheren Grades von Adjustment auf das subjektive Wohlempfinden eines Mitarbeiters stellt sich jedoch die Frage, welche sonstigen Auswirkungen das Ausmaß des Adjustments impliziert. Eine Unternehmung ist vermutlich auch am generellen Wohlempfinden seiner Mitarbeiter interessiert, stellt aber wohl vor allem den Nutzen für die Unternehmung in den Vordergrund. Aus theoretischer Perspektive unterstützen unter anderem Black (1988, S. 292) und Shaffer et al. (1999, S. 558) die These, dass der Grad des Adjustments den Erfolg eines internationalen Vorhabens beeinflusst. Auch empirische Studien behandeln diese Thematik. So überprüften Takeuchi et al. (2002, S. 1230) eine Auswirkung des Adjustments auf den „intent to stay“, also die Absicht, die Entsendung nicht abzubrechen. Sie konnten dabei eine positive Beziehung zu den beiden Dimensionen des „adjustment to the work situation“ und dem „adjustment to the general environment“ bestätigen. Gregersen und Black (1990, S. 474) fanden in einer ähnlichen Studie eine positive Beziehung zwischen dem „intent to stay“ und den Dimensionen des „adjustment to interaction with host nationals“ und dem „adjustment to the general environment“. Black und Stephens (1989, S. 539) konnten diesen Zusammenhang ebenfalls bestätigen. Als eine weitere Auswirkung des Adjustments konnten sowohl Kraimer, Wayne und Jaworski (2001) als auch Parker und McEvoy (1993) eine positive Beziehung aller drei Adjustment-Dimensionen zur „contextual performance“ und zur „task performance“ (Kraimer et al. 2001, S. 90) empirisch belegen. Gregersen und Black (1992, S. 79) fanden zudem einen positiven Zusammenhang des „adjustment to the general environment“ mit der Verbundenheit zum Auslandseinsatz. Zusammenfassend zeigt sich also, dass ein hoher Grad an Adjustment sich sowohl positiv auf den Erfolg als auch auf den „intent to stay“ auswirkt.

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4 Die Anwendung des Adjustment-Konzeptes auf interkulturelle Projektteams Im vorangegangenen Kapitel galt das Interesse dem multidimensionalen Adjustment-Konzept im Rahmen der Expatriate-Forschung. Es soll nun versucht werden, letztgenanntes Konzept abzuwandeln, um es äquivalent auf interkulturelle Projektteams anwenden zu können. Dabei gilt es, die oben erörterten spezifischen Charakteristika interkultureller Projektteams zu beachten.

4.1 Abwandlung des Adjustment-Konzeptes von Black (1988) Wie oben dargestellt, geht Black (1988) in seinem multidimensionalen Konzept des Adjustments von drei Dimensionen des Adjustments aus: „adjustment to the work situation“, „adjustment to the general environment“ und „adjustment to interacting with host nationals“. Bei einem Einsatz in einem interkulturellen Projektteam handelt es sich jedoch nicht um eine klassische Auslandsentsendung mit direktem Gastlandbezug (siehe oben). Da es sich aber ebenfalls um eine Beschäftigung für eine Unternehmung in einem fremden und kulturell unterschiedlichen Umfeld handelt, wird davon ausgegangen, dass das Grundkonzept von Black (1988) auch in diesem Fall angewendet werden kann. Für die beiden ersten Dimensionen, „adjustment to the work situation“ und „adjustment to the general environment“, führt Black (1988, S. 279) auf, dass nach Studien von Torbiörn (1982) und Hawes/Kealey (1981) in Auslandseinsätzen neben dem Adjustment an die neue Arbeit auch ein Adjustment bezüglich der neuen Kultur und der neuen Angewohnheiten, also dem generellen Umfeld, existiert. Zwar nimmt er in seiner Studie später direkt Bezug auf Japan (Black 1988, S. 283), es geht daraus jedoch nicht hervor, dass ein spezieller Zusammenhang zwischen diesen beiden Dimensionen des Adjustments und nur einem einzigen Land, in diesem Fall Japan, existieren würde. Auch Kraimer et al. (2001, S. 72) und weitere Folgestudien verschiedener Autoren sprechen diesbezüglich vom Ausland und somit einer fremden Kultur im Allgemeinen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass diese beiden Facetten des Adjustments für Auslandseinsätze nicht von einer speziellen und auch nicht nur einer einzigen fremden Kultur abhängen. Daher wird diese Differenzierung äquivalent auf Mitglieder interkultureller Projektteams angewendet. Für die Messung des Grades des Adjustments nutzte Black einen Fragenkatalog, in dem er teilweise direkten Bezug zu Japan nahm, da seine Untersuchungseinheit US-amerikanische Manager in Japan waren (Black 1988, S. 283). Um eine Mes-

41 sung des Adjustments für den Einsatz in einem generellen und zum Teil wechselnden kulturellen Umfeld durchzuführen, müssen die Fragen daher partiell verallgemeinert werden. Mittels der unten aufgeführten, leicht modifizierten Fragen könnte eine Messung für folgende Dimensionen des Adjustments erfolgen: „adjustment to the work situation“: • „How adjusted are you to your job and responsibilities?“ • „How adjusted are you to working with co-workers from different cultures?“ • „How adjusted are you to supervising people from different cultures?“ • „How adjusted are you in having a supervisor from a different culture?“ (in Anlehnung an Black 1988, S. 292) „adjustment to the general environment“: • „How adjusted are you to the different transport systems you are faced with in the country you are working in?“ • „How adjusted are you to the different food?“ • „How adjusted are you to the changing weather conditions in the country you are working in?“ • „How adjusted are you to shopping in the culture you are working in?“ • „How adjusted are you to generally living shopping in the culture you are working in?“ • „How adjusted are you to the entertainment available shopping in the culture you are working in?“ (in Anlehnung an Black 1988, S. 292) Die letzte Fragestellung zum „adjustment to the work situation“ wurde in der Studie von Black (1988) explizit ausgeschlossen, da er hier keine praktische Relevanz sah (Black 1988, S. 283). Die Möglichkeit, dass ein US-amerikanischer Manager einen japanischen Vorgesetzten hätte, hielt er für unwahrscheinlich. Da die Frage im Zusammenhang mit einem generellen interkulturellen Kontext jedoch bedeutet, dass der Vorgesetzte aus einer anderen Kultur im Allgemeinen stammt, kann für die hier betrachteten interkulturellen Projektteams von einer Relevanz dieser Frage ausgegangen werden. Bei der dritten Dimension, dem „adjustment to interacting with host nationals“, wird ein direkter Bezug zu einem Gastland hergestellt (Black 1988, S. 283). Wie oben erarbeitet, existiert dieser Bezug in interkulturellen, temporären Projektteams nicht im sonst üblichen Ausmaß. Daher kann die Dimension des „adjustment to interacting with host nationals“ nicht in dieser Form verwendet werden. Per Definition erfasst jedoch diese Dimension des Adjustments vor allem die zwischenmenschliche Ebene bei einem Auslandseinsatz (vgl. beispielhaft McEvoy/ Parker 1995, S. 98 f.). Es kann demzufolge ebenso davon ausgegangen werden, dass die zwischenmenschliche Ebene auch in den betrachteten Teams von Bedeutung ist. Weiterhin geht besonders aus der Studie von Mendenhall und Oddou

42 (1985, S. 41 ff.) die Bedeutung einer Interaktion mit Mitgliedern anderer Kulturen im Allgemeinen hervor. Mitglieder interkultureller Projektteams sehen sich alltäglich mit einer Vielzahl verschiedener Kulturen konfrontiert. Dabei handelt es sich nicht nur um Angehörige des aktuellen Gastlandes, sondern vielmehr auch um die Teammitglieder aus verschiedenen Kulturen. Ein Mitarbeiter eines interkulturellen Projektteams äußerte im Zusammenhang mit dem interkulturellen Kontext darüber hinaus, dass es für manche Mitarbeiter „völlig unerheblich [ist], ob die jetzt in Brüssel in der task-force arbeiten oder in Honolulu“. Somit erscheint weniger die Frage eines Adjustments an ein bestimmtes Gastland relevant, als vielmehr die Frage, ob eine Person sich an einen interkulturellen Kontext, in dem viele verschiedene Kulturen zusammenarbeiten, „adjusted“ fühlt. Bekräftigt wurde diese Annahme durch weitere Gespräche, da die Zusammenarbeit mit anderen Nationalitäten als einer der Schwerpunkte im Rahmen der Arbeit interkultureller, temporärer Teams bezeichnet und von Mitarbeitern berichtet wurde, die wegen einer nicht vorhandenen Anpassung an das interkulturelle Umfeld sogar gescheitert sind. Unterstützt wird diese Vermutung durch Aussagen von Teammitgliedern interkultureller Projektteams: „Einer, der nur auf seiner eigenen Kultur besteht, besteht in diesen Teams nicht.“ Somit kann auch im Fall interkultureller Projektteams von einer dritten Adjustment-Dimension ausgegangen werden. Diese bezieht sich auf den interkulturellen Kontext, in dem sich die Teammitglieder bewegen, und wird daher mit dem Begriff „adjustment to the intercultural context“ bezeichnet. Um diese abgewandelte Dimension des Adjustments in ihrer Ausprägung zu messen, könnten in Anlehnung an Black (1988) folgende Items dienen: „adjustment to the intercultural context“:3 • „How good do you feel adjusted to work and live in a surrounding of different cultures?“ • „How adjusted are you to the intercultural surrounding?“ • „How adjusted are you to interact with people from different cultures?“ • „How adjusted are you to the intercultural context in your team?“ • „How adjusted are you to get in contact with new cultures?“ • „How adjusted are you to work with different cultures at once?“ • „How adjusted are you to live together with different cultures at once?“ • „I know how to interact with all the different cultures I am working with.“ • „I don’t have problems in working together with different cultures.“ (stark abgewandelt nach Black 1988) Ausgehend von den Ergebnissen der Studien zum Expatriate-Adjustment (siehe oben) kann auch im Rahmen interkultureller Projektteams davon ausgegangen 3 Die hier vorgestellte Neuausrichtung des Adjustment-Konzeptes auf interkulturelle Kontexte wurde durch eine parallele empirische Studie (noch unveröffentlicht) unterstützt.

43 werden, dass ein hoher Grad an Adjustment auch zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit des Einzelnen und somit zu einer erhöhten Effizienz des Teams führt. Die folgende Tabelle verdeutlicht noch einmal die erarbeiteten Unterschiede zwischen Expatriate-Adjustment und dem Adjustment in Projektteams. Tabelle 1: Expatriate-Adjustment und Adjustment in Projektteams Expatriate-Adjustment

Adjustment in Projektteams

Drei Dimensionen des Adjustments

Drei Dimensionen des Adjustments

„adjustment to the work situation“

„adjustment to the work situation“

„adjustment to the general environment“

„adjustment to the general environment“

„adjustment to interact with host country nationals“

„adjustment to the intercultural context“

Adjustment an Gastlandkultur (monokulturelle Adjustment an Gastlandkultur und Perspektive) multikulturelles Arbeits- und Lebensumfeld (multikulturelle Perspektive) Adjustment von Entsandten

Adjustment von Mitarbeitern in interkulturellen Projektteams

4.2 Beeinflussungsstrategien des Adjustments unter besonderer Berücksichtigung des interkulturellen Kontextes Dieser Abschnitt verfolgt das Ziel, mögliche Beeinflussungsstrategien auf einen hohen Grad an Adjustment zu erarbeiten. Da zwei Dimensionen des Adjustments, „adjustment to the general environment“ und „adjustment to the work situation“, praktisch unverändert blieben, kann hier direkt auf existierende Literatur zum Expatriate-Adjustment (vgl. z. B. das Review von Puck et al. 2003) zurückgegriffen werden. Darüber hinaus werden auch Arbeiten zu interkulturellen (Projekt-) Teams in die Argumentation mit einbezogen, um dem speziellen Team-Kontext Rechnung zu tragen. Mögliche Strategien werden dabei in die drei Phasen „vor“, „während“ und „nach“ Arbeitsaufnahme des Teams unterteilt. 4.2.1 Strategien vor Arbeitsaufnahme des Teams Bereits die Aktivitäten vor Arbeitsaufnahme des Teams können das Adjustment des Einzelnen und damit die Erfolgsaussichten des Projektteams erheblich beeinflussen. Wichtigste Punkte sind hier die Auswahl der Gruppenmitglieder und die Bildung des organisatorischen Rahmens.

44 Auswahl der Gruppenmitglieder Bei der Auswahl der Gruppenmitglieder interkultureller Teams gilt es, Mitglieder zu finden, die eine effektive und effiziente Arbeit des Teams ermöglichen (vgl. ausführlich Campion et al. 1996): Die Teammitglieder sollten homogen in Bezug auf ihre Fähigkeiten (besonders sprachliche) (Bunderson/Sutcliffe 2002) und möglichst heterogen in Bezug auf ihre Einstellungen zusammengestellt werden. Dies ermöglicht einen funktionierenden Kommunikationsfluss und garantiert gleichzeitig eine weite Spanne an Problemlösungsansätzen (Davison 1994). Sollten trotzdem sprachlich bedingte Probleme vorliegen, sind dringend Sprachkurse für die betroffenen Teammitglieder durchzuführen (Takeuchi et al. 2002). Zahlreiche empirische Studien unterstützen die Relevanz der Auswahl der Teammitglieder. So wurde insbesondere ein positiver Einfluss von Konfliktlösungs- sowie Interaktionsbereitschaft des Einzelnen (Black et al. 1991; Mendenhall/Oddou 1985; Black 1990a) auf das Adjustment empirisch bestätigt. Ancona und Caldwell (1992) bestätigen dies auch für den Kontext interkultureller Teams. Auch Extrovertiertheit der Teammitglieder wirkt positiv: „Extraverted types are primarily oriented to the outer world of people, action, and objects and tend to get involved with whatever is happening around them“ (Parker/McEvoy 1993, S. 367). Zusätzlich sollten die bisherige Arbeitserfahrung der einzelnen Mitarbeiter im Ausland (Bonsiep et al. 2003; Gregersen/Black 1990; Shaffer et al. 1999) und die Motivation zu Arbeitseinsätzen im Ausland (Black 1990) weitere Auswahlkriterien darstellen. Organisatorischer Rahmen des Teams Insbesondere interkulturell besetzte Teams benötigen ein klar definiertes Ziel, einen präzisen Zeitrahmen und eine starke Führung. Das Management muss für die Teammitglieder erreichbar sein, um Ziele vorzugeben und unvorhergesehene Widerstände zu beseitigen, da empirische Studien zeigen, dass die wahrgenommene Unterstützung durch die Organisation in engem Zusammenhang mit dem Adjustment des Einzelnen steht (Kraimer et al. 2001). Wichtig ist dabei vor allem das subjektiv empfundene Gefühl einer ausreichenden Unterstützung seitens des Unternehmens (vgl. Kraimer et al. 2001, S. 75). Dies bedeutet auch eine umfassende Kommunikation von Teamziel- und Teamzusammensetzung in der organisatorischen Umgebung des Teams, um Problemen mit Externen vorzubeugen (Govindarajan/Gupta 2001). 4.2.2 Strategien während der Arbeitsphase des Teams Die Hauptansatzpunkte zur Steigerung der Erfolgsaussichten interkultureller Teams befinden sich während der Arbeitsphase. Die Berücksichtigung und Achtung kultureller Differenzen, eine ausgewogene Machtverteilung, der „richtige“

45 Teamleiter sowie zügiges externes Feedback sind als Haupterfolgsfaktoren zu nennen. Berücksichtigung und Achtung kultureller Differenzen Auch wenn geozentrische Strategien bei der Besetzung von Führungspositionen gerade eine Besetzungspolitik „beyond passport“ fordern, so darf der kulturelle Hintergrund der einzelnen Teammitglieder, wie aus den aufgeführten Problemen ersichtlich, trotz allem nicht vernachlässigt werden. Viele Probleme in interkulturellen Teams entstehen nämlich nicht aufgrund kultureller Unterschiede zwischen den Teammitgliedern, sondern aufgrund einer mangelhaften Berücksichtigung dieser Unterschiede. Den Teammitgliedern müssen zunächst die vorhandenen kulturellen Unterschiede aufgezeigt werden, um dann gemeinsam den besten Umgang mit diesen Unterschieden zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang gewinnt insbesondere das interkulturelle Training an Bedeutung. Dieses sollte, wenn es durchgeführt wird, mit dem Ziel erfolgen, die Wirkungen kultureller Einflüsse zu verstehen, nicht jedoch die eigene kulturelle Perspektive auf Kosten einer „Teamkultur“ zu verlieren. Ansonsten besteht die Gefahr, die positiven Effekte der kulturellen Diversität zu verlieren (Moosmüller 1997). Zwar konnte im Rahmen der Expatriate-Forschung bisher kein (bzw. ein negativer) Einfluss kulturellen Trainings auf das Adjustment nachgewiesen werden (Black/Gregersen 1991; Bonsiep et al. 2003), diese Ergebnisse resultieren aber wahrscheinlich eher aus Problemen der Datenerhebung oder könnten mit schlechten Standards der kulturellen Trainings erklärt werden (Puck et al. 2003, S. 14 f.). Machtverteilung in interkulturellen Teams Vor allem in interkulturellen Teams muss auf eine ausgeglichene Machtverteilung geachtet werden (vgl. hierzu auch Belbin 1994). Bei kultureller Dominanz einer Nationalität (häufig der des Unternehmungshauptsitzes) droht der Verlust der positiven Effekte durch die interkulturelle Besetzung, da Mitglieder der anderen Kulturen nicht mehr in der Lage sind, ihre Ideen und Ansätze vorzubringen oder durchzusetzen. Auch die Expatriate-Forschung hebt die Bedeutung einer passenden Rollenbesetzung hervor (Black/Gregersen 1991; Bonsiep et al. 2003; Shaffer et al. 1999). Die Teamleitung sollte also darauf achten, die Machtverteilung im Team allein anhand der individuellen Fähigkeiten vorzunehmen, nicht anhand der kulturellen Identität der Teilnehmer. Nur so können Vertrauen innerhalb des Teams und eine eigene Teamkultur entstehen (Adler 2002; Costa et al. 2001). Die Existenz solch einer Teamkultur bewirkt dann für den Einzelnen, dass dieser sich im Umfeld vieler Kulturen eben auch auf der zwischenmenschlichen Ebene wohler und besser aufgenommen fühlt (Bonsiep et al. 2003; Kühlmann 1998; Marquardt/Horvath 2001).

46 Der „richtige“ Teamleiter Die zwischenmenschlichen Beziehungen in interkulturellen Teams besitzen eine sehr viel höhere Dynamik als in national besetzten Teams. Der „richtige“ Teamleiter benötigt also ausgeprägte Teammanagement- und Kommunikationsfähigkeiten und muss in der Lage sein, mit den kulturell bedingten Unterschieden zwischen den Gruppenmitgliedern umzugehen (Cohen/Bailey 1997). Ebenso benötigt er, auch aufgrund seiner Vorbildfunktion für die restlichen Mitglieder des Teams, ein herausragendes Fachwissen, um auch fachspezifische Probleme in der Gruppe lösen zu können (Durham et al. 1997). Er muss aufgrund seiner hierarchischen Position in der Lage sein, die Interessen des Teams effektiv nach außen zu vertreten (Druskat/Wheeler 2003). Welche dieser Fähigkeiten am bedeutendsten ist, hängt von der individuellen Aufgabe des jeweiligen Teams ab: Während Teams mit eher operativer Zielsetzung fachliche Fähigkeiten in den Vordergrund rücken, sind in Teams mit strategischer Bedeutung Kommunikationsfähigkeiten von größerer Bedeutung, um das Adjustment der Mitglieder an den interkulturellen Kontext zu verbessern (Davison 1994; Govindarajan/Gupta 2001). Externes Feedback Die kulturellen Unterschiede in interkulturellen Teams können, wie bereits oben erwähnt, zu Problemen in der Konsensfindung führen: Während in national besetzten Teams in der Regel relativ zügig Bewertungskriterien für eingebrachte Vorschläge gefunden werden, gestaltet sich dieser Vorgang bei kulturell bedingten unterschiedlichen Werthaltungen oft schwierig. Dieses Problem kann nur umgangen werden, wenn das Team schnell und präzise externes Feedback auf die Zwischenergebnisse bekommt. Diese Sicherheit der Ergebnisinterpretation kann insbesondere für das Adjustment von Mitgliedern aus Kulturen mit einem hohen Grad an Unsicherheitsvermeidung von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere in der Anfangsphase des Teams, da spätere Ergebnisse auch an den vorangegangenen externen Kommentaren gemessen werden können (Adler 2002). 4.2.3 Strategien nach abgeschlossenem Arbeitsprozess Auch nach Beendigung der Teamarbeit sollte die Multikulturalität des Teams weiter beachtet werden. Ähnlich wie bei Auslandsentsendungen können auch bei Einsätzen in interkulturellen Teams die Erfolgsaussichten für zukünftige Teams durch eine Reintegrations-, Reflektions- und Externalisierungsphase nach dem Einsatz gesteigert werden. Reintegrationsphase Die Reintegrationsphase dient der Wiedereingliederung der Teammitglieder in ihr hauptsächlich unikulturelles Arbeitsumfeld. Diese wird, abhängig von der Länge

47 und der Intensität der vorangegangenen Arbeit in interkulturellen Teams, notwendig, da sich die Arbeit in nationalen und internationalen Teams, wie oben beschrieben, teilweise stark unterscheidet. So kann es, wie etwa auch bei einer Auslandsentsendung, zu einem „Kontra-Kulturschock“ eines ehemaligen Teammitgliedes kommen (Black et al. 1992). Dieser kann zu einem schlechten Adjustment und im negativsten Fall zur Kündigung durch den Mitarbeiter führen (Feldman/ Tompson 1993). Maßnahmen der Reintegration sind z. B. die systematische Unterrichtung des Mitarbeiters über alle unternehmungsinternen Veränderungen, die Unterstützung bei beruflichen oder privaten Problemen und die zeitnahe Bereitstellung einer den Fähigkeiten und Erwartungen des Mitarbeiters entsprechenden Stellung nach dem Ende der Teamarbeit. Reflektions- und Externalisierungsphase Neben der Wiedereingliederung in das nationale Arbeitsumfeld kommt auch der Reflektion der gesammelten Erfahrungen des Mitarbeiters eine wichtige Rolle zu. Sie dient einerseits dem jeweiligen Mitarbeiter, der sich erneut über die Potenziale interkultureller Teams und die möglichen Problemlösungen zur Verbesserung seines Adjustments bewusst wird. Diese Reflektion steigert direkt die Erfolgsaussichten dieses Mitarbeiters für zukünftige Einsätze in interkulturellen Teams. Anderseits dient es auch der Externalisierung und Speicherung des individuell erworbenen Wissens (z. B. in Knowledge Management Systemen) und steigert so das Adjustment und die Erfolgsaussichten aller zukünftigen interkulturellen Teams und Teammitglieder in dieser Unternehmung.

5 Fazit und Zusammenfassung Im vorliegenden Beitrag wurden zunächst eine Definition interkultureller Projektteams erarbeitet und deren Chancen und Risiken aus der Literatur abgeleitet. Es zeigt sich, dass kulturell divers besetzte Teams insbesondere in Hinblick auf die Anzahl und die Kreativität der Problemlösungen besondere Chancen bieten. Allerdings gilt es die Risiken, die z. B. durch Kommunikationsprobleme entstehen, nicht zu unterschätzen und einzudämmen. Sollte das nicht gelingen, könnte es zu einem negativen Adjustment der Teammitglieder führen. Dieses Konzept des Adjustments wurde im dritten Abschnitt dieses Beitrages vorgestellt und zu Beginn des vierten Abschnittes an die projekttypischen interkulturellen Kontexte angepasst. Im zweiten Abschnitt des vierten Kapitels wurden dann Beeinflussungsstrategien auf ein positives Adjustment erarbeitet. Hierbei wurde zwischen Beeinflussungsstrategien vor, während und nach dem eigentlichen Arbeitsprozess des Teams unterschieden. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Potenziale interkultureller Projektteams und damit interkultureller Projektarbeit nur dann vollständig genutzt werden können, wenn das Adjustment des Einzelnen an den interkulturel-

48 len Kontext beachtet und durch die oben dargestellten Strategien positiv beeinflusst wird. Für die Praxis ergibt sich, dass das subjektive Adjustment der Mitarbeiter interkultureller Projektteams ein höchst relevanter Erfolgsfaktor eines Projektes ist. Somit ist eine aktive Beeinflussung des Adjustments durch die Projektleitung – z. B. anhand der oben geschilderten Strategien – notwendig, wenn der Erfolg des Gesamtvorhabens nicht negativ beeinflusst werden soll. Für die zukünftige Forschung ergibt sich die Notwendigkeit, das vorgestellte Konzept einer intensiven empirischen Überprüfung zu unterziehen. Weiterhin gilt es, die Verknüpfung zwischen Adjustment und Erfolg intensiver zu untersuchen, da hier, wie z. B. von Puck et al. (2003) bereits angeführt, noch erheblicher Forschungsbedarf vorliegt.

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Opportunismus – Die „dunkle Seite“ internationaler Unternehmenskooperationen Nada Endrissat Torsten M. Kühlmann

Einleitung Internationale Kooperationen bilden für Unternehmen jeder Größenordnung einen viel versprechenden Ansatz, ihre Wettbewerbsposition angesichts eines weltweiten Zusammenwachsens von Waren- und Kapitalmärkten, verkürzter Produktlebenszyklen, steigenden Kostendrucks und immer komplexer werdender Herstellungsprozesse zu erhalten bzw. auszubauen. Die Geschäftstätigkeit in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern ermöglicht Unternehmensergebnisse zu erzielen, die im Alleingang gar nicht oder nur mit höherem finanziellen, zeitlichen und personellen Aufwand realisierbar wären. Vorteile internationaler Unternehmenskooperationen bestehen vor allem in der Versorgung mit knappen Ressourcen, der verbesserten Innovationskraft, der Senkung von Herstellungskosten, der Ausweitung von Absatzmärkten und der Verminderung von Internationalisierungsrisiken. Diesen Vorteilen, die in der einschlägigen Literatur ausführlich erörtert werden, stehen allerdings eine Reihe von Nachteilen gegenüber, die den Erfolg einer Kooperation gefährden können. Hierzu zählt nicht zuletzt das Opportunismusrisiko. Trotz der Vereinbarung, miteinander zu kooperieren, verfügen die Partner über einen Handlungsspielraum, den sie zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nachteil des Partners (aus-)nutzen können. Der internationale Kontext kann das Auftreten derartiger opportunistischer Verhaltensweisen verstärken. Dabei spielen kulturgebundene Wertvorstellungen, die kulturelle Distanz zwischen den Partnerunternehmen und die Existenz einer „Grauzone“ zur Rechtskräftigkeit von Verträgen, eine Rolle. Um das Potenzial einer internationalen Unternehmenskooperation ausschöpfen zu können, ist es notwendig, dass die Unternehmensführung sowohl die Chancen als auch die Risiken einer internationalen Zusammenarbeit in Betracht zieht und hierfür geeignete Formen der Zusammenarbeit wählt.

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Aufbau 1 1.1 1.2 2 2.1 2.2 3 4

Internationale Unternehmenskooperationen Chancen der internationalen Zusammenarbeit Risiken der internationalen Zusammenarbeit Opportunistisches Verhalten Opportunismus in kulturellen Überschneidungssituationen Opportunismus – eine Konkretisierung Maßnahmen zur Abwendung des Opportunismusrisikos Fazit

1 Internationale Unternehmenskooperationen Die Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen haben sich in den letzten zwanzig Jahren fortschreitender Globalisierung und der damit einhergehenden Liberalisierung des Waren- und Kapitalaustauschs nachhaltig verändert. Auf dem Heimatmarkt treten vermehrt ausländische Wettbewerber in Erscheinung und auf etablierten Auslandsmärkten gefährden neue Konkurrenten die Marktposition deutscher Unternehmen aller Größenordnungen. Teils getrieben von der Intensivierung des Wettbewerbs, teils angezogen von Chancen zusammenwachsender nationaler Märkte haben Unternehmen zahlreiche Formen des internationalen Engagements entwickelt bzw. ausgebaut. Dazu zählen neben den eher „klassischen“ Formen des Exports bzw. Imports oder der Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften auch kooperative Arrangements wie beispielsweise Lizenz- und Franchise-Verträge, Joint Ventures, Koalitionen, Allianzen, Konsortien und Partnerschaften. Auch wenn jede dieser Varianten spezifische Charakteristika aufweist, repräsentieren sie alle eine mehr oder weniger intensive Zusammenarbeit über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg. Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffes „Internationale Unternehmenskooperation“ hat sich in der Literatur bisher nicht etabliert. Eine Gegenüberstellung verschiedener Definitionsansätze lässt jedoch einige gemeinsame Merkmale erkennen (Sell 2002, S. 3; Killich/Luczak 2003, S. 8 f.): • Zusammenarbeit: Die kooperierenden Unternehmen vereinbaren, spezifische Aufgaben zu übernehmen und ihre Bearbeitung aufeinander abzustimmen. Zur Aufgabenerfüllung setzt jeder Partner Ressourcen ein. Die Abstimmung von Aufgaben und Aktivitäten ist zeitlich relativ überdauernd angelegt. • Partner: Die beteiligten Unternehmen bleiben rechtlich selbstständig. In den von der Kooperation nicht betroffenen Bereichen sind sie auch wirtschaftlich selbstständig und stehen nicht selten in Konkurrenz zueinander.

54 • Internationalität: Die teilnehmenden Unternehmen haben ihren Stammsitz in verschiedenen Ländern. • Zielsetzung: Jeder Partner verfolgt mit der Kooperation Ziele, die im Alleingang gar nicht oder nur mit deutlich höherem Aufwand zu erreichen wären. Die Ziele sind so gewählt, dass sie miteinander kompatibel sind. Das Wesen der internationalen Unternehmenskooperation illustriert folgendes Beispiel einer strategischen Allianz im Flugverkehr: Im Mai 1997 schlossen sich die Fluggesellschaften Air Canada, Lufthansa, SAS Scandinavian Airways, Thai Airways und United Airlines unter dem Namen „Star Alliance“ zu einer Koalition zusammen. Die Partnergesellschaften kooperieren auf der Grundlage eines Netzwerkes multinationaler Verträge. Mit Ausnahme der Lufthansa, die an Thai Airways beteiligt ist, gibt es keine Kapitalverflechtungen der Partner. Die Partner sind rechtlich unabhängig und konkurrieren in den Bereichen, die von der Kooperation nicht betroffen sind. Die Star Alliance verfolgt als vorrangige Ziele den Ausbau der Marktposition der beteiligten Gesellschaften sowie Kosteneinsparungen durch Integration des operativen Geschäfts. Ihre Zusammenarbeit findet in unterschiedlichen Bereichen statt: Die Flugpläne sind zur Verkürzung von Wartezeiten bei Umsteigeverbindungen aufeinander abgestimmt. Kunden einer der beteiligten Fluggesellschaften erhalten bei Reiseantritt auch bereits die Bordkarten für Weiterflüge mit den Allianzpartnern. Bei Anschlussflügen mit einem Allianzpartner erhalten Kunden einen Preisnachlass. Bonusmeilen, die bei Kunden von Fluggesellschaften der Star Alliance gesammelt wurden, können bei beliebigen Partnerlinien genutzt werden. Zur verbesserten Kapazitätsauslastung werden Flugrouten zusammen bedient. Die Passagierabfertigung und andere Flughafendienstleistungen werden unter Federführung einer Gesellschaft (am Frankfurter Flughafen etwa die Lufthansa) für alle Partner der Star Alliance abgewickelt. Seit dem Jahr 2000 besteht das integrierte IT-System „Starnet“, das die Reservierungssysteme aller Partner untereinander verknüpft. Teile der Beschaffung sind auf die Allianz übertragen, um Preisnachlässe bei den Lieferanten zu erzielen. Zahlreiche Schulungsaktivitäten werden gemeinsam betrieben und ein allianzweites Personalmanagement befindet sich im Aufbau. Die Steuerung der Allianz liegt in den Händen eines sechsköpfigen „Alliance Management Teams“, zu dessen Aufgaben vorrangig die Weiterentwicklung der aufbau- und ablauforganisatorischen Voraussetzungen der Kooperation zählt. Die Star Alliance ist gegenwärtig mit 15 Mitgliedsgesellschaften aus allen fünf Kontinenten die größte unter mehreren internationalen Fluggesellschaftsallianzen. Sie unterhält eine Flotte mit 2.477 Flugzeugen und bedient 755 Flughäfen in 132

55 Ländern. Sie beschäftigt insgesamt 278.000 Mitarbeiter und transportiert jährlich 360 Millionen Passagiere (Star Alliance 2004). Aus der Sicht der Institutionenökonomie liegen kooperative Unternehmensbeziehungen zwischen den „Eckpunkten“ einer rein marktlichen (d. h. Kauf oder Verkauf von Leistungen über den externen Markt) und einer rein unternehmensinternen (d. h. Eigenerstellung der Leistungen im Unternehmen) Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten (Sell 2002, S. 7). Je nach Art der Ausgestaltung ähneln Unternehmenskooperationen mehr Marktbeziehungen oder mehr hierarchischen Beziehungen (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Spektrum der Wirtschaftsbeziehungen im internationalen Kontext (Quelle: Kühlmann 2003, S. 19 ) Markt

Kooperation

Hierarchie

Direktexport/-import

Strategische Allianzen, Lizenzen, Franchising, Managementverträge, Vertriebskooperation, Konsortien, Netzwerke, Joint Ventures

Akquisition, Fusion, Gründung einer Tochtergesellschaft, Kapitalbeteiligung

Typische Bereiche, in denen Unternehmen international kooperieren, zeigt die folgende Tabelle 2. Tabelle 2: Kooperationsbereiche (Quelle: in Anlehnung an Picot, Reichwald und Wigand 2003, S. 297) Unternehmensbereich F&E Beschaffung Produktion

Absatz

Kooperationsinhalte • • • • • • • • • •

Austausch von Informationen (z. B. Patente) koordinierte F&E Aufbau und Nutzung gemeinschaftlicher Infrastrukturen gemeinsamer Einkauf, Transport (teil-)automatisierte Lagerhaltung Austausch von Komponenten Austausch freier Kapazitäten Aufbau und Nutzung gemeinschaftlicher Produktionsstätten Austausch von Informationen (z. B. Kundendatei) wechselseitige Übernahme von Distributions- und/oder Kundendienstleistungen • gemeinsame Werbe-, PR- oder Verkaufsförderungsaktionen • Aufbau gemeinsamer Serviceangebote (z. B. Hotline)

Die Entstehung und Zweckmäßigkeit von Unternehmenskooperationen wird theoretisch unterschiedlich begründet. Verbreitete ökonomische Erklärungsmodelle sind unter anderem die Transaktionskostentheorie (Williamson 1975, 1985), der Resource-Dependence-Ansatz (Pfeffer/Salancik 1978), die Spieltheorie (Axelrod

56 1984), die Stakeholdertheorie (Freeman 1984) oder die Idee des Organisationalen Lernens (Hamel 1991).

1.1 Chancen der internationalen Zusammenarbeit Internationale Unternehmenskooperationen haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen (UNCTAD 2000, S. 95 ff.). Nicht zuletzt für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ist diese Form der Auslandsaktivität unter den gegebenen Ressourcenbeschränkungen (Eigenkapital, Zugang zu Krediten, Mitarbeiterausstattung) attraktiv. Sie erfordern einen vergleichsweise geringen Ressourceneinsatz und sichern zugleich Selbstständigkeit und Flexibilität des unternehmerischen Handelns von KMU. In der Literatur werden zahlreiche Vorteile bzw. Chancen für die an einer Kooperation beteiligten Unternehmen aufgeführt. Diese lassen sich grob in fünf nicht überschneidungsfreie Gruppen einteilen (z. B. Barringer/Harrison 2000, S. 385; Contractor/Lorange 1988, S. 9 ff.; Welge/Holtbrügge 2003, S. 111 f.): • Fokus Beschaffung: Durch die Kooperation mit ausländischen Unternehmen erhält man Zugang zu bestimmten Ressourcen, die im Inland knapp, geschützt oder teuer zu erhalten sind. Hierzu zählen etwa Expertenwissen, Kapital und Rohstoffe. Durch das gemeinsame Auftreten gegenüber ausländischen Lieferanten lassen sich beispielsweise verbesserte Konditionen bei der Abnahme von Vorprodukten durchsetzen. • Fokus Zeit: Die Bündelung finanzieller, technischer und personeller Ressourcen im Rahmen von gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten oder der Austausch von Patenten verkürzt Entwicklungszeiten und hilft, Doppelarbeiten zu vermeiden. Die Innovationskraft und/oder die Lernfähigkeit der einzelnen Unternehmen wird gesteigert. • Fokus Kosten: Kooperationen ermöglichen die bessere Auslastung freier Produktionskapazitäten und die Aufteilung von Kosten auf mehrere Partner. Die gemeinschaftliche Nutzung von Anlagen vermindert Investitionsund Betriebskosten. Kosten reduzierend kann auch die Nutzung niedriger Faktorkosten (z. B. Kapital, Arbeit) im Ausland wirken. • Fokus Marktbearbeitung: Kooperationen mit ausländischen Partnern erleichtern den Eintritt auf deren Heimatmärkten bzw. helfen, diese Absatzmärkte zu sichern oder auszuweiten. Besonders bei den Internationalisierungsstrategien von KMU steht dieser Vorteil im Vordergrund. So fördert etwa der Rückgriff auf das Vertriebssystem eines ausländischen Partnerunternehmens und auf seine spezifischen Marktkenntnisse die rasche Erschließung eines Auslandsmarktes. Die Ergänzung des eigenen Sortiments durch die Produkte der Partnerunternehmen kann die Marktposition auch auf dem Heimatmarkt stärken.

57 • Fokus Internationalisierungsrisiken: Die Tätigkeit auf ausländischen Märkten birgt besondere Risiken. Bei fehlenden Marktkenntnissen läuft ein Unternehmen Gefahr, Produkte anzubieten, die nicht den besonderen Bedürfnissen der Kunden genügen oder mit kulturell nicht angemessenen Kampagnen zu werben. Hier wirkt ein Rückgriff auf die Erfahrungen eines ausländischen Partners risikomindernd. Aber auch (wirtschafts-)politische Entwicklungen (Investitionsbeschränkungen; Local-content-Vorschriften; Enteignungen; politische Instabilität) gehören zu den Internationalisierungsrisiken, die durch das Eingehen einer Kooperation mit einem lokalen Partner besser aufgefangen werden können. Nicht jeder der genannten Kooperationsvorteile kann in jeder Kooperationsform genutzt werden. Während Kooperationen in Form von Lizenzverträgen dem Lizenznehmer vor allem Beschaffungs- und Zeitvorteile verschaffen, sind Vertriebskooperationen auf die Überwindung von Markteintrittsbarrieren und die Nutzung der Kenntnisse lokaler Marktkenner ausgerichtet. Teilweise behindern sich auch die angestrebten Kooperationswirkungen gegenseitig. So kann das Bemühen, niedrigere Arbeitskosten im Ausland zu nutzen, die Effizienz der Leistungserstellung negativ beeinflussen. Die zentrale Aufgabe bei der Planung einer internationalen Unternehmenskooperation besteht darin, im Hinblick auf die Unternehmensstrategie eine Kooperationsform auszuwählen, die den größten Wettbewerbsvorteil eröffnet.

1.2 Risiken der internationalen Zusammenarbeit Aus einer internationalen Kooperation ergeben sich für die teilnehmenden Unternehmen nicht nur Vorteile. Zwar liegt der Fokus bisheriger Publikationen auf der Darstellung positiver Aspekte (Barringer/Harrison 2000, S. 382), doch allein der hohe Anteil gescheiterter internationaler Kooperationen signalisiert, dass internationale Unternehmenskooperationen neben Chancen auch Risiken für das einzelne Unternehmen in sich bergen. Der Prozentsatz an gescheiterten Kooperationen liegt bei ungefähr 50 % (vgl. Das/Rahman 2001, S. 44; Das/Teng 2000, S. 78; Park/Ungson 1997, S. 279) Jede internationale Unternehmenskooperation generiert spezifische Risiken, die zu einem Scheitern der Zusammenarbeit führen können. Zu diesen kooperationsimmanenten Risiken werden gezählt (zusammenfassend z. B. Barringer/Harrison 2000, S. 386): • Ein zentrales Risiko stellt besonders in Branchen, die durch Innovationen und Lernen geprägt sind, der Wissenstransfer zwischen den Kooperationspartnern dar. Das Wissen um die Zusammensetzung von Produkten, die Konstruktionsmerkmale von Neuentwicklungen oder die Besonderheiten von Produktionsverfahren kann in einer Unternehmenskooperation ungewollt an Kooperationspartner weitergegeben werden. Wenn dieses Wissen die Basis für den relativen Wettbewerbsvorteil eines Unter-

58 nehmens darstellt, kann der ungewollte Wissenstransfer im ungünstigsten Fall zu seinem Ausscheiden aus dem Markt führen. • Durch das Eingehen einer Kooperation wird die Entscheidungsautonomie der zusammenarbeitenden Unternehmen reduziert. Ein kooperativ-koordiniertes Vorgehen verlangt nach gemeinsamer Entscheidungsfindung. Diese herbeizuführen kann lange dauern. Zudem schwindet die Flexibilität des Unternehmens, wenn bei geografisch verteilten Abstimmungsprozessen Entscheidungen nicht zeitnah getroffen und Marktchancen verpasst werden. • Das Eingehen einer internationalen Unternehmenskooperation kann zu hohen Transaktions- und Managementkosten führen, die anderweitig erzielten Kostenersparnissen gegenüberstehen. Zusätzliche Kosten fallen etwa durch die Suche nach Partnern, durch Vertragsverhandlungen oder Kontrollmaßnahmen an. Diese Kosten sind umso höher, je unbekannter sich die Kooperationspartner sind und je mehr Kapital in die Kooperation investiert wird. • Die Unternehmenskooperation kann ein finanzielles Risiko darstellen, wenn beispielsweise der Kooperationspartner vertragliche Absprachen gegenüber Dritten nicht nachkommen kann, die Haftung aber bei beiden Kooperationspartnern liegt. Auch das Investieren in Kooperationsprojekte kann sich als finanziell riskant erweisen, wenn die Erlöse aus den Gemeinschaftsvorhaben nicht so fließen, wie erhofft. Nicht weniger bedeutsam, wenn auch in der Literatur bisher weniger berücksichtigt, sind Risiken, die aus der Beziehung der Partner zueinander erwachsen. Trotz der getroffenen Vereinbarung, miteinander zu kooperieren, verfügen die Partner über einen Handlungsspielraum, den sie zu ihrem eigenen Vorteil (aus-) nutzen können. Dies kann in der Folge zu Misstrauen, hohen Kontrollkosten oder sogar zum Scheitern der Unternehmenskooperation führen. Dieses Beziehungsrisiko, das aus einer Kooperation erst erwächst, soll im folgenden Abschnitt ausführlich behandelt werden.

2 Opportunistisches Verhalten Unternehmen bilden internationale Kooperationen mit der Erwartung, gemeinsam Ziele zu verwirklichen, die das Unternehmen im Alleingang nicht erreichen kann. Dazu ist es notwendig, dass die beteiligten Unternehmen Informationen und Wissen austauschen, kooperationsspezifische Investitionen tätigen und – zumindest in bestimmten Bereichen – davon absehen, miteinander zu konkurrieren (vgl. z. B. Barringer/Harrison 2000; Contractor/Lorange 1988). Diese Handlungen führen im Kooperationsverlauf zu Verwundbarkeit, denn obwohl eine kooperative Vereinbarung getroffen wird, sind alle Ziele der Kooperationspartner nicht immer

59 vollständig miteinander vereinbar. Ouchi (1980) beschreibt dies als das „fundamental problem of cooperation“ (S. 130). Es besteht das Risiko, dass der Kooperationspartner seine eigenen Interessen über die der Kooperation stellt. Ein solches Verhalten kann mit dem von Williamson (1975) geprägten Begriff „Opportunismus“ beschrieben werden. Opportunismus beschreibt ein Verhalten, das sich auszeichnet durch „… a lack of candor or honesty in transactions, to include self-interest seeking with guile“ (Williamson 1975, S. 9). Zu den opportunistischen Verhaltensweisen zählt beispielsweise das Zurückhalten oder Verändern von Informationen in der Absicht, den anderen zu täuschen (Williamson 1985, S. 47). Eine Übersicht zu weiteren opportunistischen Verhaltensweisen zeigt Tabelle 3. Tabelle 3: Beispiele opportunistischer Verhaltensweisen (Quelle: in Anlehnung an Das/Rahman 2001, S. 47) Autor(en)

Verhaltensbeispiele

Griesinger (1990, S. 486/487)

Dishonesty: “The first form of negative opportunism comes into play when one party to an exchange possesses information about a transaction that could significantly alter the other party’s assessment of the outcomes. Such information has value in the exchange, and its contribution, concealment, or misrepresentation may affect the equity of the transaction.” Infidelity: “The second form of negative opportunism results when an agreement is abrogated or a relationship abandoned to the advantage of the instigator but without provision orremedy for the other party. In such a case, one party, the victim, is usually more dependent on the relationship than the other; the imbalance of dependency results in the risk of exploitation.” Shirking: “The third form of negative opportunism involves the withholding of full effort and cooperation in an ongoing relationship. Shirking, free riding, and stonewalling are examples of such behaviors.” “Examples of opportunistic behavior are such acts as withholding or distorting information and shirking or failing to fulfill promises or obligations.” “… shirking or failing to fulfill promises, appropriating a partner’s proprietary technology or key personnel, making payments late, delivering substandard products, and abruptly abandoning the alliance.” “Activities like taking shortcuts, breaking promises, masking inadequate or poor quality work, and generally being dishonest in order to gain an advantage.” “… passive opportunism takes the form of shirking, or evasion of obligations.” “… passive opportunism under new circumstances takes the form of inflexibility, or refusal to adapt.” “… active opportunism under existing circumstances … means that one party is engaging in behaviors that were explicitly or implicitly prohibited.” “… active opportunism under new circumstances (means) to extract concessions from the other.” “… opportunism results from the willingness to focus on the gain of the individual firm, regardless of the cost to the alliance.”

John (1984, S. 278) Parkhe (1993, S. 797)

Provan/Skinner (1989, S. 203) Wathne/Heide (2000, S. 41/42)

Weaver/Dickson (1998, S. 508)

60 Erwartetes oder gezeigtes opportunistisches Verhalten führt zu erhöhten Kosten in der Zusammenarbeit. „If the risk of opportunism in a particular relationship is sufficiently high, considerable resources must be spent on control and monitoring, resources that could have been deployed more productively for other purposes“ (Wathne/Heide 2000, S. 36). Des Weiteren belastet Opportunismus die Beziehung der Kooperationspartner zueinander und gefährdet somit die Stabilität und den Erfolg der Kooperation. Das und Teng (1996) sprechen von relational risk (Beziehungsrisiko) und beziehen sich dabei auf „… the concern that firms may not work toward the mutual interests of the partners, and that they may not co-operate in a manner specified in the alliance arrangement or as expected by their partners“ (S. 831).

2.1 Opportunismus in kulturellen Überschneidungssituationen Nur wenige Autoren befassen sich explizit mit dem Beziehungsrisiko bzw. der Opportunismusproblematik im interkulturellen Kontext (Ausnahme: Johnson et al. 1993; Johnson et al. 1996; Lee 1998). Dies ist überraschend, da kulturelle Unterschiede zu einer Verschärfung des Problems führen dürften. Es kann angenommen werden, dass kulturelle Unterschiede das Engagement der Geschäftspartner für die internationale Kooperation beeinflussen. Partner aus unterschiedlichen Kulturen fühlen sich den jeweiligen Partnerunternehmen unter Umständen weniger verpflichtet. Dies kann dazu führen, dass der einzelne Kooperationspartner eher geneigt ist, gegen die Interessen des Partnerunternehmens zu agieren und sich weniger scheut, opportunistisch zu handeln (Das/Rahman 2001, S. 49). Lee (1998) weist in seiner empirischen Studie nach, dass kulturelle Distanz zwischen Partnern die Wahrscheinlichkeit für opportunistisches Verhalten erhöht. Die geografische Distanz verstärkt diese Tendenz, denn der Aufbau einer persönlichen Beziehung und die Kontrolle des Verhaltens des Kooperationspartners sind kaum möglich. Schließlich besitzen rechtlich verbindliche Verträge aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme weniger Bedeutung. Die Vertragsgestaltung ist komplizierter und unvollständiger und die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche über die nationalen Grenzen hinweg zeitaufwändiger, kostspieliger und erfolgsunsicherer. Die Wahrscheinlichkeit, für opportunistisches Verhalten belangt zu werden, ist durch diese rechtliche „Grauzone“ vermindert. Die Bedeutung der Opportunismusproblematik wird oftmals mit Hinweis auf das Argument der „unsichtbaren Hand“ relativiert (Hill 1990, S. 500). Danach „bestraft“ der Markt opportunistisches Verhalten, weil es bei Bekanntwerden zu einem Image- und Reputationsverlust kommt, der langfristig zum Ausscheiden aus

61 dem Wettbewerb führt. Dieses Argument ist jedoch nur bei transparenten Märkten gültig, d. h. bei Märkten, in denen Fehlverhalten (Opportunismus) öffentlich gemacht wird. Im globalen Wettbewerb existiert eine solche Transparenz trotz zusammenwachsender Märkte aber noch immer nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass opportunistisches Verhalten durch die „unsichtbare Hand“ des Marktes bestraft wird, ist im internationalen Kontext daher kaum gegeben. Für die Entstehung des Opportunismus- bzw. Beziehungsrisikos spielen kulturelle Unterschiede noch aus einem anderen Grund eine Rolle. Werte, Normen, Grundannahmen über die Welt und Verhaltensmuster sind kulturabhängig (vgl. z. B. Hofstede 1980). Während ein gemeinsamer kultureller Hintergrund Missverständnisse in der Interaktion reduziert, können kulturelle Unterschiede zu Konflikten führen. Dazu lassen sich beispielsweise verschiedene Auslegungen und Interpretationen von Daten oder Verhaltensweisen zählen. Wenn die internationalen Kooperationspartner Schwierigkeiten haben, Ereignisse in der Kooperation in gleicher Weise zu interpretieren, erhöht sich die Unsicherheit im Umgang miteinander und somit die Wahrnehmung eines Opportunismus- bzw. Beziehungsrisikos. Des Weiteren ist das Verständnis von Opportunismus selbst auch kulturabhängig. Welche Verhaltensweisen als opportunistisch klassifiziert bzw. welche als akzeptabel betrachtet werden, ist abhängig von den Werten einer Kultur. So stellen das „Zurückhalten von Informationen“ oder „verspätete Zahlungen“ zwei Beispiele dar, die in bestimmten Kulturkreisen als opportunistisch, in anderen jedoch als annehmbare Geschäftspraktiken gelten (vgl. Johnson et al. 1996, S. 83). Kulturgebundene Wertvorstellungen können zudem die Tendenz zu opportunistischen Verhaltensweisen beeinflussen. Die Literatur hat im Hinblick auf den Opportunismus vornehmlich die Kulturdimension Individualismus – Kollektivismus diskutiert (vgl. z. B. Chen et al. 1998; Cox et al. 1991; Earley 1989, 1993; Triandis 1990, 1995; Wagner 1995). Die allgemeine Annahme lautet, dass sich kollektivistisch orientierte Menschen weniger opportunistisch verhalten als individualistisch orientierte. „Scholars have shown that collectivists, compared with individualists, enjoy working together more, are generally more co-operative, and are less inclined to ‘free ride’“ (Chen et al. 1998, S. 285). Die Differenzierung in individualistisch/kollektivistisch impliziert auch Unterschiede in der Zeitorientierung. Kollektivistische Kulturen haben meist eine Langzeitorientierung, wohin gegen individualistische Kulturen eher eine Kurzzeitorientierung aufweisen (Triandis 1990, S. 60). Insgesamt ist daher zu erwarten, dass kollektivistisch orientierte Menschen eine langfristige Partnerschaft anstreben und ihre eigenen Interessen denen der Kooperation eher unterordnen als individualistisch orientierte Menschen.

62 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass kulturelle Unterschiede zwischen den Kooperationspartnern die Opportunismusproblematik noch verschärfen.

2.2 Opportunismus – eine Konkretisierung Obwohl das Opportunismusrisiko allgemein häufig Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Diskussion ist, wurde das Konzept bisher nur unzureichend expliziert (Wathne/Heide 2000, S. 36). Eine Möglichkeit der Systematisierung besteht in der Unterscheidung zwischen „offensichtlichem“ und „legalem“ Opportunismus (Wathne/Heide, 2000, S. 37 ff.). Ersterer bezieht sich auf die Definition von Williamson (1975, S. 9), die auf einen Verstoß gegen rechtsgültige Verträge verweist. Legaler Opportunismus bezieht sich auf die Verletzung relationaler bzw. sozialer Verträge, d. h. die vertraglich nicht festgelegten wechselseitigen Erwartungen oder Vereinbarungen. Eine weitere Systematisierung erfolgt mit der Unterscheidung des opportunistischen Verhaltens in „aktiv“ und „passiv“ (Wathne/Heide 2000, S. 38 ff.). Bei aktivem Opportunismus werden Verbote, die sich aus Verträgen, Vereinbarungen, Erwartungen oder Normen ergeben, übertreten. Passiver Opportunismus zeichnet sich hingegen durch Unterlassung oder Nicht-Erfüllung kooperationsimmanenter Gebote aus. Weitere Dimensionen, anhand derer verschiedene Formen des Opportunismus differenziert werden, sind beispielsweise die Dynamik der Umfeldbedingungen (Wathne/Heide 2000, S. 41), die Höhe des Risikos für die Beziehung (Das 2004, S. 3) sowie die Wirkungszeit des opportunistischen Verhaltens, was als „opportunism horizon“ bezeichnet wird (Das 2004, S. 3 und S. 8 ff.). Im Folgenden wird die Unterscheidung in „aktiven“ und „passiven“ Opportunismus von Wathne und Heide (2000) übernommen und um die Differenzierung in „offene“ und „verdeckte“ Opportunismusformen ergänzt. Die Aufnahme der Dimension offen/verdeckt stellt eine Erweiterung der ursprünglichen Opportunismusdefinition von Williamson (1975, S. 9) dar, weil damit nicht mehr nur das mit Arglist durchgeführte, d. h. verdeckte Handeln betrachtet wird, sondern auch offen beobachtbares Verhalten einbezogen wird. Abbildung 1 kombiniert die beiden Dimensionen und veranschaulicht die sich ergebenden Formen des Opportunismus beispielhaft.

63 Das Verhalten ist ...

offen

aktiv

z. B. Partnerschaft mit Konkurrenz eingehen; Zugeständnisse erpressen

passiv

z. B. Zahlungstermin nicht einhalten; Qualitätsstandards missachten

verdeckt z. B. falsche Verkaufszahlen weitergeben; Gebietsregelungen missachten 1 2 3 4 z. B. schlechte Nachrichten vorenthalten

Abbildung 1: Verschiedene Formen des Opportunismus (Quelle: eigene Darstellung) Unabhängig davon, welche Form opportunistischen Verhaltens gezeigt wird, die Auswirkungen auf die Beziehung der Partner und die Unternehmenskooperation insgesamt sind negativ. Bei offen gezeigtem Opportunismus (Zelle 1 und 3) ist die Information über das Partnerverhalten frei zugänglich, sodass der Kooperationspartner den Opportunismus frühzeitig erkennen und relativ schnell gegen ihn vorgehen kann. Verdeckt gezeigte Opportunismusformen (Zelle 2 und 4) markieren hingegen eine Informationsasymmetrie zwischen den Kooperationspartnern, d. h. der „geschädigte“ Kooperationspartner verfügt über weniger oder gar keine Hinweise auf das opportunistische Verhalten des anderen. Die Dimension offen/ verdeckt beinhaltet somit auch eine Zeitdimension: Verdeckt opportunistisches Verhalten besitzt eine größere Wahrscheinlichkeit, unentdeckt zu bleiben, länger ausgeführt zu werden und größeren Schaden anzurichten als offenes Verhalten. Es wird daher angenommen, dass der verdeckte Opportunismus ein höheres Beziehungsrisiko darstellt als der offene.

3 Maßnahmen zur Abwendung der Opportunismusproblematik Um trotz der hier skizzierten Opportunismusproblematik handlungsfähig zu bleiben und die Chancen einer internationalen Unternehmenskooperation nutzen zu können, bieten sich für die Kooperationspartner verschiedene Maßnahmen an, die sich grob zwei Kategorien zuordnen lassen: (1) präventive Maßnahmen und (2) operative Maßnahmen. Zu der ersten Kategorie zählen solche Maßnahmen, die bereits im Anbahnungsprozess einer internationalen Unternehmenskooperation angewendet werden können und die grundsätzlich sowie nachhaltig der Opportunismusproblematik vorbeugen sollen. Die zweite Kategorie umfasst Maßnahmen, die während der Zusammenarbeit opportunistische Verhaltensweisen aufdecken

64 bzw. verhindern sollen (vgl. Das/Rahman 2001, S. 50 f.). Konkretisierungen beider Bewältigungskategorien sowie deren Einordnung in die Entwicklungsphase einer Unternehmenskooperation verdeutlicht Abbildung 2. Lebensphase der internationalen Zusammenarbeit Anbahnungsprozess der internationalen Zusammenarbeit ª Präventive Maßnahmen ƒ rechtzeitige Verträge ƒ Kapitalbeteiligung (Anteilsverhältnisse) ƒ kooperationsspezifische Investments (mutual hostages) ƒ finanzielle Abgeltung von Verstößen gegen die Kooperations regeln

Laufende internationale Zusammenarbeit ª Operative Maßnahmen ƒ Kontrolle/Überwachung ƒ formale Berichterstattung ƒ Budgetierung ƒ Abschottung/Aufteilung ƒ gemeinsame Entscheidungsfindung

Abbildung 2: Maßnahmen zum Umgang mit der Opportunismusproblematik in Abhängigkeit von der Lebensphase und dem Ziel der Maßnahmen (Quelle: eigene Darstellung) Zu den präventiven Maßnahmen werden unter anderem Verträge gezählt. Diese regeln beispielsweise Eigentumsrechte, Haftungsfragen oder den rechtlichen Status der Zusammenarbeit. Kapitalbeteiligungen (z. B. Joint Ventures) sind ebenfalls ein geeignetes Mittel, um opportunistischen Verhaltensweisen vorzubeugen, denn durch die finanzielle Investition fühlen sich die Kooperationspartner gegenseitig stärker verpflichtet (z. B. Das/Rahman 2001, S. 53). Kapitalbeteiligungen können auch als „mutual hostages“ (gegenseitige Geiseln) betrachtet werden. Verstößt einer der Kooperationspartner gegen die Abmachungen oder verlässt er die Kooperation frühzeitig, dann sind zumindest seine finanziellen Investitionen verloren. Bei kooperationsspezifischen Investments muss es sich aber nicht nur um finanzielle Investitionen handeln. Auch das Einbringen von Wissen, Patenten, Rohstoffen o. Ä. zählt als „Geisel“. Um sich zudem gegenüber opportunistischen Verhaltensweisen wie beispielsweise verspäteten Zahlungen oder Gewinnunterschlagung zu schützen, wird die Vereinbarung von Vorab-Pauschalen, Lizenzgebühren oder ein Verzugsaufschlag (speziell bei Vertriebskooperationen, Lizenz- und Franchisekooperationen) vorgeschlagen (vgl. z. B. Das/ Rahman 2001, S. 54 f.). Zu der Gruppe der operativen Maßnahmen zählt unter anderem die Kontrolle und Überwachung des Partners. Beispielsweise kann die Überprüfung der Marke-

65 tingstrategie des Partners dazu dienen, Abweichungen vom gemeinsamen Ziel festzustellen und korrigierend einzugreifen. Auch die Kontrolle von Absatz- oder Umsatzahlen kann hilfreich sein bei der Abwehr von falschen oder unterschlagenen Informationen. Die Installierung eines formalen Berichtwesens kann ebenfalls als Kontrollmechanismus angesehen werden. Ein weiterer Nutzen des formalen Berichtswesens ist darin zu sehen, dass jeder Mitarbeiter genau weiß, welches Verhalten von ihm erwartet wird. Derart entstehen eindeutige Weisungslinien, die das Vortäuschen von falschen Tatsachen oder das Nicht-Erfüllen von Aufträgen behindert (Das/Rahman 2001, S. 57). Die Budgetierung verfolgt zwei Ziele: Auf der einen Seite werden ungerechtfertigte Ausgaben unterbunden und auf der anderen Seite können die Leistungen überprüft werden, die aufgrund der Budgetzuteilung erwartet werden (Das/ Rahman 2001, S. 58). Als weitere Maßnahme ist die Abschottung bestimmter Unternehmensbereiche zu nennen, die nichts mit der Unternehmenskooperation zu tun haben bzw. die Aufteilung der Kooperationsaktivitäten auf verschiedene Unternehmenseinheiten. Dadurch soll vor allem der ungewollte Wissenstransfer sowie die Entwendung geschützter Technologien vermieden werden (vgl. z. B. Baughn et al. 1997, S. 110; Das/Rahman 2001, S. 59). Schließlich gilt auch die gemeinsame Entscheidungsfindung als eine Maßnahme, um opportunistisches Verhalten – speziell das Zurückhalten kritischer Informationen und das Ausnutzen kooperationsspezifischer Investments – aufzudecken bzw. zu verhindern. Des Weiteren fördert die gemeinsame Entscheidungsfindung die einheitliche Zielsetzung der Unternehmenskooperation, was ebenfalls entscheidend dazu beiträgt, opportunistisches Verhalten zu verhindern (Das/ Rahman 2001, S. 60). Kritisch gegen die hier aufgezählten Möglichkeiten zum Umgang mit der Opportunismusproblematik lässt sich einwenden, dass vertragliche Vereinbarungen – wie oben bereits erwähnt – im internationalen Kontext oftmals weniger Bedeutung besitzen und die Kontrolle bzw. Überwachung des Partners über Landesgrenzen hinweg meist mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist (z. B. Geringer/Hebert 1989, S. 248). Des Weiteren können Kontrollmaßnahmen auch negative Rückwirkungen auf das Verhältnis der beteiligten Kooperationspartner haben. Nooteboom, Berger und Noorderhaven (1997, S. 308) stellen fest „… that excessive concern with control can be counterproductive“. So kann durch Kontrolle die Neigung, sich ehrlich zu verhalten, reduziert (Moschandreas 1997, S. 47), Reaktanz provoziert und Opportunismus gefördert werden (Brown et al. 2000, S. 63) und in einer De-Motivation der Kooperationspartner münden (Child 2001, S. 279). Die oben genannten Maßnahmen werden ergänzt durch Ansätze zur Gestaltung der Beziehung zwischen den Kooperationspartnern. Am häufigsten diskutiert wer-

66 den der Aufbau wechselseitigen Vertrauens und die Einbindung in soziale Netzwerke. Die Bedeutung von Vertrauen für den Erfolg internationaler Unternehmenskooperationen wird in der Literatur mehrfach betont (z. B. Child 2001; Das/Teng 1998; Parkhe 1993; Sako/Helper 1998). Grundsätzlich wird Vertrauen verstanden als „… an expectation held by an agent that its trading partner will behave in a mutually acceptable manner (including an expectation that neither party will exploit the other’s vulnerabilities)“ (Sako/Helper 1998, S. 388). Zeigt ein Kooperationspartner deutliches Vertrauen in den anderen, so ist letzterer gemäß vorherrschender sozialer Normen geneigt, das in ihn gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen, d. h. das Vertrauen nicht zu hintergehen und nicht opportunistisch zu handeln. Der soziale Netzwerkansatz (vgl. z. B. Granovetter 1985; Nohria/Eccles 1993) nimmt an, dass Unternehmen, die in einem Netzwerk von Unternehmen eingebettet sind, weniger opportunistisch handeln. Die Regulation ihres Verhaltens erfolgt in Netzwerken vor allem über soziale Mechanismen wie beispielsweise gemeinsame Werte, Normen, Sanktionen und Reputation (vgl. z. B. das Modell von Jones et al. 1997, S. 918)1. Für die Kooperationspraxis wäre aus dem sozialen Netzwerkansatz die Folgerung zu ziehen, bevorzugt mit Partnerunternehmen zu kooperieren, die in übergreifende Unternehmensnetzwerke eingebettet sind. Eine klare Aussage, mit welcher der vorgestellten Maßnahmen der Opportunismusproblematik besser begegnet werden kann, ist gegenwärtig nicht möglich. Es existieren nur wenige empirische Arbeiten, die versuchen die Wirksamkeit der unterschiedlichen Maßnahmen miteinander zu vergleichen. Deeds und Hill (1999) kommen zu dem Schluss „…that a strong relationship between the partners serves as a much more effective deterrent to opportunistic action than the creation of hostage investments or contingent claims contracts“ (S.157). Die Überlegenheit von Beziehungsnormen gegenüber Kontrollmaßnahmen zeigen auch Brown et al. (2000) in ihrer Studie. Weaver und Dickson (1998) stellen zudem fest, dass speziell KMU „… rely more on social constraints than on formal controls to prohibit opportunistic behavior“ (S. 507)2.

4 Fazit Die internationale Unternehmenskooperation ist eine facettenreiche Form der Internationalisierung, die in der Unternehmensforschung und in der Unternehmenspraxis zunehmend mehr Aufmerksamkeit findet. Besonders die Beschäftigung mit 1 Eng verwandt mit dem Vertrauenskonzept und dem sozialen Netzwerkansatz ist das in letzter Zeit häufig diskutierte Konzept des sozialen Kapitals (vgl. z. B. Adler/Kwon 2002; Cohen/Prusak 2001). 2 In der Praxis finden sich jedoch häufig Kombinationen von sowohl kontroll- und vertragsähnlichenals auch von beziehungsorientierten Maßnahmen (vgl. z. B. Endrissat/Kühlmann 2004).

67 der „dunklen Seite“ grenzüberschreitender Kooperation zeigt, dass die betriebswirtschaftliche Argumentation um sozialwissenschaftliche Erklärungs- und Gestaltungsansätze ergänzt werden muss. Sowohl die Opportunismusproblematik von kooperativen Arrangements als auch ihre Einbettung in Kulturdifferenzen harren noch der Bearbeitung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Nur Vorschläge zur Gestaltung internationaler Kooperation, die sich auf eine fachübergreifende Analyse der damit verbundenen Chancen und Risiken stützen, können Unternehmen dabei helfen, die Potenziale der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für alle beteiligten Partner auch umzusetzen.

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II Observationsmethoden, Teamentwicklung und Mediation

73

Observationsmethoden und Analysen multikulturellen Kooperierens in Teams nach Bales Rogier Crijns Vorliegender Beitrag beinhaltet eine Inventur unterschiedlichster Positionen in der (interkulturellen) interaktionalen Teamanalyse (u. a. Bales 1950/1982) unter Einbezug diskursanalytischer Aspekte sowie eine Sondierung detaillierter Analysemöglichkeiten.

1 Arbeiten im Team In Studien zur Gruppenarbeit werden Aspekte wie soziale Einheit, explizite Wertvorstellungen und Zielsetzungen in koordinierten Handlungsweisen als charakteristische Merkmale einer institutionalisierten Arbeitsgruppe hervorgehoben (Scharmann 1972, S. 18; Wottawa/Glumski 1995, S. 289). Zu den Minimalanforderungen einer Arbeitsgruppenbildung gehört, neben der Mindestzahl von drei Personen, die zielgerichtete gemeinsame Handlungskompetenz. Diese beabsichtigt ihre Zielerreichung mittels der Zielabstimmung ihrer Mitglieder in der wechselseitigen Beziehung und Steuerung zu bewerten. Somit kann behauptet werden, dass die ‘(Selbst-)Kontrolle’ im Hinblick auf das Ergebnis der Zielhandlungen der Arbeitsgruppe eine der Vorbedingungen für die Generierung von Mehrwert durch den Arbeitsgruppeneinsatz darstellt. Diese Einschätzung beruht auf der Ansicht, dass die Kompetenzenvielfalt der Gruppenteilnehmer in komplexen Problemlösungssituationen die Qualität und die Lösungsgeschwindigkeit einer Aufgabe positiv beeinflusse. Kompetenzenvielfalt und Rollendifferenzierung bilden die Grundvoraussetzungen für gute Teamergebnisse (Belbin 1996), obwohl ein Teil des Zeitaufwands in der Teamarbeit von Abstimmungshandlungen in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus kann es in der Gruppe bei mangelhaft definierten Verantwortlichkeiten und Statushierarchien oder attribuierten Erwartungen zu Rollenambiguitäten und Rollenkonflikten kommen. Die Arbeitsgruppe arbeitet somit idealtypisch unter kommunikationsstrategischem Einsatz von: 1. einer dialogischen Ermittlung von Aufgabenlösungen mittels einer intern offenen und ebenfalls oft formell ausgerichteten Kommunikationsstrukturierung;

74 2. Erlebnissen der Zusammengehörigkeit als Folge einer gemeinsamen (dauerhaften) Zielsetzung, Gruppenstruktur und Rollenverteilung; 3. einer gemeinsam ex- oder impliziten (vereinbarten) Konfliktlösungsstrategie als Zeichen gemeinsamer und organisierter Normbildung; 4. kurzfristigen, flexiblen Maßnahmen zur fachlichen Kompetenzsteigerung unter der Voraussetzung von Anpassungen der Gruppe gegenüber. Diese sollen das Verhalten der Gruppenmitglieder auf Basis von ‘Commitment’ und Vertrauen in den präskriptiven Regeln vorhersagbar machen; 5. Deutlichkeit in der Rollenverteilung (durch einen Prozess der Steuerung; verlangt Lösungsvorschläge und Gestaltung der Entscheidungsfindung) zwischen den Gruppenbeteiligten. Es handelt sich in der Gruppenstruktur also um ein Beziehungsnetz, wobei die zu lösende Aufgabe zu einer Rollenverteilung führt, die im Rahmen der gemeinsamen Ziel- und Normsetzung auf den Fähigkeiten und Motivationen der einzelnen Mitglieder aufbaut. Dieses Merkmal betrifft die gruppenspezifischen übereinstimmenden Standards, die das Verhalten der Gruppenmitglieder, deren Motive und Interaktionen regelt (Forsyth 1999). Der Zweiteilung der interaktionalen Prozesse in Inhalts- und Beziehungsaspekten zufolge gibt es auch in der Beurteilung von Interaktionsvorgängen in der Gruppenarbeit die doppelte Perspektive von arbeitsbezogenen und sozioemotionalen Teamprozessen. Die Entwicklung einer Methode der Diskrepanzanalyse zwischen den beabsichtigten kommunikativen Zielvorstellungen im Vergleich zu den Interaktions- und Kommunikationsmustern, die sich während der Gruppenarbeit etablieren, sind Ausdruck der Diskrepanzen auf der Erwartungs- und der Durchführungssebene.

2 Forschungsansätze in der Kleingruppenforschung Eine (Arbeits-)Gruppe funktioniert gleichzeitig auf zwei Ebenen: auf dem aufgaben- und dem sozioemotionalen Niveau. Der Aufgabenbereich weist auf den Inhalt der Gruppenaktivität hin: Was wird gesagt und was getan? Dazu gehören Aufgabenorientierung, formale Führung, Ergebnisüberwachung und formale Gruppenstruktur. Die sozioemotionale Ebene betrifft den Umgang miteinander, den Beziehungsaufbau, die Aufmerksamkeit für die Gruppenatmosphäre, informelle Führung, die Zufriedenheit und die informelle Gruppenstruktur. Homans (1950) unterscheidet zwischen internem und externem System in jeder Gruppenform. Anpassungen an die externe Umgebung führt zu einer Arbeitsteilung, zu einer formalen Gruppenstruktur sowie zu einer Führungshierarchie. In der Weiterführung dieses Gedankens der doppelten Prägung durch Inhalts- und

75 Beziehungsaspekte ist diese in spezifischen Diskursformen (Arbeitsbesprechung, Versammlung, Meeting, Innovationsgespräch, Mitarbeitergespräch etc.) in unterschiedlich (sub)kultureller Gewichtung vorhanden und damit verantwortlich für die Akzeptanz eines diskursspezifischen Gleichgewichts in der Teamarbeit. Zur Sondierung hemmender Faktoren in intra- und interkultureller Teamarbeit bedarf es eines eingehenden Analyseinstruments, mit dem das Führungshandeln in Abhängigkeit vom Interaktionsgeschehen erfassbar wird. Unterschiedliche theoretische Positionen zur Teamproduktivitätsanalyse heben jeweils andere Elemente in der Analyse hervor. Von Vertretern der Interaktionstheorie (Bales 1950; Homans 1950) wird die Gruppe als ein Gebilde miteinander verkehrender Individuen gesehen. Die Beobachtungen beziehen sich auf die Frequenz der Interaktion zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern und den positiven Effekt der Kontaktmomente. Bales entwickelt dazu ein Observationsschema, indem er die zwei oben genannten Hauptbereiche der Gruppeninteraktion unterscheidet: im sozial-emotionalen Bereich die positiven und negativen Reaktionen – im Aufgabenbereich: die Antwortversuche an sich. Auf der Grundlage einiger Teilstudien formuliert Bales eine Theorie der Gruppenentwicklung und unterscheidet darin drei Phasen: die erste Phase, die so genannte Orientierungsphase (Informationsanfrage und Erteilung von Information), die zweite Phase dient der Bewertung (um Meinungen bitten und Meinungen formulieren) sowie die dritte Phase, die Kontrollphase (um Vorschläge bitten und Vorschläge machen), in der es zu einem Beschluss kommt. So wird der Prozess der Entscheidungsfindung in drei Schritten erfasst: Orientierung, Urteilsbildung und Beschlussfassung. Empirische Studien im Sinne Bales haben einige Nebenfaktoren identifiziert, die einen Einfluss auf die Gruppeninteraktion haben: Gruppengröße, Statusunterschiede, Sympathien, Antipathien, Führung, Produktivität und Zufriedenheit. Aus systemtheoretischer Sicht wird die Gruppe als ein offenes System von ineinander greifenden Positionen und Rollen definiert. Aus diesem theoretischen Blickwinkel sind Homeostase (Gleichgewicht der Persönlichkeitsmerkmale zwischen den Mitgliedern), Feedback, Systemgrenzen und Regulierungsmechanismen ausschlaggebend. Diese Herangehensweise an die Beschreibung der Gruppendynamik fokussiert vor allem das Zustandekommen von Veränderungen innerhalb des Gruppensystems und die Aufrechterhaltung der Gruppenstabilität. Das erteilte Feedback in der Gruppeninteraktion bildet dabei den Fixpunkt. Die mit ihm einhergehenden Veränderungen in der Haltung der einzelnen Gruppenmitglieder bewirkt in dieser Auffassung Veränderungen in der Gruppe (Remmerswaal 2003, S. 27 ff.). In der soziometrischen Sichtweise (Jennings 1943) werden hingegen vor allem die emotionalen und interpersönlichen Aspekte zwischen den Gruppenmitgliedern hervorgehoben. Auswahlmuster bei der Kooperation von Freunden, Partnern und

76 Arbeitskollegen werden anhand fiktiver Situationen überprüft, wobei die interpersonellen Attraktionen, die einer informellen Gruppenstruktur zugrunde liegen, mittels eines Soziogramms wiedergegeben werden. Aus allgemeinpsychologischen Gesichtspunkten werden Theorien der konsistenten Bilder über Festingers kognitive Dissonanztheorie (in der persönlichen Beurteilung) oder über dessen soziale Vergleichstheorie herangezogen (Festinger 1950). Letztere weist darauf hin, dass jedes Gruppenmitglied über eine Anzahl von Meinungen und Auffassungen verfügt. Ein Gruppenmitglied ist dabei bestrebt, eine konstante Kohärenz im Urteil zustande zu bringen und dafür außerdem Bestätigungsindizien zu erhalten. Beim Fehlen von objektiven Indizien, die es ermöglichen, die Korrektheit der eigenen Meinung zu überprüfen, greifen Teammitglieder auf die Urteile anderer Personen in der Gruppe zurück. Außerdem wird die Gruppenkohärenz aus der Sicht der Regularität von der Personenzahl, die die Auffassung teilt, dass ein jeder von der Richtigkeit dieser Meinung überzeugt sei, geprägt. Auf diese Art und Weise wird die Basis für einen Konsens in einer Gruppe gebildet. Mithilfe von Konformitätsdruck wird jedes Gruppenmitglied aufgefordert, diesem Bild der Wirklichkeit zuzustimmen. Bei Thibaut und Kelly (1959) entsteht so ein Konzept zur Bestimmung einer ‘Kosten-Nutzen’ -Abwägung der Mitglieder einer Gruppe, die trotz negativer Konsequenzen für das betreffende Teammitglied zu der eigenen Gruppe stehen und diese nicht verlassen (vgl. dazu Bales 1982, S. 151). Ein Forschungsschwerpunkt hinsichtlich der Zufriedenheit von einzelnen Gruppenmitgliedern lässt sich nach unterschiedlichen Bereichen auffächern. Auf dem individuellen Niveau sind es die Wahrnehmungsaspekte einer Person, die Fremdund Selbstbilder im Sinne der sozialen Identität der Gruppenmitglieder und die interpersönlichen Präferenzen im Umgang mit den Teamkollegen auslösen. Daneben lassen sich gruppenspezifische Umgangsformen untersuchen: Konformitätsverhalten in der Interaktion (die Einhaltung gruppenspezifischer, kommunikativer Gepflogenheiten) sowie inhaltliche Konformitätssignale, die die Gruppenkohäsion stärken. Ein dritter Bereich betrifft den Beschlussfassungsstil, die Feedbackerteilung und Gruppenentwicklung in Beziehung zum Führungsstil, als interaktionskonstitutiven Aspekt zur Erfasung gruppenspezifischer Handlungsmuster. Die ethnomethodologisch orientierte, linguistische Konversationsanalyse verfügt dahingegen über die Möglichkeit, die Gruppendynamik im Hinblick auf (a)symmetrische Kommunikationsstrategien zu untersuchen. Sie macht dies, indem sie eine Sequenzanalyse und Rollenbeschreibung mittels sprachlicher Realisierungsmerkmale durchführt. Auf diese Weise lassen sich die Kontexterwartungen der Gruppenmitglieder mittels konsenssignalisierender Ausdrucksweisen erfassen. Zudem kann ein Gruppenstil mit seinen Präferenzen für Implizitheit/Indirektheit, für interaktive oder autoritäre Aushandlung oder für Höflichkeit und Rücksichtnahme gerade in kulturell gemischten Gruppen herausgearbeitet werden. Aus dem

77 diversity-Konzept heraus wird dann die Frage aktuell, in welcher Gruppenentscheidung sich divergierender oder konvergierender Gesprächsstil als eher hemmend oder fördernd auf das Gruppenergebnis auswirkt. Dabei sollte die Zufriedenheit der Gruppenmitglieder über den Gruppenprozess als Teil des Gruppenergebnisses betrachtet werden. Das Ausmaß der Homologie von verbalisiertem diskursspezifischem Interaktionsverhalten in der Perzeption der Teammitglieder wäre in diesem Konzept der entscheidende Faktor, welcher einer Effektivitätsanalyse der Kooperation aus der Außenperspektive entgegenzusetzen ist (vgl. dazu Simon 2002). Die Vorannahme aus der Teambildungsforschung, dass soziale Gruppenidentität und Konsenssignale automatisch eine optimale Gruppeneffizienz bewirke, wäre an einzelnen Problemlösungsaufgaben in der Praxis sowie im Experiment zu prüfen.

3 Beschreibungsparadigmen zur Gruppendynamik Die bindende Kraft der Gruppenmitglieder ist die Grundlage für Teamarbeit, deren Schwerpunkt darin liegt, gemeinsame Ziele mithilfe eines Zusammengehörigkeitsgefühls zu erreichen. Die Stärke positiver Einstellungen von Gruppenmitgliedern kann mithilfe der interaction-process-Analyse (IPA), einem Kategoriensystem zur Kodierung des Problemlöseverhaltens in Kleingruppen, erfasst werden. Dabei wird sowohl die Qualität der Aufgabenlösung als auch das Kommunikationsverhalten während des Problemlösungsprozesses beschreibbar. Die Ergänzung des Systems erfolgt durch die Einbeziehung von Wahrnehmungen, Einstellungen und Wertehaltungen der Interaktanten im System of Multiple Level Observation of Groups: SYMLOG (Bales/Cohen 1982). Es werden darin drei Dimensionen im menschlichen Gruppenverhalten unterschieden: 1. Das einflussnehmende Verhalten (aktiv steuerndes versus passives Verhalten ohne Einflussnahme): die upward-downward-Dimension der steuerenden Führung; 2. freundliches versus unfreundliches Verhalten mit entsprechend positivem oder negativem Einfluss auf das Gruppenklima: die positiv-negativDimension; 3. rational kontrolliertes versus emotional, nicht zielorientiertes, unkontrolliertes Verhalten: die forward-backward-Dimension. Mit diesen Parametern können persönlichkeitsbedingte Handlungsmuster in der Gruppeninteraktion sowie die Fähigkeit zur emotionalen Bindung und deren Effekt auf das Gruppenverhalten beschrieben werden. Mit diesem Beschreibungskonzept lassen sich jedoch die typisch interaktionalen Doppelfähigkeiten wie die Umsetzung akzeptierter Kritik in Entwicklung oder der Gemeinschaftssinn, die

78 Konsensfähigkeit und kritische (Selbst-)Analyse noch keineswegs optimal erfassen. Auch die unterschiedlichen Konfliktsituationen können nur unzureichend beschrieben werden. Außerdem wird stark von kontextuellen Aspekten der einzelnen Gruppenaufgaben abstrahiert. Die Beurteilung des Verhaltens innerhalb der Gruppe sollte in einem künftigen Analysemodell gemäß den Umständen, ob es sich um inhaltliche Ideen langfristiger Art (organisationsspezifische Konflikte), persönliche Wünsche, beiläufige Interessen (Machtkonflikte), individuelle Wertehierarchien (Zeitkonflikte) und Konfliktlösungsstile (Anpassung, Kooperation, Kompromiss, Vermeidung oder Machteinsatz) handelt, in die Gesamtbeurteilung einbezogen werden. In der Gruppenkommunikationsforschung wurde darauf hingewiesen, dass der interaktionale Austausch Effekte positiver und negativer Art bewirken kann. So weisen Cartwright und Zander (1968, S. 23) auf die vier Basisannahmen für die Gruppendynamik hin. Eine Gruppe sei unausweichlich und allgegenwärtig, sie mobilisiere Kräfte, die sich auf die Einzelperson auswirke, und ziehe positive und negative Folgen – für das Individuum – nach sich, die sich wiederum auf die Gruppe auswirken. Die Konstituenten der Gruppenbildung und der Gruppendynamik lassen sich somit nicht nur von der Zahl der Gruppenbeteiligten, sondern eben auch von der Involvenz der Interaktionsfrequenz, der Selbst- und Fremddefinierung der Gruppenmitglieder, von den geteilten Ansichten zum gemeinsam impliziten oder expliziten modellmäßigen Normverhalten und vom Rollengefüge der Gruppenidentität her beschreiben. Die Gruppe definiere sich durch eine kollektiv gestützte Perzeption hinsichtlich der Kohärenz, die nach außen hin präsentiert werde (Cartwright/Zander 1968, S. 48). Aus diesen Voraussetzungen leite sich der selbstsichere Auftritt im Konflikt mit sich selbst und mit anderen aus der Prägung durch die gruppenspezifische Interaktion ab. Der Gruppenprozess in Relation zum Individualverhalten in der Arbeitsgruppe ist nach Collins und Guetzkow (1964) einigen Phasen in der Gruppendynamik zuzuordnen. Neben den Einflussfaktoren außerhalb der Gruppe (Umgebungsfaktoren der Aufgaben) sind es gerade die Vorbedingungen für die optimale Kooperation innerhalb der Gruppe, die die Gruppendynamik bestimmen. Die Innenperspektive der Gruppenverhaltensweisen und Erwartungen anderer Gruppenmitglieder in Bezug auf die Verhaltensweisen seien für den ‘Auftritt’ oder das Abschneiden der Gruppe im Außenbereich verantwortlich. Elemente zur Beschreibung von introspektiven Gruppenerfolgserlebnissen sind aus dieser Sichtweise ebenfalls für den interkulturellen Begegnungskontext bedeutsam. In einem mehrdimensionalen Modell von Faktoren, die auf das Gruppenergebnis aus der Innen- oder Außenperspektive Einfluss nehmen, sollten Aspekte wie Gruppengröße (Zahl der Teammitglieder), Gruppenzusammensetzung (Kompetenzen, kulturelle Hintergründe, Charakterzüge), Gruppenhierarchie, Leitung und Rollen (Liden et al. 1997) und Gruppenaufgaben (Komplexität und aufgabenspezifische Interdependenzen) berücksichtigt werden. Neben der Gruppenbildung spielen der Identifkationsgrad,

79 die geteilten Wertvorstellungen, die Zielkongruenz, die Anwendung reziproker Normvorstellungen auch bezüglich der Umgangsformen beim Gruppenergebnis eine bedeutsame Rolle (Meyer & Herscovitch 2001). Der Teamerfolg hängt somit nicht nur mit der funktionalen Risikobereitschaft, sondern gerade aus der Perspektive der Kommunikation gruppenintern aufs Engste mit Konfliktaustragungsverhalten und Problemlösungsstrategien zusammen. Letzteres geschieht unter Einsatz von einer persönlich oder (sub)gruppenspezifisch eingefärbten Selbstoffenbarungsauffassung. Eine Gewichtung des Stellenwertes der unterschiedlichen Faktoren in gesprächstechnischem oder beziehungsrelevantem Sinne bleibt damit generell offen. Poro (1998, S. 50) unterscheidet zwischen gesprächstechnischen Merkmalen, Beziehungssignalen und beziehungsrelevanten Bildkonstellationen, deren Relevanz in der Kooperation sich noch einmal diskurspezifisch differenzieren lassen. Personaler Kommunikationsstil (Dynamik und Introvertiertheit mit entsprechendem verbalem Ausdruck von Emotionen), Kooperationsbereitschaft und feste oder flexible Gesprächsrollen(-zuweisungen) bestimmen das Teamergebnis genauso wie die Selbstbilder, die Bilder der Konkurrenten, die Auffassung der Gruppe (Fremd- und Selbstbild) und die Lage, in der sich die Gruppe gerade befindet.

4 Analyse von Interaktionsprozessen im Team (Bales) Der Interaktionsaspekt in der Kleingruppenforschung gehört seit Bales (1950/1982) zum festen Bestandteil der Kommunikationsanalyse. Mithilfe einer eingeschränkten konversationsanalytischen Betrachtungsweise lässt sich eine Basishaltung der Interaktanten, ihrer Persönlichkeit und der Gruppenposition bestimmen. Die von Bales entwickelten 12 paarweise angeordnete Kategorien beziehen sich auf typische action-response-Kategorien. Bales und Cohen (1982) unterscheiden dabei vier Kategorien: 1. positive und gemischte Aktionen, 2. Antwortversuche, 3. Fragen und 4. negative und gemischte Aktionen, die nach einem Frage-Antwort-Muster inklusive Verhaltensmuster angeordnet sind. Die erste und vierte Kategorie betreffen den sozioemotionalen Bereich von Basisverhaltensweisen in (arbeitsbezogenen) Beziehungen. Die zweite und dritte Kategorie betreffen aufgabenspezifische Kooperationsweisen. In diesen gesprächsaktähnlichen Verhaltenskategorien nehmen Abstufungen in Kooperationssignalen eine zentrale Rolle ein: Bitte um Information versus Informationserteilung; Bitte um eine Meinung versus Meinungsbekundung; Bitte um Vorschläge oder Vor-

80 schläge machen. Bales vereinfachendes Analyseschema ist von der Idee eines hierarchischen Gefälles zwischen den Interaktanten geprägt. Es lässt sich jedoch auch auf teilautonome Gruppen anwenden, weil sich mit ihm generell Frage-Antwort-Sequenzen, Meinungsbildung, Vorschlagsäußerungen, Entscheidungsbekundungen, Konfliktbesänftigungs- und Versöhungsstrategien im intra- wie interaktionalen Bereich erfassen lassen. Daneben ermöglicht die Analysemethode Bales Einblicke in die persönlichen Eigenschaften im Hinblick auf die Bestrebungen erfolgreich und mächtig zu sein und dies in Relation zu einem isolierenden Individualismus oder gleichberechtigtem Kollektivismus, zur Gruppen(un)abhängigkeit in der Meinungsbildung, zum Erfolg und zum negativen Selbstbild. So kann Bales 26 Verhaltensmöglichkeiten nachweisen, die in höchstem Maße für die Interaktion, die ein Gruppenmitglied initiiert oder der es ausgesetzt ist, bedeutsam sind (Forsyth 1990, S. 135). Damit bringt er eine kommunikative und beziehungsgestalterische Sichtweise ins Spiel, die sich von der Zusammenwürfelung heterogener Faktoren (Gruppenzusammensetzung und individuelle fachliche Fähigkeiten, bereits erbrachte Leistungen (im Team), die kulturelle Heterogenität, unterschiedliche Berufserfahrungen oder der Wissenszuwachs (Scholl 1999, 2001 in Scholl o.J./2004)) löst. Durch die Kopplung von Kommunikationsmustern an Persönlichkeitsmerkmale lässt sich eine Team(rollen)wirksamkeit prognostizieren. Teamarbeit in Konstellationen, die durch eine unterschiedliche Mischung von Verhaltenstypen gekennzeichnet sind, können mit dem Interaktionsanalyseschema von Bales Aufschluss über den positiven bzw. negativen Einfluss von Dominanz-, Macht- und Rangordnungseffekten (Ausmaß an Statusdifferenzierung) auf die Zufriedenheit der Teammitglieder geben. Zufriedenheit lässt sich hier als Einhaltung der (vereinbarten) Kommunikationskonventionen (Rückmeldungsinitiative, -frequenz, -kanäle, sowie -formalitäten), Respektierung der Eigeninitiative und Handlungsfähigkeit und der fachlichen Autorität sowie der Gewährleistung des Wissenszuwachses (Scholl o.J./2004) definieren. Erforderliche Charakteristiken der beteiligten Teammitglieder belegen die Aussicht auf ein erfolgreiches Abschneiden des Teams.

5 Kooperationsbereitschaft und Gruppenkommunikation Nach Hellriegl, Slocum & Woodman (1992) sind eine Reihe von Faktoren für das Gruppenverhalten und dessen Effektivität verantwortlich. Es ist vor allem die Gruppengröße, die neben der Dauer (Temporalität, Gruppenentstehungsphasen), der Gruppenzusammensetzung, des Führungsstils, der Rollendifferenzierung und der gemeinsamen Wertevorstellungen die Kohäsion, die Kooperationsbereitschaft und die Interaktionsmechanismen im ‘Commitment’ bestimmen. Werden die Gruppenziele und das erwünschte Endergebnis durch klare Definitionen von allen

81 geteilt, so wird ihrer Meinung nach bei steigender Personenzahl ein Wertzuwachs in Teamergebnissen sichtbar werden. Entscheidend für die Kooperativität der beteiligten Teammitglieder in formalen Gruppen sind Faktoren wie die Art der Aufgaben (der fachlichen Kompetenz entsprechend), die Transparenz des Prozesses der Aufgabenbearbeitung, der Zugang zu den benötigten Resourcen sowie die Einhaltung von (vereinbarten) Kommunikationskonventionen. Dabei könnte es zu Konflikten und somit zu „Dysfunktionalitäten des Gruppendenkens“ (Hahne 1997, S. 62) kommen. Dies wäre vor allem in Bezug auf die Abweichungen vom gängigen ‘Stil’, auf unterschiedliche Einfärbung von Bindungen, arbeitstechnischen und kommunikativen Problemlösungsstilen (eher individualistisch oder kollektivistisch geprägter Stilformen) oder auf die unterschiedlichen Ziel- oder Verfahrenserwartungen in Entscheidungsvorgängen (egalitär-dezentrale Kommunikationsstrukturen versus autoritär) der Fall. Neben den persönlichkeitsbedingten Kategorien, die Bales/Cohen (1950/1982) sich zunutze macht (Attraktivität der Aufgabe durch Selbstbestätigung) bleiben soziale Kategorisierungen der Stereotypenbildung hinsichtlich der Selbst- und Fremdgruppe in der Gruppenarbeit wirksam und prägen ebenfalls das Gruppenergebnis im Sinne des Kohärenzempfindens.

6 Interkulturelle Teambildung Wie bereits hervorgehoben wurde, wirken in der Teamarbeit nicht nur die allgemeinen Prinzipien sozialen Verhaltens in der Gruppenarbeit, sondern gleichzeitig auch Mechanismen über den Sprachkontakt. In der Gruppenarbeit steht ein Sachverhalt und dessen Artikulation (Bedeutungszuschreibungen von Denotaten) zur Diskussion, deren Bedeutung einhellig und explizit sein sollte. Indem Gruppenmitglieder sich etwas mitteilen, entstehen implizit oder auch explizit (geäußerte oder attribuierte) Selbst- und Fremdbilder in der Interaktion. Die Mitteilungsebenen (sprachliche Formen und Bedeutungszuweisungen, Sachverhalte und Beziehungsinterpretationen, gruppenspezifische oder individuell geprägte Interpretationsmuster) erfüllen damit eine Appellfunktion. Dies alles fließt in die kollektiven Problemlösungsabsichten der Gruppe ein: Auf der Beziehungsebene heißt dies, dass Herrschaftsansprüche transparent gemacht werden sollten, indem sie idealtypisch der Aufgabenlösung unterzuordnen wären und divergierende Zielvorstellungen und Planungswege konvergent gemacht werden müssten. Nach Geertz (1965, S. 57) existieren in den Köpfen von Menschen Kontrollmechanismen, die als Pläne (Erwartungen), Filter in der Wissensaneignung, Regeln und Instruktionen zu erfassen sind. Die Teamzugehörigkeit wird somit von persönlichen Zielen durch eingeschliffene Informationsverarbeitungsmechanismen geprägt. Letztere können zum Teil von anderen Gruppenzugehörigkeiten bestimmt oder überlagert sein (National-, Sprach- und Regional-, Schichten-, Berufsgruppen-

82 und Geschlechtszugehörigkeit). Thomas (1988, S. 153) hat in diesem Zusammenhang den Begriff des Kulturstandards geprägt, in dem der Toleranzspielraum im Akzeptanzprozess unterschiedlicher Handlungsweisen bedeutsam wird. Zu gruppenspezifischen Handlungsschemata haben Mitglieder ‘Normalformerwartungen’, deren Bandbreite ziemlich hoch ist (Cicourel in v. Helmolt 1999, S. 46). Diese Toleranzakzeptanz ist in interkulturellen Begegnungssituationen anscheinend noch höher als in intrakulturellem Kontext. Dies gilt namentlich in der Begegnung mit andersartigen, institutionell vorgegebenen Machtpositionen im interkulturellen Gruppenbegegnungskontext (v. Helmolt 1999, S. 163 f.). Auch die Modalitätskonstituierung auf der Mikroebene der Gesprächsführung (Moderation) im Team mithilfe von Gesprächsbereitschaftssignalen, organisierten Sprecher- und Themenwechseln, thematischer Kohärenz weist, abgesehen von Unterschieden in Interruptionshandhabung (v. Helmolt 1999, S. 165 f.), in nationalkultureller Hinsicht in der Handhabung kommunikativer Spielregeln manchmal Unterschiede auf. Mit diesen Feststellungen kann der von Gumperz und Cook-Gumperz (1982) aufgestellte Merkmalkatalog interkulturellen Missverstehens von neuem hinterfragt werden: a) die nationalkulturell bedingten Unterstellungen hinsichtlich Situation, angemessener Verhaltenweisen und Intentionen; b) Unterschiede in der Informationsstrukturierung und Argumentationsgestaltung; c) die Anwendung unterschiedlicher situationsbedingter Sprach- und Sprechmodalitäten (Kontextangemessenheit). Die Handlungskonstituierung, in der ein expliziter Aufbau der ‘Normalformerwartungen’ stattfindet, und die Ausformungen des Handlungsmusters ‘Dissensaustragung’, sprich Konfliktlösung, könnten sich dabei als wichtige Momente in der Organisation der multikulturellen Gruppenkommunikation erweisen.

7 Fazit und Ausblick In der Erforschung von Teamdynamik ist aus der Perspektive der konfliktärmeren Arbeitsgruppenforschung ein einseitiger Fokus auf persönliche Motivationen und Informationsbedarfsanalyse in Kooperativität entstanden. Kulturbedingte Transferprobleme bestehen nicht nur in der Artikulation von erwartungsgemäßen Ausdrucksweisen, sondern auch in der richtigen Einschätzung von Diskurseinsatz zum Beispiel in der Arbeitsbesprechung (v. Helmolt 1999, S. 162). Interkulturelle Teamarbeitsforschung braucht dementsprechend noch mehr Einblicke in die Gestaltung und Sicherung der gemeinsamen Intention (artikulierte Gruppenzielvorgabe und erwartete Arbeitsteiligkeit) über die im

83 Team zum Einsatz gebrachten (Sprech-)Handlungsformen. Dabei spielen wie in der intrakulturellen Gruppenarbeit aktualisierte Ansichts-, Interessen-, Machtund Rollen- sowie Relationskonflikte eine Rolle, die ihrem Ursprung nach meistens diskursunspezifisch sind. Klärungsbedürftig bei der Arbeitsgruppenanalyse wäre, in welchen diskursspezifischen Handlungen ‘Commitment’, Vertrauen und aktive informationsteilige Haltung stabilisiert oder destabilisiert werden oder wann und wie erfahrene gegensätzliche Standpunkte ausgeglichen werden. Somit wären neben den (Sprech-)Handlungen der Informationssuche, der Nachfrage, der Beratschlagung/Diskussion gerade die Überzeugungsarbeit, das Aushandeln von Rollen und der aktive oder passive (verbale) Konflikt durch fehlende Sprachkompetenz in unterschiedlichen Phasen der (expliziten) arbeitsteiligen Kontaktpflege von Interesse. Eine Erweiterung des Forschungskonzepts von Bales um diese Aspekte wäre der (interkulturellen) Gruppeninteraktionsforschung förderlich. Einzelstudien wie die von Koole/ten Thije (1994), die sich auf den Handlungsablauf von Diskussionen konzentrieren, gehen von der Dominanz des institutionellen Kontextes aus. Bei ihnen ist die geläufige, diskursspezifische ‘Normalformerwartung’ von der institutionellen Gruppe her definiert. Jedoch würden auch Einblicke in die spezifische Art der Rollendefinierung interessieren, genauso wie eine verstärkte Aufmerksamkeit für die Wahl der Teammitglieder hinsichtlich einer bestimmten Stilpräferenz im Umgang mit den Teammitgliedern. Donnellon (1996) listet in dieser Stilfrage eine Reihe von linguistischen Formen auf. Ihre kommunikativen Stilmerkmale signalisieren u. a. Haltungen der Unabhängigkeit versus gruppenorientiertes Verhalten, der hohen oder niedrigen Machtdistanz, des sozialen Abstands oder der Nähe und eines harten oder weichen Konflikthandhabungs- und Verhandlungsstils. Mithilfe einer Zuordnung gewählter, linguistischer Stilformen könnte in Kombination mit einem attributionstheoretischen Forschungsinstrument, der so genannten ‘stimulated recall interviews’ (Mackay/ Marland, 1978), eine doppelter Blickwinkel bei der Beschreibung von interkulturellen Gruppenprozessen erfolgreich zum Einsatz gebracht werden.

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87

Interkulturelle Teamentwicklung Matthias Otten

1 Einleitung Ein großer Teil der internationalen Zusammenarbeit in Wirtschaft, Forschung und Dienstleistung erfolgt heute in projektbezogener Organisationsform und zumeist in zeitlich befristeten Teamkonstellationen. International tätige Fach- und Führungskräfte müssen sich oft auf wechselnde Mitarbeiter und Kollegen einstellen, wobei es durchaus vorkommt, dass man einmal in leitender Funktion und im nächsten Projekt wieder als ‘normales’ Teammitglied tätig wird. Interkulturelle Teamarbeit schließt also zum einen die Notwendigkeit ein, sich häufig auf neue kulturelle Kontexte einstellen zu müssen bzw. Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kulturen mit ihren Erwartungen, Kompetenzen und Bedürfnissen in die eigenen Handlungs- und Organisationsstrukturen einzubeziehen. Zum anderen sind wenig gefestigte und zeitlich befristete Sozialbeziehungen mit rotierenden Funktionsrollen ein wesentliches Charakteristikum moderner interkultureller Projektarbeit, bei der die Teammitglieder unter hohem Erwartungs- und Leistungsdruck stehen.

Interkulturelle Komplexität

Das Bermudadreieck interkultureller Projekt- und Teamarbeit Fragile Sozialbeziehungen

Hoher Leistungsdruck

Abbildung 1: Bermudadreieck der interkulturellen Teamarbeit

88 Dieser Beitrag soll auf der Basis aktueller Befunde zur interkulturellen Organisations- und Kleingruppenforschung einen Überblick über grundlegende Aspekte interkultureller Teamentwicklung geben. Dabei wird vor allem auf Projektteams eingegangen, da sie in der Praxis internationaler Kooperation am häufigsten anzutreffen sind (Zeutschel 2003). Neben einer Darstellung der wichtigsten Herausforderungen des Prozessverlaufs im „Bermudadreieck“ der interkulturellen Teamarbeit – interkulturelle Komplexität, fragile Sozialbeziehungen und hohe Leistungserwartungen – werden auch einige praktische Vorschläge zur Förderung der Teamentwicklung vorgestellt, die sich nach dem derzeitigen Stand der interkulturellen Forschung und in der Praxis internationaler Projekte und Kooperationen bewährt haben.

2 Person – Gruppe – Team: Der Entwicklungskontext interkultureller Teamarbeit Die Praxis internationaler Unternehmenstätigkeiten und in anderen Kooperationsprojekten, zum Beispiel in der internationalen Grundlagenforschung oder in europäischen Bildungsprojekten, zeigt immer wieder, dass viele Kooperationsvorhaben nach gewisser Zeit aufgrund interkultureller und/oder kooperationsdynamischer Schwierigkeiten scheitern. Manchmal wird schon im ersten Treffen der beteiligten Partner deutlich, dass kein gemeinsamer Nenner zu finden ist. Aber auch dort, wo sich der Anfang einer internationalen Kooperation gedeihlich entwickelt, kommt nach gewisser Zeit Sand in das Projektgetriebe oder einzelne Partner verabschieden sich wortlos und zunächst ohne erkennbaren Grund aus der Zusammenarbeit. Gelegentlich mag dies auf unvereinbare Erwartungen und Interessen der Partner oder auf mangelnde fachliche und/oder interkulturelle Kompetenzen einzelner Personen zurückzuführen sein. Häufiger liegt das Problem aber darin begründet, dass die Gruppe die unterschiedlichen persönlichen und kulturellen Ressourcen der beteiligten Personen nicht in einen gemeinsamen Bezugs- und Handlungszusammenhang bringen kann (Launonen/Kess 2002; Zeutschel 2003). Interkulturelle Teams setzen sich aus Einzelpersönlichkeiten zusammen, die unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen in den Gruppenprozess einbringen und angesichts der gemeinsamen Aufgabenstellung unter bestimmten strukturellen Rahmenbedingungen erst zu einem Team zusammenfinden müssen. Dieser Findungsprozess wird zunächst unabhängig davon, ob er naturwüchsig

89 verläuft oder systematisch durch entsprechende Managementstrategien gesteuert wird, als Prozess der interkulturellen Teamentwicklung bezeichnet (Berger 1996). Wie eine Gruppe von Personen als interkulturelles Team erfolgreich zusammenarbeiten kann, hängt dabei zum einen von der Zusammensetzung ab, also den strukturellen und persönlichkeitsbezogenen Aspekten, zu denen auch die individuellen, fachlichen und interkulturellen Kompetenzen zählen. Zum anderen bestimmen die Aufgabenstellung und die spezifischen Projektbedingungen den Verlauf und die Dynamik der Teamentwicklung (Otten et al. 2003). Das folgende Schaubild vermittelt einen Eindruck von dem Entwicklungskontext interkultureller Teamzusammenarbeit:

Abbildung 2: Der Entwicklungskontext interkultureller Teams (Otten et al. 2003, S. 18) Ein Team bildet sich also in einem komplexen Kontext von unterschiedlichen Ressourcen und Voraussetzungen, verschiedenen Erwartungen, Arbeitsanforderungen und Zielvorstellungen. Über den gesamten Teamprozess hinweg und ganz besonders auch am Anfang ist die Balance von Aufgaben- und Beziehungsorientierung von großer Bedeutung. Was dem einen schon bald als unnötige Zeitvergeudung angesichts drängender Aufgaben erscheint, ist für den anderen

90 vielleicht der Versuch, Vertrauen aufzubauen, oder überhaupt erst zu prüfen, ob die anderen Partner für die Zusammenarbeit in Frage kommen. Die Entwicklung und Steuerung interkultureller Teamprozesse gewinnt insbesondere bei solchen Aufgaben an Gewicht, bei denen Kreativität verlangt wird und für die eine möglichst große Breite von Lösungsalternativen generiert werden soll. Man spricht hier auch vom Handlungstypus des „komplexen Problemlösens“ (Dörner 2001; Franke 1998). Solche Aufgabenstellungen sind aufgrund des Fehlens bewährter Referenzmodelle und dem hohen Risiko des Scheiterns grundlegend von etablierten Routineaufgaben und hochstrukturierten Handlungsabläufen zu unterscheiden. Bedeutsam für die Güte und Reichweite der Problemlösungen ist, wie ein Team mit den kulturellen Unterschieden umgeht und weniger die Frage, wodurch die Unterschiede begründet bzw. konstruiert werden. In einer wissenssoziologischen Betrachtung interkultureller Kommunikation ist das zentrale Merkmal nicht die Tatsache der unterschiedlichen ethnischen oder nationalen Gruppenzugehörigkeit der Interaktionspartner, sondern die Entstehung einer asymmetrischen und deutungsproblematischen Symbol- und Fremdheitsbeziehung (vgl. Günthner/Luckmann 1995, 2002), die Hallam und Street (2000) auch als „encountering otherness“ charakterisieren. Nationalkulturelle Differenz ist dabei nur eine mögliche, gleichwohl wichtige von vielen denkbaren Differenzkonstruktionen für die kommunikative Evidenz der Fremdheitsthematik (Bergmann 2001). Der innovative Charakter der Teamarbeit kommt dann zum Tragen, wenn es den Mitgliedern gelingt, die fremden Perspektiven als konstruktiven Beitrag zur Findung neuer, eben innovativer Lösungen zu nutzen und nicht als Bedrohung eigener Positionen zu sehen (vgl. Zeutschel 2003, S. 311). In der Praxis stellt der situative Erfolgs- und Handlungsdruck eine besondere Schwierigkeit dar. Der Zeitdruck vieler Projektvorhaben lässt die wahrgenommenen und tatsächlichen kulturellen Verhaltensunterschiede im Team oft zum Stressfaktor sowohl für die einzelne Person wie auch für das ganze Team anschwellen. Viele Arbeitsabläufe gestalten sich anfangs zunächst schwieriger als der verlockend einfacher erscheinende monokulturelle Alleingang. In solchen Situationen ist von allen Teammitgliedern ein hohes Maß an Vertrauen und Geduld, gegenseitigem Verständnis und zuweilen auch das Ertragen vorübergehender Unsicherheit gefordert. Dazu zählt z. B. die Fähigkeit zur Wahrnehmung und Analyse kultureller Unterschiede, das Erlernen von Methoden zur Sicherung gleichgewichtiger Beteiligungsmöglichkeiten und gegenseitiger sozialer Unterstützung sowie die Fähigkeit, konsensfähige Entscheidungen herbeizuführen und umzusetzen. In vielen Fällen kann es hilfreich sein, ein Team durch externe Unterstützung zu begleiten. Das kann z. B. der Fall sein, wenn aufgrund der verschiedenen Interessenlagen oder ungeklärter Rollen und Projektzuständigkeiten eine neutrale

91 Moderation des Teamprozesses, ein so genanntes „interkulturelles Coaching“ (Kinast 2003; Otten et al. 2003) erforderlich wird, oder wenn Konflikte innerhalb eines Teams nicht mehr thematisiert werden können und eventuell eine Mediation angezeigt ist (Haumersen/Liebe 1999; Kammhuber 2003). Am Ende dieses Beitrags wird auf solche Interventionsformen kurz eingegangen. Zuvor sollen jedoch genauer die verschiedenen Phasen der interkulturellen Teamentwicklung beleuchtet werden.

3 Phasen und Schlüsselprobleme der Teamentwicklung Um einige wichtige Bedingungen und Faktoren genauer zu bestimmen, die für die Entwicklung interkultureller Teams von Bedeutung sind, liefern Smith und Noakes (1996) mit dem „team development model“ eine erste Orientierungshilfe: Formationsphase Mögliche interkulturelle im Team Schlüsselprozesse • Klärung der Sprachsituation Phase 1: • Kulturschock Teamaufbau, • Handlungsunsicherheit Einfinden in die • Neigung zur Stereotypisierung Teamsituation, • ungeklärte Spannung zwischen VertrauensbilAufgaben- und dung Personenorientierung • erste Bewertung von ÄußePhase 2: rungen und Ereignissen Bestimmung von • Spannung zwischen kurzAufgaben und fristiger und langfristiger ArbeitsprozeOrientierung – zwischen duren „anpacken“ und analysieren • Klärung des Entscheidungsmodus im Team • Klärung einer Leitungsfunktion Phase 3: • Eingehen von Koalitionen Zusammenschlüs • Etablieren von Spielregeln se zwischen und sozialen Ordnungen einzelnen • Klärung von Führungsrolle(n) Individuen • Ausweitung des Vertrauens Phase 4: • gegenseitige Ergänzung Absicherung der kultureller Stile und Mitwirkung aller Ressourcen im Sinne im Team kultureller Synergie • ausgewogenes Wechselspiel der Stärken und Schwächen

(Positives) Ergebnis der jeweiligen Prozesse • gegenseitige „Abtasten“, erstes Kennenlernen der anderen • eigenes Befinden in der Gruppensituation herausfinden • Vertrauensaufbau • Annäherung an die Aufgabe sowie die Art und Weise, wie diese (zunächst aus eigener Sicht) zu bearbeiten ist

• Untergruppenbildung z. B. nach Nationalität, Fachkompetenz oder anderen Gemeinsamkeiten • Anpassung und Feinabstimmung als Gesamtteam • gemeinsame Aufgabenbewältigung

Bezugsebene die eigene Person

die eigene Person

Dyaden (Paare)

das Gesamtteam

Abbildung 3: Phasen interkultureller Teamentwicklung nach Smith und Noakes (1996)

92 In vier verschiedenen Phasen der Teambildung (formation) stehen jeweils bestimmte Ebenen (levels) der Teamentwicklung im Zentrum, denen sich interkulturelle Schlüsselprozesse (key processes) zuordnen lassen. Aus den Schlüsselprozessen gehen wiederum positive oder auch negative Resultate (outcomes) hervor. Diese können das Erreichen der jeweils höheren Phase positiv beeinflussen aber auch verhindern (vgl. Otten et al. 2003, S. 20). Es ist leicht nachvollziehbar, dass zu Beginn einige Mühe, Zeit und Anstrengung notwendig ist, um das Vertrauen aufzubauen und die Arbeitsweisen zu klären. Es ist aus der Forschung bekannt, dass interkulturelle Teams aufgrund der aufwändigeren Anfangskoordination im Vergleich zu monokulturellen Teams anfangs oft weniger effizient sind. Mit zunehmender Stabilität können interkulturelle Teams aber ihre Vielseitigkeitsvorteile zunehmend in Effizienz umsetzen, was vor allem bei solchen Aufgaben sichtbar wird, die Kreativität verlangen (Moenaert et al. 2000; Sosik/Jung 2002; Thomas 1999). Eine längere und sorgfältig vorbereitete Phase der Vertrauensbildung, in der noch nicht der unmittelbare Erfolgsdruck des Projekts im Raum steht, erlaubt es einem Team soziale Beziehungen und die Aufgabenbearbeitung so zu gestalten, dass rigidere Regelungen wie Hierarchie, Verträge und Sanktionen entbehrlich werden, wenngleich sie vermutlich nie ganz entfallen. In theoretischer Hinsicht können rationale und soziale Vertrauenskonzepte unterschieden werden (Jarvenpaa/Shaw 1998; Lane/Bachmann 1998). Rationale Konzepte basieren auf einer Nutzen-Erwartungs-Kalkulation, in der die zu erwartenden Ergebnisse des Vertrauens, das man in andere setzt, den vermuteten oder absehbaren Risiken gegenübergestellt werden. Für derartig kalkulierte Vertrauenseinschätzungen muss genügend Information über die Motive, Fähigkeiten, Erwartungen der beteiligten Personen und Organisationen sowie über die Rahmenbedingungen der einzugehenden sozialen Beziehungen vorliegen. In internationalen Projekten, die in der Regel neuartig, einmalig und mit hoher Unsicherheit verbunden sind, in denen sich die Partner anfangs noch kaum kennen, sind solche Informationen naturgemäß rar. Sie können daher folglich nicht als Ausgangspunkt der Kooperation dienen, sondern bestenfalls frühzeitig im Prozess ihres Entstehens thematisiert und transparent gemacht werden. Soziale Vertrauenskonzepte basieren demgegenüber auf sozial geteilten Werten und Normvorstellungen, die eine ähnliche Vorstellung von Gerechtigkeit, Solidarität und Offenheit sowie entsprechende Verhaltenserwartungen aller Teammitglieder unterstellen. Nun sind aber kulturell unterschiedliche Situationsdeutungen, Wertvorstellungen und Normen gerade das charakteristische Kennzeichen interkultureller Interaktionen. Insofern ist eine frühe Thematisierung der jeweiligen Vorstellungen von ‘guter’, ‘fairer’, ‘gerechter’ und ‘effektiver’ Zusammenarbeit

93 wichtig, um zumindest im Ansatz in Erfahrung zu bringen, was die Teammitglieder mit diesen Attributen tatsächlich verbinden. Im weiteren Verlauf sind häufig die Phasenübergänge besonders kritische Meilensteine. Hier muss ein Team aus einer vorläufigen, oft noch labilen Balance belastbarere Gleichgewichtszustände finden. So ist in dem Phasenmodell z. B. in der dritten Phase, nachdem die gemeinsame Aufgabe im Team mehr oder minder klar umrissen wurde, zu erwarten, dass sich Untergruppen und Koalitionen innerhalb des Teams bilden, z. B. nach Nationalität, Sprachkenntnissen, gemeinsamen Interessen oder einfach aufgrund persönlicher Sympathien. Zeutschel (1999) beschreibt diese Phase als „Koaktion“, in der sich das Team aufteilt und arbeitsteilig verfährt. Dieses Stadium, das in der Praxis oft als drohende Spaltung des Teams interpretiert wird, kann durchaus wichtig sein, um später weiteres Vertrauen aufbauen und Aufgaben besser untereinander verteilen zu können. Für einen konstruktiven Prozessverlauf in dieser Phase ist es wichtig, dass der Informationsfluss aufrechterhalten wird. Die Kunst des Team- und Projektmanagements wird also darin liegen, separierte Kommunikationsstrukturen und Arbeitsteiligkeit sowie deren Ergebnisse wieder rechtzeitig zusammenzuführen.

4 Förderung erfolgreicher interkultureller Teamarbeit Die folgenden Anregungen zur Förderung und Unterstützung erfolgreicher Teamarbeit beruhen wesentlich auf Ergebnissen einer Untersuchung zur Zusammenarbeit von pädagogischen Leitungsteams (Otten et al. 2003), die sich in weiten Teilen mit Erkenntnissen aus anderen Studien (Hofner Saphiere 1996; Kopper 2002; Podsiadlowski 2002; Watson et al. 1998; Zeutschel 1999, 2003) decken und grundsätzlich auf alle Formen der interkulturellen, projektorientierten Teamarbeit übertragbar sind.

4.1 Förderung einer gemeinsamen Teamkultur/ Teamorganisation Damit das Team miteinander zu einem Stil und einer gemeinsamen „Teamkultur“ finden kann, sind Klärungsprozesse auf mehreren Ebenen notwendig (Berger 1996): auf der Ebene der individuellen Wünsche und Erwartungen an das Team, auf der Ebene der Stärken und Schwächen einzelner Mitglieder sowie auf der Ebene verschiedener kultureller und persönlicher Arbeitsweisen. Darauf basierende Entscheidungen über die Zusammenarbeit sollten verbindlich und klar erkennbar vom Team gemeinsam getroffen werden. Insbesondere die Aufgaben-

94 verteilung im Team sollte mit einer realistischen Einschätzung der jeweiligen Kompetenzen der Teammitglieder vorgenommen werden (vgl. Otten et al. 2003, S. 93). In bikulturellen Gruppenkonstellationen, in denen nur zwei Kulturen beteiligt sind, entsteht häufig eine Tendenz zur Polarisierung, was oft zu konflikthaften „Win-loose-Beziehungen“ führen kann. Der Begriff Win-loose-Beziehungen wird vor allem im Bereich der interkulturellen Konfliktmediation verwendet und beschreibt eine konkurrierende Grundhaltung zweier Konfliktparteien, bei der letztlich nur eine Seite gewinnen und die andere verlieren kann. Innerhalb multikultureller Arbeitsgruppen mit Beteiligung von drei und mehr Kulturen sind hingegen eher logistische, prozess- und koordinationsbezogene Probleme zu erwarten, z. B. die Klärung einer oder mehrerer Arbeitssprache(n). Die Teamsituation wird auch maßgeblich durch die Erwartungen und Aufträge der Organisationen bestimmt, sodass hierüber genügend Informationen ausgetauscht werden sollten. Je nach Stellung einer Person innerhalb seiner Organisation hat sie hohe oder nur eingeschränkte Befugnisse, die sie ins Team einbringen kann. In Teams, in denen die Mitgliedschaft freiwillig ist, wird die Motivation der einzelnen Mitglieder in der Regel höher zu erwarten sein, als in solchen, wo sie angeordnet ist.

4.2 Sicherung der Kommunikation im Team In internationalen Organisationen wird für die Zusammenarbeit in der Regel eine Beschränkung auf eine, eventuell zwei offizielle Arbeitssprachen getroffen; meistens ist dies Englisch (Hartwig 1993; Schnitzer 1995). Es wäre aber fatal anzunehmen, dass dies in der Praxis immer funktioniert, selbst wenn zuvor von allen Beteiligten entsprechende Sprachkenntnisse ‘offiziell’ bestätigt wurden. Im Team ist eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Kommunikationsbeteiligung aller Mitglieder wichtig. Dazu gehört, dass alle inhaltlich und hinsichtlich der Gestaltung der Kommunikationssituation partizipieren können. Man sollte sich in jedem Fall darauf einstellen, dass in internationalen Teams sehr unterschiedliche Kompetenzen einer Arbeitssprache vorliegen werden oder letztlich doch Übersetzungen und Sprachwechsel notwendig werden, um zu vermeiden, dass einzelne Mitglieder aus dem Prozess herausfallen. Für die Zeit- und Energieplanung hat das erhebliche Konsequenzen: Zweisprachigkeit erfordert – entgehen aller Rechenlogik – in der Regel deutlich mehr als das Doppelte an Zeit, da diese Form für alle Beteiligten konzentrationszehrend ist. Wenn ein Teammitglied als Sprachmittler fungiert, wird diese Person kaum noch in der Lage sein, gleichzeitig ihre eigenen Ideen, Interessen und Anliegen einzubringen. Die Übersetzung für einen anderen Kollegen absorbiert den Großteil der Aufmerksamkeit. Wichtig ist schließlich die regelmäßige Rückversicherung des sprachlichen und

95 inhaltlichen Verständnisses, insbesondere bei Entscheidungsprozessen und in hektischen oder konfliktgeladenen Situationen (vgl. Otten et al. 2003, S. 93). In Teammeetings sollten die Teammitglieder mit ihren Äußerungen erkennbar aufeinander Bezug nehmen und sich gegenseitig unterstützen. Dadurch wird zum einen deutlich, wer wem zustimmt oder widerspricht, und zum anderen wird das Gespräch auf die gemeinsame Sache gelenkt. Die Nutzung nonverbaler Methoden oder Visualisierungen hilft zudem, das Gesprochene für alle verständlich zu machen und zu dokumentieren, um bei Bedarf darauf später wieder zurückzukommen. Um unterschiedliche Arbeitsweisen und Vorstellungen zum Zuge kommen zu lassen, kann es sinnvoll sein, die Leitung/Moderation bei Teamsitzungen rotieren zu lassen. Falls Absprachen außerhalb gemeinsamer Teamsitzungen stattfinden und nur ein Teil der Teammitglieder daran beteiligt ist (siehe dritte Phase im Teamentwicklungsprozess oben), sollte darauf geachtet werden, dass solche Entscheidungen in das Gesamtteam zurückgetragen werden, um zu vermeiden, dass Teilkommunikation und dadurch wiederum Misstrauen entsteht.

4.3 Entscheidungsfindung, Konsens und Leitung Die Entscheidungsfindung in internationalen Teams hängt vom jeweiligen Informationsbedarf sowie dem durch die Aufgabenstellung und die Funktions- und Statusrolle vorgegebenen Entscheidungsspielraum ab. Die Kernfragen lauten hier: Worüber soll entschieden werden? Wer soll wann entscheiden? Wer verantwortet ‘richtige’ und ‘falsche’ Entscheidungen? Innerhalb von Organisationen und Projektstrukturen sind unterschiedliche Wege zu einer Entscheidungsfindung denkbar, angefangen von der Direktive einer Autorität (Leitung) über die Abstimmung (Mehrheitsprinzip) bis hin zum basisdemokratischen Konsens (Luhmann 2000). Im Allgemeinen kann von einem kulturübergreifendend hohen Stellenwert von Konsensentscheidungen ausgegangen werden, was auch in Untersuchungen über Entscheidungsprozesse in virtuellen Teams bestätigt wird (Cornelius 2001; Daily et al. 1996). Das Mehrheitsprinzip ist zwar kulturübergreifend bekannt, aber nicht überall gleichermaßen akzeptiert. Es führt außerdem schnell dazu, dass die unterlegene Minderheit sich aus dem Teamprozess verabschiedet; es kommt gewissermaßen zur ‘inneren Kündigung’ auf Teamebene. Kulturell bedingte Präferenzen für bestimmte Entscheidungsverfahren und das Konsensprinzip innerhalb eines Teams müssen in Verbindung mit den Leitungsoder Führungsstrukturen und den entsprechenden Partizipationsmöglichkeiten der Gruppenmitglieder betrachtet werden. Leitungs- und Führungsfunktionen in multikulturell besetzten Teams erschließen sich am besten, wenn klar ist, worauf die Besetzung von Führungspositionen mit bestimmten Personen und vor allem deren Akzeptanz seitens der anderen Teammitglieder beruht. Die von Fons Trompenaars

96 (1994) herausgearbeitete Unterscheidung zwischen zugewiesener und erworbener Führungsrolle ist hilfreich, um die Bedeutung von Macht, Führungsakzeptanz und Partizipationsinteresse zu verstehen. Während in manchen Kulturen eine statusbegründete Führungsrolle (z. B. nach dem Senioritätsprinzip) hohe Akzeptanz und auch Handlungsklarheit erzeugt, präferieren andere Kulturen möglicherweise eher eine leistungsbegründete Führungsrolle, bei der zum Beispiel der fachkompetenteste oder erfahrenste Mitarbeiter die Teamleitung wahrnimmt. Auch in interkulturellen Teams ist ferner die Differenzierung von aufgaben- und mitarbeiterbezogener Führung bedeutsam (Stumpf 2003). Folgende Fragen sollten innerhalb eines Teams im Hinblick auf die Entscheidungs- und Leitungsstrukturen früh gemeinsam geklärt werden (vgl. Otten et al. 2003, S. 93): • Wo ist Konsens unerlässlich, wo sind andere Entscheidungsmodi wie Mehrheitsentscheid oder Weisung durch eine Autorität angemessen? • Gibt es Leitungsentscheidungen, wenn ja, worauf beruhen sie (z. B. offizieller Vorsitz der Gruppe, ranghöhere Position)? • Sind alle Beteiligten durch ihre Organisation für Entscheidungen im Team legitimiert, welche Befugnisse haben die Teammitglieder? • Müssen Entscheidungen schriftlich fixiert werden (Vertrag)? • Wer bestimmt über Maßnahmen und Sanktionen, wenn Entscheidungen Einzelner nicht eingehalten werden?

4.4 Meinungsverschiedenheiten und Konflikte Auch wenn der Stil im Umgang mit Konflikten in unterschiedlichen Kulturen sehr verschieden ist, sollten latente oder akute Konflikte nach Möglichkeit in einem Team angesprochen werden (dürfen) (vgl.Otten et al. 2003, S. 94). Dafür muss im Team zuvor ein Klima erzeugt worden sein, in dem Meinungsverschiedenheiten nicht als zu bedrohlich erscheinen. Für die Bearbeitung von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten im interkulturellen Kontext gibt es wie für viele andere Handlungsfelder keine allgemein gültigen Regeln. Die folgende Übersicht von Milton Bennett (1995) über verschiedene Konfliktstile kann aber helfen, um unterschiedliche Formen des Umgangs mit Konfliktsituationen hinsichtlich ihrer möglichen Vor- und Nachteile im interkulturellen Kontexten abzuwägen:1

1 Ausführlicher beschäftigt sich der Beitrag von Dominic Busch in diesem Band mit dem Thema interkulturelle Mediation.

97 Bearbeitungs- Beschreibung form Unterdrückung Denial/ Supression

Macht Power/ Authority

Nachteil

Die Existenz von Problemen wird ignoriert, Divergenzen werden heruntergespielt, um oberflächliche Harmonie zu wahren.

Kann bei relativ unbedeutenden Problemen die Situation abkühlen, „bis Gras darüber gewachsen“ ist.

Kann bei bedeutenden Problemen zum Auswuchern des Konfliktes führen, der dann später noch schwieriger zu lösen sein wird.

„Gesicht wahren“ und Vermeidung direkter Konfrontation vs. offene Konfliktkultur.

Der Konflikt wird durch eine „anerkannte“ Macht/ Autorität beigelegt (z. B. Mehrheitsentscheid oder die Entscheidung durch eine Autoritätsperson).

Kann bei dringendem Entscheidungsbedarf effizient sein, da schnelle Lösungen herbeigeführt werden.

Eine dritte (neutrale

Kann die Harmonie sichern und direkte Konfrontation und damit eventuellen Gesichtsverlust einer Partei verhindern. Der Konflikt kann thematisiert und bearbeitet werden. Kann zu integrativeren Lösungen führen als eine Einzelentscheidung der am Konflikt beteiligten Personen allein. Gruppenkonsens ermöglicht Lösungen, die die direkt Betroffenen nicht sehen (können) und sichert oft hohe kollektive Akzeptanz.

Kann sehr zeitintensiv sein. Die Gruppendiskussion (mit Personen, die nicht direkt vom Konflikt betroffen sind) kann ausufern und vom eigentlichen Kern des Konflikts zu „Nebenschauplätzen“ führen.

Relevanz und kulturelle Akzeptanz der Meinung „Außenstehender“ zu einem Konflikt. Privater vs. „öffentlicher“ Konflikt.

Vermittlung bzw. allparteiliche) Third-Person Instanz oder Person Intermediary wird als Schlichter/

Mediator hinzugezogen und vermittelt zwischen den Konfliktparteien.

Gruppenlösung Group Consensus

Interkulturelle Aspekte

Vorteil

Eine Konfliktlösung wird in einer Gruppe erarbeitet und von allen Mitgliedern der Gruppe getragen.

Direktheit/ Indirektheit; Explizite und implizite Kommunikation. Kann dazu führen, Grundlage von Macht/ dass sich die unAutorität und deren terlegene Partei in Akzeptanz ist ihrer Position über- kulturabhängig. vorteilt und entwertet fühlt und versucht, sich in einer zukünftigen Situation zu revanchieren. Kann zu zusätzKulturelle Akzeptanz licher Verkomund Tradition von plizierung des Vermittlern in KonKonflikts durch fliktsituationen. Fehlinterpretation Unterschiedliche Beund Einwirkung wertung von direkter der dritten (neutra- und indirekter Komlen) Partei führen. munikation.

98 Bearbeitungs- Beschreibung form Aussprache Direct Discussion

Die Beteiligten diskutieren offen miteinander über den Konflikt und stellen ihre Position, ihre Gefühle und ihre Lösungsvorschläge offen dar.

Vorteil

Nachteil

Kann den Konfliktparteien die Chance zur Artikulation ihrer Position und Wahrnehmung verhelfen. Die Bereitschaft zur Bearbeitung des Konflikts steigt unter Umständen, da alle Positionen grundsätzlich zugelassen werden.

Kann scheitern, da die beteiligten Seiten eventuell nicht über die sozialen Kompetenzen verfügen, den Konflikt mit der notwendigen „Gelassenheit“ zu thematisieren, insbesondere wenn Zeit und Bereitschaft fehlen.

Interkulturelle Aspekte Direktheit als Ausdruck von Unhöflichkeit, Egoismus und mangelnder Selbstbeherrschung. Ehrlichkeit vs. Höflichkeit. Unterschiedliche Bewertung von direkter und indirekter Kommunikation.

Abbildung 4: Konfliktstile im interkulturellen Kontext (nach Bennett 1995, eigene Übersetzung und Ergänzungen)

4.5 Interkulturelles Teamcoaching Wie eingangs erwähnt, sind interkulturelle Teams oftmals nicht in der Lage, Blockaden im Teamprozess selbst aufzulösen und benötigen Unterstützung von außen. Natürlich kann dies auch sinnvoll und hilfreich sein, bevor es überhaupt zu Problemen oder Blockaden gekommen ist. Gleichwohl unterscheidet sich der Interventionscharakter des Coachings von einer längerfristigen Teamentwicklung dadurch, dass er im Normalfall kurzfristig und auf die Bewusstmachung bzw. Veränderung konkreter Verhaltensweisen angelegt ist. Ähnlich wie bei dem individuellen interkulturellen Coaching (Barmeyer 2002; Kinast 2003) wird diese Möglichkeit der Unterstützung seit einiger Zeit auch für Teams diskutiert. Ein externer Coach hat die Aufgabe, das Team in seiner Arbeit zu unterstützen, ohne selbst Teammitglied zu sein oder die gleiche Verantwortung für die Inhalte und den Verlauf der Arbeit tragen zu müssen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der Personen und organisatorischen Einheiten optimal zu entfalten als auch die Qualität der Arbeit sowie die Qualität des Zusammenlebens im Team so zu organisieren, dass sich für das einzelne Teammitglied motivierende Rahmenbedingungen für die Arbeit und persönliche Entfaltungsspielräume ergeben (Otten et al. 2003). Im Sinne des Coaching-Konzepts geht es bei der Betreuung interkultureller Teams darum, die Prozesse des Teams zu unterstützen und die sich ergebenden Probleme in und mit dem Team zeitnah zu reflektieren und zu bearbeiten. Insbesondere gilt es dabei, den Faktor Kultur bzw. die tatsächlichen oder behaup-

99 teten kulturellen Unterschiede als eine Heterogenitätsdimension produktiv einzubeziehen. „Interkulturelles Coaching (…) sorgt dafür, dass Personen [und Teams, M.O.] eigene Problemlösungen schneller entdecken und entwickeln und im Lauf der Zeit lernen, auch ohne Unterstützung eines interkulturellen Coachs in fremdkulturellen Situationen Informationen zu explorieren und eigene Problemlösungen zu entwerfen und umzusetzen“ (Kinast 2003, S. 219). Ein erfolgreiches Teamcoaching (vgl. Otten et al. 2003, S. 103-108) setzt voraus, dass • alle Teammitglieder einem Coaching zustimmen und die genaue Aufgabe des Coaches (z. B. die Sitzungsmoderation) vor der Sitzung mit dem Team besprochen und geklärt wird, • die Notwendigkeit eines Coachings im Prozess überprüft wird, • die Rolle des interkulturellen Coaches klar und konstant bleibt und kein Rollenwechsel erfolgt, • ein Coach allparteilich wirkt und alle Teammitglieder fördern und unterstützen kann und • ein Coach selbst hinreichende Erfahrung in der interkulturellen Zusammenarbeit hat und in solchen Zusammenhängen effektiv die Kommunikation im Team – insbesondere in schwierigen konfliktträchtigen Situationen – aktiv fördern kann.

5 Schlussbetrachtung Die interkulturelle Forschung hat sich in den letzten Jahren eingehend mit Fragen der projektorientierten Teamarbeit beschäftigt, sodass mittlerweile ein reicher Fundus an theoretischen Modellen und praktischen Empfehlungen vorliegt. Dieser Beitrag konnte nur einen kleinen Teil davon vorstellen. Dennoch sollte deutlich geworden sein, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit in internationalen Projekten wenig mit Zufall zu tun hat und an vielen Punkten durch gezielte Interventionen und Maßnahmen zur Förderung der Teamentwicklung verbessert werden kann. Als Fazit lässt sich festhalten, dass ohne eine systematische Teamentwicklung die vielfältigen Lernpotenziale interkultureller Gruppenprozesse nur selten voll erschlossen werden. Zwar können Methoden wie die interkulturelle Mediation oder das interkulturelle Coaching allein noch nicht die Qualität eines Projekts garantieren, sie sind aber geeignet, um Zufälligkeit über Erfolg oder Misserfolg durch eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu ersetzen. Im selektiven Durchgang durch ausgewählte interkulturelle Schlüsselprozesse, die für die interkulturelle Teamarbeit relevant sind, zeigen sich zahlreiche offene Fra-

100 gen. Sie betreffen beispielsweise die Chancen und Grenzen von Mehrsprachigkeit oder die zusätzlichen Herausforderungen, die sich ergeben, wenn interkulturelle Teams zunehmend virtuell arbeiten (Otten 2004). Auf diesbezügliche theoretische und praktische Fragen konnte hier nicht näher eingegangen werden und zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es auch kaum gesicherte Befunde zu diesem Problemfeld. Dennoch wird man davon ausgehen können, dass die Virtualisierung von Teamprozessen in den kommenden Jahren auch die interkulturelle Kommunikations-, Organisations- und Gruppenforschung intensiv beschäftigen wird und hierzu neue Befunde zu erwarten sind.

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103

Interkulturelle Mediation: Grenzen und Chancen Dominic Busch

Interkulturelle Mediation als Instrument kooperativer Interaktion in der Wirtschaftspraxis Mediation1 als diskursives, außergerichtliches Streitbehandlungsverfahren wurde zunächst in den USA, in den vergangenen 15 Jahren jedoch auch in zunehmendem Maße in Deutschland und Europa als nachhaltige, kostengünstige Methode der Konfliktbearbeitung sowie der Entscheidungsfindung entdeckt und eingeführt. Innerhalb einer inzwischen beachtlichen Forschungslandschaft zum Themenbereich hat sich darüber hinaus ein Schwerpunkt etabliert, der sich mit der Idee der Möglichkeit interkultureller Mediation auseinander setzt. Überlegungen dieser Art gehen von der Annahme aus, dass sich das Verfahren und seine Grundprinzipien in besonderem Maße auch zur Herbeiführung von Einigung und Konsens in interkulturell bedingten Kontexten eigneten. Auf dieser Grundlage plädieren auch Autoren im Bereich unternehmerischer Personalentwicklung für eine verstärkte Nutzbarmachung eines in dem Konzept interkultureller Mediation vermuteten Potenzials (vgl. Bolten 2001). Der vorliegende Beitrag leistet in diesem Sinne eine Einführung in Grundprinzipien interkultureller Mediation, indem er die Genese des Begriffs hinterfragt: Trotz zahlreicher Plädoyers zu einer verstärkten Anwendung des Verfahrens in der Literatur (vgl. Calließ 1999) finden sich nur vergleichsweise wenige präzise Ausarbeitungen und Definitionen von Konzepten. Um eine derartige erforderliche Operationalisierung und Präzisierung des Begriffs leisten zu können, greift der vorliegende Beitrag auf eine diskursanalytische Herangehensweise zurück und beleuchtet die chronologische Entwicklung der Fragestellungen und die impliziten Motivationen von Forschungsarbeiten in den Bereichen interkultureller Mediation und interkulturellen Fremdverstehens gegenüber Motivationen und Bestrebungen in den Bereichen einer Mediationsforschung und -praxis. Auf der Grundlage einer auf diese Weise geleisteten Begriffs- und Konzeptbestimmung 1 „Mediation ist die Einschaltung eines (meist) neutralen und unparteiischen Dritten im Konflikt, der die Parteien bei ihren Verhandlungs- und Lösungsversuchen unterstützt, jedoch über keine eigene (Konflikt-)Entscheidungskompetenz verfügt“ (Hervorhebungen im Original; Breidenbach 1995, S. 4).

104 können in einem weiteren Schritt die Grenzen einer in diesem Rahmen als deduktiv bezeichneten Konzeption interkultureller Mediation näher bestimmt und benannt werden. Im Anschluss folgt eine komplementäre und vom Autor selbst vorgeschlagene Herleitung so genannter induktiver Konzipierungen interkultureller Mediation, mit der sich das Potenzial einer Idee triadischer Verständigungsförderung in interkulturellen Kontaktsituationen zumindest erweitern ließe. Deduktive und induktive Konzepte interkultureller Mediation zusammenfassend wird im letzten Abschnitt dieses Beitrags ein übergreifendes und beschreibendes Modell interkultureller Mediation vorgestellt, das systematisch auf weiterführende Forschungsfragen hinweisen kann. Auf diese Weise wird eine intensivierte Erforschung von Möglichkeiten interkultureller Mediation denkbar, deren konzeptuelle Beschaffenheit sich zugleich bestmöglich an den besonderen Bedürfnissen interkultureller Geschäftskontakte ausrichten kann.

Die Genese eines Konzepts – oder: Was ist interkulturelle Mediation? Während spätestens Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein beinahe sprunghafter Anstieg von Publikationen zum Thema interkultureller Mediation verzeichnet werden kann,2 bleibt eine Suche nach einer schrittweisen Genese des Konzepts in den Wissenschaften, auf deren Grundlage eventuell auch eine Präzisierung des heutigen Konzepts denkbar wäre, beinahe ergebnislos. So können die insbesondere in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts erschienenen Publikationen nicht als Ergebnis oder als konsequentes Resultat einer längeren, etwaigen Forschungstradition zum Themenkomplex interkultureller Mediation angenommen werden. Um der Fragestellung nach Grenzen und möglichen Chancen eines Begriffs interkultureller Mediation dennoch nachgehen zu können, wird daher ein Rückgriff auf alternative Herangehensweisen erforderlich. Wenn der Begriff interkulturelle Mediation nicht aus einer entsprechenden wissenschaftlichen Tradition heraus generiert und dennoch in den Jahren um die Jahrtausendwende zunehmend nachgefragt wird, dann bleibt zu vermuten, dass das – nun auch wissenschaftliche – Interesse an diesem Begriff in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen generiert und an die Wissenschaften herangetragen wurde. Aus Sicht theoretischer und methodischer Ansätze der sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse kann davon ausgegangen werden, dass sich gesellschaftliche Interessen, Zielvorstellungen, Normen und Werte in Form gesellschaftlicher Diskurse niederschlagen, die sich mit empirischen diskursanalytischen Herange2 Für den deutschsprachigen Raum vgl. exemplarisch Haumersen/Liebe 1998, Calließ 1999, Müller-Jacquier/ten Thije 2000, Bolten 2001 und Schramkowski 2001 sowie für die im US-amerikanischen Raum etwas früher einsetzenden Publikationen Augsburger 1992 und Myers/Filner 1994.

105 hensweisen3 aufdecken und manifest machen lassen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen lässt sich die Idee einer interkulturellen Mediation als Ausdruck gesellschaftsspezifischer Interessen, Normen und Zielstellungen verstehen, die mithilfe diskursanalytischer Verfahren benannt werden können sollten. Auf der Grundlage eines Wissens über diese zugrunde liegenden Normvorstellungen lassen sich Eigenschaften und Spezifika eines Begriffs interkultureller Mediation herleiten und rekonstruieren, die ansonsten aufgrund der vagen Forschungslage nicht zugänglich sind. Um sich auf ein vergleichsweise leicht zugängliches und eingrenzbares empirisches Feld zu beschränken, wird in dem vorliegenden Beitrag wiederum auf themenverwandte Wissenschaftsdiskurse zurückgegriffen. Hypothetisch soll dabei an dieser Stelle davon ausgegangen werden, dass Wissenschaftsdiskurse als Bestandteile gesellschaftlicher Diskurse angenommen werden können, denen eventuell sogar eine thematische Verdichtung zugeschrieben werden kann, sodass sie ein entsprechend aussagekräftigeres Ergebnis im Falle einer diskursanalytischen Betrachtung erhoffen lassen. In Anbetracht der Literaturlage kann der Begriff interkultureller Mediation in einem Überschneidungsbereich zweier unterschiedlicher Diskursbereiche sowohl in den Wissenschaften als auch in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen verortet werden. So scheint er Problemstellungen aus dem Bereich interkultureller Kommunikation, wie sie beispielsweise von den Sprach- und Kommunikationswissenschaften untersucht werden (vgl. Ehlich 1996; Knapp 1998), mit einem Lösungs- und Bearbeitungsinstrument der Mediation zusammenzuführen, das bislang primär im Bereich einer Konfliktforschung und einer Streitbehandlungslehre untersucht worden ist (vgl. Breidenbach 1995). Im folgenden Abschnitt sollen daher diese beiden genannten Bereiche anhand exemplarisch ausgewählter Arbeiten aus einer diskursanalytischen Perspektive auf ihnen zugrunde liegende Zielstellungen, Ideale und Normen untersucht werden, die durch die Beschäftigung mit den jeweiligen Themenstellungen verfolgt werden sollen.

Die Entwicklung des Verständigungsbegriffs in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation Innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften stellt der Themenkomplex interkultureller Kommunikation um die Jahrtausendwende ein wesentliches Forschungsfeld dar. Möglichkeiten und Grenzen interkultureller Verständigung werden diskutiert und präzisiert, wobei eine permanent fortschreitende Hinwendung zu einer Empirisierung und damit einer Tendenz zur Bearbeitung von Fragestellungen auf Mikroebenen verzeichnet werden kann. Da eine explizite wissen3 In der vorliegenden Studie wird von einer weitreichenderen Kodierung des zu analysierenden Materials in Anlehnung an eine spezifische diskursanalytische Tradition abgesehen. Während für weiterführende Arbeiten eine entsprechende methodische Präzisierung aussteht, soll der Einfluss gesellschaftlicher Diskurse und Ideologien auf wissenschaftliche Arbeiten und Entwicklungen exemplarisch veranschaulicht und verdeutlicht werden.

106 schaftliche „Auseinandersetzung“ mit Interkulturalität erst auf der Grundlage und als Folge des Cultural Turn in den Geisteswissenschaften in der Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzt (vgl. Lackner/Werner 1999), werden in die vorliegende diskursanalytische diachrone Betrachtung auch theoretische Vorläufer aus Bereichen der deutschsprachigen Philosophie hinzugezogen, die sich mit Problemstellungen interpersonalen Fremdverstehens auseinander setzen. Gesellschaftsform und Beschäftigung mit Interkulturalität Erste Grundbedingungen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung scheinen bereits in gesellschaftsspezifischen Grundstrukturen angelegt zu sein und können somit nicht als universal angenommen werden. So übertragen europäische Gesellschaftssysteme die Verantwortung für die Gestaltung von und den Umgang mit Interkulturalität einzelnen Individuen und Gruppen. Alternativ wären auch Regelungen des Umgangs mit Interkulturalität denkbar, die von Staatsorganen oder religiösen Kodizes vorgegeben werden. Erst indem Individuen und sozialen Gruppen überhaupt Gestaltungsfreiräume im Umgang mit Interkulturalität zukommen, erscheint eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik relevant. Europäische Gesellschaftstheorien verwenden dieses Kriterium gelegentlich unter anderen, um den Begriff einer Zivilgesellschaft zu definieren.4 Erst vor dem Hintergrund dieser Übertragung einer Verantwortung auf Individuen und Gruppen wird das langfristige Forschungsinteresse westlicher und europäischer Gesellschaften an Problemstellungen interkultureller Verständigung plausibel. Die Entwicklung von Konzepten des Fremdverstehens in Phänomenologie und Hermeneutik Innerhalb der deutschsprachigen Philosophien dürfen insbesondere die Denktraditionen der Phänomenologie und der Hermeneutik exemplarisch herangezogen werden, um eine diachrone Entwicklung von Begriffen des Fremdverstehens nachzeichnen zu können. In beiden genannten Bereichen kann innerhalb des 19. Jahrhunderts ein Höhepunkt der Operationalisierung sowie der Negierung von Konzepten interpersonalen Fremdverstehens festgestellt werden (vgl. Husserl 1921[1901], 1950 [1907], 1962 [1952]. Alfred Schütz (vgl. Schütz 1974 [1932]) formuliert in der Phänomenologie später Fremdverstehen als gegenseitiges Sinnverstehen, in dessen Begriffsrahmen das Verstehen absoluten, subjektiven Sinns grundsätzlich nicht geleistet werden könne. Mit ähnlichen Begriffen verunmöglicht auch die Denktradition der Hermeneutik (vgl. Dilthey 1990 [1914], 4 So wurde vielfach von einem Zusammenhang zwischen gefestigten zivilgesellschaftlichen Strukturen und einer kompetenten sozialen Integration ethnischer Minderheiten ausgegangen. Um diesen Quasi-Mechanismus zu nutzen, förderten westeuropäische Staaten beispielsweise in den neunziger Jahren verstärkt den Aufbau von NGOs in den Ländern Südosteuropas. NGOs galten dabei als greifbarste und zentrale Komponente zivilgesellschaftlicher Konzepte. Zwischenzeitlich mehren sich jedoch auch begründete Kritiken an der Kausalität dieser Korrelation von Zivilgesellschaft und sozialer Stabilität.

107 Grondin 1991) Konzepte vollständigen Fremdverstehens, da die Position des anderen niemals vollständig eingenommen werden könne. Gleichzeitig kann jedoch mit der zunehmenden Negierung der Möglichkeit einer theoretischen Beschreibung interpersonalen Fremdverstehens eine zunehmende wissenschaftliche Suche zumindest nach Formen gradueller Annäherungen an vollkommenes Verstehen bzw. nach Substituten solchen Verstehens konstatiert werden. Entsprechend scheint ein soziales Interesse und Bedürfnis nach Wegen der Verständigung unterstellt werden zu können. Zu nennen sind hier insbesondere Konzepte der Triangulierung, die sich sowohl in der Semiotik (vgl. Peirce 1998 [1938]) als auch in den Sozialwissenschaften (vgl. Schütz/Luckmann 2003) etablieren. So gehen spätere Konzepte zum interpersonalen Fremdverstehen nicht mehr von einer rein dyadischen Kommunikationsbeziehung zwischen zwei Individuen aus, sondern sie erklären Prozesse des Verstehens unter Einbezug des Umfelds zweier Interaktanten. Verschiedene Ansätze sprechen in diesem Sinne von Wegen des Fremdverstehens qua Referenz auf eine gemeinsame Lebenswelt, eine gemeinsame Sozialisation oder eine gemeinsame Kultur: Wenngleich die individuelle Kommunikation, Wahrnehmung und Interpretation einzelner Gesprächspartner keine für eine zuverlässige Verständigung hinreichende Konstanz aufweisen, dann könne dies doch zumindest durch die Existenz einer gleich bleibenden und von allen am Verständigungsprozess beteiligten Interaktanten zumindest auf ähnliche Weise wahrgenommenen Lebenswelt oder Umwelt geleistet werden. Vollkommenes Fremdverstehen im Sinne der Phänomenologie kann damit zwar noch immer nicht geleistet und beschrieben werden. Qua Referenz auf die Umwelt und Sozialisation von Individuen jedoch können zumindest graduelle Formen des Fremdverstehens erreicht und beschrieben werden. Überlegungen dieser Art schienen jedoch nur so lange zufrieden stellend zu sein, bis neuere Fragestellungen im Forschungsfeld interkultureller Kommunikation den Sonderfall von Interaktionssituationen zur Debatte stellten, die sich dadurch auszeichneten, dass gerade keine gemeinsame Lebenswelt vorhanden sein sollte. Ein Bewusstsein für Problemstellungen dieser Art entwickelte sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften schrittweise mit der Herausbildung des „Cultural Turn“, auf dessen Grundlage seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von einer zunehmenden empirischen Auseinandersetzung mit Aspekten von Kulturalität und Interkulturalität gesprochen werden kann. Die bis dato angenommene gemeinsame Referenzgrundlage einer gemeinsamen Lebenswelt einander verstehender Interaktanten scheint in interkulturellen Kontaktsituationen potenziell nicht in vollem Ausmaße vorhanden zu sein, woraus auf eine besondere und erhöhte Schwierigkeit geschlossen wird, von der Verständigungsversuche in interkulturellen Kontaktsituationen beeinträchtigt sind. Doch auch diese zusätzliche Problemstellung führt mittelfristig nicht zu einer konzeptuellen Einschränkung des angenommenen Verständigungsspielraums,

108 sondern ruft neue Wege der theoretischen Beschreibung von Verständigungsprozessen hervor, die auch in kulturübergreifenden Kontexten problemlos anwendbar zu sein scheinen. Im Gegensatz zu der insbesondere in den empirischen sprachund kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen festzustellenden Problemorientierung (für eine Kritik vgl. Koole/ten Thije 1994) postulieren jüngere, theoretische Ansätze der interkulturellen Philosophie eine prinzipielle Möglichkeit interkulturellen Fremdverstehens. So ist beispielsweise zu Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Debatte um die Positionen von Universalismus und Relativismus bei der Beschreibung von interkulturellem Fremdverstehen neu entfacht (vgl. exemplarisch die Beitragssammlungen in Brocker/Nau 1997; Drechsel et al. 1999, Wierlacher 2000). Das Aufgreifen dieser Debatte führte zu einer Etablierung zahlreicher Zwischenpositionen, die jedoch alle grundsätzlich von der Möglichkeit interkulturellen Fremdverstehens ausgehen. So plädiert beispielsweise Ram Adhar Mall für eine interkulturelle Philosophie, gemäß der interkulturelles Fremdverstehen aufgrund stets vorhandener kultureller Überlappungen möglich werde (vgl. Mall 1995). Wolfgang Welsch hat das Konzept der Transkulturalität in die Debatte eingeführt, nach dem zahlreiche Formen kultureller Hybridität und Wandelbarkeit möglich werden (vgl. Welsch 2000). Darüber hinaus entstünden in interkulturellen Kontaktsituationen neue, dritte Kulturen, die zwischenzeitlich auch empirisch diskursanalytisch operationalisiert und als so genannte diskursive Interkultur beschreibbar gemacht worden sind (vgl. ten Thije 1997). Elmar Holenstein plädiert im Rahmen dieser Debatte für eine Annahme gradueller anstelle absoluter Universalismen. So könne davon ausgegangen werden, dass alle Aspekte kultureller Spezifika grundsätzlich in allen kulturellen Kontexten zur Verfügung stehen, dass ihnen jedoch in unterschiedlichen kulturellen Kontexten lediglich unterschiedliche Relevanz und Zentralität zugesprochen werde (vgl. Holenstein 1985, S. 124 ff.). Auch in der empirischen Forschung zur interkulturellen Kommunikation finden sich Annahmen vergleichbarer Konzepte bei der Beschreibung interkultureller Interaktionen. So beschreibt beispielsweise Martina Liedke Formen emotionaler Verständigung, in deren Rahmen Verständigung zunehmend im Sinne einer Bereitschaft der Interaktionspartner, einander verstehen zu wollen, aufgefasst wird (vgl. Liedke 1998). Klaus P. Hansen plädiert im Sinne eines sozialpsychologischen Kulturbegriffs für eine Auffassung von Interkulturalität als Interkollektivität (vgl. Hansen 2003, S. 335 ff.). Die Gestaltung des Umgangs mit Interkulturalität kann somit auch mit Theorien aus der Forschung zu Intergroup Relations (vgl. Tajfel 1982) beschrieben werden und wird daher auch für konflikttheoretische Ansätze zugänglich. Zusammenfassend kann aus einer diskursanalytischen Perspektive auf die diachrone Entwicklung wissenschaftlicher Fragestellungen zum interkulturellen Fremdverstehen eine sukzessive Entproblematisierung des Forschungsgegenstands festgestellt werden. Stellen frühe Konzepte die Unmöglichkeit letztendlichen Fremdverstehens in den Vordergrund, so fokussieren jüngere Konzepte gangbare Wege der Verständigung. Gleichzeitig kann eine Ausweitung des Ver-

109 ständnisses für mögliche Wege der Verständigung beobachtet werden. Ging zunächst Schütz davon aus, dass Fremdverstehen nur in Form von Sinnverstehen möglich ist, so scheinen später auch Konzepte akzeptabel, in denen Verständigung unter Einbezug emotionaler und konflikttheoretischer Aspekte hergestellt wird. Der Begriff der Verständigung wandelt sich entsprechend von einem gegenseitigen Verstehensprozess zu einer lediglichen gegenseitigen Bereitschaft, in einer Interaktion kooperativ an einem gegenseitigen Verstehen zu arbeiten bzw. unter Umständen sogar eine konsensuelle Interaktion anzustreben. Die Frage nach der Möglichkeit interkultureller Verständigung wird demnach in den Wissenschaftsdiskursen immer weiter entproblematisiert und konzeptuell auf Wege der Herstellung von Empathie hin ausgerichtet. Dieser diskursanalytische Exkurs lässt jedoch nicht nur Rückschlüsse auf die Entwicklung des Verständigungsbegriffs, sondern auch auf eventuell zugrunde liegende Motive und Zielstellungen der einzelnen Forschungsfragen zu. So scheint sich aus den Wissenschaftsdiskursen die Zielstellung einer Möglichkeit interkultureller Verständigung zu entwickeln. Zusätzlich – so könnte geschlossen werden – erscheint es sozial wünschenswert, interkulturelle Verständigung in Form interpersonaler Kooperationsbereitschaft herzustellen und zu konzipieren. An dieser Stelle kann bereits ein Teilaspekt der eingangs gestellten Frage nach der Beschaffenheit des Begriffs interkultureller Mediation beantwortet werden. Wenngleich auf der Grundlage gegenwärtiger Wissenschaftsliteratur keine zufrieden stellende Antwort auf diese Frage gegeben werden kann, so kann doch zumindest aus der diskursanalytischen Nachzeichnung der impliziten Zielstellungen einer westlich-europäischen Forschung zum interkulturellen Fremdverstehen umrissen werden, was – oder genauer – welche Art von Verständigung mittels interkultureller Mediation erreicht werden soll. So werden unter interkulturellen Mediatoren offenbar nicht nur kultursensibilisierte Übersetzer (vgl. Stolze 1992) oder Konfliktschlichter verstanden. Stattdessen scheint von interkulturellen Mediatoren die Fähigkeit erwartet zu werden, Konsense über Interaktionsmodi herbeiführen und die Bereitschaft von Interaktionspartnern zu einer verstärkten gegenseitigen Verständigungsarbeit in interkulturellen Kontaktsituationen erhöhen zu können. Einblicke dieser Art in das gesellschaftliche Anliegen, das interkultureller Mediation entgegengebracht wird, unterscheidet sich wesentlich von vergleichbaren Angaben in der Literatur zur interkulturellen Mediation (vgl. Calließ 1999; Haumersen/Liebe 1998; Schramkowski 2001).

110

Die Entwicklung des Verständigungsbegriffs in der Mediationsforschung und -praxis Unterzieht man die diskursive Entwicklung der Mediationsforschung und -praxis der vergangenen vierzig Jahre einer ähnlichen diskursanalytischen Betrachtung, so lassen sich auch hier allmähliche Veränderungen der den Aktivitäten auf diesem Gebiet zugrunde liegenden Zielstellungen beobachten. Ähnlich der erheblichen methodischen Vielfalt geistes- und sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation verhindert auch im Bereich der Konfliktmediation die Existenz einer Vielzahl unterschiedlicher Schulen, institutioneller Einbettungen, theoretischer Orientierungen und praktischer Umsetzungen die Abstraktion eines etwaigen einheitlichen Entwicklungsstranges (vgl. Breidenbach 1995, S. 11 ff.). Dennoch sollen im Folgenden einige einzelne Tendenzen exemplarisch herausgegriffen und nachgezeichnet werden. Eine diskursanalytische Perspektive auf den Bereich von Mediationsforschung und -praxis kann darüber hinaus andeuten, dass auch in diesem Bereich die postulierten Zielstellungen nicht immer mit denen übereinstimmen, die sich aus einer diachronen Perspektive retrospektiv herleiten lassen. Entsprechend erschließt sich die soziale Funktion von Mediation in westlich-europäischen Gesellschaften offenbar erst aus diskursanalytischer Sicht: So rekonstruieren zahlreiche Autoren gegenwärtiger Publikationen im Bereich der Mediation ihre eigene Forschungs- und Praxistradition aus der Wieder- oder Neuentdeckung von Mediation in den 60er Jahren in den USA (vgl. Altmann et al. 1999; Dulabaum 2000). Dementsprechend basiere Mediation als kostengünstige und nachhaltige Alternative zu Gerichtsverfahren auf vier Grundprinzipien, für deren Einhaltung der Mediator professionell geschult und verantwortlich ist. Demnach gewähre Mediation eine größtmögliche Autonomie der Konfliktparteien in der Bearbeitung ihres Konfliktes. In Mediationen erarbeitete Lösungen zeichneten sich durch eine besonders hohe Nachhaltigkeit aus. Mediatoren gewährleisten dies durch eine weitgehende mediatorische Neutralität gegenüber den Konfliktinhalten, und ermöglichen damit gleichzeitig eine besonders kreative Lösungserarbeitung seitens der Konfliktparteien, sodass bestenfalls eine „Win-WinLösung“ erarbeitet werde (vgl. Altmann et al. 1999). Eine diskursanalytische diachrone Betrachtung zeigt hier erst aus der Retrospektive, dass derartigen Prinzipien jedoch offenbar nicht von Beginn an das gleiche Gewicht beigemessen wurde. So kann in der Tat von einer Wiederentdeckung5 von Mediation vor ca. 40 Jahren gesprochen werden. Dabei muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass zur damaligen Zeit in den USA ein großer Bedarf nach 5 Angesichts einer Vielzahl unterschiedlicher triadischer Konfliktbearbeitungsverfahren in unterschiedlichen Kulturen und zeitlichen Epochen, die heutigen Mediationsverfahren zumindest in einzelnen Aspekten teilweise ähneln, kann von einer Erfindung oder Neuentdeckung kaum gesprochen werden.

111 möglichen Wegen zur Entlastung der Justizgerichte von einer zunehmenden Schwemme von Bagatellverfahren bestand, in dem eine Einführung von Mediationsverfahren vergleichsweise schnelle und effektive Abhilfe versprach (vgl. Atmann et al. 1999). Der schnelle Attraktivitätsgewinn von Mediation manifestiert sich dabei in der in den 60er und 70er Jahren in den USA verfolgten Bewegung der Alternative Dispute Resolution, in deren Kontexten unter anderem auch das in Deutschland als solches bekannte Harvard-Konzept (vgl. Fisher et al. 1996) entstand. Während in diesen Kontexten vonseiten der Wissenschaften zunächst größtenteils affirmative Stellungnahmen und Beschreibungen vorherrschten, kann in den späten 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine zunehmend kritische, empirische Perspektive beobachtet werden. Insbesondere in der US-amerikanischen Forschung bildete sich im Bereich der Rechtssoziologie ein Forschungsbereich heraus, der sich explizit mit der empirischen Beschreibung und Erforschung von Mediationsverfahren auseinander setzte (vgl. Mather/Yngvesson 1980–1981; Silbey/Merry 1986; Greatbatch/Dingwall 1989). Zu diesem Zweck wurden tatsächlich stattfindende Mediationsverfahren und -gespräche mit unterschiedlichen sozialwissenschaftlichen Herangehensweisen untersucht. So dienen beispielsweise vielfach transkribierte Tonaufzeichnungen von Mediationen als empirische Grundlage für diskurs- und konversationsanalytische Untersuchungen. Kritiken an der jeweils beobachteten mediatorischen Praxis betrafen dabei insbesondere die vom Mediator diskursiv zugesicherte inhaltliche Neutralität. So stellten Diskursanalysen heraus, dass Mediatoren ihren Konfliktparteien zwar einerseits ihre Neutralität versprachen und auf diese Weise das Vertrauen der Parteien gewinnen konnten, dass sie jedoch gleichzeitig über subtile diskursive Strategien verfügten, mit denen sie diese Neutralität unbemerkt unterwanderten und den Verlauf des Verfahrens in eine von ihnen präferierte Richtung steuerten (vgl. Silbey/Merry 1986 sowie später Jacobs 2002). Mediationstheoretiker wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch Mediatoren allein durch ihre Anwesenheit grundsätzlich persönliche Interessen in das Verfahren einbrächten. Diese können beispielsweise erwartbar darin bestehen, ein begonnenes Verfahren zu einem erfolgreichen und nachhaltigen Abschluss zu führen. Diskursanalytiker unterstellen dabei, dass Mediatoren sich vielfach bereits in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens eine recht präzise Vorstellung von einer angemessenen, wünschenswerten und nachhaltigen Lösung des konkreten Konfliktfalls gemacht hätten, und dass sie deren Formulierung durch die Parteien im Gesprächsverlauf unweigerlich verfolgten. In diesem Rahmen haben beispielsweise Susan Silbey und Sally Merry in ihrem bis heute häufig zitierten Aufsatz von 1986 die Einflussnahme von Mediatoren in drei beschreibbaren diskursiven Strategien zusammengefasst:

112 Demnach üben Mediatoren Macht über den Gesprächsprozess aus, indem sie sich selbst und das Verfahren der Mediation als Autoritäten darstellen (vgl. Silbey/ Merry 1986, S. 12–14). Des Weiteren verfügen Mediatoren über zahlreiche Strategien zur Steuerung des Gesprächsverlaufs, indem sie Themen vertiefen, die schnelle Konsense erhoffen lassen und indem sie Themen verkürzen, in denen aus ihrer Sicht nur schwierig eine Einigung erreicht werden kann (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 14). Mediatoren gestatten bzw. unterbinden Unterbrechungen und sie euphemisieren bzw. neutralisieren mithilfe von Reformulierungen konfliktive Äußerungen (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 15). Darüber hinaus weisen Silbey und Merry darauf hin, dass Mediatoren auch die einzelnen Gesprächsthemen einer Mediation auf erhebliche Weise beeinflussen und steuern. Sie erkennen in ihrer Studie vier aufeinander folgende Schritte, mit deren Hilfe Mediatoren einzelne Gesprächsthemen steuern. Zunächst kontextualisieren und erweitern Mediatoren den thematischen Horizont des Konfliktgegenstands („broadening the issue“ (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 15 f.)) und wählen daraus später einzelne thematische Aspekte aus, die sie im Gespräch vertiefen („selecting issues“ (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 16 f.)). Wenn die Mediatoren einzelne Themen als zentrale Aspekte des Konflikts identifiziert haben, drängen sie zur Formulierung entsprechender Lösungen („concretizing issues“ (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 17); die Bearbeitung schwer lösbarer Problemstellungen des zu behandelnden Konflikts dagegen werden hintangestellt, bzw. deren Bearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt geplant („postponing issues“ (vgl. Silbey/Merry 1986, S. 17)). Ähnliche und weiterführende Kritikpunkte finden sich exemplarisch auch in den Arbeiten von Scott Jacobs (vgl. Jacobs 1991/2002). Sowohl Tendenzen in der mediatorischen Praxis als auch in der Forschung haben auf Kritiken dieser Art schrittweise reagiert und Konzepte vorgeschlagen und implementiert, mit deren Hilfe die bemängelten Aspekte umgangen werden können. An dieser Stelle kann exemplarisch auf die in den USA unter anderem von den Autoren Joseph Folger und Robert A. Baruch Bush entwickelte Schule der so genannten „transformative mediation“ verwiesen werden (vgl. Bush/Folger 1994). Folger und Bush plädieren dafür, anstelle einer Lösungsorientierung die Implementierung und Verwirklichung der von ihnen ausgearbeiteten Konzepte von „empowerment“ (vgl. Bush/Folger 1994, S. 85 ff.) und „recognition“ (vgl. Bush/Folger 1994, S. 89 ff.) als primäre Zielstellung eines Mediationsgesprächs anzusehen. Wichtiger als die Anvisierung einer konkreten Lösung des zu behandelnden Konflikts scheint Folger und Bush demnach eine (Wieder-)Ermächtigung der Konfliktparteien zum kompetenten und selbstbestimmten Umgang mit ihrem Konflikt sowie ihrer interpersonalen Beziehung (empowerment). Darüber hinaus solle den Konfliktparteien die Fähigkeit (wieder-)vermittelt werden, die individuellen Wünsche und Interessen ihres Gegenübers zu erkennen, anzuerkennen und wertzuschätzen (recognition). Auf diese Weise – so Folger und Bush – werden bereits aufgrund der strukturellen Modifikation des Mediationsgesprächs Interferenzen vonseiten des Mediators bei der selbstbestimmten Lösungs-

113 findung unterbunden. Auf diese Weise sollte demnach sichergestellt werden, dass mediatorische Prinzipien wie Parteienautonomie und die Neutralität des Mediators bereits mithilfe der Verfahrensstruktur in höherem Maße eingehalten werden. Eine derartige diachrone Perspektive auf das Design von Mediationsverfahren deutet darauf hin, dass sich das Verfahren im Laufe der vergangenen vierzig Jahre von einem lösungsorientierten und zeiteffizienten Verfahren zu einem Verfahren gewandelt hat, das sich in besonderer Weise dazu eignet, gesellschaftliche Werte wie einen autonomen und kreativen Umgang mit Konflikten umzusetzen. Entsprechend scheint eine Präzisierung der gegenwärtig in der Fachliteratur zur Mediation praktizierten Selbstverortung in einer etwaigen Gründungsphase von Mediation in den sechziger Jahren zumindest präzisiert werden zu müssen, zumal das Verfahren offenbar zwischenzeitlich erhebliche strukturelle Veränderungen sowie damit eventuell verbundene Veränderungen seiner sozialen Funktion erfahren haben dürfte. Aus diskursanalytischer Sicht ließe sich ein zugrunde liegender Wandel allgemeiner gesellschaftlicher Normen und Werte für die strukturelle und funktionale Veränderung von Mediation verantwortlich machen. Demnach dürfte Mediation als ein Verfahren aufgefasst werden, das aufgrund seines vergleichsweise niedrigen Kodifizierungsgrades sich in besonderem Maße dazu eignet, veränderten gesellschaftlichen Idealen durch eigenen Wandel gerecht werden zu können. Entsprechend bedurfte es in den sechziger Jahren offenbar in der Tat schneller und effizienter Lösungsfindungen als Alternative zu gerichtlichen Verfahren. Versteht man den Wandel von Mediationsverfahren als Reaktion auf gesellschaftlichen Wandel, so wird auch die Verspätung der kritischen Anmerkungen vonseiten der empirischen Wissenschaften nachvollziehbar. So wurden die in den sozialwissenschaftlichen Studien bemängelten Aspekte erst zu einem Zeitpunkt kritikwürdig und -bedürftig, als dem Verfahren der Mediation veränderte gesellschaftliche Ideale gegenüberstanden, denen das Verfahren nicht mehr gerecht wurde. In das Verfahren der Mediation schienen vonseiten der Gesellschaft demnach nicht von Beginn an, sondern erst ab einem späteren Zeitpunkt gesellschaftliche Ideale hineinprojiziert worden zu sein, die offenbar bis heute gelten. So scheint ein Konflikt in westlich-europäischen Gesellschaften dann als bestmöglich bearbeitet und gelöst erachtet zu werden, wenn er von den Parteien so autonom und kreativ wie möglich bearbeitet worden ist und wenn sich daraufhin bei allen Parteien eine möglichst gleichmäßige und größtmögliche Zufriedenheit einstellt. Erst nachdem diesen Idealvorstellungen in westlich-europäischen Gesellschaften eine zentralere Bedeutung beigemessen wurde, konnte der empirischen Forschung auffallen, dass diese Ideale von Mediatoren zwar bereits propagiert, jedoch nicht in einem erwünschten Maße umgesetzt wurden. Entsprechend lässt sich zusammenfassen, dass sich die sozialen Erwartungen an Mediation von einer schnellen und subsidiären Lösungsfindung zu einer Wiederherstellung und Herbeiführung interperso-

114 naler Verständigung und individueller (Kooperations-)Autonomie gewandelt haben. Auf diese Weise scheinen die Forschung zu interkulturellem Fremdverstehen und interkultureller Kommunikation sowie die Mediations- und Konfliktforschung erst in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts einander in den von ihnen implizit propagierten und durch Forschungsfragen angestrebten Zielstellungen in einem Maße angenähert zu haben, das eine Übertragung des Lösungsinstruments der Mediation aus dem Bereich der Konfliktforschung auf ein nun benachbartes Gebiet der interkulturellen Kommunikation plausibel und nachvollziehbar werden lässt. Die Plausibilität einer derartigen Übertragung scheint dabei sowohl kultur- als auch zeitspezifisch zu sein. So müssen sowohl die Konzepte interkulturellen Fremdverstehens als auch mediatorischer Konfliktbearbeitung als Ergebnisse kulturspezifischer Diskurse gelten, deren Zielstellungen und Ideale sich nur innerhalb einer bestimmten zeitlichen Periode auf eine Weise angenähert haben, die eine Übertragung des Verfahrens plausibel erscheinen lässt. Entsprechend kann vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Frage nach Motivationen für den vergleichsweise plötzlichen Attraktivitätsgewinn interkultureller Mediation in westlich-europäischen Gesellschaften in den neunziger Jahren zumindest teilweise beantwortet werden.

Grenzen interkultureller Mediation in Beziehungen zwischen Kooperationspartnern Im Hinblick auf die konzeptuelle Genese des hier nachgezeichneten Begriffs interkultureller Mediation als Übertragungsleistung aus dem ursprünglichen Verwendungskontext intrakultureller Konfliktbearbeitung sollen derartige Konzepte an dieser Stelle als deduktive Konzepte interkultureller Mediation bezeichnet werden. Das vorhandene und in seinem Kontext bewährte Verfahren der Mediation wird – gegebenenfalls unter geringfügigen Modifikationen – übernommen und in einen neuen Problemkontext, den interkulturellen Fremdverstehens, implementiert. Der Erfolg des Verfahrens in seinem ursprünglichen Kontext sowie die strukturelle und konzeptuelle Nähe der beiden Verwendungskontexte scheint dabei als begründete Hoffnung dafür, dass sich das Verfahren auch in seinem neuen Kontext bewähre. Eine genauere Betrachtung deckt jedoch eine Reihe von Inkongruenzen auf, die sich aus der deduktiven Herangehensweise des nachgezeichneten Konzepts interkultureller Mediation ergeben und die sich nachteilig auf die Effektivität des Konzepts auswirken könnten. So beinhaltet eine Deduktion des Konzepts keine Möglichkeit der Begründung einer strukturellen Differenzierung zwischen intra-

115 kultureller und interkultureller Mediation. Eine derartige Unterscheidung scheint jedoch insbesondere Autoren zur interkulturellen Mediation, die in vielen Fällen zugleich praktizierende Mediatoren in interkulturell bedingten Kontexten sind, ein Anliegen – nicht zuletzt der Selbstlegitimation – zu sein (vgl. Calließ 1999). Indem der Begriff interkultureller Mediation aus der herkömmlichen Konfliktmediation deduziert wird, beinhaltet das Konzept jedoch von Grund auf keine Begrifflichkeiten, mit deren Hilfe sich Aspekte der Interkulturalität operationalisieren und in das Konzept integrieren ließen. Stattdessen bleiben entsprechende Konzepte in vielen Fällen bei einer additiven Begründung interkultureller Mediation, d. h., Interkulturalität wird als eine zusätzliche und besondere Schwierigkeit in Mediationen aufgefasst. Darüber hinaus scheinen deduktive Konzepte interkultureller Mediation keine begrifflichen Operationalisierungen zu beinhalten, mit deren Hilfe ein Nachweis über eine tatsächliche Förderlichkeit triadischer Interaktion in interkulturell bedingten Verständigungssituationen erbracht bzw. überprüft werden könnte. In diesem Sinne kann mit dem vorhandenen begrifflichen Instrumentarium offenbar nicht überprüft werden, ob Prozesse interpersonaler Verständigung in triadischen interkulturell bedingten Interaktionssituationen effizienter bzw. in einer sozial erwünschteren Form vollzogen werden als in dyadischen Prozessen. Entsprechend scheint der erhoffte Synergieeffekt von Mediation in interkulturell bedingten Situationen in Frage zu stehen. Vonseiten der Theorien interkulturellen Fremdverstehens formulieren beispielsweise Wierlacher und Hudson-Wiedenmann entsprechende Zweifel an einem Zugewinn durch mediatorische Maßnahmen in interkulturellen Kontaktsituationen.6 Wierlacher und Hudson-Wiedenmann beziehen sich hier auf einen phänomenologisch orientierten Verständigungsbegriff im Sinne eines Konsensbegriffes bei Elmar Holenstein (vgl. Holenstein 1985, S. 8889), nach dem Konsense nie durch die Bezugnahme auf eine gemeinsame Wirklichkeit, sondern immer nur höchstens durch das Einholen von Zustimmungen aller verfügbaren Individuen möglich werden. Demnach wird die Möglichkeit objektiver Konsense negiert und kann nur durch subjektive Konsense näherungsweise ersetzt werden. Mit Wierlacher und Hudson-Wiedenmann kann demnach eingeräumt werden, dass auch das Hinzuziehen weiterer Personen keine hinreichende Bedingung für die Herstellung eines objektiven Konsenses darstellen kann. Auch das Hinzuziehen einer dritten Person zu einer Dyade, wie es Konzepte der Mediation vorsehen, erweitert den Kreis der einzuholenden zusätzlichen Perspektiven im Sinne eines Holensteinschen Konsenses nur geringfügig, eine Berücksichtigung der Perspektiven aller Individuen (einer Gesellschaft) dagegen scheint nicht geleistet werden zu können. Holenstein zufolge jedoch kann Intersubjektivität – was bei ihm als Operationalisierung des Verständigungs6 „[E]in dritter Dialogpartner kommt als das gesuchte Dritte nicht infrage, weil die Beteiligung eines Dritten beim Gespräch keine Bedingung der Möglichkeit der Verständigung ist, wie ich mit Elmar Holenstein annehme [...], auch wenn die Gegenwart des Dritten im Sinne des Interessenausgleichs durch schiedsgerichtliche Mediation eine pragmatisch hilfreiche Möglichkeit eröffnet, sich selbst in ihrer Andersheit jenseits der Opposition zu erfahren und zwar auch als körperliche Existenz.“ (vgl. Wierlacher/Hudson-Wiedenmann 2003, S. 232).

116 begriffs angenommen werden kann – nur dann hergestellt werden, wenn seitens der beteiligten Individuen eine Bereitschaft zur Kooperation und zur Konsensbildung vorhanden ist (vgl. Holenstein 1985, 92 ff.). Im Hinblick auf Situationen interkultureller Mediation kann demnach angenommen werden, dass dritte Personen im Verständigungsprozess zumindest dazu beitragen können, diese Bereitschaft zur Konsensbildung zu fördern. Entsprechend muss dabei präzisiert werden, dass die von dritten Personen geförderten Konsensprozesse sicherlich nur situative und zeitlich begrenzte Gültigkeit beanspruchen dürfen. Des Weiteren scheinen viele Ansätze deduktiver interkultureller Mediation der Kulturspezifik ihrer Konzepte nicht in hinreichender Weise Rechnung zu tragen. So ist beispielsweise zu erwarten, dass Konzepte, die in kulturspezifischen Kontexten entwickelt worden sind, nicht automatisch gleichzeitig auch interkulturell akzeptabel sein müssen, bzw. als sozial wünschenswert wahrgenommen werden. Stattdessen bleibt zu überprüfen und zu bedenken, ob ein unreflektierter Einsatz kulturspezifischer Verfahren wie dem der Mediation in interkulturell bedingten Kontexten sich nicht den Vorwurf eines neokolonialistischen Instruments gefallen lassen müsste. Angesichts der kulturspezifischen Genese und der ihr entgegenstehenden Vielfalt kultureller Ausprägungen scheint eine Überprüfung der eventuellen kulturellen Universalität des Verfahrens nicht leistbar zu sein. Neben diesen konzeptuellen Problemstellungen, die sich aus einer Übertragung vorhandener Ansätze der Konfliktmediation auf den Bereich der Problemstellungen interkultureller Kommunikation ergeben, treten bei einer solchen Übertragung auch eine Reihe struktureller Nichtübereinstimmungen auf. So scheint sich das Verfahren der Mediation in intrakulturellen Kontexten zur konstruktiven Bearbeitung mehr oder weniger eskalierter Streit- und Konflikthandlungen in besonderem Maße bewährt zu haben. Die sprach- und kommunikationswissenschaftliche Forschung zur interkulturellen Kommunikation sieht dagegen zentrale Problemstellungen interkulturell bedingter Interferenzen auf einer Mikroebene der Kommunikation, auf der subtile und häufig zunächst unerkannte Missverständnisse auftreten, aus denen sich im späteren Gesprächsverlauf konfliktorientierte Irritationen herausbilden können (vgl. Ehlich 1996). Irritationen dieser Art können personelle Fehleinschätzungen und negative Attributionen an die Person des Gegenübers hervorrufen, aus denen sich in der Folge eine Verschlechterung der interpersonalen Beziehung sowie eine Minderung der gegenseitigen Bereitschaft zur gemeinsamen Herstellung von Verständigung ergeben können. Mediationsverfahren, in denen ein professioneller und institutionalisierter Mediator hinzugezogen wird, scheinen für die Bearbeitung derartiger subtiler Missverständnisse in der Interaktion nicht oder nur bedingt geeignet zu sein, da sie einen Aufwand implizieren würden, der vor dem Hintergrund der Einschätzung der Situation durch die beteiligten Personen kaum gerechtfertigt werden kann. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass interkulturell bedingte Missverständnisse von

117 den Interaktionspartnern häufig gar nicht bemerkt werden, sodass diese gar nicht in der Lage sein werden, eine dritte Person um Klärungshilfe zu bitten. Entsprechend liegt die Befürchtung nahe, dass eine reine Übertragung des Verfahrens der Mediation auf das Problemfeld interkulturell bedingter kommunikativer Störungen in vielen Fällen kaum greift, womit sich Grenzen deduktiver Konzepte interkultureller Mediation beschreiben ließen.

Chancen interkultureller Mediation in Beziehungen zwischen Kooperationspartnern Wenngleich die Grenzen deduktiver Konzepte interkultureller Mediation, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben worden sind, vergleichsweise eng gesteckt zu sein scheinen, so scheint dieser Begrenzung angesichts der Ergebnisse der diskursanalytischen Beobachtungen der beteiligten Wissenschaftsdiskurse ein wesentliches sozial empfundenes Bedürfnis nach und Interesse an einem Konzept gegenüberzustehen, das den nachgezeichneten Zielstellungen gerecht wird. Daraus ließe sich eine Legitimation einer weiterführenden Erforschung von Konzepten interkultureller Mediation beziehen, die eventuell die beschriebenen Grenzen teilweise hinausschieben und ausweiten können. Als Ergänzung und als Komplement zu den bislang beschriebenen deduktiven Konzepten soll daher an dieser Stelle eine Herangehensweise an eine zukünftige Erforschung des Potenzials interkultureller Mediation vorgeschlagen werden, die sich entsprechend als induktive Konzeption interkultureller Mediation bezeichnen ließe. Derartige induktive Konzepte könnten auf eine den früheren Ansätzen entgegengesetzte Herangehensweise an den Begriff interkultureller Mediation hindeuten. Anstatt ein bereits vorhandenes Verfahren als gegeben anzunehmen und dieses unter geringfügigen Modifikationen auf einen neuen Problemkontext zu übertragen, könnten induktive Konzepte von einem gegebenen Problemkontext ausgehen, der von den Sprach- und Kommunikationswissenschaften bereits facettenreich beschrieben worden ist, und vor diesem Hintergrund nach einem triadischen diskursiven Verfahren suchen, das zu einer Wiederherstellung der Kooperationsbereitschaft zur gemeinsamen Verständigungsarbeit bestmöglich geeignet ist. Entsprechend würde ein neues und situationsadäquates Verfahren interkultureller Mediation aus den vorgefundenen Problemstellungen induziert. Ein solcher Ansatz würde eine Reduktion des Wesenskerns auf eine minimale Grunddefinition erfordern, die von normativen Handlungsprinzipien absieht und sich lediglich auf die Annahme beschränkt, dass eine dritte Person zwei weitere Personen diskursiv bei der Herbeiführung interpersonaler Verständigung unterstützt. Entsprechend erfragen induktive Herangehensweisen an den Begriff interkultureller Mediation, mithilfe welcher triadischer Strategien der Verständigungs-

118 förderung die in interkulturellen Kontaktsituationen vorgefundenen Problemstellungen bestmöglich bearbeitet werden könnten. Induktive Konzepte interkultureller Mediation harren bislang einer detaillierteren Erforschung, die auf fundierten Grundlagen der bisherigen Erforschung dyadischer Situationen aufbauen kann. Hierzu können einzelne empirische Methoden, die bislang zur Beschreibung interkulturell bedingter Problemstellungen in Face-to-Face-Interaktionen hinzugezogen worden sind, dahingehend überprüft werden, inwiefern sich ihr Begriffsrahmen zu einer Operationalisierung und einer Berücksichtigung von dritten Personen in Interaktionssituationen innerhalb dieses Begriffsrahmens eignet. Auf dieser Grundlage gilt es in der Folge zu überprüfen, auf welche Weise die jeweils betrachteten Methoden interkulturelles Verstehen und Verständigung definieren, und aufgrund welcher Kriterien mit ihrer Hilfe ein Erreichen dieser Zielstellungen im Interaktionsprozess beschrieben, überprüft und bewertet werden kann. Im Anschluss gilt es – in einem heuristischen Schritt – zu überprüfen, auf welche Weise dritte Personen innerhalb des Begriffssystems der jeweils untersuchten empirischen Methode einen Verständigungsprozess in der Interaktion diskursiv unterstützen und fördern können. Erste Vorüberlegungen lassen erkennen, dass insbesondere kulturkontrastiv orientierte Studien zur interkulturellen Kommunikation (vgl. Hall 1959; Hall/Hall 1994; Hofstede 1980; Trompenaars 1994) nur wenige Aussagen über Möglichkeiten des Zustandekommens triadischer Situationen der Verständigungsförderung ermöglichen. Da sie sich nur in seltenen Fällen mit Situationen direkten interkulturellen Kontakts auseinander setzen, verfügen sie in der Regel auch nicht über ein hinreichendes begriffliches Instrumentarium zur Beschreibung derartiger Situationen. Geeigneter zur Beschreibung von Strategien triadischer Verständigungsförderung erscheinen stattdessen interaktionstheoretisch orientierte sprach- und kommunikationswissenschaftliche Studien, die meist mittels eines zeichen- oder handlungstheoretisch begründeten Kulturbegriffs operieren (für ein Plädoyer vgl. Müller 1995, S. 54; für eine exemplarische Umsetzung vgl. Auer/di Luzio 1992). Mithilfe ihrer Begriffssysteme lassen sich Strategien von Drittpersonen beschreiben, in denen eine verständigungsfördernde Wirkung beispielsweise durch ein Bewusstmachen, ein Umgehen oder ein Erklären kulturbedingter Unterschiede in der Kommunikation erzielt werden kann. Verschiedene exemplarisch ausgewählte Studien aus gleich mehreren methodologischen Herangehensweisen messen dabei Strategien des Reformulierens, des Paraphrasierens, des Wiederholens und des Rekontextualisierens eine besondere Bedeutung für die Herstellung von Verständigung bei (vgl. Kameyama 1999; Cuenca 2003; Rieger 2003). Derartige Erkenntnisse korrelieren mit theoretischen Überlegungen zum Fremdverstehen, das durch Strategien der Perspektiven- oder Rollenübernahme konzipiert wird (vgl. Mead 1993 [1934], 204 ff.), sowie mit Plädoyers aus der Mediationsforschung und

119 -praxis für Reformulierungstechniken, die unter Termini wie denen des Spiegelns firmieren (vgl. Besemer 1993, S. 117). Dritte Personen scheinen in diesen Kontexten als Außenstehende, insbesondere durch ihre weitreichendere Gelegenheit zur Beobachtung und Analyse von Gesprächsverläufen sowie durch ihre emotionale Neutralität im Fall von gesichtsbedrohenden Handlungen in dyadischen Interaktionen, zusätzliche Kompetenzen in Interaktionen einzubringen, die eine Ausweitung der Grenzen interkultureller Verständigung begründet vermuten lassen. Zusätzlich zu den Erkenntnissen über Formen induktiver interkultureller Mediation aus zeichen- und handlungstheoretisch fundierten Ansätzen können sozialpsychologische Studien hinzugezogen werden, die neben der Schwierigkeit der Herstellung von Verständigung aufgrund kommunikationstheoretisch begründeter Aspekte auf eine konfliktorientierte Komponente des Verständigungsprozesses hinweisen (vgl. Hansen 2003, S. 337 ff.; Tajfel 1982). Demnach führen häufig bereits gegenseitige Kollektivwahrnehmungen zu Vermeidungs- und Verweigerungsstrategien in interkulturellen Kontaktsituationen, sodass nicht einmal mehr eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit kommunikativen Verstehensschwierigkeiten zustande kommt. In diesem Zusammenhang können die Begriffe von Irritation und Konflikt definitorisch voneinander unterschieden werden. Während Irritationen die Folgen einzelner kommunikativer Missverständnisse auf einer einzelnen Ebene der Verständigung bezeichnen, kann dann von einem Konflikt gesprochen werden, wenn eine anfängliche Irritation auch auf weiteren Verständigungsebenen Irritationen ausgelöst hat, sodass es zu einem sukzessiven Zusammenbruch der Verständigung kommen kann. Verständigung wird dabei konzipiert als ein kooperativer und fortlaufender Zustand, der eine gegenseitige Zusicherung von Vertrauen und Kooperationsbereitschaft impliziert, und auf dessen Grundlage gegenseitiges Verstehen aufgebaut und immer wieder neu ausgehandelt werden kann. Diese Verständigungsgrundlagen können auf unterschiedlichen Ebenen, wie beispielsweise einer inhaltlichen, einer kulturspezifischen oder einer emotionalen Ebene hergestellt und aufrechterhalten werden, sodass eine triadische Verständigungsförderung wahlweise auf diesen unterschiedlichen Ebenen mit den jeweils zur Verfügung stehenden Strategien vorangetrieben werden kann.

Modell interkultureller Mediation Vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Abschnitten nachgezeichneten deduktiven und induktiven Herangehensweisen an einen Begriff interkultureller Mediation kann abschließend ein beschreibendes Modell hergeleitet werden, das einzelne Fragestellungen einer noch zu leistenden deskriptiven Erforschung des Potenzials interkultureller Mediation synoptisch zusammenfasst. Angesichts des

120 zu beschreibenden Verständigungsprozesses wird an dieser Stelle auf die Darstellungsweise linearer Phasenmodelle zurückgegriffen, deren sich auch didaktische Materialien zur Ausbildung von Mediatoren vielfach bedienen (vgl. Besemer 1993; Altmann et al. 1999; Bush/Folger 1994), von denen sich das an dieser Stelle vorgeschlagene Modell jedoch auch in mehreren Aspekten unterscheidet. So versteht sich das vorgeschlagene Modell in keiner Weise als normativ, sondern lediglich als deskriptive Zusammenstellung kommunikativer Aspekte, die im Rahmen triadischer Verständigungsprozesse in interkulturellen Kontaktsituationen relevant sein können, aber nicht müssen. Des Weiteren kann die im Modell vorgeschlagene Trennung und Unterscheidung einzelner Phasen nicht auf entsprechende differenzierende Aspekte in der tatsächlichen Interaktionssituation zurückgreifen. Anstelle einer Orientierung an eventuellen subjektiven Gliederungen von Interaktion durch die beteiligten Individuen wird im Modell eine Unterscheidung von Phasen vorgeschlagen, die lediglich zu einer bestmöglichen Differenzierung einzelner Forschungsfelder und -fragen dienen soll. Darüber hinaus umfasst und beschreibt das vorgeschlagene Modell einen sehr viel weiter gespannten zeitlichen Rahmen um einen Verständigungsprozess, als dies in der Regel von bislang bekannten Phasenmodellen zur Beschreibung von Mediation bekannt ist. Schließt man induktive Konzepte interkultureller Mediation in das Modell mit ein, so gilt es auch bereits den Zeitpunkt in der Interaktion zu berücksichtigen, zu dem sich ein kommunikativ bedingtes Missverständnis ereignet hat. Der Verlauf und die Aufeinanderfolge der einzelnen vorgeschlagenen Phasen können darüber hinaus in keiner Weise als zwingend angesehen werden. Weder soll suggeriert werden, dass im Falle eines erfolgreichen triadischen Verständgungsprozesses alle vorgeschlagenen Phasen in der vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen werden müssen. Empirisch beobachtbare Einzelsituationen werden häufig einzelne Phasen auslassen, sie eventuell in einer anderen Reihenfolge oder auch einzelne Phasen mehrmals hintereinander zirkulär durchlaufen. Ausgehend von einer Konversation außerhalb eines Missverständnisprozesses kann zunächst eine Phase beschrieben werden, in der sich eines oder mehrere kommunikative Missverständnisse als Ursache für Irritationen und Konfliktempfinden ereignen (Phase 1). Im Sinne dieser Irritationen kann eine zweite Phase der Eskalation folgen, in der die Interaktionspartner ihre Kooperativität immer weiter reduzieren (Phase 2). Schließlich kann eine der beteiligten Personen – sei es einer der Interaktionspartner oder eine dritte Person – das Missverständnis erkennen und eventuell deuten (Phase 3). Sollte die mediatorisch tätig werdende Person nicht selbst aktiv intervenieren, kann eine Phase der Bitte um Hilfe (Phase 4) vonseiten eines der Interaktionspartner eingefügt werden, woraufhin die dritte Person – entweder initiativ oder erbeten – in die dyadische Interaktion interveniert (Phase 5). Bevor eine dritte Person jedoch klärend intervenieren kann, wird sie zunächst das Einverständnis der einander missverstehenden Gesprächspartner ausdrücken lassen müssen (Phase 6). Erst im Anschluss an diese Phasen kann es zu einer Phase der Mediation (Phase 7) kommen, in der beispielsweise auch in Form unter-

121 geordneter Phasen die einer klassischen Mediation enthalten sein können. Bestenfalls erreichen die beteiligten Personen eine Phase der Klärung (Phase 8) (andernfalls kann die Verständigungsförderung erfolglos bleiben), an die sich eine Phase der Wiederherstellung der gegenseitigen Kooperationsbereitschaft anschließen kann (Phase 9). Nach der Klärung eines singulären Missverständnisses gilt es insbesondere, die interpersonale Beziehung der Gesprächspartner zueinander zu reparieren, um eine größtmögliche Kooperationsbereitschaft bei der dyadischen Verständigungsarbeit wieder herzustellen.

Ausblick Die nachgezeichneten, gegenwärtig vergleichsweise eng zu verstehenden Grenzen vorhandener Konzepte interkultureller Mediation lassen sich durch einen Einbezug der vorgeschlagenen induktiven Konzepte zur Herleitung eines Begriffs interkultureller Mediation eventuell wesentlich erweitern, um eine Umsetzung der gesellschaftlichen Zielstellungen, die zumindest in westlich-europäischen Gesellschaften angesichts der diskursanalytischen Überlegungen an den Gedanken interkultureller Mediation herangetragen werden, anstreben zu können. Wenngleich in diesem Beitrag die bislang unzureichende Forschung im Bereich deduktiver Konzepte interkultureller Mediation beklagt werden muss, so kann in diesem Rahmen doch auch nur in Form des vorgeschlagenen Modells eine Empfehlung und Richtungsweisung für eine zukünftige Ausrichtung empirischer Forschung zu Möglichkeiten interkultureller Mediation geleistet werden. Dabei können einzelne triadische Interaktionsprozesse beschrieben werden, mit deren Struktur sich die Funktion der einzelnen vorgeschlagenen Phasen einer interkulturellen Mediation – verstanden als diskursiven Klärungsprozess sowohl in institutionellen als auch in spontanen Situationen – erfüllen ließe. Wünschenswert erscheint zu diesem Zweck eine Analyse sich tatsächlich ereignender Interaktionen in institutionellen und spontanen Interaktionssituationen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass sich triadische Interaktionssituationen in Alltags- und Institutionenkontexten vergleichsweise häufig ereignen (vgl. Augsburger 1992, S. 143 ff.), dass sie jedoch bislang von der empirischen Sozialforschung kaum beachtet worden sind (vgl. Kerbrat-Orecchioni 2004, S. 1-3). Erst sobald die auf diese Weise vorgefundenen und beschriebenen triadischen Strategien in interkulturell bedingten Kontexten zu einer konstruktiven Verhaltensmodifikation nutzbar gemacht werden sollen, wird eine Bewertung dieser Strategien im Hinblick auf ihre Zuträglichkeit zur Erreichung sozial und situativ erwünschter kommunikativer Ergebnisse erforderlich. Im Anschluss ließen sich geeignete didaktische Maßnahmen zur Implementierung eines Wissenstransfers erarbeiten. So erscheinen insbesondere induktive Konzepte interkultureller Mediation Kompetenzen zu beinhalten, die als Bestandteile einer allgemeinen inter-

122 kulturellen Kompetenz (vgl. Volkmann 2002) angesehen werden sollten. So ließen sich vorhandene Kriterien interkultureller Kompetenz um die Gestaltung der Rolle dritter Personen in interkulturellen Verständigungsprozessen erweitern. Interkulturelle Kompetenz würde in diesem Sinne nicht nur eine Kompetenz zur kooperativen Gestaltung von Interaktionen beinhalten, in die das kompetente Individuum selbst involviert ist, sondern sie würde darüber hinaus eine Komponente der Verantwortung für das Gelingen von Verständigungsprozessen zwischen weiteren Personen implizieren, die im Kontext der interkulturell kompetenten Person anwesend sind. Zur Schulung einer derartigen Kompetenz eines so zu bezeichnenden interkulturellen, spontanen Laien-Mediators können entsprechend nicht nur Strategien der Klärungshilfe, sondern darüber hinaus auch Strategien der kompetenten Intervention und der Analyse kommunikativ bedingter Missverständnisse aus einer Beobachterperspektive vermittelt werden.

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III Länderspezifisches und Fallbeispiele

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Frankreich: Management von IT-Projekten in Frankreich und Deutschland Alp Kor, IBM Business Consulting Services

1 Zielsetzung Die Zielsetzung des hier beschriebenen Projektes war es, einen internationalen Roll-out einer betriebswirtschaftlichen Standardsoftware durchzuführen. Dabei trafen die deutsche und die französische Projektkultur aufeinander. Obwohl es sich um ein Projekt (und auch um ein integriertes Softwaresystem) handelte, drifteten beide Projektteile immer weiter auseinander: Der französische Projektteil war nicht nur nicht mehr kompatibel zu dem deutschen, sondern er war nicht einmal mehr in sich konsistent. Dieser Beitrag beschreibt, wie diese Situation entstanden ist, und wie sie durch strukturierte, offene, kooperative Projektkommunikation (Meredith/Mantel 2003, S. 157 ff.) hätte vermieden werden können. Darauf folgend werden die Verfahren beschrieben, wie im Rahmen von Krisenmanagement (Meredith/Mantel 2003, S. 304 f.) das fehlerhafte Softwaresystem korrigiert und das Projekt stabilisiert wurde. Abschließend wird erklärt, welche weiteren Kommunikationswerkzeuge (PMI 2000, S. 117 ff.) des Projektmanagements helfen können, interkulturelle Barrieren zu überwinden: Fehlermanagement, Prozessbeschreibungen und Change-Management.

2 Die Ausgangssituation In den Jahren 2001 und 2002 wurde in einem multinationalen Unternehmen aus dem Bereich Produktion und Vertrieb hochwertiger Konsumgüter weltweit eine bestimmte Standardsoftware eingeführt. Zunächst sollten europaweit die Geschäftsprozesse vereinheitlicht werden, um danach in den regionalen Vertriebsgesellschaften im Wesentlichen identische Standardsoftware-Prozesse implementieren zu können. Diese Vereinheitlichung bezog sich auf das gesamte SupplyChain-Management: die Bedarfsplanung, die Einkaufsprozesse, die Vertriebsprozesse und teilweise auch auf die Lagerprozesse. Die Vorgehensweise der Prozessvereinheitlichung und der Abbildung der optimierten Prozesse in ein gemein-

130 sames integriertes Standardsoftware-System (Kor 2002, S. 1522 ff.) war auf Ebene der Unternehmensleitung abgestimmt. Man wollte zunächst einen so genannten „Kernel“ (die an allen Ländern identischen Logistikprozesse) bei der deutschen Vertriebsgesellschaft implementieren. Danach sollten die in vielen anderen europäischen Ländern vorhandenen Vertriebsgesellschaften sukzessive den gleichen Kernel erhalten – zuzüglich einer kontrolliert sehr gering gehaltenen Menge an Add-ons. Add-ons sind Zusatzentwicklungen, die aufgrund zwingender, das heißt nicht an den Kernel anpassbarer, regionaler Prozessunterschiede erforderlich sind. Zum Zeitpunkt der regionalen Roll-outs sollte der Kernel bereits fertig gestellt sein; man wollte während des Roll-outs den regionalen Gesellschaften die Leistungsfähigkeit der bereits im Kernel implementierten Standardprozesse (Kor 2002, S. 1521) demonstrieren können und so den Bedarf an regionalen Add-ons von vornherein gering halten.

3 Der vorgezogene Roll-out in Frankreich Im Sommer 2001 stellte sich aber heraus, dass das Altsystem der französischen Vertriebsgesellschaft nicht eurofähig war und auch nicht mehr eurofähig zu machen war. Dies führte zu der Entscheidung, die Roll-out-Strategie zu ändern und in der französischen Vertriebsgesellschaft zum 01.01.2002 mit der Standardsoftware produktiv zu gehen, bevor der Kernel, d. h. der konzeptionelle und technische Kern für den französischen Roll-out, in Deutschland fertig entwickelt und eingeführt worden wäre.

3.1 Die Umsetzung des vorgezogenen Roll-outs in Frankreich. Aufgrund der Tatsache, dass man jetzt unbedingt zum 01.01.2002, und damit viel eher als geplant, in Frankreich produktiv gehen wollte, musste das Projektteam vergrößert werden. Da die Guidance durch das Kernel-Team nachließ – man war dort einfach noch nicht so weit – hatte sich das Projekt in Frankreich mehr und mehr verselbstständigt. Viele lokale Requirements wurden an die Systementwicklung gegeben, ohne dass das Kernel-Team davon etwas erfuhr. Es fand eine zunehmende „Fraternisierung“ zwischen französischer Fachabteilung – die mehr und mehr Anforderungen an das System unabgestimmt formulierten – und den französischen Beratern statt, die durch die Umsetzung dieser Anforderungen ihren Einfluss vergrößern konnten. Schließlich wurde recht wenig dokumentiert, da die ganzen Zusatzentwicklungen auch nicht mit dem Kernel-Team in Deutschland ab-

131 gestimmt waren, mithin eigentlich gar nicht existierten. Man achtete dabei auch gar nicht auf die Kompatibilität der Entwicklungen untereinander, denn jeder Berater hatte nunmehr einfach das umgesetzt, was ihm sein Gegenpart auf Fachabteilungsseite auftrug. So wurde bis zum letzten Tag vor dem Go-live entwickelt, kaum integriert und nur wenig getestet. Der Kunde war zu diesem Zeitpunkt sehr zufrieden, da jeder einzelne Sachbearbeiter seine Anforderungen umgesetzt sah. Es war allerdings weder die Kompatibilität der einzelnen in Frankreich entwickelten Module geschweige denn die Kompatibilität zu dem Kernel in Deutschland sichergestellt. Da die Vielzahl der Zusatzentwicklungen in Frankreich nicht geplant war, wurde das vereinbarte Budget (Wysocki 2004, S. 42) weit überzogen. Dennoch war man in Frankreich bislang mit dem System sehr zufrieden, denn schließlich wurden die ungeliebten deutschen Kernelprozesse („passen eh nicht auf unser Geschäft in Frankreich“) zugunsten der individuellen französischen Geschäftsprozesse verdrängt. Die Gesamtprojektleitung in Deutschland hatte sich zwar über die Budgetüberschreitungen gewundert, dachte aber, dass besonders viel getestet würde. Dass aber stattdessen eine Fülle von Zusatzentwicklungen durchgeführt wurde, blieb unentdeckt: Reviews (Meredith/Mantel 2003, S. 611 ff.) fanden nämlich nicht statt. Die Dokumentation von Requirements, von Designs und von BuildObjekten (soweit überhaupt vorhanden) war zudem in französischer Sprache abgefasst worden, obwohl die vereinbarte Projektsprache Englisch war. Dennoch nahm die deutsche Gesamtprojektleitung an, dass alles, was die lokale Projektleitung in Frankreich machte, einer sicheren, erfolgreichen Produktivsetzung diente.

3.2 Lessons Learned Was ist hier schief gelaufen? Wie hätte dies verhindert werden können? Was kann man daraus lernen? Wie hätte es besser gemacht werden können? Beginnen wir mit der psychologisch-interkulturellen Betrachtung und geben danach einige Hinweise aus Sicht des Projektmanagements. Im Normalfall gibt es ein natürliches Spannungsverhältnis zwischen Berater und Kundenmitarbeiter. Dieses beruht darauf, dass jede Seite im Interesse ihres Umfeldes arbeitet und damit zur Optimierung des Gesamtsystems beiträgt. In diesem Fall aber haben sich in Frankreich Berater und Kundenmitarbeiter verbunden – über die gemeinsame Sprache, aber auch die gemeinsame Erkenntnis, dass die französischen Geschäftsprozesse so individuell seien, dass sie in Deutschland weder verstanden noch korrekt berücksichtigt werden und mithin unbedingt in Frankreich eins zu eins implementiert werden müssten. Von der Sprachbarriere einmal abgesehen (wie gesagt: die vorgegebene Projektsprache war Englisch) wäre Kommunikation und Akzeptanz relativ einfach sicherzustellen gewesen. Die Entwicklung des Kernels in Deutschland hätte dem französischen Projektteam

132 besser transparent gemacht werden müssen: durch gemeinsame Workshops, Durchführung so genannter Roadshows, gleichberechtigte Entscheidungen (Wysocki 2004, S. 12 f.). Andererseits hätten zur Evaluierung der französischen Requirements Vertreter des Kernel-Teams vor Ort in Frankreich sein müssen, um gemeinsam zu diskutieren und festzulegen, wie diese Requirements mit der Kernel-Strategie abgestimmt werden können. Der französische Berater hätte sich nicht „vor den Karren“ der Fachabteilung spannen lassen dürfen, sondern seine Lösungsideen im Gesamtprojekt einbringen und mithelfen müssen, nach einer gesamtoptimalen Lösung zu suchen. Einfach und zusammenfassend gesagt: Man hätte im Projektteam fair, offen und gleichberechtigt miteinander reden und sich abstimmen sollen. Aus Sicht des Projektmanagements sind die Fehler grundlegend handwerklicher Natur, da hier gleich mehrfach gegen allgemeine Grundlagen des Projektmanagements (Kor 2003, S. 185 f.) verstoßen wurde. Das Scope-Controlling versagte vollständig – denn es erfolgte eine Fülle von Aktivitäten außerhalb des Scopes. Das stattdessen angebrachte Change-Management fand gar nicht statt. Aber auch die Kontrollprozesse (Meredith/Mantel 2003, S. 559 ff.) versagten. Die für eine erfolgreiche Produktivsetzung essenzielle Phase „Test“ wurde weder vollständig geplant, geschweige denn planmäßig durchgeführt; dennoch erfolgte die Meldung an die Gesamtprojektleitung: „Wir sind fertig (und können live gehen).“ Die Gesamtprojektleitung hätte sich die Definition und das Erreichen der Meilensteine genauer ansehen müssen. Damit einhergehend wurde auch das Qualitätsmanagement (Kor 2003, S. 189) nur unzureichend durchgeführt, da nicht sichergestellt war, dass das Projekt den vereinbarten Kundenanforderungen genügen würde. Zusammenfassend gesagt, fehlte es also an integriertem Termin-, Kosten- und Scope-Controlling, wie es bei Anwendung z. B. der Earned-Value-Methode (Kor 2004, S. 633) möglich gewesen wäre.

4 Der Go-live in Frankreich Wie war der Go-live des Standardsoftware-Systems in Frankreich? Die Situation wird nur kurz beschrieben, um mehr auf die durch den alsbald ernannten Krisenmanager aus Deutschland ergriffenen Maßnahmen eingehen zu können. Neben den unmittelbaren werden auch einige mittelfristige Maßnahmen zur Krisenbewältigung und Systemstabilisierung beschrieben. Diese werden wiederum in den interkulturellen Kontext gestellt.

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4.1 Beschreibung der Situation nach dem Go-live Zunächst wurde der Go-live „gefeiert“ – eine Reihe von Einzelprozessen (Bestellungen, Wareneingänge, Verbuchung von Lieferantenrechnungen) liefen fehlerfrei. Die Integration des Gesamtsystems war aber nicht hinreichend getestet worden und funktionierte im Echtbetrieb prompt nicht. Besonders einschneidend war aber ein Fehler im Kommissioniersystem: Kommissionierlisten konnten nicht gedruckt werden und daher ebenso wenig die für den Versand erforderlichen Label und Lieferscheine. Der Versand des Unternehmens war lahm gelegt.

4.2 Maßnahmen des Krisenmanagements Obwohl die Systemfehlfunktionalität bedeutete, dass das Unternehmen nicht lieferfähig und damit in seiner Existenz bedroht war, dauerte es ein paar Tage, bis diese Informationen bei der Gesamtprojektleitung in Deutschland angekommen waren. Zunächst versuchte man das Problem „Frankreich-intern“ zu lösen. Dann aber wurde ein Krisenmanager aus Deutschland ernannt. 4.2.1 Umstellen auf manuelle Verarbeitung Inzwischen war das Softwaresystem teilweise abgeschaltet, Kommissionierlisten und Lieferscheine wurden manuell erstellt. Das bislang gute Verhältnis zwischen französischen Beratern und der Fachabteilung schlug ins Gegenteil um. Einen Tag nach seiner Ernennung stieß der Krisenmanager aus Deutschland zu dem französischen Projektteam. Seine erste Maßnahme war es, alle wesentlichen, notgedrungen manuell durchzuführenden Abläufe kurz dokumentieren zu lassen, damit der Ablauf der Notprozesse zumindest vereinheitlicht und transparent würde. 4.2.2 Verändern des Projektteams Auch innerhalb des Projektteams entwickelten sich Spannungen; freilich wollte niemand die Verantwortung (Wysocki 2004, S. 16) übernehmen. Die lokale Projektleitung in Frankreich wurde abberufen. Das verbleibende Projektteam war unsicher: Sollte es mit dem Krisenmanager kooperieren? Wer nicht kooperationswillig war, wurde durch andere Berater ersetzt. Damit stieg gleichzeitig die fachliche Expertise im Projektteam, die es ermöglichte, möglichst schnell das System zu stabilisieren. Durch die somit im Projektteam zusätzlich geschaffenen Kontrollinstanzen war ein weiterer „Individualismus“ der französischen Berater nicht mehr möglich. Jetzt durften nur noch gemeinsam vereinbarte – und in ihrer Integrationswirkung abgestimmte – Arbeitspakete abgearbeitet werden.

134 4.2.3 Management der Entwicklung von Zusatzmodulen Aufgrund einiger Designfehler mussten zur Systemstabilisierung einige Zusatzentwicklungen im Bereich Warehouse-Management durchgeführt werden. Hierzu wurde nunmehr aufgrund der gemachten Erfahrung – trotz des Zeitdrucks – ein detaillierter Projektplan (PMI 2000, S. 41) entwickelt und umgesetzt. Dies widersprach zwar der Arbeitsweise der französischen Berater, war aber die einzige Chance des Krisenmanagers, Arbeitsinhalt und Arbeitsfortschritt zu verstehen und zu überwachen (PMI 2000, S. 79 f.). 4.2.4 Einführung eines Fehlermanagements In den Wirren der ersten Tage nach Produktivsetzung hatte die Fachabteilung eine Fehlerliste zusammengestellt und sie an die Berater adressiert. Über persönliche Kontakte glaubte man, die Abarbeitung all dieser Fehler zu ermöglichen. Die Analyse der Fehler durch den Krisenmanager ergab aber, dass eine Vielzahl der Einträge gar keine Fehler, sondern zusätzliche Kundenanforderungen darstellten. Diese Analyse war schwierig, da die Kundenanforderungen nicht umfassend schriftlich dokumentiert gewesen waren. Um ein aktionistisches Abarbeiten der Fehlerliste zu verhindern, wurde bei jedem Fehler die Kritikalität in Bezug auf die Geschäftsprozesse untersucht, sodass zunächst nur Fehler der Fehlerklasse A („high impact on business“) behoben wurden. Die Zahl der pro Tag abgearbeiteten und der noch verbliebenen Fehler konnte dann täglich als Statusinformation an das Management gemeldet werden. Damit war eine zielführende Fehlerbeseitigung sichergestellt.

4.3 Erarbeiten von Prozessbeschreibungen Die Fachabteilung hatte in der Designphase der Einfachheit halber ihre Requirements direkt auf die französischen Berater „abgeladen“. Diese hatten dann die Requirements – soweit möglich – umgesetzt. Wie aber sehen die Arbeitsabläufe und Prozessabläufe (Kor 2002, S. 1522) in dem neuen System aus? Dieses hatte man kaum dokumentiert; vielleicht auch deshalb, um sich Arbeit zu ersparen. Nicht wenige Fehler nach dem Go-live waren aber darauf zurückzuführen, dass der einzelne Sachbearbeiter den Gesamtprozess nicht kannte und daher viele Bedienungsfehler gemacht hatte. Die gemeinsame Erstellung einer Prozessbeschreibung unterlag zunächst Widerständen – „Wir haben bei der schlechten Systemstabilität ganz andere Probleme“ – hatte aber nach Fertigstellung schnell Akzeptanz gefunden und Nutzen erbracht.

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4.4 Einführung von Change-Management Auf Unverständnis bei der Fachabteilung und auch beim Projektteam stieß die letzte hier erörterte Maßnahme des Krisenmanagers, nämlich ein Change-Management (PMI 2000, S. 47 ff.) einzuführen. Nunmehr war es nicht mehr möglich, Requirements einfach „über den Zaun“ zu werfen. Sondern fortan musste man genau beschreiben, begründen und bewerten. Erst dann setzte ein formeller Genehmigungsprozess ein, der die Voraussetzung für eine Implementierung war. Oftmals hieß es dann: „We do not want to describe this again and again, as we requested this functionality from the beginning of the project.“ In den meisten Fällen stellte sich dann aber heraus, dass es weder eine schriftliche Definition der Requirements der Fachabteilung, geschweige denn ein Design-Dokument des Beraters gab. Change-Management wurde hier eingeführt, damit die Software innerhalb geordneter Bahnen weiterentwickelt werden konnte. Dies war vorher nicht möglich. Es wurde mit weitaus mehr Entwicklungsarbeiten begonnen, als sich später als machbar und sinnvoll erwiesen. Außerdem waren die entwickelten Einzelteile nicht aufeinander abgestimmt, da sehr viel auf Zuruf gearbeitet wurde.

5 Schlussfolgerungen Im dargestellten Projekt lief die Kommunikation überwiegend in der Dimension eins zu eins ab. Der französische Berater klärte alles unmittelbar mit seinem Ansprechpartner der Fachabteilung ab. Die Kommunikation mit der Gesamtprojektleitung in Deutschland unterblieb, wollte man doch die Fachabteilung „auf eigene Faust“ glücklich machen. Man fürchtete, von der Zentrale in Deutschland sowieso nicht verstanden zu werden. In der dann aufgetretenen Krisensituation wurde zunächst die Projektkommunikation internationalisiert und Abläufe zwischen Kunden und Berater standardisiert: keine Programmierung ohne Change-Request, kein Build ohne dokumentiertes Design, kein Design ohne dokumentierte Requirements. Alle Fehler wurden priorisiert und entsprechend abgearbeitet. Ergänzend dazu wurde ein Prozess für Zusatzentwicklung etabliert, um die notdürftig manuell eingerichteten Prozesse wieder sicher und einfach vom integrierten Softwaresystem durchführen zu lassen.

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Literatur Kor 2004 = Alp Kor: Projektmanagement mit Earned-Value-Kennzahlen. In: WISU, 33. Jg. (2004), H. 5, 628-633. Kor 2003 = Alp Kor: Grundlagen des Projektmanagements. In: WISU, 32. Jg. (2003), H. 2, 185190. Kor 2002 = Alp Kor: ERP-Systeme zur Verbesserung der Geschäftsprozesse. In: WISU, 31. Jg. (2002), H. 12, 1521-1524. Meredith/Mantel 2003 = Jack R. Meredith, Samuel J. Mantel, Jr.: Project Management – A Managerial Approach. Fifth Edition. New York: Wiley 2003. PMI 2000 = Project Management Institute (Hrsg.): A Guide to the Project Management Body of Knowledge. PMBOK Guide. 2000 Edition. Newtown Square, Pennsylvania: Project Management Institute 2000. Wysocki 2004 = Robert K. Wysocki: Project Management Process Improvement, Boston: Artech House 2004.

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Italien: Kommunikationsstile zwischen Italienern und Deutschen Sylvia Kumm, AHK Italien Das Verhältnis von Deutschen und Italienern wurde 1846 in Meyers Konversationslexikon folgendermaßen beschrieben: „Der Deutsche und der Italiener divergieren in ihrem Charakter so sehr, dass beide gleichsam die Pole der westeuropäischen Menschheit bilden.“ Der lebensfrohe Südländer wurde dabei von den Deutschen einerseits beneidet, andererseits sah man auch gerne auf den leichtsinnigen Lebenskünstler herab. Ist dies noch heute so? Sind im modernen Europa die alten Klischees noch lebendig? Auf den ersten Blick scheint sich in über 150 Jahren einiges verändert zu haben. Wenn deutsche Gastgeber heute glänzen wollen, dann bieten sie Prosciutto di San Daniele und Rucola-Salat an und das verwendete Fläschchen Olivenöl beziehen sie direkt vom Bauern in Apulien. Die Deutschen lieben nicht nur italienische Küche, Kunst und Kultur – sie fühlen sich oft auch „ein bisschen wie ein Italiener“. Sollte es wirklich so schwierig sein, mit Menschen aus einem Land zu kommunizieren, das uns doch so nahe und bekannt ist wie Italien? Die Deutsch-Italienische Handelskammer übt, seit sie 1921 in Mailand auf Initiative einiger deutscher und italienischer Kaufleute und Industrieller gegründet wurde, eine Mittlertätigkeit zwischen Geschäftsleuten beider Länder aus. Ihre Aufgabe ist es, deutschen und italienischen Unternehmen Dienstleistungen von praktischem Nutzen für ihre bilateralen Geschäftsbeziehungen anzubieten und ihnen beim Markteintritt auf der anderen Seite der Alpen behilflich zu sein. Ein Hindernis beim Aufbau solcher Geschäftsbeziehungen ist sicher die Unkenntnis der dort herrschenden Nuancen, des Stils im persönlichen Umgang, der kleinen Gesten und Zeichen, auf denen sich Vertrauen oder Misstrauen gründen. Als Mitarbeiterin der Marketing-Abteilung der Kammer sehe ich mich fast täglich mit Beispielen von kulturellen Interferenzen konfrontiert. Als Mediatorin zwischen den beiden Mentalitäten ist es meine Aufgabe zu verstehen, ob es sich bei einem Konflikt um Interessengegensätze, um taktisch bewusst eingesetztes Nichtverstehen oder um wirkliche Missverständnisse handelt. Dazu ein Beispiel aus der Praxis, bei dem ich zur Verdeutlichung Elemente aus verschiedenen tatsächlichen Vorfällen kombiniere:

138 Ein mittelständischer italienischer Möbelhersteller muss dringend wegen eines eiligen Großauftrages Holzleisten einkaufen. Auf einer Messe in Italien lernt Herr Pozzi1, der das Unternehmen vor 30 Jahren von seinem Vater übernommen hatte, einen deutschen Leistenfabrikanten kennen, der zum ersten Mal in Italien ausstellt. Man trinkt einen Kaffee, später noch ein Glas Wein zusammen und versteht sich blendend. Herr Pozzi klärt mit Herrn Manfred Steinler – so heißt der deutsche Geschäftsmann – genau, was er benötigt: Art und Qualität der Leisten, Kosten, Lieferbedingungen, Zahlungsfristen, usw. Zufrieden mit dem PreisLeistungs-Verhältnis erklärt er sich mit allem einverstanden und sagt, dass er nun auf die Lieferung warte. Herr Steinler kommt von der Messe zurück und hat inzwischen mit anderen deutschen Ausstellern Erfahrungen über das Italiengeschäft ausgetauscht. Dabei hat er diverse Geschichten gehört, in denen es um die Unzuverlässigkeit „der Italiener“ geht, um ihre laxe Zahlungsmoral, ihren lässigen Umgang mit Terminen etc. Er denkt sich: „Diesen Italienern sollte man wohl lieber nicht zu sehr vertrauen, und außerdem hat mir mein Anwalt nach dem letzten geplatzten Geschäft geraten, nie etwas ohne schriftliche Vereinbarung zu liefern.“ Er lässt also von seinem Exportbüro erst einmal einen Brief aufsetzen, in dem er sich für das gezeigte Interesse bedankt und Herrn Pozzi auffordert, doch noch einmal schriftlich zusammenzufassen, an welchen Leisten er interessiert sei. Herr Pozzi erhält diesen Brief einige Tage später und ist empört. Schließlich hat er doch bereits alles mit seinem „Freund Manfred“ – dem Geschäftsführer persönlich – geklärt. Wieso sollte er sich nun mit irgendeinem Mitarbeiter aus der Exportabteilung herumschlagen. Er denkt sich aber, dass die Deutschen eben anders sind, ein Handschlag unter Geschäftsleuten gelte in Deutschland wohl nichts, die machen es eben pingelig genau und schriftlich. Er lässt also am Abend die Freundin seines Sohnes kommen, die Englisch studiert, und ein möglichst perfektes Schreiben aufsetzen, um eine „bella figura“ zu machen. Die Exportabteilung des Leistenherstellers ist inzwischen völlig überarbeitet. Die Messe in Italien ist ein voller Erfolg gewesen, man muss so viele Anfragen beantworten, dass man kaum noch nachkommt. Auch wenn auf der Anfrage Herrn Pozzis „urgent“ steht, bleibt sie erst mal liegen. Man weiß ja, dass es in Italien etwas lockerer zugeht und „die“ es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen. Herr Pozzi ist inzwischen in argen Schwierigkeiten, denn er müsste so bald wie möglich mit der Produktion beginnen und dazu braucht er das Material. Er versteht die Welt nicht mehr. Die Deutschen sind doch für ihre Pünktlichkeit und Präzision bekannt. Ob die bei der Leistenfabrik mit der Qualität wohl auch so schlampen wie mit seiner Anfrage? Er beginnt, sich nach anderen Lieferanten umzusehen. 1 Alle verwendeten Namen sind fiktiv.

139 Eine Woche später bekommt er ein Angebot von der Leistenfabrik. Inhalt des Standardangebotes ist auch, dass er als neuer Kunde Vorauszahlung zu leisten habe oder eine Bankbürgschaft vorlegen müsse. Herr Pozzi ist empört. Seitdem das Unternehmen von seinem Großvater gegründet wurde, sind immer alle Rechnungen bezahlt worden. Mit wem, glauben diese Deutschen denn, haben sie es hier zu tun? Er meldet sich nicht mehr und gibt einem italienischen Hersteller den Auftrag. Herr Steinler hört nie wieder etwas von Herrn Pozzi. Er gratuliert sich im Stillen dazu, wie umsichtig er doch gewesen sei, nicht ohne schriftliche Vereinbarung die Ware auszuliefern. Wie man sieht, war der mündlich erteilte Auftrag ja gar nicht ernst gemeint. Diese beiden Unternehmen werden wohl nie ein Geschäft miteinander abschließen. Wie das Beispiel zeigt, gibt es für Deutsche also doch einiges zu beachten, wenn sie es mit einem italienischen Geschäftspartner zu tun haben. In der Regel fehlt es dem erfahrenen Geschäftsmann allerdings nicht an der Bereitschaft, sich ein Vorwissen über die andere Kultur anzueignen und sich auf andere Kommunikationsstrukturen einzulassen, um erfolgreiche Geschäftsabschlüsse zu erzielen. Aber auch wenn er durchaus erwartet, dass es in einem anderen Land für ihn fremde Verhaltensweisen gibt, lässt er sich doch eher unbewusst von seinen eigenen Klischeevorstellungen beeinflussen. Gibt es den typischen italienischen Geschäftsmann? Die häufig vor der ersten Verhandlung in Italien gestellte Frage, wie man sich den typischen italienischen Geschäftsmann vorzustellen und wie man mit diesem umzugehen habe, lässt sich auch nicht einfach beantworten. „Den“ typischen italienischen Geschäftsmann gibt es nicht. Das Geschäftsleben ist je nach Region, aber auch nach Branche ganz unterschiedlich geprägt. Oft spielt die individuelle Persönlichkeit und Erfahrung des Gegenübers eine stärkere Rolle als seine kulturelle Prägung. In Deutschland ist dies ja nicht anders: Der bayerische Brauereibesitzer hat sicher recht wenig mit dem Informatiker aus Hamburg gemein. Stark verallgemeinernd kann man sagen, dass in Norditalien eher Schnelligkeit und Effizienz gefragt sind, während im so genannten „Mezzogiorno“, dem Süden des Landes, persönliche Beziehungen eine viel ausgeprägtere Rolle spielen. Unternehmensformen Hinzu kommen die unterschiedlichen Unternehmensformen. Gerade Italien ist von einer großen Vielfalt geprägt. Neben den zahlreichen privaten Unternehmen

140 in Familienbesitz gibt es auch den multinationalen Konzern. Und während man bei den traditionellen familiengeführten Unternehmen bei wichtigen Geschäften oft dem alten Familienoberhaupt und Firmengründer gegenübersitzt, hat man es beim Konzern eher mit international geschultem Management zu tun. Bei einer solchen Vielfalt ist es natürlich nicht einfach, einheitliche Verhaltenstipps zu geben. Man kann aber dennoch ein paar grundsätzliche Unterschiede im Gesprächsstil zwischen Italienern und Deutschen festmachen, die meistens Gültigkeit haben und Missverständnisse und Fehlinterpretationen auslösen können. Konfliktauslöser bei der Kommunikation Zu den größten Konfliktauslösern gehört sicher das unterschiedliche Zeitverständnis: Während Deutsche in der Regel dazu neigen, die Zeit in Abschnitte einzuteilen, in denen bestimmte Aufgaben erledigt werden sollen, hat der Italiener ein eher polychrones Zeitverständnis. Er ist ungern „Sklave“ der Zeit und möchte in jedem Moment frei entscheiden können, welcher Aufgabe er im Augenblick seine Aufmerksamkeit widmet. Oft macht er auch verschiedene Dinge gleichzeitig. Nicht selten habe ich es erlebt, dass man pünktlich zu einem Verhandlungstermin erscheint, der italienische Ansprechpartner aber gerade noch in ein längeres Gespräch mit einem andern Geschäftspartner verwickelt ist, um dann während der endlich stattfindenden Verhandlung noch ein Telefonat von seiner Mutter entgegenzunehmen und seine Sekretärin zum Unterschreiben einiger wichtiger Briefe hereinzurufen. Die extra aus Deutschland angereisten deutschen Geschäftspartner legen dieses Verhalten schnell als unhöflich aus und bezweifeln dann die Ernsthaftigkeit des Interesses am Aufbau einer Geschäftsbeziehung. Des Weiteren irritiert deutsche Geschäftsleute in Italien die assoziative und deduktive Denkweise vieler Italiener. Je interessierter der italienische Gesprächspartner an einem konkreten Geschäftsabschluss ist, desto häufiger wird er den deutschen Geschäftsmann mit Zwischenfragen unterbrechen, ausführliche Beispiele erbitten oder eigene Erzählungen einstreuen. Der Deutsche hingegen – vielleicht von einem eher linearen Denken geprägt – möchte seine sorgfältig vorbereitete Unternehmenspräsentation der Reihe nach halten und hat den jetzt erfragten Punkt erst später vorgesehen. Wichtig ist hier, dass man als Deutscher viel Zeit und Flexibilität mitbringt. Im Grunde ergänzt sich die agilere italienische Vorgehensweise oft recht gut mit der deutschen Gründlichkeit. Allgemein legen Italiener mehr Wert auf den persönlichen Kontakt. Ein wichtiges Geschäft wird lieber abgeschlossen, wenn man sich persönlich kennen gelernt hat. Deshalb ist es auch üblich, den Geschäftspartner zum Essen einzuladen. Dem eher lockeren Gesprächsstil steht ein eher konservativer Dresscode gegenüber, auch wenn dies von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ist.

141 Auf keinen Fall sollte man als Deutscher versuchen, sich auf dogmatische Weise durchsetzen zu wollen, denn nichts ist bei den Italienern unbeliebter als die deutsche „Besserwisserei“. Eine gute Vorbereitung ist wesentlich für das Gelingen eines Gespräches. Je mehr man im Vorfeld über den Gesprächspartner weiß, desto besser kann man sich auch auf ihn einstellen: Wie groß ist die Firma, wo liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit, welche Position hat der Gesprächspartner, wo liegt sein Interesse? Verhältnis zwischen den Geschlechtern Zu beachten ist auch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Im Vergleich zu Deutschland sind die Rollen der Geschlechter in Italien klarer voneinander abgegrenzt. Männer haben bestimmter und härter zu sein, Frauen bescheidener und einfühlsamer. Dies stellt eine Frau in Führungsposition vor gewisse Schwierigkeiten. Eigener Titel und Gewicht des vertretenen Unternehmens sind hier besonders wichtig, um sich durchsetzen zu können, ohne allzu dominant zu wirken. Vieles hat sich in dieser Beziehung in den letzten Jahren geändert. Während ich es am Anfang meiner Tätigkeit fast ausschließlich mit männlichen Geschäftsführern zu tun hatte, stoße ich inzwischen häufiger auf weibliche Führungskräfte. Gerade in den in Italien so verbreiteten mittelständischen Familienunternehmen sind es oft die Töchter des Firmengründers, die wichtige Rollen im Unternehmen einnehmen. So zum Beispiel Anna Maria Artoni, die nicht nur an der Spitze des Familienunternehmens Artoni Trasporti Spa mit einem Jahresumsatz von circa 110 Millionen Euro steht, sondern auch Vizepräsidentin des Industrieverbandes Confindustria ist. In der Rolle der neutralen Vermittlerin habe ich es allerdings eher als Vorteil empfunden, eine Frau zu sein. Mein Bemühen, jeweils bei beiden Seiten für Verständnis und Harmonie zu sorgen, steht in keinem Widerspruch zur traditionellen Frauenrolle und wird in der Regel von beiden Parteien mit Wohlwollen gesehen. Als Vertreterin einer wichtigen deutschen Institution wird mir auch als Frau schnell Autorität zugestanden. Fazit Dass die beiden „Pole der westeuropäischen Menschheit“ doch nicht unüberbrückbar auseinander liegen, zeigt die lange Erfolgsgeschichte der deutschitalienischen Wirtschaftsbeziehungen: Fast 14 Prozent des italienischen Exports gehen nach Deutschland, andererseits kommen rund 18 Prozent der italienischen Einfuhren aus Deutschland. Deutschland ist somit Italiens wichtigster Handelspartner, vor Frankreich und den Vereinigten Staaten. Bringt man die Bereitschaft mit, sich auf die andere Mentalität einzulassen, dann macht das Arbeiten und Verhandeln mit Italienern viel Spaß!

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Großbritannien – Holland: Umgang mit Konflikten und Stereotypen in einem internationalen Projektteam Michael Köhler, freier Unternehmensberater

Einleitung In einem großen internationalen Konzern unternahm der für das zentrale Projektmanagement zuständige Human Resource Manager eine Reise in die Produktionsstandorte Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Sein Ziel war es, eine Analyse der PM-Trainingsinhalte und -methoden vor Ort vorzunehmen, um die Internationalisierung der Trainings in den Standorten vorzubereiten. Seine nur halb scherzhaft gemeinte Diagnose: In Deutschland seien erwartungsgemäß Psychoanalytiker am Werk, in Frankreich akademisch geprägte Theoretiker und in Großbritannien Menschen mit einem sehr ausgeprägten Spieltrieb. Diese Episode illustriert, dass Interaktionen in internationalen Projekten häufig an stereotype Wahrnehmungsmuster der jeweils „anderen“ anknüpfen. Diese wiederum entstehen im komplexen Spannungsfeld kultureller Selbst- und Fremdwahrnehmung. Sie sind einem kontinuierlichen Wandel unterworfen. Jenseits der ihnen zu Recht zugeschriebenen negativen Wirkungen haben sie jedoch als Ordnungsinstanz bei der Verarbeitung von neuen Informationen eine wichtige Funktion.1 Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, den Umgang mit kulturell geprägten Stereotypen in einem britisch-holländischen IT-Projektteam aus der Perspektive des Beraters zu beleuchten und Möglichkeiten zum konstruktiven Umgang damit aufzuzeigen. Im Zentrum der Betrachtung stehen Kommunikationsmuster und der Umgang mit Konflikten sowie Problemlösungsstile und Projektcontrolling. Dem liegt die Beobachtung zugrunde, dass nationale Stereotypen in internationalen Projekten häufig von den Beteiligten genutzt werden, um latente Ängste, Unterschiede in der Arbeitsweise und Schwierigkeiten der Zusammenarbeit zu kanalisieren. Betroffen davon sind in der Regel weniger multinationale Projekte mit 1 „We can regard them as statements created by ordinary people which serve a legitimate purpose in their understanding and organisation of the world […] condensations of certain kinds of routine experience: not fact precisely, but not fiction either: partial attempts at explaining significant regularities“ (Gajewska-De Mattos et al. 2002, S. 3).

143 einer Vielzahl von Beteiligten aus sehr unterschiedlichen Kulturen als vielmehr binationale Projekte, in denen es eine Tendenz zur Bildung von nationalen „Fraktionen“ und damit verbunden zur Verallgemeinerung von (vorgeblich) nationalkulturellen Unterschieden gibt. Die häufig schwierigen Arbeitsbedingungen virtueller Projektteams leisten solchen Tendenzen noch zusätzlich Vorschub.

Das Projekt In einem global tätigen Konzern der Lebensmittelbranche beschloss der IT-Vorstand ein Optimierungsprojekt mit dem Ziel, die Geschwindigkeit und die Qualität bei der Implementierung von zentralen Software Updates zu verbessern und die Voraussetzungen für eine weltweit effektivere und flexiblere PCKonfiguration zu schaffen. In einem Pilotprojekt sollte das System zunächst getestet und die dazugehörigen Prozesse aufgesetzt werden. Mit der Umsetzung des Projektes betrauten die Auftraggeber eine Task-Force der in London ansässigen zentralen IT-Abteilung und Mitglieder eines lokalen ITTeams aus einem großen Produktionsstandort in Holland. Darüber hinaus wurde ein Beraterteam unter Leitung des Autors engagiert, um das Projekt zu unterstützen. Aufgabe der Berater war es, den Projektprozess zu gestalten und im weiteren Verlauf des Projektes die beiden Projektleiter2 zu coachen. Nach einem ersten Treffen wurden gemeinsam mit den Auftraggebern die groben Ziele des Projektes geklärt und die weiteren Prozessschritte festgelegt.3 Bei der Analyse der vier Prozessebenen (vgl. Abb. 1) kristallisierte sich vor allem die Teamdynamik als zentrale Herausforderung des Projektes heraus.

Abbildung 1: Prozessebenen im Projekt (Quelle: Mayrshofer et al. 2001) 2 Die Ernennung von je einem holländischen und einem britischen Projektleiter entsprach insofern der Logik von virtuellen Teams, als sie die unmittelbare Einbindung von Teammitgliedern aus beiden Standorten und den direkten Kontakt mit deren Linienvorgesetzten ermöglichte. 3 Zur Methodik des dort verwendeten Kontext-Modells und seiner Anwendung bei der Zieldefinition und beim Start von Projekten vgl. Mayrshofer et al. 2001, S. 133 ff. u. 190 ff.

144 Bereits in der Vergangenheit hatte sich die Kooperation zwischen den niederländischen und den britischen IT-Experten als eine Schwachstelle in der europäischen IT-Zusammenarbeit erwiesen. Fragezeichen gab es darüber hinaus in Bezug auf die Planung und das Projektcontrolling. Als unproblematisch werteten die Projektbeteiligten hingegen den eigentlichen Produktentstehungsprozess bzw. die technischen Aspekte der Projektumsetzung. Auch der Entscheidungsprozess und die Arbeit des Steuerungsgremiums erschienen weitgehend unbelastet von widerstreitenden Interessen über die Ziele des Projektes.

Ausgangssituation Schon bei der Durchführung von Diagnose-Interviews mit Teammitgliedern in den beiden Standorten zeigte sich, dass im Projekt zahlreiche negative Stereotypen über die Teamkollegen auf der jeweils anderen Seite des Ärmelkanals kursierten. Besonders auf holländischer Seite kristallisierten sich die wahrgenommenen Unterschiede zu fest gefügten nationalen Stereotypen über „the Islanders“ heraus, die einer differenzierten Sichtweise offenbar nur schwer zugänglich waren.4 Obgleich wir die Vermutung hegten, dass sich kulturelle Unterschiede zwischen Briten und Holländern in der Tat negativ auf deren Zusammenarbeit auswirken könnten, schien es uns unangemessen, die bestehenden Vorbehalte ausschließlich auf solche Unterschiede zurückzuführen. Angesichts der zahlreichen national geprägten Zuschreibungen stellten wir vielmehr die These auf, dass sie implizit die sozialen und funktionalen Unterschiede zwischen den Subteams und die negativen Erfahrungen der Vergangenheit bündeln und so die wahrgenommene Komplexität auf beiden Seiten reduzieren sollten. Der Preis für die Wahrnehmung dieser Funktion bestand in einem latenten Misstrauen, das allgegenwärtig war und bereits in der Vorphase des Projektes zu verbalen Entgleisungen und Spannungen führte.5

4 „There are huge differences between us continentals and the islanders [….]“; „Culture is a problem, especially with the British […] We call them the Yes-People, they always say yes to management“; „It’s always the English that take over important positions […].“ 5 Zitat eines holländischen Team-Mitglieds: „We want to be taken seriously by them, being asked in a respectful way, not just getting the shit thrown over the fence […].“

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Projektstart und Teambildung Aufbauend auf dieser These beschlossen wir, die Stereotypen beim Kick-offWorkshop gezielt zu thematisieren.6 Teilnehmer des Workshops waren die beiden Projektleiter, die Mitglieder des britischen und holländischen Teilteams und der Auftraggeber des Projektes, der zur Abnahme der Ergebnisse am letzten Tag des Workshops anreiste. Die gewählte Vorgehensweise bestand darin, die Stereotypen und vorhandenen Bilder in Form eines systematischen Abgleichs von kollektiver Selbst- und Fremdwahrnehmung transparent zu machen. Darauf aufbauend sollten Mechanismen entwickelt werden, die eine differenziertere, weniger schematisch geprägte Wahrnehmung und eine konstruktive Zusammenarbeit im Gesamtteam ermöglichen würden. Dabei wurden zunächst beide Gruppen gebeten, herausragende Eigenschaften „der“ anderen – also „der“ Briten bzw. „der“ Holländer – zu sammeln und zu visualisieren (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Wahrnehmung der britischen Teammitglieder durch ihre holländischen Kollegen Die Ergebnisse wurden im Plenum vorgestellt, abgeglichen, kommentiert und im Hinblick auf mögliche Konsequenzen für die gemeinsame Zusammenarbeit diskutiert. Eine der wichtigsten Maßnahmen, die die Teammitglieder im Anschluss an 6 Der Kick-off-Workshop diente einerseits der Teamentwicklung, des Weiteren aber auch der Schaffung eines gemeinsamen Auftragsverständnisses, der Rollenklärung sowie der Grobplanung des Projektes. Zu Funktion und Durchführung des Kick-off-Workshops in Projekten vgl. Mayrshofer/Kröger 2001, S. 133 ff.

146 diesen Schritt vereinbarten, war die Bildung von so genannten Team-Tandems, die aus je einem holländischen und einem britischen Teammitglied bestanden. Die Tandems hatten die Aufgabe, in schwierigen oder konfliktiven Situationen, an denen Mitglieder aus beiden Standorten beteiligt waren, vermittelnd tätig zu werden. Ihnen oblag es im weiteren Projektverlauf, sich als Coaches für ihre Kollegen am anderen Standort zu betätigen und so die Projektleiter zugunsten von Planungs- und Koordinationsaufgaben im Projekt zu entlasten.

Kommunikation und Umgang mit Konflikten Der Kick-off-Workshop erlaubte es darüber hinaus, kulturelle Kommunikationsmuster herauszuarbeiten, die sich als eine der Hauptquellen für Irritationen zwischen holländischen und britischen Teammitgliedern herausstellten. Im Kern handelte es sich dabei um eine klassische High-low-Context-Konstellation (vgl. Hall 1976).7 Die Tendenz der Briten zu „coded speach“ und indirekter Kommunikation stand dabei in krassem Gegensatz zur direkten, auf Transparenz und Offenheit zielenden Kommunikation der Holländer (vgl. Abb. 3).

Abbildung 3: High-low-Context-Kommunikation zwischen Holländern und Briten Während deren sprachliche Signale von den britischen Empfängern häufig auch dann als aggressiv wahrgenommen wurden, wenn dies von den Sprechern gar nicht beabsichtigt war, so tauchten bei den Holländern kontinuierlich Fragezeichen über den ‚wahren‘ Gehalt einer von den Briten geäußerten Botschaft auf.8 Verschärft wurde diese Wahrnehmung noch durch die massiven Sprachprobleme 7 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die interessante empirische Untersuchung von Dunkerley/Robinson, 2002 über die Selbst- und Fremdwahrnehmung britischer und US-amerikanischer Manager. 8 Statement eines holländischen Teammitglieds: „It’s hard to understand the strange behaviour of the English colleagues: they are friendly, but you don’t know what they want!“

147 einiger holländischer Teammitglieder. In der Vergangenheit hatte diese Mischung dazu geführt, dass selbst fachliche Diskussionen und unterschiedliche Standpunkte in Sachfragen schnell eine konfrontative Färbung angenommen und Konflikte provoziert hatten. Das Hinterfragen dieser Mechanismen unter Beteiligung des gesamten Teams bot die Gelegenheit, sich intensiv mit dem Schlüsselthema Kommunikation auseinander zu setzen und die zugrunde liegenden kulturellen Unterschiede zu verstehen. Zugleich erlaubte diese Methode den Beteiligten wertvolle Einblicke in die Reaktion anderer auf die eigenen kommunikativen Muster. Die Thematisierung der gegenseitigen Wahrnehmungen stabilisierte somit kulturelle Unterschiede nicht in Form von objektivistischen Zuschreibungen, sondern leistete einen Beitrag dazu, sie durch die Hervorhebung von subjektivem Erleben aufzulösen9. Damit wurde die Plattform für eine Veränderungsdynamik geschaffen, die sich im weiteren Verlauf des Projektes äußerst positiv auf die Interaktionen des Projektteams auswirkte. Bereits im Workshop erlaubte sie es den Teilnehmern, festgefahrene, kontraproduktive Wahrnehmungsmuster hinter sich zu lassen und sich stärker auf Sach- und Planungsaufgaben im Projekt zu konzentrieren.

Problemlösungsstile und Projektcontrolling Ein weiterer offensichtlicher Unterschied in der Herangehensweise von Briten und Holländern betraf die Art und Weise der Problemanalyse und -lösung und das Projektcontrolling. Bereits im Kick-off hatten holländische Teilnehmer die mangelnde Handlungsorientierung („too much talk, too less activity“) und die Dokumentations- und Kontrollwut „der“ Briten („they love procedures and documentation“) kritisiert. Tatsächlich legte die englische Seite großen Wert auf die detaillierte Dokumentation und umfassende Standardisierung von IT-Prozessen. Die Holländer hingegen qualifizierten die entsprechenden Praktiken als übertrieben und kontraproduktiv und führten sie als ein weiteres Beispiel für britischen Bürokratismus an10. Als wir im Workshop die Gründe für diese Unterschiede hinterfragten, kamen jedoch Aspekte ins Spiel, die mit einer vermeintlich kulturellen Prägung der Beteiligten nur wenig zu tun hatten. Als entscheidend stellten sich vielmehr der Arbeitskontext und die daraus resultierenden professionellen Verhaltensmuster der IT-Experten heraus. So wurde deutlich, dass die Holländer zum Teil seit mehr als 20 Jahren konstant am gleichen Standort zusammenarbeiteten. 9 Vgl. dazu (Soederberg et al. 2000), die in ihrer Untersuchung über den Verlauf eines dänisch-deutschen Mergers die Durchführung einer „pre-merger culture analysis“ durch externe Berater mit genau dem gegenteiligen Effekt beschreiben. 10 Interessanterweise zitiert Winch in seiner Untersuchung über Innovation in einem britisch-französischen Projektteam (2000, S. 812) ähnlich lautende Aussagen britischer Informanten: „On a day to day basis the British seem entrenched in rules and regulations to the point of major delays in headway […].“

148 Dies hatte zur Folge, dass das Wissen um relevante Prozesse dort stark personalisiert war. Ganz anders die „site culture“ am englischen Standort. Hier waren ständig wechselnde Besetzungen, eine vergleichsweise hohe personelle Fluktuation und die Beschäftigung von so genannten „contractors11“ an der Tagesordnung. Dokumentation und Standardisierung waren somit existenziell wichtige Rahmenbedingungen, damit die Abteilung ihre Funktion als zentrale IT angemessen wahrnehmen konnte. Gleiches galt für Abstimmungsprozesse zwischen den Teammitgliedern („too much talk, too less activity“), die im eingespielten, holländischen IT-Team weit weniger Zeit in Anspruch nahmen als in der vergleichsweise jungen und heterogenen englischen Task-Force. Zugleich ergab die Analyse des Projektumfelds, dass die englischen Teamkollegen aufgrund ihrer Funktion eine weitaus höhere Anzahl von wichtigen unternehmensinternen Stakeholdern zu managen hatten als ihre holländischen Teamkollegen. Was somit unter den Gesichtspunkten der zentralen IT sinnvoll und funktional war, konnte im überschaubaren Kontext des holländischen Produktionsstandorts leicht als überflüssige und zeitraubende Praxis erscheinen. Entscheidend für den praktischen Umgang mit diesen Differenzen war es, Transparenz über die kontextgebundene Funktionalität dieser Verhaltensweisen im Gesamtteam herzustellen. Erst das Verstehen dieses Kontextes – jenseits von pauschalen kulturellen Attributen – erlaubte es, eingefahrene Stereotypen aufzubrechen und die Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit im Projekt zu legen.

Schlussbemerkung Projekte werden ins Leben gerufen, um vielfältige Sichtweisen und unterschiedliches Know-how bei der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels zu integrieren. Insofern sind sie per Definition Orte, an denen Unterschiede aufeinander prallen. Für internationale Projekte gilt dies in besonderem Maße. Dort ist auch das Risiko besonders hoch, dass fehlender persönlicher Kontakt, Verständigungsprobleme, unterschiedliche Erwartungen und anders geartete organisatorische Rahmenbedingungen zu einer wechselseitigen Entfremdung der Teammitglieder voneinander führen. Es liegt dann eine gewisse Versuchung darin, in vermeintlich national geprägten Verhaltensmustern den Schlüssel zum Verständnis projektbedingter Schwierigkeiten zu sehen. In der Tat erlaubt der Blick darauf wichtige Anhaltspunkte für die Ursachen von Problemen, mit denen internationale Projektteams konfrontiert sind. Die in der Tradition von Geert Hofstede (1996) und Fons Trompenaars (1997) betriebene Fokussierung auf nationale kulturelle Faktoren wird jedoch der Komplexität in internationalen Projekten nur ansatzweise gerecht. 11 Selbstständige IT-Experten, die auf Zeit im Unternehmen arbeiten.

149 Pragmatischer scheint es, von „micro-cultures“ zu sprechen, die in internationalen Projekten, Merger-Situationen u.ä. jeweils in einer bestimmten Konstellation auftreten (vgl. Soederberg et al. 2000; Köhler 2003). Kulturelle, persönliche und unternehmensbezogene Elemente fließen hier zusammen und konstituieren spezifische Subkulturen, die eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Hinzu kommen ganz „normale“ Interessenkonflikte und Sachfragen, die in jedem Projekt an der Tagesordnung sind. Dieses Geflecht gilt es, zu verstehen und zu durchdringen. Angesichts dessen stellen das Wissen um Unterschiede, die Einsicht in die eigenen Reflexe und die Bereitschaft zum Hinterfragen von vermeintlich klaren, eindeutigen Tatbeständen das beste Rüstzeug dar, um in internationalen Projekten zu bestehen und zu deren Erfolg beizutragen.

Literatur Dunkerley/Robinson 2002 = Kathleen J. Dunkerley, W. Peter Robinson: Similarities and Differences in Perceptions and Evaluations of the Communication Styles of American and British Managers. In: Journal of Language and Social Psychology 21 (4), December 2002, 393-409. Gajewska-De Mattos et al. 2002 = Hanna Gajewska-De Mattos, Malcolm Chapman, Jeremy Clegg: Close Neighbours and Distant Friends: Managerial Perceptions in Cross-Border Mergers and Acquisitions. Paper submitted to 28th EIBA conference, December 8-10, Athens 2002. Hall 1976 = Edward Hall: Beyond Culture. New York: Anchor 1976. Hofstede 1996 = Geert Hofstede: Cultures and Organizations, Software of the Mind. New York: McGraw-Hill 1996. Köhler 2003 = Michael Köhler: Internationale Teams: Kulturelle Unterschiede erkennen und nutzen. In: Projekt Magazin 5, 2003. Mayrshofer/Kröger 2001= Daniela Mayrshofer, Hubertus Kröger: Prozesskompetenz in der Projektarbeit. Hamburg: Windmühle Verlag 2001. Trompenaars 1997 = Fons Trompenaars, Charles Hampeden-Turner: Riding the Waves of Culture. New York: Mc Graw-Hill 1997. Soederberg et al. 2000 = Anne-Marie Soederberg, Martine C. Gertsen, Eero Vaara: Cultural Change Processes in Mergers. A Social Constructionist Perspective. Working Paper, Department of Intercultural Communication and Management, Copenhagen Business School, 2000. Winch 2000 = Graham M. Winch: Innovativeness in British and French Construction: The Evidence from Transmanche-Link Project. In: Construction Management and Economics 18, 2000, 807-817.

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Brasilien: Wirtschaftspartner Brasilien – Eine Verhaltensanalyse Günter Hierneis, Adviser Intercultural Management Gegenstand dieses Beitrags sind die interkulturelle Schnittstellen, die einer außenwirtschaftlichen Tätigkeit in Brasilien entspringen. Die Anpassungsanforderungen sind bei einem Investment, sei es Green Field oder Joint Venture, am größten, bei Handel geringer und bei Technologietransfer eigentlich nur auf das Marketing des Know-hows und die Formalien der Abwicklung beschränkt. Natürlich ergeben sich auch da Probleme bei Geschäftsanbahnung, Abschluss und Kontrolle. Aber sie erreichen nicht die Intensität, die bei der Zusammenarbeit mit einem brasilianischen Partner oder auch einem vollständig eigenen Investment täglich gefordert ist, um die Mentalitätsschwelle zu meistern. Es gibt im interkulturellen Feld im Allgemeinen und auch zu Brasilien im Speziellen reichlich Literatur, überwiegend in der Form von Rezepturen, wie man sich in vielen detailliert beschriebenen Situationen verhalten solle. Sinnvoller erscheint es, statt Rezepte Konzepte zu formen. Diese vermitteln nicht nur Wissen, sondern bilden Fähigkeiten aus. Wenn zu einem bestimmten Rezept die Zutaten gerade nicht zur Hand sind, nützt das bloße Wissen wenig. Ein Konzept zur Analyse des Verhaltens des Partners und zur Ausbildung des eigenen hilft immer, ist flexibel einsetzbar und entspricht der Dynamik des wirtschaftlichen und unternehmerischen Umfeldes. „Learning by doing“ gilt aber auch hier. Kann man die vorab verfügbaren Daten und Informationen zusammen mit denen, die dann im Geschäftsalltag auf einen einstürzen, richtig zuordnen, dann ist man auch unvorhersehbaren Situationen gewachsen, und solche gibt es gerade in Brasilien reichlich. Durch eine Verhaltensanalyse sollen Wissen, Bewusstseinsgrad und Umsetzungsfähigkeit in optimales Verhalten verbessert werden. Ziel ist nicht eine übertriebene Anpassung, sondern die Summe nützlicher Verhaltensformen beider Kulturen. Dies setzt voraus, dass man nicht die Vorteile der eigenen Kultur aufgibt, sie aber auch nicht mit einem missionarischem Eifer durchsetzt, der den Kulturschock nicht abbaut, sondern geradezu produziert. Grundlegende Verhaltensformen, die uns gesellschaftsfähig machen, gelten in Brasilien ebenso wie in Deutschland. Der kulturelle Abstand ist keineswegs so groß wie etwa zu asiatischen Ländern. Wie in den Sprachen, macht auch hier der Ton die Musik. Was

151 Dosierung und Akzentuierung angeht, stehen sich brasilianische und deutsche Perzeption und Konzeption vielfach geradezu diametral gegenüber. Aber aus eben dieser oppositionellen Konstellation ergibt sich auch eine Fülle von komplementären Faktoren. Die Synthese aus brasilianischem und deutschem Unternehmertum kann außerordentlich fruchtbar sein. Einige Hinweise sollen nun illustrieren, wie Wissen aus den verschiedenen Hilfsfeldern des interkulturellen Managements auf deutsch-brasilianische Beziehungen Anwendung finden kann. Der Einfachheit halber verstehen wir unter Kultur, neben mehreren hundert Definitionen in der Literatur, schlicht „wie wir uns verhalten“. Das umfasst triviale Ingredienzien, wie Kleidung, Nahrung, Wohnen, Grüßen, und komplexe, wie Kontaktanbahnung, Kontaktpflege, bis hin zur eigentlichen Geschäftsführung. Kurz zusammengefasst kann in einem achtstufigen Konzept die Grundlage für die Verhaltensanalyse erarbeitet werden: 1. Warum verhalte ich mich so, wie ich es tue? 2. Wie hat meine eigene Kultur zu diesem Verhalten beigetragen? 3. Was ist für meine Kultur typisch? 4. Wie kann ich diese Selbstanalyse auf andere übertragen? 5. Wie sehe ich die anderen und deren Kultur? 6. Welche Vorurteile sollte ich zugunsten von Urteilen aufgeben? 7. Welche Verhaltensmuster der anderen Kultur kann ich mir und meinen Unternehmenszielen zunutze machen? 8. Welche kulturelle Grundlage haben diese Verhaltensmuster? Um sich bei der Anwendung des obigen Katalogs von acht Fragen nicht gleich bei der ersten ins Uferlose zu verlieren, sollte man sie auf die Aspekte eingrenzen, die für den praktischen geschäftlichen Kontakt relevant sind. Andernfalls bleibt man bei einer bis zur tiefenpsychologischen Ausleuchtung führenden Selbstanalyse hängen. Deshalb soll die zweite Frage helfen, die Zielvorgabe auf diejenigen hervorstechenden Verhaltensformen zu richten, die deutlich wahrnehmbar kulturabhängig und nicht etwa temperamentsgebunden sind. Damit ergibt sich mit der dritten Frage eine Aufzählung von Eigenschaften, die als Klischees abqualifiziert werden könnten, die jedoch eine praktikable Standardisierung liefern könnten. Ohne zu karikieren, gelten nun einmal für den Deutschen: methodisch, logisch, planvoll, pluralistisch, diszipliniert, genau und pünktlich. Für den Brasilianer kann man getrost eine nahezu gegenteilige Begriffsreihe aufstellen: kasuistisch und kreativ, pragmatisch, spontan und improvisationsfreudig, individualistisch, flexibel, und nur so genau und pünktlich, wie unbedingt notwendig.

152 Dazu kommt, dass es bei dem Deutschen oft einen ausgeprägten Unterschied zwischen beruflichem und privatem Verhalten gibt. Obige Gegenüberstellung legt nahe, dass der Brasilianer privat und geschäftlich in das gleiche Verhaltensrepertoire greift. Das brasilianische und das deutsche Profil sind gleichermaßen durch die für den Menschen wichtigste Lernform, nämlich Lernen durch Versuch und Irrtum, geprägt. Das gesamte deutsche Wirtschaftsleben ist durch die obige Begriffsreihe bestimmt. Die markanten wirtschaftlichen Erfolge beruhen auf ihr ebenso wie die wissenschaftlichen, die ihnen zugrunde liegen. Die Lernerfahrung lautet daher für den Deutschen, dass es in Deutschland zum Erfolg führt, sich entsprechend zu verhalten. Eine vergleichbare Lernerfahrung gibt es in Brasilien nicht mangels vergleichbarer markanter wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Erfolge. Diese gibt es natürlich auch in Brasilien, aber regelmäßig als Ergebnis einer Einzelleistung, nicht als zwangsläufige Folge des Gesellschaftssystems. Überträgt man dieses analytische Beispiel gemäß Frage vier auf den Brasilianer, wird man konstatieren, dass dieser seine Erfolgserlebnisse aus der Harmonie zwischenmenschlicher Beziehungen nach seinen ganz subjektiven, individualistischen Vorstellungen und Bedürfnissen bezieht. Zwar strebt er im Wirtschaftsleben ebenfalls den maximalen materiellen Erfolg an, doch werden Verhaltensprioritäten viel öfter als in Deutschland aus dem emotionalen Gewinn hergeleitet: Ein brasilianischer Professor der Psychologie, der in Deutschland studiert hatte, erhielt einen Anruf von einem deutschen Freund aus jener Zeit, als dieser überraschend in Rio de Janeiro angekommen war. Ohne seine Studenten zu informieren, ließ er diese im Hörsaal vergeblich warten, während er zum Treffen mit seinem Freund eilte. Am nächsten Tag schilderte er den Studenten dieses Verhalten nicht etwa begleitet mit einer Entschuldigung für sein Fehlen am Vortag, sondern als Beweis, dass eine solche Freundschaft über alles gehe. Aus anderem Winkel beleuchtet diese Sichtweise die umgekehrte Version: Ein Brasilianer kam in Paris an, rief seinen Freund an, einen gebürtigen Franzosen, der lange Jahre in Brasilien verbracht hatte, um sich zu verabreden. Dieser zog sich auf den Hinweis zurück, das würde leider nicht klappen, da er mit seiner Frau für einige Tage nach London müsse. Dieser nach Einschätzung durch den Brasilianer fadenscheinige Vorwand genügte diesem, um zu seinem ausdrücklichen Bedauern eine langjährige und enge Freundschaft definitiv zu beenden. Die Schlussfolgerungen hieraus nachzuvollziehen und sich bewusst zu machen, dass Erfolg in Brasilien andere Prämissen hat als in Deutschland, sollten das Ergebnis zu den Fragen vier und fünf sein. Dann wird sich zu sechs von selbst er-

153 geben, welche Vorurteile nützliche Standardisierungen sind und welche fundierteren Urteilen zu weichen haben. Sofern die vorgefassten Meinungen aus unqualifizierten Quellen stammen, ist es besser bei Null als bei der Summe der Vorurteile anzufangen. Die Antworten auf die siebte Frage folgen aus der Gegenüberstellung obiger Reihe der „Standardeigenschaften“. Die Kunst des richtigen Dosierens im interkulturellen Management besteht darin, in einem täglichen „fine tuning“ die für das jeweilige Unternehmens- oder Geschäftsziel optimale Kombination deutscher und brasilianischer Eigenschaften zum Tragen zu bringen. Dabei hilft die Lernfreudigkeit des Brasilianers und sein neugieriger Wunsch, die „fremden“ Qualitäten zu seinem Nutzen zum Einsatz zu bringen. Dieser Wunsch besteht, meist uneingestanden, paradoxal neben einem leicht verletzbaren Selbstverständnis. Die Selbstachtung, „auto-estima“ oder „amor próprio“, hat ungeachtet der sozialen Position hohen Stellenwert. Ein brasilianischer Geschäftspartner eines meiner wichtigsten deutschen Kunden schuldete diesem anteilige Erträge aus gemeinsamen Speditionsabwicklungen. Der Brasilianer bewegte sich mit seiner Firma am Rande der Insolvenz, ohne natürlich seine privaten Konsumgewohnheiten einzuschränken. Ich unterstützte nach Kräften die Eintreibungsbemühungen meines deutschen Kunden mit einer Aggressivität, die sich am Rande schwerer Beleidigungen bewegte. Wir hatten Erfolg und erreichten, was man eine gute Vergleichsquote nennen könnte. Geraume Zeit später traf ich den damaligen brasilianischen Schuldner auf einer Tagung. Er ging auf mich zu begrüßte mich höflich und bedankte sich nach kurzer Einleitung ausdrücklich für meine damaligen Bemühungen, eine leidige Angelegenheit aus der Welt zu schaffen. Selbst nach mehr als dreißig Jahren Brasilienerfahrung. war ich einigermaßen überrascht. Ich erwartete, dass der Betroffene mich in geradezu feindseliger Erinnerung behalten hatte und künftig einen weiten Bogen um mich machen würde. Frei von übertriebenen Schuldgefühlen war ihm stattdessen in angenehmer Erinnerung, dass eine Peinlichkeit beseitigt wurde. Dieses Beispiel zeigt, dass die subjektive Emotionalität für den Brasilianer eine wichtige Verhaltensgrundlage bildet. Bei der achten und letzten Frage geht es darum, umweltbedingte andere Einstellung zu Zeit und Raum sichtbar zu machen. Mit Umwelt sind dabei alle Faktoren aus Geografie, Geschichte und aktueller Gesellschaftsstruktur gemeint, die das Verhalten prägen. Die Interaktion mit einem Wirtschaftspartner verläuft auf einer Zeitschiene. Der ersten Kontaktanbahnung folgt die Kontaktpflege und schließlich die eigentliche

154 Zusammenarbeit, die Team-Building, Problemlösungen und Entscheidungsfindung beinhaltet. In allen Phasen, vor allem jedoch am Anfang, wird sich die unterschiedliche Zeitwahrnehmung bemerkbar machen. Das „Abtasten“, dem bei Deutschen bestenfalls die erste Runde gehört, kann sich durchaus über drei bis fünf Runden erstrecken. Bei einer Besprechung zu schnell zum Thema zu kommen, wird vom Brasilianer als allzu nüchterne Zielstrebigkeit empfunden. Gelangt man hingegen über scheinbar Nebensächliches zu verbindenden Gemeinsamkeiten, wird sich dies positiv auf die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung auswirken. Der nonverbalen Kommunikation wird instinktiv große Beachtung geschenkt. Dies beginnt mit der gestenreichen Begrüßung, bei der die feinen Abstufungen des „abraço“, der Umarmung unter Männern ebenso beobachtet und erlernt werden müssen, wie die Wangenküsschen unter Damen oder von Herren zu Damen. Um den gesunden Mittelweg zwischen plumper und künstlicher Vertraulichkeit und steifer Reserviertheit zu finden, befleißige man sich des Wundermittels „Lockerheit“. Wer sich anfänglich reserviert verhält, wird bei dem Brasilianer keine hinderliche Schranke aufrichten, wenn dies völlig entspannt und natürlich geschieht. Der Brasilianer wird die Entspanntheit spüren und wohltuend registrieren. Umgekehrt können zu früh imitierte Gesten der Vertraulichkeit verkrampft wirken und die Atmosphäre negativ beeinflussen. Die verbale Ausdrucksweise des Brasilianers, blumenreich und voller Superlative, wirkt auf Deutsche übertrieben, ja fallweise unaufrichtig. Wo ein Deutscher in einer Besprechung oder Debatte oder nach einem Referat bestenfalls sagen würde: „Wie mein Vorredner richtig sagte“, heißt es auf brasilianisch: „wie in dieser exzellenten Darstellung soeben brilliant formuliert...“ oder so ähnlich. In der schriftlichen Darstellung tritt an die Stelle dieser barocken Form allerdings eine höfliche Sachlichkeit. Beim Team-Building sei die Bemerkung zur stark segregierten brasilianischen Gesellschaft in Erinnerung gerufen. Genaue Arbeitsbeschreibungen mit ebenso präziser hierarchischer Einordnung sind wichtig. Teamwork wird in Brasilien über weite Strecken der lose Verbund von Einzelleistungen bleiben. Entsprechend hat „der richtige Mann am richtigen Platz“ mehr Gewicht als in Deutschland. Entscheidungen können wohl kollektiven und demokratischen Verfahrensweisen unterworfen werden. Aber selbst wo Satzungen mehrheitliche Beschlussfassung vorsehen, ist der Debattenverlauf nicht sehr logisch und ergebnisorientiert. Will der Diskussionsleiter (oder Chef) eine bestimmte Entscheidung, so lässt er die Gegenargumente zwar zu. Manchmal bleiben sie einfach unwiderlegt im Raum stehen, um letztlich kaum beachtet zu werden. Man hält sich bei der gefällten Entscheidung auf, nicht bei der Frage, wer argumentativ Recht hat. Man geht zur Tagesordnung über. Meinungsverschiedenheiten unter gleichrangigen Partnern werden zu Missverständnissen und als solche ausgeräumt. Damit vermeidet man unsympathische Rechthaberei.

155 Individualismus geht weit vor Kollektivismus, was in Unternehmen zu einer starken Hierarchisierung führt. So arbeitete ein erfolgreicher Sales-Manager für eine im brasilianischen Stil vom Präsidenten mit starker Hand geführte italienische Firma sehr erfolgreich, da er in den gemeinsamen Sitzungen der Geschäftsbereiche stets seine Forderungen an die Bereiche Finanzen und Produktion so überzog, dass er nach der vorhersehbaren Relativierung durch den Präsidenten der Firma zu seinem gewünschten Ergebnis kam, etwa 10 % statt 20 %-iger Preisreduzierung und etwas besserer Ausstattung des Produkts. Der gleiche Manager verfuhr ebenso in einem deutschen Unternehmen, das seine übertriebenen Vorgaben wörtlich nahm, mit der Folge, dass zwar der Marktanteil stieg, aber die Marge unauskömmlich wurde. Der Bereich schrieb schnell rote Zahlen und brauchte acht Jahre, um diese interkulturelle Krise und ihre Folgen zu überwinden. In Brasilien ist derjenige pünktlich, der von dem anderen etwas braucht. Blitzschnell aus dem Stand ist man nur dann, wenn hierdurch etwas gewonnen werden kann, wie beim Fußball oder dem Kampfsport Capoeira. In Brasilien ordnet man sich die Zeit unter, nicht umgekehrt der Zeit. Vom Deutschen erwartet man Pünktlichkeit, wie auch die übrigen so genannten typischen deutschen Qualitäten. Diese müssen, ungeachtet aller Anpassungen an die brasilianische Sprachmelodie, in die wirtschaftliche Partnerschaft eingebracht werden. Noch ein Hinweis zum Verhältnis zu Darlehen: Schulden sind für den Brasilianer nicht mit Schuld verbunden und heißen auch anders, nämlich „dívida“ (Schulden) und „culpa“ (Schuld). Der Geldgeber trägt das unternehmerische Risiko voll mit. In Brasilien folgen Fortschritt und Wachstum keiner linearen Logik. Das Land entwickelt sich genauso sprunghaft wie die Unternehmen. Wenn es mithilfe dieser Beispiele gelingt, ergänzt durch eigene Erfahrungen, aus deutscher Gründlichkeit, Methodik und Planung und brasilianischer Kreativität, Spontanität, Improvisation und Innovation eine Synthese zu schaffen, dann kann das komplementäre Potenzial zum Nutzen beider Handelspartner ausgeschöpft werden.

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USA: Die Einführung eines neuen EDV-Systems während einer amerikanischen Übernahme Anja Walter, initii Unternehmensberatung Ein deutsches Unternehmen mit Niederlassungen in ca. 20 Ländern wurde von einem amerikanischen Konzern aufgekauft. Ein erstes Thema war die Vereinheitlichung der europäischen Datenmenge, damit der neue amerikanische Mutterkonzern den wirtschaftlichen Erfolg der neuen Tochtergesellschaften besser auswerten konnte. Die Führungskräfte des deutschen Unternehmens veranlassten eine Ausschreibung. Sie forderten verschiedene Beratungshäuser zur Abgabe eines Angebotes auf und wählten schließlich eine Beratungsfirma, die einen Projektleiter anbot, der ehemals Mitarbeiter des Auftraggebers gewesen war. Das Projekt wurde initiiert und die ersten Berater kamen ins Haus. Man feilte am Rahmenvertrag und begann, die Projektorganisation aufzusetzen. Das Projekt wurde funktional nach den Modulen der abzulösenden Anwendung strukturiert. Organisatorisch wurden die Teilprojekte mit einer Doppelspitze in der Projektleitung besetzt, bestehend aus jeweils einem externen und internen Projektleiter. Diese Doppelbesetzung sollte die bestmögliche Kommunikation zwischen interner und externer Kompetenz sicherstellen. Zusätzlich wurde eine Stabsstelle „Change-Management“1 eingerichtet, die das Unternehmen zu den persönlichen Aspekten dieser Veränderungsmaßnahme beraten sollte. Deren erste Planung betraf ein gemeinsames Team-Building zwischen dem deutschen Unternehmen und dem Beratungshaus. Dann wurden die Ressourcen eingeschränkt und schließlich wurde das Kick-off ganz abgesagt. Es war klar, dass die Führungsriege in Deutschland mit Amerikanern durchsetzt werden würde. Wie und in welcher Form der Mutterkonzern Einfluss auf Organisation und Projekte der Tochter nehmen wollte, war noch nicht absehbar. Der Ge1 Change-Management versteht sich hier als personenorientiertes Veränderungsmanagement und grenzt sich somit ab vom technischen Konfigurationsmanagement, in welchem u. a. Dokumente und ihre Versionen verwaltet werden.

157 samtprojektleiter war noch nicht vor Ort; er befand sich in den Vereinigten Staaten. Für die Leitung der Teilprojekte waren verschiedentlich Personen genannt und wieder gestrichen worden; soweit sie bekannt und in Europa verfügbar waren, waren sie schon zum Team gestoßen. Das führte dazu, dass nicht alle Mitarbeiter Ansprechpartner hatten und viele Entscheidungen nicht getroffen werden konnten – das Team fiel immer weiter zurück. Nach und nach wurden weitere Personen benannt. Jene Amerikaner, die noch nicht in Deutschland waren, nahmen teilweise „remote“ am Projekt teil und kommunizierten per Telefon, E-Mail und Videokonferenzen mit dem Projektteam in Deutschland. Ihre Anfragen blieben manchmal überraschend oberflächlich, für die 14-tägigen Berichte von Deutschland nach Amerika wurden umgekehrt eigens Grafiker ins Projekt eingebunden, die die aufwändigen Präsentationen erstellten. Die Berichte mutierten zur Zurschaustellung der Zwischenergebnisse, welche die Teilprojektleiter bis zu vier Tage pro Woche blockierten. Der Gesamtprojektleiter seitens der Beratung konnte sich nicht auf die Situation einstellen. Er reagierte nur noch auf die jeweiligen Anfragen und geriet zwischen die Fronten unterschiedlicher Interessen. Damit setzte er sich einem erhöhten Druck aus und stellte zum Teil widersprüchliche Anforderungen – abhängig jeweils von seinem letzten Gesprächspartner. Seine eigene Belastung wurde so hoch, dass seine Stimme heiser wurde, manchmal kippte, die Anweisungen entweder aus langen, ausgefeilten Sätzen oder unverständlichen Satzfragmenten bestanden, die auf dem Gang zugerufen wurden. Dann kamen die ersten Führungskräfte aus Amerika nach Deutschland ins Projekt. Sie stellten wiederholt Fragen zu immer denselben Themen und lasen keine Protokolle, was das Projektteam zusehends aufhielt. Entscheidungen mussten begründet, sämtliche Abmachungen neu erklärt werden. Die Planung musste mehrfach neu erfolgen – immer war jemand nicht anwesend und hatte einen Nachtrag anzumelden. Das Projektteam spaltete sich immer mehr in pro und kontra Amerikaner. Die Teilprojektleiter zogen sich vermehrt zurück, legten ihre Priorität auf das Tagesgeschäft und waren oft nicht erreichbar. Die Schwierigkeiten der Planungsphase drohten in die Implementierungsphase überzugreifen. Die Verantwortlichen des Unternehmens machten den Beratern Druck, indem sie ihnen die Verantwortung für das Geschehen und für nicht gelieferte Leistungen und Berichte übertrugen. Der Gesamtprojektleiter seitens der Beratung verlangte von seinen Teilprojektleitern Ergebnisse, die sie nicht leisten konnten. Die Teilprojektleiter forderten ihre Mitarbeiter auf, Entscheidungen und Äußerungen zu tätigen, die nicht abgestimmt waren. Mitarbeiter beiderseits kündigten, der Gesamtprojektleiter des Beratungshauses wurde schließlich entlassen.

158 Im Folgenden werden einige Stereotype zur Erklärung des Projektes genutzt, die sich aus der Kulturforschung ergeben haben. Stereotype sind Erklärungsmuster, die helfen, ein Verhalten als allgemein gültig einzuschätzen. Sie verstehen sich dabei als Orientierungshilfen mit dem Wissen, dass sie jene Verhalten beschreiben, die mit größerer Wahrscheinlichkeit eintreffen. Da Menschen aber immer individuell zu sehen sind, können sie anders handeln als Stereotype das erwarten lassen. Stereotype beziehen sich auf eine Tendenz: „Es ist wahrscheinlicher, dass ein Deutscher pünktlich ist, als dass er unpünktlich ist.“ Die hier genannten Erklärungen ergeben sich aus dem spezifischen Projektkontext. Ob die genannten Stereotype in anderen Fällen zutreffen und in welcher Ausprägung, muss im konkreten Fall immer neu überprüft werden. a) Unterschiedlicher Führungsstil in Deutschland und Amerika In Deutschland wird oft angenommen, dass eine fachlich kompetente Person auch für eine Führungsposition geeignet ist. Da bei uns eine Führungsaufgabe meistens Arbeitsanweisungen beinhaltet, muss ein Projektleiter fachliche Inhalte einschätzen, Details planen und die konkreten Methoden festlegen können. Die deutsche Formel lautet: Führungskompetenz = fachliche Kompetenz. Nach unserem Verständnis bleibt immer noch genügend Spielraum für den Spezialisten, der die Arbeit ausführt, um seine Kreativität einzubringen. Diese Vorgabe von Details ist Kulturen gemein, die Unsicherheiten und Widersprüche oder Konflikte vermeiden möchten.2 Ein deutscher Angestellter nimmt solche detailgenauen Anweisungen dann an, wenn er weiß, weshalb er genau so arbeiten muss – Mitsprache und Informationen sind weitere Werte der deutschen Kultur. Deutsche Mitarbeiter sind es gewohnt, dass ihre Arbeit in regelmäßigen Abständen auf ihre Qualität hin überprüft wird. Eine amerikanische Führungskraft hingegen versteht sich mehr als Führungskraft im Sinne von „Leadership“. Das bedeutet, dass gemeinsam Ziele abgesteckt werden, die zum Teil sehr ehrgeizig sind. Wie der Mitarbeiter diese Ziele erreicht, welche Hilfsmittel, welche Gestaltung des Ablaufes und welche Schwerpunkte er in seinem Vorgehen wählt, bleibt ihm überlassen.3 Er muss nur seinem Vorgesetzten regelmäßig über die Zwischenergebnisse Bericht erstatten, damit dieser seinem Führungsauftrag, Unterstützung und Kontrolle zu leisten, nachkommen kann. Die dortige Formel lautet: Führung = Delegation und Übertragung der Verantwor2 Gert Hofstede (2001) erklärt, dass solche Detailvorgaben und ein ausgeprägtes Regelwerk darauf zurückzuführen sind, dass eine Kultur Unsicherheiten und Unklarheiten vermeiden möchte. Am Arbeitsplatz bedeutet dies, dass z. B. stark klassifiziert wird, was gut und was schlecht ist. Um unangenehme Situationen wie z. B. eine verpatzte Produktabnahme zu vermeiden, werden nicht nur Ergebnisse klassifiziert, sondern es wird auch die Arbeitsweise festgelegt, die zu einem guten Ergebnis führt. 3 Gert Hofstede (2001) verbindet mit dem Drang einer Kultur, Individualität zu leben, auch die Freiheit, eine Arbeit nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Die USA sind im internationalen Vergleich „individualistischer“ als Deutschland, weshalb die dortigen Führungskräfte den Arbeitsstil nicht beeinflussen.

159 tung. Ein Beispiel hierfür sind die üblichen Wochenberichte an die amerikanische Geschäftsführung, in denen der Mitarbeiter seine selbstständige Arbeit zu einem Ergebnis zusammenfasst. Wenn nun ein Vorgesetzter nicht nur das Ziel vorgibt, sondern auch die einzelnen Schritte bis dahin, dann befremdet das den amerikanischen Angestellten. Dieses Verhalten passt nicht zu seinen Erwartungen an eine Führungskraft, er zweifelt an seinem Vorgesetzten: „Vielleicht kann der Vorgesetzte nicht so gut führen, weil er auch nicht loslassen kann?“4 Wenn sich ein Manager also zu viel um Details kümmert, ist er in den Augen seiner Mitarbeiter keine Führungskraft mehr. Eine amerikanische Führungskraft überlässt es also ihren Mitarbeitern, ihre Vorgehensweise frei zu wählen, während eine deutsche Führungskraft dazu neigt, zur Sicherung der Qualität neben den Zielvorgaben auch sehr genaue Anweisungen zur Vorgehensweise zu machen. In diesem Projekt hatte der Projekt-Auftraggeber von der ehemaligen Geschäftsführung des deutschen Unternehmens zu Entsandten des neuen amerikanischen Mutterkonzerns gewechselt. Diese waren nicht in die Absprachen eingebunden, wodurch sie sich bei der Einarbeitung schwer taten. Die bisherige Projektplanung enthielt nicht die Art von Zielen und Vorgaben, die den amerikanischen Führungskräften bekannt waren, sondern erforderte Detailkenntnisse, die sie sich erst erarbeiten mussten. Das taten sie durch eine ausgeprägte Berichterstattung.5 Besonders wenn Amerikaner die Geldgeber sind, wollen sie an der Planung beteiligt werden, weil sie den Erfolg verantworten. Zudem muss der amerikanische Mutterkonzern klar herausstellen, dass er die Vorgaben für die Tochtergesellschaften macht – und in der Hierarchie über ihnen steht. Es war also absehbar, dass die amerikanischen Führungskräfte die schon erbrachte Planungsarbeit nochmals in ihrem Sinne durchführen würden.6

4 Martin Hilb (2000) führt dazu aus, dass ein amerikanisches Unternehmen, das eine Veränderung anstrebt, dazu seine Struktur neu gestaltet, einen neuen strategischen Weg einschlägt und ggf. ein neues Kontrollsystem einführt. Die strategischen Führungskräfte geben „top-down“ die Entscheidungen weiter bis hin zum ausführenden Mitarbeiter. Deutsche hingegen führen neue Regeln ein – und die Führungskräfte halten sich daran in ihrer Vorbildfunktion. 5 Die Orientierung am „Output“ bzw. dem Ergebnis („deliverables“) beeinflusst auch das amerikanische Verständnis von Projektmanagement. So beginnt z. B. Michael Greer (1999), der für das amerikanische Projekt Management Institut Zusammenfassungen und Einführungen in das Thema geschrieben hat, seine Einführung mit dem Kapitel: „Ihre Ergebnisse, Projektphasen und Projektlebenszyklus“. Hingegen beginnen sämtliche deutschen Werke zum Thema mit der Abgrenzung der Begriffe Projekt und Projektmanagement. 6 Nancy Adler (1997) beschreibt ähnliche Situationen, in denen Amerikaner schon getroffene Entscheidungen ignoriert haben und die Diskussion neu begannen. Wenn bei einem solchen Verhalten die kulturellen Unterschiede, die diesen Entscheidungen zugrunde lagen, nicht berücksichtigt werden, bezeichnet Adler dieses Verhalten als parochial (1997, S. 104) – kulturignorant. Ein plakatives Beispiel für ein typisch parochiales Verhalten von amerikanischen Unternehmen in Deutschland sind die erfolgten Massenentlassungen, die in die Kostenrechnung nicht einbezogen, dass die deutsche Gesetzgebung Entschädigungszahlungen vorsieht.

160 Um einen Führungswechsel im Laufe eines Projektes zu meistern, empfehlen sich Maßnahmen, die ggf. zu Beginn eines Projektes schon einmal durchgeführt wurden. Es gilt zu klären, wie die neue Auftraggebersituation gestaltet ist und die wichtigsten Schlüsselpersonen zu identifizieren, z. B. mittels einer Stakeholderanalyse oder eines Beziehungsdiagramms. Ändert sich mit dem Auftraggeber auch seine Nationalität, ist mit neuen Zielen zu rechnen – und einer neuen Führungskultur. b) Unterschiedliche Ansätze im Projektmanagement Projektmanagement wird, wie auch Führung, in verschiedenen Nationen unterschiedlich gelebt. Bei Deutschen und Amerikanern gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, was wann erledigt werden muss. Dies führt zu unterschiedlichen Aktivitäten innerhalb der Projektphasen. Das gilt z. B. für die gemeinsame Zielplanung, Auftragsgestaltung – und das Team-Building. Weil im Amerikanischen noch größeren Wert auf Individualität und Leistung gelegt wird als in Deutschland, muss zu Anfang das Team gemeinsam planen, um alle zu informieren und spätere Abstimmungen zu erleichtern (vgl. Greer 1996). Die Effizienz erhöht sich, weil sich alle kennen, leicht zum Telefon greifen und schnell zur eigenen Arbeit zurückkehren. Dadurch kann der Manager sich mehr auf seine Führungsaufgabe konzentrieren. In Deutschland kommt das Team üblicherweise erst dann hinzu, wenn das Projekt schon geplant ist. Dies deshalb, weil man davon ausgeht, dass ein Projektleiter auch fachlich kompetent ist und eine fachliche Grobplanung vornehmen kann. Da Projektmitarbeiter als Spezialisten in das Projekt eingebunden werden, wird angenommen, dass sie vor allem ihre Aufgaben kennen und mangels Überblick keine Gesamtplanung vornehmen könnten. Im vorliegenden Projekt fühlten sich die Amerikaner nicht in das Team integriert und mussten sich an den schon integrierten Mitarbeitern orientieren, was ihre Bereitschaft zur Detailarbeit senkte. Um eine solche Demotivation zu vermeiden, müssen die geplanten Projektaktivitäten geprüft und auf die Bedürfnisse der neuen Teammitglieder und Führungskräfte hin ergänzt werden. Dies kann nur gemeinsam erfolgen und darf sich nicht auf eine Planung durch den Projektleiter, der nach deutschem Verständnis allein dafür verantwortlich wäre, erfolgen. Es ist also notwendig, die Projektprozesse mit dem neuen Team abzusprechen und die Abläufe anzupassen (vgl. Fitzsimons et al. 2004).

161 c) Unterschiedlicher Arbeitsstil Im Projekt wurden immer wieder die aufwändigen Berichte beklagt.7 Da in Amerika Berichte oft die einzige Möglichkeit sind, der Führungskraft die eigenen Erfolge mitzuteilen, müssen sie positiv formuliert und optisch ansprechend gestaltet sein.8 Wenn sie, wie es in diesem Projekt der Fall war, auch professionell überarbeitet werden, ist die Dauer der Erstellung solcher Berichte sehr zeitraubend. Dies kann einen Deutschen leicht befremden, weil für ihn der Inhalt wichtiger ist als dessen „Verpackung“. Da Deutsche in der Absicht gründlich zu arbeiten dazu tendieren, nur eine Aufgabe nach der anderen abzuleisten, konzentrieren sie sich schließlich voll und ganz auf die Berichterstellung, die in Deutschland ja der Leistungskontrolle dient. Hingegen haben Amerikaner keine oder weniger Schwierigkeiten, neben ihren strategischen Aufgaben auch ansprechende Berichte zu erstellen, die ihrem Verständnis nach mehr zu Koordination denn zur Kontrolle dienen (vgl. Trompenaars/Hampden-Turner 2002) – und finden so immer wieder Abstand zum Bericht und Zeit für ihre Aufgaben. Um die Arbeitsproduktivität bei solch veränderten Anforderungen zu erhalten, sollten Maßnahmen wie der Einsatz eines Projektbüros oder Projektcoaches, die den Umgang mit den Kollegen aus anderen Kulturen begleiten, ergriffen werden. Ein Projektbüro kann verschiedene administrative Arbeiten zentralisieren und die Projektmitarbeiter entlasten (vgl. IPA NEMA 2002). Teilprojektleiter und Gesamtprojektleiter brauchen eine Kontrolle, die ihre Vorgehensweise im interkulturellen Kontext unterstützt und mit ihnen die Projektziele und -maßnahmen auf Änderungen hin überprüft. Das kann in Form eines persönlichen oder fachlichen Coachings oder in Form eines Mentorings durch eine erfahrene Führungskraft erfolgen. Auch interkulturelle Projektreviews oder Projektaudits im Sinne von Qualitätsreviews oder Riskoreviews können für das internationale Projekt einen Mehrwert leisten, indem sie sowohl die einzelnen Projektvorgehensweisen wie auch die Zusammenhänge und Vernetzungen der Teilprojekte beachten; vorausgesetzt, die Reviewer sind interkulturell sensibel.

7 Geert Hofstede (2001) überträgt die Koordinationsinstrumente von Henry Mintzberg (1983) auf die von ihm erarbeiteten Kulturdimensionen Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz. Demnach nutzen Amerikaner standardisierte Ergebnisse bzw. Outputs (die im Fallbeispiel in Form ritualisierter Berichte erfolgen), um Mitarbeiter und Aufgaben zu koordinieren, während Deutsche durch eine standardisierte Qualifikation sicherstellen, dass auch Verfahren gleichermaßen durchlaufen werden. Das Ergebnis ist eine ausgeprägte Bürokratie in Deutschland (wer macht was wie womit bis wann) und in den US eine koordinierende strategische Spitze (Ziel x bis y). 8 Richard D. Lewis (2000) beschreibt das Kommunikationsverhalten der Amerikaner mit ca. 60 % Zuhören, 20 % Unterhaltung und 20 % Überzeugungsarbeit, während deutsche Zuhörgewohnheit 80 % Informationssammlung, 10 % Bedürfnis und 10 % Kostendiskussion beinhaltet. Daraus ergeben sich unterschiedliche Präsentationsgestaltungen, die Deutsche und Amerikaner jeweils bevorzugen: Deutsche – sachlich und Amerikaner – unterhaltend (Lewis 2000, S. 120 f.).

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Literatur Adler 1997 = Nancy. J. Adler: Organizational Behaviour. Boston: McGraw Hill University Press 3rd edition 1997. Fitzsimons et al. 2004 = Conor John Fitzsimons, Hans-Erland Hoffmann, Yvonne-Gabriele Schoper: Internationales Projektmanagement. München: Beck in der DTV Wirtschaftreihe 2004. Greer 1996 = Michael Greer: The Project Manager’s Partner. A Step-by-Step Guide to Project Management. Washington, DC: HRD Press 1996. Greer 1999 = Michael Greer: The Manager’s Pocket Guide to Project Management. Amhurst MA: HRD Press 1999. Hilb 2000 = Martin Hilb: Transnationales Management der Human-Ressourcen: das 4PModell. Neuwied, Kriftel: Luchterhand Verlag 2000. Hofstede 2001 = Geert Hofstede: Lokales Denken, globales Handeln. München: Beck in der DTV Wirtschaftreihe 2001. IPA NEMA 2002 = Arbeitsgruppe IPA NEMA Internationale Projekte, Neue Ansätze und Methoden der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement: International Guidelines. Internes Arbeitsdokument der Arbeitsgruppe Kulturen 2002 (unveröffentlicht). Lewis 2000 = Richard D. Lewis: Handbuch internationale Kompetenz. Frankfurt/Main: Campus Verlag 2000. Mintzberg 1983 = Henry Mintzberg: Structures in Five. Designing Effective Organizations. Englewood Cliffs NJ: Prentice Hall 1983. Trompenaars/Hampden-Turner 2002 = Fons Trompenaars, Charles Hampden-Turner: Riding the Waves of Culture. Understanding Cultural Diversity in Business. London: N. Brealy Publishing, Second Edition 2002.

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Arabischer Raum: Geschäftsbeziehungen und interkulturelles Projektmanagement Dalia Abu Samra, Ahk Abu Dhabi Sven Rohte, Detecon International GmbH Deutschland gehört zu einem der wichtigsten Handelspartner der arabischen Region. Umgekehrt stehen die arabischen Staaten für die deutsche Außenwirtschaft nicht an oberster Stelle, gewinnen jedoch mehr und mehr an Bedeutung. Die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen Platz 35 ein, Saudi Arabien folgt auf Platz 37 und Ägypten auf Platz 47 der deutschen Außenhandelsstatistik1. Deutschland genießt ein sehr hohes Ansehen in der arabischen Welt. Das Markenzeichen „Made in Germany“ wird mit herausragender Qualität und deutsches Management mit Effektivität und Effizienz verbunden. Die nachfolgenden Ausführungen resultieren aus praktischen Erfahrungen, welche beide Autoren während längerer Arbeitsaufenthalte und bei Projekteinsätzen in der Region gesammelt haben. Ziel ist es, eine Orientierung zu geben, welches spezifische interkulturelle Umfeld in der arabischen Region zu erwarten ist. Grundsätzlich gilt, dass interkulturelle Faktoren in allen internationalen Projekten nicht zu unterschätzen sind, andererseits besteht kein Anlass dazu, diese für ein Scheitern von Projekten oder Geschäftsabschlüssen verantwortlich zu machen. Anbahnung von Geschäftsbeziehungen Bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen sind persönliche Kontakte von zentraler Bedeutung. Geschäftsabschlüsse setzen persönliches Kennen und Vertrauen voraus. Schnelle Geschäftsabschlüsse, ohne sein Gegenüber persönlich zu kennen, sind eher selten bzw. resultieren oft in einmaligen Aufträgen. Die arabische Seite schätzt es sehr, wenn der deutsche Geschäftspartner über das Geschäftliche hinaus an dem jeweiligen Land Interesse zeigt. Des Weiteren ist es wichtig, Präsenz zu zeigen. Dieses kann in Form eines Repräsentanten- bzw. Projektbüros oder vorzugsweise im Rahmen von Direktinvestitionen erfolgen. Mittelständischen Unternehmen, die den Export ihrer Waren erfolgreich umsetzen möchten, empfiehlt sich einen Handelsvertreter vor Ort zu suchen. Der Handels1 Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Abu Dhabi 2004.

164 vertreter kann nach entsprechender Qualifikation Kundendienste vor Ort anbieten sowie Ausschreibungen verfolgen und gezieltes Lobbying betreiben. Kurz vor der Vergabe eines öffentlichen Auftrages ist es von Vorteil, wenn der Verantwortliche von deutscher Seite in das jeweilige Land reist und mit seinem Handelsvertreter bzw. Repräsentanten die Entscheidungsträger persönlich besucht. Der Aufbau einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung dauert im Durchschnitt zwei Jahre. Eine zentrale Rolle spielen hierbei zwischenmenschliche Beziehungen. Beim Besuch eines Geschäftspartners sollte man daher nicht direkt zum geschäftlichen Teil übergehen, sondern erst nach dem allgemeinen Wohlbefinden und der Familie fragen. Mag die Herstellung einer vertrauensvollen und persönlichen Beziehung auch lange dauern, einmal etabliert, ist sie meist langjährig und beständig. Faktor Zeit „Die Schweizer haben die Uhr erfunden und die Araber die Zeit.“ Zeit scheint ein relativer Begriff in der arabischen Geschäftswelt zu sein. Lieferungen und Termine werden nicht immer mit der aus deutscher Sicht erwarteten Disziplin eingehalten. Auch wenn die arabischen Geschäftspartner selbst nicht immer ein diszipliniertes Zeitmanagement haben, wird von deutschen Geschäftspartnern stets erwartet, Termine und Vereinbarungen pünktlich wahrzunehmen. Bei der Durchführung von Projekten ist mit einer zeitlich ambitionierten Zeitplanung der arabischen Mitarbeiter nicht immer eine zeitlich disziplinierte Umsetzung der einzelnen Projektschritte verbunden. Da generell für jeden Entscheidungsfindungsprozess eine Vielzahl von Meinungen einzuholen und zu berücksichtigen ist2, gestaltet es sich schwierig, schnelle Entscheidungen und messbare Ergebnisse innerhalb eines Meetings zu erreichen. Das ambivalente Verhältnis der einheimischen Projektmitarbeiter zur Zeit sollte bei einer (aus deutscher Sicht) realistischen Terminplanung entsprechend berücksichtigt werden. Probleme der Informationsbeschaffung Der deutsche Unternehmer steht vor dem Problem, dass eine systematische Markterkundung und Markterschließung aufgrund der mangelnden statistischen Erfassung der Wirtschaft in der Mehrheit der arabischen Länder erschwert wird. Die Informationsbeschaffung von Einfuhrbestimmungen, Marktdaten etc. kann zu einem sehr schwierigen und zeitraubenden Unterfangen werden. Offizielle Markteinschätzungen entsprechen nicht immer der Realität. Informationen liegen zudem in erster Linie nur personengebunden, d. h. nicht schriftlich fixiert vor. Sie stellen 2 Dies zeigt sich beispielsweise an der hohen Anzahl von persönlichen „Beratern“, mit denen sich die Entscheidungsträger gerne umgeben.

165 für den Besitzer der Information eine wichtige macht- und einflusserhaltende Ressource dar. Vor diesem Hintergrund werden Informationen nur bedingt weitergegeben und zumeist in einer nur sehr schwer verwertbaren Form. Der Zugang zu Informationen ist nahezu immer über persönliche Kontakte verbunden und setzt ein gegenseitiges vertrauensvolles Verhältnis voraus. Der Umgang mit Problemen Insbesondere die ägyptische Gesellschaft ist es gewohnt, routinemäßig mit einer Vielzahl von Herausforderungen umzugehen. Die schwierige allgemeine Wirtschaftslage des Landes, eine verbesserungsfähige Infrastruktur in nahezu allen Bereichen (Transport, Ausbildung, Versorgung etc.), der unablässige Stau in den Straßen Kairos und die oft unzureichende Bezahlung sind nur einige Beispiele für die Fülle von Alltagsschwierigkeiten der meisten Ägypter. Vor diesem Hintergrund werden kritische Situationen im Beruf nicht als eine vorübergehende Ausnahmeerscheinung wahrgenommen, sondern im Bewusstsein als „ein Problem von vielen“ der alltäglichen Normalität zugeordnet. Auch wird in den wenigsten Fällen eine Priorisierung vorgenommen. Für den westlichen Betrachter erscheint dieses Verhalten oft als Verdrängung des Problems denn als Anerkennung der Tatsache, dass punktuell schneller Handlungsbedarf besteht, um kritischen Situationen vorzubeugen. Erst wenn die Situation wirklich zu eskalieren droht oder bereits eskaliert ist, wird die Problemlösung angegangen. Dann wird sehr schnell und gezielt ein kurzfristiges Interim erreicht, während die eigentliche Ursache langfristig meist ungelöst bleibt. Seniorität und Hierarchie Seniorität spielt in der arabischen Region eine zentrale Rolle. Erfahrene, ältere Geschäftsleute mit solidem Erfahrungsschatz aus der Region genießen hohes Ansehen. Das Wissen und die Erfahrung älterer Personen werden sehr respektiert. Die Berufswelt ist häufig sehr stark hierarchisch aufgebaut, wobei insbesondere im öffentlichen Sektor bestimmte Hierarchieebenen nur über entsprechende Dienstjahre erreicht werden können. Entscheidungen werden immer vom (nächsten) Vorgesetzten getroffen. Arbeitsaufträge werden ebenfalls nahezu ausschließlich von den Vorgesetzten initiiert. Eigenständiges Handeln oder gar Delegieren von eigenverantwortlicher Abarbeitung der Problemstellungen ist nicht immer verbreitet. Die starke Hierarchieorientierung und die fehlende Delegation von Entscheidungen „nach unten“ führt zu einer arbeitsmäßigen Überlastung der obersten Führungsspitze im Unternehmen, da dort alle „nach oben“ delegierten Entscheidungen auflaufen. So obliegt es in den meisten Fällen dem CEO persönlich, auch in – aus deutscher Sicht – unwichtigen Fällen die finale Entscheidung zu treffen. Auch vor diesem Hintergrund kommt es in nicht wenigen Fällen zu Verzögerungen im Entscheidungsprozess.

166 In einigen Teilen des Privatsektors vieler arabischer Staaten findet seit einigen Jahren ein Wandel statt. Die Anzahl junger dynamischer Mitarbeiter mit einer guten westlichen Ausbildung in führenden Positionen steigt. Dies führt zunehmend zur Einführung von westlichen Managementstandards in der arabischen Berufswelt. Für die Durchführung von Projekten in der arabischen Welt sind neben den oben aufgeführten allgemeinen Punkten weitere zu beachten: „Keep it Simple“ Die Erfahrungen zeigen, dass Schwierigkeiten auftreten, wenn komplexe Zusammenhänge abstrakt dargestellt oder Lösungen im größeren Rahmen analytisch hergeleitet werden sollen. Die größten Aussichten auf Erfolg bestehen, wenn es gelingt, die Gesamtaufgabe in kleinere anschaulichere Teilbereiche zu zerlegen, die im Rahmen des Projektes sofort und mit einer realistischen Aussicht auf schnellen Erfolg angegangen werden können. Mit einfachen kleineren Schritten sollte gezielt auf die Gesamtlösung hingearbeitet werden, statt mit einem „Großen Wurf“ eine umfassende detaillierte und komplexe Gesamtlösung erreichen zu wollen. Projektplanung Eine besondere Herausforderung in der arabischen Region stellt eine realistische zeitliche Projektplanung dar. Dabei ist es schwierig, den „planungsfähigen Zeitraum“ realistisch einzuschätzen. Insbesondere die indifferente Einstellung zur Zeit in der arabischen Welt stellt besondere Anforderungen an die Abschätzung des zu veranschlagenden Zeitbudgets. In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine realistische Detailplanung in Managementprojekten sich für ca. 60 bis 90 Tage aufstellen lässt und darüber hinausreichende Zeiträume nur in einer Grobplanung mit einbezogen werden sollten. Es ließ sich auch feststellen, dass die einheimischen Projektpartner einerseits mit Nachdruck auf eine ambitionierte Zeitplanung bestanden, andererseits selbst wenig Sensibilität entwickelten, wenn es um das terminlich rechtzeitige Erbringen eigener Leistungen zur Einhaltung des Zeitplans ging. Management von Erwartungen Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor des Projektmanagements ist das Steuern der Erwartungen der verschiedenen Beteiligten an das gemeinsame Projekt. Die Zufriedenheit orientiert sich subjektiv (solange keine quantitativ messbaren Erfolge vorliegen) nicht zuletzt daran, ob die an die Projektarbeit geknüpften Erwartungen erfüllt werden. Ausgehend von der Überlegung, dass man ein Problem nicht

167 alleine lösen könne, haben Unternehmen aus der arabischen Welt eine extrem hohe Erwartungshaltung an gemeinsame Projekte mit ausländischen Partnern. In einem ersten Schritt sollte daher genau in Erfahrung gebracht werden, welche Erwartungen genau an die Projektarbeit geknüpft sind. Während der laufenden Projektarbeit ist es entscheidend, die Erwartungen des Kunden bzgl. der folgenden Punkte u. a. richtig zu setzen: • Realistische Zielgrößen (Welche Ziele können realistisch erreicht werden?) • Zeitpunkt der Zielerreichung (Wann können die einzelnen Ziele realistisch erreicht werden?) • Ressourcenbudgets (Welche finanziellen und personellen Ressourcen sind für die Zielerreichung einzusetzen?) • Konsequenzen (Welche Konsequenzen sind mit einer Entscheidung/einem Projektansatz verbunden?) Geschäftsbesprechungen (gilt insbesondere für Ägypten) Geschäftsbesprechungen können (insbesondere bei staatlichen Unternehmen), wenn nicht in separaten Besprechungsräumen durchgeführt, eine zeitraubende und aus westlicher Sicht höchst unproduktive Angelegenheit sein. Unterbrechungen durch Besucher, Telefonate oder Mitarbeiter sind eher Normalität als Ausnahme. Auch die häufige Anwesenheit anderer Geschäftspartner und gleichzeitig stattfindende Besprechungen sind gewöhnungsbedürftig. Gerade in der Anfangsphase von Projekten ist es jedoch wichtig, Geduld und Verständnis für diese Besprechungskultur zu zeigen. Da sich wirklich wichtige Besprechungen und Entscheidungen in einem solchen Umfeld nur schwerlich realisieren lassen, sollten diese vorher avisiert werden, um dem Gesprächspartner Gelegenheit zu geben, einen ungestörten Ablauf für diesen Tag arrangieren zu können. Erfahrungen in ausgewählten Ländern der arabischen Region Aus den gewonnenen Erfahrungen lassen sich allgemeine Beobachtungen ableiten, die in anderen Ländern der Region relevant sind, jedoch verschieden starke Ausprägungen erfahren. Die folgende Darstellung fasst die Erfahrungen verschiedener Projektleiter in den verschiedenen Ländern der arabischen Region zusammen. Zypern wurde aufgrund seiner geografischen Lage in die Betrachtung mit einbezogen. Zudem bearbeiten zahlreiche Unternehmen den zypriotischen Markt aus einem der anliegenden arabischen Staaten. Dargestellt ist jeweils die wahrgenommene Abweichung zur deutschen Geschäftskultur.

168 Geschäftsbesprechungen (z.B. hohe Aufgaben- und Zielorientierung) niedrig Abweichung zu Deutschland hoch Ägypten Marokko Kuwait Katar VAE Zypern

Zeitverständnis (z.B. zeitliche Disziplin, Einhalten von Deadlines) niedrig Abweichung zu Deutschland hoch Ägypten Marokko Kuwait Katar VAE Zypern

Problemorientierung (z. B. analytisches, verHierarchieorientierung (z.B. Hierarchienetztes Denken, proaktive Problemvermeidung) gläubigkeit; Delegation nach oben) niedrig Abweichung zu Deutschland hoch niedrig Abweichung zu Deutschland hoch Ägypten Ägypten Marokko Marokko Kuwait Kuwait Katar Katar VAE VAE Zypern Zypern

Abbildung 1: Management im Arabischen Raum – Interkulturelle Aspekte Quelle: Eigene Erstellung auf Basis von Projekterfahrungen Projekte in der arabischen Geschäftswelt stellen an die deutschen Mitarbeiter hohe Anforderungen, die eigenen Interessen unter zum Teil sehr von der deutschen Geschäftskultur abweichenden Bedingungen ziel- und ergebnisorientiert umzusetzen. In den Golfstaaten kommt aus interkultureller Sicht „erschwerend“ hinzu, dass sich die Geschäftspartner nicht aus einheitlichen Kulturkreisen rekrutieren. Die hohe Anzahl ausländischer Gastarbeiter im Management von Unternehmen macht es wahrscheinlich, neben den einheimischen Managern auf Gesprächspartner aus Europa, Indien, Pakistan und der MENA-Region zu treffen. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht selten während eines Geschäftstermins zu einer „interkulturellen Weltreise“ an einem Verhandlungstisch.

Literatur Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Abu Dhabi (2004): Jahreswirtschaftsbericht Vereinigte Arabische Emirate, 17. Mai 2004.

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China: Und plötzlich ist da nur noch Mattscheibe ... Praktische Spotlights aus dem Geschäftsleben in Shanghai Frieder Demmer, HRO Consulting „O.k., that’s it for today, thank you all for coming, see you all in January again.“ November 2001, es ist Schluss, endlich Schluss, mein erstes Geschäftstreffen in Shanghai ist vorüber. Unwillkürlich driftet mein Blick ab auf das fantastische Panorama, das sich mir aus dem 29. Stock des Zhaofeng World Trade Centers bietet. Der Yan-An Highway durchschneidet die Stadt, um vor dem Hintergrund der blinkend aufragenden Gebäude des People Square in einem spektakulären Knoten aus haushoch geschwungenen Fahrbahnen auf den Inneren Ring zu treffen. Welch eine Kulisse für unser Ansinnen, mit webbasierten Tests und testbasierten, maßgeschneiderten Trainings sich in die 2001 noch eher rudimentäre Personalentwicklung in China zu stürzen. Neben Shanghais Glasfassaden sind mir dabei gleichzeitig auch noch Lehmhütten in einer der ländlichen Provinzen deutlich vor Augen – das Spektrum chinesischer Lebenswelten kann erschlagend sein. Die folgenden Seiten sollen Ihnen1 anhand einiger praktischer Beispiele helfen, einen Teil der für Deutsche teilweise sehr irritierenden Folgen dieser Breite und Vielschichtigkeit chinesischer Lebens- und Geschäftswirklichkeit besser und produktiver einordnen zu können. (Fast) „alles“ in China wird an Ihnen persönlich hängen und nicht an unpersönlich abstrakten Regeln. Dies scheinen mir dabei die Themen: • Auf der babylonischen Baustelle – die Rolle der Sprache(n) • Persönliche Verbindlichkeit versus Rechtsverbindlichkeit • Gelegenheitsorientierung versus Zielorientierung • Führen statt Managen • China – der Reiz der Größe • China – jeden Tag neu – jeden Tag anders 1 Um zu verdeutlichen, dass Projektarbeit in China (noch) an Personen und nicht an „Procedures“ hängt, wird im Text die direkte Anrede verwendet.

170 Auf der babylonischen Baustelle – die Rolle der Sprache(n) Das angesprochene erste Meeting hinterließ mich ziemlich konsterniert. In unserer Diskussion um Chinas ersten webbasierten Persönlichkeitstest für den Einsatz im Personalwesen war fortlaufend munter zwischen Englisch, Chinesisch und Ungarisch hin und her gesprungen worden. Die meisten Anwesenden verstanden alle drei Sprachen. Ich wiederum verstand zu diesem Zeitpunkt nur Englisch und in der wechselnd psychologisch betriebswirtschaftlichen Fachterminologie und den teilweise starken Akzenten erreichte ich auch im Englischen unerwartet schnell meine Grenzen. Das geschäftliche Umfeld in China ist fast immer in irgendeiner Form multilingual und seien es nur die diversen chinesischen Dialekte. Die Schnittmenge für ungedolmetschte Kommunikation ist manchmal klein. Geht es bei Meetings und Verhandlungen in Deutschland dementsprechend in der Regel um das Spiel mit den Details, wechselt der Fokus im multisprachlichen Umfeld zwangsweise zu einer ernüchternd „grobmotorischen“ Verständigung. Bereits die saubere Klärung der Kerninhalte wird zur Herausforderung. Auf Dauer sollte man im eigenen Betrieb daher unbedingt eine einzige und verbindliche Geschäftssprache einführen und diese nachdrücklich durchsetzen – bevorzugt Englisch, da dies symmetrisch ist (auch für uns Deutsche eine Fremdsprache) und eine größtmögliche Beweglichkeit auf dem Bewerbermarkt bringt. Die ist in weniger internationalen Unternehmen in China konsequent verwirklicht, als man annehmen sollte. Selbst wenn die „Einsprachigkeit“ erreicht ist, heißt es aufmerksam zu bleiben. Ein Meeting sollte nur weiter geführt werden, wenn Sie sich wirklich sicher sind, dass alle über das zuletzt Gesagte wirklich im (gleichen) Bilde sind. Es reicht meist nicht, diesbezüglich „Alles klar?“ zu fragen – dieses „Ja“ ist schnell gesagt – erst die Frage nach einer Zusammenfassung klärt den wirklichen Stand. „Chinesisch“ als Landessprache stellt eine weitere Herausforderung dar: Wenn ein Meeting ins Chinesische abdriftet, bedeutet dies für die meisten „Expats“ noch immer „komplette Mattscheibe“. „Was geht hier vor?“ Grundsätzlich sollten Sie daher auch in Verhandlungen auf Englisch mit getrennten Dolmetschern bestehen. Dies ist fair und relativ sicher, da erstens beide Seiten die Fremdsprache benutzen müssen und zweitens der Dolmetscher nicht von einer Partei abhängt. Sie müssen sich auf Ihre chinesisch sprechenden Partner absolut verlassen können. Was Sie an der Übersetzung sparen, zahlen Sie später drauf. Ein produktiver Weg mit der unangenehmen aber manchmal unvermeidbaren Situation eines rein chinesischen Meetings umzugehen ist „atmosphärisches Zuhören“ im Team, bestehend aus Verhandlungsführer/in (lokal) und deutschem Verhandlungspartner (ggf. mit Dolmetscher/in). Der/Die Verhandlungsführerin

171 spricht, Sie behalten dabei – selbst wenn Sie nichts mehr verstehen – aufmerksam Ihr Gegenüber im Blick. Sehen Sie Interventionsbedarf (z. B. Gesichtsausdruck des Gegenübers entgleist kurz), bitten Sie um eine kurze Auszeit und halten kurz Rücksprache mit Ihrem/Ihrer Verhandlungsführer/in, was gerade besprochen wurde – anschließend führt der/die KollegIn das Gespräch eigenständig weiter, während Sie sich wieder beobachtend zurückziehen. Persönliche Verbindlichkeit versus Rechtsverbindlichkeit Der Effekt sprachlicher Unklarheiten wird dadurch verstärkt, dass die chinesische Geschäftskultur per se eher sinn- denn detailorientiert ist. Große Teile internen chinesischen Geschäftslebens laufen bis heute völlig ohne Verträge, nur über die Verbindlichkeit persönlicher Beziehungen ab. Der unterschiedliche Fokus von persönlicher Verbindlichkeit und Rechtsverbindlichkeit führt zu den meisten und tiefgehendsten Irritationen in deutsch-chinesischen Verhandlungen. Der Umgang insbesondere mit Verträgen in China erscheint Deutschen manchmal rätselhaft. In China ist (noch) ein Vertragsverständnis vorherrschend, wonach ein Vertrag nur die Dokumentation eines Zwischenstandes der Verhandlung ist, und daher nur „chabuduo“ – „fast“ zu erfüllen ist, mit zweckmäßigen Anpassungen an neuere Ereignisse. Ein sehr pragmatischer Ansatz, denn über Jahrzehnte hinweg machten es die zentrale Ressourcenverteilung und die schlechte Infrastruktur in China nahezu unmöglich, längerfristige Zusagen zuverlässig einzuhalten. Der Vertragspartner war tatsächlich froh, wenn er auch nur „fast“ das Richtige bekam. Hier sollte man bereit sein in Randbereichen Zugeständnisse zu machen (dann darf man allerdings selbst auch nachverhandeln), aber auch sehr aufmerksam, hellhörig bleiben. Gerade wegen des unterschiedlichen Verständnisses sollten vertragliche Kernpunkte genau festgeschrieben werden: „Das ist uns wirklich wichtig – wenn das nicht da ist, zahlen wir Vertragsstrafen in Deutschland und das müssen wir dann natürlich auf euch umlegen.“ Klären Sie Ihre Interessen deutlich. Unter dem Druck des WTO-Beitritts wird das chinesische Rechtssystem zunehmend konsolidiert und verfeinert, der Wert von Verträgen steigt. Es sei daher mehr denn je empfohlen, sich zur juristisch eindeutigen Interessenklärung mit Fachleuten vor Ort kurzzuschließen. Gelegenheitsorientierung versus Zielorientierung Ein zweiter grundsätzlicher Ansatzunterschied ist „Gelegenheitsorientierung“ vs. „Zielorientierung“. Aus unterschiedlichen Gründen sind viele Chinesen (individuell wie auf Unternehmensebene) wesentlich schneller bereit als wir, für eine günstige Gelegenheit langfristige Strategien kurzfristigst zu „modifizieren“: „Lieber den Spatz in der Hand ...“ Auch dieses Verhalten wird von vielen Deutschen als chaotisch, in vielen Situationen jedoch eher als boshaft unberechenbar emp-

172 funden. Folgendes Beispiel mag zeigen, dass das eine verständliche, aber zu enge Wahrnehmung ist: Ein deutscher Unternehmer in der Metall verarbeitenden Industrie erzählte mir, dass sein chinesischer Manager eines Tages plötzlich mit der Idee zu ihm kam, doch Mini-Motorräder zu exportieren – was wirklich völlig außerhalb des Portfolios lag: „Die Bikes sind gut und viel günstiger als die der Konkurrenz.“ Die meisten hätten an dieser Stelle irritiert abgewunken: „Was ist das wieder für ein Klüngel?“ Chinesen empfinden solche Reaktionen oft als träge und unbeweglich: „Mensch jetzt komm in die Pötte – hier geht wirklich was! Wo ist das Problem?“ Dieser Metall-Unternehmer war Deutscher – aber eine echte „Old China Hand“. Und so schaute er sich erst einmal eine Lieferung Motorräder (nicht nur eines!) persönlich an, befand diese für gut, legte als Zielmarkt nicht Deutschland, sondern kurzer Hand das rechtlich in diesem Fall weniger komplizierte England fest und schon ging es los. Kurze Zeit später verschiffte die Firma die Kleinmotorräder containerweise. Das war Gelegenheitsorientierung par excellence und ein Beispiel, wie produktiv chinesisches „Chaosmanagement“ sein kann – wenn man offen genug ist, zuzuhören und hinzuschauen – und natürlich finanziell gesichert genug, um auch mal einen Fehlschlag wegzustecken. Wichtig: Ebenfalls aus der Gelegenheitsorientierung heraus werden chinesische Verhandlungspartner bei einem Vertragsabschluss von Ihnen vorgegebene Deadlines und Qualitätsanforderung häufig unbesehen akzeptieren – was dann aber nur heißt: „O.k., werden wir versuchen.“ Daher ist es empfehlenswert in Verhandlungen nicht zu fordern, sondern Kompetenzen, Kapazitäten, Maschinenstandards, Qualitätsstandards, erreichbare Deadlines etc. zu erfragen. Alles, was wirklich wichtig ist, sollten Sie zudem (wie der Motorrad-Exporteur) mit eigenen Augen gesehen, besichtigt haben. Führen statt Managen Die genannten Dimensionen, Beziehungs- und Gelegenheitsorientierung ergeben zwei grundlegende Denkrichtungen bezüglich der Motivation Ihrer chinesischen Mitarbeiter/Partner. Wann immer es plötzlich hakt oder unklar wird, sollten Sie sich zwei Dinge fragen: • Welche „Gelegenheit“ lässt es attraktiv erscheinen, in meiner Firma nicht oder unproduktiv zu arbeiten? Eine solche „Gelegenheit“ könnte sein, dass Arbeitszeit und Gehalt leistungsunabhängig sind – und zwar insbesondere im negativen Sinne. Lohnkürzungen oder

173 Wochenendarbeit sind in China genauso selbstverständliche Mittel der Zielvermittlung wie Bonusleistungen. • Bin ich als Person für meine Mitarbeiter so greifbar, integer, interessiert und interessant, dass man sich mir persönlich verpflichtet fühlt? Sie müssen für Ihre Mitarbeiter als Person greifbar werden – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Mal einem (gleichgeschlechtlichen) Mitarbeiter die Hand auf die Schulter oder den Arm zu legen oder dies umgekehrt zu akzeptieren wird als Zeichen hoher persönlicher Akzeptanz verstanden. Auf der Baustelle Zigaretten spendieren, beim Fest Karaoke singen und essen gehen – zeigen Sie sich als menschliches Wesen. Vielen westlichen Managern erscheint das seltsam, unnötig und lästig. Eine kurze kollektive Jubelrede nach dem „We will always stay together“-Strickmuster reicht aber nicht aus. Chinesen wollen Sie wirklich „bei sich stehen“ sehen, stellen die Frage: „Was konkret hilft mir/uns im Hier und Jetzt das, was ich da gerade machen soll.“ Die Hand auf der Schulter kann zeigen: Es bringt z. B. Anerkennung (Geld wäre natürlich besser, aber ist eben gar nicht immer notwendig). Suchen Sie intensiven, fragenden, wahrnehmenden, aber auch erklärend vermittelnden Kontakt zu wirklich jedem einzelnen Mitarbeiter in Ihrem direkten Umfeld. Manchmal, um ggf. vorhandene Qualifikationsmängel besser abschätzen zu können, aber vielmehr, um angemessen zu vermitteln, was Ihnen bei der Arbeit wichtig ist, wo Sie Ihre persönlichen Prioritäten setzen und warum. Woher soll der chinesische Kollege Ihre Prioritäten kennen? Die meisten Chinesen waren nie im Westen. Kennen Sie die Erwartungen Ihrer chinesischer Mitarbeiter? Hier bedarf es schlichter Synchronisation, was ich im letzten Punkt noch einmal aufgreifen werde. Neben der Fairness bedarf es ab einem gewissen Punkt aber zudem der schon angesprochenen Konsequenz: „Zuckerbrot und (unter allem Vorbehalt!) Peitsche“, so fremd das einem persönlich auch sein mag, gerade mir als Personalentwickler. Eine klare, einfache Firmenstruktur ist auch hilfreich. China – der Reiz der Größe Bevor wir zum Fazit kommen, ein weiteres Praxisbeispiel: Es ist Spätsommer 2002, wir sind noch in keiner Form an die Öffentlichkeit gegangen. Trotzdem zeigt sich plötzlich ein großer chinesischer Headhunter an unserem Projekt interessiert, wobei das Augenmerk von Beginn an deutlich auf dem Produkt liegt, nicht auf uns – die Kommunikation läuft jedoch genau umgekehrt. Über ein volles Jahr hinweg werden in der Folge insgesamt vier Mitarbeiter dieser Firma versuchen, mir persönlich einen MBA-Lehrauftrag über Talentauswahl an einer sehr renommierten chinesischen Hochschule schmackhaft zu machen – was marketingtechnisch natürlich sehr attraktiv wäre – der direkte Draht zu den Managern der Zukunft. Es gibt eine Probevorlesung, ein Treffen mit dem Vorstand, drei Kaffeetrinken mit netten, stets weiblichen Mitarbeitern – aber keine Einigung. Es geht immer wieder um Fahrtkosten, Stundensätze, wieder Fahrtkosten, Termine,

174 wieder Stundensätze ... – alles (echte) „Peanuts“, Nebenschauplätze, was zeigt, dass die Vorlesung nicht das eigentliche Thema ist. Jedes Gespräch dreht sich irgendwann dann in die gleiche Richtung, nämlich, dass ich mehr Unterlagen beibringen müsste, am besten über unseren Test und noch besser über dessen Entwicklung. Und das ist auch immer der Punkt, an dem ich freundlichst mit der immer gleichen Position verneine, dass ich mit der Probevorlesung meine Inhaltsskizze gegeben habe und weitere Materialien nur nach Vertragsabschluss übergeben werde, denn die Erarbeitung der Materialien an sich – gerade wenn sie sich auf den Test bezögen – sei der eigentlich entscheidende Teil des Auftrages. Es zeigt sich hier im Kleinen ein Muster, das sich in China immer wieder beobachten lässt: der Reiz der Größe (in diesem Fall das Hochschulrenommee). Westliche Unternehmer neigen „zielorientiert“ dazu, z. B. auch mit der Aussicht auf für deutsche Verhältnisse teilweise astronomisch hohe Auftragsvolumina oder Gewinnmargen alles in Bewegung zu setzen, um diese Aufträge zu bekommen – auch in Form großer Vorleistungen. Leistungen ohne Geld sind in China jedoch nur sehr, sehr selten zu empfehlen. Haben Sie nämlich den „point of no return“ erreicht, können die Bandagen schnell um ein Vielfaches härter werden, bis zur völligen Verdrängung aus dem Angebot. Daher sollten Sie durchaus strategisch denken, aber kleinschrittig und flexibel handeln, fortlaufend fairen Interessenausgleich suchen – da kann man in China viel lernen. Auch sollten Ihre Partner ungefähr die gleiche „Gewichtsklasse“ haben, andernfalls besteht die Gefahr „gefressen“ oder zerrieben zu werden. Im Falle unfairer Praktiken kann ein Gang zur deutschen Botschaft übrigens wirkungsvoller sein als eine Klage (s. Beziehung vs. Recht). China – jeden Tag neu, jeden Tag anders Es bleibt die letzte, leider etwas ernüchternde Wahrheit über China als Projektstandort. Lassen Sie sich niemals dazu verleiten, irgendetwas in China für selbstverständlich zu nehmen. „Tasten“ Sie sich an China immer wieder neu, wach und offen heran. Wie schon erwähnt wird im Westen manchmal versucht, China voller Aufregung auf den Aspekt der potenziellen 1,3 Milliarden Kunden/Arbeiter zu reduzieren. Hinter dieser Perspektive stehen jedoch genau diese 1,3 Milliarden Menschen als mindestens genauso große Herausforderung. 1,3 Milliarden Menschen, die in einer grundlegenden anderen Realität aufgewachsen sind als Sie es sind, die zudem in einem weiten Spektrum an Landschaften unter für uns teils unvorstellbaren materiellen Bedingungen leben. Wenn diese Menschen ernsthaft Ihre Partner, Mitarbeiter oder Kunden werden sollen, sollten Sie diese zuerst angemessen kennen und respektieren lernen.

175 Firmen sei in diesem Sinne empfohlen, sich zuerst über Handelskanäle von Deutschland aus auf den chinesischen Markt zu bewegen. Die ersten produktbezogenen Chinaerfahrungen sollten bereits existieren, die ersten Marketingspiele gespielt, die ersten Zulieferer identifiziert und die ersten Kunden etabliert sein, bevor Sie wirklich finanzintensive Schritte wagen. Dann werden Sie angemessener und überzeugender agieren, wenn es wirklich ans Eingemachte geht. Auf individuellem Level sollten Expats mehrere Wochen Zeit zur ungebundenen Orientierung im Land haben, um das alltägliche Leben zukünftiger Mitarbeiter und Mitbewerber besser zu verstehen. Das heißt: raus auf die Straßen, mit öffentlichen Bussen fahren, in die kleinen Restaurants gehen, aufs Land schauen. Der reibungslose Luxus, der bei Kurztrips in aller Regel präsentiert wird, hat sehr wenig mit dem Alltag vor Ort zu tun – China bietet ein wirklich faszinierendes, aber für westliche Führungskräfte zuweilen sehr schwieriges, anstrengendes Arbeitsumfeld. Wer tatsächlich sofort antreten muss, sollte sich daher zumindest einen angemessenen Zeitraum für die erwähnten Vieraugengespräche (Synchronisation) mit jedem direkten Mitarbeiter genehmigen. Das hört sich „teuer“ an – aber was Sie anfangs an vermeintlich unproduktiver Zuwendung, Beziehungs-, Prozess- und Zielklärungen versäumen, kann Sie später vielfach teurer zu stehen kommen. Sie können kein Chinese werden. Es reicht vollkommen, wenn Sie sich ein ernsthaftes Interesse an chinesischen Ansichten und Perspektiven bewahren sowie als klarer, fachkompetenter Partner und offener Gast auftreten. Wahrnehmen, hinterfragen (die Betonung liegt auf fragen), handeln und dann wieder wahrnehmen. Das ist der fortwährende Kreislauf für uns in China, an dessen Ende irgendwann dann tatsächlich auch Geschäfte stehen können. Viel Erfolg, aber auch einfach viel Freude in diesem vielgesichtigen Land.

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Japan: Entscheidungsprozesse in Japan am Beispiel der Organisation eines Betriebsausfluges im Vergleich mit der bedrohlichen Situation eines Giftgasanschlages Chistine Heinze, Relationship Manager für asiatische Banken Im vorliegenden Beitrag wird die Autorin zunächst ihre ganz persönlichen Beobachtungen und Rückschlüsse, die sie während ihrer 7-monatigen Tätigkeit bei einer Niederlassung einer deutschen Großbank in Tokio gewann, am Beispiel eines Betriebsausflugs schildern und anschließend ihre Erfahrungen mit ihren Beobachtungen beim Giftgasanschlag, der einen Ausnahmezustand darstellt, vergleichen. In jedem japanischen Unternehmen findet einmal jährlich ein Betriebsausflug statt. Die Form kann sehr variieren und hängt unter anderem von der finanziellen Situation des Unternehmens in dem entsprechenden Jahr ab. So ein Betriebsausflug kann von einem halben Tag bis zu zwei Tagen dauern, in der Nachbarstadt oder drei Flugstunden entfernt stattfinden. Auch ausländische Unternehmen tun gut daran, dieser japanischen Tradition zu folgen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Möglichkeit der Interaktion, des Austauschs und des Prestigegewinns zu ermöglichen. In dieser Niederlassung hatte sich das Management entschieden, der 150-köpfigen Belegschaft (zu 95 % japanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) aufgrund des exzellenten Vorjahresergebnisses einen Betriebsausflug nach Okinawa zu finanzieren. (Okinawa wird häufig als das „Hawaii Japans“ bezeichnet und ist für den Durchschnittsjapaner und die Durchschnittsjapanerin zu teuer, um privat dorthin zu reisen.) Der Betriebsausflug sollte im Mai statt finden, von Samstag bis Sonntag dauern und den jeweils dreistündigen Hin- und Rückflug beinhalten. Ca. 80 Personen nahmen letztendlich an der Reise teil. Die Planungen begannen bereits sechs Monate vor dem eigentlichen Betriebsausflug – also im Dezember. Zu Anfang wurden Personen aus den unterschied-

177 lichsten Abteilungen benannt, die das Organisationskomitee aus sechs Personen bildeten. Anfänglich traf man sich in Abständen von zwei Wochen, um ein Konzept zu entwickeln und ein passendes Hotel zu buchen. Nach drei Monaten fanden diese Treffen jeweils wöchentlich statt, um die Abläufe und Details zu entscheiden. Bereits bei der Zusammensetzung des Organisationskomitees war wichtig, dass jede Gruppe der Belegschaft in der einen oder anderen Art vertreten war und eine Stimme hatte. Die Treffen liefen sehr konsensorientiert ab und es wurde darauf geachtet, dass möglichst alle Interessen und Blickwinkel mit einbezogen wurden. Die Diskussion war erst beendet, wenn eine Entscheidung im Gruppenkonsens getroffen werden konnte, was sich manchmal für einen einzigen Punkt (z. B. Sandwich im Bus oder Mittagessen im Restaurant nach der Ankunft auf Okinawa) über mehrere Stunden hinzog. Es wurden das Für und Wider ausführlich abgewogen und alle Eventualitäten in Betracht gezogen. Die durch Gruppenkonsens erlangten Entscheidungen konnten praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden, da ja „alle“ zugestimmt hatten und die Gesamtheit der Gruppe nun für das Resultat verantwortlich war. Der Gruppenkonsens legitimierte komplett die getroffenen Entscheidungen. Die Resultate wurden permanent ans Management rückgekoppelt, das kleinere Korrekturen vornehmen konnte. Interessant an dem Planungs- und Entscheidungsprozess waren darüber hinaus folgende Punkte: - Der mit sechs Monaten sehr lange Prozess und das kontinuierliche, strukturierte und vorausblickende Abarbeiten der Themen und noch so kleinen organisatorischen Details. Der Aufteilung der Zimmer wurde z. B. sehr viel Aufmerksamkeit entgegengebracht, da auf jeden Fall sichergestellt werden sollte, dass sich jede Kollegin und jeder Kollege in seinem Zimmer wohl fühlte und sich gut mit den Zimmernachbarn verstand. Der Konsens sollte auf jeder Ebene der Organisation und der Veranstaltung gewährleistet sein. - Das Ziel war ein perfekt und fast minutiös ablaufender Betriebsausflug, der extrem durchorganisiert war und kaum Freiraum für Aktivitäten und Entscheidungen von Einzelpersonen zuließ. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte diese minutiöse Planung den Vorteil, dass niemand selbstständig nachdenken und nur den anderen hinterherlaufen musste. Denn es war bereits alles entschieden! Es fand alles zu festgelegten Zeiten und Zeiträumen statt, sodass auch das stimmungsvollste Abendessen abgebrochen werden musste, da schon der nächste Programmpunkt, z. B. die Fahrt in die Diskothek, auf dem Programmplan stand. Im Empfinden der deutschen und europäischen Belegschaft störte dies den Gruppenprozess und die Gemütlichkeit. Für die Japanerinnen und Japaner war dies ein ganz gewohntes und natürliches Prozedere.

178 - Der Entscheidungsprozess schien mir für die Gruppendynamik und Motivation des japanischen Teils der Belegschaft wichtiger als der tatsächliche Betriebsausflug und die dort stattfindende Interaktion, Kommunikation und Aktivität. Dies war ganz im Gegensatz zu den deutschen und europäischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Schwerpunkt deutlich bei der Veranstaltung sahen und teilweise enttäuscht nach Hause fuhren, da sich durch die aufwändige Organisation im Vorfeld eine bestimmte Erwartungshaltung aufgebaut hatte, die nicht erfüllt wurde. Ganz anders verliefen im Vergleich dazu die Entscheidungsprozesse während des Sarin-Anschlags in der Tokioter U-Bahn. Auffallend war hier, dass keine Zeit war, Gruppenentscheidungen herbeizuführen, was fatale Folgen haben sollte. Im März 1995 beging die Sekte Aum-Shinroku einen Giftgasanschlag auf die UBahn in Tokio. Dem Anschlag fielen mehrere Menschen zum Opfer, mehrere tausend wurden verletzt. Die Autorin war zu dem Zeitpunkt im U-Bahnhof „Kasumigaseki“ und hat das Attentat aus nächster Nähe miterlebt. Darüber hinaus hat sie im Anschluss daran Fernsehaufnahmen von den Helfern gesehen, die aufgrund ihrer Detailtiefe später nie wieder gezeigt wurden. Informationen waren nach den ersten zwei bis drei Stunden nur noch sehr restriktiv zugänglich. Es gab praktisch keine Detailinformationen aus japanischen Medien, nur direkt aus ausländischen Quellen. Nach dem Anschlag herrschte keine Panik. Die Menschen waren sehr ruhig und diszipliniert. Aber die Rettungskräfte rannten hilf- und kopflos und unkoordiniert an die verschiedenen Unglücksstellen. Viele von ihnen fanden dort ihren Tod, da sie zum Teil ohne Schutzanzüge und ohne Kenntnisse des genauen Vorfalls an die Unglücksstellen eilten. Die Autorin führt das darauf zurück, dass aufgrund des Zeitmangels kein gruppenzentrierter Entscheidungsprozess eingeleitet werden konnte und ad hoc im Alleingang entschieden werden musste. Welche Konsequenzen hatte der Mangel an der Möglichkeit zum gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess ? Wie am Beispiel des Betriebsausflugs beschrieben, führt die im Gruppenkonsens getroffene Entscheidung dazu, dass die Gruppe die Verantwortung innehat. Der oder die Einzelne war es bisher nicht gewohnt, Entscheidungen und deren Konsequenzen ohne die Rückmeldung und die Unterstützung der Gruppe zu treffen und diese alleine zu verantworten. Es entstand also ein Vakuum unter dem Zwang, handeln zu müssen, um die Aufgabe „Leben zu retten“ zu erfüllen. Das führte zu den unvorsichtigen Aktionen einiger Rettungskräfte, die dies leider mit dem Tod bezahlen mussten.

179 Fazit Aus dem Vergleich wird deutlich, dass japanische Entscheidungsprozesse sehr strukturiert ablaufen, sehr stark an gesellschaftliche Strukturen, Hierarchien, Vorgaben und die Gruppe gebunden sind und sich an gesellschaftlich legitimierten Werten wie Konsens und Kollektivverantwortung orientieren. Falls diese Vorgaben und Vorgehensweisen nicht eingehalten oder durchgeführt werden können, besteht die große Gefahr, dass der oder die Einzelne die Orientierung verliert und keinen Weg erkennt, um zu einem sinnvollen Ergebnis zu gelangen. Was wäre also deutschen Entsandten (Expatriates) in Japan zu empfehlen oder Deutschen, die mit Japanern beruflich zusammenarbeiten ? Man sollte sehr strukturiert vorgehen, die Entscheidungsstrukturen erkennen und beachten und ausreichend Zeit für eine Entscheidungsfindung einkalkulieren. Es empfiehlt sich möglichst viele Personen von seinem Anliegen zu überzeugen, da niemand alleine entscheiden kann und dies auch nicht für Sie tun wird. Man sollte sich mit dem Wertesystem der japanischen Gesellschaft beschäftigen und diese verinnerlichen, damit man die für eine Entscheidung notwendigen Verhaltensweisen bei seinem Gegenüber erkennen und für sich nutzbar machen kann.

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Multikulturell: Let’s Make a Book! – die Organisation einer internationalen Zusammenarbeit Christof Häger, IBM Deutschland GmbH

1 Kurzbeschreibung des Projektes Bei dem hier dargestellten Projekt handelt es sich um die Organisation und Durchführung eines internationalen Workshops und der anschließenden Koordination der Erstellung einer Publikation aller Konferenzbeiträge in Buchform (Kohlmaier et al. 1998). Das gesamte Projekt wurde im Zeitraum Frühjahr 1996 bis Frühjahr 1998 durchgeführt, der Workshop fand vom 19.–21.6. 1996 statt, die Publikation erschien Mitte des Jahres 1998. Der ursprüngliche Zeitplan des Projektes ging von einem um etwa ein Jahr früheren Erscheinungsdatum aus. Auf die Gründe für den Verzug wird im weiteren Verlauf dieses Beitrages eingegangen werden. Der Autor des vorliegenden Artikels hatte im Projekt gemeinsam mit einer damaligen Kollegin die Rolle des Projektkoordinators inne. Ihm oblag die Kommunikation mit den Workshop-Teilnehmern in der Vorbereitungsphase, die Organisation der Zusammenkunft und insbesondere das Zusammentragen der einzelnen Buchbeiträge der Teilnehmer. Außerdem gehörte die Organisation der Reviews durch mindestens jeweils zwei Fachkollegen zu den Tätigkeiten im Projekt. Bei dem Workshop handelte es sich um eine Zusammenkunft von Wissenschaftlern mit den Forschungsschwerpunkten bio-geochemische Zyklen und Forstwissenschaft mit Mitarbeitern aus Ministerien, staatlichen Einrichtungen und Unternehmen. Eingebettet ist diese Arbeit in die Forschungen zum globalen Kohlenstoffkreislauf bzw. zum globalen Treibhauseffekt. Im vorliegenden Artikel wird jedoch der Fokus nicht auf dem fachlichen Hintergrund des Workshops, sondern auf dem Management des multikurellen Projektes „Durchführung des Workshops und Veröffentlichung der Ergebnisse“ liegen.

2 Statistik der Teilnehmer Die personelle Zusammensetzung des Projektteams war in jeder Hinsicht heterogen. Die beiden Ideengeber – Projektleiter und stellvertretender Projektleiter – kamen aus Deutschland (Frankfurt und München), die insgesamt 28 Teilnehmer

181 des Workshops stammten aus insgesamt 11 Nationen, wobei das Herkunftsland Deutschland mit 54 % der Teilnehmer ein deutliches Übergewicht hatte (s. Abb. 1).

Abbildung 1: Herkunftsland der Teilnehmer Ähnlich wie die Herkunftsländer waren auch die Herkunftsorganisationen der Teilnehmer sehr unterschiedlich (s. Abb. 2). Es gab zwei Schwergewichte bei den Organisationen: 50 % der Teilnehmer kamen von staatlichen Forschungseinrichtungen, 32 % der Teilnehmer kamen von Universitäten. Die restlichen Herkunftsorganisationen waren Ministerien (7 %) und Unternehmen (7 %). Ein Teilnehmer kam von einer wissenschaftlichen Stiftung (4 %). Der Anteil der Männer an den Teilnehmern war 89 %, lediglich drei Teilnehmerinnen waren Frauen (11 %).

Abbildung 2: Herkunftsorganisation der Teilnehmer

182 Wie in vielen Standardwerken über Projektmanagement ausgeführt (z. B. Meredith/Mantel 1995, S. 661 ff.), erhöhen sich durch ein internationales Projektteam und unterschiedliche organisatorische Herkunft der Projektmitarbeiter die Konflikte und Probleme um mehr als eine Größenordnung. Hat man bei einem Projektteam von 28 Personen schon n * (n-1) / 2 = 378 Kommunikationswege (PMBOK 2000), so erhöht sich gerade bei heterogenen Teams die Gefahr von gestörter Kommunikation aufgrund von sprachlichen Missverständnissen, unterschiedlichem kulturellen Hintergrund oder schlicht divergierenden Interessen der Herkunftsorganisationen. Aus diesem Grund ist eine sorgfältig durchgeführte Bildung des Teams („TeamBuilding“) und eine klare Kommunikation unerlässlich. Daher wird nachfolgend besonders auf die Eigenheiten eines solchen internationalen Projektes im Bezug auf Team-Building und Kommunikation eingegangen.

3 Projektverlauf 3.1 Initialisierung Initialisiert wurde das Projekt mit einem dreitägigen Workshop, zu dem die Teilnehmer bzw. deren Organisationen eingeladen wurden. Dabei bestand bei zahlreichen inoffiziellen Treffen die Möglichkeit für die Teilnehmer, sich kennen zu lernen (s. Kap. „Team-Building“). Im Vorfeld des Workshops waren die Eingeladenen um die Ausarbeitung eines Vortrages gebeten worden, der während des Workshops gehalten und diskutiert wurde.

3.2 Weiterer Verlauf Die späteren Autoren der Veröffentlichung kamen nur einmalig zu dem drei Tage dauernden Workshop zusammen, weitere persönliche Treffen der Teilnehmer in der „großen Runde“ fanden nicht statt. Wie in jeder wissenschaftlichen Gemeinschaft kannten sich die Teilnehmer wenigstens zum Teil bereits vorher von ähnlichen Konferenzen oder anderen gemeinsamen Projekten. Die Kommunikation wurde aber außerhalb des Workshops fast ausschließlich per E-Mail geführt, in Ausnahmefällen auch per Telefon. Dabei wurde aber nicht das heute gebräuchliche Mittel der Telefonkonferenz eingesetzt. Das bedeutet, dass immer nur wenige der Teilnehmer gleichzeitig telefonisch informiert werden konnten.

183

3.3 Projektabschluss und statistische Daten zum Ergebnis Nach Abgabe der Arbeitsergebnisse wurden diese einem aufwändigen Peer-Review und Korrekturen durch die Autoren unterzogen. Die endgültigen Artikel wurden schließlich an den Verlag zur Drucklegung gesendet. Von den 28 Teilnehmern am Workshop wurden 22 Vorträge gehalten. Die 20 Artikel des Buches wurden von insgesamt 41 Autoren verfasst, hinzu kommt noch eine Einleitung durch die drei Herausgeber. Für die Peer-Reviews standen 14 Peers aus dem Kreis der Autoren und 19 externe Peers zur Verfügung.

4 Besonderheiten des Projektes 4.1 Probleme in der Organisation Die Probleme bestanden zunächst darin, dass die Autoren die Terminvorgaben nicht einhielten. Obwohl die vorgegebene Zeitplanung nicht allgemein in Frage gestellt wurde, mussten einige der Autoren mit ihrem Beitrag mehrfach angemahnt werden. Mehrere der versprochenen Artikel wurde von den Autoren nie abgeliefert. Das zweite Problem bestand in der Organisation des Review-Prozesses. Es sollte für jeden Beitrag ein Peer-Review durch mindestens zwei Peers durchgeführt werden. Mindestens einer der Peers sollte zudem englischer Muttersprachler sein, um die sprachliche Qualität der Beiträge zu erhöhen. Die potenziellen Peers konnten von den Autoren selber vorgeschlagen werden. Aus dieser Vorgabe der Projektleitung ergab sich zwangsläufig ein Engpass bei den „native speaking“ Peers. Dazu kam, dass nicht alle der Teilnehmer am Workshop die Expertise hatten, als Peer ein oder mehrere Reviews durchführen zu können. Es mussten daher 19 weitere „External Reviewers“ gesucht werden, die zwar nicht zum eigentlichen Autorenteam gehörten, die aber jeweils einen der insgesamt 20 eingereichten Artikel begutachteten. Da die Ergebnisse der Reviews wieder zurück an die Autoren gemeldet werden und diese die Anmerkungen in die Beiträge einarbeiten mussten, kam es zu der Gesamtverzögerung von rund einem Jahr.

4.2 Entscheidungen Eine wichtige Entscheidung im Projektverlauf war zunächst die Festlegung auf die Projektsprache Englisch. Diese Entscheidung wurde aber durch die Zusammensetzung des Teams bedingt.

184 Während des Workshops wurde ein dritter Herausgeber für die zu erstellende Veröffentlichung in Buchform gesucht. Nach Vorgaben der Projektleitung sollte dieser Herausgeber einer der internationalen Autoren sein. Der Mitherausgeber sollte Englisch als Muttersprache sprechen, um ggf. auch bei den abschließenden Korrekturen der Artikel unterstützen zu können. Es boten sich mehrere Alternativen an: • ein im Team mitarbeitender, amerikanischer Wissenschaftspublizist mit viel Erfahrung aus ähnlichen Projekten und guten Branchenkenntnissen, aber geringem wissenschaftlichen Hintergrund, • ein kanadischer Wissenschaftler aus einer Behörde, • ein amerikanischer Wissenschaftler einer Universität mit sehr guter Reputation in der „scientific community“. Die Entscheidung wurde vom Projektleiter eigenständig zugunsten des amerikanischen Wissenschaftlers getroffen und dem Team mitgeteilt. Die Reviews sollten nach dem Willen der Projektleitung z. T.. durch externe Peers durchgeführt werden. Diese führte, gemeinsam mit der Entscheidung für einen dritten Herausgeber, zu einer weiteren Erhöhung der Komplexität. Die grundsätzlichen Entscheidungen mussten nun zwischen drei Herausgebern abgestimmt und die 19 externen Peers in die bereits bestehende Kommunikationsstruktur des Teams eingebunden werden. Bei 41 Autoren und 19 weiteren Peers bestehen theoretisch (60 * 59) /2 = 1770 Wege bei einer 1:1-Kommunikation. Um diese Komplexität einzuschränken, wurde vom Projektmanagement entschieden, die Kommunikation der Peers mit den Autoren immer über das „Project Office“ laufen zu lassen. Die Peers waren daher den Autoren nicht namentlich bekannt, die Peer-Reviews wurden anonymisiert an die Autoren geschickt. Dies brachte zwar eine starke Arbeitsbelastung des „Project Office“ mit sich, hatte aber den großen Vorteil, dass die Projektleitung jederzeit im Bilde über –den jeweiligen Bearbeitungsstand eines Artikels war. Nebenbei sei bemerkt, dass die Mitarbeiter des „Project Office“ auch zum Kreis der Autoren zählten, hier musste natürlich vom Prinzip der anonymen Begutachtung abgewichen werden.

4.3 Team-Building Wie bereits erwähnt, kommt gerade bei internationalen Teams mit sehr unterschiedlichem kulturellen Hintergrund der Teambildung eine entscheidende Bedeutung zu. Da außer dem Workshop keine weitere Gelegenheit gegeben war, das gesamte Team gemeinsam an einem Ort zusammenzubekommen, musste von diesem Event der gesamte Teamgeist und das „Commitment“ der Teilnehmer für die

185 spätere Aufgabe der Veröffentlichung eines Buches ausgehen (Katzenbach/Smith 1994). Das Team-Building wurde entscheidend geprägt durch viele soziale Events während des Workshops. So stand bereits am Abend der Ankunft der meisten Teilnehmer ein informelles Get-together in einem nahen Biergarten auf der Agenda. Damit konnten bereits gleich zu Beginn des Treffens neue Kontakte geknüpft und bestehende wieder aufgefrischt werden. Jeden Abend bestand im Keller des Tagungshotels die Gelegenheit zum weiteren informellen Gedankenaustausch bei einem Glas Bier. Dazu war von der Projektleitung extra ein Raum mit Bewirtschaftung reserviert worden. Ein Höhepunkt des Treffens war der gemeinsame Besuch eines Theaterstücks in München. Allerdings gab es auch hier wieder Sprachprobleme: Um den ausländischen Gästen einen ermüdenden Abend in einem Theaterstück auf Deutsch zu ersparen, wurde als Alternative der Besuch eines klassischen Konzertes vorgeschlagen. Die Folge davon war, dass die Mehrzahl der deutschsprachigen und einige wenige anderssprachige Teilnehmer mit Deutschkenntnissen das Theaterstück besuchten, während die restlichen ausländischen Gäste in das Konzert gingen. Man traf sich zu einem Dinner wieder in einem Restaurant, allerdings war durch die unterschiedlichen Schlusszeitpunkte der beiden Veranstaltungen die Gruppe getrennt. Hier wäre zu überlegen gewesen, ob man nicht besser eine Veranstaltung für alle Teilnehmer angeboten hätte, um mit einem gemeinsamen Event das Team zu formen.

4.4 Sprachkompetenz Im Verlauf des Workshops stellte sich heraus, dass einer der kanadischen Wissenschaftler mehrere Jahre in Deutschland gelebt hatte und gut Deutsch verstand. Er war aber niemals zu überreden, eine Konversation auf Deutsch zu führen, selbst wenn er der einzige fremdsprachliche Teilnehmer einer Diskussion war. Diese Einstellung wurde vom Autor dieses Beitrages wiederholt zu anderen Gelegenheiten bei Angehörigen des angloamerikanischen Kulturkreises beobachtet. Unterstützt wird dieses Verhalten durch die weltweite Vorherrschaft der englischen Sprache, besonders natürlich im internationalen wissenschaftlichen Bereich: Die meisten Publikationen werden auf Englisch verfasst und jeder Wissenschaftler muss zwangsläufig des Englischen mächtig sein. Somit besteht für Wissenschaftler mit Englisch als Muttersprache keine Notwendigkeit, Fremdsprachen zu lernen bzw. diese – trotz ausreichender Kenntnisse – aktiv zu sprechen.

4.5 Verlauf der Interaktion und Kommunikation Im Verlauf des Workshops ergab sich die – auch aus anderen internationalen Kontakten bekannte – Situation, dass im angloamerikanischen Raum oft auf „first name basis“ miteinander kommuniziert wird. Auch während des Workshops wurde so verfahren, einfach um die Situation aufzulockern und eine entspannte

186 Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Der Projektleiter teilte dies zu Beginn des Workshops in seiner Begrüßung kurz mit. Diese Vorgehensweise führte allerdings zu der paradoxen Situation, dass deutsche Teilnehmer, die sich bislang auf Deutsch per „Sie“ und dem Nachnamen angesprochen hatten, sich plötzlich auf Englisch mit dem Vornamen ansprachen. Bei späteren Gesprächen, die wieder auf Deutsch geführt wurden, wurde dann oft verspätet und etwas verschämt das „Du“ angeboten. Bei Teilnehmern aus der „scientific community“ war das noch einigermaßen logisch und konsequent. Da am Workshop aber Teilnehmer aus anderen, sehr unterschiedlichen Bereichen anwesend waren, die auch sehr unterschiedliche Positionen innehatten und es z. T. große Altersunterschiede gab, wurde das „Duzen“ bei auf Deutsch geführten Unterhaltungen nicht immer konsequent durchgehalten. Auch im späteren E-Mail-Verkehr wurden einige der Projektmitarbeiter auf Deutsch weiterhin mit ihrem Nachnamen und ihrem Titel angeschrieben, während in Englisch abgefassten E-Mails die Vornamen als Anrede genügten. Hier werden aus Sicht des Autors die kulturellen Unterschiede der angloamerikanischen und der deutschen Kultur sehr stark offensichtlich. Das „Duzen“ und die Verwendung der Vornamen über soziale Schranken und Altersunterschiede hinweg ist in Deutschland einfach unüblich und wird oftmals als Anmaßung empfunden. Bei der Kommunikation mit Engländern und in noch stärkerem Maße mit Amerikanern dagegen ist der Prozess des „Das-Du-Anbietens“ (bzw. der vergleichbare Übergang der Kommunikation auf „first name basis“) weit weniger formalisiert und wesentlich leichter durchzuführen. Dort reicht meist die Verwendung des Vornamens des Gesprächspartners durch den Ranghöheren, um deutlich zu machen, dass man sich gegenseitig mit dem Vornamen ansprechen kann. Im Deutschen dagegen ist zumindest ein kurzer Satz nötig, wie z. B. „Wir können uns auch duzen.“ Der Autor dieses Beitrages erlebte zu einer anderen Gelegenheit die Situation, dass Amerikaner, die sich offensichtlich mit der deutschen Eigenheit der akademischen Titel vertraut gemacht hatten, ihn wiederholt mit „Dr. Christof“ ansprachen. Wären es Deutsche gewesen, hätte sich diese Anrede höchst befremdlich angehört und den Schluss nahe gelegt, dass man sich über den Angesprochenen lustig machen will. Bei den Amerikanern dagegen war dies der Versuch, einerseits die im Team vereinbarte Anrede mit dem Vornamen zu verwenden, andererseits aber das – offensichtlich aus Reiseführern stammende – Wissen um die Anrede mit dem Titel anzuwenden. Aus Sicht des Autors gibt es zur Umgehung des Konfliktes kein Patentrezept: Meist reicht es, in der zu Beginn des Projektes zu erstellenden Team-Charter eine Vereinbarung über die Anrede zu treffen oder – wie im hier dargestellten Projekt – während des Kick-offs eine kurze Klärung herbeizuführen. Wird diese Klärung vergessen oder bewusst vermieden, werden für den weiteren Verlauf des Projektes

187 unnötige Kommunikationsbarrieren aufgebaut, weil schlicht die Frage der Anrede des Gegenübers nicht geklärt ist. Extrovertierte Projektmitarbeiter finden sicher eine persönliche Lösung, aber gerade introvertierte Teammitglieder könnten hier schon überfordert sein, noch dazu, wenn möglicherweise schon die Kommunikation in einer Fremdsprache Schwierigkeiten bereitet.

5 Schlussfolgerungen In allen dargestellten Details des Projektes, die im Rahmen dieses Artikels nur schlaglichtartig beleuchtet werden konnten, wird die Dominanz des angloamerikanischen Kulturkreises gerade in internationalen Projekten deutlich. Dort besteht die Notwendigkeit, sich auf eine gemeinsame Sprache zu einigen. Selbst wenn es die Muttersprache von nur wenigen Projektmitgliedern sein sollte, es wird doch meist Englisch sein. Damit ist aber die herausgehobene Stellung der angloamerikanischen Teammitglieder schon determiniert. In Projekten mit stark heterogener Zusammensetzung des Teams, das zusätzlich in sehr unterschiedlichen Lokationen arbeitet, ist es für das Projektmanagement unerlässlich, restriktive Kommunikationsregeln im Team festzulegen, um den Überblick über den aktuellen Status nicht zu verlieren. Eine Möglichkeit, die hier praktiziert wurde, ist die Einschränkung der Kommunikationswege auf Wege, die über das Management laufen. Eine andere Möglichkeit ist die Schaffung von Hierarchieebenen im Team und das regelmäßige Reporting von Statusinformationen an das Management. Aufgrund der extrem heterogenen, unorganisierten Zusammensetzung des Teams war dies im dargestellten Projekt aber nicht durchzuführen. Aus Sicht des Autors dieses Beitrages ist dieses Projekt ein Beispiel dafür, wie mit scheinbar völlig unkoordinierten und heterogenen Teams dennoch hervorragende Arbeitsergebnisse erzielt werden können.

Literatur Katzenbach/Smith 1994 = Jon R. Katzenbach, Douglas K. Smith: The Wisdom of Teams – Creating the High-Performance Organization. New York: Harper Business 1994. Kohlmaier et al. 1998 = Gundolf H. Kohlmaier, Michael Weber, Richard A. Houghton: Carbon Dioxide Mitigation in Forestry and Wood Industry. Heidelberg: Springer 1998. Meredith/Mantel 1995 = Jack R. Meredith, Samuel J. Mantel: Project Management: A Managerial Approach. New York: John Wiley & Sons, Inc. 3rd ed. 1995. PMBOK 2000 = Project Management Institute: A Guide To The Project Management Body of Knowledge. 2000 ed. Newton Square, Pennsylvania: The Project Management Institute, Inc. 2000.

Autorinnen und Autoren

191 Dr. Dalia ABU SAMRA, Jahrgang 1970, studierte Mass Communication und International Relations an der American University in Cairo (Bachelor of Arts und Master of Arts) und promovierte im Fachbereich Politikwissenschaft am Institut des Vorderen Orients an der FU Berlin. Von 2001 bis 2004 leitete Frau Dr. Abu Samra die Wirtschaftsabteilung der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer in Kairo (Ägypten), seit Juli 2004 das Abu Dhabi Büro des Delegierten der Deutschen Wirtschaft für die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Katar. In diesen Funktionen begleitet sie deutsche Unternehmen bei ihren Markteintrittsstrategien in den arabischen Raum. Dr. Dominic BUSCH, Jahrgang 1976, studierte in Frankfurt/Oder und Dublin Kulturwissenschaften, Linguistik und European Studies. Seit 2001 lehrt und forscht er im Rahmen des Südosteuropäischen Medienzentrums (SOEMZ) der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder zu den Themen interkulturelle Mediation und Konfliktforschung. Im Mai 2004 hat er seine Promotion mit dem Dissertationsthema „Interkulturelle Mediation. Eine theoretische Grundlegung triadischer Konfliktbearbeitung in interkulturell bedingten Kontexten“ abgeschlossen. E-Mail: [email protected] Dipl.-Kfm. (Int.) Michael CERHAK, Jahrgang 1976, studierte nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Während zahlreicher Auslandsaufenthalte und seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich intensiv mit interkulturellen Projektteams in Theorie und Praxis. E-Mail: [email protected] Drs Rogier CRIJNS, Jahrgang 1954, Abteilungsleiter Deutsch der Fachgruppe Unternehmenskommunikation (Business Communication Studies, CIW) an der Radboud Universiteit Nijmegen NL. Forschungsschwerpunkte: internationale Unternehmenskommunikation (Interaktionsanalyse in der interkulturellen Verhandlungskommunikation, innerbetriebliche E-Mail-Kommunikation, internationale Werteforschung, Werbeforschung, e-recruitment). Studium der Germanistik, Niederlandistik und Didaktik an der KU Nijmegen (MA 1984). Seit 1996 Sokrateskoordinator deutschsprachiger Länder an der KU/Radboud Nijmegen. Gastvorträge (1997-2004) an verschiedenen europäischen Universitäten. Teilnehmer an der Forschungskooperation: Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation (Deutscher Universitäts-Verlag). E-Mail: [email protected], [email protected]

192 Dipl.-Pädagoge Frieder DEMMER, Jahrgang 1969, absolvierte PostgraduiertenStudium in Betriebswirtschaft. Mit fünf Jahren Erfahrung im Projekt- und Startup-Management in Deutschland baute er ab 2001 in Shanghai selbstständig die Firma HRO Consulting auf, einen der ersten Anbieter speziell für den chinesischen Markt entwickelter Personalentwicklungsverfahren. HRO zählt heute, nach nur drei Jahren im Markt, Multinationals wie auch renommierte chinesische Unternehmen zu seinen Kunden. Herr Demmer ist ein gefragter Redner auf internationalen Managementveranstaltungen in China. E-Mail: [email protected] Dipl.-Romanistin (VWL) Tanja EMMERLING, Jahrgang 1977, Studium der Neueren Fremdsprachen (Hispanistik, Italianistik, Volkswirtschaft) an der JustusLiebig-Universität Gießen. Während ihres Studiums war sie in Exportkooperationen und Markteinführungsprojekten in Italien und Spanien sowie in der internationalen Kongressorganisation in Großbritannien tätig. Zurzeit promoviert sie über romanische Sprachen in CI-Prozessen. Forschungsinteressen: Gesprächsforschung und Sprachanpassungen in der internen/externen Unternehmenskommunikation im romanischsprachigen Kulturraum. E-Mail: [email protected] Dipl.-Psych. Nada ENDRISSAT Jahrgang 1975, Studium der Psychologie und Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Darmstadt und der Freien Universität Berlin. Zurzeit Lehrassistentin an der Universität Basel, Abteilung Organisation, Führung und Personal. Die Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Kooperationsmanagement, Sozialkapital und soziale Netzwerke. E-Mail: [email protected] Dr. Christof HÄGER, PMP®, Jahrgang 1965; Studium der Physik an der Technischen Hochschule Darmstadt, Promotion in Chemie an der J.-W.-Goethe Universität, Frankfurt/Main, Master’s Certificate in Project Management, George Washington University, USA, PMI® Zertifizierung des Project Management Institute, USA, derzeit Advisory Project Manager in Kundenprojekten der IBM Deutschland. Das beschriebene Projekt wurde durchgeführt im Rahmen der Promotion als Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Goethe-Universität in Frankfurt/ Main, über 20 wissenschaftliche Publikationen. Vortragstätigkeit in Deutschland, Kanada, Australien, Frankreich, Österreich. Internationale Projekte mit Partnern aus der EU, Schweiz und Australien. E-Mail: [email protected]

193 Christine HEINZE, Jahrgang 1969, Bankkauffrau, betreut als Relationship Manager der Dresdner Bank in Frankfurt asiatische Banken. 1995 war sie als Expatriat bei einer anderen deutschen Großbank in Tokio, Japan. Heinze ist Autorin des Buches: „Frauen auf Erfolgskurs mit Mentoring (2002)“. E-Mail: [email protected] Volljurist Günter HIERNEIS, Jahrgang 1937, Lehrbeauftragter der Universität Bremen (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät), seit 1970 in Rio de Janeiro, Brasilien, als Direktor der HypoVereinsbank für Südamerika, im Präsidium der Deutsch-Brasilianischen Handelskammer seit 1978, Vortrags-und Lehrtätigkeit an brasilianischen und deutschen Universitäten, Ko-Autor mehrerer Publikationen zum brasilianischen Finanzsystem. E-Mail: [email protected] Gabriela KESSLER M.A., Jahrgang 1954, Studium der Psychologie und Psycholinguistik, Promotionsstudium der Wirtschaftspsychologie, Interkulturellen Kommunikation, BWL: Strategische Unternehmensführung und Personalmanagement in Zürich, Genf, München; Trainerzusatzausbildung. Derzeitige Tätigkeit: selbstständig, interkulturelle und wirtschaftspschologische Beratung, Coaching, Training, Personalauswahl/interkulturelle AC. Promotionsthema: Kulturstandards der Schweiz und ihrer primären Businesspartner. Mehrjähriger Auslandsaufenthalt. E-Mail: [email protected] Michael KÖHLER, geb. 1964. Aufgewachsen in Deutschland und Frankreich. Studium der Soziologie in Paris (Diplôme d’Etudes Universitaires Générales) und Hamburg (Diplom-Politologe). Selbstständiger Unternehmensberater mit zahlreichen Arbeitsaufenthalten im europäischen und außereuropäischen Ausland. Zuvor u. a. Tätigkeit als interner Berater für die Europäische Kommission in Brüssel und für das Geschäftsfeld Change Management der KPMG Consulting in Hamburg. Von 2002 bis Herbst 2004 bei dem Beratungsunternehmen CONSENSA verantwortlich für den Bereich Internationales Projektmanagement. E-Mail: [email protected] Dr. rer. pol., Dipl.-Kfm., Alp KOR, Jahrgang 1964, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, Senior Project Manager bei IBM Business Consulting Services, Schwerpunkte: Abgleich von Geschäftsprozessen mit Referenzprozessen betriebswirtschaftlicher Standardsoftware, Einführungsmethoden zur beschleunigten Einführung betriebswirtschaftlicher Standardsoftware, betriebswirtschaftliche Logistik und Supply-Chain-Management, betriebswirtschaftliche Simulation logistischer Abläufe, Management von komplexen, internationalen Projekten, seit 1997: Lehrbeauftragter am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Hamburg. E-Mail: [email protected]

194 Prof. Dr. Torsten M. KÜHLMANN, Jahrgang 1952, Studium der Psychologie, der Soziologie und der Betriebswirtschaftslehre. Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth. Vorstandsmitglied des „Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft“ an der Universität Bayreuth, der Stiftung „Internationale Unternehmensführung“, des „Kompetenznetzwerkes für interkulturelle Kommunikation (forarea)“ sowie des „Instituts für Internationale Kommunikation“. Forschungsarbeiten zum Vertrauen in internationalen Unternehmenskooperationen sowie zum Risikomanagement in internationalen Unternehmensnetzwerken. E-Mail: [email protected] Sylvia KUMM, Jahrgang 1970, Jurastudium in Würzburg und Pavia, derzeit Projektleiterin der Deutsch-Italienischen Handelskammer im Bereich Markteinführung deutscher Unternehmen nach Italien (Schwerpunktthema: Erneuerbare Energien). Darüber hinaus trainiert sie deutsche Führungskräfte in der interkulturellen Kommunikation für den Einsatz in Italien und ist für den Aufbau neuer Dienstleistungen rund um den Messeauftritt verantwortlich. E-Mail: [email protected] Diplom-Sozialwirt Matthias OTTEN, Jahrgang. 1969, Studium der Sozialwissenschaften in Göttingen. Seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZAK – Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale der Universität Karlsruhe, Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation in Teams, zur Internationalisierung im Hochschulbereich und zur Theorie des Fremdverstehens. Promotion zum Thema „Strukturelle Bedingungen des sozialen Handelns in interkulturellen Bildungskontexten“ im Fach Soziologie. 2003 Stipendiat der STINT Foundation für ein Forschungs- und Lehrsemester am Institute for Migration and Ethnic Relation der Malmö University in Schweden. E-Mail: [email protected] Dipl.-Kfm. Jonas F. PUCK, Jahrgang 1974, studierte Betriebswirtschaftslehre mit internationalem Schwerpunkt an der TU Berlin und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Juli 2003 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Dirk Holtbrügge). Er ist Autor einer wissenschaftlichen Monografie sowie vieler Aufsätze in Sammelbänden und Fachzeitschriften. Ein Schwerpunkt in der Forschung von Jonas F. Puck liegt auf dem Bereich des interkulturellen Managements und hier insbesondere in der Erforschung interkultureller Teams. E-Mail: [email protected]

195 Dr. Sven ROHTE, Jahrgang 1966, studierte nach einer Ausbildung zum Sparkassenkaufmann BWL an den Universitäten Marburg und Trier mit dem Schwerpunkt Strategisches Management und Organisation. Seine Promotion verfasste er zum Thema „Joint Venture Management in Süd-Ost Asien“. Dr. Sven Rohte ist Senior Consultant im Bereich Strategie und Organisation bei der Detecon International GmbH, Bonn. In den letzten Jahren hat er in verantwortlicher Funktion Unternehmen in Deutschland, Asien, Afrika und in der Golfregion im Bereich Corporate Strategy und Organisationsentwicklung unterstützt. Im Rahmen seiner Projekteinsätze war er mit seinen Projektteams für mehrere Restrukturierungsprojekte in der MENA-Region verantwortlich. E-Mail: [email protected]

Dipl.-Betriebswirtin Anja WALTER, Jahrgang 1966, studierte Realschullehramt, Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik und absolvierte darüber hinaus ein Studium zum Master of Global Management. In ihrer beruflichen Laufbahn war sie für die Beratung von nationalen und internationalen ITund Veränderungsprojekten verantwortlich. Seit 2002 ist Anja Walter Geschäftsführerin der initii Unternehmensberatung, Beraterin und Coach im internationalen Projektmanagement. E-Mail: [email protected]

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Band

1 Jürgen Bolten (Hrsg.): Cross Culture − Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, 2., überarb. Aufl. 1999

Band

2 Jürgen Bolten, Marion Dathe (Hrsg.): Transformation und Integration. Aktuelle Probleme und Perspektiven west-/osteuropäischer Wirtschaftsbeziehungen, 1995

Band

3 Jürgen Bolten, Marion Dathe, Susanne Kirchmeyer, Klaus Klott, Peter Witchalls, Sabine Ziebell-Drabo: Lehrwerke und Lehrmaterialien für die Wirtschaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch, 1995

Band

4 Christoph I. Barmeyer, Jürgen Bolten (Hrsg.): Interkulturelle Personalorganisation, 1998

Band

5 Michael Hasenstab: Interkulturelles Management. Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1999

Band

6 Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.): Im Netzwerk interkulturellen Handelns: Theoretische und praktische Perspektiven der interkulturellen Kommunikationsforschung, 2002

Band

7 Jochen Strähle (Hrsg.): Interkulturelle Mergers & Acquisitions. Eine interdisziplinäre Perspektive, 2003

Band

8 Stefanie Rathje: Unternehmenskultur als Interkultur. Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand, 2004

Band

9 Jürgen Bolten (Hrsg.): Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Positionen, Modelle, Perspektiven, Projekte, 2004

Band 10 Tanja Emmerling (Hrsg.): Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext. Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis, 2005