Profile einer Rehabilitierung des kulturell Fremden: Echographien des Lévi-Strauss'schen Humanismus [1 ed.] 9783428529322, 9783428129324

Hans Magnus Strehler stellt sich die Aufgabe, Konnexionen zwischen den different erscheinenden Bereichen und Aspekten Lé

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 9783428529322, 9783428129324

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Philosophische Schriften Band 74

Profile einer Rehabilitierung des kulturell Fremden Echographien des Lévi-Strauss’schen Humanismus

Von

Hans Magnus Strehler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HANS MAGNUS STREHLER

Profile einer Rehabilitierung des kulturell Fremden

Philosophische Schriften Band 74

Profile einer Rehabilitierung des kulturell Fremden Echographien des Lévi-Strauss’schen Humanismus

Von

Hans Magnus Strehler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 978-3-428-12932-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Aufgenommen habe ich die Arbeiten an meiner Untersuchung über den Lévi-Strauss’schen Humanismus vor mehr als einem Dezennium. Sie wurden über die Jahre in kontinuierlicher Anstrengung fortgeführt und gegen Ende des Jahres 2006 zum Abschluß gebracht. Daß ihr Ergebnis nicht mehr während jenes kalendarischen Turnus der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte, in dem sich der Geburtstag das französischen Meisters zum hundertsten Mal jährte, tut der Sache keinen Abbruch. Die mit Präsentem so gut wie textidentische, zweibändige Manuskriptfassung lag der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg im Sommersemester 2007 vor und wurde im Sommersemester 2008 von dieser selben als schriftliche Dissertationsleistung anerkannt. Herr Prof. Dr. Jörg Wernecke und Herr Prof. Dr. Manfred Negele haben sich der Mühe der Gutachtertätigkeit unterzogen; beiden sage ich Dank für ihr Engagement und für ihre eingehenden Voten. In unter Verfahrensgesichtspunkten schwierigen Phasen begegneten mir Herr Prof. Dr. Hanspeter Heinz, Herr Prof. Dr. Klaus Kienzler und Frau PD Dr. Bernadette Malinowski nicht nur mit Fairneß, sondern auch standen sie mir mit ihrem Bemühen um Vermittlung mehrfach zur Seite. Frau PD Dr. Bernadette Malinowski gebührt außerdem mein Dank für ihr Lektorieren des Abschnitts über das deutsche Universitätswesen wie zuletzt für ihre über einen langen Zeitraum hinweg gewährte bibliothekstechnische Unterstützung. Meinen Angehörigen fühle ich mich in Dankbarkeit verbunden für ihre Abmilderung aufgetretener finanzieller Härten. Augsburg, September 2008

Hans Magnus Strehler

Inhaltsübersicht

Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Erstes Kapitel: Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung I.

Das Humanum als Gegenstand anthropologischer Forschung. Ein Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lévi-Strauss’sche Forschung im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 38 89

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung I. II. III. IV. V. VI.

Das Ausgangsproblem: Methodischer Struktur- und Subjektstandpunkt. Die Existenz faktisch zweier Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Der neue Kontext: Ein Bewertungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Aufbereitung des induzierten Problemstands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens . . . . . 105 Beschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung

I.

Der tangentiale Charakter der Lévi-Strauss’schen Argumentation und die Option seiner Kompensierung. Zum Versuch einer noematischen Erkundung des Topos der Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Quasi-inklusive Wissensbestände. Eigentlicher Referent und alloteleologischer Charakter der Lévi-Strauss’schen Rehabilitationsrhetorik . . . . . . . . . . . 237

8

Inhaltsübersicht

III. Naheliegende Assoziationen (I). Der Kontext des Lévi-Strauss’schen Konfessionalismus (resp. Subjektivismus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Naheliegende Assoziationen (II). Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens vor dem Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen . . . V. Fernerliegende Assoziationen (I). Das Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fernerliegende Assoziationen (II). Der Topos der Rehabilitation im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Horizont der Ausmessung. Versuch einer abschließenden Bewertung, Fortschreibung und Ausweitung des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240 240

258 351 356

Epilog. Von Pferden und Katzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Appendices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 I. II. III. IV. V.

Der Fall der Hanunóo oder Die Verzeichnung und Aufbauschung des Banalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fallbeispiel ‚Linné‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Verwendung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘. Eine Spezifikation von Sprechweisen nach Kontexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferter Standpunkt der Mandan und alte Überlieferung der Mandan. Ergänzende Informationen zu Lévi-Strauss’ ethnohistorischem Beispiel. . . . . Das Gut der Meinungsfreiheit stand nicht auf dem Spiel. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen . . . . . . . . . . .

440 449 454 458 465

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 Nachweise der Motti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Abriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 I.

Thesen und Orientierungsmarken zur allgemeinen Einordnung des Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 II. Die konkrete Durchführung des Vorhabens anbelangende Thesen und Orientierungsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 III. Zentrale Ergebnisse des durchgeführten Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602

Inhaltsübersicht

9

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen) . . . . . . . . . 604 II. Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624

Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 I. Namenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 II. Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682

Inhaltsverzeichnis

Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Erstes Kapitel: Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung I.

Das Humanum als Gegenstand anthropologischer Forschung. Ein Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lévi-Strauss’sche Forschung im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lévi-Strauss’sche Forschung vor dem Hintergrund einer geistesgeschichtlichen Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lévi-Strauss’ Kritik der cartesischen Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ausrichtung der Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur Grundeinstellung und Reichweite der Kritik . . . . . . . . . . . . . . b) Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Humanum als Gegenstand Lévi-Strauss’scher Forschung . . . . . . . . . . a) Grundlegung. Die Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnisvermögens und der Status des Humanums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verfahren. Wege zur Erkenntnis des Humanums . . . . . . . . . . . . . . III. Beschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 38 38 42 42 42 46 50 61 61 83 89

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung I.

Das Ausgangsproblem: Methodischer Struktur- und Subjektstandpunkt. Die Existenz faktisch zweier Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der neue Kontext: Ein Bewertungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufbereitung des induzierten Problemstands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorvergegenwärtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Sachaspekt. Zur prinzipiellen Plausibilisierbarkeit der problematisierten Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 92 96 96 96

12

Inhaltsverzeichnis

3. Der Personaspekt. Zur Denkwürdigkeit der Lévi-Strauss’schen Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der unentscheidbare Rest im Umgang mit der problematisierten Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens . . . . . 1. Erstes Verfahren: Der methodische Strukturstandpunkt . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Appendix: Zur Frage der Validität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweites Verfahren: Der methodische Subjektstandpunkt . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung: Das ‚wilde‘ Denken. „Primitive“ ‚Klassifikationssysteme‘ und die ‚Wissenschaft vom Konkreten‘. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Zuschreibung von Wissenschaftlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Basale Ordnungsfunktionen. Konjunktive Modalitäten . . . . . . (a) Analyse und Synthese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Klassifikation, Assoziation, Korrelation, Analogie . . . . . . (2) Die Frage der Weltanschauung. Disjunktive Modalitäten . . . . (a) Vorerwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) „Primitives“ Welt- und Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . (c) Das theoretische „Gegenmodell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die spezifische Konsequenz. Exempla „primitiver“ Ordnungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Relativierende Klarstellungen. Zur Gefahr der Exotisierung des „primitiven“ Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Simultaneität des Diversen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Fall der Hanunóo oder Die Verzeichnung und Aufbauschung des Banalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bilanzierung: Zur Wissenschaftlichkeit der ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Identität und Differenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Fallbeispiel ‚Linné‘. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorverständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zweckorientierte Ausrichtung – zweckbedingte Einschränkung. Zum Charakter der Argumentation . . . . . . . . (b) Der Zirkel der Konvention. Die terminologische Dezision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 101 103 105 105 105 107 112 112 112 113 117 120 120 120 122 123 123 124 126 128 132 132 133 136 172 173 173 175 175 175 177

Inhaltsverzeichnis (c) Die Ordnungsmodelle ‚System‘ und ‚Klassifikation‘. Thematische Eröffnung und terminologische Vorabklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Erarbeitung eines Systems der organischen Natur. Zur Zielstellung der gegenwärtigen Biosystematik unter vergleichender Berücksichtigung der Linnéschen Klassifikation . . . . (a) Einstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Charakteristik der Aufbaugesetzlichkeiten . . . . . . . . . . . . (c) Methodische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Das Leistungsvermögen gegenwärtiger Biosystematik und seine Bedeutung im Kontext „zivilisierter“ Wissenschaft und Lebenswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zur Differenz der Linnéschen Klassifikation . . . . . . . . . . (3) Abschließende Koordination von historischem und ethnologischem Diskussionszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ermessensspielräume der Interpretation. Die Frage nach dem Wissenschaftsverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorbereitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der dogmatische Standpunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der offene Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zurückgestellte Einwände. Zur angemessenen Versicherung der Legitimität des durchgeführten Vergleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Identität und Differenz. Der komplexere Sachverhalt . . . . . . . . . . . VI. Beschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

179

180 180 181 192

200 204 213 215 215 215 216 217 220 225

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung I.

Der tangentiale Charakter der Lévi-Strauss’schen Argumentation und die Option seiner Kompensierung. Zum Versuch einer noematischen Erkundung des Topos der Rehabilitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quasi-inklusive Wissensbestände. Eigentlicher Referent und alloteleologischer Charakter der Lévi-Strauss’schen Rehabilitationsrhetorik . . . . . . . . . . . III. Naheliegende Assoziationen (I). Der Kontext des Lévi-Strauss’schen Konfessionalismus (resp. Subjektivismus). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Naheliegende Assoziationen (II). Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens vor dem Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen . . . 1. Einführung des Telos via Spezifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Projektierung der entsprechenden Sequenz: Die Etappen Einstellungsänderung, Verhaltensänderung, Zustandsänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Konstellation in ihrem Sinnzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

231 237 240 240 240 242 245

14

Inhaltsverzeichnis

a) Zur Hebung ihrer lebensweltlichen Vorstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Charakter der lebensweltlichen Vorstruktur: Ein politischer Sinnzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufbau der Szenerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Evaluation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Externes kein internes Sinnverständnis. Versuche einer vorläufig abschließenden Sinnzuschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der ideologische Kern der Lévi-Strauss’schen Strategie: Handeln für den Dritten in selbsterteiltem Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fernerliegende Assoziationen (I). Das Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen. Versuch ihrer kritisch-konstruktiven Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lévi-Strauss’ kulturwissenschaftlicher Kulturbegriff und seine Verwendung im Singular und Plural . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der kulturanthropologische Akzent oder Lévi-Strauss’ Verwendung des kulturwissenschaftlichen Kulturbegriffs im Singular: Kultur als Distinktionsbegriff und Attribut der Conditio humana. . . . . . . . . . . . . . aa) Effektive Präzisierung und Erweiterung des auf Tylor zurückgehenden Traditionsbestands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der ethnologische Akzent oder Lévi-Strauss’ Verwendung des kulturwissenschaftlichen Kulturbegriffs im Plural. Kulturen als Manifestationsformen von Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Frage der Validität: Nominal- und Realdefinition – LéviStrauss’ Reaktion auf Radcliffe-Brown . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Frage der Konstitutionsmerkmale: Vertikaldifferenzierung, Horizontaldifferenzierung und das Kriterium der Territorialität . . . cc) Die Frage der Ausbildung und Veränderung von Kulturen. . . . . . . (1) Das Faktum der wechselseitigen Beziehungen . . . . . . . . . . . . (2) Die Bedeutung der wechselseitigen Beziehungen für die Verschiedenheit der Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Problem der Kulturgenese in der Perspektive ihrer Wirkmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erinnerung und Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Methodologische Vorbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kulturen als offene Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kulturelle Interaktionen und passives Moment . . . . . . . . . (e) Kulturelle Interaktionen und reaktives Moment . . . . . . . . (f) Kulturelle Interaktionen und aktives Moment . . . . . . . . . . (g) Kulturelle Interaktionen und der Antagonismus der Kräfte

245 246 248 249 252 257

258 258 260 260

260 260 267

269 269 271 272 272 275 277 277 278 281 283 284 288 290

Inhaltsverzeichnis dd) Die Verschiedenheit der Kulturen als normative Größe . . . . . . . . . ee) Legitimation und Grenzen kultureller Auto- und Heterostereotype. ff) Der terminale teleologische Komplex: Die Verschiedenheit der Kulturen in ihrer Bedeutung für den Fortbestand jeder einzelnen Kultur wie für das Überleben der Menschheit im ganzen . . . . . . . . 3. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beantwortung der formulierten Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anhaltspunkte für eine Konkretisierung. Versuch einer Vergegenwärtigung der problemspezifischen Situation und Herausforderung . . . . . . . aa) Die Auswirkungen zeitgenössischer globaler Veränderungen auf sogenannte Primitivkulturen. Zu den Voraussetzungen ihrer angemessenen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefährdungspotentiale und Gefährdungen. Versuch einer Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zeitgenössische externe Einflüsse. Die „weichen“, schleichenden und kleinen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zeitgenössische externe Eingriffe. Die „harten“, abrupten und massiven Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die bestehende Herausforderung. Zur Stärkung der Resistenzkraft sogenannter Primitivkulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das ‚Problem der Größenordnung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die ‚Größenordnung des Problems‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschließende Überlegungen, auch Klarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufklärung kein Plädoyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verlust „primitiver“ Lebensformen unter dem Wissensaspekt nur bedingt kompensierbar (Appendix zur ersten Leitfrage: der Frage nach dem Sinn und Zweck der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Was Selbstbestimmung „primitiver“ Kulturen bedeutet, was sie nicht bedeutet und was den Rekurs auf sie verdächtig macht (Appendix zur zweiten Leitfrage: der Frage nach der Form, in der die der Menschheit noch verbliebenen „primitiven“ Kulturen fortzuexistieren gedacht sind) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kontrollierbarkeit der Entwicklung dahingestellt (Appendix zur dritten Leitfrage: der Frage nach den für die ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ erforderlichen Bedingungen) . . . . VI. Fernerliegende Assoziationen (II). Der Topos der Rehabilitation im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Horizont der Ausmessung. Versuch einer abschließenden Bewertung, Fortschreibung und Ausweitung des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generelle Matrix für die Taxierung älterer kulturtheoretischer Positionen . 2. Die ‚territoriale Falle‘. Zu den Adäquanz- und Aktualitätsgrenzen des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 302 308

312 315 315 317

317 320 320 327 333 335 335 337 337

338

341

347 351 356 356 359

16

Inhaltsverzeichnis 3. Kulturen als offene Systeme. Zur retroaktiven Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. ‚Originäre Synthesen‘ in der Zeit. Zur residualen Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die denkbare Spannweite des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses und das Ziel der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die prinzipielle Ebene: Erwägungen, Festlegungen, Fragen . . . . . . . . . c) Die kasuelle Ebene: Ausgesuchte Proben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Illustrationen: Die Jäger- und Sammler-Kulturen zentralafrikanischer Pygmäen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die maßgeblichen ethnographischen Daten . . . . . . . . . . . . . . . (2) Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die grundsätzlichen Veränderungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . (a) Externe Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Externe Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Quintessenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Impressionen: Das deutsche Universitätswesen . . . . . . . . . . . . . . . (1) Präsensibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Virulenz und Brisanz der Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Außenorientierung und Innenorientierung. Erfordernis und Schwierigkeit einer spezifischen Balance . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Von der Außenorientierung zur Innenorientierung. Grundsätzliche Erwiderungen auf bestehende Tendenzen . . . . . . . . . . . . (5) Wenig beleuchtete Aspekte der Innenorientierung. Die konkreten Bezugnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Explorationen: Die Europäische Union und die Türkei. . . . . . . . . . (1) Thematische Annäherung an einen kulturellen Metabolismus . (2) Das visierte Ziel der Integration. Eine Klärung von Bedeutsamkeiten im Hinblick auf den europäischen Unifizierungsund Identitätsbildungsprozeß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das Problem des Ermessensspielraums. . . . . . . . . . . . . . . (b) Das Problem der Standortklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Türkei als „Brücke“. Perspektiven und Reflexionsangebote angesichts der Unterbestimmtheit der eingeschlagenen Richtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einleitung und Vorblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Brücke als Bauwerk. Versuch einer phänomenologischen Kennzeichnung ihrer Charakteristika . . . . . . . . . . . (c) Die Brücke als emblematische Figur. Übergang in den diskussionsrelevanten, kulturtheoretischen Kontext. . . . . . . . (4) Eine „Brücken“-Lösung als das projektierbare Ergebnis der Kursnahme. Ihre Bewertung jenseits der unmittelbaren Interessen der Verhandlungspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

364 373 373 375 380 380 380 386 387 387 388 390 391 391 393 393 395 397 405 405

407 407 410

414 414 416 417

430

Inhaltsverzeichnis

17

Epilog. Von Pferden und Katzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Appendices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 I.

II. III.

IV.

V.

Der Fall der Hanunóo oder Die Verzeichnung und Aufbauschung des Banalen [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.a)dd)(4)(c) des zweiten Kapitels, Seite 136 ff.]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fallbeispiel ‚Linné‘ [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.b)bb) des zweiten Kapitels, Seite 175 ff.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Verwendung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘. Eine Spezifikation von Sprechweisen nach Kontexten [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.b) des dritten Kapitels, Seite 260 ff.] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferter Standpunkt der Mandan und alte Überlieferung der Mandan. Ergänzende Informationen zu Lévi-Strauss’ ethnohistorischem Beispiel [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.c)cc)(3)(g) des dritten Kapitels bzw. zu Seite 300 f., Fußnote 272]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersetzung der von Lévi-Strauss zitierten englischen Version (H.M.S.) 2. Die Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gut der Meinungsfreiheit stand nicht auf dem Spiel. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen [Anhang zu Gliederungspunkt VII.4.b) des dritten Kapitels bzw. zu Seite 375, Fußnote 610] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eine Entscheidung und ihre Begründung: Reflektieren auf die eigenen Einstellungen, Handlungs- und Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansatzpunkte der Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Folge/Mittel- statt Mittel/Folge-Perspektive. Die angemessene Blickrichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vergleichsrelevanten Problemlagen. Versuch einer beispielgestützten Sensibilisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diesseits und jenseits der kritischen Schwelle. Die unmittelbaren Feststellungen und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der angerichtete Schaden. Zur Unmöglichkeit seiner exakten Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Haltung und Gegenstand des Forderns. Äquilibrierungen vor dem Tatbestand der Provokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Lernen von der Ethnologie. Persönlicher Kontakt mit kulturell Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Von der Freiheit zu entscheiden, wofür man stehen wolle . . . . . . . . . . . . .

440 449

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458 458 458 460 460 462

465 465 466 466 468 469 471 473 474 477

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Inhaltsverzeichnis

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 Nachweise der Motti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Abriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 I.

Thesen und Orientierungsmarken zur allgemeinen Einordnung des Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 II. Die konkrete Durchführung des Vorhabens anbelangende Thesen und Orientierungsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 III. Zentrale Ergebnisse des durchgeführten Vorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen) . . . . . . . . . 604 II. Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 I. Namenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 II. Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682

Prolog Terziye ‚dinlen‘ demişler, ayağa kalkmış. Zum Schneider sagte man ‚Ruh’ dich aus‘, da stand er auf. Türkisches Sprichwort „[…] die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgend eine Faser durch seine ganze Länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen.“ Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen1

Eine der dieser Untersuchung vorausliegenden Grundannahmen besteht darin, daß von Lévi-Strauss auch außerhalb seines strukturalanthropologischen Forschungszentrums Beiträge existieren (ohne mit dem schlußendlich Erfaßten erschöpfend sein zu können), welche eine konzeptgesteuerte Bearbeitung gestatten, und, was entscheidend ist, welche damit – das heißt über die auf diesem Wege erzielbaren Resultate – eine weiterreichende Beurteilung Lévi-Strauss’scher Forschung ermöglichen. Eine zweite der dieser Untersuchung vorausliegenden Grundannahmen besteht darin, daß einesteils durch Lévi-Strauss’ Selbstpräsentationen, andernteils durch die gängigen Vermessungsstrategien ein Diskursgefüge etabliert und so gleichsam ein Wahrnehmungskorridor erzeugt wurde, unter jeweiliger Ansehung dessen das Propagieren supplementärer resp. alternativer Sichtoptionen nicht in jedem Falle schon opportun erscheinen kann. Von dem Vorliegen entsprechender Absichten aus also ist – dies sollte damit zum Ausdruck gebracht sein – nicht ohne weiteres auf die Reibungslosigkeit auch schon deren Verwirklichung zu schließen; denn eingelebte Diskurs- bzw. Wahrnehmungsmuster bergen nicht zuletzt eine Regelung von Lagen der Plausibilisierungslast. Dabei ist die Frage nach deren Begründung nicht von selbst ständig virulent, weshalb die Herstellung distraktionsfreier Arbeitsbedingungen als Aufgabe immer bei dem zu liegen kommt, der gegen die mit diesen Mustern ___________ 1 Vgl. hier auch W. Welschs Hinweis auf die Verwendung einer ähnlichen Metapher – jener des Seils – durch Peirce. (So in ders. [1995] 32000: 406, Fußnote 39.)

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gegebene Regelung mobilisiert.2 – In dem Maße, wie daher mit der Präsenzwirkung besagter Muster zu rechnen ist, entsprechen die im ersten Kapitel dieser Arbeit angestellten und also dem größeren Teil derselben vorangestellten Reflexionen über die strukturale Anthropologie auch allem anderen denn einem bloßen Zugeständnis an die Etikette: Vielmehr verstehen sie sich – geleitet dabei zugleich von der Ambition, ihren Bezugsgegenstand in eigenständiger Form zur Verhandlung zu bringen – als situationsspezifische und jedenfalls vorläufige Sicherungsmaßnahme gegen den potentiellen Vorwurf fundamentalen Mißverständnisses. Stellen sie doch erst eigentlich auf diese Weise die Vorbedingung für die ungehinderte Inblicknahme eines über die strukturale Anthropologie hinaus Relevanten.3 Die Einsicht, daß mein Vorhaben – als das vorerst konkrete Bemühen darum, den prävalenten Assoziationsautomatismus ‚Lévi-Strauss‘ / ‚strukturale Anthropologie‘4 aufzubrechen – seinen Gang über die Auseinandersetzung mit eben diesem üblicherweise zur Gewohnheit Gewordenen zu nehmen hätte, berührt gleichwohl nicht die Frage nach dem konkreten Modus seiner Ab- und Umarbeitung; sie läßt diesen vielmehr offen. Mit Blick auf das erste Kapitel der Untersuchung fiel die Entscheidung so auf einen Entwurf, der – weit über den Stellenwert einer Prophylaxe (und also eines puren Necessariums) hinaus – auch dem Anspruch Rechnung zu tragen vermöchte, eine inhaltliche Klammer mit den anderen Teilen der bevorstehenden Abhandlung bereitzustellen. Wenn allerdings – um dies gleich anzufügen – eine solche Verschränkung der jeweiligen Abschnitte ihrer genauen Art wie ihrer genauen Anteile nach auch erst aus der Retrospektive wirklich vollgültig realisiert werden kann, so sollte dieser Umstand nicht dafür herhalten müssen, die Bedeutung des ersten Kapitels der Untersuchung für die Statik der Gesamtanlage ein möglicherweise weiteres Mal zu unterschätzen. Nachdem mit diesen Überlegungen allererste Schneisen geschlagen sind, erscheint es angemessen, für eine Erweiterung des konzeptionellen Eindrucks zu ___________ 2

Den begrifflichen Hintergrund bildet hier der Titel der ‚Institution‘ (siehe Blumenberg [1979] 31984: 184) – und zwar in dem weiten Sinne, den bereits Veblen ([1914] 1964: passim), aber etwa auch Jerusalem (1918: 11) mit ihm verbanden. [Bei Veblen ([1914] 1964) steht der Titel der Institution mit Begriffen wie ‚habits of thought‘ (Denkgewohnheiten), ‚habits of mind‘ (Auffassungsgewohnheiten) und ‚habits of life‘ (Lebensgewohnheiten) (ebd.: passim) in einem festen Argumentationszusammenhang.] 3 Der im Rahmen des ersten Kapitels der Untersuchung betriebene Aufbau resp. Aufwand wird also durchaus deshalb für erforderlich erachtet – wenn auch nicht ausschließlich (dazu unmittelbar nachfolgend) –, um dem ansonsten unter Umständen einspielenden Urteil zu wehren, hier lasse jemand die Kenntnis des strukturalanthropologischen Einmaleins vermissen und habe sozusagen „überhaupt nicht verstanden“, worum es Lévi-Strauss in nuce zu tun sei. 4 Vgl. etwa Thiel ([1977] [41983] 51992: 230), um nur ein Beispiel zu nennen.

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sorgen, das heißt, nunmehr vor allem hinsichtlich der Zielsetzung, der Architektur und des Charakters der gesamten Untersuchung eine Reihe konkreterer Angaben zu antizipieren. Die vorliegende Untersuchung hebt in ihrem ersten Kapitel5 – und in exakter Übereinstimmung mit den soeben durchgeführten „Vorformatierungen“ – an als der Versuch, Lévi-Strauss’ methodischen Strukturstandpunkt (Stichwort ‚Strukturale Anthropologie‘) kritisch aufzubereiten. Fortgesetzt wird die Untersuchung in ihrem zweiten Kapitel6 – was erst ungewohnt anmuten mag7 – in der Absicht, dieser Operation eine kritische Durcharbeitung von Lévi-Strauss’ methodischem Subjektstandpunkt (Stichwort ‚Das wilde Denken‘) folgen zu lassen (bzw. ersterem letzteres an die Seite zu stellen), um in erneutem Anschluß daran, das heißt in ihrem dritten Kapitel8, beide dieser verhandelten Standpunkte (als zweier Ausdrucksformen eines Szientismus9) sowohl mit Lévi-Strauss’ Konfessionalismus10 (resp. Subjektivismus11) als dann auch mit Lévi-Strauss’ kulturtheoretischen Positionen in ein konsistentes Verhältnis zu bringen. Dabei ist es dieses dritte Kapitel, in dem das anvisierte Projekt seine eigentliche Weite und Tiefe erlangt. Ihre allmähliche Gestalt gewinnen und in der Konsequenz auch kulminieren werden die einzelnen Stadien dieses komplexen Versuchs in von vornherein nur einer Fluchtlinie, welche die Stringenz und Kontinuität des Argumentationsfortgangs gleichermaßen erzwingt wie sicherstellt; in einer Fluchtlinie, welche zugleich als Dach fungiert, unter dem es möglich wird, die Vielschichtigkeit des Denkens Lévi-Strauss’ als kohärente Vielschichtigkeit zu begreifen. Spezifizierbar wird diese Fluchtlinie im Topos einer Rehabilitierung des kulturell Fremden. Wahlweise und unter Umkehrung der Betrachtungsweise ließen sich Aufgabe und Gang der Untersuchung auch wie folgt bestimmen: Insgesamt unternommen werden soll der Versuch, die intellektuelle Hinterlassenschaft LéviStrauss’ als ein auf die Rehabilitierung des kulturell Fremden gerichtetes Unternehmen vorzustellen. Zu reagieren erlaubt dies auf die Herausforderung, ___________ 5

In voller Anzeige (nach der Inhaltsübersicht): ‚Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung‘. 6 In voller Anzeige (nach der Inhaltsübersicht): ‚Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung‘. 7 In diesem Kapitel im besonderen aktualisiert sich der Bezug zur eingangs thematisierten Problematik herkömmlich-sichtverhindernder Habitualisierung. 8 In voller Anzeige (nach der Inhaltsübersicht): ‚Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung‘. 9 In der Wahl des Terminus folge ich Kohl ([1993] 22000: 124). 10 Dto. 11 Dto.

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sich der „enorme[n] Breite seines Arbeitsfeldes“12 in Konsequenz anzunehmen; und in eins eine Antwort zu geben erlaubt dies auf die Frage, wie methodischer Strukturstandpunkt (Stichwort ‚Strukturale Anthropologie‘), methodischer Subjektstandpunkt (Stichwort ‚Das wilde Denken‘) und Ansätze zu einer Kulturtheorie, wie Szientismus und Konfessionalismus (resp. Subjektivismus) im Denken Lévi-Strauss’ zusammenhängen. Figurieren wird der Topos einer Rehabilitierung des kulturell Fremden somit gleichsam als Schlüssel für die Transparentmachung entsprechender Konnexionen. Gewissermaßen in letzteren Aussagen – wie übrigens bewußt ja schon im Titel vorliegender Untersuchung – enthalten ist die These von einer dahingehenden Lesbarkeit des Lévi-Strauss’schen Denkens; enthalten auch der Anspruch, deren (und deren Implikationen) Beleg auf planmäßige Weise zu erbringen. Sprechen möchte ich in diesem Sinne von einem systematisch angelegten Versuch.

Die Möglichkeiten und die Anlässe sowohl wie die Einschlüsse eines solchen, thematisch gerichteten Vorgehens immanieren dem Denken LéviStrauss’, obgleich jeweils sie seinem Selbstverständnis nicht schlechterdings zu entnehmen sind und obgleich jeweils sie diesem mitunter auch nicht einmal entsprechen. Es scheint mir in diesem Zusammenhang geboten, deutlich zu machen, daß der Verweis auf eine thematische Immanenz Verantwortlichkeiten keineswegs (auch nicht unterschwellig) delegieren will. Indem ich – aufs Ganze gesehen – vorstehend benannten Versuch unternehme, den Versuch also, das Lévi-Strauss’sche Denken sub specie rehabilitationis zu sichten und dabei dessen Potential zu entsprechender Entfaltung zu bringen, bekenne ich mich durchaus zu einer bewußt getroffenen Entscheidung, einschließlich der mit ihr einhergehenden Konsequenzen. Die Alternative bestand, in aller Kürze gesagt, darin13, konfrontiert mit einer Fülle von Phänomenen den Weg deren weitgehend zusammenhangloser Darstellung zu wählen, was diesen zweifellos am wenigsten systematisierende Gewalt zugefügt, jedoch zugleich in relativ bescheidenen Forschungserträgen resultiert hätte; oder aber sich für den – in der Lévi-Strauss-Forschung bis heute nicht konsequent beschrittenen – Weg der detaillierten Demonstration eines diese Phänomene übergreifenden Zusammenhangs zu entscheiden. Letztere Option, der genau sich die vorliegende Untersuchung verschrieben hat und die sich ihrer konkreten Möglichkeit nach dem Schritt verdankt, mit dem Topos der Rehabilitation einen roten Faden grundgelegt zu haben, entrichtet so zwar den unvermeidbaren Preis einer gewissen, subsumierenden Schematisierung (ohne deshalb schon der Gefahr zu erliegen, daß das Schema an Stelle der Sache tritt14), berechtigt damit zugleich aber auch ___________ 12 13 14

Bargatzky (1997: 215). Analog einer von Pütz ([1978] 41991: 3) vorgenommenen Vergewisserung. Vgl. Jaspers ([1919] 61971: 19).

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zu der Hoffnung, der Forschung zu relativ wertvolleren Einsichten zu verhelfen. Redlicherweise sollte hier aus chronologischer Sicht ergänzt werden, daß die genannten Optionen sich mir erst in einem vorangeschritteneren Stadium des Entstehungsprozesses dieser Arbeit als entscheidungsfordernde Alternative überhaupt darstellten. In der Priorisierung des Topos der Rehabilitation als einer generellen Leitidee manifestiert sich mithin keine originäre Absicht. Deren ausgedehnte Integrationsfähigkeit lag für mich ex ante weder unmittelbar noch offen zutage; in dieser Eigenschaft hat sie sich vielmehr erst allmählich, Zug um Zug erwiesen. Bedeutet hat der Entschluß, mich zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Rehabilitationsthematik als der bestimmenden Idee der gesamten Untersuchung identifiziert bzw. diese als solche dann auch durchgesetzt zu haben, im laufenden Arbeitsprozeß ein Doppeltes, Ambivalentes: Er wirkte sich einmal verzögernd – und darin nachteilig – aus, insofern er teils inhaltliche Überarbeitungen oder Nachbesserungen (mitunter waren es Kürzungen), teils Wechsel im inneren Arrangement von zunächst weitgehend (und notgedrungen) isoliert verfaßten Protostudien veranlaßte; und er hatte zugleich wiederum auch den positiven Effekt, der Entwicklung, Formgebung und Ausgestaltung ansonsten konturschwach gebliebener Gedankengänge Impulse verschafft, sie in konstruktiver Weise beeinflußt, ja sie überhaupt in den mit ihm für diese Arbeit maßgeblich gewordenen Modalitäten vorangetrieben zu haben.

Geboten scheinen will es mir in diesem Zusammenhang außerdem, jedem Verzug voraus zu erklären, daß ich mich der projektierten thematischen Flucht (in der Terminologie eben noch in Rede stehenden, formalistischen Jargons: des Schemas) nicht nur im Sinne eines heuristischen Schlüssels bediene, sondern zugleich in dem Bewußtsein, hinsichtlich der solchem Zugriff automatisch und auf dem Fuße folgenden Plausibilitätsforderung immer auch auf der Konjektur unterliegende Entwürfe von Kontexten lebensweltlicher Natur zurückverwiesen zu sein. Vereint sollten diese beiden Aspekte einen einigermaßen wirksamen Schutz davor bieten, mindestens den rahmenbedingt erzielten Ergebnissen apodiktische Qualitäten beizulegen. Einzustimmen ist schließlich darauf, daß die angekündigten Weichenstellungen unter fachlichen Gesichtspunkten zu einer relativen15 Integration geisteswissenschaftlicher (philosophischer), kulturwissenschaftlicher (kulturanthropologischer, ethnologischer), sozialwissenschaftlicher (psychologischer, soziologischer) sowie naturwissenschaftlicher (biologischer) Perspektiven führen.16 Der Verfasser hatte Zeit, sich auf die Mentalreservationen einzustellen, ___________ 15

Im Sinne von projektbezogenen. Daß man die genannten Gattungsbezeichnungen (wie zwangsläufig damit auch die Gruppierung der in Parenthese gesetzten disziplinären Festlegungen unter diesen Gattungsbezeichnungen) als problematisch auffassen kann und dazu Alternativen denkbar wären, muß hier nicht diskutiert werden. Sie werden von mir verwendet, da sie eingeführt sind und insofern eine Orientierungs- und Verständigungsgrundlage darstellen, welche (ihrerseits anfechtbar bleibende) Alternativen für sich erst schaffen müßten. Ohnehin und in der Hauptsache will ja die Zieldefinition einer projektbezogenen Inte16

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die aufgrund der damit implizierten disziplinären Grenzgänge und Grenzüberschreitungen zu gewärtigen sind. Zwar hat sich der rhetorische Rekurs auf den Desideratstatus von Interdisziplinarität bzw. ‚Transdisziplinarität‘17 – gleich ob im Sinne eines Organisationsprinzips oder einer Denkform18 – im wissenschaftlichen Betrieb längst allgemein etabliert. Tatsächlich aber wird über den Grad der Verläßlichkeit (um nicht zu sagen: Vertrauenswürdigkeit) sich darüber kundgebender Einstellungen im Kraftfeld konkreter Anlässe entschieden. Und hier lehrt die Erfahrung, daß auf seiten der Wissenschaftsvertreter in den weitaus überwiegenden Fällen immer noch das Bedürfnis nach disziplinär eindeutiger Zuordenbarkeit zum Herangehensprinzip sich aufwirft19, um auf diese Weise mit entsprechenden, den hergebrachten Komfort bedräuenden „Angelegenheiten“ fertig zu werden;20 allenfalls begreift die Spanne der Toleranz (privaten Vorlieben und eigenen biographischen Verläufen folgend) für eng benachbart befundene Fächer mit ein.21 Die Erfahrung zeigt ferner, daß vorstehend genanntes Bedürfnis bei nicht wenigen der fachlich Tangierten im Gewande zweier strategischer Spielarten in Erscheinung tritt, um sich im Zweifelsfall nicht angesprochen fühlen zu müssen: Es artikuliert sich entweder in einer die relevanten disziplinären Perspektiven nach ihrer jeweiligen quantitativen Präsenz bemessenden Intention, übersieht (= überblendet) dabei aber die mit Aristoteles historisch bezugsfähig gewordene Einsicht, daß Quantität nicht gegen Qualität ins Feld zu führen ist; oder aber es artikuliert sich in einer die relevanten disziplinären Perspektiven hinsichtlich ihres qualitativen Gehalts willkürlich gewichtenden Intention, wobei auch hier ein Vorgang des Übersehens (= Überblendens) konstatierbar wird: und zwar bezüglich des Sachver___________ gration disziplinärer Perspektiven verdeutlichen (im freien Anschluß an die Auffassung Mühlmanns 1962 a: 1), daß die Abgrenzung entsprechender Fächer- und Themenkreise nicht absolut zu nehmen ist. 17 Siehe zu diesem Begriff Mittelstraß ([1992] 21996), vor allem ebd.: 90 (zuzüglich rückdatierender Literaturangaben) und 101. 18 Vgl. Schwemmer (1990: 45). 19 Seinen markanten Ausdruck hat dieses Bedürfnis in der an betreffende Autoren herangetragenen Erwartung doch distinkter Festlegung hinsichtlich der Frage nach den Adressaten. [Notabene: Auch den von Hirschman (1991 / 1992) für die moderne konservative (bzw. reaktionäre) Einstellung als typisch hervorgehobenen skeptisch-spöttischen Zug (vgl. ebd.: 177 f.) kann man in diesem Zusammenhang bestätigt finden.] 20 Einen ähnlichen Erfahrungshintergrund veranschlagt Schwemmer (1990), wenn er der wissenschaftlichen Kultur für die Eventualität des Aufeinandertreffens nur ausreichend unterschiedlicher Sektoren die umgehende Entstehung eines „Zigeunerproblems“ (vgl. ebd.: 47) voraussagt. 21 Thematisch gesehen betreten ist hiermit ein Problemfeld, das von seiten der wissenschaftlichen Orthodoxie nur allzu gern mit der Kennmarke des Marginalen versehen wird. Zu Unrecht, wie man betonen muß. Erweist es sich doch angesichts der jeweiligen Verlaufsrichtung, welche Wissenschaft und Forschung faktisch nehmen, als von keineswegs vernachlässigbarer Bedeutung.

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halts, daß auch und gerade solche Problemstellungen zur Verständnis- und Erkenntnisgenerierung beizusteuern vermögen, welche disziplinäre Qualitäten einmal nicht als isolierbare Charaktere, sondern – und dies von vornherein – als integrierende Bestandteile eines Beziehungsfeldes wirksam werden lassen22. Gegenüber der einen wie der anderen Gepflogenheit hielt sich für den Verfasser immer wieder die Überzeugung als letztlich „federführende“ durch, daß der Wissenschaft um nichts weniger ein Dienst mit dem Versuch erwiesen sein würde, ungeachtet der akademisch sinnvollen Trennung jener für die vorliegende Untersuchung einschlägig gewordenen disziplinären Perspektiven sachfremd motivierte Engführungen derselben zu überwinden und die Sichtbarmachung problemkausierter Zusammenhänge zwischen diesen selben zu befördern.23 Zu bewahren bleibt endlich die Hoffnung, daß die Vorgehensweise, den Topos in breit angelegter Auseinandersetzung mit den Lévi-Strauss’schen Quellen allmählich ausgebildet, die Lenkung der Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Fächer (und Methoden) dynamisch betrieben und das entsprechende Set erst spät fixiert zu haben, als eine der Zeit und ihren Problemen angemessene begriffen werden mag – neben all den Verfahren, welche die Wahl des Topos einem ex ante beschlossenen, starren Fach-(und Methoden-)Reduktionismus prozedural nach- und bedeutungsmäßig untergeordnet haben würden. Zu bewahren bleibt die geäußerte Hoffnung, selbst wenn, ja, gerade weil mit einem affirmativen Nachvollzug nicht generell zu rechnen ist: Beargwöhnt, wenn nicht gar abgelehnt werden muß der Gang in die beschriebene Richtung von Wissenschaftlern, für die sich die Herausforderungen und Aufgaben der Lévi-StraussForschung wie selbstverständlich über die Kategorie der hier nicht präferierten Verfahrensoptionen und dabei zugleich als die dieser Forschung wesensgemäßen definieren. Daß freilich die faktische Macht der im Kontext dieser Untersuchung ausgeschiedenen Verfahrensoptionen als einer unter den gewichtigeren Gründen dafür sich nahelegt, weshalb der Zunft nach ihrer konjunkturellen Akme das Schicksal einer (hinsichtlich bestehender grundsätzlicher Möglichkeiten) unausgeschöpften Praxis beschieden war, pflegt deren Befürwortern – den Befürwortern besagter Verfahrensoptionen – landläufig nicht bewußt zu werden.

___________ 22 In der Tat zählte es zu den ureigensten Aufgaben der Philosophen (oder welcher Fachvertreter sonst?) zuzusehen, daß derartige Problemstellungen generell möglich bleiben. – Echte Aufgeschlossenheit gegenüber auch außerphilosophischer Kompetenz setzte dies gleichwohl voraus, und nur in diesem Sinne würde ich dann auch erinnern wollen an B. Waldenfels ([1986] 1987), wenn er äußert: „[…] ich sehe keine Region, wo der Philosoph mit sich allein wäre, und keine, wo er gar nichts verloren hätte.“ (Ebd.: 326.) 23 Vgl. abschließend hierzu auch W. Welsch ([1995] 32000: 946 f.) sowie Konersmann (1996: 23 f.).

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Gelegentlich schon vor Beendigung des Unternehmens und nicht von ungefähr einsteuernder, kontingenter Faktoren boten sich dem Verfasser immerhin noch erste Chancen zur Einübung jener dahingehenden Fertigkeit, Vornahmen des Sichtens, Ortens, Vermessens und Bewertens über sich ergehen zu lassen, welche – einem überkommenen Parzellendenken verhaftet24 – in den final verkürzenden Rastern vereinnahmender Eingrenzung resp. vereinnahmender Ausgrenzung verfangen. Ungeachtet der Komplexität, welche der vorliegenden Arbeit hinsichtlich ihrer disziplinären Beschaffenheit (und Methodik) zugrundeliegt, existiert noch ein letzter Punkt, auf den ebenfalls im Vorfeld schon Bezug genommen sein sollte: Über weite Strecken (und oftmals durchaus unterderhand) ist sie durchzogen von einer bestimmten terminologischen Unterscheidung. Es handelt sich um die terminologische Unterscheidung zwischen sogenannten ‚Primitiven‘ und sogenannten ‚Zivilisierten‘. In einer Zeit, in der die dadurch ausgelösten Assoziationen als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden, in der sich die Ethnologie den weitgehenden Verlust ihrer „klassischen“ Untersuchungs-„Gegenstände“ längst einzugestehen hatte25 und in der zudem viel von Globalisierung und von Phänomenen wie kultureller Anarchie26, kultureller Vereinheitlichung27, Hybridisierung28 oder Kreolisierung29 sowie (gerade auch im Diskus___________ 24 Gerade dieses schützt vor überspannten Anspruchs- und Erwartungshaltungen nicht: Bisweilen regelrecht zu fehlen scheint die Einsicht, daß in der Lévi-StraussForschung (wie überhaupt in allen Wissenschaftsbereichen) angesichts der Natur des verfügbaren Materials sich die Probleme nicht beliebig stellen lassen, sondern daß nur solche Fragen aufgeworfen werden können, welche ein sinnvolles Antworten ermöglichen. [Ursprünglich und für einen anderen Kontext hat die Einsicht formuliert: Mühlmann (1962 a: 283).] 25 a: Immer, wenn auf diesen Verlust das Thema kommt, sollte man sich darüber im klaren sein, worauf im letzten er sich bezieht. Treffend erfaßt wurde der Sachverhalt bereits von Mühlmann (der seine terminologische Entscheidung zugunsten des ‚Naturvolk‘-Begriffs ausfallen ließ): „Das sogenannte ‚Aussterben der Naturvölker‘ ist nur in seltenen Fällen ein biologisches, viel öfter ein ethnisches Erlöschen durch Aufgehen in ethnisch größeren Komplexen.“ (1964: 171; keine Hervorhebungen im Original.) (Vgl. hierzu außerdem ders. 1962 a: 348 und 407.) Es wird damit also nicht bestritten, daß ein biologisches Erlöschen vorgekommen ist und auch heute noch vorkommen kann. (Vgl. hierzu ders. 1962 a: 323; vgl. hierzu außerdem Bodley [1975] 21982 / 1983: 56 ff.) [Siehe zur Kritik des ‚Naturvolk‘-Begriffs Kohl ([1993] 22000: 23 f.) oder auch Bargatzky (1997: 30 und 152).] b: Bereits an dieser Stelle will ich darauf hinweisen, daß es schlechterdings unmöglich ist, die Begriffe ‚Kulturen‘, ‚Ethnien‘, ‚Völker‘ und ‚Gesellschaften‘ überschneidungsfrei und ohne gewisse Unschärfen zu gebrauchen. Nicht nur die Lévi-Strauss’schen Schriften, auch die sonst einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen zeugen kontinuierlich davon. 26 Vgl. Barber (1995 / [1996] 2001: 9 f.). 27 Vgl. Ritzer (1993 / [1995] 1998: 15 f.). 28 Vgl. Nederveen Pieterse (1995 / 1998).

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sionskontext ‚Kultur‘) von virtuellen Medien30 die Rede ist, wäre dem Einwand, inwieweit eine unter besagter terminologischer Bedingung operierende Untersuchung überhaupt zu forschungsrelevanten Ergebnissen gelangen könne, also von wissenschaftlicher Warte nicht von vornherein als ein überflüssiges Nachhutgefecht, wenn nicht gar als ein von Grund auf verfehltes Unternehmen anzusehen sei, eine gewisse (will heißen: vordergründige) Plausibilität – und mithin vorläufige Berechtigung – kaum abzusprechen. Um so mehr erscheint daher in der Frage besagter Terminologie eine Erklärung und Aufklärung angemessen. Dabei legt es sich nahe, folgende Aspekte (die eine Konstellation bilden und dementsprechend auch nur in dieser gesehen werden sollten) der Reihe nach ins Feld zu führen: – Aspekt 1: Die terminologische Unterscheidung zwischen sogenannten ‚Primitiven‘ und sogenannten ‚Zivilisierten‘ ist nicht selbst gewählt; sie ist durch die Lévi-Strauss’schen Texte vorgegeben.31 – Aspekt 2: Mit seiner Festlegung auf die genannten konventionalisierten Pauschalbegriffe32 bewegt sich Lévi-Strauss im Rahmen der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursverfaßtheit seiner Zeit. Als solche bezeichnet sie eine spezifische Form der Vermittlung zwischen nominaler (auf die Bezeichnung von Phänomenen abstellender) und realer (auf den empirischen Gehalt der bezeichneten Phänomene abstellender) Wertigkeit; wobei im einzelnen gilt: Sowohl ein Wissen um die Unmöglichkeit der Bildung letztlich angemessener Begriffe33 als auch ein Wissen um die Binnendifferenziertheit des unter jeweils kleinstem Nenner Zusammengefaßten34 darf man in den terminologischen Entscheidungen Lévi-Strauss’ aufgehoben sehen.35 ___________ 29

Vgl. Hannerz (1987). Vgl. S. J. Schmidt (1994). 31 Vgl. etwa Charbonnierdt / Charbonnierfrz. 32 Um anknüpfend an einen Ausdruck Mühlmanns (1964: 52) zu formulieren. 33 Vgl. speziell zum Begriff des bzw. der „Primitiven“ StAI: 115 / StAI: 113 (keine Hervorhebung im Original): „Es scheint, als habe sich der Ausdruck ‚primitiv‘ trotz aller Unvollkommenheiten und trotz aller wohlverdienten Kritik im ethnologischen und soziologischen Vokabular von heute endgültig durchgesetzt, weil es keinen besseren gibt. Wir untersuchen also ‚primitive‘ Gesellschaften.“ (Anmerkung: Der Beitrag, dem dieser Auszug entstammt, datiert aus dem Jahr 1952.) Vgl. hier außerdem Charbonnierdt: 22 / Charbonnierfrz: 24. 34 Vgl. speziell im Hinblick auf die sogenannten ‚primitiven Gesellschaften‘ Charbonnierdt: 35 / Charbonnierfrz: 39: „[…] ich kann gar nicht oft genug wiederholen, daß zwei primitive Gesellschaften [i.e.: Gesellschaften, die wir ‚primitive Gesellschaften‘ nennen; vgl. ebd. / ebd. (H.M.S.)] untereinander genauso verschieden sein können wie jede der beiden von der unsrigen.“ 35 a: Anmerkung zum erwähnten ‚Wissen um die Unmöglichkeit der Bildung letztlich angemessener Begriffe‘: Es sollte dabei die Natur des berührten Problems nicht aus 30

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– Aspekt 3: Lévi-Strauss’ terminologische Festlegung entspricht einer Festlegung auf Relationsbegriffe; das heißt, in der Bezugnahme auf einen der beiden Begriffe ist die Bezugnahme auf den jeweils anderen – in der Form einer idealtypischen Absetzung – immer schon enthalten. Und zugleich handelt es sich bei den genannten konventionalisierten Pauschalbegriffen um Oberbegriffe; auch könnte man sagen: um Gattungsbegriffe. (So figuriert etwa die Bezeichnung „Primitive“ bzw. sogenannte ‚Primitive‘ als Ausdruck für die Gesamtheit der Kulturen, die traditionell im Zentrum ethnologischen Untersuchungsinteresses standen36.) – Selbstverständlich nicht ist damit umgekehrt ausgesagt, daß sich Lévi-Strauss ausschließlich auf der Ebene betref___________ den Augen verloren werden. Das Problem der terminologischen Festlegung besteht als ein grundlegendes. Das heißt: Stets stellt sich die Frage nach den Alternativen. Und hier gilt: Auch gegen alternative Versuche der Begriffsprägung ließen sich aus jeweils unterschiedlichen Gründen – so etwa der Wertung, des Mangels an Präzision, der Einseitigkeit, der nicht oder nicht automatisch zutreffenden Implikation – Vorbehalte geltend machen. Man denke etwa – zunächst erneut im Hinblick auf jene Versuche, die unternommen wurden, um das ursprüngliche Untersuchungsfeld der Ethnologie terminologisch abzugrenzen – an Bezeichnungen wie ‚archaische Kulturen‘, ‚exotische Kulturen‘ oder ‚schriftlose Kulturen‘, ‚Stammesgesellschaften‘, ‚traditionelle Gesellschaften‘ oder ‚vorindustrielle Gesellschaften‘. (Die eine oder andere dieser alternativen Begrifflichkeiten gebraucht Lévi-Strauss mitunter wiederum auch selbst.) – Dem logischerweise entspricht der Verlegenheitscharakter auch aller Bezeichnungen für die komplementären Bezugseinheiten; soll heißen: Wer nicht auf den Terminus der „Zivilisierten“ bzw. sogenannten ‚Zivilisierten‘ rekurriert, wird sich notgedrungen der auf jeweils ihre Weise unbefriedigend bleibenden Rede von der sogenannten ‚abendländischen Kultur‘, von den sogenannten ‚Hochkulturen‘, von den sogenannten ‚westlichen‘, ‚komplexen‘, ‚modernen Gesellschaften‘ oder Vergleichbarem mehr bedienen. [Vgl. abschließend in diesem Zusammenhang auch die Positionen von Beck-Gernsheim (1998: 146-153) zum Problem der adäquaten Terminologie in verwandten Kontexten.] b: Anmerkung zum erwähnten ‚Wissen um die Binnendifferenziertheit des unter jeweils kleinstem Nenner Zusammengefaßten‘: Anschaulich wird die phänomenale Vielfalt des unter dem Titel der sogenannten ‚primitiven Gesellschaften‘ Zusammengefaßten (um den Blick erneut speziell auf das ursprüngliche Untersuchungsfeld der Ethnologie zu richten) auf der Ebene entsprechender Merkmalstypologien. Zu den speziellen Merkmalen, welche – als mutatis mutandis geltend aufgefaßte – die Subsumierung von Kulturen unter besagten Titel gestatteten und gestatten, zählen (in stichwortartiger Auflistung): geringe demographische Größe, weitgehende Homogenität hinsichtlich der Sprache und der Kultur, Verwandtschaft als primäres soziales Organisationsprinzip, Verschränktheit der Institutionen, Oralität, gering entwickelte Technik, subsistenzorientierte Wirtschaftsweise, grundlegende Bedeutung des Mythos, Urproduktion. Für ausführende Abschnitte zu den einzelnen Stichwörtern siehe die Einführungen Kohls ([1993] 22000: 29-92) und Bargatzkys (1997: 32 f. sowie XV-XVIII, 20, 63 f., 66 f., 70, 72, 76 et passim). 36 Die Verbform des Präteritums ist hier bewußt gesetzt. Nicht nur trägt sie dem Umstand Rechnung, daß sich das Untersuchungsfeld der Ethnologie seit ihren akademischen Anfängen beständig erweitert hat; sondern sie berücksichtigt auch, daß bezüglich der Untersuchungsschwerpunkte Akzentverlagerungen stattgefunden haben.

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fender Gattungsbegriffe bewegt.37 Und insofern selbstverständlich für LéviStrauss die Verhältnisfrage niemals ausgeklammert bleibt, wird mit besagter terminologischer Dichotomie auch nicht schon ein Dualismus in die Menschheit „hineingetragen“. – Aspekt 4: Indem vorliegende Untersuchung – im Anschluß an Lévi-Strauss – die entsprechenden Begriffe (einschließlich ihrer jeweiligen sprachlichen Varianten) konsequent in distanzierende Anführungszeichen38 setzt oder aber mit distanzierendem Adjektiv39 versieht40, verschränkt sich gewissermaßen das Bekenntnis zu einer lange währenden eigenen, einesteils unhaltbaren, andernteils beschämenden Tradition (sozusagen deren Anerkennung) mit einer dezidierten sowie eben aufgrund solchen Bekenntnisses auch glaubwürdigen Absetzung von dieser selben.41 Sodaß man im diskutierten Falle sagen könnte: In der jeweiligen Verbindung zwischen Terminus und semantisch distanzierender Orthographie wird ein Toleranzgrenzwert wohl erreicht, nicht aber überschritten. – Anderes zu behaupten, hieße ich das Pejorationsverständnis überdehnen. – Aspekt 5: Vorliegende Untersuchung trägt, indem bzw. insoweit sie sich entlang des durch Lévi-Strauss vorgegebenen terminologischen Rasters bewegt, den Charakter einer wissenschaftshistorischen Aufarbeitung (also einer Aufarbeitung Lévi-Strauss’scher Materialien). Jedenfalls für einen Teil dieser wissenschaftshistorischen Aufarbeitung ist näherhin festzuhalten: Sie bezeichnet alles andere als einfach nur ein legitimes Unterfangen; aus ge___________ 37

Die Existenz unterschiedlicher nomenklatorischer Ebenen ist ein Sachverhalt, bezüglich dessen eine Sensibilisierung statthaft erscheint. Hat man (wie im vorstehenden Falle) die Suche nach einem Ausdruck für die Gesamtheit der Kulturen, die traditionell im Zentrum ethnologischen Untersuchungsinteresses standen, (legitimerweise) als Problem definiert, so kommen als Lösungen auch nur eben Vorschläge in Betracht, die genau solcher (und das heißt: keiner anderen) Problemdefinition entsprechen. Wer deshalb die diesbezüglich existierenden Vorschläge als inakzeptabel empfindet oder sich gar darüber erhaben wähnt, sollte in diesem Falle wissen, daß Ebenenwechsel – etwa der Wechsel auf die Ebene subsistenzwirtschaftlicher Lebensformen (Jäger und Sammler etc.) oder auch der Wechsel auf die Ebene der Namensbezeichnung konkreter Ethnien (!Kung-San etc.) – anstelle des Fortschritts, den sie intendieren, faktisch nur ein „Ausweichmanöver“ bedeuten. 38 In der Form: „Primitive“ bzw. „Zivilisierte“ etc. 39 In der Form: Sogenannte ‚Primitive‘ bzw. sogenannte ‚Zivilisierte‘ etc. 40 Hiermit stelle ich also zugleich klar, daß ich mich der spitzen Argumentation Hansens ([1995] [22000] 32003), derlei Insistenz sei Ausdruck überflüssiger Sprachkosmetik (so jedenfalls seine indirekte Aussage; vgl. ebd.: 6), nicht anschließen kann. 41 Daß im Falle besagter Begrifflichkeiten – selbst also unter Verwendung distanzierender Anführungszeichen oder distanzierenden Adjektivs – pejorative Konnotationen mitschwingen, ist unverhinderbar. Denn wenn auch indirekt, so vermittelt Distanzierung doch stets eine konkrete Vorstellung bezüglich des Wovon.

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genwärtiger Perspektive scheint sie sogar dringend geboten.42 Wie nämlich eine ventilierende Betrachtung gerade der aktuellen (und durchaus Einfluß ausübenden) unter den fachlich einschlägigen Beiträgen zur vorangeschrittenen Moderne erkennen läßt43, verhält es sich nicht nur so, daß diese (ob nun direkt oder indirekt, explizit oder implizit) den Bezug zur bezeichneten terminologischen Dichotomie bzw. zu einer bestimmten, mit ihr korrelierten kulturtheoretischen Konzeption enthalten, sondern es verhält sich außerdem so – und das ist das Entscheidende –, daß die Wissenschaft infolge der in den entsprechenden Fällen beobachtbaren Herstellung solch spezieller Verknüpfung Gefahr läuft, ein Diskussionsniveau zu unterschreiten, wie es mit Lévi-Strauss44 bereits erreicht war. Bisweilen kann in der Tat der Eindruck entstehen, als bedürften neuere und neueste theoretische Entwicklungen des Stereotypisierens (und also Verzeichnens), wenn nicht des buchstäblichen Übergehens eines bereits Vorhandenen, um sich in ihrer (sei es tatsächlichen, sei es vermeintlichen) Neuartigkeit um so trefflicher darzustellen – als reichten gewissermaßen die empirischen Veränderungen allein nicht hin, um einen qualitativen Umschlag auf theoretischer Ebene zu rechtfertigen.45

– Aspekt 6: Zwar hat die Ethnologie ihre traditionellen Objekte weitgehend verloren; nicht läßt sich dies aber schlechterdings behaupten. Daß das Fach in den der Menschheit verbliebenen „primitiven“ Kulturen46 – statistisch gesehen, das heißt relativ zum weltweiten Spektrum kultureller Phänomene – Ausnahmeerscheinungen erkennt, hat genau zu bedeuten: Als solche Aus___________ 42 Die Referenz zielt in diesem Falle insbesondere auf die kritisch-konstruktive Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen im dritten und letzten Kapitel der Untersuchung. 43 Speziell verweise ich hier auf Beck (1997: 118 f.) bzw. (1998 a: 53 f.); Breidenbach / Zukrigl (1997: 79 f.) bzw. ([1998] 2000: 77 ff.); Nederveen Pieterse (1998: 114 f.); B. Schmidt (2000: 130); sowie Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000: 7, 13 f. und 137). 44 Sowie etwa auch – was ebensowenig gesehen zu werden scheint – mit Mühlmann. [Bei aller berechtigten Kritik – vorneweg gesagt –, die man an Mühlmann üben mag (vgl. für erste nähere Informationen meine Anmerkung in der Bibliographie, Seite 654, Fußnote 15), vertrete ich die Auffassung, daß es sich ein wissenschaftlicher Diskurs um Lévi-Strauss nicht leisten kann (oder jedenfalls sollte), mindestens jene unter Mühlmanns Erkenntnisbeiträgen, die entweder parallel zu den Lévi-Strauss’schen liegen oder aber deren Verständnis positiv ergänzen, nicht zu berücksichtigen oder gar bewußt zu unterschlagen. – Umgekehrt natürlich wird dies im Fortgang nicht daran hindern, zu gegebener Zeit dann auch den Punkt zu markieren, an dem Lévi-Strauss sich von Mühlmann entschieden absetzt, er diesen entschieden hinter sich läßt. (Die Ergänzung der Kenntlichmachung des Parallellaufs Lévi-Strauss’scher und Mühlmannscher Denkbahnen um die Markierung auch des Punktes deren Auseinandertreibens gerät dabei unwillkürlich zur verbesserten Konturierung beider Wissenschaftler.)] 45 Vgl. hierzu auch Friedrichs (1997: 4); daneben Höffe ([1999] 2002: 20-25). 46 …, Ethnien, Völkern, Gesellschaften (vgl. oben, Seite 26, Fußnote 25 b) …

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nahmeerscheinungen existieren sie – und wenn auch nicht in alle Zukunft47, so doch zumindest bis zum heutigen Tag.48 Diese Spezifikation sollte nicht falsch verstanden werden: Keinesfalls geleugnet wird damit, daß die betreffenden Kulturen – ungeachtet ihrer hohen ‚Überlieferungskonstanz‘49 – einem Wandel in der Zeit unterliegen.50 Wobei freilich in der Gegenwart weniger der Wandel als solcher es ist, der nach einer Erklärung verlangt; sondern was gegenwärtig weit eher zur Erklärung auffordert, ist der Umstand, daß zumindest ein Teil der betreffenden Kulturen noch darin reüssiert, sich unter den Bedingungen eines hinsichtlich seiner Geschwindigkeit und Art modifizierten Wandels zu erhalten.

___________ 47 Bei illusionsloser Betrachtung dürfte dies ohnehin für sämtliche Kulturen gelten, wie überhaupt für die Menschheit in ihrem Gesamtbestand. (Vgl. hier auch Lévi-Strauss in MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621; außerdem ders. in TT: 411 / TrTr: 478.) 48 Es ist in diesem Zusammenhang erneut an das Problem der adäquaten Begriffswahl zu erinnern: Wenn etwa Kohl, statt sich aktuell auf „Naturvölker“ oder „Primitive“ zu beziehen, in einer um Neutralität bemühten Weise von „damals als ‚Naturvölker‘ oder ‚Primitive‘ bezeichneten Lokalkulturen“ spricht (Kohl [1993] 22000: 95; keine Hervorhebungen im Original), so ist dieser Vorschlag in einer Weise zu begrüßen. Zugleich bleibt dabei aber fraglich, ob er eine veritable Lösung bietet. Denn rhetorisch gesehen ist er – schlicht aufgrund seiner Länge – in den allerwenigsten Satzgefügen wirklich problemlos handhabbar; mit anderen Worten: sprachlich generell praktikabel ist die Umschreibung, um die es sich präziser gesprochen handelt, nicht. 49 Vgl. zum Begriff Mühlmann (1962 a: 198). 50 a: Vgl. für Lévi-Strauss bereits StAI: 116 / StAI: 114: „Ein [‚]primitives[‘] Volk ist […] kein Volk ohne Geschichte, obwohl uns der Ablauf dieser Geschichte oft entgeht.“. Vgl. daneben StAI: 127 / AStI: 126, WD: 270 f. / PS: 309 f., StAII: 361 / AStII: 375 f. und StAII: 376 / AStII: 390 f. Vgl. zu dieser Einschätzung außerdem Mühlmann (1964: 34): „Wir betrachten gegenwärtig die Kulturen der Naturvölker nicht mehr als Petrefakte aus einer hypothetischen ‚Urzeit‘ des Menschen, sondern als im Kontakt untereinander und mit höheren Kulturen historisch gewordene und sich wandelnde Gestalten.“ – In keinem anderen Sinne äußert sich im übrigen auch schon Thurnwald (1935: 266; Hervorhebung im Original): „Einer der Hauptfehler in ethnologischer Betrachtung und Interpretation ist die Auffassung, als hätten wir es mit petrifizierten Erscheinungen zu tun. […]. Die Geschichte und die Vergangenheit der ‚Naturvölker‘ wird als nicht bestehend betrachtet, weil wir sie nicht kennen. […]. Die menschliche Gesellschaft ist aber kein Petrefakt in einem Museum, sondern etwas Lebendiges, Vielfältiges und sich stets Veränderndes.“ b: Die Gültigkeit dieser Sichtweise wird heute im übrigen auch längst nicht mehr nur für die Gegenwart beansprucht: Auch in vergangenen Zeiten ist – wie man auf der Grundlage der verfügbaren historischen Zeugnisse weiß – in diesen Kulturen Wandel stets der Fall gewesen. (Vgl. Mühlmann 1964: 35.) – Wie hätte man es auch anders erklären können, daß „ein späterer Forscher bei demselben Stamme Dinge feststellt oder vermißt, die ein früherer Besucher vermißt oder festgestellt [hat]“ (Mühlmann (1964: 34)? Oder daß „Eingeborene, die jahrelang fern von ihrem Stamm gelebt haben, […] sich nach ihrer Rückkehr nicht mehr der neuen Ordnung [anzupassen vermögen]“ (StAI: 116 / AStI: 115, unter Verweis auf W. E. H. Stanner)?

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– Aspekt 7: Vor allem in einer exemplifizierenden Ausdeutung der Relevanzen und Implikationen dieses Sachverhalts im dritten Kapitel erweist sich die vorliegende Untersuchung als mehr denn eine nur wissenschaftshistorische Aufarbeitung, präsentiert sie sich vielmehr zugleich als ein Versuch, LéviStrauss in einer an aktuellem (wissenschaftlichem wie außerwissenschaftlichem) Handlungsbedarf orientierten Form weiterzudenken. Leitend sowohl für den Verlauf als auch für den Ausgang der entsprechenden Überlegungen wird neben der empirischen Frage nach dem Gegebenen auch die normative Frage nach dem Gebotenen. Da sich insbesondere angesichts des präskriptiven Bestandteils der Konfiguration Gefühle der Skepsis regen könnten, sei im Sinne einer Klarstellung dazugesagt: Solange der konditionale Charakter der in den Lévi-Strauss’schen Materialien angelegten und aus diesen selben entwickelten Argumentation erkennbar bleibt51, verkörpert sich auch über diese Perspektive eine prinzipiell legitime Weise der wissenschaftlichen Vergewisserung. Nicht zuletzt wird dabei offenbar werden, daß die terminologische Unterscheidung zwischen sogenannten ‚Primitiven‘ und sogenannten ‚Zivilisierten‘ auf der Ebene der ihr (tatsächlich) korrelierenden kulturtheoretischen Konzeption – gleich einem Werkzeug – nach durchaus unterschiedlichen Richtungen hin Verwendung finden kann. Anders, als es bestimmte Erfahrungswerte52 für die vorgelegten Ergebnisse erwarten lassen mögen, will dies besagen: als ein Werkzeug, das keineswegs per se schon Zustände der Diskriminierung schafft. – Aspekt 8: Bezeichnete terminologische Dichotomie wird überhaupt in dem Maße, wie sich die Konzentration im dritten und letzten Kapitel auf die ihr (tatsächlich) korrelierende kulturtheoretische Konzeption verlagert, der Begrifflichkeit vom kulturell Fremden resp. vom kulturell Eigenen weichen – und das heißt: damit automatisch an Bedeutung verlieren. Zu den Implikationen dieser Konzentrationsverschiebung zählt nicht nur eine Neuinterpretation der Funktion pejorativer Bedeutungsprojektionen; sondern zu den Implikationen dieser Konzentrationsverschiebung zählt auch eine Erweiterung des phänomenalen Spektrums (namentlich um den Gesichtspunkt des kulturell fremdgewordenen Eigenen53) – ein Vorgang, aus dem wiederum zu___________ 51

Etwa gemäß folgender Muster: ‚Wenn A postuliert wird, darf auch B postuliert werden‘, ‚Solange A ein erstrebenswertes Ziel darstellt, sollte B zumindest erwogen werden‘ oder ‚Wenn A zu einem bedeutsamen Wert erklärt wird und ein Interesse besteht, dessen Wertstatus zu wahren, muß B beachtet werden oder auch sich ändern‘. 52 Auf solche offensichtlich rekurrieren u. a. Breidenbach / Zukrigl ([1998] 2000: 78). 53 Im Anschluß an den französischen Ethnologen Augé (1989) könnte hier von einer Variante des ‚Auto-Ethnologischen‘ (ebd.: 19) gesprochen werden. (Siehe für dessen Aufgabelung der Ethnologie in ‚Auto-‘ und ‚Allo-Ethnologie‘ ebd.; siehe für die Rezeption dieser Differenzierung auch Jamme 1996: 296, außerdem B. Waldenfels 1997 a: 99 bzw. 1997 b: 76).

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gleich eine Erweiterung des Applikationsfeldes vorliegender Untersuchung resultiert. Gehen wird es bei den entsprechenden, die Untersuchung abschließenden Anwendungsproben darum, Herausforderungen zu benennen und genauer zu bestimmen, ohne dabei schon letzte Antworten zu präjudizieren.

Erstes Kapitel:

Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung I. Das Humanum als Gegenstand anthropologischer Forschung. Ein Problemaufriß Es wird bisweilen Wert darauf gelegt, einer konventionellen Auffassung Erwähnung zu tun, wonach das gemeinsame Ziel aller respektierten Anthropologien in der „Erkenntnis des Allgemeinmenschlichen hinter seinen historischen und kulturellen Ausdrucksformen“ besteht.1 Wo allein solches Konstatieren sich mit dem Gefühl heuristischen Auftriebs verbindet, darf indessen ein gewisses Unbehagen legitim erscheinen. Denn nicht nur handelt es sich bei derartigen Formulierungen um ebenso risikofreie wie allgemein zustimmungsfähige Aussagen; auch stehen Verlautbarungen dieses Stils in der Gefahr, dem Blick die Schärfe für die Wahrnehmung prinzipieller Problemlagen zu nehmen. Als selbstverständlich vorausgesetzt werden soll zunächst allein, daß anthropologische Forschung keinerlei Grundlage und Legitimation besäße, wenn die Zusammengehörigkeit empirisch verschiedener Objekte nicht in irgendeiner Form als garantiert unterstellt wäre.2 Im Prinzip jedenfalls ist die Frage einer basalen Identität in dem Augenblick positiv entschieden, wo Lebensformen in bezug auf das eigene Selbstverständnis als verschieden registriert werden und sich im Zuge dessen ein Bedürfnis nach deren Erklärung3 artikuliert. Denn was sich auch an anderen Lebensformen anführen lassen mag, indiziert werden dabei doch stets Unterschiede in der Lebensform; was daher eine ganz andere Lebensform zu sein beanspruchte, rückte einer entsprechenden Untersuchung nicht mehr vor den Blick4 – damit aber eben auch nicht einmal mehr als über___________ 1 So bei Stagl (1974: 120). (Unverändert auch in der zweiten Auflage: Stagl [1974] 1981: 120.) 2 Siehe H. Putnam (1981 / 1982: 161): „Das Vergleichen setzt voraus, daß einiges kommensurabel ist.“ 3 Vgl. dazu Fischer (1998: 4): „Nur wenn ich Menschen als prinzipiell gleich anerkenne, sind Unterschiede etwas zu Erklärendes.“ 4 Im Frage/Antwort-Duktus von B. Waldenfels ([1990] 31998) gesprochen: „Kann etwas auch ganz anders sein? Wäre eine Ordnung ‚ganz anders‘ als meine eigene Ordnung, so wäre sie mir nicht einmal fremd.“ (Ebd.: 26.) Vgl. außerdem ders. (1993: 59). 2

I. Das Humanum als Gegenstand anthropologischer Forschung

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haupt fragwürdiger Gegenstand, der er sein müßte, um ein Bedürfnis nach Erklärung zu evozieren.5 Das Wissen darum, daß eine Wahrnehmung von Verschiedenem (in einer Weise auch immer) Gemeinsames voraussetzt, ist ein propädeutisches; der Sachverhalt selbst noch kein entscheidender. Die eigentliche Problematik setzt demgegenüber erst dort ein, wo die Frage des explanativen Umgangs mit der Pluralität des Besonderen aktualisiert wird6: So stellt sich der methodische Gang der Anthropologie als in sich vielgestaltig und widerstreitend dar und läßt gerade dadurch offenbar werden, wie virulent auch in Anbetracht der Postulierung eines unumstrittenen Großziels ihrer Forschungsrichtungen – der Erkenntnis von Übereinstimmungen hinter den jeweiligen Unterschieden – die Frage der Vereinbarkeit von Einheit und Vielheit ist. Wie nun allerdings dieselbe Forschungswirklichkeit vor Augen führt, kann dabei nicht in jedem Falle schon von einem Selbstverständnis ausgegangen werden, das sich endgültiger Lösungsbestrebungen begibt und insofern erwarten läßt, daß die in Rede stehende Problematik auch als virulent bleibende empfunden wird. Aus diesem Grunde soll die hier verfolgte Absicht darin bestehen, Konvergenz statt auf einer rein vordergründig diagnostizierten auf einer grundlegenderen Ebene anzuerkennen, mit anderen Worten, zu akzentuieren, daß das Anliegen eines Aufweises kulturübergreifender Universalien bei paralleler Sensibilisierung für die jeweilige Authentizität und Eigenbedeutung kultureller Ausprägungen in ein prinzipielles Spannungsfeld verweist und daß es dieses ist, in dem alle anthropologische Forschung der fortgeschrittenen Moderne ab ovo steht.7 ___________ In den Worten von Duerr ([1978] 1984) handelte es sich dabei um ein „Ereignis, das sich wegkürzt“ (ebd.: 162). Vgl. ferner in diesem Zusammenhang Bubner (1983: 192); auch Brocker (1997: 5) bzw. Kluxen (1997: 17); schließlich bereits Husserl (Intersubjektivität 3 / Hua XV, [1929-1935] 1973: 432: „[…] alles noch so Fremde, noch so Unverständliche hat einen Kern der Bekanntheit, ohne das es überhaupt nicht, auch nicht als Fremdes, erfahren werden könnte.“ 5 Lueken (1992) stellt daher zu Recht fest: „Versteht man Inkommensurabilität als totale Abgeschlossenheit und Unverbundenheit, so wird die Inkommensurabilitätsthese in gewissem Sinne selbstwidersprüchlich.“ (Ebd.: 126.) Inkommensurabilität wäre in diesem Falle „überhaupt nicht feststellbar“ (ebd.: 127). – Zur Vertiefung des dazugehörigen Problembewußtseins sei neben den Ausführungen Luekens auf die Arbeit von Duerr ([1978] 1984; insbesondere 157 ff.) verwiesen. 6 Koepping (1987) vermittelt den Eindruck, an diesem Punkt zu stehen, wenn er schreibt: „Wenn sich die Ethnologie als die Wissenschaft versteht, Lebenswelten derjenigen zu beschreiben, die einerseits als die ganz anderen gelten, die aber andererseits auch als die zu gelten haben, die mit uns das Allgemein-Menschliche teilen, scheinen wir uns in ein unlösbares erkenntnistheoretisches Dilemma zu begeben […].“ (Ebd.: 20 f.; im Original andere Hervorhebungen.) 7 Letzteres gilt auch für den kulturellen Relativismus. Mit Holenstein (1985) war dieser Ausdruck „in der wissenschaftlichen Anthropologie ursprünglich als eine methodologische Maxime und nicht als eine inhaltliche These gedacht. In Anbetracht der un-

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

Die Konterminierung absoluter Ansprüche in Verbindung mit einem Plädoyer für eine Kompetenz, die ihre Inhalte auf Probe entwickelt, kann hinsichtlich ihrer Implikationen von mehreren Seiten gelesen werden: – Zunächst läßt sie die Vielfalt anthropologischer Forschungsmethoden als die Variation eines bestimmten Themas erscheinen – dergestalt, daß diese Methoden prinzipiell gleichberechtigt nebeneinanderstehen. – Mit solchermaßen der empirischen Forschung zur Betätigung abgesteckten Optionen ist dann aber auch bedeutet, daß die jeweils unternommenen Auflösungen des betreffenden Spannungsverhältnisses, wiewohl sie die perennierende Herausforderung jeder anthropologischen Forschung darstellen, letztlich relative und insofern in bezug auf die gewählten Prämissen zu bewerten sind. – Damit wiederum ist schließlich (in selber Gültigkeit) ausgesagt, daß fallweise es durchaus nicht nur zwangsläufig, sondern ebenso auch sinnvoll ist, zwischen geeigneteren und weniger geeigneten Instrumentarien zu unterscheiden, vermittels derer zu entsprechend brauchbareren bzw. weniger brauchbaren Ergebnissen zu gelangen ist.8 Wenn nun allerdings das soweit entrollte Konzept keinesfalls dahingehend aufzufassen ist, als bezeichne es ein Votum für einen allgemeinen Relativismus im Sinne einer Unverbindlichkeit der eingeschlagenen Wege9 (dies – sinngemäß – besagt die drittgenannte Implikation), dann kann es umgekehrt auch kaum mehr länger hinreichen, den Einfluß auf die Wahl der Untersuchungsmit___________ vermeidlichen Tendenz zur ethnozentrischen Bewertung fremder Kulturen sollte methodologisch reflektiert versucht werden, jede Kultur primär im Rahmen ihres eigenen Wertsystems zu beurteilen. Die mögliche Entdeckung von Universalien sollte damit keineswegs vorentschieden sein.“ (Holenstein 1985: 195.) Selbst auf der Ebene eines inhaltlichen Verständnisses aber bringt der kulturelle Relativismus mit der Auffassung, daß das Allgemeinhumane „auf subkulturellem Gebiet zu suchen“ (Rudolph 1968: 229) sei, was für diesen Forschungsansatz „als so gut wie substanzlos angesehen“ (ebd.) werden könne, (wenn auch) auf spezifische (nämlich negative) Weise doch wiederum nur die unhinterschreitbare Relevanz eben beider Bezugspole zum Ausdruck. 8 a: In der Formulierung Oppitz’, wonach „eine Landschaft, bedingt durch den Aussichtspunkt, unterschiedlich adäquat betrachtet werden [könne]“ ([1975] 21993: 13; keine Hervorhebung im Original), hat dieser Sachverhalt eine metaphorische Entsprechung. b: Für jeden einzelnen Fall freilich bliebe der Frage nachzugehen interessant, inwieweit Wege zur Erfahrung von Alternativen nicht allein offengehalten, sondern (wider einen Dogmatismus) auch beschritten werden. Vgl. in dem Zusammenhang auch Blankenburg (1984: 131): „[…] jede Methode bedeutet für sich allein – durch die mit ihr verbundene Kategorialisierung – eine Prokrustes-Beschneidung der Wirklichkeit. Methoden können nicht nur als wirklichkeitserschließend angesehen werden; sie tragen vielmehr stets auch einen wirklichkeitsverschließenden Charakter, d. h., sie dienen zugleich der Abwehr (noch) nicht zu bewältigender Realität.“ 9 Siehe hierzu Wernecke (1994: 437).

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tel, der sich zum einen von dem im Erkenntnisprozeß partizipierenden Interesse, zum anderen vom Untersuchungsgegenstand selbst her geltend macht, nur pauschal in Rechnung zu stellen. In der Tat ist es darum zuletzt der diesbezüglich im Einzelfall erreichbare Explikationsgrad, sprich: der erreichbare Grad an Transparenz hinsichtlich der jeweils vertretenen Positionen, der jeweiligen Grenzen und Grenzwerte, welcher entscheidend an Bedeutung gewinnt. Der Verlauf dieser Skizze führt in gewisser Weise zurück zum Ausgangspunkt: Er läßt deutlich werden, daß die Wirksamkeit der suggerierten Einheitlichkeit des Erkenntnisstrebens nur solange bestehen kann, wie der Begriff und die Sache, der Status und die Möglichkeit des ‚Allgemeinmenschlichen‘, die Erfassung der historischen und kulturellen Ausdrucksformen hinsichtlich ihrer operativen Schritte sowie schließlich die Relation zwischen beiden Variablen10 unbestimmt bleiben. Und noch ein Weiteres läßt der Verlauf dieser Skizze deutlich werden: Eine kritische Auseinandersetzung mit konkreten Optionen steht überhaupt nur dort zu erwarten, wo gerade auch der neuralgisch bleibende Charakter anthropologischen Umgangs mit der Frage nach dem Humanum erinnert wird. Aufgehoben zu sein hätte in einem entsprechenden Problembewußtsein jedenfalls die beschriebene, der Ausgangssituation inhärente Komplexität – eine Komplexität, die in jedem Falle entschieden mehr verdient als die Sensibilisiertheit für ausschließlich und im engeren Sinne methodische Problemstellungen. Es gilt dies noch um so mehr, wie einem die Forschungspraxis bestimmter Protagonisten (nicht eben zuletzt Lévi-Strauss’) selbst schon den Transzensus des Methodischen ad oculos demonstriert. Unter diesen Akzentsetzungen mag nun – wenngleich in noch vorläufiger Leitbahn – der Frage nachgegangen werden: Was steht mit der strukturalen Anthropologie als eben einem spezifischen Versuch der Erkenntnis von Allgemeinem hinter der Variabilität des Speziellen zur Debatte?

___________ 10 Die Mehrdeutigkeit dieser Relation (und damit die Verrechenbarkeit unterschiedlichster Forschungsansätze unter demselben Nenner) hat in der diesem Problemaufriß vorangestellten These (siehe Stagl; oben, Seite 34) eine besonders augenfällige Basis; sie beruht auf der Verwendung des Terminus ‚hinter‘. Ausgeblendet erscheint bei solcher Rhetorik, daß die Art und Weise des Hinterschreitens keineswegs einen uniformen Vorgang bezeichnet.

Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

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II. Die Lévi-Strauss’sche Forschung im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie „[…] mir jegliche philosophische Ausbeutung widerstrebt, die man an meinen Arbeiten treiben möchte […]“ Claude Lévi-Strauss, Der nackte Mensch. Finale11

1. Spezifikationen Lenkt man sein Augenmerk auf die entsprechenden Forschungsbeiträge, so zeigt sich: Lévi-Strauss ist ein Autor, der – weit davon entfernt, die Frage nach dem Humanum nur unter dem Blickwinkel des einzelwissenschaftlichen Methodikers anzugehen – sich im Kontext dieser Frage auch mit die Wissenschaftstheorie der Anthropologie bzw. Kulturwissenschaft12 betreffenden (methodologischen) sowie, darüber hinaus, mit philosophischen (ontologischen und epistemologischen) Problemstellungen konfrontiert. Hingewiesen werden muß allerdings an dieser Stelle bereits darauf, daß dem, was hier für die ‚Propädeutik‘ in der Form eines komprimierten Befundes vorweggenommen steht, nicht die buchstäbliche und konzise Abarbeitung folgen, sondern daß das provisorische Ziel einer Auseinandersetzung allein in diesbezüglichen Schwerpunktargumentationen bestehen kann. Nicht freilich ist dahinter eine Form des präliminierenden Kalküls zu vermuten: Denn nicht wurden die eben unterschiedenen Aspekte gewissermaßen aufs Geratewohl, also unter dem Risiko, sich als unergiebig herauszustellen oder partiell ins Leere zu laufen, an das verfügbare Material herangetragen; die Differenzierung nach den genannten Aspekten ist – genau umgekehrt – Ergebnis einer Analyse, das heißt, sie entstand sukzessive und entlang einer Sichtung einschlägigen Materials. Die Relativierung der Zielvorgabe erklärt sich demgegenüber vielmehr dadurch, daß zum einen die Natur der Sache selbst13, zum anderen die Natur der anführbaren Textstellen Lévi-Strauss’scher Darlegung14 einen Widerstand bilden, demzufolge es jedem Argumentationsversuch nur in eingeschränkter Weise möglich sein kann, hinsichtlich der für möglich bzw. sinnvoll erachteten Operationalisierungen exakte Abfolgen und eine sicherlich wünschbare Trennschärfe durchzuhalten. Für ein angemessenes Verständnis des unmittelbar nachfolgen___________ 11

Vgl. hier auch Fink-Eitel (1994: 21); ferner Tréguerfrz: 172. Zur nochmaligen Erinnerung (siehe ‚Prolog‘, Seite 23 f., Fußnote 16): Hier wie im folgenden verwendet wird diese Bezeichnung als Gattungsbegriff. 13 Abgehoben ist damit auf den einfachen Umstand der zwischen den jeweiligen Aspekten bestehenden fließenden Übergänge. 14 Angesprochen ist damit der durch „Manöver“ diverser Art bewirkte, prinzipiell jedoch durchaus vermeidbare „Fließcharakter“ Lévi-Strauss’scher Argumentation. 12

II. Lévi-Strauss im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie

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den Untersuchungsgangs sollte daher die Unterscheidung nach (einzelwissenschaftlich-)methodisch, methodologisch, ontologisch und epistemologisch Relevantem sowohl als eine bisweilen untergründige, als auch – und dies vor allem – als eine flexibel handzuhabende Direktive verstanden werden. Außerdem wird eine in meinen Augen sinnvolle Argumentation aufgrund jenes doppelten (von der Sache her bestehenden wie Lévi-Strauss-spezifischen) Widerstandes bisweilen nicht umhin können, zitierte Gedankenführungen in Richtung auf das unerwähnt Bleibende – je nachdem also das ihnen Vorausliegende (die Bedingungen) bzw. das ihnen Nachfolgende (die Konsequenzen) – zu transzendieren oder aber sie durch ergänzende Zitationen (nicht zuletzt anderer Autoren) zu flankieren. Die durchaus vorhandene und mit diesen Schritten auch zu erkennen gegebene Ameliorierungsabsicht ist dabei – wohlgemerkt – an anthropologischer bzw. kulturwissenschaftlicher Forschung der Sachhaltigkeit nach orientiert und nicht in philiströs-apologetischer Weise am Lebenswerk einer Forscherpersönlichkeit. Das bedeutet zum einen: In bezug auf die Argumentationen Lévi-Strauss’ muß, wo Kritik angebracht ist, auch Kritik möglich sein. Und es bedeutet zum anderen, daß Kritik dort ihre Grenzen überschritten hat, wo sie für die von Lévi-Strauss favorisierte Perspektive als solche destruktive Konsequenzen zeitigt. Die Herausforderung und Option der Forschung jedenfalls sollte generell darin bestehen, unter Bezugnahme auf das, was mit Lévi-Strauss’ wissenschaftlichen Präferenzen faktisch (in deren Mehrdeutigkeit, Widersprüchlichkeit, Unausgereiftheit) zur Diskussion steht, Tragfähigeres zu erarbeiten. Angezielt sein sollte dementsprechend die prinzipielle Möglichkeit der von ihm bevorzugten Perspektive, und ebenso sollte die untergründig motivierende Frage lauten: Was steht mit seinen wissenschaftlichen Grundsatzentscheidungen idealiter zur Debatte? Mit speziellem Hinblick auf die hervorgehobene philosophische Relevanz scheinen mir an dieser Stelle noch zwei weitergehende Präzisierungen angebracht. – Erstens: Es sollte deutlich geworden sein, daß der als philosophisch zu bezeichnende Gehalt der Lévi-Strauss’schen Schriften im Rahmen der ‚Propädeutik‘ in erster Linie insofern beschäftigen (und in dem Sinne selektive Aufmerksamkeit einfordern) wird, als er Verbindung mit der strukturalen Anthropologie als einer Methode der Kulturwissenschaften aufweist. Indirekt will dies besagen, daß er weniger zu dem Zweck aufbereitet werden wird, wie er zu einem besseren Verständnis einer philosophischen Richtung beiträgt, als deren Wegbereiter (unter anderen) Lévi-Strauss zu betrachten ist und für die das Namensschild ‚Neostrukturalismus‘ zu verwenden Frank sich entschlossen hat;15 zudem soll damit indirekt ausgesagt sein, daß im ___________ 15 Für den Fall eher dieser Interessenlage verweise ich auf den in seiner Gesamtheit sehr verdienstvollen Vorlesungsband des genannten Autors (Frank: 1983). [Was speziell

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

Kontext der ‚Propädeutik‘ (wie übrigens dann – vorgreifend gesagt – auch noch im weiteren Kontext dieser Arbeit) die „genealogische Inanspruchnahme“16 Rousseaus und Marx’17 durch Lévi-Strauss keine (bzw. bestenfalls eine untergeordnete) Rolle spielen wird. – Zweitens: Ameliorierung steht, was auf voriger Seite sich bereits andeutete, unter der Voraussetzung eines geklärten Umgangs mit in zweifacher Hinsicht Distanzierungswürdigem. Vor dem Hintergrund der für die ‚Propädeutik‘ maßgebend werdenden Form einer selektiven Aufmerksamkeit bezüglich Lévi-Strauss’ philosophischer Relevanz kann das, was eben sich mit solcher Voraussetzung von Weisen speziellen Umgangs verbindet, nun noch genauer „buchstabiert“ werden: Zielen sollte entsprechende Distanzierung nach der einen Seite auf bestimmte, explizit auf philosophische Denker und Denkrichtungen Bezug nehmende Lévi-Strauss’sche Äußerungen. Als problematisch verdient dabei weniger der überwiegend (wenn auch nicht ausnahmslos) negative Tenor als solcher gekennzeichnet zu werden; vielmehr sind es der unter diesem Vorzeichen fallweise (wiewohl nicht durchgängig) hinzukommende untrügliche Mangel an Sachverstand sowie das darunter auch immer wieder (was wiederum heißt: nicht durchgängig) aus einer biographisch-emotionalen Aufgeladenheit heraus demonstrierte Maß an Nonchalance und Unvernunft, dessen Lévi-Strauss über sich Gewalt läßt, welchem jeweils unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten berechtigte Bedenken erwachsen.18 Zielen sollte entsprechende Distanzierung nach der ande___________ Franks Lévi-Strauss-Interpretation betrifft, so bin ich allerdings der Meinung, daß es nicht unbedingt zum Schaden wäre, die von mir vorgebrachten Einwände zumindest zur Kenntnis zu nehmen. (Siehe dafür vorrangig – und nur am Stück – meine Ausführungen auf den Seiten 50 bis 61.)] 16 Derrida (1967 b / 1974 b: 207). 17 Die Art und Weise des konkreten Aufgriffs, der Einverleibung und Positionierung rousseauistischen wie marxistischen Gedankenguts innerhalb des Lévi-Strauss’schen Theoriekorpus hat – ungeachtet ihrer positiven Vorzeichen – unterschiedliche Autoren zu wiederum kritischem Nachfragen veranlaßt. Zu den (hier und in der Folge nicht zu kommentierenden) Verankerungen in der Tradition Rousseaus siehe insbesondere die Beiträge von H. H. Ritter (1970), Derrida (1967 b / 1974 b) und Honneth (1990), zu jenen in der Tradition Marx’ insbesondere die Beiträge von A. Schmidt (1969) und Lepenies (1970). 18 Vgl. diese Sichtweise auch mit der Einschätzung Derridas (1967 b / 1974 b: 206): „Bekanntlich hat Lévi-Strauss für […] Bewußtseinsphilosophien, Philosophien des cogito im kartesianischen oder husserlschen Sinn, nur sehr harte Worte übrig. Sehr streng geht er auch mit dem Bergsonschen Essai sur les données immédiates de la conscience ins Gericht, an dessen Beispiel Lévi-Strauss seinen alten Lehrern vorwirft, zuviel zu meditieren, anstatt den Cours Saussures zu studieren.“ Derrida geht in seinem Urteil gar soweit festzuhalten, daß Lévi-Strauss „jene[r] getadelten oder lächerlich gemachten Philosophien“ (ebd.) „in einer derart gespenstischen und verzerrenden Weise Erwähnung tut, wie man sie sonst nur noch in Handbüchern, Anthologien oder im Spiegel des öffentlichen Gerüchts findet […]“ (ebd.). „Sämtliche Denker“ (ebd.: 207) jedenfalls, „die

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ren Seite aber auch auf eine bestimmte, die Rezeption betreffende Form des Philosophieverständnisses, die dort greifbar wird, wo die als berechtigt eingestuften Bedenken ihrerseits zu nicht mehr als eben spiegelbildlich pauschalen Abqualifizierungen führen. Eine derartige (im Hinblick auf etwaige Ergebnisse unvorteilhaft zu nennende) Verhaltensanpassung bildet zumindest die zwangsläufige Konsequenz eines Interesses, das Lévi-Strauss’ philosophische Bedeutung prioritär am Verwertbarkeitsgrad vorliegender Stellungnahmen zu Klassikern zu bemessen sucht.19 – Damit der Sinn dieser Distanzierungen nicht mißverstanden wird: Kritisiert wird im einzelnen nicht schon die handwerklich saubere Überprüfung von Traditionsbezügen (ganz im Gegenteil), sondern eine Form der Überprüfung, die sich – entweder gleichgültig oder blind gegenüber dem Problemgeschehen, zu dessen Lösung sie ursprünglich in Gang gesetzt wurde – ausschließlich um ihrer selbst willen vollzieht. Das richtige Gleichgewicht wäre wohl erreicht – dies nicht zuletzt mit Blick auf die der ‚Propädeutik‘ folgende Argumentation –, wenn es gelänge, nachvollziehbar zu machen, inwiefern die philosophische Bedeutung des Schaffens von Claude Lévi-Strauss nicht schlechterdings an herkömmlichen Maßstäben auszuweisen ist; wenn es mithin gelänge zu zeigen, daß diese nicht durchweg schon dort aufscheint, wo die Textgrundlage in eine Wirkungsgeschichte einzutreten geradezu auffordert, sondern möglicherweise auch einmal dort zu suchen ist, wo Lévi-Strauss implizite, das heißt ohne sich als Philosoph zu gerieren, Frage- und Problemstellungen aufwirft und verfolgt, um die es in der Philosophie immer auch geht und die zu erkennen und in den entsprechenden Kontext zu stellen dann Aufgabe akademisch-philosophischen Sachwaltens sein kann bzw. sollte.20 ___________ von ihm ohne Umschweife als metaphysisch, phänomenologisch und existentialistisch abqualifiziert werden, hätten sich in den von Lévi-Strauss skizzierten Karikaturen gewiß nicht wiedererkannt“ (ebd.). 19 Daß unter diesem Blickwinkel angestellte Vergleiche ein Prekarium darstellen, wird etwa aus der Untersuchung Scholtes (1973: 646 f.) ersichtlich. Als Problem mag dahinter eine durch akademische Sozialisation konditionierte philosophische Erwartungshaltung stehen; eigens und trefflich thematisiert findet sich die dieser auf dem Fuße folgende Gefahr einer Verkehrung hermeneutischer Mittel in Zwecke bzw. des Mediums in den Inhalt des Philosophierens durch Schnädelbach (1981). [Schnädelbach diagnostiziert den ‚Morbus hermeneuticus‘ am Symptom der ‚Philologisierung der Philosophie‘ (ebd.: 279) und stellt durch Differenzierung klar: „Die philosophische Gesprächssituation […] besteht in einem Dialog über eine Sache, während die Philologen sich damit begnügen mögen, über Texte und damit über Reden anderer über eine Sache zu reden. Darum: nicht was Kant z. B. über Willensfreiheit dachte, ist Gegenstand der Philosophie, sondern die Willensfreiheit, und dann empfiehlt es sich dringend, zur Kenntnis zu nehmen, was Kant darüber dachte. Wer keine Fragen an die Tradition zu stellen hat, die Sachen betreffen, soll sie auf sich beruhen lassen oder Philologe werden.“ (Ebd.: 284; Hervorhebungen in teilweiser Abänderung gegenüber dem Original).] 20 Vgl. gerade in diesem Zusammenhang auch B. Waldenfels ([1986] 1987: 326).

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2. Die Lévi-Strauss’sche Forschung vor dem Hintergrund einer geistesgeschichtlichen Kontroverse a) Lévi-Strauss’ Kritik der cartesischen Tradition aa) Die Ausrichtung der Kritik Die Komplexität und auch Besonderheit der von Lévi-Strauss auf das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem gerichteten Vermittlungsbemühungen hat eng zu tun mit seiner Kritik an einer auf Descartes zurückweisenden Tradition, weshalb ein zureichendes Verständnis für das eine nur damit beginnen kann, ein Verständnis auch für das andere zu entwickeln. Das Gewähren eines Einblicks in die Architektur des Lévi-Strauss’schen Rationalitätsverständnisses darf im Hinblick darauf als ein geeigneter erster Schritt angesehen werden; wiedergegeben sei zu diesem Zweck ein Abschnitt aus dem Finale der Mythologica, in dem Lévi-Strauss schreibt: „[…] auch wenn die Mythen, an sich selbst betrachtet, absurde Erzählungen zu sein scheinen, so regelt doch eine geheime Logik die Beziehungen zwischen allen diesen Absurditäten: sogar ein Denken, das sich auf dem Gipfel der Irrationalität zu befinden scheint21, schwimmt […] in einer Rationalität22, die für es eine Art äußeres Milieu bildet, noch bevor das Denken es mit der Heraufkunft der wissenschaftlichen Erkenntnis verinnerlicht und selbst rational wird. Was man in der Philosophie und der Geschichte ‚Fortschritt des Bewußtseins‘ genannt hat, entspricht diesem Prozeß der Verinnerlichung einer in zwei Formen präexistenten Rationalität: einer dem Universum immanenten, ohne die es dem Denken nicht gelänge, an die Dinge heranzukommen, und ohne die keine Wissenschaft möglich wäre; und, in diesem Universum eingeschlossen, ein objektives Denken, das autonom und rational funktioniert, noch bevor es diese es umgebende Rationalität subjektiviert und sich dienstbar macht, um sie zu domestizieren.“23

Unterscheidbar werden anhand dieses Passus mehrere Ebenen bzw. Formen der Rationalität: Lévi-Strauss postuliert zunächst eine kosmische Rationalität vom Status einer ontologischen Ordnung24; als solche bildet sie – ganz im Sin-

___________ 21 Vgl. dazu an anderer Stelle den Verweis auf Lévy-Bruhl (StAII: 35 f. und 38 / AStII: 36 und 39). 22 Siehe zur diesbezüglichen Forschungsmotivation Daixdt: 90 / Daixfrz: 3 sowie MB: 23 f. / MM: 11, zur diesbezüglichen Initialfrage Eribondt: 205 / Eribonfrz: 197; siehe außerdem WD: 35 f. / PS: 33 sowie – unter einem forschungschronologischen Aspekt – MI / dt: 22 f. / MI / frz: 17 f. 23 MIV / dt: 807 f. / MIV / frz: 614. 24 Siehe Zitat: die erste Form einer ‚präexistenten Rationalität‘; ‚eine dem Universum immanente‘. Vgl. damit auch folgende Stelle in MB: 25 / MM: 13: „[…] im Universum eine bestimmte Ordnung herrscht und das Universum kein Chaos ist.“

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ne Haags25 – die notwendige Voraussetzung für jedwede gesetzesartige Bestimmbarkeit ontischer Ereignisse in der Welt.26 Auf einer zweiten Ebene wäre ein Prinzip ontischer Gesetzmäßigkeiten, eine objektive Rationalität (wie ich sie in Anlehnung an den durch die Bezugsstelle vorgegebenen Sprachgebrauch bezeichnen will), geltend zu machen. Sie umfaßt das prinzipiell mögliche Spektrum von Determinationsformen, darunter auch den strukturalen Determinismus27, der mithin als eben nur eine Variante unter weiteren Determinationstypen28 begriffen werden muß. – Dem ersten Anschein nach bilden die beiden genannten Ebenen die Kernbestandteile der Lévi-Strauss’schen Rationalitäts___________ 25 Daß Haag (1983) seine Argumente in Ausrichtung auf das Paradigma der Naturwissenschaften entwickelt, wird aus kulturwissenschaftlicher Perspektive nicht zum Problem. Denn er vermittelt diese Entscheidung nicht als eine prinzipiell exklusive, was etwa aus einer Formulierung wie „[…] in Natur sowohl wie in menschlicher Sozietät […]“ (ebd.: 163; keine Hervorhebung im Original) hervorgeht. – Allein von daher ist also der vorgenommene Verweis (bzw. auch die nachfolgende Analogisierung; siehe Fußnote 26 b) legitim. 26 a: Siehe Zitat: ‚ohne die es dem Denken nicht gelänge, an die Dinge heranzukommen, und ohne die keine Wissenschaft möglich wäre‘. b: Vgl. dazu auch Haag (1983: 14): „Stünden die Phänomene nicht durch ihre ontologische Beschaffenheit in gesetzmäßigen Zusammenhängen, so besäße menschliches Denken keinen Ansatzpunkt, auch nur eines – vom Stand des tradierten Wissens her – physikalisch zu bestimmen. Eine chaotische Mannigfaltigkeit wesenloser Singularitäten schlösse Gesetzmäßigkeiten und damit auch deren experimentelle Erforschung aus.“ 27 … – im Zitat des Haupttextes das ‚objektive Denken‘ bzw. die die mythischen Erzählungen untergründig regelnde ‚geheime Logik‘; die zweite Form einer ‚präexistenten Rationalität‘ – … 28 Man denke hier beispielsweise an mechanische, probabilistische, dialektische oder chaotische Determinationsformen. In bezug auf letzteren Typus sei – zur Vermeidung von (durch historische Bedeutungsverschiebung bedingten) Mißverständnissen – erläuternd hinzugefügt: In der Chaosforschung (dieser ist letztgenannter Typus zuzuordnen) steht der Begriff des ‚Chaos‘ weder für das Ungeformte und Ungestaltete, Ordnungslosigkeit und Regellosigkeit, noch steht er für Akausalität und Indeterminismus; er bezeichnet dort vielmehr einen methodischen Hilfsbegriff, der die bis dato bekannten Determinationsformen in spezifischen Kontexten als Simplifizierungen ausweisen und den Einstieg in komplexere Wirkungsgefüge (i. e.: solche von nichtlinearer Dynamik) bieten soll [Vgl. hierzu besonders Mittelstraß (Hg.) ([1980] 22005: Artikel ‚Chaos‘ (= Gatzemeier 2005: 39 f.) und

‚Chaostheorie‘ (= Carrier 2005: 40 ff.); auch Michaelis (1991: 368), Mainzer (1994: 450 f. und 464 ff.), Leiber (1996: 447 ff.).] – insofern also eine ontische Größe. [Davon streng zu unterscheiden ist je-

ner Chaosbegriff, von dem sich Lévi-Strauss mit dem Begriff (einer ihrem Status nach ontologisch aufgefaßten) ‚Ordnung‘ (siehe vorige Seite, Text vor Fußnotennummer 24 und Fußnote 24) abgrenzt. Lévi-Strauss bewegt sich damit eher in der Traditionslinie klassisch-antiker Vorstellungen zu diesem Problem und bezeugt so nicht zuletzt auch seine Nähe zur nur in diesem Zusammenhang sinnvollen Etymologie des Chaosbegriffs: Im Altgriechischen ist – mit Gemoll ([1908] [91965] 1991) – der Begriff rückführbar auf das Verbum χαίνειν, dessen Bedeutungsvarianten klaffen / sich öffnen / sich auftun (vgl. dazu wiederum lat.: hiare, hisco – davon dt.: Hiat; ahd.: gīnen = nhd.: gähnen) auf einen Befindlichkeitszustand verweisen, in dem der Mensch die Bedingungen seiner Existenz „schlechthin nicht in seiner Hand glaubte“ (Blumenberg [1979] 31984: 9).]

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konzeption. Mit ihnen wird – in besagtem Auszug – diskret Position bezogen gegen die cartesische Tradition, eine Tradition, für die das als Ausweiskriterium angesehen wird, was hier (auf einer dritten Ebene und wiederum nahegelegt durch vorgegebene Begrifflichkeiten) mit den Termini subjektive Rationalität bzw. Bewußtseinsrationalität belegt werden soll. Näherhin betrachtet, vermittelt sich diese Positionierung bzw. Abgrenzung als differenzierter Vorgang: Insofern Lévi-Strauss den strukturalen Determinismus als durchgängig unterstellt in dem Sinne, daß er nicht nur als ein den ideellen Hervorbringungen eines Menschen resp. einer menschlichen Gruppierung (wie den Mythenerzählungen) zugrundeliegender angenommen, sondern ganz allgemein der belebten wie der unbelebten Natur als charakteristisches Merkmal zugeschrieben wird29, kommt dem, wovon in bezug auf die drittgenannte Rationalitätsform als ‚präexistenter Rationalität‘ und ‚Prozeß der Verinnerlichung‘ die Rede ist, genealogische Bedeutung zu. Damit ist die Interpretation aber nicht erschöpft. Lévi-Strauss benutzt diese Formulierungen auch, um seine Auffassung über den Stellenwert der letztgenannten Rationalitätsform deutlich werden zu lassen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist die demonstrierte Akzentsetzung, namentlich die Tatsache, daß nicht für die dritte, sondern für die strukturale Spezifizierung der zweitgenannten Rationalitätsform (das sogenannte objektive Denken) eine ‚autonome‘ Funktionsweise supponiert wird30; die Tatsache, daß Lévi-Strauss diese Eigenschaft objektiver Rationalität nicht unabhängig von, sondern in bezug auf die drittgenannte Rationalitätsform postuliert. Die hinter dieser Argumentation stehende Intention geht also offensichtlich dahin, der subjektiven bzw. Bewußtseinsrationalität den Status eines authentischen Rationalitätsmodus abzuerkennen.31 ___________ 29 Vgl. dazu BF: 182 / RE: 162: „Weit davon entfernt, in der Struktur ein reines Ergebnis der mentalen Aktivität zu sehen, wird man anerkennen, daß bereits die Sinnesorgane eine strukturale Aktivität entfalten und alles außerhalb unserer selbst Existierende, die Atome, die Moleküle, die Zellen und die Organismen selbst, über analoge Merkmale verfügt.“ Vgl. auch BF: 182 ff. / RE: 162 ff.; außerdem BellourII / dt: 217 / BellourII / frz: 422 sowie Pouillondt: 110 / Pouillonfrz: 15; schließlich MIV / dt: 811 / MIV / frz: 616 sowie ebd. / ebd.: passim (mit Einschränkung auf die Organik). [Im Vorbeigehen nur will ich darauf hinweisen, daß eine nicht uninteressante Variante der Lévi-Strauss-Interpretation darin bestehen kann, es wider die unleugbaren Vorgaben einfach besser zu wissen: Oppitz ([1975] 21993) beispielsweise lebt in dem aufrechten Glauben, sich und andere davon überzeugt zu haben (vgl. ebd.: 51), daß also „Strukturen […] nichts weiter sind als Modelle, als logische Konstrukte, die letztlich nur im Forscherhirn erdacht werden und existieren […].“ (Ebd.; keine Hervorhebungen im Original).] 30 Siehe Zitat (oben, Seite 42). 31 Von der bloßen Konstatierung zu trennen sind die (hier gleichwohl zurückzustellenden) Bedenken: Abgesehen davon, daß eine solche Argumentation dem ‚objektiven Denken‘ aufgrund der ihm zugedachten Fähigkeit zur Dienstbarmachung und Domestizierung (siehe Zitat, Seite 42) den ursprünglich an die Metaphysik gerichteten Vorwurf, Beherrschungswissen zu sein (vgl. Frank 1983: 77 f.), einträgt (und jedenfalls implizite

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Was bei Lévi-Strauss unter dem Stichwort ‚Subjekt‘ bzw. ‚Bewußtsein‘ unter Beschuß gerät, beschränkt sich indessen nicht nur auf eine Kritik der Beschäftigung mit Fragen, welche die entsprechende Rationalitätsform in einer prinzipiellen Hinsicht betreffen und ist daher auch nur zum Teil Ausdruck einer Kritik an philosophischer Forschung.32 Lévi-Strauss’ spezifische Umwertung cartesischer Vorrangverhältnisse hat daneben noch eine zweite Stoßrichtung: Sie ist, indem er der strukturalen Spezifizierung objektiver Rationalität den referentiellen Vorrang einräumt33, immer auch Kritik an einer Konzentration des Interesses auf den Bereich der empirisch-bewußten Phänomene und genau darin aber Ausdruck einer Kritik an kulturwissenschaftlicher Forschung.34 Verundeutlicht wird die Wahrnehmung dieser Differenzierung freilich durch eine bisweilen labyrinthische Argumentation. Lévi-Strauss nämlich spielt – um dies mit Blick speziell auf die beiden nachfolgenden Textauszüge vorwegzunehmen – die genannten Adressaten bzw. Sachverhalte gegeneinander aus; Adressaten bzw. Sachverhalte, die sich tatsächlich (als Alternativen) nicht gegenüberstehen. Konkret gesagt, besteht sein Vorgehen darin, daß er sich (teils explizit, teils implizit) an ‚den‘ oder ‚die Philosophen‘35 wendet, wenn er gegen eine Form der Beschäftigung Position bezieht, mit der – was jeweils aus den zugehörigen Kontexten hervorgeht – allein die einzelwissenschaftliche Entsprechung, heißt: die Kulturwissenschaft gemeint sein kann. Diese Tatsache ist präsent zu halten, wenn es nunmehr darum geht, auf dieses vorgegebene Muster nolens (man mag sich gegen derartige Konfundierung sträuben) volens (die Primärtexte müssen genommen werden, wie sie sind) einzusteigen, um in der Frage nach der Grundeinstellung, mit der die Lévi-Strauss’sche Kritik geübt wird, und auch der Reichweite, die diese besitzt, weiterzukommen.

___________ damit genau, ja gerade auch dem Strukturalismus selbst), läßt ihre präzisionsvermeidende Metaphorik völlig unterbestimmt, wie man es sich denn vorzustellen hätte, daß dieses Denken die ‚es umgebende Rationalität subjektivierte‘ – sich also gewissermaßen seiner Voraussetzung (siehe Haupttext, Seite 42 f.) bemächtigte. 32 Zum Gegenstand solcher Kritik wird etwa Husserls (anhand der ‚phänomenologischen Methode‘ unternommener) Versuch einer Beschreibung und Analyse des Bewußtseins. (Siehe hierfür Spiegeldt: 96.) 33 Ein Sachverhalt, dem nicht zuletzt definitorischer Ausdruck verliehen wird; danach fällt es dem Strukturalisten zu, „jene Ebenen der Wirklichkeit zu erkennen und zu isolieren, die von seinem Standort aus einen strategischen Wert besitzen […].“ (StAI: 307 / AStI: 311). In Übereinstimmung damit formuliert Lévi-Strauss auch in Eramodt: 273 / Eramoit: 124: „Die strukturalistische Arbeit besteht darin, die strukturierbaren Ebenen zu identifizieren und an ihnen zu arbeiten […].“ 34 Siehe dazu vor allem StAI: 32 ff. / AStI: 25 ff. sowie 303 ff. / 308 ff. 35 MIV: Finale, passim.

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

bb) Zur Grundeinstellung und Reichweite der Kritik Was Lévi-Strauss ‚den Philosophen‘ (jenen Vertretern eines Fachs, dessen nennenswerte Anliegen er auf die Subjekt- bzw. Bewußtseinsphilosophie36 reduzieren zu können meint) zur Vorhaltung macht, ist ein mangelhaftes Problem- und Grenzbewußtsein hinsichtlich ihrer eigenen Präferenzen. Konkret prägt sich für ihn dieser Mangel aus in deren Weigerung und Unfähigkeit37, von der von ihnen eingenommenen Perspektive fallweise (das heißt je nach Wirklichkeitsbereich bzw. Forschungsgegenstand) zu abstrahieren und auch andere Perspektiven als legitime Verfahrensordnungen anzuerkennen. In wie massiver Weise er sich dabei persönlich herausgefordert fühlt, mögen die beiden folgenden Ausführungen vor Augen bringen: „Es steht […] dem Philosophen frei, die Stufe einzunehmen, die er für die einzig achtbare hält, und sich dort zu verbarrikadieren, aber er soll sich nicht herausnehmen, alle Welt mit sich dort einzuschließen und demjenigen, der sich anderen Problemen zuwendet [sprich also: ihm, Lévi-Strauss, dem strukturalen Analytiker (= Kulturwissenschaftler); H.M.S.], zu verbieten, das Mikroskop schärfer einzustellen und auf diese Weise einen anderen Gegenstand hinter demjenigen aufscheinen zu lassen, dessen ausschließliche Betrachtung ihn selbst entzückt.“38 „[…] ich verstehe es durchaus, daß man [gemeint sind hier: die Vertreter einer ‚Philosophie des Subjekts, des Bewußtseins usw.‘39; H.M.S.] andere Interessen haben kann als meine. Die Beschreibung, die Analyse können sich auf mehreren Ebenen vollziehen, die ich alle für legitim halte. Was mir an dieser Auseinandersetzung um das ‚Subjekt‘ unerträglich erscheint, ist die Intoleranz der Gläubigen im Banne einer philosophischen Tradition, die auf Descartes zurückgeht. Alles beginnt mit dem Subjekt, es gibt nur das Subjekt usw. Ich [in meiner Rolle als strukturaler Analytiker (= Kulturwissenschaftler); H.M.S.] habe die Dinge aus einem anderen Blickwinkel erfassen wollen und akzeptiere nicht, daß man mir das Recht darauf bestreitet.“40

Wie den zitierten Stellungnahmen zu entnehmen ist, dienen sie Lévi-Strauss jedoch nicht ausschließlich zur Darstellung der eigenen Betroffenheitslage: Der ___________ 36 Wenn hier – auch im Fortgang noch – dieser in seiner Grobrasterung vorgegebene Sprachgebrauch übernommen wird, so geschieht dies stets in gedanklicher Apostrophierung. (Vgl. anläßlich der damit berührten Problematik geistesgeschichtlicher Kategorisierung auch Kondylis 1981: 25: „Auf Fiktionen und Abstraktionen sind wir angewiesen, und die radikale Auflehnung gegen sie bedeutet letzten Endes, daß man sich mit der Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnisvermögens nicht zufriedengeben kann. Mit Recht, würde ich meinen, doch führt das nicht weiter. Immerhin erfüllen die unvermeidlichen Fiktionen ihre hermeneutische Aufgabe viel besser, wenn man nicht vergißt, daß sie eben Fiktionen sind. Das muß im Interesse einer wissenschaftlichen Betrachtung um so nachdrücklicher betont werden, als aus der Periodisierungsnotwendigkeit sehr oft eine Hypostasierung einer Epoche wird, die ideologischen Zwecken dient.“) 37 Siehe dazu etwa MIV / dt: 749 / MIV / frz: 572. 38 Ebd.: 748 / Ebd.: 571. 39 So Didier Eribon in Eribondt: 238 / Eribonfrz: 227. 40 Eribondt: 238 / Eribonfrz: 227.

II. Lévi-Strauss im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie

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‚den Philosophen‘ für den Bereich kulturwissenschaftlichen Forschens abgeforderten Toleranz hat er seinerseits durch ein Bekenntnis zu einer Form des Pluralismus entsprochen, die nicht nur die Vielfalt kulturwissenschaftlicher Forschungsmethoden zu ratifizieren, sondern die auch der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Forschung eine Existenzberechtigung zumindest zu konzedieren scheint. Den Aspekt des kulturwissenschaftlichen Pluralismus betreffend wäre außerdem nachzutragen, daß Lévi-Strauss sich dessen Dokumentierung auch noch anderweitig und in zum Teil sehr ausführlicher Weise angelegen sein läßt.41 Eine Synopse dieser bisherigen Aussagen insinuiert so weit eher eine (wenngleich nicht intendierte) Nähe zu Husserls Konzeption einer Regionalontologie, als daß sie auf eine Bestätigung bzw. Erhärtung des verschiedentlich erhobenen Reduktionismus-Vorwurfs hinwirkte.42 Unter den soweit gegebenen Voraussetzungen erscheint daher die Formulierung einer ersten Annahme nicht nur konsequent, sondern zudem gerechtfertigt: Angenommen werden kann, daß die Forschungen von Lévi-Strauss in methodologischer Hinsicht generell auf einem reziproken Orientierungsschema – (passives) Toleranzrecht, (aktive) Toleranzpflicht – basieren. Geht man nach diesem (unter dem Vorbehalt des ersten Eindrucks43 zustandegekommenen) Urteil jedoch dazu über, Lévi-Strauss an den von ihm erhobenen Ansprüchen zu messen, indem seine durch die bisherigen Äußerungen beanspruchte Forschungsauffassung einer Reihe weiterer Fakten gegenübergestellt wird, so beginnt sich ein verändertes Bild abzuzeichnen. Denn der auf ___________ 41 Man lese dazu nur die in Eribondt: 150 / Eribonfrz: 143 f. abgegebene Erklärung: „Meine persönliche Geschichte und meine wissenschaftlichen Wahlentscheidungen haben darauf hingewirkt, daß ich mich mehr für sie [gemeint sind die der strukturalen Analyse zugänglichen Ebenen der empirischen Realität; H.M.S.] als für das übrige interessiere. Ich leugne deshalb freilich nicht die Existenz anderer Aspekte und das legitime Interesse, das andere daran nehmen mögen. Ich für mein Teil habe mich entschieden, mich auf Bereiche – sogar sehr kleine Bereiche – zu konzentrieren, in deren Rahmen es möglich ist, ein wenig sachliche Strenge walten zu lassen, obschon ich weiß, daß das privilegierte Fälle sind. Ich weiß überdies, daß diese Verfahrensweise, die ich praktiziere, die Totalität der Phänomene nicht erschöpft, ebensowenig wie ein logisch-mathematisches Modell, das beispielsweise zur Erklärung einer meteorologischen Konstellation entwikkelt worden ist, etwas über die von einem Sonnenuntergang ausgelöste ästhetische Empfindung aussagt. Wenn man diese Empfindung beschreiben und analysieren will, dann muß man sich ihr unter einem anderen Blickwinkel nähern und sich andere Weisen des Verständnisses erschließen.“ 42 Vgl. dazu etwa Duerr ([1978] 1984: 477): „[…] als ob die Wahrheit immer in der Tiefe liegen müsse.“ 43 Ansprüche sollten, wenn sie als solche in Erscheinung treten, gewürdigt statt unterschlagen werden. Solange nur gelten kann, daß das ‚Recht eines Individuums auf Selbstdarstellung‘ (Galtung 1994: 125; hier ohne Kursivierung) auch in der Wissenschaft ein unveräußerliches ist, haftet dieser Vorgehensweise bis auf weiteres keineswegs Anrüchiges an; die kontrastierende Probe aufs Exempel markiert schließlich den zweiten Verfahrensbestandteil.

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diese Weise erreichbare Informationsstand macht sowohl auf seiten der Kulturwissenschaft (1) als auch auf seiten der Philosophie (2) unverkennbar, daß das jeweilige Aussagengesamt durchzogen ist von einem Mißverhältnis zwischen prätendierter Forschungspraxis und realer Entsprechung. Ad (1): Wer sich aus kulturwissenschaftlicher Warte auf Lévi-Strauss’ methodologischen Konfessionalismus einstimmen läßt, mag zwar zunächst noch dessen volle Bestätigung finden, wenn etwa behauptet wird: „[…] was man nicht machen sollte, ist, sich einzubilden, es gebe eine bestimmte Ebene der Beobachtung, die auf Kosten aller anderen Beobachtungsebenen absoluten Vorrang genießt. […]. Das Problem ist […] zu erkennen, welche Beobachtungsebene zu einem gegebenen Zeitpunkt die fruchtbarste ist.“44

Aber diese Einstimmung kann nur krasser Ernüchterung weichen, insofern einen die buchstäblich unmittelbare (!) Fortsetzung des Gedankengangs zur Kenntnisnahme eines Standpunkts der etwas anderen Art veranlaßt: „Man hat sich jahrhunderte- und jahrtausendelang [sic!] ausführlich mit dem Subjekt beschäftigt, und im Hinblick auf die Kenntnis vom Menschen ist nicht sehr viel dabei herausgekommen. Deshalb sage ich nun, daß man auf anderen Ebenen [soll (bzw. darf hier) heißen: nicht länger auf der Ebene der empirisch-bewußten Phänomene; H.M.S.] beobachten muß45 und daß diejenigen, die das tun [sprich: u. a. die strukturalen Analytiker; H.M.S.], völlig im Recht sind […].“46

Zu einem wahren „Bubenstück“ macht Lévi-Strauss die Angelegenheit zusätzlich noch dadurch, daß er ausgerechnet auf diesen (kaum vollzogenen) Akt der Devaluierung eine wiederum äußerst „großzügige“ Verlautbarung folgen läßt: „Ich klage niemanden an, der sich weiterhin mit dem Subjekt beschäftigt.47 […]. Die Wissenschaft schreitet nur aufgrund der Aneinanderreihung und der Zusammenarbeit einer Vielzahl von Ebenen fort48.“49

Ad (2): Wer glaubt, Lévi-Strauss im Bereich der philosophischen Forschung eine pluralistische Grundeinstellung unterstellen zu können, wird nicht weniger eines Besseren belehrt. Welch handfeste Intentionen auch in diesem Falle hinter seiner Argumentation stehen und daß mit ihr keineswegs nur eine bestimmte, ___________ 44

Eramodt: 262 f. / Eramoit: 121. Von Lévi-Strauss’ Kritik offensichtlich ausgenommen sind jene von der strukturalen Gesetzmäßigkeit abgrenzbaren anderen Determinationsformen (siehe oben, Seite 43, Fußnote 28). 46 Eramodt: 263 / Eramoit: 121; keine Hervorhebungen im Original. 47 Vergleichbar ders. auch in Spiegeldt: 94: „[…] ich [habe] nie irgend jemand das Recht bestritten […], den Menschen auf der von ihm gewählten Ebene zu studieren.“ 48 Ähnlich ders. in Spiegeldt: 94: „Wir wissen […], daß die Wissenschaft nur existiert, weil man begriffen hat, daß eine Reihe von Phänomenen nicht bloß von einer einzigen Ebene aus zu beobachten ist.“ 49 Eramodt: 263 / Eramoit: 121; keine Hervorhebungen im Original. 45

II. Lévi-Strauss im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie

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übersteigerte Form der Beschäftigung mit dem Subjekt der Kritik unterworfen wird, offenbart sich im Eröffnungspassus des Finales der Mythologica: „Im Laufe dieser Seiten wurde das wir, das der Autor nicht aufgeben wollte, nicht nur ‚aus Bescheidenheit‘ verwendet. Es drückte auch das tiefere Bemühen aus, das Subjekt auf das zurückzuführen, was es in einem solchen Unternehmen zu sein versuchen sollte, insofern es dies nicht immer und überall ist[!]: der unsubstantielle Ort, der einem anonymen Denken dargeboten wird, damit es [das anonyme Denken; H. M.S.]50 sich darin entfalte, seine Distanzen gegenüber sich selbst nehme, seine wahren Anlagen finde und verwirkliche und sich im Hinblick auf die nur seiner Natur innewohnenden Zwänge organisiere.“51

Gerade der sich Durchbruch verschaffende generalisierende Ton der Formulierung ist die letztlich entscheidende Versicherung dafür, daß es nicht richtig sein kann, wenn Frank unter konzilianter Bezugnahme auf dieselbe Textstelle meint, Lévi-Strauss ein gemessenes Vorgehen unterstellen zu müssen: die „Ent___________ 50

Unzweideutig in der französischen Originalfassung. MIV / dt: 732 / MIV / frz: 559; nur erste Hervorhebung im Original, Ausrufungszeichen H.M.S. Gleitend erfolgt von dort aus der Übergang zur analogen Bestimmung des ‚Ich‘ [Bezeichnend ist, daß Lévi-Strauss generell und (offensichtlich) je nach Lust und Laune zwischen den Be51

griffen ‚Subjekt‘, ‚Ich‘ und ‚persönlicher Identität‘ (siehe dazu etwa MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614) hin- und herwechselt.], des „Hauptanliegen[s] der gesamten westlichen Philosophie“ (ebd.: 732 / ebd.:

559): „Ort eines Raums, Augenblick einer Zeit, die in bezug auf einander relativ sind und in denen Ereignisse stattgefunden haben, stattfinden und stattfinden werden, deren Dichte, auch sie relativ in bezug auf andere, nicht weniger reale, jedoch verstreutere Ereignisse, es ermöglicht, sie annähernd zu umreißen, insofern dieser Knoten verflossener, gegenwärtiger oder wahrscheinlicher Ereignisse nicht als Substrat existiert, sondern nur darin, daß sich dort Dinge abspielen, auch wenn diese Dinge selbst, die sich da kreuzen, aus zahllosen anderen Orten und meist von irgendwo auftauchen …“ (ebd. / ebd.). (Vgl. dazu auch BF: 355 / RE: 327 sowie MIV / dt: 738 / MIV / frz: 563). – Daß diese, durch LéviStrauss vorgenommene Bestimmung des ‚Ich‘ der Lektüre mancher früheren seiner Formulierungen zu mehr Verstehenstiefe verhilft, kann beispielhaft an einer Stelle aus ‚Das wilde Denken‘ (WD: 286 f. / PS: 329) demonstriert werden: „Wer sich in den angeblichen Evidenzen des Ich einzunisten beginnt, kommt nicht mehr davon los. Menschenkenntnis scheint zuweilen denen leichter zu fallen, die sich in der Falle der persönlichen Identität fangen lassen. Aber damit verschließen sie sich das Tor zur Erkenntnis des Menschen […].“ Ergänzt werden dürfen die oben angeführten Definitionen noch um folgende, auf derselben Linie liegende (sinngemäß also dem Subjekt / dem Ich / der persönlichen Identität zugedachte) Metapher: „Jeder von uns ist eine Art Straßenkreuzung, auf der sich Verschiedenes ereignet. Die Straßenkreuzung selbst ist völlig passiv; etwas ereignet sich darauf. Etwas anderes, genauso Gültiges, ereignet sich anderswo. Es gibt keine Wahl, es ist einfach eine Sache des Zufalls.“ (MB: 15 / MM: 4; keine Hervorhebung im Original). [Der Umstand einer potentiellen Unterscheidbarkeit zwischen einem rein funktionalen und einem empirischen Ich bleibt – nebenbei bemerkt – bei all diesen Bestimmungen völlig unberücksichtigt. In der Tat scheint bei Lévi-Strauss nur von letzterem die Rede zu sein, während dann (siehe unten, Seite 61 ff.) doch wiederum gerade die Kantsche Philosophie – bzw. implizit die ‚Kritik der reinen Vernunft‘‚ in der das ‚Ich‘ als die „logische Einheit des Subjects“ (KrV, 1781: A 356 / IV, 224; keine Hervorhebung im Original) fungiert – zum ausdrücklichen Objekt seiner Bezugnahmen gemacht wird.]

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fernung des Subjekts aus einem Ort, an dem es keine Rolle spielt […]“52. Verfehlt scheint mir seine Interpretation auch dort, wo sie in Lévi-Strauss’ Argumentationsstrategie eine ‚Wiedergutmachung‘ für die ‚Abdankung‘ des Bewußtseins aufgehoben sieht.53 Denn während Frank das Problemverhältnis von objektiver und subjektiver Rationalität über die Hegelsche Figur eines dialektischen Dreischritts zu vermitteln unternimmt,54 stellt Lévi-Strauss doch gerade und in aller Unmißverständlichkeit klar: „Nichts liegt da ferner als Hegel […].“55 All denen, die wie Frank in die Argumentation jene „charakteristische Bewegung“56 hineinzulesen sich bemüßigt fühlen,57 ist deshalb mit Lévi-Strauss zu entgegnen: „Es kann […] nicht darum gehen, das Subjekt in diesem neuen Gewand heimlich wieder einzubringen. Wir werden keine Nachsicht üben mit jener Heuchelei, die die rechte Hand durch die linke ersetzen möchte, um unter dem Tisch der schlechtesten Philosophie wieder zurückzuerstatten, was man ihr oberhalb entzogen zu haben behauptet […].“58

Demnach zu urteilen, scheint Lévi-Strauss’ unausgesprochene Maxime weit eher zu lauten: Rationalität kommt ohne Subjekt aus; dessen Tilgung hinterläßt keine Leerstelle; subjektive bzw. Bewußtseinsrationalität bezeichnet eine funktionslose Größe. Nur dementsprechend auch kann sich seine Interpretation dieser Rationalitätsform im Tonfall auf die einer philosophiegeschichtlichen Fehlleistung reduzieren.

b) Kommentar Die Prüfung der Sachlage gelangt damit (entgegen aller von Lévi-Strauss vorgeschützten Mißverständnisse sowie seiner stets vorgezogenen Verteidi___________ 52

Frank (1983: 72; keine Hervorhebung im Original). Als einwandfrei könnte diese Auslegung allein für den Fall bezeichnet werden, daß Lévi-Strauss sich (unter Aussparung des von mir kursiv hervorgehobenen Nebensatzes; siehe Zitat, Seite 49) auf folgende Formulierung beschränkt hätte: „Im Laufe dieser Seiten wurde das wir, das der Autor nicht aufgeben wollte, nicht nur ‚aus Bescheidenheit‘ verwendet. Es drückte auch das tiefere Bemühen aus, das Subjekt auf das zurückzuführen, was es in einem solchen Unternehmen [i. e.: und nirgendwo sonst; H.M.S.] zu sein versuchen sollte: der unsubstantielle Ort, der einem anonymen Denken dargeboten wird, [etc.].“ (MIV / dt: 732 / MIV / frz: 559; zweite und dritte Hervorhebung nicht im Original.) 53 Vgl. Frank (1983: 72). 54 Vgl. ebd.: 72 f. 55 BF: 184 / RE: 165. Vgl. außerdem ebd.: 163 / ebd.: 146. 56 Frank (1983: 72). 57 Siehe zum Problem diesbezüglicher Versuchung auch nochmals oben, Seite 44 f., Fußnote 31. 58 MIV / dt: 737 / MIV / frz: 563.

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gungshaltung) an einen Punkt, an dem sich der zuletzt und eigentlich nominelle Charakter seiner Konzessionen erweist und an dem diejenigen Wendungen, die ursprünglich seine methodologische Integrität verbürgen sollten, nur noch wie blanker Hohn klingen. Lévi-Strauss’ Bekenntnis zum Methodenpluralismus hätte es – um daran invertierend anzuknüpfen – allein unter der Bedingung verdient, als ein glaubhaftes und aufrichtiges zu gelten, daß ihm nicht eine Kritik parallelgeschaltet worden wäre, die (nur allzu sichtbarlich) nicht davon abstinieren konnte oder wollte, die prinzipiell legitime Entscheidung anderer für eine bestimmte kulturwissenschaftliche bzw. philosophische Alternative doch immer wieder mit dem Signum der generellen und gewissermaßen von vorneherein bestehenden Fragwürdigkeit zu versehen. Dieses gemessen an seiner positiven Selbstpräsentation erwartungsdiskrepante (End-)Ergebnis darf in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Denn beim Betrachter erzeugt es kognitive Dissonanz59, was – zumindest von einem aufgeklärten Standpunkt aus – die Kenntnisnahme zweier weiterer Fakten unerläßlich macht: In Rechnung zu stellen ist zum einen ein Wissen darum, daß kognitive Dissonanz beim Betroffenen eine Motivation induziert, die entstandene Dissonanz zu reduzieren;60 und in Rechnung zu stellen ist zum anderen ein Wissen darum, daß diese Zwecksetzung eine Verzerrung des ‚kognitiven Systems‘ erfordert, also nicht ohne einen Preis zu haben ist, der prinzipiell entweder in der Form einer Addition neuer, konsonanter Kognitionen, oder aber in der Form einer Subtraktion (dem Ignorieren / Vergessen / Verdrängen) bzw. einer Substitution dissonanter Kognitionen, also: „mißliebiger“ Befunde, entrichtet wird.61 Das insgesamt Maßgebliche dabei ist, daß letztere (also die Wahrnehmungsverzerrung) in der jeweiligen Konsequenz zu unvermeidlichen Beurteilungsfehlern führt.62 Es leuchtet ein, daß diese Option einer Bewältigung des erbrachten Ergebnisses unmöglich im Interesse der Forschung liegen kann. Kann ihr aber unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht stattgegeben werden – so naheliegend sie letztlich sein mag (entspricht sie einem doch zutiefst menschlichen Bedürfnis) –, dann bleibt nur eine Alternative: Dann geht es darum, die bestehende kognitive Dissonanz auszuhalten. Die Schwierigkeit (und in eins die Aufgabe) der Rezeption hierbei liegt für den konkret vorliegenden Fall in dem der Erwartung zuwiderlaufenden Eingeständnis bzw. der Erkenntnis, daß Lé-

___________ 59 60 61 62

Vgl. dazu Festinger (1957 / 1978). Vgl. dazu Frey / Gaska (1993: 277). Vgl. ebd. Vom Resultat her wie gehabt; vgl. dazu nochmals die Überlegungen Franks.

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vi-Strauss auf die (rein vordergründig nur)63 ‚den Philosophen‘ vorgehaltene „wahre epistemologische Perversion“64 seinerseits mit einer Überreaktion antwortet. Ihm also ist es – dies genau gilt es einzusehen und anzuerkennen – um eine auf ihre Weise nicht minder unmäßige Kritik jener (die „wahren“ Sachverhalte verkennenden) „Umkehrung der Perspektive“65 zu tun.66 Wenn es sich der wissenschaftliche Betrachter unter Kenntnis der genannten negativen Konsequenzen auch versagen muß, die für ihn entstandene kognitive Dissonanz zu reduzieren, so dürfen jedoch sehr wohl die Gründe, die LéviStrauss zu seinem Verhalten bewogen haben, interessieren – würden sie doch dazu beitragen, die mittlerweile nicht mehr von der Hand zu weisenden Momente der Radikalität, aber auch der Brüchigkeit, welche seiner Argumentation anhaften, mit einer eigenen Logik zu versehen. Den in diesem Zusammenhang sicherlich brauchbarsten Ansatz liefert Kondylis mit der im Rahmen seiner Aufklärungsstudie entwickelten und veranschaulichten These vom polemischen Charakter des Denkens. Kondylis schreibt: „Meines Erachtens zeigt das Studium der Quellen, daß die geistesgeschichtliche Interpretation der verschiedenen Positionen und Gegenpositionen von der Annahme her, Denken sei in seinem Wesen polemisch, am weitesten führen kann. Denn aus dieser Sicht läßt sich nicht nur die Konsequenz, sondern auch die Widersprüchlichkeit eines bestimmten Denkens […] erklären67 […]. Die beste Art, eine bestimmte Philo-

___________ 63 Das verfügbare Material erforderte eine Aufdopplung der Adresse in einen philosophischen und in einen kulturwissenschaftlichen Bereich. Der für diese These anzutretende Beweisgang wurde abgeschlossen. 64 MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614. 65 Ebd. / Ebd. 66 Wie soll man es (hier: aus philosophischer Perspektive) sonst verstehen – vor allem vor dem Hintergrund seiner dezidierten Zurückweisung Hegels (siehe oben, Seite 50, die Zitation vor Fußnotennummer 55) –, wenn Lévi-Strauss, Bezug nehmend auf den Erkenntnisakt des strukturalen Analytikers, befindet: „[…] diese Bewußtwerdung […] unterscheidet sich nicht substantiell von den Realitäten, denen sie gilt, sie ist diese Realitäten selbst, die zu ihrer eigenen Wahrheit gelangen.“ (MIV / dt: 737 / MIV / frz: 563; Kursivschreibung im Original)? Auch darf – in füglicher Entgegnung auf die Simplizität und Barschheit des vorexerzierten Musters: ‚die Philosophen‘ werden der (pervertierenden) ‚Umkehrung der Perspektive‘ bezichtigt, da sie „einem Subjekt ohne Rationalität den Vorzug vor einer Rationalität ohne Subjekt [geben]“ (MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614; keine Hervorhebungen im Original) – angenommen werden, daß für Lévi-Strauss die valide Perspektive dann eben dort in Kraft ist, wo einer ‚Rationalität ohne Subjekt‘ das entschiedene Vorzugsrecht eingeräumt wird. (Vgl. gerade hierzu auch nochmals meine Argumentation auf Seite 44.) 67 Wörtlich meint Kondylis: ‚restlos erklären‘. – Eine Prägung, mit der er in Anbetracht der universellen Gültigkeit, die er für seine These reklamiert, eine Spur zu weit geht. Übersieht er damit doch neben der prinzipiellen Denkbarkeit einer „pathologischen“ Verursachung von Widersprüchen (sei es in der „schizophrenen“, sei es in der „amnestischen“ Form) vor allem auch den demgegenüber wohl wahrscheinlicheren Fall: die Verursachung von Widersprüchen durch die Inkompetenz der Unberufenen. Unter diesem Aspekt habe ich mich daher entschlossen, bei der Wiedergabe seiner ursprüngli-

II. Lévi-Strauss im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie

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sophie [resp. ihr einzelwissenschaftliches Pendant; H.M.S.] geistesgeschichtlich zu begreifen, ist demnach die, ihren Gegner klar ins Auge zu fassen und zu erwägen, was sie beweisen muß bzw. will, um diesen Gegner außer Gefecht zu setzen.“68

Ungeachtet einer selbstauferlegten Disziplin einerseits sowie dieser dank Kondylis verfügbaren Orientierungshilfe andererseits aber bleibt die gewichtigste Schwierigkeit, welche aus Lévi-Strauss’ Verhalten resultiert, doch noch bestehen. Es ist die Tatsache, daß Lévi-Strauss mit seinem Verhalten Probleme verdeckt, die in der Sache gründen. Daher ist es, will man sich nicht mit diesem intrikaten Zustand einrichten, nun vor allem auch an der Zeit, eine Reihe diese betreffender Klarstellungen vorzunehmen. Der Kondylis’sche Ansatz stellt eben dadurch eine Orientierungshilfe zum besseren Verständnis der Lévi-Strauss’schen Argumentation (einschließlich ihres wissenschaftshistorischen Kontextes) dar, daß er sich zu dieser wie die Ätiologie zur Symptomatik verhält.69 Jedoch liegen umgekehrt in diesem Verhältnis auch die Grenzen der Erklärungskraft des herangezogenen Ansatzes beschlossen. Denn so sehr er einerseits über die Symptomatik hinausweist, indem er auf dem Wege des Konditionalnexus deren Implikationen transparent zu machen versteht, so sehr bleibt er dieser andererseits wiederum auch verhaftet, da er den Stellenwert dieser Implikationen selbst nicht hinterfragt. Soll heißen: Indem der Kondylis’sche Ansatz eine primär auf die Ausschaltung des Geg-

___________ chen Version eine Korrektur zugunsten einer weniger prätentiösen (und darin den Gegebenheiten allgemein angemesseneren) Auffassung vorzunehmen. Was demgegenüber direkt Lévi-Strauss betrifft, so ist die hier vertretene Sichtweise gleichwohl die, daß allein es die Ultima ratio darstellen sollte, ihm für das, was auf seiten des Betrachters als Inkonsistenz in Erscheinung tritt, das Bestehen einer „gesunden“ bzw. stimmigen Psychologik abzusprechen; keinesfalls sollte also das Ingeltungstehen entsprechender Residualfaktoren vorschnell supponiert werden. 68 a: Kondylis (1981: 20; keine Hervorhebungen im Original). b: Insgesamt geht es Kondylis – um diesem möglichen Eindruck entgegenzutreten – bei der Formulierung seiner These allerdings nicht darum, sich auf ausschließlich diesen Sachverhalt zu kaprizieren. Das Spezifikum seiner Argumentation ist vielmehr darin zu sehen, daß ausgehend davon versucht wird, Einsichten in das Verhältnis von Einheit und Vielheit zu begründen: „In der Polemik aller gegen alle […] entsteht – je nach dem Ziel der Polemik bzw. dem vorschwebenden Ideal – die Vielfalt der Variationen über ein und dasselbe Thema, d. h. über die Grundfrage, um die sich die Polemik dreht. Die logische Struktur der Grundfrage bildet die konstante und zugleich unumgängliche Größe, die Grundhaltungen und die Polemiken sind die variablen und auswechselbaren Faktoren […].“ (Kondylis 1981: 20; keine Hervorhebungen im Original). – Genau damit aber läßt er seine Argumentation auch für den Eingangskontext der vorliegenden Arbeit (sozusagen rückwirkend) fruchtbar werden. 69 Auch erst wirklich im nachhinein, nämlich auf der Grundlage dieses durchschauten Zusammenhangs, ließe sich dann – naseweis – dreingeben: Daß die von Lévi-Strauss an den Tag gelegte Strategie Züge des Rabiaten trägt, müßte gar nicht umständlich abgeleitet und aufgewiesen werden; kommt er doch allen, die es hören wollen, mit dem freimütigen Eingeständnis, sich als intellektueller Raufbold betätigt zu haben, vielmehr ganz von selbst entgegen: „Man mußte sich ins Handgemenge werfen, um ihr [i. e.: der ‚traditionellen Philosophie‘ (Eribondt: 238 / Eribonfrz: 227) bzw. der entsprechenden einzelwissenschaftlichen Verfahrensweise (ebd. / ebd.); H.M.S.] einen Platz an der Sonne streitig zu machen.“ (Ebd. / Ebd.)

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ners gerichtete Kampfhaltung nur in Rechnung stellt, anstatt sie wertend anzutasten, erklärt er wohl, wie es dazu kommt, daß diese Haltung in ihrer reifizierten Form – als jeweils reziproker Einsatz des Mittels intellektueller Gewalt – die Verschärfung von Konflikten vorprogrammiert70, wobei die entsprechende Eskalation immer zu Lasten der eigentlichen Sachfragen geht71; aber er erklärt nicht, was sich ändern müßte, damit man zu eben letzteren (als den Traktanden) vorstieße. Erst in dem Moment, wo dieser Zustand als inakzeptabel empfunden wird, ändert sich der Problemzuschnitt. Mit anderen Worten: Erst das Interesse an einer konstruktiven Auflösung solcher Konflikte stellt die jeweils beteiligten Parteien in eine Situation, in der sie sich in anderer Form zu bewähren haben. Das Punctum saliens in dieser Situation bildet dann die Verwandlung eines die verfeindeten Positionen in gemeinsamen Fragen vereinzelnden (und darin kontraproduktiven) in einen sie auf der Ebene dieser Fragen verbindenden Kampfes.72 Erst und überhaupt dort jedenfalls, wo die Progression zu einem solchen Austragungsmodus gelingt, kommt das innovatorische Potential des

___________ 70 Zur zeitgeschichtlichen Vergegenwärtigung des zwischen den tangierten philosophischen Positionen bestehenden und lange bis zur Feindschaft gesteigerten Konflikts siehe vor allem Frank (1983: 12-15). 71 Am besten untermauert wird diese Behauptung – was entsprechend wieder nur die philosophischen Positionen betrifft – durch den folgenden Auszug aus den angegebenen Schilderungen Franks (1983: 12): „Das Schlimme war und ist, daß zwischen diesen Positionen so gut wie kein Gespräch existiert – es sei denn, man erweise den oberflächlichen und engherzigen Polemiken beider Seiten […] die Ehre einer solchen Bezeichnung. Mein Eindruck war und ist, daß weder die Hermeneutik die Tiefe des strukturalistischen Arguments gegen die Zentralität des Subjekts ermessen noch der Strukturalismus / Neostrukturalismus bis an die Wurzeln einer tragfähigen Theorie des Subjekts gefragt hat.“ 72 Was wiederum nicht zu verwechseln wäre mit dem irenischen πόλεμος-Verständnis der Existenzphilosophie (siehe zu Jaspers’ Kennzeichnung des ‚liebenden Kampfes‘ ders. ([1932] 41973: 65 ff.). [Erläuterung: Die präskribierte wissenschaftliche Streitform ist in ihrer Beschränkung auf Sachfragen eine ergebnisorientierte und darum bestrebt, die Kommunizierbarkeit ihrer Resultate (primär) innerhalb des eigenen Milieus bzw. Forums, der ‚Scientific Community‘, zu sichern. Die Existenzphilosophie verfolgt demgegenüber eine andere Intention. Zwar hebt sie diese Resultate nicht auf – versteht sie sich doch als „das alle Sachkunde nutzende […] Denken“ (Jaspers [1931] [51932] (9)1999: 149) –, lebt aber zugleich dem Anspruch, sie in einer spezifischen Weise zu überschreiten, das heißt, diese Ergebnisse auf dem Wege der Existenzerhellung erst zur ‚gehaltvollen Wirklichkeit‘ (ebd.: 148) zu bringen. Mit diesem Anspruch bringt sie sich jedoch zwangsläufig in einen Zustand der Schwebe, und dies in einer zweifachen Hinsicht: zum einen insofern, als Existenz, anstatt sich erkennen zu können, nur den diesbezüglichen Prozeß des Klarwerdens einzuleiten vermag (vgl. ebd.: 151; nicht von ungefähr auch spricht Jaspers vom „Kampf des Einzelnen um Existenz“ [1932] 41973: 65; keine Hervorhebung im Original); zum anderen insofern, als es in der Natur dieses Kampfes liegt, ein „Kampf um die eigene und andere Existenz in einem“ (ebd.) zu sein, und zwar in dem ausschließlichen Sinne, daß er sozusagen nur von Einsamkeit zu Einsamkeit möglich und also „wesensmäßig nicht auf einen Kreis von Menschen übertragbar ist“ (Bollnow [1942] 91984: 56). (Man berücksichtige hier die genaue Formulierung: „[I]ch bin nur in Kommunikation mit dem Anderen […].“ Jaspers [1932] 41973: 50; keine Hervorhebung im Original; zitiert auch in Bollnow [1942] 91984: 56.)]

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Polemischen, wie man es ihm offiziell seit Heraklit zuschreibt,73 zu seiner vollen Entfaltung.

Kein Grund zur Beanstandung besteht (erstens) dahingehend, daß LéviStrauss den (von ihm in kritischer Absicht gebrauchten) Subjektbegriff für zwei verschiedene Formen der Autorschaft reserviert: ‚Subjekt‘ ist bei ihm sowohl der die strukturale Analyse praktizierende Kulturwissenschaftler als auch der indianische Mythenerzähler.74 Einwände gibt es (in einer zweiten Hinsicht) auch nicht dagegen vorzubringen, daß Lévi-Strauss sein Forschungsinteresse den Zwängen objektiver Rationalität (bzw. ihrer strukturalen Spezifizierung) widmet75, denen letztlich beide – der Kulturwissenschaftler wie der Mythenerzähler – gleichermaßen unterliegen;76 in diesem Falle erstreckt sich die Akzeptanz auch auf die Implikation: Kulturwissenschaftler und Mythenerzähler fungieren nurmehr als ‚Orte‘, an denen sie als Subjekt (diesmal in der Tat)77 keine Rolle spielen. Schließlich ist (in einer dritten Hinsicht) die Entscheidung, dieser (und keiner anderen) Perspektive den Primat einzuräumen78 und damit das Subjekt aus einem Ort zu entfernen, an dem es keine Rolle spielt, grundsätzlich nicht unverträglich mit der Aufrechterhaltung eines kulturwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses.79 Es muß einem daher auch nicht suspekt erscheinen, wenn Lévi-Strauss versichert, man habe „nie etwas anderes gewollt, als ein Werk der Erkenntnis zu leisten, d. h. Bewußtsein zu erlangen“80. – Nur verhält

___________ 73

Vgl. Heraklit ([Mansfeld] Hauptgedanken: 50); zudem Heraklit ([Diels / Kranz] Fragmente: 22 B 53 [44]). 74 Wenngleich die Orientierung dadurch erschwert wird – um dies nur anzumerken –, daß Lévi-Strauss es nicht allein vorzieht, sich in bezug auf diese Spezifikation (ohne eine angemessene Form der Erklärung) einfach „davonzuschreiben“; auch „produziert“ er zwischen beiden Rollen unmerkliche (wiewohl nicht unerhebliche!) Übergänge. (Gestützt sehe ich diese Einschätzung durch Yalman 1967 / 1973: 127: „Uns wird nicht gesagt, wo die Gedanken und Erklärungen der Eingeborenen enden und jene des Autors beginnen.“) Der auf dieses flottierende Gebahren unvorbereitete Leser schafft es da nur mit Mühe und zur Not, die Dinge in der ihnen zukommenden Severität wahrzunehmen und sich davor zu bewahren, unterschiedliche Parameter ineinanderzublenden. – Wer den „Spaß“ nicht scheut, kann sich davon im Finale des letzten Mythologica-Bandes auf den Seiten 732-738 (MIV / dt) bzw. 559-563 (MIV / frz) hinlänglich überzeugen. 75 Seinen eigenen Angaben zufolge besteht das Ziel der strukturalen Mythenanalyse nicht darin „aufzuzeigen, wie die Menschen denken“ (MI / dt: 25 / MI / frz: 20), „sondern wie sich die Mythen in den Menschen ohne deren Wissen denken“ (ebd.: 26 / ebd.). 76 Man denke hier (nur zum Beispiel) an die zerebrale Codierung von Sinneseindrücken; siehe dazu BF: 179 ff. / 160 ff. 77 Vgl. oben, Seite 49 f., Text vor Fußnotenummer 52 und Fußnote 52. 78 … also die ‚Tatsache der Struktur‘ als ‚vorrangig‘ zu erachten (siehe MIV / dt: 734 / MIV / frz: 561) … 79 In diesem Punkt pflichte ich Frank (1983: 72) ohne Umschweife bei. 80 MIV / dt: 737 / MIV / frz: 562; nur zweite Hervorhebung im Original.

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es sich so: Damit hat er das systematische81 Erkenntnisstreben des Kulturwissenschaftlers, das heißt ein Erkenntnissubjekt vor Augen. Und hier liegt auch der Kern des Problems in Lévi-Strauss’ Argumentation; denn es wird von ihm unterlassen, daraus die gebührenden Konsequenzen zu ziehen. Zwar ist es zu respektieren, wenn er schreibt: „Der [Kulturwissenschaftler (hier für im Original: Ethnologe; H.M.S.)] fühlt sich nicht wie der Philosoph genötigt, die Tätigkeitsbedingungen seines eigenen Denkens zum Prinzip der Reflexion zu erheben […].“82

Umgekehrt aber sollte mit derselben Aufmerksamkeit zur Kenntnis gebracht werden, daß Lévi-Strauss eben durch die Beteuerung eines kulturwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses nichtsdestoweniger (um nicht zu sagen: nachgerade) philosophische Problemgehalte tangiert bzw. aktualisiert. Diesen Sachverhalt zumindest anzuerkennen, muß von ihm legitimerweise gefordert werden.83 Genau in dieser Hinsicht aber kann die oben abgeschlossene Auswertung nur enttäuschen: Denn was Lévi-Strauss mit seinen Zuspitzungen übersieht (oder übersehen will), ist, daß er um der prinzipiellen Möglichkeit einer kulturwissenschaftlichen Erkenntnis willen84 ein Subjekt im Sinne einer Reflexionsinstanz voraussetzen muß.85 Daher will ich auch keinesfalls behaupten, daß Frank ___________ 81 Anderes gilt freilich für die Position des Mythenerzählers: „Auch wenn wir nicht ausschließen wollen, daß die redenden Subjekte, die die Mythen hervorbringen und weitertragen, sich ihrer Struktur und Wirkungsweise bewußt zu werden vermögen, so kann dies doch nicht auf normale Weise geschehen, sondern höchstens auf partielle und sporadische.“ (MI / dt: 25 / MI / frz: 19; keine Hervorhebung im Original.) 82 MI / dt: 24 / MI / frz: 18 f.; keine Hervorhebung im Original. – Eine Äußerung übrigens (oder welche sonst!?), die Koepping (1987: 30) zu der phantastischen und völlig ihres Kontextes entfremdeten Schlußfolgerung verleitet, Lévi-Strauss habe die Reflexion beim Forscher abgelehnt. 83 Die Forderung ist eine sehr bescheidene. Erwartet wird damit noch keine ausdrückliche Antwort auf die Frage, wo genau das Subjekt zurücktritt, wo genau es wieder eingebracht wird und jeweils: in welcher Funktion dies geschieht – obwohl dies nicht zu viel verlangt wäre, wenn man bedenkt, daß Lévi-Strauss vorschützt, verstanden zu haben, „inwiefern das Zurücktreten des Subjekts eine Notwendigkeit sozusagen methodologischer Ordnung darstellt […]“ (MIV / dt: 735 / MIV / frz: 561; keine Hervorhebung im Original). 84 Die Frage, welches methodische Verfahren er als Kulturwissenschaftler zum persönlichen Favoriten erklärt (die strukturale Analyse ist nur eine Option unter weiteren), ist unter diesem Aspekt eine zweitrangige. 85 a: In der kulturwissenschaftlichen Forschung – dies soll damit gesagt sein – steht eine Diskussion um das ‚Subjekt‘ also schlechthin nicht zur Debatte. Sie setzt es vielmehr als wesentliche Bedingung ihrer Möglichkeit immer schon voraus. b: Diese Voraussetzung ist von der Art eines zunächst nur nominalskalierten Anspruchs – etwa in dem Sinne, wie ihn B. Waldenfels (1987 b: 79) erkennen läßt, wenn er fordert, daß die Stelle des ‚Subjekts‘ nicht ersatzlos zu streichen sei. Mit anderen Worten: Die Wahl des „Härtegrades“ einer Subjektkonzeption bezeichnet eine erst in der Folge zu erörternde Streitfrage. Auch besteht die Notwendigkeit der genannten Voraussetzung unabhängig von der Tatsache, daß das ‚Ich‘ keinen Erfahrungsgegenstand dar-

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den entscheidenden Punkt, auf den Lévi-Strauss’ Argumentation zusteuert, verkannt hätte – im Gegenteil; in bezug auf Frank besteht das Problem allein darin (und nur in diesem Sinne sind seine oben referierten Ausführungen abzulehnen), daß er die von ihm herangezogenen Lévi-Strauss’schen Passagen im Lichte einer Solidität und Stringenz darstellt, die faktisch nicht vorhanden ist.86 Solange dabei weder dogmatisch noch kontrafaktisch verfahren wird, darf es in der Wissenschaft als legitim gelten, sich auf die Suche nach Befunden, die zu den eigenen Wunschvorstellungen87 passen, zu begeben; nicht toleriert werden aber kann der Fall, in dem solche Befunde regelrecht produziert werden – wobei es post eventum, also im Effekt, eine nur noch untergeordnete Rolle spielt, ob der Manipulation nun die harte Intention oder aber ein bloß dummes Versehen vorausgelegen hat. Ein Beispiel zur Illustration nämlich präskriptiver Einflußnahme jedenfalls liefert wiederum Frank, indem er in der hintergründigen Absicht, Lévi-Strauss’ Argumentation zu dem zu verhelfen, was sie (für ihn, Frank) darstellen sollte, den Bewußtseinsbegriff „hineinübersetzt“, wo er nicht steht: Frank zitiert „la conscience du moi“88, Lévi-Strauss dagegen schreibt „la consistance du moi“89. Bei genauer Betrachtung der Zitation bemerkt man eine weitere, zunächst nur scheinbar rein technische Unstimmigkeit; sie rührt daher, daß Frank auf besagte Stelle mit den Kürzeln ‚IV.2, 559‘90 verweist. Während die römische Ziffer (IV) sowie die Seitenangabe (559) die (tatsächliche) Fokussierung des französischen Originaltextes korrekt indizieren, dient die arabische Ziffer (2) zur Kennzeichnung des zweiten Teilbandes – einer Eigentümlichkeit (wohlgemerkt) ausschließlich der deutschen Ausgabe.91 Womit

___________ stellt (vgl. Duerr 1974: 46; im Hinblick auf Lévi-Strauss sodann MB: 15 / MM: 3: „Ich habe nie ein Gefühl meiner persönlichen Identität gehabt, habe es auch jetzt nicht.“; außerdem Eribondt: 244 f. / Eribonfrz: 233 f.). [Vgl. zu einer grundlegenden Verteidigung des Subjekts (in der seinen Schattierungen des Ego, der ‚reinen Apperzeption‘, des Selbst, des Individuums, der Person bzw. dessen Identität etc. angemessenen Differenziertheit) Frank, jedoch ders. (1986).] c: Das Postulat einer ontisch durchgängigen Gültigkeit objektiver Rationalität (bzw. ihrer strukturalen Spezifizierung; siehe oben, Seite 43) kann – aus diesem Grunde und: anders als Lévi-Strauss glaubt (vgl. dazu BF: 184 f. / RE: 165) – niemals Argument für die Überwindung eines philosophischen Dualismus sein. Lediglich verhilft es einer bestimmten wissenschaftlichen Verfahrensart zu der ihr zustehenden Reichweite; nicht weniger (die strukturale Analyse fördert konsequent jene Dimensionen der Wirklichkeit zutage, in denen die Signaturen subjektiver Rationalität nicht in Geltung stehen), aber auch nicht mehr (die erzielten Resultate dokumentieren die verfahrensmäßige Unverzichtbarkeit subjektiver Rationalität). – Insgesamt wird die Dualismusproblematik damit geradezu bekräftigt. 86 a: Frank (1983) hat diese Diskrepanz sozusagen implizite abgearbeitet – ohne sie selbst gesehen und auch ohne sie seinen Lesern vermittelt zu haben. b: Vgl. mag man im Anschluß an diese Kommentierungen noch Keck (2004 a). 87 … (von denen kein Mensch frei ist) … 88 Frank (1983: 73; keine Hervorhebung im Original). 89 MIV / frz: 559; keine Hervorhebung im Original. 90 Frank (1983: 73). 91 ‚L’Homme nu‘ demgegenüber ist in Form nur eines Bandes auf dem Markt erschienen.

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also hat Frank gearbeitet? – Wer dahinter das unleidliche und im Grunde belanglose Rückfragen eines Kritikasters wähnt, sollte nicht vergessen, daß Frank in der Einführung seines ‚Neostrukturalismus‘-Buches92 kaum ein gutes Haar an den verfügbaren deutschen Übersetzungen läßt93, dem jeweiligen Belassen von Belegstellen in ihrer französischen Fassung unter Verweis auf den „Respekt vor der Sprache des Gesprächspartners“94 seine Rechtfertigung erteilt und auch ansonsten allerlei Pathos um das „wirkliche[.] Gespräch über die Grenzen hinweg“95 verbreitet96. Insgesamt jedenfalls geben diese Einstellungen – in der Zusammenschau mit beschriebener Praxis – Anlaß genug, um in einer bisher vernachlässigten Thematik Position zu beziehen. Wissenschaftliche Zitationsgewohnheiten vermitteln nicht selten den Eindruck, als ließen sich mögliche Übersetzungsprobleme dadurch vermeiden, daß eben kurzerhand auf die Übersetzung verzichtet wird97. Auch vermitteln sie bisweilen den Eindruck, als könne durch die Verwendung von Originalfassungen die Authentizität des Bezugstextes erhalten werden. In der Tat aber ist mit der Befürwortung von Originalzitationen das (beiden Fällen zugrundeliegende) Problem der Übersetzung nicht umgangen. Der Grund hierfür liegt darin, daß in dem Augenblick, in dem die Sprache der Argumentation nicht die Sprache der Textquelle ist, auf die man sich bezieht, zwangsläufig98 übersetzt wird. Die Übersetzung als solche steht also in einer zwei-(oder mehr-)sprachigen Ausgangssituation nicht zur Debatte,99 und daher stellt die Unumgänglichkeit des Übersetzungsvorgangs auch nur vor eine relevante Frage: Vollzieht ihn der Autor explizit (in für den Leser nachvollziehbarer Weise) oder implizit (womit er ihm Rekonstruktionen aufbürdet100)? Im Bereich der Geistes- bzw. der Kulturwissenschaften, in denen der Bezugsrahmen nutzbringenden Arbeitens ohnehin immer strittig ist101, plädiere ich persönlich für die offene Version (man hat sich zu erklären). Denn bei der Beurteilung deutsch(sprachig-)er, beispielsweise zu Lévi-Strauss publizierender Autoren interessiert doch

___________ 92

‚Was ist Neostrukturalismus?‘ ist die Veröffentlichung einer teils in deutscher (so in Düsseldorf), teils außerdem in französischer Sprache (so in Genf) gehaltenen Vorlesung. Siehe Frank (1983: 8). 93 Vgl. ebd.: 8 f. 94 Ebd.: 8. 95 Ebd. 96 Vgl. dazu insbesondere ebd.: 8 f. sowie 18 f. 97 … – eine Entscheidung, der außerhalb der ‚Scientific Community‘ mit der nötigen Gelassenheit begegnet werden mag. (Vgl. dazu Barley 1986 / [1990] 21998: 29.) 98 Der Fall eines wirklich auch auf hohem Sprachniveau selbstverständlichen, unmittelbaren Verständnisses – der Fall also von wirklich hinreichender (und nicht geschmeichelter) Bilingualität – konstituiert eher eine Ausnahmeerscheinung (man sei doch ehrlich: auch unter Eliten!) und sollte daher nicht zum allgemeinen, zuletzt vor allem für den Leser verbindlichen Maßstab erhoben werden. 99 Würde eine Übersetzung für unmöglich erklärt, so bedeutete dies, daß an eine Rezeption schlechterdings nicht zu denken wäre. 100 Darin spiegelt sich nur die hermeneutische Grundeinsicht in die Fiktionalität der „richtigen“ Übersetzung. – In Übersetzungen fließen automatisch und untrennbar interpretative Gehalte ein. Wer folglich übersetzt, bewegt sich unter der Gegebenheit des Spielraums und erzwingt durch seine Festlegung (die jeweilige Interpretation) den Ausschluß anderer Möglichkeiten. 101 … – ein Problem, das in den Naturwissenschaften nicht in vergleichbarem Maße auftritt (vgl. dazu BellourII / dt: 170 sowie 193 / BellourII / frz: 364 f. bzw. 392) – …

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gerade die Art und Weise, in der ihr Zugriff erfolgt, der spezifische Charakter ihrer jeweiligen Lesart. Das Informationsbedürfnis besteht – mit anderen Worten – darin zu erfahren: Wie hat ein konkreter Autor (und keiner sonst) den Originaltext rezipiert (= verstanden)? Worin genau besteht im Falle (eben) dieses Autors die Nutzbarmachung von Übersetzungsspielräumen? Welcher Übersetzung letztlich schließt sich dieser Autor (eben dieser) an? Entscheidend dabei ist zu sehen, daß diese Fragen sich nicht erst auf ein Stadium beziehen, in dem sich die argumentative Integration des Originaltextes voll im Gange befindet, sondern auf die unmittelbare Übersetzung selbst. Das heißt: Die bestmögliche Transparenz wäre dort erreicht, wo der Leser bereits im Zuge des eigentlichen Übersetzungsvorgangs die Chance erhielte, mögliche Weichenstellungen für die dann fortgesetzte Interpretation (wenn man so will: jene „zweiter Stufe“; den Haupttext also) zu erkennen. Daher auch vermag mich Frank nicht zu überzeugen, wenn er meint, seinen Entschluß zur Originalzitation „mit dem Blick auf die oft abenteuerlichen Mängel der käuflichen Übersetzungen“102 begründen zu müssen. Denn wenn es sich so verhält, daß die Übersetzung zu leisten bleibt103 und außerdem die Forderung nach Durchsichtigkeit nicht ohne weiteres zu einer abseitigen Bedürfnisartikulation abgestempelt werden kann,104 dann sollte nachweisliche Fehlerhaftigkeit in autorisierten Versionen zu nichts anderem als eben deren Verbesserung auffordern105. Auch will mir nicht recht einleuchten, inwiefern die bloße Originalzitation bereits einer Respektsbekundung – Franks diesbezügliche zweite Begründungsstütze106 – gleichkommen soll. Denn auch hier wiederum gilt: Wenn die Übersetzung (und damit: die Interpretation) als solche unumgänglich ist, dann zeigt sich die Wertschätzung für den ursprünglichen Text doch erst im (schwerlich non-invasiven) Umgang, in dem also, was mit der Originalfassung gemacht wird bzw. was aus ihr gemacht wurde. Ganz abgesehen davon, daß für mich die Rede vom ‚Respekt vor der Sprache des Gesprächspartners‘ weit eher einen lebensweltlichen bzw. alltagspraktischen Aufforderungscharakter besitzt107, liegen auch die Grenzen ihrer Konsequenz (um nicht zu sagen: liegt auch ihr tendenziöses Gepräge) allzu deutlich auf der Hand: Es würde doch keinem Philosophen (der nicht gleichzeitig Slawist wäre) auch nur im Traum einfallen, die erkenntnistheoretischen Beiträge Ludwik Flecks auf polnisch zu zitieren; auch käme kein Soziologe oder Politologe (selbst wenn

___________ 102

Frank (1983: 8). Vgl. erneut vorige Seite, den Text vor Fußnotennummer 99 und Fußnote 99. 104 Es gehört zum „Geschäft der Aufklärung“, dem Leser „an jeder Stelle“ des Gedankengangs die Möglichkeit zu belassen, „keine unverstandene Zustimmung zu geben“ (Schwemmer 1971: 7; jeweils keine Hervorhebungen im Original). 105 …, statt dazu, sich pauschal und überheblich (oder pikiert?) von diesen abzuwenden. 106 Vgl. erneut vorige Seite, den Text vor Fußnotennummer 94. 107 a: In dieser Hinsicht bekundet sich Respekt weniger in brillanter Übersetzungstechnik (deren Erwerb im übrigen ohne eine entsprechende Sozialisation im Land der jeweiligen Fremdsprache vonstatten gehen kann; vgl. in diesem Zusammenhang besonders Duerr [1978] 1984: 543). b: Unter solchem Aspekt könnte besagte Rede auch zum Anlaß werden, um sich einmal außerhalb der Gelehrtenwelt (vgl. Frank 1983: 18 f.) auf den wechselseitig zugemessenen kommunikativen Verbindlichkeitswert (im Hinblick sowohl auf Spracherwerb wie Kulturverständnis) zu besinnen. Wie – zum Beispiel nur – ist es darum in der Bundesrepublik mit Blick auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken bestellt? 103

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er gleichzeitig Orientalist wäre108) auf die Idee, seiner Leserschaft die Muqaddima Ibn Khalduns im Originalwortlaut zuzumuten.109 Einfach weil also das Engagement für Fremdsprachenzitationen an den Peripherien oder gar außerhalb des indogermanischen Sprachraums schnell verhalten wird, kann man sich im Falle Franks des Verdachts kaum erwehren, daß neben der für den Entschluß zur Originalzitation vordringlich gemachten „Sachhaltigkeit“ noch ein anderer Grund den Ausschlag gibt: eine Portion Bequemlichkeit oder affektierten Gehabes. Die Frage des Respekts stellt sich schließlich noch in einem komplementären, von Frank schlichtweg eskamotierten Zusammenhang: Auch die Arbeit der Philologen ist grundsätzlich als Leistung anzuerkennen. Grammatikalisch richtige und stilistisch gute Übersetzungen sollten daher in jedem Falle gewürdigt, sprich: verwendet110, (analog) falsche111 bzw. schlechte Übersetzungen dagegen einer (sei es erklärten, sei es stillschweigenden) Korrektur unterzogen werden. Endlich darf die Frage des Respekts – zumal unter der Frank so angelegenen Bedingung der Wechselseitigkeit – auch dem zugemutet werden, der seinen Text zum Gegenstand der Rezeption gemacht sieht – im Falle Franks also dem jeweiligen französischen Philosophen. Sonst endet man in Höflichkeitsritualen: Man zitiert sich gegenseitig in der Originalfassung und nötigt damit dem jeweiligen ‚Gesprächspartner‘ gerade nicht den gebührenden Respekt ab, verlangt von ihm also gerade nicht die vorbehaltlose Einstellung auf den doppelten112 Fakt der Rezeption. Dieser Feststellung tut auch, nebenbei bemerkt, der Umstand, daß Frank „die französischen Philosophen“113 als die „eigentlichen Adressaten“114 seiner Vorlesungen benennt, keinerlei Abbruch. Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei abschließend noch hervorgehoben, daß das Plädoyer, Zitation und Argumentation in einer Sprache zu halten115, mitnichten bedeutet, auf den Originaltext zu verzichten. Hinzugesagt werden sollte allerdings auch, welche zwei Dinge im Hinblick darauf auseinanderzuhalten sind: Gesorgt werden kann (fa-

___________ 108 … bzw. selbst wenn seine Muttersprache Arabisch wäre (wie etwa im Falle Bassam Tibis) … 109 Vgl. dazu (als entsprechendes Exempel) Tibi ([1987] 21991: 129 bzw. 242). 110 … und nicht in hochfahrender Weise links liegengelassen werden. Dies gilt vor allem für (ohne konstruktive Intention gestartete) eigenständige Übersetzungsversuche. Ein Beispiel dafür liefert W. Welsch ([1995] 32000: 675 f.), der meines Erachtens [Mit der

dort unerheblichen Ausnahme: für das Verbum ‚impliquer‘ ist die Übersetzung ‚einschließen‘ wohl der Übersetzung ‚voraussetzen‘ vorzuziehen.] nicht wirklich Anlaß zu einer eigenen Version hat. – Wes-

halb versteigt er sich dazu? Ist seine Privatfassung doch nachweislich nicht präzise, ungeschliffener und somit – gegenüber dem von Henschen und Vogl Vorgelegten – die eigentlich unbefriedigende. 111 Wie gesagt; siehe vorige Seite, den Text vor Fußnotennummer 105. 112 Vgl. meine auf Seite 59 oben vorgenommene operationale Trennung des Interpretationsvorgangs. 113 Frank (1983: 8). 114 Ebd. 115 In welcher nun auch immer. So wichtig und triftig die Anmahnung alles Interund Transsphärischen ist, sie wird zum Brimborium, sobald sie in der Thematik dafür herhalten muß, daß keine klaren Entscheidungen mehr getroffen werden. Der wirkliche Grund für die Bevorzugung einer Mischform mag auch hier ein anderer sein: Die entsprechende Angleichung fremdsprachlicher Zitate (stets eine Form des Farbebekennens) an die Sprache des Haupttextes (hier zeigt sich doch, welches Publikum ein Autor – a potiori – im Blick hat) birgt natürlich das Problem, daß die Stärkung der Bezugsfähigkeit der Kritik mit einer erhöhten Angreifbarkeit des Autors Hand in Hand geht.

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kultativ) für die provisorische Kenntnisnahme der ursprünglichen (= fremdsprachlichen) Quellen (zu diesem Zweck wäre von seiten des Verfassers die Originaltextstelle resp. der Originaltext – zumindest soweit diese irgend verfügbar sind – anzugeben)116. Etwas anderes (Unerläßliches) jedoch ist demgegenüber die fallweise erforderliche Nachprüfung: Dieser Kontrollschritt vermag niemals mit dem ersten Schritt (der Inanspruchnahme eines Service) zusammenzufallen; er muß vielmehr (obligatorisch) aus Gründen der prinzipiell niemals auszuschließenden Möglichkeit von Falschzitationen117 getrennt vorgenommen und das heißt: an die Rezipienten delegiert werden. Mit anderen Worten: Der Leser hat sich darüber im klaren zu sein, daß er von der fallweisen Pflicht zur gesonderten Nachprüfung nicht einfach dadurch enthoben ist, daß der jeweilige Originalpassus zusätzlich in die betreffende Arbeit (ob nun in deren Fußnotenapparat, deren Endnotenapparat oder einen analogen Anhang) aufgenommen wird; letzteres stünde (wenn, dann) im Dienste einer ersten Orientierung (käme mithin einem Bedürfnis nach Annehmlichkeit entgegen), keinesfalls ermöglichte es eine letzte Versicherung. Die letztgültige Bezugsschablone ist und bleibt daher in jedem Falle der Originaltext selbst. – Mag man den daraus resultierenden, unbestreitbaren Aufwand auch beklagen; wer dem wissenschaftlichen Standard der Präzision genügen will, hat den hiermit gewiesenen Weg wohl oder übel zu beschreiten.

3. Das Humanum als Gegenstand Lévi-Strauss’scher Forschung a) Grundlegung. Die Beschaffenheit des menschlichen Erkenntnisvermögens und der Status des Humanums Wie sehr Lévi-Strauss bei aller von ihm geübten Kritik auf die subjektive Rationalität bzw. Bewußtseinsrationalität118 bezogen bleibt, zeigt sich auch an den im Kontext seines kulturwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses angestellten (schlußendlich also doch nicht ausbleibenden) Überlegungen zur Beschaffenheit des entsprechenden Vermögens.119 Im Gespräch mit Didier Eribon etwa äußert er sich folgendermaßen: ___________ 116 Persönlich habe ich diese Dienstleistung – in Anbetracht meines Themas, aber auch, um den für mich entstehenden Aufwand in Grenzen zu halten – nur bezüglich der Lévi-Strauss’schen Publikationen konsequent erbracht. Wie man in diesem Zusammenhang bemerkt haben wird, zitiere ich in einer bestimmten, feststehenden Folge (ins Deutsche übersetzte Textstelle, Schrägstrich, französische oder anderssprachige Originaltextstelle). Der jeweilige Wortlaut der zitierten Originaltextstelle (sowie weiterer Originaltextstellen) findet sich überdies im Anhang der vorliegenden Arbeit (siehe Seite 478 ff.). 117 Vgl. – zum besten Beweis – nochmals oben, Seite 57, den Text vor Fußnotennummer 88 bzw. 89. 118 … – jene dritte der innerhalb seiner Konzeption unterscheidbaren Rationalitätsformen; vgl. zur nochmaligen Vergegenwärtigung der Differenzierung Seite 42 ff. 119 Diese Ankündigung mutet freilich paradox genug an für den, der eben noch glaubte, sich darauf verlassen zu können, daß Lévi-Strauss „sich nicht wie der Philosoph genötigt [fühlt], die Tätigkeitsbedingungen seines eigenen Denkens zum Prinzip der Re-

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung „[…] es [hat] für mich den Anschein, daß jedes gelöste Problem oder jedes, das wir für gelöst erachten, wiederum neue hervorbringt und so fort bis ins Unendliche, so daß wir von Tag zu Tag tiefer mit der Gewißheit vertraut werden, daß unsere Denkfähigkeit dem Realen unangemessen ist und bleiben wird, daß dessen tiefere Natur sich jedem Zugriff der Vorstellung entzieht.“120

Diese Einschätzung der anthropologischen Grundsituation erfolgt in streiflichtartiger Anlehnung an Kant.121 Das Interessante und zugleich Entscheidende in dem Zusammenhang ist nun aber dies, daß neben besagter Anlehnung noch eine weitere existiert. Lévi-Strauss’ Anlehnung an Kant – so viel soll damit gesagt sein – erschöpft sich nicht in der vorstehenden (zunächst den Eindruck purer Beiläufigkeit vermittelnden) Bezugnahme auf die These von den Grenzen menschlicher Erkenntnis122. Auf die gezielte Frage jedenfalls, welche Prinzipien er von Kant übernommen habe,123 entgegnet Lévi-Strauss an anderer Stelle: ___________ flexion zu erheben […]“ (MI / dt: 24 / MI / frz: 18 f.). [Siehe für die erste Wiedergabe des Zitats oben, Seite 56.] 120 Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224. Siehe hier etwa auch Arndt / Raddatzdt: 5 f. 121 Vgl.: „Es war Kant, der uns das als erster gelehrt hat.“ (Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224). – Bereits im Finale von ‚Der nackte Mensch‘ äußert sich Lévi-Strauss in vergleichbarem Sinne; er spricht dort von „eine[r] dunkle[n] Ahnung, daß der Schnitt zwischen der Welt und dem Geist, die Kausalität und die Finalität nicht der Realität der Dinge entsprechen, sondern einer Grenze, zu der eine Erkenntnis tendiert, deren intellektuelle und geistige Mittel der Größe und dem Wesen ihrer Gegenstände niemals kommensurabel sein werden“ (MIV / dt: 809 / MIV / frz: 615). 122 Lévi-Strauss’ Variation des parmenideischen Themas (Denken und Sein im Verhältnis) findet sich im oben erwähnten Gesprächsabschnitt korreliert mit einem anderen Themenfeld: Die Grenzen des Erkenntnisvermögens werden dort dechiffriert als Offenbarung menschlicher Bedeutungslosigkeit. (Vgl.: „[…] wenn die naturwissenschaftliche Erkenntnis uns Einsichten in das unendlich Große und das unendlich Kleine eröffnet, die noch schwindelerregender sind, als Pascal vermutete, dann zeigt sie uns unsere Bedeutungslosigkeit.“ Eribondt: 235 f. / Eribonfrz: 224.) [Vgl. diese Bewertung auch mit dem Tenor anderen Passagen, beispielsweise in TT: 411 / TrTr: 478 oder MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621. – Der Vorwurf, den man gegen diese Konklusion erheben mag, ist der, daß die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit [Ihre Diagnose trifft Lévi-Strauss im übrigen ohne Empörung; siehe BellourII / dt: 218 / BellourII / frz: 423: „[…] – darf ich sagen: zum Glück? – […]“.] weder als endgültig empfunden werden, noch in jedem Falle dazu anhalten müssen, sich diesen auch zu beugen; wird die eigentliche Aufgabe der Menschheit doch immer wieder auch darin gesehen, der Herrschaft davon ausgehender Gewalt in der Absicht ihrer Überwindung zu trotzen. (Angesichts dessen sollte allerdings nicht von vorneherein als ausgemacht gelten, daß die metaphysische Unbescheidenheit und Ungeduld eines erkenntnistheoretischen Optimismus immer schon und ausschließlich als integrierender Bestandteil naturwissenschaftlich-technischer Weltbilder in Erscheinung tritt.)] In logischer Hinsicht wird dieser argumentationsfaktische Sprung zu einer veränderten Metrik zum Ausgangspunkt einer „quasi ‚ökologische[n]‘ Ethik“ (Hunyadi 1990: 149; keine Hervorhebung im Original). (Entsprechende Anhaltspunkte bieten vor allem StAII: Kapitel II, 307 f. und 360 / AStII: Chapitre II, 322 und 374 f.; Quénétainfrz: 53; MIII / dt: 546 / MIII / frz: 422; BF: 36 f., 49 f. und Kapitel zweiundzwanzig / RE: 34 f., 45 f. und Chapitre XXII; Spiegeldt: 94; Benoistdt: 245 ff. / Benoistfrz: 14; Eramodt: 261 f. / Eramoit: 120 f.; Eribondt: 237 und 253 f. / Eribonfrz: 225 f. und 241.) Die damit ange-

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„Daß der Geist Zwängen124 unterliegt, daß er sie einem für immer unzugänglichen Realen auferlegt und daß er es nur vermittels ihrer erfaßt.“125

Wenngleich also der Begriff vermieden wird, so macht das zweite Zitat doch klar, daß mit einer derart exponierten Erkenntnisbasis nichts anderes intendiert sein kann als das für Kant unabdingbare Konstruktionselement der Aprioris. Jedoch muß genau dieser weitere Rekurs aus dem Grund als unglücklich bezeichnet werden, weil Lévi-Strauss damit insgesamt eben jene Konstellation reproduziert, welche bereits die Kantsche Architektur widerspruchsvoll werden ließ. Die Begründung hierfür gilt es nun im einzelnen zu erbringen. Zunächst der (Rück-)Blick auf Kant: Die Möglichkeit einer Erkenntnis des Ansichseins empirischer Dinge verneinend, schränkte dieser die menschliche Erkenntnisfähigkeit zunächst auf den Bereich möglicher Erfahrung, das heißt auf den Bereich des Phänomenalen, jene „Sphäre also, in der die physikalischen Wissenschaften ihre Eingriffe vornehmen“126, ein. Menschliche Erkenntnis auf diesen Bereich zu beschränken aber heißt, die Formulierung von Gesetzesaussagen an das der experimentellen Erfahrung Leistbare – die Eruierung von Werten der Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit127 – zu koppeln. Experimentelles Vorgehen, das seiner Struktur nach an „isolierende Eingriffe in Naturprozesse“128 gebunden bleibt, kann auf dem Wege deren quantifizierender Auswertung also bestenfalls zur Postulierung von „immer allgemeineren ___________ schnittene Problematik des naturalistischen Fehlschlusses sieht man bei Hunyadi bereits voll erkannt (siehe ders. 1990: 152); vgl. – unabhängig von Lévi-Strauss – zu diesem Thema auch Birnbacher (1980: 107 f.) sowie Schäfer (1987: 22 f. und 25). Philosophiehistorisch gesehen, bringt sich Lévi-Strauss mit diesem Schritt in unzweifelhafte Nähe zu Spinoza, verweist nicht weniger aber auch zurück auf die Stoa; diesbezügliche Verweise stehen gleichwohl aus. Auch erinnert die angesichts der kosmischen Stellung postulierte Bedeutungslosigkeit des Menschen unweigerlich an Nietzsche: „[E]s gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es giebt für jenen Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten.“ (Nachgelassene Schriften / 1870-1873: 875). Die eigentliche Diskrepanz zwischen beiden Denkern verdankt sich erst einer diametral entgegengesetzten Konzeption der ‚Realität des Seins‘ (MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621), durch die sich die ‚Realität des Nichtseins‘ (ebd. / ebd.) in einer gewissen Schwebe gehalten sieht. (Siehe dazu wiederum MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621 bzw. Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224.) 123 Es ist nachfolgend der über die bisherige Anlehnung hinausgehende Gehalt der Aussage, welcher Aufmerksamkeit beansprucht. 124 Gemeint sind hier jene des strukturalen Determinismus. 125 Eribondt: 159 / Eribonfrz: 152; keine Hervorhebung im Original. 126 Haag (1983: 58). 127 Siehe ebd.: 75. 128 Ebd.: 60.

Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

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[Komparativ!] Naturgesetzen“129 gelangen. Wissenschaftlicher Erfahrung bleibt folglich nicht mehr zu entscheiden übrig als die Frage, in welchem Umfang den entsprechenden Gesetzen allgemeine Geltung zuerkannt werden kann.130 Demgegenüber und ungeachtet des unter diesen Voraussetzungen unaufhebbaren relativen Status131 solchen Erkennens inaugurierte Kant mit dem Apriorischen ein Prinzip des ‚Nicht-anders-sein-könnens‘132, postulierte er also „Notwendigkeit in der Verknüpfung einer Ursache mit einer Wirkung und damit strenge Allgemeinheit des Gesetzes“133. Mit anderen Worten: „Indem Kant [der erkannten] Gesetzlichkeit [dann wiederum doch] uneingeschränkte Gültigkeit zusprach, erhob er das relative Wissen über die Natur in den Rang absoluten Wissens. Das zu seiner Zeit herrschende Kategoriensystem der physikalischen Wissenschaften setzte er absolut.“134 Damit aber galt ihm die Gesetzmäßigkeit empirischer Sachverhalte „für mehr, als durch das Medium ihrer Erkenntnis sich ausmachen ließ“135. Kants (gemessen an seinen eigenen Voraussetzungen illegitim zu nennende) Überschreitung der Grenzen menschlichen Wissens also bestand – um hieraus das Fazit zu bilden – darin, „die Gesetzmäßigkeit des Verhaltens materieller Dinge über gemachte Erfahrung hinaus als eine a priori gewisse zu deklarieren“136. Im Hinblick auf Lévi-Strauss ist die Quintessenz nur eine entsprechende: Das Beispiel Kants zeigt hier auf, weshalb der von Lévi-Strauss implizit erhobene Anspruch überhaupt nicht eingelöst werden kann.137 Denn ebensowenig wie der Physik auf ihrem Wege der Induktion der Übergang in Metaphysik gelingt138, verläßt auch die Kulturwissenschaft in ihrem Erkenntnisgang die Erscheinungswelt. Für die Auflösung des anthropologischen Spannungsverhältnisses bedeutet dies, daß es sich dabei – ungeachtet der gewählten Prämissen – um ein relationales (der Phänomensphäre verhaftetes) Unternehmen handelt und daß sich von daher die Postulierung absoluter Universalien verbietet. Diese Limitiertheit teilt die strukturale Anthropologie mit all den mit ihr konkurrie___________ 129

Haag (1983: 143; Hervorhebung und Einschub nicht im Original). Siehe ebd.: 74. 131 Siehe ebd. 132 Vgl. ebd.: 75. 133 Ebd.; keine Hervorhebungen im Original. 134 Ebd.: 77; Einschübe und Hervorhebungen nicht im Original. 135 Ebd.: 79. 136 Ebd.; keine Hervorhebungen im Original. 137 Strukturanalog zur obigen Diskussion (vgl. Seite 42 ff. bzw. 50 ff.). 138 Vgl. hierzu erneut Haag (1983: 58): „Gesucht und erkannt“ wird jeweils „ein funktionaler Zusammenhang – nicht ein metaphysischer Seinsgrund. Was die Phänomene in metaphysischer Betrachtung an sich selber sind, worin etwa die Gravitation ihr Wesen hätte, ist auf dem Wege experimenteller Naturerkenntnis prinzipiell nicht auszumachen.“ 130

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renden Ansätzen des Fachs. Wer es darum ernst meint mit der These von der Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens, sollte – vor allem im Wissen um die Fehler Kants und das heißt: selbst für Kasūs minimierter Irrtumswahrscheinlichkeit139 – die ermittelten interkulturellen Invarianten auch je nur unter dem Gesichtspunkt der Endlichkeit qualifizieren. Das ‚freigelegte‘ „Netz von fundamentalen und gemeinsamen Zwängen“140 konstituiert unter den geltenden Umständen jedenfalls nicht, wie Lévi-Strauss glaubt, es – Ricœur goutierend – deuten zu müssen, ein ‚kategoriales System‘141 im Kantschen142 Sinne. Schlechte Taschenspielerei ist es daher, wenn Lévi-Strauss in der Universalienfrage nichtsdestoweniger qualitative Unterschiede zu etablieren sucht: Lévi-Strauss bildet sich ein, die strukturale Anthropologie über eine (dem Sinn nach nichts anderes als) deduktive Verfahrensformel (‚Die Verallgemeinerung begründet den Vergleich‘) auszeichnen und den Rest der nach dem vermeintlich umgekehrten Schema eines induktiven Prinzips operierenden Forschung (‚Der Vergleich begründet die Verallgemeinerung‘) deklassieren zu können.143 Jaeggi bringt die Haltlosigkeit dieses Konstrukts ironischerweise gerade (und haarscharf) dadurch zum Ausdruck, daß er Lévi-Strauss in seinem Dünkel erläuternd beispringt – indem er nämlich zeigt, was auch in der strukturalen Analyse nicht umgangen werden kann: Die jeweiligen Strukturen / Invarianten / Universalien / „Aprioris“ bedürfen der Ermittlung;144 und auch Lévi-Strauss selbst kann ja nicht umhin, die Frage aufzuwerfen, wie an das Allgemeine ‚heranzukommen‘ sei.145 Nicht nur aber ist genau damit auch für die strukturale Anthropologie der Charakter eines induktiven, empirisch-quantifizierenden Verfahrens zugestanden;146 entzogen wird hiermit auch die

___________ 139 Vgl. dazu das für Kant zentral gewordene Fallbeispiel: jene (heute sich relativiert darstellende) „imponierende Erkenntnis der Gravitation als der ‚unsichtbaren den Weltbau verbindenden Kraft‘“ (Haag 1983: 75). 140 MI / dt: 24 / MI / frz: 19. 141 Ebd.: 25 / Ebd.: 19, jeweils Fußnote (= Ricœur 1969 b / 1973 b: 44 bzw. 1963: 10). 142 Denkbar wäre in bezug auf Kant (vgl. dazu Ricœur et al.dt: 117 / Ricœur et al.frz: 633 sowie MI / dt: 25 / MI / frz: 19, jeweils Fußnote) – wobei die Klärung dieser Urheberfrage für die präsente Diskussion als unerheblich betrachtet werden kann –, daß es Ricœurs philosophiehistorische Assoziation war, der sich Lévi-Strauss allererst anschloß und die er dann in der Folge für sich bindend werden ließ. 143 a: Siehe dazu StAI: 35 / AStI: 28; außerdem MII / dt: 514 / MII / frz: 401 und Eribondt: 187 / Eribonfrz: 179. Vgl. dazu ferner seine Argumentation in StAI: 311 f. und 326 f. / AStI: 315 ff. und 331 f. sowie in ET: 117 f. / TA: 129 f. b: Man denke in diesem Zusammenhang nur an das Beispiel des von ihm so lächerlich gemachten Murdock: Wenn Lévi-Strauss die Namensnennung auch vermeidet, so geht aus seiner Kritik (vgl. BF: 67 / RE: 61) doch unzweideutig hervor, daß er sich auf keinen anderen als diesen – Murdock (1945: 124) – bezieht. 144 Vgl. Jaeggi (1970): „Aus den ermittelten Strukturen, die Generalisierungen darstellen, ergeben sich vergleichende Betrachtungen.“ (Ebd.: 59; keine Hervorhebung im Original.) 145 Vgl. StAI: 35 / AStI: 28. 146 Ein Protokoll immerhin, das zu paraphieren Lévi-Strauss an anderem Ort – die tragikomödiantische „Selbsttorpedierung“ faßt man kaum – keinerlei Kopfschmerzen zu

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

Grundlage für eine wertende Unterscheidung zweier Verfahrensformeln. In Wirklichkeit bezeichnen diese nichts anderes als die beiden für alle Forschungsansätze gleichermaßen Gültigkeit beanspruchenden Aspekte. Hinsichtlich des einen Aspekts wäre zu sagen: Auch die strukturalen Verallgemeinerungen sind als Ergebnis einer induktiven Beweisführung relative, was bedeutet, daß auch ihnen – wie allen übrigen Forschungsansätzen – (logisch notwendig) vergleichende Betrachtungen vorausliegen. In diesem Sinne entkommt also auch die strukturale Anthropologie als Methode nicht der beklagten ‚induktiven Illusion‘147; auch für sie gilt: der Vergleich begründet die Verallgemeinerung. Weitergeführt heißt dies – darüber kann Lévi-Strauss nicht weniger hinwegtäuschen148 –, daß die strukturale Anthropologie mit ihrer Methode niemals jenen (indirekt suggerierten149) „höchsten“ Punkt erreicht, von dem aus sich ein für allemal begründen, sprich: deduzieren ließe. Den anderen Aspekt betreffend, wäre zu sagen: Tatsächlich bemißt sich – in allen Forschungsansätzen – der Allgemeinheitsgrad der Aussagen in Abhängigkeit von der Bewährung erzielter Resultate, und nur in Abhängigkeit davon begründet das jeweils konkret ermittelte Allgemeine wiederum fortgesetzte komparative Analysen. In der Tat begründet so die Verallgemeinerung den Vergleich – nur eben (und dies schließt die strukturale Anthropologie ein) bis auf weiteres; und nur in diesem Sinne ist es schließlich zu verstehen, wenn man sagt, die empirischen Wissenschaften seien durch die deduktive Methode charakterisiert.

Daß der Eindruck eines a priori-Standpunkts gleichwohl nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich zuletzt daran, daß er offensichtlich nicht nur bei mir entstanden ist: Scholte nimmt konstatierend Bezug auf ‚a priori-Annahmen‘150, ebenso Jenkins auf ‚a priori-Manifestationen‘151; Gasché spricht von einem ‚absoluten Prinzip‘152; Jaeggi schließlich äußert den Verdacht eines ‚absoluten a priori‘153. – Widersprochen wird dieser Auffassung dagegen von Ruijter, wenn er schreibt: „Lévi-Strauss geht […] davon aus, daß die strukturalistische Analy___________ bereiten scheint: „Die Zwänge des Geistes, auf die ich mich beziehe, werden durch ein induktives Verfahren freigelegt, anstatt daß sie sich werweißwoher und von Gnaden werweißwelches Philosophen herabsenken, der bestenfalls nur einen raschen, auf einen kleinen Teil des Erdballs und auf einige Jahrhunderte der Geistesgeschichte beschränkten Überflug unternommen hätte.“ (BF: 163 / RE: 146; Hervorhebungen nicht im Original.) 147 Vgl. StAI: 327 / AStI: 331; vgl. auch ebd.: 311 ff. / ebd.: 316 f. 148 Was er dann wiederum erneut wohl auch nicht will! Vgl. gerade dazu seinen analogisierenden Verweis auf Kristalle (vor allem in MIV / dt: 743 / MIV / frz: 567) als den Metaphern für die maximal mögliche Approximation, zu Einordnungszwecken auch seine exemplifizierende Skalierung von Aggregaten in BellourII / dt: 203 f. / BellourII / frz: 405 f.; vgl. schließlich in diesem thematischen Zusammenhang – unabhängig von LéviStrauss – noch Mainzer (1988: 563). 149 Siehe oben, Seite 63, die Zitation vor Fußnotennummer 125 bzw. die damit dokumentierte Anbindung an die Kantschen Aprioris. 150 Vgl. Scholte (1973: 645). 151 Vgl. Jenkins (1979: 11); siehe außerdem ebd.: 17. 152 Vgl. Gasché (1973: 64). 153 Vgl. Jaeggi (1970: 45).

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se auf einer a posteriori-Interpretation und nicht auf einer a priori-Stellungnahme beruht.“154 Ruijter legitimiert seine Sicht155 mit einer ursprünglich der Schrift ‚Das wilde Denken‘ entstammenden Aussage: „In Wahrheit läßt sich das Prinzip einer Klassifizierung niemals postulieren: nur die ethnographische Forschung, d. h. die Erfahrung, kann es a posteriori aufdecken.“156

Lévi-Strauss’ damit bekundete Überzeugung, die weder bestritten werden kann noch soll, widerlegt jedoch nicht meine (und anderer Autoren) These; vielmehr bestätigt sie nur die Inhalte oben unterbreiteter Kritik und wird dadurch zum Indiz für die schlagende Diskordanz eben seiner (Lévi-Strauss’scher) Argumentation.157 Insofern also, als eine apriorische Universalienbegründung verfahrensfaktisch immer schon konterkariert ist, wird es auch – nur von der Sache her – kaum wundernehmen, wenn Lévi-Strauss für die ‚Mythologica‘ einräumt, „anhand von Versuch und Irrtum vorgegangen“158 zu sein. – Als ob sich dies ausschließlich mit der Neuartigkeit des Untersuchungsbereichs erklären ließe!159 Tatsächlich steht dieses Zeugnis (zumindest tut es dies auch) für das späte (1991!)160 Eingeständnis eines – epistemologisch gesehen – neuralgischen Punktes, den alle vormalige Inszenierung und Programmatik auf Schritt und Tritt doch eher demonstrieren half, als daß sie zu dessen Kaschierung imstande gewesen wäre. Eine gänzlich andere Sache bezeichnet die Beschäftigung mit der methodischen Wertigkeit der gemachten Aussage: Diese liegt keineswegs, wie die Terminologie (‚Versuch und Irrtum‘) vielleicht vermuten läßt, unmittelbar auf der Hand. Erst ein Überblick über die auch auf dieser Ebene kurrente Variabilität der Lévi-Strauss’schen Äußerungen läßt die mit diesen tangierte Grundlagenproblematik ermessen und den Umstand, daß LéviStrauss sich mit der Parteinahme für ein falsifikationistisches Modell in naturwissen-

___________ 154

Ruijter (1979 / 1991: 124; keine Hervorhebung im Original). Siehe auch ebd.:

123. 155

… – wie ich meine, denn die exakte Angabe fehlt – … WD: 74 / PS: 79; beide Hervorhebungen im Original; siehe dazu außerdem MI / dt: 229 / MI / frz: 181 sowie BF: 162 / RE: 146. Einen Beleg hätte diese Sichtweise auch in der Vorstellung: „Wer Logik sagt, sagt Herstellung notwendiger Beziehungen […].“ (WD: 49 / PS: 48.) Denn Lévi-Strauss läßt keinen Zweifel daran, daß ihm die Notwendigkeit dieser Beziehungen für eine ‚Notwendigkeit a posteriori‘ (ebd. / ebd.; Hervorhebung im Original) gilt. 157 Ruijter hat mit seiner Darstellung möglicherweise erkannt, was nicht sein kann, nicht jedoch das von Lévi-Strauss in ganzer Breite Gebotene. 158 LG: 208 / HL: 250; keine Hervorhebung im Original. 159 So die Lévi-Strauss’sche Darstellung. (Vgl. ebd. / ebd.) 160 Lévi-Strauss’ letzter Buchbeitrag zur Mythenforschung (‚Histoire de Lynx‘; siehe hierzu auch Eribondt: 140 f. / Eribonfrz: 134 f.), in dem er sich rückblickend in zitiertem Sinne mitteilt, datiert aus dem Jahr 1991. 156

Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

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schaftlicher Manier ereifert (das heißt so, wie er meint, daß die Naturwissenschaftler vorgingen161), hinsichtlich des betreffenden methodischen Wertgehalts taxieren. Mit seiner kritisch-rationalistischen Gebärde und Orientierung am naturwissenschaftlichen Erkenntnisideal162 zeigt Lévi-Strauss zum einen, verstanden zu haben, daß auch in den Human- bzw. Kulturwissenschaften auf Kriterien wie Erklärung und Überprüfung nicht verzichtet werden kann. Mit der Beschreibung eines grundlegenden Unterschieds zwischen den Naturwissenschaften und den Human- bzw. Kulturwissenschaften aber163 signalisiert Lévi-Strauss zum anderen, daß eine stricto sensu-Ausrichtung am Desideratum nicht funktionieren kann.164 Ganz in diesem Sinne scheint sich bei ihm daher auch der Eindruck eines prinzipiellen Zurückbleibens hinter den Naturwissenschaften zu verdichten.165 Fragen der Orientierung werden dann jedoch wiederum durch einen Zug aufgeworfen, der paradoxerweise darin besteht, daß Lévi-Strauss den Vorbild- und Maßstabcharakter der Naturwissenschaften für seine eigene Forschung ungebrochen aufrechterhält;166 stellenweise gewinnt man sogar fast den Eindruck, als ließe sich für ihn das, was nicht sein kann, einfach dadurch bewerkstelligen, daß an der Illusion um so hartnäckiger festgehalten wird. – Produziert also wird von Lévi-Strauss auf methodischer Ebene ein argumentatorisches Gemisch, das sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzt: Einsicht in unabdingbare Erfordernisse (Erkennenlassen einer Unver-

___________ 161

Vgl. Schwemmer (1976: 11). Vgl. MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575. 163 Vgl. dazu ebd.: 753 / ebd.: 574: Es „taucht ein grundlegender Unterschied auf, der auf der doppelten Tatsache beruht, daß die Naturwissenschaften mit den Symbolen der Dinge arbeiten, während die Wissenschaften vom Menschen mit den Symbolen von Dingen arbeiten, die selbst bereits Symbole sind; und daß im ersten Fall die ungefähre Adäquatheit des Symbols mit dem Referenten durch die ‚Beherrschung‘ bezeugt ist, welche die wissenschaftliche Erkenntnis auf die uns umgebende Welt ausübt, während die praktische Unwirksamkeit der Wissenschaften vom Menschen, abgesehen von der Suche nach einer zweifelhaften Weisheit, es uns zumindest im Augenblick nicht erlaubt, irgendeine Adäquatheit der repräsentierenden Symbole mit den repräsentierten Symbolen zu präjudizieren.“ 164 So spricht Lévi-Strauss von dem Ärgernis, „wenn uns Logiker oder Naturwissenschaftler manchmal das Argument entgegenhalten, unsere Hypothesen seien, wie sie sagen, nicht falsifizierbar, in dem Sinn, wie man in der Biologie und in der Physik beweisen kann, ob eine Hypothese richtig oder falsch ist“ (BellourII / dt: 192 f. / BellourII / frz: 392; keine Hervorhebungen im Original). Vgl. auch ebd.: 169 / ebd.: 364. Es handelt sich hierbei, wie er glaubt, „um eine Unmöglichkeit, die dem Wesen der Dinge, mit denen wir uns beschäftigen, immanent ist“ (ebd.: 193 / ebd.: 392; keine Hervorhebung im Original). 165 Vgl.: „Ich glaube nicht, daß unsere Human- und Sozialwissenschaften jemals Anspruch auf den Status wirklicher Wissenschaften erheben können. Ich habe mich allenfalls bemüht, einen kleinen Schritt in diese Richtung zu tun.“ (Eribondt: 152 / Eribonfrz: 146; keine Hervorhebung im Original.) 166 Vgl. dazu: „Wir haben diesen Reifezustand noch nicht erreicht.“ (Eribondt: 151 / Eribonfrz: 145; keine Hervorhebung im Original.) Vgl. dazu außerdem: Wenn die Sozialanthropologie „sich damit abfindet, ihr Purgatorium bei den Sozialwissenschaften durchzumachen, so deshalb, weil sie die Hoffnung nicht aufgibt, in der Stunde des letzten Gerichts unter den Naturwissenschaften zu erwachen“ (StAII: 29 / AStII: 29; keine Hervorhebungen im Original). Vgl. schließlich – indirekt angrenzend daran – den Beitrag Jakobsons (1972), speziell ebd.: 211. 162

II. Lévi-Strauss im Übergangsfeld von Anthropologie und Philosophie

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zichtbarkeit von Kriterien wie Erklärung und Überprüfung); Scharfsicht in der Diagnose (Feststellung fundamentaler Differenzen zwischen Naturwissenschaften und Humanbzw. Kulturwissenschaften); kontrafaktische Hege von Wunschvorstellungen (Inanspruchnahme eines dennoch naturwissenschaftlichen Orientierungsmaßstabs). Das auf diese Weise zum Ausdruck kommende Überspielen von Grundsatzfragen nimmt den bestehenden Problemen selbstverständlich nichts von ihrer Virulenz. Sich mit diesem für die strukturalanthropologische Forschung typischen Zustand abzufinden, muß daher (solange sich Vertreter finden) als unbefriedigend angesehen werden. Seine Vergegenwärtigung, die zugleich die Vergegenwärtigung einer Hilflosigkeit ist, kann einem insofern nur die Notwendigkeit der Entwicklung und Begründung einer spezifisch strukturalanthropologischen Methodik vor Augen bringen. Die grundlegende Schwierigkeit für die strukturale Anthropologie bestünde dabei – analog der Problemstellung Schwemmers167 – in einer originären Vermittlung zwischen analytisch-wissenschaftstheoretischen Methoden auf der einen und hermeneutischen Methoden auf der anderen Seite.168 – Gewissermaßen auf einer Vorstufe zu jedem (in diesem Sinne) nennenswerten Beitrag sei an dieser Stelle nur soviel gesagt: Aufzugeben wäre einmal jene von Lévi-Strauss mit dogmatoider Selbstverständlichkeit vertretene exklusive Ausrichtung am naturwissenschaftlichen Modell.169 Ebenso aber sollte unverstellt gesehen werden: Wenn es sich so verhält, daß auf Kriterien wie Erklärung und Überprüfung nicht verzichtet werden kann170, dann kann es auch kein Anlaß zur Beruhigung sein, wenn LéviStrauss dekretiert, daß „der Begriff der sozialen Struktur sich nicht auf die empirische Wirklichkeit, sondern auf die nach jener Wirklichkeit konstruierten Modelle [sprich also: auf die Hypothesen des fallweisen Theorienkonstrukts; H.M.S.] bezieht“171. (Ähnliches trifft zu auf Oppitz, dem die Betonung dieser Differenz – getreu seinem Vorbild – ein außerordentlich wichtiges Anliegen zu sein scheint.)172 Solange das Konstatieren solcher Selbstverständlichkeiten der Grund ist, auf den die strukturale Anthropologie baut, wenn sie sich als ‚interpretatives Verfahren‘173 versteht, werden zentrale Problemabschnitte in weitem Bogen umgangen und die eigentlichen Zielvorgaben wirkungsvollst unterminiert. Der entscheidende Punkt ist, daß auch die strukturale Anthropologie „die Hypothesen [ihres] Theorienkonstrukts als bedeutungsvoll hinsichtlich der Empirie

___________ 167

Vgl. ders. (1976: 11 f.). Nicht weiter verfolgt werden soll dagegen die Frage, wie man sich das Mißverhältnis zwischen der unbestreitbar vorhandenen Klarheit der Problemsicht einerseits und den letztlich gezogenen Konsequenzen andererseits erklären muß. Stattdessen mag dafür die Andeutung genügen, daß diese Disproportionalität die Einbruchstelle markiert, an der aller Wahrscheinlichkeit nach Psychologisches (soll besagen: die Lévi-Strauss’ Argumentation bedingende Motivstruktur) ins Spiel kommt. 169 Es geht doch – mit Verlaub gesagt – alles andere als darum, den ‚Naturwissenschaften‘ „Ehre zu erweisen“ (siehe MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575). Siehe auch StAII: 346 f. / AStII: 361 f. 170 Im Einklang damit befinden sich etwa auch Schwemmers (gleichwohl um den Handlungsbegriff zentrierte) Vorschläge zu einer spezifisch kulturwissenschaftlichen Methodik. 171 StAI: 301 / AStI: 305; kein Einschub im Original. Siehe auch StAII: 96 f. / AStII: 98 ff. 172 Vgl. Oppitz ([1975] 21993: 49): „In jedem Falle […] gehen die Modelle über die Empirie hinaus, in keinem Falle sind sie mit ihr identisch.“ 173 Vgl. Gallas (1970). 168

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interpretieren [muß]“174, und zwar „schon im Interesse [ihres] eigenen Selbstverständnisses bzw. [ihrer] Tätigkeit“175.176 Entscheidende Relevanz besitzt von daher auch das „Verhältnis von Empirie und Metaempirie“177; und das wiederum heißt: Solange es nicht gelingt, für dieses speziell ihre Methode auszeichnende Verhältnis eine Form operationalisierter (und damit: kontrollierbarer) Erklärung bzw. Überprüfung178 zu finden,179 würde die strukturale Anthropologie sich nicht nur von eingefleischten Wissenschaftstheoretikern den Vorwurf gefallen lassen müssen, daß sie „gegen die Vermischung deskriptiver mit präskriptiven Aussagen geradezu schutzlos dasteht“180. – Nicht von ungefähr ist es Leach doch ein leichtes, Lévi-Strauss vorzuhalten, daß er immerzu finde, was er suche.181

Die Lévi-Strauss’ epistemologische Überlegungen kennzeichnende Inkonsistenz spiegelt sich aber auch im generellen Problemkontext dieser ‚Propädeutik‘ wider – und zwar in seiner resümierenden Antwort auf die Frage nach der Vereinbarkeit des ‚Allgemeinmenschlichen‘ mit den jeweiligen ‚historischen und kulturellen Ausdrucksformen‘: Lévi-Strauss glaubt, mit dem Instrumentarium der strukturalen Analyse die Bedingungen in der Hand zu haben, um „die scheinbare Antinomie zwischen der Einmaligkeit des Wesens des Menschen und der offensichtlich unerschöpflichen Vielfalt der Formen, anhand deren wir es erfassen, zu überwinden“182.

Der dem Zitat direkt vorangestellte Befund nimmt das Ergebnis eines Gedankengangs annoncierend vorweg. Bevor der betreffende Gedankengang von Beginn an aufgenommen wird, sei nur noch – zur Einstimmung gewissermaßen – auf folgendes hingewiesen: Beschlossen liegt die Inkonsistenz in der Art der von Lévi-Strauss gewählten Formulierung. Was im einzelnen die referierte Rede zur Diskussion stellt bzw. was präzise mit ihr intendiert sein kann und worin genau auch ihre Inkonsistenz besteht, dies erweisen erst die möglichen SinnRekonstruktionen der mit ihr tangierten Sachverhalte. Eben diese Rekonstruktionen also sind nun zu leisten. Rekonstruktion 1: Eine Reaktion gegenüber jenem Ansinnen der ‚Überwindung einer scheinbaren Antinomie‘ bestünde in einem Einwand. Das entspre___________ 174

Wernecke (1994: 156; keine Hervorhebung im Original). Ebd. 176 Vgl. dazu auch die von Lévi-Strauss – soll man sagen: immerhin oder zumindest!? – zitierte Stelle aus Neumann und Morgenstern (1944) in StAI: 302 / AStI: 306. 177 Ruijter (1979 / 1991: 124; keine Hervorhebung im Original). 178 Erklärung bzw. Überprüfung als …; Erklärung bzw. Überprüfung im Sinne von … – im Klartext: keine narrativen „Geschichten“ (siehe etwa Lévi-Strauss in Eggan / Forde et al.engl: 115 f.); Erklärung bzw. Überprüfung nicht als Pseudos. 179 An genau diesem wunden Punkt führt der Beitrag Nutinis (1970) auch nicht weiter. 180 Michaelis (1991: 376). 181 Vgl. Leach (1970 / 1971: 21); auch ebd.: 95. 182 BF: 68 / RE: 62. 175

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chende Argument lautete: Entweder es gibt nichts zu überwinden, da es sich nur um eine scheinbare Antinomie handelt; oder die vorgetragene Absicht setzt ein zu Überwindendes voraus, was implizierte, daß von einer echten Antinomie ausgegangen werden müßte. Eine Dekomposition dieser Art führt vor Augen183, daß in jedem Falle es die jeweilige Erstfestlegung ist, die zählt, insofern sie für das jeweils Nachfolgende bindend wird. – Entsprechend verriete Lévi-Strauss unter der Voraussetzung, daß es ihm um ‚Überwindung‘ zu tun wäre, zwangsläufig die ‚Antinomie‘ als den „Gegenstand“ derselben, mit anderen Worten also: eine Form des Widerspruchs, die „nicht als Irrtum, Fehler, Mißverständnis, nicht als bloß scheinbare beseitigt werden [könnte]“184. Entstehen könnte ein solcher Widerspruch gleichwohl nur dort, wo der (bloße) Gegensatz von Einheit (ermittelten Strukturen) und Vielfalt (kulturellen Erscheinungsformen) unter den ‚Gesichtspunkt des Absoluten‘185 gestellt würde. Davon wiederum hätte man dort auszugehen, wo die jeweiligen Universalien (Strukturen / ‚Ordnungsgesetze‘186) ihrem Status nach zu apriorischen erhoben würden. Die Antithese von der Vielfalt kultureller Erscheinungsformen könnte daneben dann nicht gleichermaßen Gültigkeit beanspruchen, ohne eben jene Antinomie zu begründen. – Umgekehrt verriete Lévi-Strauss unter der Voraussetzung, daß es ihm um die Klassifizierung des anthropologischen Spannungsverhältnisses als des einer ‚scheinbaren Antinomie‘ zu tun wäre, zwangsläufig den illusorischen Charakter der Überwindung. Denn letztere (die Überwindung also) setzte, um prinzipiell möglich zu sein, eine nicht nur dem Schein nach existierende Antinomie voraus. Diese wiederum könnte jedoch so lange nicht undurchschaut bestehen, wie die empirische Forschung sich des aposteriorischen Status der von ihr ermittelten Universalien bewußt bliebe. Beide Behauptungen in der ihnen eigenen Stringenz aufrechterhalten zu wollen, liefe darauf hinaus, in erkenntnistheoretischer Hinsicht innerhalb ein und desselben Satzgefüges sowohl einen absoluten als auch einen relativen Standpunkt zu proklamieren. Man würde sich also mit dieser Form der Rekonstruktion dafür entscheiden, in der referierten Auffassung die paradoxale Verschränkung zweier erkenntnistheoretischer Positionen dokumentiert zu sehen – erkenntnistheoretischer Positionen mithin, deren Inkompossibilität die vorausgegangenen Analysen doch unübersehbar werden ließen. ___________ 183 Man mag sich dabei an das Saussuresche Prinzip erinnert fühlen. Vgl. StAI: 106 / AStI: 104 f.; siehe auch Oppitz ([1975] 21993: 293). 184 Jaspers ([1919] 61971: 232). 185 Vgl. ebd.; im Original mit Hervorhebung. 186 BF: 68 / RE: 62.

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Rekonstruktion 2: Eine andere Reaktion gegenüber jenem Ansinnen der ‚Überwindung einer scheinbaren Antinomie‘ bestünde in einer Frage. Das entsprechende Argument lautete: Wäre es denkbar, Lévi-Strauss’ Formulierung nicht ebensogut als den spezifischen (nämlich: fragwürdigen) Ausdruck eines erkenntnistheoretischen Enthusiasmus aufzufassen? Es waren – zurückliegend – die Gründe genannt worden, die dem Eindruck Vorschub leisteten, LéviStrauss habe in der die Universalien betreffenden Statusfrage einen a prioriStandpunkt bezogen. Ausgehend von dieser Disposition würde sich für den jetzigen Kontext eine Einschätzung und eine – eben Lévi-Strauss insinuierbare – fixe Vorstellung ergeben. – Die Einschätzung lautete: Eine Verabsolutierung empirisch ermittelter Universalien machte aus dem Verhältnis von Einheit und Vielheit ein kategorisch problematisches; bewirken würde sie, daß man dieses nur noch in Gestalt einer Antinomie wahrnähme. – Die – eben Lévi-Strauss insinuierbare – fixe Vorstellung lautete: Das dergestalt Perzipierte könnte nichtsdestoweniger überwunden werden. Gerade diese Kalkulation des Unmöglichen würde es erlauben, post festum das, was man (konsequenterweise) für eine echte Antinomie gehalten haben müßte, nurmehr für eine vormalige (in diesem Sinne also: ‚scheinbare‘) auszugeben. Damit käme nun allerdings der Bruch in die Konstruktion hinein, denn ein Zustand „vormaliger“ Antinomie offerierte (als ein unmöglicher) in bezug auf die erkenntnistheoretische Vorgabe einer apriorischen Universalienbegründung keinen terminus post quem non. Das in die empirische Forschung gesetzte Zutrauen im Umgang mit einer antinomischen Problemstruktur wäre vielmehr Indiz für eine völlige Verkennung der Situation: Lévi-Strauss’ Irrtum beruhte in nuce auf einer Blindheit gegenüber dem Sachverhalt, daß durch eine Überbewertung des Stellenwerts der Ergebnisse seiner (i.e. empirischer) Forschung die antinomische Konstellation überhaupt erst erzeugt würde. Während also im Falle der ersten Rekonstruktion der Versuch, Lévi-Strauss konsequent eine Kenntnis der involvierten Sachverhalte zu unterstellen, im Ergebnis dazu führen muß, daß die Formulierung ihren Sinn verliert, zeigt sich für den zweiten Fall, daß die Formulierung nur unter der Voraussetzung überhaupt einen Sinn behält, daß die (Lévi-Strauss geltende) Annahme einer Unkenntnis der involvierten Sachverhalte zum Ausgangspunkt der Rekonstruktion gemacht wird. Wie man es daher drehen und wenden mag: Über die bisherigen Verwicklungen hinausgehend kann so auch in diesem weiteren Kontext nachgewiesen werden, daß bzw. inwiefern Lévi-Strauss (performativ zumindest) für ein Modell einer (ultimativ sich gegen ihn selbst kehrenden) erkenntnistheoretischen Doppelausrichtung optiert. Unter Einbeziehung des Informationswertes der bereits erzielten Untersuchungsergebnisse aber muß dann auch jetzt die letzte (und widersinnige) Aufgabe wiederum darin bestehen, die für seine Ar-

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gumentation reklamierte These von der Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens187 wirklich geltend zu machen.188 Sensu Kant entstehen der empirischen Forschungsabsicht, indem sie auf ein Unbedingtes zielt, Antinomien – Widersprüche also, in die sich die sie leitende Vernunft zwangsläufig verstrickt. Dabei folgt die Forschung gleichwohl nur einem Bedürfnis der menschlichen Natur.189 Die also gewissermaßen automatisch erzeugten Antinomien werden von Kant entsprechend als „natürliche und unvermeidliche Probleme der Vernunft“190 bezeichnet.191 Relevant für die zuletzt genannte Aufgabe ist nun vor allem Kants erkenntniskritischer Umgang mit diesen Problemen; er entspricht zugleich dem Versuch einer konstruktiven Bewältigung dessen, was nicht überwunden werden kann und ist im einzelnen wie folgt darstellbar: Die menschliche Vernunft mit ihrem natürlichen Interesse an einer Erkenntnis des Unbedingten wird von ihm als eine hinzunehmende Größe, als eine Größe, die sich nicht im Sinne einer Option handhaben läßt, in Rechnung gestellt; nicht weniger rechnet seine Argumentation mit der Möglichkeit, den Mechanismus jener Dynamik, die (im vorkritischen Stadium) nicht zu verhindern ist, transparent zu machen.192 Den eigentlichen Ausschlag in der Sache aber gibt der Schritt einer Bewertung des unhintergehbaren Faktums. Kant unternimmt zum einen eine negative Kritik der kognitiven Dynamik: Wo Totalität und Unbedingtheit intendiert sind, kann der Erkenntnisgang nur Hypostasen erbringen; alle anderslautenden Ansprüche begründen unhaltbare Anmaßungen.193 Zum anderen erfährt sie eine positive Sanktionierung: Kant betont die Funktion dieser Dynamik, er gibt ihr bzw. ihrem Fluchtpunkt (den Ideen) einen „neuen methodischen Sinn“194. Unter den Vorzeichen der Kritik wird so das Unbedingte zu einem richtungs- bzw. orientierungsweisenden ‚Prinzip empirischer Forschung‘195. Es besagt „negativ, daß die Forschung nie ___________ 187 188 189

Vgl. Seite 61 f. Strukturanalog der auf Seite 64 ff. geführten Diskussion. Kant spricht von einer ‚Naturanlage unserer Vernunft‘ (Prolegomena, 1783: IV,

353). 190

KrV, [1781] 21787: B 490 / III, 322; keine Hervorhebung im Original. Was momentan noch anderes sagen will als das von Jaspers zum Ausdruck Gebrachte: „Überall, wo das Erkennen auf das Ganze, das Letzte, das Unbedingte geht, entstehen – so zeigte Kant – Antinomien als natürliche, unvermeidliche Täuschungen der Vernunft.“ (Jaspers [1919] 61971: 233; keine Hervorhebung im Original.) 192 Die Problematik entsteht – wie Kant zeigt – damit, daß auch dem Unbedingten die Konstitutionsmerkmale eines Gegenstandes möglicher Erfahrung (und also: objektiver Erkenntnis), sinnliche Anschauung und Verstandesbegriff, zugeschrieben werden. 193 Die Erkenntnis des Unbedingten entspricht – folglich – einer Illusion; sie ist eine vermeintliche, ist bloßer Schein. (Vgl. in diesem Zusammenhang für die Kantsche Argumentation das Antinomienkapitel der KrV; ebd.: B 432 ff. / III, 281 ff.) 194 Höffe ([1983] 21988: 138). 195 Vgl. ebd.: 150. 191

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an eine absolute Grenze stößt“196 und erinnert daran, daß „alles aktuale Wissen, selbst der allerneueste und umfassende Stand der Wissenschaft, immer ein Fragment, ein Torso bleibt“197. Daneben bzw. seiner positiven Konnotation nach formuliert, hält es „das Feld der empirischen Forschung in einem weit grundsätzlicheren Sinn offen als der eher triviale Fallibilismus der zeitgenössischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie“198. Die Wissenschaften sind also durch dieses Prinzip „zu einem nie abgeschlossenen Forschungsprozeß auf[ge]fordert“199. – Übertragen auf den von Lévi-Strauss definierten Forschungsbereich ergibt sich daraus die Summe: Das absolut Invariante bzw. Universale kann auf dem Wege empirischer Reduktion nicht gewonnen werden. Als Idee aber hat es die Bedeutung, den Verstand bei der Durchführung seiner Reduktionen am Gedanken des Invarianten zu orientieren und die Menschheit so zu beurteilen, ‚als ob‘200 sie nicht als Vielheit, sondern als Einheit bestünde. Umgekehrt enthält die Idee der Vielheit als Regel der Vernunft die Anweisung, den empirischen Regreß bei der Analyse kultureller Erscheinungsformen niemals für schlechthin erschöpft zu halten.201 Um nachhaltiger Verwirrung vorzubeugen, ist den Überlegungen des nun folgenden Untertextes erst ein Instruktionsabschnitt voranzustellen: Zuerst und vorab notiert sei, daß sie von mir nicht in der Absicht abgefaßt wurden, rassistische Manifestationen (welcher Art immer) zu befördern; auch will ich betonen, daß es mir fernliegt, mit den folgenden Überlegungen aus analogem Geist heraus Geschehenes resp. Geschehendes (ob nun aktiv initiiert oder passiv toleriert) zu entschuldigen. Die Absicht geht vielmehr dahin, unter in der Tat genau entgegengesetzten Vorzeichen für die Legitimität einer pro-

___________ 196

Höffe ([1983] 21988: 150; keine Hervorhebung im Original). Ebd. 198 Ebd. 199 a: Ebd. b: Vgl. abschließend (und in eins zusammenfassend) dafür: Das den empirischen Forschungsprozeß (mit dem in ihm jeweils intendierten Totum) kritisch leitende Prinzip ist – nach den Worten Kants – „kein constitutives Princip der Vernunft, den Begriff der Sinnenwelt über alle mögliche Erfahrung zu erweitern, sondern ein Grundsatz der größtmöglichen Fortsetzung und Erweiterung der Erfahrung, nach welchem keine empirische Grenze für absolute Grenze gelten muß, also ein Principium der Vernunft, welches, als Regel, postulirt, was von uns im Regressus geschehen soll, und nicht anticipirt, was im Objecte vor allem Regressus an sich gegeben ist. Daher nenne ich es ein regulatives Princip der Vernunft […].“ (KrV, [1781] 21787: B 537 / III, 349; im Original teilweise andere Hervorhebungen.) – Vgl. Kants Argument resümierend auch Paton (1947 / 1962: 113). 200 Nicht, daß Lévi-Strauss nicht darum wüßte! (Vgl. Eribondt: 236 / Eribonfrz: 225.) 201 Einen angemessenen Ausdruck findet dieses Ergebnis (auch hier gilt: dann wiederum doch) in folgender Formulierung: „Die einzigen Demonstrationen, die wir anstreben können, sind solche, die mehr zu erklären vermögen, als vorher erklärbar war. Das heißt noch nicht, daß sie wahr sind, sondern nur, daß sie den Weg freimachen für andere Demonstrationen, die noch mehr erklären können, und so weiter ad infinitum, ohne daß man je zu einer endgültigen Wahrheit gelangt.“ (BellourII / dt: 170 / BellourII / frz: 365.) 197

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blemangemessenen Form von Erinnerungsarbeit zu sensibilisieren. So ginge es darum anzuerkennen, daß eine humanistische Vita nur wirklich konstruktiv sein (und insofern: überhaupt bestehen) kann, wenn sie ihre unter Umständen unliebsame Befunde stellenden Komplementäraspekte mitbedenkt. Als ein Versuch in genau diesem Sinne – mit anderen Worten – versteht sich die anschließende Ausführung; als ein Versuch, inventarisierten Abschirmarbeiten an (allzu bequemen) Tabuzonen gegenzusteuern.202 – Nachfolgend nun also der eigentliche Gedankengang: In der die Ideen von Einheit bzw. Vielheit übergreifenden ‚Idee der Menschheit‘203 besitzt die anthropologische bzw. kulturwissenschaftliche Forschung (neben anderen Wissenschaften) ihr allgemeinstes Prinzip. Die bislang geführte Diskussion indessen konnte nur in einer ganz bestimmten Hinsicht Beispiel für dessen forschungsheuristische Wirksamkeit sein. Sensibilisiert werden soll an dieser Stelle (neben der fokussierten synchronen) noch für die diachrone Entfaltungsmöglichkeit desselben: In der Frage der Evolution des Menschen sind es die Vorstellung von einer mono- bzw. einer polyphyletischen Hominisation204, welche der empirischen Forschung prinzipiell Aufgaben vorzeichnen. Zu beachten bleibt dabei auch in diesem Kontext der metaphysische Ausgang der Forschungsfragen, zu deren abschließender Beantwortung sich die jeweils auf empirischem Wege bzw. mit den Mitteln einer kritisch-rationalistischen Methodik gewonnenen Ergebnisse als untauglich erweisen. Ähnlich den vorausgegangenen Überlegungen gilt es also auch in diesem Kontext zu realisieren, daß in der ‚Frage nach der Zusammengehörigkeit aller Menschen‘205 von der Wissenschaft keine letztverbindliche Antwort erwartet werden kann. Anders bewertet würde vor einem solchen Hintergrund dann möglicherweise folgende, aus dem Jahr 1978 datierende und von namhaften Wissenschaftlern verfaßte UNESCO-Deklaration zur Rassenfrage, in der es heißt: „Alle menschlichen Lebewesen gehören zu einer einzigen Spezies und sind aus einem gemeinsamen Stamm hervorgegangen. […].“206 Die assertorische Vortragsweise solcher Erklärung, die historisch durch vier aufeinanderfolgende Statements vorbereitet wurde207 und auf die dann selbst die Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban im Jahr 2001 nicht mehr verzichten zu können glaubte208, soll die gültige Entscheidbarkeit der Frage der Hominisation suggerieren, während doch vielmehr die „Einheit des menschlichen Ursprungs eine Idee, keine erfahrbare Wirklichkeit“209 ist. Sinnfällig wird an diesem Beispiel vor al-

___________ 202

Im Kontext dieser heiklen Thematik für der Kenntnis wert scheinen mir im übrigen gerade auch die Lévi-Strauss’schen Schilderungen der Seiten 12-15 in BF / RE: 1316. (Vgl. dazu dann – zusätzlich – auch noch Finkielkraut 1987 / 1989: 86-92.) 203 Kant (KrV, [1781] 21787: B 374 / III, 248). 204 Zu historischen (wesentlich mit der Aufklärungszeit einsetzenden) Auseinandersetzungen in der Frage äußert sich Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 56 und 90 f.); außerdem bereits ders. (1938 a: 32 f., 49 f. und 70 f.). 205 Jaspers ([1949] 81983: 65). 206 UNESCO (1978: Artikel 1, Punkt 1); keine Hervorhebung im Original. 207 Vgl. hierfür UNESCO (1950), (1951), (1964) und (1967); außerdem UNESCO (1969). 208 a: Vgl. UNESCO (2001: Part I. UNESCO’s Stand against Discrimination. A historical overview, 10, Punkt 8). b: Begriffen wird das in Artikel 1, Punkt 1 der Deklaration von 1978 formulierte Ergebnis auch und gerade dort noch als ein ‚maßstabsetzendes Instrument‘. 209 Jaspers ([1949] 81983: 66).

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lem anderen die Untauglichkeit der Mittel in bezug auf die zugrundeliegende Intention: Eine offensichtlich humanistische Gesinnung sucht hier einerseits Zuflucht und Bestätigung in der Wissenschaft, was konkret nur bedeuten kann: in der wissenschaftlichen Empirie; andererseits aber muß sie dann wiederum gerade den Hypothesencharakter empirischer Forschungsergebnisse leugnen, da sie ihn sich in Anbetracht der Entschiedenheit und Eindeutigkeit ihres Programms gar nicht leisten kann.210 Es mag den Verfassern der entsprechenden Erklärungen als Dorn ganz unerträglich im Auge sitzen, daß sich diese Implikationen ihres Vorgehens in nichts von den Implikationen jeder strukturanalogen Vorgehensweise rassistischer Provenienz unterscheiden. Jedoch zählt es zu den letzten und unausweichlichen Konsequenzen der These von der Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens, daß in beiden Fällen, das heißt ungeachtet der dahinter stehenden Weltanschauung, die Wissenschaft den Dienst, um den sie angegangen wird (bzw. würde), nicht erweisen kann. – Eine andere Sache ist, daß Erklärungen wie die der UNESCO, indem sie sich den Anstrich der Wissenschaftlichkeit geben211, nichtsdestoweniger – will heißen: wider die Evidenz – den Eindruck eines in den großen Menschheitsfragen erreichbaren unumstößlichen Wissens erzeugen. Dies ist wohl auch ihre Absicht. Allerdings darf bezweifelt werden, daß solche Formen der Allianzbildung zwischen Wissenschaft und Humanismus, die nur rein vordergründig ein erkenntnistheoretisches Problem stellen, à la longue bewirken, was sie ursprünglich intendieren. Denn abgesehen davon, daß die vorgeführte Inanspruchnahme wissenschaftlicher Prestigevorteile mißbräuchlich genannt zu werden verdient und einen (heute übrigens allgemein eingefahrenen) Übelstand bezeichnet, gegen den kaum wirksam anzusteuern ist212, sind die dümmlichen Phrasen eines vermeintlich zum Abschluß gekommenen Er-

___________ 210 a: Von der im ersten Statement von 1950 geübten Zurückhaltung – die Herkunft aller Menschen aus einem gemeinsamen Stamm wurde im dort formulierten ersten Punkt immerhin noch als wahrscheinlicher Fall behandelt (vgl. UNESCO 1950 bzw. UNESCO 1969: 30) – haben sich die Unterzeichner aller späteren Verlautbarungen konsequent verabschiedet. [Unter den am Entwurf von 1950 Mitwirkenden befand sich im übrigen auch Lévi-Strauss (siehe UNESCO 1950 bzw. UNESCO 1969: 35).] b: Mit genau diesem Schritt jedoch erweist sie sich als Ideologie. Friedmann (1967) versteht darunter treffend die „Usurpierung des Absoluten für menschliche Zwecke“ (ebd.: 51). 211 Am deutlichsten ist hier das Statement aus dem Jahr 1951, in dem sich diese Maßnahme unmittelbar auf den Wortlaut des ersten Punktes auswirkt: „Die Wissenschaftler sind sich allgemein darüber einig, daß alle heute lebenden Menschen zu einer einzigen Spezies, der des Homo sapiens, gehören und aus einem gemeinsamen Stamm hervorgegangen sind […].“ (UNESCO 1951 bzw. UNESCO 1969: 38; keine Hervorhebung im Original.) 212 Es dürfte im einzelnen schwer zu entscheiden sein, ob sich die Wissenschaft nur korrumpieren läßt oder ob es sich nicht eher so verhält, daß ihre Inkarnationen, die Wissenschaftler, auch eigeninitiativ kräftig mitmischen (ein Wink für Unbedarfte). Nachhilfe im zweitgenannten Fall leistet – wenn auch anläßlich eines anderen Statements – Feyerabend, wenn er beklagt, wie häufig Wissenschaftler ihre Autorität selbst dann einsetzen, wenn sie nichts wissen: „Die gelehrten Herren haben starke Überzeugungen, sie verwenden ihre Autorität, um diese Überzeugungen zu verbreiten […], sie kennen einige Phrasen, die wie Argumente klingen, aber sie haben keine Ahnung, wovon sie reden.“ ([1979] 1980: 181; siehe auch ebd.: 186). Nun stellt sich allerdings die Frage, ob die eigentliche Farce wirklich erst mit durchlauchtigen Unterschriftenagglomerationen ihren Anfang nimmt, oder (bei Licht besehen) nicht schon weit früher … – Weshalb nur nicht

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kenntnisgangs – so sehr sie vielleicht auch sei es Appell, sei es Norm213 sein wollen – in erster Linie dazu geeignet, das humanistisch-metaphysische Bedürfnis nach Sicherheit zum Schleudertarif zu befriedigen und auf diese Weise gerade von den eigentlichen Herausforderungen abzulenken. Die Tatsache, daß die Problematik des menschlichen Ursprungs keine endgültige wissenschaftliche Lösung zuläßt, müßte jedem sinnvoll verstandenen Humanismus vielmehr Anlaß für die Erkenntnis sein (hier ist die Verwendung des Begriffs angezeigt!), daß im Umgang mit der sogenannten Rassenfrage nicht nur ein deutlicheres Bekenntnis der Wissenschaft zu ihren Grenzen214, sondern an diesen Grenzen entsprechend auch eine andere Form des Engagements gefordert ist. Sie verschaffte sich dort entscheidend Ausdruck, wo eingesehen würde, daß Forschungserträgnisse nicht zugleich die Kriterien für deren Bewertung liefern. Was man für sich als verbindlich anerkennen will und worüber man nicht mehr mit sich handeln zu lassen bereit ist, darüber zu entscheiden bzw. sich zu verständigen kann niemandem abgenommen werden – zuletzt von einer sich entwickelnden Wissenschaft, in der vieles von dem, was heute als gesichert gilt, morgen schon annulliert sein und gelegentlich übermorgen doch wieder zutreffen kann.215 Das Bewußtsein für diese Form des persönlichen Gefordertseins wachzuhalten und im gesellschaftlichen Austausch zu kultivieren – statt es mit rosaroten Inszenierungen216 der beschriebenen Art einzuschläfern und darin dann auch noch Chancen auf eine bessere Zukunft beschlossen zu sehen – dies also und nichts anderes bezeichnete immer schon die Zentralaufgabe humanistischer Lebensform. Die Fehlkonstruktionen der UNESCO stellen, um dies noch anzumerken, keinen Einzelfall dar. Daß eine an sich respektable existentielle Ergriffenheit in der Gefahr steht, ihre Energie auf dem Feld der Erkenntnistheorie ungehemmt zu entladen, zeigt sich auch in anderen Bereichen – in der Medizin etwa am Beispiel Frankls, wenn er vermeint, das Totum zu besitzen, indem er apodiktisch ein ‚Wissen um die eine Menschheit‘217 statuiert. Mehr Sachverstand im Umkreis der Menschheitsidee beweist demgegenüber schon Jaspers’ Rede von einem „geschichtlich erwachsenen Glauben an eine Zusammengehörigkeit“218. – Es ist also zu folgern: Ein sich emanzipierender Humanismus muß lernen, zwischen unterschiedlichen ‚Modi des Fürwahrhaltens‘219 zu unterscheiden und in der Hypothesenform220 das in erkenntnistheoretischer Hinsicht erreichbare Maximum zu se-

___________ kommt man überein, das Recht, akademische Titel auch außerhalb wissenschaftlicher Kontexte vor dem Namen zu führen, abzuschaffen? 213 Vgl. zu dieser eigentümlichen Verschränkung erneut UNESCO (2001: 10, Punkt 8). 214 Einem solchen Bekenntnis entspricht auch die von Mühlmann (spät und mit gewandelter Empfindsamkeit) zum Grundsatz erhobene „Selbstbegrenzung jeder Art von anthropologischer Fachforschung“ (1951: 3). 215 Dies gilt nicht nur für die Hirnforschung (siehe G. Roth [1994] 21995: 11). Vgl. außerdem dazu auch Lévi-Strauss in MI / dt: 19 / MI / frz: 15: „Vergessen wir […] nicht, daß es für die Wissenschaft keine ein für allemal feststehenden Wahrheiten gibt.“ 216 In der Sprache Mühlmanns formuliert: mit ‚propagandistischen Vergröberungen‘ (vgl. 1951: 4). 217 Frankl ([1946] [101982] 41987: 34; keine Hervorhebung im Original). 218 Jaspers ([1949] 81983: 66; keine Hervorhebung im Original). 219 Um mit Kant zu sprechen. – Vgl. Kant (Logik, postum: IX, 65 f.). 220 Wenn die heutige Wissenschaft das Problem ‚Monophylie oder Polyphylie‘ übereinstimmend im monophyletischen Sinne entschieden hat (vgl. Mühlmann [1948] 2 [ 1968] 41986: 183), so geschieht dies auf keiner anderen Basis, besitzt und behält dies

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hen; und er sollte unverstellt in den Blick zu nehmen lernen, daß damit – in praktischer Hinsicht – für kommende Zustände nichts verbürgt sein kann. (Was sehr wohl anderes bedeutet, als einem Quietismus das Wort zu reden. Sondern unter anderem darum geht es, Formen des Umgangs mit der Diversität der sowohl fragmentarisch als auch fallibel bleibenden wissenschaftlichen Ergebnisse zu finden, die in keinem Falle dazu führen, den Glauben an die eine Menschheit zu erschüttern.) Ideen – und so auch die ‚Idee der Menschheit‘ – kommen zur Wirkung, weil Menschen sich ihrer bedienen221. Geeignet war die in diesem Untertext vorgenommene Verschiebung des Betrachterstandpunkts vor allem auch dazu, die im betreffenden Handlungszusammenhang von Anfang an vorhandenen ethischen und politischen Valenzen zu verdeutlichen. Die dabei zum Vorschein gebrachten Problemhypotheken mögen rückwirkend erklären helfen (erstens), weshalb überhaupt ich jener Äußerung Lévi-Strauss’ in der Antinomiethematik222 Bedeutung beigemessen und den Weg ihrer Rekonstruktion gewählt habe223; und sie mögen erklären helfen (zweitens), inwiefern man sich mit den Rekonstruktionen dieser Äußerung eben nicht nur „Formeln zur freien Verfügung [verschafft], die zwar einprägsam sein mögen, [die] aber nicht zu einem neuen Denkschritt führen“224 bzw. inwiefern mithin diese Rekonstruktionen beanspruchen dürfen, für mehr denn als rhetorische Trockenübungen genommen zu werden.

Weitere Recherchen ergeben, daß sich die Lévi-Strauss’ epistemologischer Argumentation immanenten Unstimmigkeiten keineswegs ausschließlich als Transfereffekte beschreiben lassen, die im Grunde zu Lasten der Kantschen Erkenntnistheorie gehen (letztlich also in deren Inkonsistenzen ihren Ursprung haben). Dies ist zwar durchaus in Teilen der Fall, was herauszustellen die zurückliegenden Erwägungen versuchten.225 – In anderen Teilen aber, um dies nicht weniger hervorzuheben, gehen besagte Unstimmigkeiten zu keines anderen als Lévi-Strauss’ eigenen Lasten; und zwar in genau dem Sinne, daß Lévi-

___________ unter dem Aspekt der Geltung folglich auch nur den entsprechenden Status. Vorbildlich bringt dies der Titel des Forschungsbeitrags von Dobzhansky (1963; zitiert nach Mühlmann [1948] [21968] 41986: 183) zum Ausdruck: Dobzhansky resümiert darin ein Ergebnis seiner Forschung, namentlich die verschwindend geringe Möglichkeit einer mehrfach unabhängigen Entwicklung von Homo sapiens. [Um so mehr darf es angesichts dessen verwundern, daß Dobzhansky selbst zwölf Jahre zuvor sich dazu hinreißen ließ, am UNESCO-Statement von 1951 – heißt also: an jener gegenüber dem Statement von 1950 gerade um den Wahrscheinlichkeitsfaktor bereinigten Version (vgl. oben, Seite 76, die Fußnoten 210 a und 211) – mitzuwirken bzw. diese/s zu unterzeichnen. Letzte Anmerkung in diesem Zusammenhang: An den UNESCO-Statements von 1964 und 1967 war Dobzhansky nicht mehr beteiligt (vgl. jeweils ebd.); die Deklaration der UNESCO zur Rassenfrage im Jahr 1978 hat er (* 1900, † 1975) nicht mehr erlebt.] 221 Siehe dafür Kondylis (1981: 32). 222 Siehe oben, Seite 70, die Zitation vor Fußnotennummer 182. 223 Einer Äußerung, die ohne weiteres ob ihrer philosophischen Unqualifiziertheit auch hätte übergangen werden können. (Dies scheint, was Lévi-Strauss betrifft, eher die bevorzugte Linie Wd. Schmied-Kowarziks zu sein; vgl. ders. 1968: 156.) 224 Schwemmer (1990: 44). 225 Beginnend auf Seite 61 ff.

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Strauss dort, wo er auf den wahrhaft kritischen Beitrag Kants226 rekurriert, seine Anbindung alles andere als konsequent betreibt. Tatsächlich wird von ihm der Anbindungsvorgang227 teils durch eine spezifische – jedenfalls keineswegs eben Kant mehr betreffende – Wendung konterkariert (1); teils durch kryptische Modulationen verundeutlicht bzw. überformt (2). Ad (1): Für die Darstellung des den erkenntniskritischen Rahmen modifizierenden ersten Aspekts ist Lévi-Strauss’ Verwendung des ‚Ding‘-Begriffs228 als zentral zu betrachten. An die Dinge ist – so die belegbaren Aussagen – einerseits ‚heranzukommen‘229, andererseits werden sie von ihm dann aber auch als für den forschenden Geist ‚niemals zu erreichende‘230 bestimmt. – Will dies nicht als Widerspruch gelesen werden, so ist damit jeweils Unterschiedliches zu verbinden. Im einen Fall ergibt der entsprechende Argumentationszusammenhang – es handelt sich um eine bereits zitierte Passage231 – folgendes: Die Dinge werden bei Lévi-Strauss als raum-zeitliche aufgefaßt (bei Kant bezeichneten sie ‚Gegenstände‘) und in diesem Sinne ist an sie ‚heranzukommen‘; ‚herankommen‘ hieße somit: auf endliche Weise erkennen (was umgekehrt bedeutete: sie dabei niemals ihrem ‚Wesen‘232 nach erfassen). Demgegenüber gilt es den entsprechenden Argumentationszusammenhang im anderen Fall direkt, gewissermaßen neu bzw. erstmals herzustellen; Lévi-Strauss schreibt: „Die Wissenschaften vom Menschen sind zweifellos den Naturwissenschaften insofern vergleichbar, als die einen wie die anderen niemals die Dinge erreichen, sondern nur die Symbole, durch die hindurch der Geist sie wahrnimmt gemäß den Zwängen und Schwellen der sensorischen Organisation.“233

Die Dinge stehen hier auf einmal – anders als soeben noch – für die ‚letzte Natur‘234 raum-zeitlicher Dinge und in diesem Sinne befinden sie sich außerhalb des Verfügbarkeitsbereichs humanen Erkenntnisstrebens. Dadurch aber, daß ‚sie‘, laut Zitat also die ‚Dinge‘ (gemeint wie gesagt: deren ‚Wesen‘ bzw. ‚letzte Natur‘), durch die Symbole ‚hindurch‘ dann wiederum doch „als etwas“235 ‚wahrgenommen‘ werden, macht Lévi-Strauss sie zur transzendent___________ 226 … – das (prinzipiell sinnvolle und anerkennenswerte) Vertreten der These von einer falliblen Menschenvernunft – … 227 Vgl. hier: „[…] im Grunde bin ich ein ganz gewöhnlicher Kantianer […].“ (Eribondt: 158 / Eribonfrz: 152.) 228 Der deutschen Übersetzung entspricht in diesem Falle einheitlich der französische Begriff ‚chose‘. 229 MIV / dt: 808 / MIV / frz: 614. 230 Vgl. ebd.: 753 / ebd.: 574. 231 Vgl. für den genauen Wortlaut erneut das Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 42. 232 Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224. 233 MIV / dt: 753 / MIV / frz: 574; keine Hervorhebungen im Original. 234 Ebd.: 808 / Ebd.: 614. 235 Prauss (1974: 146; keine Hervorhebung im Original; et passim).

Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

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metaphysischen Größe. Postuliert wird, mit anderen Worten, ein Seinsverhältnis, wenn auch ein (über Symbole) gebrochenes.236 – Genau damit aber verläßt Lévi-Strauss den Boden der Kantschen Philosophie bzw. erschöpft sich auch die Erklärungskraft der durch jene gegebenen Interpretationsmöglichkeiten: Die der Erkenntnis unerreichbaren Dinge (in Kantscher Terminologie: die ‚Dinge an sich‘) fungieren unter transzendentalphilosophischen Prämissen ausschließlich als methodische Begriffe237, als (denk-)notwendige Gegenbegriffe zu ‚Erscheinung‘238, als bloße ‚Grenzbegriffe‘239. Aus diesem Grunde auch konnotiert Kant240 den damit negativ gewiesenen, der Erkenntnis unzugänglichen Bereich – das also, „was unabhängig von Sinnlichkeit und Verstand an sich besteht“241 – nicht mit metaphysischer Wahrheit, während einem von Lévi-Strauss in diesem Punkt ein anderes, wenn auch nicht mehr völlig unerwartetes Angebot unterbreitet wird: Es erforderte schon ein hohes Maß an Verzerrung, wollte man behaupten, daß ihm die Verwendung von Metaphern wie ‚Wände‘, ‚Höhle‘, ‚Widerspiegelung‘, ‚wahre Gegenstände‘242 nur eben unterlaufen sei; vielmehr entspricht der Einsatz derselben genau der performierten epistemologischen Wendung!243 ___________ 236

Vgl. das Zitat auf voriger Seite (den Text vor Fußnotennummer 233): Die Wahrnehmung der (‚letzten Natur‘ der) Dinge geschieht durch die Symbole hindurch. – Die Symbole ‚vikariieren‘ (Vaihinger [1911] 21913: 120) damit sozusagen für die Dinge bzw. deren ‚letzte Natur‘. 237 Siehe Höffe ([1983] 21988: 133). 238 Vgl. dazu in der der Sache angemessenen Ausführlichkeit erneut Prauss (1974: 134-147). 239 Siehe KrV, [1781] 21787: B 310 f. / III, 211. 240 … in den kritischen Schriften (man beachte demgegenüber gleichwohl Duerr 1974: 125 sowie 138!) … 241 Höffe ([1983] 21988: 134). 242 Vgl. jeweils MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575. 243 a: Nebenbei gesagt sind die erwähnten Lévi-Strauss’schen Eskapaden willkommenes Wasser auf die Mühle eines Interpreten wie Wd. Schmied-Kowarzik, der mir mit seiner gemutmaßten Etikettierung (effektiv) der strukturalen Anthropologie (in seiner Terminologie: der ‚strukturalen Ethnologie‘) als einer „scholastischen Ontologie mit Seinsuniversalien“ (1968: 160) doch etwas vorschnell zu Werke geht; auch scheint er mir in der entsprechenden Beurteilung der von Lévi-Strauss benannten Universalien über jeden Zweifel erhaben (siehe ebd.: 167 ff.). – Mag man ihm solche Einschätzungen für einen frühen Publikationszeitpunkt durchgehen lassen; aufgrund der über die Jahre veränderten textuellen Faktenlage kann deren platte Reprise (vgl. den zweiten „Aufguß“ von 1993; ebd.: 291 f.) ob ihrer Undifferenziertheit kaum anders als obsolet gelten. Anlaß zu Vorbehalten bezüglich der Trefflichkeit seiner Analyse scheint mir derselbe Autor – jenseits der Universalienfrage (und ungeachtet einer sicher positiv zu bewertenden Herausstellung der die strukturalanthropologische Arbeitsweise kennzeichnenden ‚Reduktionsstufen‘; vgl. 1968: 157 ff. bzw. 1993: 280 ff.) – auch noch in einer weiteren Hinsicht zu bieten. Die entsprechende Kritik will ich an Ort und Stelle äußern und auf diese Weise die Darstellung der Einwände weitgehend geschlossen halten. [Notabene: Die beiden Publikationen von 1968 (nachfolgend zitiert) bzw. 1993 (nachfolgend nur im

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___________ Verweis) gleichen sich auch hier bisweilen wortwörtlich.] – Zunächst zum Anlaß: Vernachlässigt sieht Wd. Schmied-Kowarzik von Lévi-Strauss die Sinndimension, wobei auffällt, daß seine Vorhaltungen Nuancen aufweisen: Der nachweisliche Umstand, daß von Lévi-Strauss nicht in genannte Dimension vorgedrungen und auch in dieser Erklärungsarbeit geleistet wird, erscheint bald mehr als Folge einer Untauglichkeit der ‚strukturalen Ethnologie‘ [Vgl. (1968: 169; Hervorhebung in Abänderung gegenüber dem Original): „LéviStrauss […] versucht, ontologische Universalien zu benennen, die zwar formal allem Sozialen und Kulturellen innewohnen, nicht aber die konkret-inhaltlichen Möglichkeiten der menschlichen Praxis von der Sinnstruktur des Menschlichen her begreifen können.“ (Ebenso 1993: 292). Vgl. außerdem (1968: 168; keine Hervorhebung im Original): „[…] es gelingt ihm nicht, Sinn und Ort dieser Strukturen selbst zu bestimmen.“ (Fast ebenso 1993: 291.)], bald mehr als Folge einer Unterlassung ihres Begründers [Vgl. (1968: 167; keine Hervorhebung im Original): „Immer wieder bleibt Lévi-Strauss bei einer Formalstruktur stehen, anstatt weiterzufragen nach der Sinnstruktur, in der sich menschliche Geistigkeit konkretisiert.“ (Fast ebenso 1993: 290.)]. – Meine

Kritik daran: Verkannt ist im ersten Falle (Stichwort ‚Untauglichkeit‘) der elementare Charakter des Instrumentariums, seine begrenzte Konzeption und Einsatzfähigkeit. Die von Wd. Schmied-Kowarzik reklamierten Sinnfragen abzudecken, gehört definitionsgemäß nicht ins Ressort der strukturalen Anthropologie (alles andere hieße, etwa von einer Geige Trompetenklänge zu erwarten). [Im Prinzip dieselbe (die von mir hier vertretene) Position liegt im übrigen der Argumentation Ricœurs zugrunde, wenn er darauf verweist, daß die strukturale und die hermeneutische Methode innerhalb der gemeinsamen Gattung des Verstehens auf unterschiedlichen Ebenen arbeiten. (Siehe ders. 1969 b / 1973 b: 72 bzw. 1963: 26). Nur um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, will ich an dieser Stelle dazusagen: Daß das Strukturverständnis immer auch einen Beitrag zum hermeneutischen Verstehen leistet – et vice versa – (siehe Ricœur 1969 b / 1973 b: insbesondere 79 bzw. 1963: insbesondere 30 f.), entspricht einer Einsicht, die sich in ihrer Stichhaltigkeit völlig unabhängig davon – also eben ohne die Gültigkeit vorbesagter Position zu tangieren, womit genau man einem ‚Eklektizismus‘ (ders. 1969 b / 1973 b: 73 bzw. 1963: 27) verfiele – ausweisen kann.] Überblendet wird dementsprechend (bzw. darum wohl auch) im zweiten Falle (Stichwort ‚Unterlassung‘), was stets getrennt zu halten bliebe: Implikation und Alternative. Wd. Schmied-Kowarzik moniert rhetorisch die fehlende Weiterfrage und gibt sich damit den Anschein implikativer Orientierung. Semantisch gesehen erst wird dann aber klar, was er darunter eigentlich versteht: nämlich gerade nicht die konsequente Fortsetzung einer eingeschlagenen Fragerichtung (die unter allen Umständen Gegenstand berechtigten Forderns sein sollte), sondern vielmehr deren Wechsel (unstreitig ist doch: Aufgriff und Behandlung von ‚Sinnstruktur‘-Problemen gehorchen anderen als den von Lévi-Strauss – legitimerweise – gewählten Prämissen). Zu mißachten bzw. zu unterschätzen scheint mir diese Form des Obligatmachens neben einem normativen Grundzug wissenschaftlichen Arbeitens, der persönlichen Freiheit der Prioritätensetzung, vor allem die prinzipielle Kapazitätsgrenze der Wissenschaft Treibenden – dies zumindest solange, wie Wd. Schmied-Kowarziks Beanstandung unterbliebener „Weiterfrage“ den Stellenwert einer (wie mir vorkommt) indirekt harten Forderung einnimmt. Es braucht kaum die Debatte darüber geführt zu werden, daß die arbeitsteilige Verfaßtheit der Wissenschaft auch billigen Entschuldigungen Vorschub leistet; umgekehrt jedoch wäre erst die Diskussion darüber zu eröffnen, was denn genau im Einzelfall anstelle einer getroffenen Wahlentscheidung noch als Drängendes bzw. Naheliegendes wirklichen Anspruch erheben könnte. So wünschenswert und zugleich eher außergewöhnlich eine aktive Flexibilität zweifellos ist [Vgl. hierzu MeyerAbich (1984: 239): „Die meisten Wissenschaftler haben sich nicht bewußt für das Erkenntnisideal entschieden, dem sie innerlich folgen, sondern haben es durch ihre wissenschaftliche Sozialisation übernommen und darüber nicht weiter nachgedacht, geschweige denn Alternativen erwogen.“ Vgl. hierzu außerdem die klassische Untersuchung Znanieckis (1940).], regelrecht zur Forderung erhoben werden vermag doch wohl nur –

wenn (wie gesagt) von Alternativen die Rede ist –, daß die eigenen, jeweils vorrangig

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

Ad (2): Noch in einer zweiten Hinsicht besteht nicht gerade Anlaß, in Lévi-Strauss den Garanten für eine zweifelsfrei kritische Bewertung der anthropologischen Erkenntnissituation zu erblicken. – Was soll man beispielsweise davon halten, wenn er deklamiert, er habe „von Zeit zu Zeit und in privilegierten Fällen das Gefühl, an fundamentale Wahrheiten heranzukommen, den Felsen berührt zu haben“244!? Was auch davon, wenn er in bezug auf die ‚letzte Natur‘ (der Dinge)245 von einer „vorläufige[n] oder endgültige[n] Opazität“246 spricht!? Einen eher außerordentlich zu nennenden Anhaltspunkt für die Modifizierung Kantscher Prinzipien mag man schließlich noch in Lévi-Strauss’ Verwendung des ‚Modell‘-Begriffs247 erkennen. Wer sich – veranlaßt dadurch – auf den Standpunkt einer neopragmatischen Erkenntnisdefinition248 stellt, gelangt im Ergebnis zu einer von der eben vorgestellten Version einer (auf gebrochene Weise) seinsgebundenen Rationalität stark unterschiedenen Interpretation: der einer radikalen Verabschiedung des Anspruchs auf Realgeltung der Erkenntnisresultate.249 ___________ behandelten Angelegenheiten nicht als ein (überhaupt und schon gar nicht alleine) Seeligmachendes angesehen bzw. dafür ausgegeben werden. b: Der Lévi-Strauss’schen Auffassung von einem gebrochenen Seinsverhältnis folgt mit einer gewissen Konsequenz eine weitere Abweichung gegenüber der Kantschen Erkenntnistheorie: Lévi-Strauss substituiert, wenn auch implizite, die transzendentale Apperzeption – Kants erste und letzte Rechtfertigung für den Entwurf eines erkenntnismäßigen Bedeutungsfeldes und die adäquate Verortung aller ‚Datis der Anschauungen‘ (KrV, 1781: A 107 / IV, 81) innerhalb desselben – durch die Kombination eines evolutionistischen mit einem naturalistischen Argument. Die Legitimation für die Verstehbzw. Erkennbarkeit der Welt liegt für ihn (Lévi-Strauss) darin, daß „der Geist […] Produkt und Teil dieser Welt ist“ (BF: 184 / RE: 164; keine Hervorhebungen im Original). Siehe dazu bereits TT: 49 / TrTr: 60 sowie (mit Einschränkung auf das naturalistische Argument) Daixdt: 104 / Daixfrz: 7 bzw. BF: 182 / RE: 163. [Man beachte exakt in diesem Zusammenhang auch Ricœurs (in kritischer Absicht vorgenommene) Qualifizierung der strukturalen Anthropologie als eines „[Kantianismus; H.M.S.] ohne transzendentales Subjekt“ (1969 b / 1973 b: 68 bzw. 1963: 24; keine Hervorhebung im Original) – einer von Lévi-Strauss selbst gutgeheißenen Formel (siehe dazu Ricœur et al.dt: 117 / Ricœur et al.frz: 633 sowie MI / dt: 25 / MI / frz: 19).] 244 BellourI / dt: 82 / BellourI / frz: 41; keine Hervorhebungen im Original. [Reif-Willenthal überträgt hier glatt unter Auslassung des letzten Satzabschnitts! Siehe die korrekte Übersetzung dagegen bei Duerr (1974: 13).] 245 Vgl. MIV / dt: 808 / MIV / frz: 614. 246 Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 247 Siehe dazu insbesondere StAI: Kapitel 15 / AStI: Chapitre XV. 248 Vgl. exemplarisch dafür Stachowiak (1973). 249 Vgl. dazu ebd.: 49. – Zumindest nachvollziehbar aber würde aus dieser Perspektive dann die von Oppitz ([1975] 21993) in der Universalienfrage vertretene nominalistische Auffassung (vgl. Fußnote 29, Seite 44; vgl. außerdem dazu noch Leach (1954: 5; Zitation in Oppitz [1975] 21993: 50).

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Angesichts der Extensität des aufblendbaren Spektrums möchte die Absicht absurd erscheinen, bei Lévi-Strauss in der Frage des Status des ‚Allgemeinmenschlichen‘ (bzw. der Universalien) zu eindeutigen Bestimmungen zu gelangen; solange jedenfalls, wie es einem nur um eine Darstellung der Indizien zu tun ist, findet sich die in der Universaliendebatte mögliche Skala mit sehr unterschiedlichen Positionen besetzt.250 Allerdings sollte über der offenkundigen Tatsache, daß von einem immanenten Standpunkt aus in der Universalienfrage keine stringente Linie auszumachen ist, auch wiederum nicht vergessen werden, daß externe Beurteilungsmaßstäbe, die Anwendungen zumindest nach der Art eines ausschließenden Verfahrensinstruments gestatten, durchaus existieren.251

b) Das Verfahren. Wege zur Erkenntnis des Humanums Der dem eingangs entwickelten Aspektquartett252 gefolgte Untersuchungsgang stand soweit wesentlich im Zeichen einer methodologischen, ontologischen und epistemologischen Fundierung253 der auf das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem gerichteten Vermittlungsbemühungen.254 Nun soll die Konzentration auf den noch verbleibenden, einzelwissenschaftlich-methodischen Aspekt gelenkt und auf diese Weise der Übergang zu weiteren Themenstellungen vorbereitet werden. ___________ 250

Vgl. etwa für den Standpunkt der platonischen Ontologie („ … est ante res“) nochmals mit den Begriffen vor Fußnotennummer 242, Seite 80; für den Standpunkt der aristotelischen Naturphilosophie („ … est in rebus“) mit dem Text vor Fußnotennummer 29 und Fußnote 29, Seite 44; für den nominalistischen Standpunkt („ … est vox“) mit dem Textabschnitt vor Fußnotennummer 249 auf voriger Seite. 251 Zwar liegt es nicht im Aufgabenbereich der vorliegenden Untersuchung, diesbezügliche Entscheidungen verbindlich vor-(und damit anderen ab-)zunehmen; gleichwohl lassen sie sich – gerade hinsichtlich ihrer Konsequenzen auch (und damit zum besseren Verständnis der Zusammenhänge) – exemplarisch demonstrieren: Betroffen etwa von einer Entscheidung für eine negative Metaphysikkonzeption (im Sinne Haags 1983) als eben einer Variante des „Denken[s] nach dem Zusammenbruch der großen Systeme“ (Angehrn 1996: 105; vgl. zur besseren Einordnung Haags ebd.) wären die Einschätzungen Wd. Schmied-Kowarziks (1968 bzw. 1993) (siehe Fußnote 243 a, Seite 80 ff.) und Oppitz’ ([1975] 21993) (siehe Fußnote 249 auf voriger Seite bzw. Fußnote 29, Seite 44). 252 Vgl. oben, Seite 38 f. 253 Es ging dabei um theoretische Legitimationen, die zur Richtschnur einer vernunftorientierten empirischen Forschung werden könnten. Die Sinngrenzen jeder Argumentation freilich sind stets dort abrupt erreicht, wo die Wissenschaft theoretisch fragwürdige Ansprüche – seien sie (als solche) auch eingesehen – nichtsdestoweniger mit praktischer Wirksamkeit um- und durchsetzt. 254 Wie gesagt: im wesentlichen. Berücksichtigung fand das bis dato in methodischer Hinsicht Relevante in den Untertexten auf Seite 65 f. bzw. 67 ff.

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Lévi-Strauss visiert die Frage der Erfassung der historischen und kulturellen Ausdrucksformen in einem operativ mehrfach eingeschränkten Sinne: Den Schwerpunkt seines komparativen Vorgehens bilden sogenannte primitive Ethnien, „Entitäten“ also, die in der von ihm angetroffenen bzw. untersuchten Form nicht mehr existieren; geographisch gesehen gilt dabei sein Interesse in der Hauptsache dem amerikanischen Doppelkontinent (und daraus folgt: indianischen Ethnien255).256 Der Sachverhalt, daß die von Lévi-Strauss gewählten klassisch-ethnologischen Untersuchungseinheiten in der von ihm angetroffenen bzw. untersuchten Form nicht mehr existieren257, könnte den Schluß nahelegen, die ethnographische Entwicklung depotenziere die strukturale Anthropologie zu einem Operator ohne Objekt, zu einer hinsichtlich ihrer Genese zwar aufwendigen, letztlich aber überholten Forschungsauffassung. Es darf jedoch – nimmt man einen (an dieser Stelle des Gedankengangs noch) immanenten Standpunkt ein – nicht übersehen werden, daß von Lévi-Strauss in der Bahn dieses Arguments weniger das Kriterium der Exotik258 als vielmehr das der geringen Variablenzahl zum methodisch konstitutiven erhoben wird. Komplementiert um die Annahme von der künstlichen Begrenzbarkeit der Untersuchungsgegenstände259 ergibt sich daraus eine Akzentverlagerung, die den strukturalanthropologischen Ansatz nicht länger auf das ursprüngliche und bevorzugte Studienobjekt der Ethnologie – die sogenannten primitiven Völkerschaften (mit ihrer faktisch beschränkten Größenordnung) – festlegt, sondern die ihn sozusagen ganz allgemein für das Studium sehr kleiner Untersuchungseinheiten prädestiniert und ihn auf diese Weise auch für andere Anwendungen interessant macht. Immanent gesprochen: Die Wendung erlaubt, in den heutigen Großgesellschaften entsprechende „Randgebiete ab[zu]grenzen, in denen der strukturalistische [besser: der

___________ 255

… oder schlichter gesagt: Indianern. Aber doch nicht – ein „Glaubensartikel“, den zu stiften tatsächlich Frank den Mut aufbringt – „in die Tropen abgedrängten Indianer[n]“ (1983: 62; Hervorhebung meine). – Das tolerable Maß der jedem Philosophen zugestandenen Unbedarftheit scheint einem angesichts derartig verschrobenen Weltbürgertums denn doch überschritten. In welcher Welt nur lebt Frank? 256 Weiter gehaltene bzw. anders definierte Untersuchungsfelder bieten insbesondere EStV / StEP, aber etwa auch ET / TA sowie WD / PS. 257 Sei es aufgrund ihres Untergangs (siehe dafür vor allem EV: 23 / PD: 19 f.), sei es aufgrund ihrer Transformation (siehe dafür Kohl 1988: 268 sowie ders. [1993] 22000: 93 f. und ebd.: 97: „Selbst wenn man die oft erstaunliche Resistenzkraft in Rechnung zieht, die die überlieferten sozialen und kulturellen Institutionen afrikanischer, südamerikanischer, asiatischer oder ozeanischer Lokalkulturen gegenüber historischen Veränderungen an den Tag legten, kann doch der qualitative Umschlag nicht übersehen werden, der sie mittlerweile zu Bestandteilen eines globalen Interdependenzsystems hat werden lassen.“). Für Stellungnahmen von Lévi-Strauss zur (selbstredend auch für ihn unübersehbaren) Situation der klassischen Anthropologie siehe schließlich und außerdem KA: 12 ff. / CA: 14 ff.; StAII: 65 ff. / AStII: 65 ff.; EV: 23 ff. und 253 / PD: 19 ff. und 241; Eribondt: 211 f. / Eribonfrz: 201 f. 258 Vgl. StAII: 37 ff. / AStII: 37 ff. Die Rede ist dort von einer „privilegierte[n], da aus der Entfernung erfolgende[n] Beobachtung“ (ebd.: 39 / ebd.: 39) sowie im Zusammenhang damit (und den Bezug zu Mauss herstellend) von „unverhoffte[n] Garantien für Objektivität“ (ebd. / ebd.); vgl auch ebd.: 79 / ebd.: 80. Vgl. hier außerdem Ruijter (1979 / 1991: 52). 259 Vgl. Eramodt: 254 / Eramoit: 119.

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strukturalanthropologische; H.M.S.] Ansatz möglich ist“260.261 – Mit der konträren Auffassung, daß sich in diesen modernen, äußerst komplexen Gebilden eo ipso nichts mehr erforschen ließe, wären folglich für Lévi-Strauss die Anwendbarkeitsgrenzen der strukturalen Analyse falsch gezogen. Eigentlich problematisch würde der strukturalanthropologische Ansatz für ihn erst dort, wo man zugunsten größerer Einheiten extrapolieren und die modernen Gesellschaften global, das heißt in ihrer Totalität untersuchen wollte. Denn aufgrund des enormen Zuwachses an Variablen262 gewännen die probabilistischen Ebenen, welche der strukturalen Form der Analyse unerreichbar blieben263, erheblich an Bedeutung – ein Sachverhalt, welcher die Anwendung der strukturalen Analyse erschwerte264, wenn nicht gar verunmöglichte265.266 Lévi-Strauss tritt mit der geschilderten Akzentverlagerung jeder Fundamentalkritik an strukturalanthropologischer Forschung, die sich aus dem Verweis auf veränderte ethnographische Gegebenheiten speist, entgegen. Der anläßlich der ergriffenen Maßnahmen sich aufdrängende Eindruck einer Sekundärrationalisierung indessen wird wohl bestehen bleiben. Gemessen jedenfalls an einer vormals so nachdrücklichen Auszeichnung des Kriteriums der Exotik267 vermag Lévi-Strauss’ Versicherung, jene Untersuchungen uns näherstehender Gruppierungen (beispielsweise unter der französischen Landbevölkerung) seien „weder Zuflucht noch Ersatzlösung“268, nicht recht zu überzeugen. Unberührt davon und argumentativ triftig allerdings bleibt die Feststellung, sie hätten „ihre ganz eigene Bedeutung“269.270

___________ 260

Eramodt: 254 / Eramoit: 119. Vgl. gerade hierzu dann auch Lévi-Strauss’ Verweis auf die monographische Untersuchung eines burgundischen Dorfes (Escaffitdt: 278 / Escaffitfrz: 9); siehe hier außerdem Eribondt: 99 / Eribonfrz: 95 sowie StAI: 319 f. / AStI: 324. 262 Vgl. etwa Benoistdt: 239 / Benoistfrz: 14; Eramodt: 272 / Eramoit: 124; Eribondt: 230 / Eribonfrz: 219. 263 Vgl. Eramodt: 272 f. / Eramoit: 124: „Der Strukturalismus [besser: die strukturale Anthropologie; H.M.S.] hat nie behauptet, alles sei struktural: einige Ebenen lassen eine strukturale Analyse zu, andere würde ich aleatorisch nennen; auf ihnen geschieht alles nach Wahrscheinlichkeiten.“. Siehe ebenso Eribondt: 149 f. / Eribonfrz: 143 sowie BellourII / dt: 204 / BellourII / frz: 406: „Nicht alles ist strukturiert, es muß nicht unbedingt überall Strukturen geben. Die prinzipielle Frage, die man immer stellen muß, lautet: Angenommen, es gibt eine Struktur, wo liegt sie?“ 264 Siehe Eramodt: 254 / Eramoit: 119. 265 Siehe Spiegeldt: 95. 266 Die Einhaltung der propagierten Maßstäbe vorausgesetzt, könnte dann auch jene Vorstellung, derzufolge „die auf die Ethnologie angewandte strukturale Methode […] den Ehrgeiz [habe], eine totale Kenntnis der Gesellschaften zu erzielen“ (StAI: 96 / AStI: 95), zurecht als verfehlt gekennzeichnet und zurückgewiesen werden (vgl. ebd. / ebd.: 94 f.). Siehe dazu auch ebd.: 351 / ebd.: 357 f. 267 Vgl. vorige Seite, Fußnote 258. 268 Eribondt: 213 / Eribonfrz: 203. 269 Ebd. / Ebd. 270 Es gereicht zur Überraschung, wenn man vor diesem Hintergrund erfährt, daß Lévi-Strauss sich vergleichsweise spät noch dazu bewogen fühlt, die künftige Herausforderung seines Fachs in anderem (als den von ihm gewählten Forschungsschwerpunkten) zu erkennen. Gegen Ende eines am 2. Juni 1983 an der Pariser Sorbonne gehaltenen Vortrags läßt er verlauten: „In einer ersten Phase hat sich die Ethnologie auf das Ein261

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Ein weiterer maßgeblicher Operationalisierungsschritt besteht sodann in der Isolierung spezifischer Phänomenbereiche dieser betreffenden Ethnien (es handelt sich dabei um die Bereiche: Verwandtschaft; Sozialorganisation; Onomatologie; Botanik; Zoologie; Religion; Kunst; Mythologie). Das auf diese Weise abgesteckte Feld liefert der strukturalen Anthropologie das empirische Material, auf dessen Grundlage sie nach der Erkenntnis des Humanums strebt. Wichtig zu sehen ist, daß sich ihre Konzentration dabei auf nur eine ganz bestimmte Facette richtet: auf die des menschlichen Intellekts. Diese Festlegung bildet eine erste entscheidende Spezifikation und der menschliche Intellekt entsprechend stets den Bezugssektor, von dem die Rede ist, wenn Lévi-Strauss mit dem Anspruch auftritt, „über die offenkundige Vielfalt der menschlichen Gesellschaften hinaus zu grundlegenden und gemeinsamen Merkmalen vorzudringen“271 – mit anderen Worten also: ‚Allgemeinmenschliches‘ zu erkennen; allgemeine Interpretationsprinzipien, die auf einer Metaebene die Identität empirisch verschiedener Objekte verbürgen272. Innerhalb dieses Bezugssektors wiederum sieht Lévi-Strauss den Ort dieser (von ihm dann als Invarianten bzw. Strukturen bezeichneten) Prinzipien273 – und hierin liegt eine zweite entscheidende Spezifikation – im Bereich des Unbewußten.274 ___________ fachste beschränkt, indem sie vorzugsweise kleine Gesellschaften untersuchte, deren Gerüst im wesentlichen aus der Verwandtschaftsbeziehung besteht und die für den internen Gebrauch sehr einfache Ordnungsgesetze formulieren, auch wenn diese Gesetze nur ein verzerrtes Bild der realen Prinzipien zeigen, die ihr Funktionieren und ihre Reproduktion lenken. Und wenn die Ethnologie sich an größere und komplexere Gesellschaften heranwagte, dann beschränkte sie sich auf relativ geschützte Orte, die von den Umwälzungen der Geschichte verschont geblieben sind. Für die Ethnologie ist es nun an der Zeit, sich mit den Turbulenzen zu befassen, nicht um Buße zu tun, sondern um die Erforschung der verschiedenen Ordnungsebenen auszudehnen und weiterzuentwickeln […].“ (SG: 86 f. / HE: 1230 f.; keine Hervorhebungen im Original.) 271 MII / dt: 524 / MII / frz: 408. 272 Vgl. StAI: 35 / AStI: 28. 273 Unter denselben aufzufassen hat man relativ stabile Relationen in der operationalisierten Form von Symmetrien, Oppositionen, Inversionen, Äquivalenzen, Homologien etc. (Vgl. etwa MI / dt: 51 f. / MI / frz: 39; außerdem Schulz [1972] 1980: 589.) 274 a: Vgl. dafür vor allem StAII: 97 f. / AStII: 100 und StAI: 35 / AStI: 28. b: Analog der Lokalisierung der Phoneme in der strukturalen Linguistik. (Siehe dazu erneut auch StAI: 35 / AStI: 28, ferner ebd.: 45 / ebd.: 40; siehe daneben in dem Kontext die Arbeit Walitschkes 1995.) Im Zuge dieser Analogisierung übernommen wurde von Lévi-Strauss noch die das linguistische Modell ebenfalls ausweisende nähere Bestimmung des Unbewußten (vgl. MI / dt: 25, Fußnote 3 / MI / frz: 19, Fußnote 1); als entscheidende Bezugsquelle für letzteren Vorgang anzuführen gälte es dabei folgenden Passus aus Ricœur (1969 b / 1973 b bzw. 1963): „Die linguistischen Gesetze beziehen sich auf eine unbewußte und in diesem Sinn nicht-reflexive, nicht-geschichtliche Ebene des Geistes. Dieses Unbewußte ist nicht das Freudsche Unbewußte des Triebes, des Wunsches in seinem Vermögen der Symbolisierung, [es ist mehr ein Kantsches als ein Freudsches Unbewußtes, ein kategoriales, kombinatorisches Unbewußtes; […]; H.M.S.].“ (1969 b /

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Begrifflich variierend, wird von ihm der Erkenntnisgang der strukturalen Anthropologie auch als das Bemühen, „eine Ordnung hinter dem zu finden, was sich uns als Unordnung zeigt“275, gekennzeichnet. Stimmt man diese Sequenz ab auf die obigen Festlegungen, dann ergeben sich dafür folgende Bezüge: Der Begriff ‚Unordnung‘ repräsentiert die bewußten Vorstellungen, die sich Individuen als Angehörige einer bestimmten kulturellen Gruppierung von ihren Regeln, Institutionen und Bräuchen276 machen, insofern also Spezielles; der Begriff ‚Ordnung‘277 demgegenüber die diesen (diversen) Vorstellungen zugrundeliegenden, das heißt auf unbewußter Ebene existierenden und universal (gewissermaßen transindividuell wie -kulturell, im fremden bzw. „primitiven“ wie im eigenen bzw. „zivilisierten“ Denken gleichermaßen) wirksamen Gesetzmäßigkeiten278, insofern also Allgemeines. Daher kann Lévi-Strauss auch erklären: „Der Übergang vom Bewußten zum Unbewußten läuft neben einem Fortschreiten vom Speziellen zum Allgemeinen her.“279

Hinweise auf eine Letztbegründung dieser allgemeinen Gesetzmäßigkeiten sind schließlich am prägnantesten280 in zwei Schriften auszumachen: Während in ‚Das Ende des Totemismus‘ vom „direkten Ausdruck der Struktur des Geistes (und hinter dem Geist zweifellos des Gehirns)“281 die Rede ist, spricht Lévi-Strauss in ‚Das wilde Denken‘ von „physiko-chemischen Bedingungen“282. – Beide Textstellen zeugen folglich und auf unmißverständliche Weise von einem naturwissenschaftlich-reduktionistischen Kern der strukturalen Analyse.283 Was sich so wie eine erste und generelle Bestandsaufnahme liest, darin aber auch nicht für mehr denn eine geraffte Rekapitulation von Bekanntem gelten kann, erweist sich – deckungsgleich (einerseits) mit Lévi-Strauss’ kulturwissen___________ 1973 b: 44 bzw. 1963: 9; keine Hervorhebungen im Original.) – Leach (1970 / 1971: 56) demgegenüber spezifiziert mit Blick auf Lévi-Strauss ein ‚kollektives Unbewußtes‘ (im Original umgekehrte Hervorhebung). 275 MB: 23 / MM: 11; keine Hervorhebung im Original. 276 Siehe StAI: 35 f. / AStI: 28 f. 277 Hier entsprechend also – anders als im Kontext von Fußnote 24, Seite 42 – eine ontische Größe. 278 Bezug genommen ist damit auf die Gesamtheit der Mechanismen und Konditionen, die das Funktionieren des Bewußtseins bestimmen – im Sinne zumindest des intendierten Objekts der Lévi-Strauss’schen Analysen. So nach der Auffassung Ruijters (vgl. ders. 1979 / 1991: 28). 279 StAI: 35 / AStI: 28. 280 Vgl. daneben etwa auch noch StAI: 107 und 109 / AStI: 106 und 108. 281 ET: 117 / TA: 130; keine Hervorhebung im Original. 282 WD: 284 / PS: 327; keine Hervorhebung im Original. 283 Vgl. hierzu auch Wd. Schmied-Kowarzik (1980: 81 f.); außerdem dessen Kontrastverweis auf Mircea Eliade sowie auf Walther Schmied-Kowarzik als zweier Autoren einer ‚Sinndeutung mythischen Denkens‘ (ebd.: 81).

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

schaftlichem Selbstverständnis, kompatibel (andererseits) mit den Erwartungsgewohnheiten gängiger Rezeption – als Bestandteil einer strukturalanthropologischen Forschungsperspektive.284 Bewertet man diese Perspektive im Anschluß an die zitierten Überlegungen Kondylis’285 unter geistesgeschichtlichen Prämissen, so erscheint ihr einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant – die strukturale Anthropologie – nicht länger als ein beliebiges Fallbeispiel unter anderen, sondern als Bestandteil einer konkreten Antwort auf das bzw. als Bestandteil einer konkreten Gegenposition zu dem, was bei Lévi-Strauss gerne unter dem Label der Subjekt- bzw. Bewußtseinsphilosophie286 projiziert wird (genaugenommen jedoch dem einzelwissenschaftlich-methodischen Pendant der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Position entspricht). Das Interessante, Entscheidende und (gemessen an den soweit erbrachten Resultaten) zugleich Frappierende ist nun aber dies, daß Lévi-Strauss sich nicht nur gegen jene andere Position (bzw. genaugenommen: gegen deren einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant) verwahrt: In der Schrift ‚Das wilde Denken‘ nimmt er sie – in damit zwar verhältnismäßig bescheidenem Umfang, aber in eben doch unverkennbarer Weise und mit dem Unterschied: es geschieht dies nicht explizit – auch tatsächlich selbst ein. Oder um das, was an dieser Stelle (und bis auf weiteres) den Charakter einer Vorankündigung behalten wird, in der hier angemessenen, einzelwissenschaftlich-methodischen Hinsicht zu spezifizieren: In der Schrift ‚Das wilde Denken‘ geht Lévi-Strauss’ Versuch außerdem dahin, über die inverse Maxime zu Verallgemeinerungen zu gelangen; es geht ihm dort (bezeichnenderweise übrigens unter wiederholter Verwendung des Ordnungsbegriffs)287 darum, den Nachweis eines Gattungsuniversalen, also Allgemeinen, auf der Ebene gerade auch der bewußten Tätigkeit ‚des menschlichen Geistes‘288 zu erbringen. Um Mißverständnisse von vornherein auszuschalten, sei dazugesagt, daß das Problem bei diesem Vorfall nicht in dem Widerspruch liegt, der entsteht durch ___________ 284 Eine treffende Ergänzung zu einer bereits zitierten, von mir mit Einschüben versehenen Äußerung Lévi-Strauss’ (vgl. vor Fußnotennummer 46, Seite 48) liefert an dieser Stelle folgendes weitere Zitat von ihm, diesmal aus einem Spiegel-Interview: „Wir stellen uns auf eine Ebene unbewußter oder unvollkommen bewußter Phänomene ein, auf der gewisse klassisch-traditionelle Probleme der Menschheit verschwinden.“ (Spiegeldt: 94.) 285 Vgl. zur Erinnerung oben, Seite 52 f. 286 Siehe hierzu nochmals die Zitation vor Fußnotennummer 39, Seite 46. 287 Näher dazu im zweiten Kapitel (‚Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten‘); vgl. unten, Seite 117. 288 … um diesen geläufigen Ausdruck Lévi-Strauss’ zu gebrauchen (siehe hier besonders StAI: 94 / AStI: 91) …

III. Beschluß

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die Nullifizierung einer philosophischen Position einerseits und deren gleichzeitige logische Voraussetzung andererseits289, sondern in dem Widerspruch, der entsteht durch die Abqualifizierung einer kulturwissenschaftlichen Position einerseits und eine (zumindest nicht mehr Notwendigkeiten logischer Art gehorchende) persönliche Entscheidung für eben diese andererseits. Genau in diesem Zusammenhang stößt darum auch die Erklärungskraft der Kondylis’schen Argumentation an neuerliche Grenzen290: Die These vom polemischen Charakter des Denkens vermag (in ihrer vorliegenden Definition) zwar zu erklären, weshalb über der Hitze des Gefechts die logischen Voraussetzungen der eigenen Position „vergessen“ werden. Auch vermag sie in einer generellen Hinsicht die Entstehung von Vielfalt und Multidimensionalität zu erklären, indem sie auf den ‚Kampf‘ und die ‚wechselnde Gruppierung nach der Freund-Feind-Beziehung‘ verweist.291 Nicht dagegen vermag sie zu erklären, wie die jeweils wechselnde Gruppierung zustandekommt und weshalb vor allem im speziellen Einzelfall es (gewissermaßen) zur Kooptation bzw. Integration einer Front kommt, der man ehedem mit einer bis zur Unsachlichkeit gesteigerten Aufgeladenheit gegenüberstand.

III. Beschluß Das entwickelte Programm vermochte einen hermeneutischen Hintergrund zu liefern, vor dem nicht nur (wie bereits hervorgehoben)292 die Vielfalt anthropologischer bzw. kulturwissenschaftlicher Forschungsmethoden als die Variation eines bestimmten Themas erscheint – dergestalt, daß diese Methoden prinzipiell gleichberechtigt nebeneinanderstehen –, sondern vor dem auch darstellbar wird, daß Lévi-Strauss selbst sich keineswegs mit der strukturalen Anthropologie als eben einer Antwort auf jenes Thema begnügt. Die Argumentation allerdings blieb auf jener ersten Stufe der Präsensibilisierung nicht stehen: Denn nicht nur wollte sie in einer allgemeinen Hinsicht Aufmerksamkeit dafür gewinnen, daß die Forschung zu kurz greift, wenn sie den Namen ‚Lévi-Strauss‘ ausschließlich mit ‚strukturaler Analyse‘ ineinssetzt bzw. wenn sie mit diesem Namen keine weiteren, das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem be___________ 289

Vgl. hierzu nochmals meine Argumentation auf Seite 56 f. Vgl. bereits den Untertext auf Seite 53 ff. 291 Vgl.: „Die spannungsreiche Vielfalt der Epoche wird […] selbstverständlich, wenn man die These vom polemischen Wesen des Denkens ernst nimmt und einsieht, daß jede Position eine Gegenposition nach sich ziehen muß, ja daß jede Position als Gegenposition entsteht. Der Kampf und die wechselnde Gruppierung nach der FreundFeind-Beziehung erklären […] die Vielfalt in allen großen Epochen der Geistesgeschichte […].“ (Kondylis 1981: 24; keine Hervorhebungen im Original.) 292 Vgl. Seite 36. 290

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Erstes Kapitel: Propädeutik zur Lévi-Strauss’schen Universalienforschung

treffenden Vermittlungsaktivitäten zu verbinden weiß; sondern es ging ihr zusätzlich auch um eine nähere Bestimmung jenes in den Fokus Beförderten, das heißt, es lag darüber hinaus auch in ihrer Absicht, deutlich werden zu lassen, daß jenes von Lévi-Strauss neben der strukturalen Forschungsdevise Verfolgte genau in einer Kontraposition besteht. Nur über einen differenzierten Umgang mit ihrem gewissermaßen selbstverständlichen Verhandlungsgegenstand – der strukturalen Anthropologie – schien sich mir daher die Argumentation dem Punkt entgegensteuern zu lassen, an dem die Konfrontation mit jener zweiten Spezifizierung (denkt man von den Implikationen her)293 die Chance hat, nicht mehr als Resultat einer Verwechslung aufgefaßt und somit anerkannt bzw. unverstellt in den Blick genommen zu werden. Mit der Behauptung, daß Lévi-Strauss die Gültigkeit der Kondylis’schen These sozusagen in Personeinheit demonstriert, ist nun allerdings auch ein Punkt erreicht – um damit bereits aus der Warte anstehender Topik zu urteilen –, an dem sich das Potential des bisherigen Operationsrahmens erschöpft. Abgeschlossen sei diese Vorunterweisung mit der Vorausbemerkung, daß beide (der zuletzt in grober Lineatur skizzierten bzw. nicht mehr als gerade angezeigten) Varianten der Vermittlung zwischen Allgemeinem und Besonderem nur jeweils als Bestandteile eines größeren Zusammenhangs wiederkehren, wobei das, was dann mit ihnen zu verbinden ist, erst Zug um Zug Kontur gewinnen wird.

___________ 293 Es versteht sich von selbst, daß Lévi-Strauss auf diese Weise die unter seinen Prämissen marginalisierten und seiner offiziellen Argumentation zuwiderlaufenden Problembestände im Umfeld des Subjekt- bzw. Bewußtseinsbegriffs reaktualisiert. – Mit nochmaligem Blick auf Seite 46 ff. ist dies schwerlich nur als Petitesse einzustufen.

Zweites Kapitel:

Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung I. Das Ausgangsproblem: Methodischer Struktur- und Subjektstandpunkt. Die Existenz faktisch zweier Verfahren Über eine Auseinandersetzung mit seinem strukturalanthropologischen Engagement hinaus war zuletzt auch für Lévi-Strauss’ Versuch sensibilisiert worden, auf der Ebene der bewußten Phänomene Sachverhalte nachzuweisen, welche das fremde („primitive“) wie das eigene („zivilisierte“) Denken gleichermaßen kennzeichnen und die insofern dann – das heißt im erwiesenen Falle – als allgemein geltende sich dürften begreifen lassen. Eine unter Akzentuierung dieser Ankündigung vorgenommene Rekapitulation des mit der ‚Propädeutik‘ Erarbeiteten macht zunächst einmal ersehen: Der designierte Tatbestand stellt eine Herausforderung eigener Art nicht nur insofern, als er aufs schärfste mit dem von Lévi-Strauss gepflegten wissenschaftlichen Image kollidiert, sondern auch insofern, als er (was kaum verwundert) mit den gängigen Fremdeinschätzungen nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.1 Zugleich aber wird anhand dieser Feststellung auch unübersehbar, inwiefern die Programmatik der ‚Propädeutik‘ im Umgang mit der durch dieses weitere Verfahren erzeugten Konstellation eine Argumentationsgrenze erreicht: Ihren Interimsstatus bringt sie damit zum Ausdruck, daß innerhalb ihres Rahmens unverständlich bleiben muß, weshalb Lévi-Strauss offensichtlich auch auf nachgerade das sich einläßt, wogegen er vom Standpunkt seiner kulturwissenschaftlichen Wahlheimat aus doch permanent zu Felde zieht.

___________ 1 Zur Sprache gebracht ist damit ein Sachverhalt, in dem möglicherweise die Gründe dafür zu suchen sind, daß die angedeutete Alternative als solche kaum rezipiert (so sie überhaupt gesehen) wird. [Nicht mehr als aufgehoben sehen darf man sie in Stierles Hinweis auf die durch Lévi-Strauss in ‚La pensée sauvage‘ vollzogene genaue Umkehrung des Verhältnisses von Struktur und Manifestation; vgl. ders. (1971: 457). (Vgl. hier auch Jamme 1991 a: 110 bzw. 1991 b: 123.)]

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

II. Der neue Kontext: Ein Bewertungskontext Die Einschätzung der geschilderten Situation wandelt sich zu einer differenzierteren, wenn man daran geht, die mit der bisherigen, konventionellen Betrachtung übernommenen Engführungen zu suspendieren zugunsten einer Vergewisserung der näheren Modalitäten, unter denen neben den im Bereich der unbewußten die im Bereich der bewußten Phänomene wirksamen Erkenntnismechanismen Relevanz beanspruchen. So ist der gemeinsame Verhandlungsort der bezeichneten Varianten – die Schrift ‚Das wilde Denken‘ – eben dadurch zu charakterisieren, daß es dort unterderhand, aber durchaus intendiertermaßen zu kontextuellen Überlagerungen kommt: und zwar in der Form, daß sich vor den gewohnten Topos einer in traditionellen Feldern der Ethnologie unternommenen Ermittlung bzw. Erkenntnis von intellektuellen Aspekten des Humanums (Thema eines Kontexts) der Topos der Bewertung des intellektuellen Vermögens der untersuchten Kulturen anhand der dabei erzielten Resultate (Thema eines weiteren Kontexts) schiebt. Für die Einschätzung der geschilderten Situation wird dieser Vorgang deshalb zu einem Ereignis von wirklich einschneidender Bedeutung, weil LéviStrauss sich innerhalb dieser beiden, thematisch gesehen verschiedenen Kontexte auf jeweils unterschiedliche Polemiken einläßt. Sorgte die innerhalb des an erster Stelle genannten Kontexts ausgetragene Polemik dafür, daß sein alternatives „Engagement“ als das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant einer subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Position erschien und damit sozusagen zwangsläufig und ausschließlich als Gegenentwurf zur strukturalen Analyse als des einzelwissenschaftlich-methodischen Pendants einer strukturalistischen Position – insgesamt jedenfalls als Bestandteil einer problematischen Konstellation, insofern die jeweiligen philosophischen Positionen als miteinander unvereinbar empfunden wurden –, so ist die Polemik des an zweiter Stelle genannten Kontexts als ausschlaggebend dafür zu erachten, daß in der Wahrnehmung des problematisierten Verfahrens resp. der Stellung, welche die beiden bisher genannten Verfahren zueinander einnahmen, eine Verschiebung hin zu einer gewissen Harmonisierung stattfindet. Von einem formalen Standpunkt aus hat man sich diese Veränderung so vorzustellen, daß innerhalb jenes zweiten Kontextes die beiden bisher genannten Verfahren sich nicht mehr als einander widerstreitende gegenüberstehen, sondern daß sie dort die beiden komplementären Bestandteile einer nunmehr einzigen Position bilden, die sich ihrerseits im konfliktären Verhältnis mit einer weiteren (aus Sicht des ursprünglichen Kontextes: neuen bzw. dritten) Position befindet. Die inhaltliche Entsprechung davon ist, daß Lévi-Strauss anhand der über beide Verfahren erzielbaren Resultate eine Aufwertung des intellektuellen Vermögens sogenannter Primitivkulturen intendiert, was in wissenschaftshistorischer Betrachtung eine Re-

II. Der neue Kontext: Ein Bewertungskontext

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aktion auf Lévy-Bruhls2 Theorie einer primitiven Mentalität darstellt3. LéviStrauss bringt aus dieser Perspektive also eine andere Absicht zum Ausdruck: die Absicht, Lévy-Bruhls auf Abwertung zielende Argumentation zu entkräften bzw. hierzu zumindest ein Gegengewicht herzustellen.4 Dabei scheint er nach dem Motto zu verfahren, daß es solange als legitim gelten darf, die Aufwertung des „primitiven“ Denkens zu einer Funktion (also einer abhängigen Größe) der induktiv zu erweisenden Verallgemeinerungsfähigkeit ausgesuchter Kriterien zu machen, wie umgekehrt die unterstellte Unmöglichkeit deren Generalisierung als Basis einer Abwertung dienen konnte. Seinen deutlichsten Widerschein hat der Impetus jener zweiten Polemik in der Schlußsequenz der Schrift ‚Das wilde Denken‘ – dort, wo Lévi-Strauss zu erkennen gibt, worin für ihn das Zentralanliegen dieser Monographie besteht; darin nämlich, „die Prinzipien dieses [i. e.: des ‚wilden‘ bzw. des sogenannten primitiven5; H.M.S.] Denkens zu legitimieren und es wieder in seine Rechte einzusetzen“6.

Eine eigene Kennzeichnung erfährt dieselbe Ausrichtung durch Didier Eribon, indem er in der Diskussion um diese Schrift von der „Rehabilitierung des [‚]primitiven[‘] Denkens“7 spricht.8 Gewärtigen muß ich bei dieser Auslegung – die offensichtlich auch die Auslegung Eribons (oder etwa Leachs9) ist – einen Einspruch gegen die Ineinssetzung von ‚wildem‘ und „primitivem“ Denken; einen Einspruch, der auf der von Lévi-Strauss abgegebenen Erklärung gründete, wonach man unter dem ‚wilden‘ Denken nicht das „Denken der

___________ 2

Diesem schlägt Lévi-Strauss in der Folge noch Sartre zur Seite (vgl. WD: 289 / PS:

332). 3 Vgl. hierzu auch WD: 308 / PS: 355. Vgl. in dem Zusammenhang außerdem Jamme (1991 a: 64 und 105) bzw. (1991 b: 95 f. und 120). 4 Indirekt vermittelt dies auch die Interpretation Leachs (1970 / 1971), indem sie die „wichtigste These des Buches“ (ebd.: 92) in der Behauptung zusammenfaßt, daß der Rezipient irre, wenn er „Lévy-Bruhl (und davon abgeleitet Sartre) folg[e] und glaub[e], daß es einen historischen Gegensatz zwischen der ‚prä-logischen‘ Mentalität der Primitiven und der ‚logischen‘ Mentalität des modernen Menschen [gebe]“ (ebd.). 5 Vgl. für die parallele Verwendung WD: 308 / PS: 355. 6 Ebd.: 310 / Ebd.: 357; keine Hervorhebung im Original. 7 a: Eribondt: 160 / Eribonfrz: 154; keine Hervorhebung im Original. b: Die in Eckklammer hinzugesetzten Anführungszeichen indizieren keine auf Eribon gemünzte Unterstellung, sondern die Emendation eines offenkundigen orthographischen Fehlers. 8 Von Lévi-Strauss selbst dagegen wird der Begriff ‚Rehabilitierung‘ bzw. ‚Rehabilitation‘ – soweit ich dies zu beurteilen vermag – nirgendwo ausdrücklich eingeführt. (Dessen Gebrauch in CP – vgl. ebd.: 349 – etwa erfolgt nicht im Sinne einer unmittelbaren Kennzeichnung seiner Angelegenheiten.) 9 Vgl. Leach (1970 / 1971: 92 ff.).

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

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Wilden“10, sondern das „Denken im wilden Zustand“11 zu begreifen habe. Indem LéviStrauss so definiere – darin bestünde das zentrale Argument –, bezeichne er einen bestimmten, nämlich dem Bereich des Sinnlichen verhafteten Denkstil12, dessen Erkennungsmerkmale jedoch (in wenn auch unterschiedlicher Form) in allen Kulturen auszumachen seien13; eine Form des Denkens, die folglich auch keinerlei prädikativen Charakter besitze in dem Sinne, daß sie einem bestimmten Teil der Menschheit als spezifisch zuzuschreiben wäre14. Der Einwand – würde er denn erhoben – zielt insofern ins Leere, als er von einer falschen Prämisse seinen Ausgang nimmt. Er setzt voraus, daß die Ineinssetzung von ‚wildem‘ und „primitivem“ Denken als ein Interpretament für die Widerspiegelung von Identischem fungiert. Dies ist natürlich nicht der Fall; und dementsprechend auch würden mit den vorgebrachten Argumenten offene Türen eingerannt. Zunutze macht sich meine Interpretation allein die Tatsache, daß das ‚wilde‘ gegenüber dem „primitiven“ Denken den umfassenderen Begriff darstellt, den Umstand, daß das Verhältnis von ersterem zu letzterem charakterisierbar ist als ein Verhältnis von Ober- zu Unterbegriff. Indem daher von mir behauptet wird, daß dort, wo von einer Rehabilitierung des ‚wilden‘ Denkens die Rede ist, diese Rede automatisch auch die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens in sich schließt, ist folglich anerkannt und bleibt folglich eingelöst, daß nur in diesem Sinne beider Begriffe Synonymisierung gilt. Teil meiner Interpretation ist darüber hinaus, daß ich die Auffassung, derzufolge das ‚wilde‘ Denken „überhaupt keinen prädikativen Charakter“15 habe – eine der Monographie nachgeschobene Erklärung, mit der Lévi-Strauss zu verstehen gibt, wonach man sich auslegungstechnisch zu richten habe –, hinsichtlich ihrer Radikalität für inakzeptabel halte.16 Denn aus Lévi-Strauss’ Argumentation kann auch eine Kehrseite erschlossen werden: die Auffassung, daß das Denken der „Primitiven“ im Modus des ‚wilden‘ Denkens sich erschöpft. Zu sagen, das ‚wilde‘ Denken sei jener Denktypus, der sich in seiner Verbreitung nicht auf die „Primitiven“ beschränke, insofern auch bei den „Zivilisierten“ diese Form der intellektuellen Betätigung sich halte17, ist mithin Ausdruck eines einseitigen, effektiv halbierten Sachverhalts. Zu ihrem vollen Verständnis verlangte die Definition des ‚wilden‘ Denkens nicht weniger auch zu sagen, daß es sich dabei um eben jenen Modus handelt, der das Denken der „Primitiven“ ausschließlich bestimmt, insofern dort das ‚domestizierte Denken‘18 – jener von Lévi-Strauss eingeführte Differenzbegriff und zentrale Bestandteil im Denken der „Zivilisierten“ – fehlt. Lévi-Strauss’ Entscheidung, das ‚wilde‘ Denken als ‚Denken im wilden Zustand‘ zu definieren, bleibt daher in einer kritisch ergänzten Hinsicht durchaus kompatibel mit dem bibliographisch

___________ 10

WD: 253 / PS: 289. Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 12 Vgl. Ricœur (1969 b / 1973 b: 53) bzw. (1963: 15). 13 Vgl. sinngemäß Ricœur et al.dt: 120 / Ricœur et al.frz: 635 f. 14 Vgl. ebd.: 118 / ebd.: 634. 15 Ebd. / Ebd. 16 Dieselbe Auslegung gilt offensichtlich bei Godelier (1973 / 1973: 67 f.). 17 Vgl. WD: 29 / PS: 26. – In jener Form, die Lévi-Strauss als ‚bricolage (Bastelei)‘ (ebd. / ebd.; Hervorhebung im Original) bezeichnet. 18 Vgl. ebd.: 253 / ebd.: 289. Siehe dazu etwa auch Schiwy (1971: 50) sowie ders. ([1969] 21984: 51). 11

II. Der neue Kontext: Ein Bewertungskontext

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früher aufgebauten Gegensatz zwischen „Primitiven“ (bzw. „Wilden“) und „Zivilisierten“19.20 Ist die Chose erst einmal von beiden Enden her gelesen, dann ist auch kaum mehr zu verhindern, daß sich Reserviertheit einstellt, wenn Lévi-Strauss für das ‚wilde‘ und für das ‚domestizierte‘ Denken verschiedene strategische Niveaus postuliert, ohne dabei näher zu spezifizieren21. Denn wodurch genau zeichnet sich strategisches Vorgehen aus? Allgemein kann hier gelten: Der Begriff Strategie – bekanntlich militärischer Provenienz – impliziert Modifizierbarkeit hinsichtlich des Umgangs mit dem Gegebenen.22 Der strategisch Handelnde – mit anderen Worten – operiert auf der Grundlage reeller Verfügbarkeiten, auf der Grundlage mindestens einer hic et nunc vorhandenen (und nicht einer nur theoretisch denkbaren) Entscheidungsoption. Oder um die Antwort nochmals anders zu fassen: Strategisch handelt, für wen auch die Bedingung solchen Handelns – die Existenz einer (oder mehrerer) Alternative(n) – als erfüllt zu betrachten ist.23 – In der Übertragung auf den gegenwärtigen Kontext hat dies zu bedeuten: Nur dort, wo beide Modi intellektueller Welterschließung und -verfügbarmachung historisch instituiert sind, kommen Entscheidungen überhaupt in Frage und kann folglich auch erst und eigentlich von Strategie gesprochen werden. Genau dies aber entspricht im Hinblick auf die „Primitiven“ den ethnographischen Fakten nicht; denn deren Festgelegtheit auf tatsächlich einen Modus des Denkens24 bildet nun einmal, ohne daß daran irgendwie zu rütteln wäre, ein Kriterium, das der strategischen Bedingung geradewegs entgegensteht. (Empirisch belegt werden können müßte – wenn man es sozusagen je darauf anlegen wollte – der freilich konstruierte Fall, daß die „Primitiven“ im Zuge ihres Konfrontiertwerdens mit den „Zivilisationskreisen“ sich das ‚domestizierte‘ Denken angeeignet haben würden25, um sich dann wiederum – damit sie ihre „Primitivität“ anaklitisch restituierten – von dieser Form des Denkens einschließlich aller damit verbundenen Konsequenzen26 zu distanzieren.) Somit mag abschließend folgende Feststellung getroffen zu werden: Das Prädikat des strategischen Angehens der Phänomene bliebe, wollte man es in diesem Zusammenhang denn überhaupt vergeben, ausschließlich den „Zivilisierten“ vorzubehalten.

___________ 19

Vgl. Charbonnierdt / Charbonnierfrz . Mit dieser Auffassung folge ich also nicht ganz der Argumentation Ricœurs (vgl. dazu ders. 1969 b / 1973 b: 53 bzw. 1963: 15). 21 a: Siehe WD: 27 / PS: 24; vgl. außerdem Ricœur (1969 b / 1973 b: 53 bzw. 1963: 15). b: Es gilt dies auch mit Blick auf den durch Lévi-Strauss in analogem Zusammenhang verwendeten Begriff der ‚Wahl‘ (Naumanns Übersetzung) bzw. (bei wörtlicher Übersetzung) des ‚Entschlusses‘ (vgl. WD: 272 / PS: 312). 22 Vgl. Clausewitz ([1832 ff.] 1980: 178). 23 Vgl. hierzu auch Horton (1967: 162): „[…] nur wo es Alternativen gibt, kann es eine Wahl geben […].“ 24 Vgl. hierzu erneut Horton (ebd.: 155 bzw. 162). 25 Was dann als Hintergrund auch anderes voraussetzte als nur eine ‚erste Berührung‘ (vgl. Mühlmann 1961 b: 291). 26 Im Sinne Mühlmanns (1961 b) ausgedrückt: auf ‚komplex-qualitative‘ (vgl. ebd.: 292), gleichsam ununterschiedene (vgl. ebd.) Weise. 20

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

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III. Aufbereitung des induzierten Problemstands 1. Vorvergegenwärtigung Wird nun in dem Wissen um die offenkundig auch kontextuelle Komplexität der Lévi-Strauss’schen Argumentation der mit dem Ausgang der ‚Propädeutik‘ festgemachte Problemgehalt erneut reflektiert, so wird manifest, (nicht allein daß, sondern mehr noch und vor allem:) in welchem Sinne der eigentliche Stein des Anstoßes – Lévi-Strauss’ Konzentration des Interesses auch auf die Ebene der bewußten Tätigkeit des menschlichen Geistes (resp. seine damit verbundene Anerkennung der cartesischen Tradition) – den Schnittpunkt unterschiedlicher Linien bildet. Tatsächlich zerfällt die sich um dieses Ereignis zentrierende Problematik in mehrere Teilaspekte, deren Abhandlung zu voneinander unabhängigen, jeweils für sich bedeutsamen Feststellungen führt. Dazu nun der Reihe nach.

2. Der Sachaspekt. Zur prinzipiellen Plausibilisierbarkeit der problematisierten Konstellation Die These vom polemischen Charakter des Denkens besagte mit Kondylis, daß „jede Position als Gegenposition entsteht“27. Verstehen konnte man darunter, daß ein bestimmtes Denken sich niemals als autozentrierter und darin sich selbst genügender, sondern stets als relationaler Prozeß vollzieht; daß dieser Prozeß seinen entscheidenden Motor darin hat, ein alternatives Denken zum mindesten gegenzubalancieren; daß eine Position immer schon als Bestandteil einer polemischen Konstellation aufzufassen ist. Unter der Bedingung eines erweiterten Arbeitshorizonts kann dieses Verständnis nicht mehr befriedigen. Zwar veranlaßt der vorgerückte Stand der Information keine Korrekturen; entlang der Einführung eines neuen Kontextes aber sollte ebenso auch deutlich geworden sein, inwiefern Vergegenwärtigungen solcher Art einer noch eingehenderen Bestimmung zuzuführen sind. Im einzelnen ist folgendes zu bedenken (siehe parallel dazu die tabellarische Darstellung der unterschiedlichen Kontexte auf den Seiten 98 und 99): – Eine Position ist nicht daraufhin festgelegt, in nur einer Konstellation eine Rolle zu spielen. Als Bestandteil welcher Konstellation eine Position fallweise gesehen wird, ist eine Frage der Wahrnehmung, also eine Frage, die abhängig ist von den jeweiligen Kontexten und Perspektiven, die der Betrachter einnimmt bzw. in denen er sich befindet. ___________ 27

Kondylis (1981: 24). Vgl. Seite 89, Fußnote 291.

III. Aufbereitung des induzierten Problemstands

97

– Auch ist es keineswegs ausgemacht (und auch insofern wiederum eine Frage der Wahrnehmung), was im einzelnen einem überhaupt als Position gilt. Denn Position sein kann zum einen ein Standpunkt, der für sich selbst (als einzelner) den Bestandteil einer polemischen Konstellation bildet; Position sein aber kann zum anderen auch ein Standpunkt, der entweder als ein subsumierender weitere Standpunkte unter sich vereinigt – Standpunkte, die untereinander in einem dann sozusagen alliierten Verhältnis stehen –, oder aber ein Standpunkt, der als ein selbst subsumierter einen der Bestandteile eines eben solchen Verhältnisses definiert.28 – So erklärt es sich, daß dem Betrachter eine Konstellation bald als problematisch (die betreffenden Positionen werden als miteinander unvereinbar empfunden), bald als unproblematisch (die betreffenden Positionen werden als miteinander vereinbar empfunden) erscheint. Damit aber ist fürs erste festzuhalten: Wenn ein Wechsel des Kontextes bzw. der Perspektive aus den genannten Gründen ursächlich dafür sein kann, daß sich vormals als inkonsistent Empfundenes in dann als konsistent empfundener Weise neu ordnet, dann besteht das Problem der Nichtverortbarkeit eines Verfahrens bzw. der Unvereinbarkeit von Verfahren – entgegen allem ersten Anschein – nicht (bzw. zumindest nicht mehr) schlechterdings.

3. Der Personaspekt. Zur Denkwürdigkeit der Lévi-Strauss’schen Argumentation Daß ein Wechsel des Kontextes bzw. der Perspektive das Problem der Nichtverortbarkeit eines Verfahrens bzw. der Unvereinbarkeit von Verfahren prinzipiell lösen kann, ist eine Sache. Eine andere Sache ist, daß ein solcher Wechsel das genannte Problem für den Betrachter tatsächlich nur dann auch wirklich löst, wenn von ihm vorgängig dazu dessen Bedingung – die prinzipielle Disponibilität von Kontexten bzw. Perspektiven – überhaupt als eine gegebene empfunden wird. Genau letzteres jedoch ist in der causa ‚Lévi-Strauss‘ nicht der Fall. Verhindert wird dieses Empfinden durch jene affektive Macht der Vereinnahmung und Erwartungsregulierung, die ausgeht von der eskalierenden Dynamik seiner (in den Strudel der ersten Polemik geratenen) Argumentation. ___________ 28 Die unter einem gemeinsamen Nenner zum Ausdruck kommende einheitliche Ausrichtung von Standpunkten darf dabei nicht mißverstanden werden: Keinesfalls stellt sie – Kondylis (1981: 24) weist darauf hin – ein Indiz gegen die polemische Funktion des Denkens dar. Vielmehr ist der einheitsrepräsentierende Nenner selbst polemisch bedingt, das heißt, er besteht nur solange, wie zu ihm (als Position) eine Gegenposition existiert.

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

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Tabelle 1 Ursprünglicher Kontext Thema

Ermittlung bzw. Erkenntnis der intellektuellen Aspekte des Humanums hinter den Ausdrucksformen fremder Kulturen

Grundfrage Welche diesbezüglichen Strategien existieren? Polemik

Fokussierte diesbezügliche Strategien (je nach eingenommener Perspektive: Position bzw. Gegenposition) und deren Vertreter: Lévi-Strauss

Lévi-Strauss

einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant der strukturalistischen Forschungsstrategie (= auf der Ebene der unbewußten Phänomene unternommener Versuch der Ermittlung bzw. Erkenntnis des Humanums)

einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant der subjektbzw. bewußtseinsphilosophischen Forschungsstrategie (= auf der Ebene der bewußten Phänomene unternommener Versuch der Ermittlung bzw. Erkenntnis des Humanums)

Polemik ist ihrer Natur nach janusgesichtig. In ihren Grenzen gehalten, vermag sie Diskurse voranzutreiben und auf diese Weise Themenfelder auszuweiten sowie zu strukturieren; dies ist ihre positive Kraft, auf die Kondylis insbesondere und zu Recht29, aber mit einseitigem Akzent hingewiesen hat. Nach der anderen Seite hin birgt sie die Gefahr des sich Versteigens im Tendenziösen, inklusive der damit verbundenen negativen Nach- und Nebenfolgen.30 Der von ihr ausgehenden Gefahr indessen erliegt man (heißt: Lévi-Strauss); keinesfalls verschafft sie sich von selbst Bahnung; und daß dem so ist, bildet daher auch an dieser Stelle wieder den Anlaß zu kritischer Einmischung.

Erinnert werden muß in diesem Zusammenhang zunächst an die für LéviStrauss typische Entschiedenheit im Bekenntnis persönlicher wissenschaftlicher Präferenz31, sodann aber und vor allem auch an die dieser korrelierende Maßlosigkeit und Unbeherrschtheit der Kritik am Nichtpräferierten32 – das heißt an eine Form der Kritik, welche in der Weise ihres Zugs zum Bodenlosen für den ___________ 29

Siehe erneut Seite 89, Fußnote 291. a: Siehe dazu meinen Exkurs auf Seite 53 ff. b: Der dadurch veranlaßten Aufbereitung philosophischer Sachprobleme hatte ich mich auf Seite 55 ff. sowie 61 ff. angenommen. 31 Siehe dazu nochmals die beiden Zitate auf Seite 46; außerdem Seite 47, Fußnote 41; schließlich das Zitat in Fußnote 284, Seite 88. 32 Siehe hierfür erneut das zweite Zitat auf Seite 48. 30

III. Aufbereitung des induzierten Problemstands

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Tabelle 2 Erweiterter Kontext Thema

Bewertung des intellektuellen Vermögens fremder Kulturen auf der Grundlage der hinter den entsprechenden Ausdrucksformen ermittelten bzw. erkannten intellektuellen Aspekte des Humanums

Grundfrage

Welche diesbezüglichen Optionen existieren?

Polemik

Fokussierte diesbezügliche Optionen (je nach eingenommener Perspektive: Position bzw. Gegenposition) und deren Vertreter: Lévy-Bruhl Abwertung des intellektuellen Vermögens fremder Kulturen (von Lévi-Strauss nicht weiter ausgeführt)

Lévi-Strauss Aufwertung (bzw. Rehabilitierung) des intellektuellen Vermögens fremder Kulturen – über das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant der strukturalistischen Forschungsstrategie (= auf der Grundlage der auf der Ebene der unbewußten Phänomene ermittelten bzw. erkannten Aspekte des Humanums) – über das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Forschungsstrategie (= auf der Grundlage der auf der Ebene der bewußten Phänomene ermittelten bzw. erkannten Aspekte des Humanums)

Betrachter genau diejenigen Grenzen verwischt bzw. zum Verschwinden bringt, die doch gerade gewahrt bleiben müßten, um ihm die Limitiertheit fallweiser Auseinandersetzung (und ergo: den Kontext, in dem diese sich abspielt) bewußt zu halten.33 Die gleichermaßen eigentümliche wie unumgängliche Konsequenz ___________ 33

Die Beanstandung der unmittelbaren Befangenheit des Betrachters an erste Stelle setzen zu wollen, stünde daher für ein verqueres Unterfangen, namentlich für die Vertauschung von Ursache und Wirkung.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

dieser Entgrenzung ist, daß sie auf seiten des Betrachters auch noch dort Unüberbrückbarkeiten (oder um auf einen bereits eingeführten Terminus zurückzugreifen: Dissonanzen) entstehen läßt, wo der Kontext ein anderer geworden ist: Sie bewirkt, daß einer faktischen Abwertung der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Position (resp. ihres einzelwissenschaftlich-methodischen Pendants) die faktisch-volitive Einnahme derselben gerade nicht in einer differenzierten Form und insofern vielleicht nur einfach unvermittelt, sondern vielmehr als ein – eben dem Empfinden nach – schlichtweg Unvermittelbares gegenübersteht. Entsprechendes gilt in der Frage der generellen Unvereinbarkeit resp. Vereinbarkeit der relevanten Positionen. Insgesamt jedenfalls wird unter den gekennzeichneten Umständen der Eindruck erzeugt, daß Lévi-Strauss mit der Konzentration seines Interesses auch auf das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Position ein Problem induziert resp. zu lösen aufgibt, das strenggenommen überhaupt nicht hätte entstehen dürfen.34 Obwohl die problematisierte Konstellation einen kulturwissenschaftlichen Methodenpluralismus in praxi unbestreitbar indiziert, käme es einer krassen Verkehrung von Tatsachen gleich, wollte man aus dem daraus resultierenden Impakt die Legitimation für die Überzeugung ziehen, Lévi-Strauss besorge auf solche Weise die denkbar wirksamste Validierung seines diesbezüglichen Bekenntnisses35. Klarheit herrscht vielmehr lediglich dort, wo Lévi-Strauss’ Bekenntnis zum Methodenpluralismus auch weiterhin für das genommen wird, was es in bezug auf die problematisierte Konstellation alleine ist: eine zum guten Ton und den Gepflogenheiten gehörende, im Kern jedoch nachgeschobene und aufgesetzte Erklärung.36

So mögen daraus weitere Einsichten gewonnen werden. Zum einen die, daß die sich um die problematisierte Konstellation zentrierenden Inkonsistenzen nicht nur als perspektivisches (mithin: von der Sache her bestehendes) Problem begegnen (welches – wie sich herausgestellt hat – prinzipieller Lösung fähig ist), sondern auch als ein von der Person, also von Lévi-Strauss her bestehendes. Zum anderen die, daß die nähere Bestimmung dieses Problems von unterschiedlichen Enden her vorgenommen werden kann, nämlich – entweder prospektiv, das heißt in bezug auf die Existenz bzw. Kausierung der problematisierten Konstellation, Gemessen an den nicht anders als hypertroph zu nennenden Anteilen seiner Polemik wäre Lévi-Strauss nur dann wirklich konsequent gewesen, wenn er das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Posi-

___________ 34

Der problematische Ausgang der ‚Propädeutik‘ kann hier sozusagen als Protokoll dafür gelesen werden, wie wenig die Lévi-Strauss’sche Polemik ihre Wirkung verfehlt. 35 Also seines Bekenntnisses zu einem kulturwissenschaftlichen Methodenpluralismus. Vgl. hierfür vor allem das zweite Zitat auf Seite 46 und das erste Zitat auf Seite 48. 36 Vgl. oben, Seite 50 f.

III. Aufbereitung des induzierten Problemstands

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tion auch in einem anderen Kontext weder hätte in Erscheinung treten noch wirksam werden lassen.

– oder aber retrospektiv, das heißt in bezug auf die Typizität der gegen das einzelwissenschaftlich-methodische Pendant der subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophischen Position gerichteten Polemik. Gemessen an der Existenz bzw. Kausierung der problematisierten Konstellation hätte ein konsequentes Verhalten darin bestanden, die betriebene Polemik unter Bedingungen zu halten.

Und als ein Problem von eben diesem Zuschnitt werden diese Inkonsistenzen auch bestehen bleiben. Oder anders gesagt: Sie lassen sich konstatieren, bestenfalls monieren – hinsichtlich ihrer Beschaffenheit aber sind sie nicht zu ändern. Der eben verwendete Terminus ‚prospektiv‘ (dasselbe gilt für den in direkter Folge verwendeten Terminus ‚retrospektiv‘) steht hier in Relation zum Leitfaden der vorliegenden Arbeit. Wer dabei in erster Linie die Chronologie der Lévi-Strauss’schen Publikationen vor Augen hätte, würde sich unter Umständen veranlaßt sehen einzuwenden, die Schrift ‚Das wilde Denken‘ – erwähntermaßen der Verhandlungsort der problematisierten Konstellation – sei zu einer Zeit verfaßt worden, in der von den von mir angeführten Belegen scharfen Polemisierens noch kein einziger existierte; sodann weiter: meine Kritik an der Existenz bzw. Kausierung der problematisierten Konstellation trüge von daher den Makel rückwirkender Heranziehung (was als Praktik dem Verstoß gegen einen alten Rechtsgrundsatz – ‚nulla poena sine lege‘ – ähnelte). – Der Vorwurf wäre aus folgendem Grunde unhaltbar: Die von Lévi-Strauss ins Werk gesetzte Polemik hat ihren sinngemäßen Bezug auch und gerade in zurückliegenden (und das heißt: ‚Das wilde Denken‘ einschließenden) Zeiträumen. In jedem Falle darf die geäußerte Polemik (bzw. deren Erfassung) als die spezifische und späte Manifestation einer Haltung angesehen werden, die bei Lévi-Strauss – bringt man die Selbstzeugnisse seiner wissenschaftlichen Sozialisation in Anschlag37 – zeitlich weit genug zurückverfolgt werden kann.

4. Der unentscheidbare Rest im Umgang mit der problematisierten Konstellation Wenn sich die Tatsache, daß Lévi-Strauss jenes angekündigte weitere Verfahren zum Kasus macht, nicht in das habituelle Bild fügen wollte, so geschah dies zunächst aufgrund einer gewissen Tendenz, sie im Lichte einer philosophiegeschichtlichen Kontroverse und der durch sie hervorgerufenen Polarisierungen zu betrachten. Erst der gegenüber der Präponderanz solcher Wahrnehmung geltend gemachte Bewertungskontext machte nachvollziehbar, daß dem Problem der Nichtverortbarkeit eines Verfahrens bzw. der Unvereinbarkeit von ___________ 37 Genügen mag hier der Verweis auf folgende Passagen in TT: 43 ff., 51, 412 / TrTr: 54 f., 62 f., 479.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Verfahren nicht der Wert einer absoluten Größe beizulegen ist. Auch konnte der entsprechende Wechsel der Perspektive Aufschluß geben über die Beweggründe für Lévi-Strauss’ alternatives „Engagement“. Nicht dagegen vermochte deren Fixierung im Begriff der Rehabilitation den Widerspruch aufzulösen, in den sich Lévi-Strauss aus Betrachtersicht verwickelt, indem er den Anschein genereller Distanzierung von einer Position erweckt, während er im einzelnen doch gerade deren Einnahme testiert bzw. indem er eine generelle Unvereinbarkeit von Positionen annehmen läßt, während er im einzelnen dann doch deren Vereinbarkeit demonstriert. Im Hinblick auf diese doppelte Inkonsistenz ist es – zum einen denkbar, daß sie von Lévi-Strauss – auch wenn dazu von seiner Seite keinerlei Erklärungen vorliegen – wohl gesehen, zugunsten einer gewandelten Gewichtung aber dennoch (und bewußt) in Kauf genommen wurde; Es würde dies bedeuten, daß innerhalb des Bewertungskontextes das problematisierte zweite Verfahren für Lévi-Strauss eine Wertigkeit besitzt, die von ihm höher veranschlagt wird als die Kosten, die ihm aufgrund der dadurch im ursprünglichen Kontext induzierten Inkonsistenz entstehen.

– zum anderen aber ist es auch denkbar, daß Lévi-Strauss – aus welchen (und hier nicht weiter zu verfolgenden) Gründen auch immer – sie überhaupt nicht wahrgenommen hat. Es würde dies bedeuten, daß sozusagen das problematisierte zweite Verfahren vom Betrachter einem Kontext38 zugeordnet wurde, der zwar bei Lévi-Strauss existiert (und durchaus als der geläufigste!), in dem es jedoch für Lévi-Strauss selbst nicht steht; daß sozusagen das problematisierte zweite Verfahren für Lévi-Strauss von vorneherein und ausschließlich in einem anderen Kontext39 steht.

Welcher der beiden Fälle vorliegt, ist anhand der Faktenlage nicht zu entscheiden.40 In Erwägung gezogen werden sollte dabei abschließend nur das eine: Das Problem der Nichtverortbarkeit eines Verfahrens bzw. der Unvereinbarkeit von Verfahren hätte im Falle des Zutreffens der zweitgenannten Option fraglos insofern Konstruiertes, als seine Thematisierung und versuchte Bewältigung zurückverwiese auf die „Ahnung eines Zusammenhangs bislang unbe-

___________ 38 Gemeint ist der (oben – siehe Tabelle 1, Seite 98 – so gekennzeichnete) ursprüngliche Kontext. 39 Gemeint ist der (oben – siehe Tabelle 2, Seite 99 – so gekennzeichnete) erweiterte Kontext (im Sinne eines Bewertungskontexts). 40 Dies gilt – mit anderen Worten – zweifellos solange, wie man sich an die offizielle Linie der Lévi-Strauss’schen Verlautbarungen hält.

IV. Ausrichtung

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griffener41 Einzelheiten“42. Daran jedoch wäre nichts Illegitimes; nichts, was etwa zu meinen Lasten ginge. Meine Entscheidung für eine solche Form des Konstruierens nicht akzeptieren zu können, bedeutete implizit nur, Kritik zu nehmen an einer Arbeitsweise, die nicht gewillt ist, die Interpretationshoheit über den Horizont des Erwartbaren ohne weiteres aus der Hand zu geben (dies schon gar nicht vor der Kulisse inszenierter Öffentlichkeitsarbeit43); und es hieße implizit, Kritik zu üben an einer Arbeitsweise, deren letztes und eigentliches Ziel doch gerade nicht darin besteht, durch eine zusammenhanglose Betrachtung unbestreitbarer44 Einzelheiten den Umkreis des Erfahrbaren zu verkürzen, sondern vielmehr und umgekehrt gerade darin, diesen durch eine sachgerechte Flexibilität zu erweitern.

IV. Ausrichtung Die Feststellung wie auch jede Kritik daran, daß Lévi-Strauss seine eigene Argumentation unterläuft (um nicht zu sagen: vorführt), hat nicht den Sinn (und kann ihn nicht haben), den Übergang in einen anderen Kontext zu delegitimieren. Im Gegenteil. Die gesamte, notgedrungen stark formalistische Züge aufweisende Problemdifferenzierung diente dem Zweck, Distraktoren als solche kenntlich werden zu lassen und damit eine weitestgehende Konzentration auf jene Linie, die eine konstruktive Fortführung gestattet, zu ermöglichen. Mit dem Übergang in den Bewertungskontext – so wurde gezeigt – mutieren die unterschiedenen Varianten der Vermittlung zwischen Allgemeinem und Besonderem zu Rehabilitationsverfahren. Wird er denn vollzogen, so steht indessen nicht länger mehr die Tatsache im Vordergrund, daß Lévi-Strauss für die über beide Verfahren erzielten Resultate eine das fremde („primitive“) und das eigene („zivilisierte“) Denken übergreifende Gültigkeit beansprucht – womit wiederum sich für ihn eine Wertsteigerung des intellektuellen Vermögens sogenannter Primitivkulturen verbindet – 45, sondern was dann ins Zentrum des Interesses rückt, ist die Frage, unter welchen Bedingungen bzw. ob oder inwieweit die mit den genannten Verfahren unternommenen Anstrengungen zu ___________ 41 Selbstverständlich gilt die Behauptung vorbehaltlich einer korrekten Wiedergabe der Rezeptionslage. 42 Polanyi (1966 / 1985: 28). 43 ‚Das Nahe und das Ferne. Eine Autobiographie in Gesprächen‘ (Eribondt) / ‚De près et de loin‘ (Eribonfrz) beispielsweise darf – in Teilen jedenfalls – schon auch so gelesen werden! 44 Genau aus diesem Grunde bestünde ich hinsichtlich meiner Verfahrensweise auf dem (deskriptiven) Attribut ‚konstruiert‘ – und grenzte sie also ab vom unvergleichlich anderen Fall der Manipulation. 45 Vgl. hierzu nochmals Seite 92 f.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

dieser Zielvorgabe auch tatsächlich aufschließen. Das nachfolgende Unterkapitel (V.) steht ganz im Zeichen einer Klärung dieser Koinzidenz (ihrer Voraussetzungen, ihres Grades), wobei es hinsichtlich der Behandlung der beiden Verfahren folgendes zu unterscheiden gilt: – Für das erste, auf der Ebene der unbewußten Phänomene durchgeführte Verfahren kann diese Klärung auf der Basis des mit der ‚Propädeutik‘ Bereitgestellten bereits unmittelbar erfolgen. – Hinsichtlich des zweiten, auf der Ebene der bewußten Phänomene durchgeführten Verfahrens dagegen war die Argumentation – schwerpunktbedingt – über eine weitgehend formal gehaltene Ankündigung nicht hinausgekommen. Ein analoger Klärungsgang erfordert daher hier erst die entsprechend aufholenden Angleichungen. Der Horizont, innerhalb dessen die Einzelergebnisse der bevorstehenden Bilanzierung zu erwarten sind, steht dabei von vornherein fest: Da die jeweiligen Invarianten – entgegen manchem Anschein – nicht logisch bzw. apriorisch (wie in den traditionellen Universalienlehren), sondern empirisch begründet werden,46 handelt es sich bei ihnen auch nicht um absolute Universalien, sondern um ‚near universals‘47, um Invarianten von hoher statistischer Wahrscheinlichkeit.48 Auf den Wirkungsgrad der von Lévi-Strauss angestrebten Rehabilitation, die sich gewissermaßen über diese Resultate definiert, schlägt dies in einem ganz fundamentalen Sinne – noch jeder Verfahrensbilanzierung vorausliegend – zurück. Eben und nur diese Kenntnis aber garantiert auch die qualitativ richtige Einschätzung der nachfolgenden Bilanzierungsergebnisse; es ist, um es formal auf den Punkt zu bringen, die Kenntnis, daß die von Lévi-Strauss mit den gekennzeichneten Verfahren angestrebte Rehabilitation einem Fundament aufruht, dessen Dignität der Dignität der ermittelten Ergebnisse proportional ist. Lévi-Strauss’ implizites Credo, demzufolge die Postulierung transkultureller Konstanten dazu beiträgt, die Prinzipien des ‚wilden‘ bzw. „primitiven“ Denkens zu legitimieren und es wieder in seine Rechte einzusetzen49, führt vor, was man eine ‚präskriptive Reifikation‘50 nennen könnte. Wissenschaftliche Erkenntnis macht unter solchen Um-

___________ 46

a: Vgl. hierzu auch Holenstein (1985: 126). b: Im propädeutischen Teil meiner Arbeit dürfte die „liebe Not“, die einem das Verfahren der strukturalen Anthropologie (aber auch der eine oder andere Interpret) in dieser Hinsicht bereitet, kenntlich geworden sein. 47 Holenstein (1985: 126; im Original komplette Hervorhebung). 48 Siehe ebd. 49 Siehe Zitat (oben, Seite 93). 50 Den Ausdruck entlehne ich Michaelis (1991: 378), der damit ein Kernthema ethischer Untersuchungen, die Auslotung der Differenz zwischen Sein und Sollen, berührt. (Siehe zur Relativierung des in dieser Frage häufig gefahrenen orthodoxen Kurses gleichwohl Schwemmer 1990: 132 ff.)

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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ständen gleichsam eine Metamorphose durch, sozusagen „doppelt [sie] sich von einer Zustandserkenntnis zu einer Zielerkenntnis“51. Wenn nun die anschließende Bilanzierung beider Verfahren nichtsdestoweniger in bewußt „unkritischer“ Fortführung dieses Überschritts erfolgt, so hat dies seinen Grund in einer bestimmten Reihung von Prioritäten: Der hier vertretenen Auffassung zufolge gilt es, das Lévi-Strauss’sche Selbstverständnis in seiner spezifischen Konsequenz zunächst immanent abzuklären, bevor dann (mit mehr Gewinn nämlich) sich weiterfragen läßt nach den unausgesprochenen Zusatzannahmen, welche jene Basis liefern, auf der Lévi-Strauss stets schon operiert.52 Allerdings würde man mit der Annahme fehlgehen, daß dann eben am Ende dieser Abfolge die wertende Einmischung steht. Ich möchte deshalb darauf hinweisen, daß ich auch meine diese Abfolge abschließende Aufgabe noch darin sehe, Vorfragen zu klären, sprich: die Kontexte zu sondieren und offenzulegen, in denen allein diese Zusatzannahmen ihre Rolle spielen können, um damit jene Voraussetzungen zu schaffen, die zuallererst erfüllt sein müßten, wenn man diesbezüglich in gegründeter Weise urteilen bzw. Partei ergreifen wollte.53

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens 1. Erstes Verfahren: Der methodische Strukturstandpunkt a) Unmittelbare Bilanzierung In betonter Anlehnung an die zuletzt vorgebrachten Überlegungen läßt sich, was den ersten Bilanzierungsvorgang in seiner prinzipiellen Gestalt angeht, die Feststellung treffen: Nur in dem Maße, wie die hinsichtlich der strukturalen Anthropologie verfolgte Ameliorierungsabsicht54 ihr Ziel erreicht, das heißt, allein relational dazu, wie es gelingt, einerseits die unannehmbaren Argumentationen und unrechtmäßigen Ansprüche sowohl eines Lévi-Strauss55 als auch seiner ___________ 51

Michaelis (1991: 378). Letzterem Schwerpunkt widmen sich meine Ausführungen im dritten Kapitel der Untersuchung (‚Das Unternehmen der Rehabilitation‘). 53 Vgl. in diesem Zusammenhang auch nochmals meine Ausführungen unter den Aspekten 7 und 8 des ‚Prologs‘ (Seite 32 f.). 54 Siehe dazu erneut oben, Seite 39. 55 Ihrem Charakter nach zugerechnet werden mag besagten Argumentationen und Ansprüchen auch die finale Kulmination einer Einschätzung, welche Lévi-Strauss für sein zentrales Arbeitsgebiet, die Mythenforschung, abgegeben hat: Zum einen sieht man der Art nach Äpfel und Birnen zusammengezählt, wenn er davon spricht, den Mythen „einer Handvoll amerikanischer Stämme“ (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 571 f.) „mehr Sinn entlockt [zu haben], als er in den Platitüden und Gemeinplätzen enthalten ist, auf die sich seit etwa 2500 Jahren die Reflexionen der Philosophen über Mythologie, mit Ausnahme derer Plutarchs, reduzieren“ (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 572); zum anderen und vor allem aber ist Lévi-Strauss’ Façon der „Flatterie“ nicht dazu angetan, von einem qualitativ ge52

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Kritiker auf- bzw. zurückzuweisen und andererseits die vorhandenen konstruktiven Momente mit Blick auf ein integrales Konzept zu vermitteln bzw. sie zu einem solchen zu ergänzen, ist die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens (in einem dann gleichwohl immer noch an der Reichweite einzelwissenschaftlichen Vorgehens bemessenen Sinne) als gelungen zu betrachten. Um eventuellen Spekulationen zuvorzukommen, wäre dem gleich hinzuzufügen – geltend betreffs des Bilanzierungsvorgangs in seiner konkreten Gestalt –, daß die im Rahmen der ‚Propädeutik‘ niedergelegten Gedanken jener Zielvorgabe zum weitaus überwiegenden Teil im Sinne einer (ontologischen, epistemologischen, methodologischen sowie methodischen) Grundlegung der strukturalen Anthropologie als eines einzelwissenschaftlichen Verfahrens nahekommen (bzw. zu einer solchen ihren Beitrag leisten56)57, ihnen mithin im ___________ schiedenen Ressort jenes ausgewogene Bild zu zeichnen, das diesem gerechtfertigterweise zukommt. [Würde man umgekehrt je den Versuch unternehmen wollen, ein diesbezügliches Gleichgewicht zu restituieren, welches mit Blick auf die zitierte Entgleisung (einmal mehr) verloren gegangen zu sein scheint, so käme es allerdings schon sehr darauf an, auch mit dem dafür nötigen Bedacht vorzugehen. Eine Erinnerung an Schellings ‚Philosophie der Mythologie‘ beispielsweise, wie sie einem von Wd. Schmied-Kowarzik vorgeführt wird [Eine Erinnerung also an einen Teil der in der 2. Abteilung der Schelling-Originalausgabe (= SsW, Band XI-XIV) entfalteten Religionsphilosophie; vgl. Schröter ([1927] 1959: 760).], könnte in diesem Zusammenhang nicht unbedingt für eine in die gewünschte Richtung wirkende Wahl gehalten werden. (Von seiner stark affirmativ und interessanterweise zudem komparativ angelegten Erwähnung Schellings sei hier wiedergegeben: „Aufgrund der darin abverlangten Anstrengung des philosophischen und theologischen Begriffs ist dieses gewaltige Werk bis heute fast nicht rezipiert worden, dabei stellt es in gewisser Beziehung alles in den Schatten, was seither zum Problem der Mythologie, zum Problem der Frühgeschichte menschlichen Denkens, geschrieben worden ist – selbst die bedeutenden Untersuchungen zum ‚wilden Denken‘ von Claude Lévi-Strauss, der übrigens von Schelling nichts zu wissen scheint.“ (Wd. Schmied-Kowarzik 1980: 53).) – Den geäußerten Vorbehalt mache ich geltend, da ungeachtet aller für Schellings Werk reserviert zu haltenden Wertschätzung doch wohl kaum zu leugnen ist, daß manche der sich darin verratenden Grundeinstellungen (auch wenn sich darin nur der damalige Zeitgeist spiegelt) so geartet sind, daß sie die von Lévi-Strauss zum Ausdruck gebrachten Vorurteile eher bekräftigen, statt daß sie als im Dienste einer Abschwächung oder Außerkraftsetzung derselben stehende begriffen werden könnten. Oder wie sonst wollte man beispielshalber folgende Probe (Schelling, Historisch-kritische Einleitung in die Philosophie der Mythologie /1842) kommentieren: „Ein Volk, dessen Sprache reich articulirt und biegsam genug war, um wissenschaftliche Begriffe mit durchaus eigentlichen Worten zu bezeichnen, wird sich doch nicht wie die africanischen Buschmänner durch bloße Schnalzlaute ausgedrückt haben.“ (Ebd.: 40.)? (Als Leitspruch vorangestellt findet sich dieser Satz bezeichnenderweise dem von der Münchner Gesellschaft für Dialektische Philosophie (Hg.) (1997) zusammengestellten Themenheft ‚Afrikanische Philosophie‘. Vgl. zuletzt in diesem Zusammenhang Passarge 1907: 17.)] 56 Stärker unter letztgenanntem (dem methodischen) Aspekt relevante Informationen zur Lévi-Strauss’schen Forschung – so zur Konzeption des Unbewußten, zur Übertragbarkeit (Lévi-Strauss rekurriert auf sprachwissenschaftliche Ansätze), zur Modellbildung wie zur angemessenen Kontrolle – enthalten die Studien von folgenden Autoren bzw. ein Teil der Beiträge unter nachfolgend genannten Herausgeberschaften (die beide

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Hinblick auf ihre rehabilitierende Leistungskraft nicht mehr als der Wert von (wenn auch notwendigen) Vorarbeiten zuzusprechen ist. Für die zu Zwecken der Rehabilitation unabdingbare Operabilität der strukturalen Anthropologie als eines empirischen Verfahrens dagegen hätte von den Autoritäten anwendungsorientierter Wissenschaft Sorge getragen zu werden. Daher auch seien die entsprechenden, an eine Entscheidung für die empirische Verfahrensart der strukturalen Anthropologie sich anschließenden Detailprobleme hier allein als solche (pauschal) und überdies nicht mehr als konstatierend vermerkt.

b) Appendix: Zur Frage der Validität Die Bilanzierung des ersten Verfahrens bliebe in einer wichtigen Hinsicht unvollständig, würde sie sich – methodisch gesehen – ausschließlich auf Fragen intratheoretischer Konsistenz versteifen und darüber die Frage der Validität vernachlässigen, die Frage also, ob durch die jeweiligen Forschungsbemühungen tatsächlich erfaßt wird, was gemessen an der ihnen vorauslaufenden Zielvorstellung erfaßt werden soll. Die Voraussetzungen, die gegeben sein müßten, um dem Verfahren in dieser Frage Gültigkeit bescheinigen zu können, sind wie folgt zu benennen: Sichergestellt sein müßte erstens, daß das anvisierte Tertium einen veritablen Vergleichspunkt darstellt, das heißt, daß es sich dabei um etwas handelt, worin „Primitives“ und „Zivilisiertes“ sich wirklich trifft; und sichergestellt sein müßte zweitens, daß die Suche nach diesem gemeinsamen Dritten dort, wo sie per definitionem zu erfolgen hätte – nämlich auf beiden Seiten (also bei den „Primitiven“ wie bei den „Zivilisierten“) – auch wirklich erfolgt. Um mit der Klärung des ersten Punktes zu beginnen: Die strukturale Anthropologie verdankt sich in einem sehr wesentlichen Sinne dem Rückgriff auf das linguistische Modell. Eine zwangsläufige Konsequenz daraus (also aus der Tatsache, daß die kulturellen Erscheinungsformen von Lévi-Strauss analog den phonologischen Systemen begriffen werden) ist die Übernahme der innerhalb des linguistischen Modells gewohnten Differenzierung zwischen synchroni___________ eine Selektion darstellen und auf die ich lediglich verweise): Wd. Schmied-Kowarzik (1968), Ricœur (1969 b / 1973 b), Hayes / Hayes (Eds.) (1970), Jaeggi (1970), Barnes (1971), Leach (1970 / 1971), Marc-Lipiansky (1973), Scholte (1973), Rossi (Ed.) (1974), Oppitz ([1975] 21993), Leach (1976 / 1978), Jenkins (1979), Clarke (1981), Schiwy ([1969] 21984), Ruijter (1979 / 1991), Wd. Schmied-Kowarzik (1993). 57 In seiner Funktion resp. Gültigkeit erstreckt sich der ontologische, epistemologische und methodologische Teil der Grundlegung freilich auch auf das methodisch inverse, also zweite Verfahren.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

schen und diachronischen Strukturen58. Im Kontext der strukturalen Anthropologie selbst dann ist diese Differenzierung nicht zu lösen von einer weiteren Unterscheidung: der Unterscheidung zwischen „kalten“ und „warmen“ Gesellschaften. Lévi-Strauss hat sie getroffen59, um den menschheitlichen Optionen des Aufenthalts in der Zeit einen Ausdruck zu geben; er führt hierzu aus: „[D]ie einen [gemeint sind die sogenannten primitiven bzw. ‚kalten‘ Gesellschaften; H.M.S.] versuchen dank den Institutionen, die sie sich geben, auf gleichsam automatische Weise die Wirkung zu annullieren, die die historischen Faktoren auf ihr Gleichgewicht und ihre Kontinuität haben könnten; und die anderen [dies – entsprechend – sind die sogenannten zivilisierten bzw. ‚warmen‘ Gesellschaften; H.M.S.] interiorisieren entschlossen das historische Werden, um es zum Motor ihrer Entwicklung zu machen.“60

Daß die benannten Strukturen bzw. gesellschaftlichen Entropiezustände61 von Lévi-Strauss in wohlgemerkt idealtypischer Weise, das heißt als Grenzwerte62 bzw. als empirisch unbesetzte Pole63 konstruiert werden, ist so zu verstehen, daß sie sich jeweils nicht in Reinform, sondern nach jeweils unterschiedlichen Anteilen gegenüberstehen. Die Beziehung zwischen „Primitiven“ und „Zivilisierten“ stellt sich also im Falle dieser Parameter nicht dar als Gegensatz zwischen einfachen Größen.64 Zu charakterisieren ist sie der Lévi-Strauss’schen Auffassung zufolge vielmehr als Gegensatz von Verhältnissen, genauer gesagt: als Gegensatz von Subordinationsverhältnissen, in denen auf der einen Seite die einen, auf der anderen Seite die anderen Größen das Übergewicht besitzen; wobei jedoch die Signifikanz der umgekehrten Proportionen das Entscheidende bleibt, sodaß in diesem Sinne doch wiederum von Polen gesprochen werden kann. Die Summe dieser Annahmen könnte den Eindruck entstehen lassen, als implizierte sie sozusagen eine Differenzierung des Tertiums selbst; als würde das Spezielle, das durch den Gang vom Bewußten zu dessen unbewußter Infrastruktur gerade zurückgelassen werden soll, mit der Wendung hin zu signifikant ___________ 58

Siehe dafür StAI: 35 f. / AStI: 28 f. Siehe hier erneut auch Walitschke (1995). Erstmals in seiner Inauguralvorlesung am Collège de France (vgl. StAII: 40 f. / AStII: 40 f.); mit eingehenden Erläuterungen in Charbonnierdt: 31 ff. / Charbonnierfrz: 35 ff. 60 WD: 270 / PS: 309 f.; mit Verweisen auf seine 1961 publizierten Gespräche mit Georges Charbonnier sowie seine 1960 gehaltene Inauguralvorlesung am Collège de France. 61 Vgl. dazu Charbonnierdt: 38 ff. / Charbonnierfrz: 44 ff. sowie TT: 411 / TrTr: 478 f. 62 Siehe sinngemäß WD: 188, Fußnote / PS: 212, Fußnote; außerdem sinngemäß Eramodt: 258 / Eramoit: 120 sowie Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174. 63 Siehe Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174; außerdem sinngemäß Charbonnierdt: 39 / Charbonnierfrz: 45 sowie StAII: 40 / AStII: 40. 64 Siehe hierzu auch Lévi-Strauss’ Kritik an Haudricourt und Granai in StAI: 103 f. / AStI: 101 ff. 59

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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differenten Subordinationsverhältnissen, zu denen sich die genannten Unterscheidungen arrangieren, restituiert.65 Bewerkstelligt wäre damit im Effekt gerade die Aufhebung des definitionsgemäß unabdingbaren Vergleichpunkts. Entstehen könnte dieser Eindruck um so mehr, als Lévi-Strauss viel zu wenig darauf hinwirkt, die Virulenz der Frage deutlich werden zu lassen, ob überhaupt die Anwendung der strukturalen Methode auf jene Fälle beschränkt bleibt, in denen die Synchronie gegenüber der Diachronie den Primat behält. Ricœurs für die Symbolforschung mehrfach und unmißverständlich aufgestellte Behauptung, wonach eben auch jene Fälle, in denen die Diachronie die Synchronie an Bedeutung überwiege, der strukturalen Analyse zugänglich seien66, eröffnet demgegenüber eine neue Perspektive und läßt – ungeachtet der Vermutung, daß die strukturale Erklärung dort nicht in demselben Maße Aufschluß biete67 – den eben genannten, möglicherweise entstehenden Eindruck als unzutreffend, zumindest als deutlich abgeschwächt erscheinen. – Jedenfalls gilt dies so lange, wie davon auszugehen ist, daß die Ricœursche Linie die an LéviStrauss gerichteten Qualitätsanforderungen in vergleichbarer Weise zu parieren vermag. Zu einem (verständnishemmenden) Dyspotential der besonders exquisiten Art wird im Kontext der Validitätsfrage die Typik der Lévi-Strauss’schen Mythenanalyse; und zwar insofern, als Lévi-Strauss (worauf genau Ricœur abhebt) für das mythische Denken generell – also auch für jenen „mythische[n] Überlieferungsschatz, an den wir [sprich: die ‚Zivilisierten‘; H.M.S.] angeschlossen sind: das semitische (ägyptische, babylonische, aramäische, hebräische), das proto-hellenische und das indogermanische Traditionsgut“68 – den Primat der Synchronie insinuiert. Die Konfusion, für die diese Annahme sorgt, rührt daher, daß sie fast automatisch zu der Einschätzung führt, der im Bereich der Mythenforschung auf seiten der „Zivilisierten“ naheliegende Rückgang in die eigene Archaik sei es, der die „Rettung“ des Tertiums qua Beseitigung des (vermeintlichen) Problems verschiedener Subordinationsverhältnisse impliziere. Daß man damit, das heißt, indem man diese Einschätzung sich zueigen macht, in Wirklichkeit nur einer falschen Fährte folgt, erhellt, sobald wiederum die Überlegungen Ricœurs miteinbezogen werden: Ricœurs Argumentation hat ihren eigentlichen Kern darin, daß sie Lévi-Strauss’ stillschweigende Annahme nicht unhinterfragt übernimmt. In einer kritischen Gegenwendung wird dort vielmehr der Verdacht geäußert, daß das Vorrangverhältnis der Synchronie vor der Diachronie nicht auf der

___________ 65 Dieser Eindruck käme in etwa dem Gefühl gleich, daß einem entzogen wird, was man bereits fest zugesichert bekommen glaubte. Würde es in seinem Einfluß bestimmend, so atrophierten präskriptive Formulierungen wie ‚kleinster gemeinsamer Nenner‘ (vgl. ET: 117 / TA: 130), ‚ursprüngliche Logik‘ (ebd. / ebd.) oder ‚direkter Ausdruck der Struktur des Geistes (und hinter dem Geist zweifellos des Gehirns)‘ (vgl. ebd. / ebd.) [Letztbegründungsintention!] zu Umschreibungen eines nicht einmal mehr virtuell Gemeinsamen. 66 Vgl. Ricœur (1969 b / 1973 b: 54, 62 und 66) bzw. (1963: 16, 20 und 23). 67 Vgl. ebd. bzw. ebd. 68 Ebd.: 54 bzw. ebd.: 16; keine Hervorhebungen im Original.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

ganzen Breite des mythischen Denkens mit sich identisch bleibt; am Beispiel des jüdischen Kerygmas macht Ricœur geltend, daß zumindest für Teile der „zivilisierten“ Archaik (selbst also dieser!) sich die Beziehungen zwischen Synchronie und Diachronie in genau umgekehrter und nicht weniger exemplarischer Weise darstellen.69

Zur Begutachtung der eingangs an zweiter Stelle genannten Voraussetzung: „Korrumpiert“ sehen muß man das Proprium strukturalanthropologischer Forschung, das eigene ebenso wie das fremde Denken auf ein gemeinsames Drittes zurückzuführen70, in jedem Falle dann, wenn man die per definitionem daran geknüpften Erfordernisse der faktischen Durchführung des Verfahrens gegenüberstellt. Denn wofür Lévi-Strauss den Großteil seiner geistigen Intensität und seines Kapitals an Zeit investiert, ist (bekanntlich nicht die Analyse der Mythen der Alten und der Neuen, es ist) die Analyse der Mythen der Neuen Welt. Insgesamt jedenfalls tut man Lévi-Strauss nicht Unrecht, wenn man seine Forschung als ein sehr spezifisches Unternehmen vor allem im Binnenraum kulturell fremden Denkens klassifiziert, als einen ganz bestimmten Versuch also, in erster Linie dessen Vielgestaltigkeit auf ein unifizierendes Tertium zu reduzieren.71 ___________ 69

a: Siehe Ricœur (1969 b / 1973 b: 54, 55 f., 59 und 65) bzw. (1963: 16 f., 18 f. und 22). b: Konträr zu Lévi-Strauss’ implizitem „Wissen“ um die „Einheit des mythischen Denkens“ (Ricœur 1969 b / 1973 b: 54 bzw. 1963: 15 f.) konzipiert Ricœur den Mythos als ein plurales Feld, das von zwei Extremen her zu ordnen ist: dem Extrem des ‚totemistischen Typus‘ (ebd.: 65 bzw. ebd.: 22) auf der einen Seite – jenem Typus, welchen Lévi-Strauss zum „Träger des mythischen Bewußtseins schlechthin“ (Angehrn 1996: 95) erklärt – und dem Extrem des ‚kerygmatischen Typus‘ (Ricœur 1969 b / 1973 b: 65 bzw. 1963: 22) auf der anderen Seite. Zu interpretieren ist diese Konzeption zugleich als Versuch, gegen die dem ‚wilden‘ Denken beigelegte Option für die Syntax gegen die Semantik die hermeneutische Perspektive wiederherzustellen (siehe Angehrn 1996: 95). [Das Prä der hermeneutischen Verstehensweise auf seiten des kerygmatischen Typus schlägt sich bei Ricœur schließlich auch terminologisch nieder: „Es war nur eine vorläufige, didaktische Rücksicht, die mich dazu bestimmt hat, von einer Priorität der Diachronie über die Synchronie zu sprechen; die Begriffe der Diachronie und der Synchronie müßte man im Grunde nämlich jenem Erklärungsschema vorbehalten, das die Synchronie als systemkonstituierendes Element und die Diachronie als Störungsfaktor behandelt. Ich verwende die Terminologie der Geschichtlichkeit dagegen – in der von der Geschichtlichkeit der Überlieferung und der Interpretation die Rede ist – für jede Verstehensart, die sich implizite oder explizite auf dem Weg des philosophischen Selbstund Seinsverstehens befindet.“ (Ricœur 1969 b / 1973 b: 72 bzw. 1963: 26 f.)] 70 Siehe hierzu auch Kohl (1993: 414). 71 Lévi-Strauss selbst definiert die Aufgabe, die er sich stellt, folgendermaßen: „[W]ir wollen nachweisen, daß Mythen [der beiden amerikanischen Hemisphären; H.M.S.], die sich nicht ähneln oder deren Ähnlichkeiten auf den ersten Blick rein zufällig zu sein scheinen, dennoch eine identische Struktur aufweisen und zur selben Transformationsgruppe gehören können. Es geht uns also nicht darum, gemeinsame Merkmale zu katalogisieren, sondern zu zeigen, daß Mythen, die keinen Anlaß liefern, sie miteinander zu vergleichen, trotz, wenn nicht gar wegen ihrer Unterschiede von denselben Prinzipien

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Damit dies richtig verstanden wird: Das Vorgehen widerspräche zunächst durchaus nicht den Erfordernissen – so lange nämlich, wie darin die Basis für investigatorische Erweiterungen (und zwar in einer doppelten – geographischen wie phänomenalen72 – Hinsicht) erkannt würde; und daß auch Lévi-Strauss selbst diese Position für sich reklamiert, wird durch den folgenden Passus überzeugend suggeriert: Dessen entscheidender Satz bildet die Schlußsequenz einer Erklärung größeren Umfangs. Allein um den inneren Zusammenhang dieser Erklärung zu wahren, werde ich betreffenden Satz inklusive des entsprechenden Vorspanns wiedergeben. „[D]ie Mythen [Referenz genommen ist hier auf die Mythen der beiden Amerika; H.M.S.] sagen nichts aus, was uns über die Ordnung der Welt, die Natur des Realen,

den Ursprung des Menschen oder seine Bestimmung belehrt. Wir können von ihnen keinerlei metaphysische Verbindlichkeit erwarten; sie werden entkräfteten Ideologien nicht beispringen. Hingegen lehren uns die Mythen viel über die Gesellschaften, denen sie entstammen, sie helfen uns, die inneren Triebfedern ihres Funktionierens aufzudecken, erhellen den Daseinsgrund von Glaubensvorstellungen, Sitten und Institutionen, deren Anordnung auf den ersten Blick unverständlich schien; schließlich und vor allem ermöglichen sie es [korrekt müßte es heißen: ermöglicht es deren Analyse; H.M.S.], einige Operationsweisen des menschlichen Geistes zutage zu fördern, die im Lauf der Jahrhunderte so konstant und über ungeheure Räume hinweg so allgemein verbreitet sind, daß man sie für grundlegend halten und versuchen darf, sie in anderen Gesellschaften und anderen Bereichen des geistigen Lebens wiederzufinden, wo man sie nicht vermutete […].“73

Wirklich problematisch wird das Lévi-Strauss’sche Vorgehen erst eigentlich damit, daß die dem indigenen Kulturkreis entstammenden Untersuchungsergebnisse – ganz entgegen dem, was die zitierten Formulierungen erwarten lassen – bereits tatsächlich für ein Allgemeines ausgegeben werden.74 Lévi-Strauss „springt“ damit gewissermaßen zur Konklusion75; ein Fragment wird von ihm sozusagen für den Abschluß eines Projektes selbst genommen. – Zu einem wirklich ernstzunehmenden Gegenargument gerät da auch nicht, daß man ihm die solitäre Untersuchung des Ödipusmythos in der ‚Strukturalen Anthropologie‘76 oder etwa die monographische Untersuchung eines burgundischen Dor___________ ausgehen und durch ein und dieselbe Operationsfamilie erzeugt sind.“ (MIII / dt: 210 / MIII / frz: 164; nur erste Hervorhebung im Original.) 72 Mythen – nach der Analyse „primitiver“ Verwandtschaftsverhältnisse der Gegenstand Lévi-Strauss’scher Beschäftigung – repräsentieren eben eine Ausdruckform menschlicher Intellektualität. 73 MIV / dt: 749 / MIV / frz: 571; keine Hervorhebung im Original. 74 In ‚Das Rohe und das Gekochte‘ beispielsweise spricht Lévi-Strauss davon, daß es ihm ‚genüge‘ (vgl. MI / dt: 24 / MI / frz: 18), „die Überzeugung gewonnen zu haben, daß der menschliche Geist, wenn er bis in seine Mythen hinein determiniert erscheint, es a fortiori überall sein muß“ (ebd. / ebd.; im Original nur ‚a fortiori‘ kursiviert). 75 Vgl. Rescher (1980 / 1987: 27). 76 Vgl. StAI: 234 ff. / AStI: 235 ff.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

fes77 zugutehält. Denn insgesamt dürfte wohl auch heute noch zutreffen, was bereits Ricœur diagnostiziert hat: daß nämlich noch fast alles zu tun bleibt, um die Fruchtbarkeit der strukturalen Methode im Bereich der „zivilisierten“ Kulturen zu erweisen78.79

2. Zweites Verfahren: Der methodische Subjektstandpunkt a) Darstellung: Das ‚wilde‘ Denken. „Primitive“ ‚Klassifikationssysteme‘ und die ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ aa) Hinführung Eine Anthropologie, die ihr Ziel über die Erkenntnis des ‚All - gemein‘Menschlichen definiert – und dazu zählt auch die Anthropologie Lévi-Strauss’ –, steht unter der unausgesprochenen, tautologischen Bedingung des Bestehens eines gemeinsamen Raums, in dem auch das voneinander Entfernteste noch sich aufeinander beziehen läßt. Von vornherein scheint sie gewissermaßen auf eine Handhabe bedacht, um im „primitiven“ Denken eine Logik, um auch dieses Denken als ein Ordnungsdenken wahrzunehmen. Entsprechend angelegt ist sie nicht allein auf den Versuch, den prima facie irrationalen und anomischen Charakter dieses Denkens in seiner Vermeintlichkeit zu befestigen; sondern entsprechend angelegt ist sie zudem auf dessen in irgend vertrauten Kategorien faßbare Typisierung. In der Schrift ‚Das wilde Denken‘ wird dieses Bestreben in einer für LéviStrauss’sche Verhältnisse ungewohnten Weise manifest. Sozusagen parallellaufend zum strukturalanthropologischen Selbstverständnis, die intellektuellen Hervorbringungen in den unterschiedlichen Phänomenbereichen stets als Ausdruck der unbewußten Tätigkeit des menschlichen Geistes zu interpretieren, findet sich dort auch das Interesse installiert, auf der Ebene bewußter Intellektualität Vergleichspunkte zu eruieren. Durchbrochen wird von Lévi-Strauss damit gewissermaßen die methodische Einseitigkeit, mit der er die Phänomene ___________ 77

Vgl. Escaffitdt: 278 / Escaffitfrz: 9. (Siehe hier nochmals oben, Seite 85, Fußnote

261.) 78

Vgl. Ricœur (1969 b / 1973 b: 66) bzw. (1963: 23). Ein nicht unproblematisches weiteres Feld tut sich auf, geht man daran, den (oben so bezeichneten) Binnenraum kulturell fremden Denkens außerhalb der geographischen Polarität von Alter und Neuer Welt auszuleuchten. Vgl. in diesem Zusammenhang nur – eingeschränkt auf die Mythenforschung – den Blickwinkel des Afrikanisten Smith (1980); vgl. im selben Zusammenhang ferner Jamme (1997: 8). 79

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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sonst zum Gegenstand seiner Analysen bzw. Rehabilitationsbemühungen macht. Als ein solcher dienen ihm in ‚Das wilde Denken‘ speziell die „primitiven“ Klassifikationslehren – und zwar wie gesagt: nicht eben nur insofern, als selbstverständlich auch über sie auf unbewußter Ebene wirksame Strukturgesetzmäßigkeiten rekonstruierbar würden, sondern nunmehr gerade in ihrer Eigenschaft, „bewußte[.], sehr komplexe[.] und kohärente[.] Klassifikationssysteme“80 zu exponieren.81 Unterstrichen wird der bedeutungsmäßige Rang ihrer Existenz (und indirekt damit deren Untersuchung) durch die ethnographische Tatsache, daß es sich bei ihnen um alles andere als außergewöhnliche Fälle handelt; Lévi-Strauss gedenkt mit diesen von ihm so bezeichneten Ordnungsschemata also „Formen des Wissens und der Reflexion“82 in die Diskussion einzubringen, die in den „primitiven“ Gesellschaften über einen außerordentlich hohen Verbreitungsgrad verfügen.83 Eingestimmt werden muß vor Beginn deren eigentlicher Darstellung allerdings erst noch auf eine mit dem dahinter stehenden, zweiten Rehabilitationsverfahren unabtrennbar verbundene Besonderheit: Sie besteht darin, daß erwähnte ‚Klassifikationssysteme‘ bzw. ihre auf der Ebene der bewußten Phänomene eruierbaren Manifestationen von Lévi-Strauss mit dem Attribut der Wissenschaftlichkeit versehen werden.

bb) Die Zuschreibung von Wissenschaftlichkeit „[…] glaube ich nicht, daß ich irgendwann eine Äquivalenz zwischen dem modernen wissenschaftlichen Denken und dem magischen84 Denken behauptet hätte.“ Claude Lévi-Strauss in einer Diskussion mit Paul Ricœur et al.

Die Rolle, die die bewußte (reflexive, diskursive) Verstandestätigkeit bei der Erarbeitung der eben benannten ‚Klassifikationssysteme‘ spielt, macht einen ___________ 80

WD: 55 / PS: 57; keine Hervorhebung im Original. Lévi-Strauss kategorisiert diese Klassifikationssysteme danach, ob sie vornehmlich „konzipiert (wie die Mythen)“, „vollzogen (wie die Riten)“ oder „gelebt“ sind (wie der ‚Totemismus‘, insofern das „System von konkreten Menschen getragen“ wird). (Siehe WD: 268 und ebd.: Fußnote / PS: 307 und ebd.: Fußnote.) 82 WD: 55 / PS: 57; keine Hervorhebung im Original. 83 Siehe ebd. / ebd. 84 Der richtigen Bewertung halber: Die Begriffe ‚magisches‘, ‚mythisches‘, ‚wildes‘ und sogenanntes ‚primitives‘ Denken werden hier zu reversiblen Begriffen. (Vgl. auch Goody 1977: 7 bzw. 147.) 81

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Kernbestandteil85 dessen aus, wofür Lévi-Strauss – quasi in Stellvertretung für die „Primitiven“ – den Begriff einer ‚Wissenschaft vom Konkreten‘86 prägt.87 ___________ 85

a: In ‚Das wilde Denken‘ wird von Lévi-Strauss mit der ‚ästhetischen Einbildungskraft‘ (bzw. mit Begriffen wie ‚Intuition‘, ‚Inspiration‘ oder ‚Gefühl‘) auch noch ein zweites, nicht auf Reflexion beruhendes, nicht-diskursives Vermögen hervorgehoben und thematisiert [Erkennbar verwandt ist dem auch Lévi-Strauss’ Rede von einer ‚imaginativen Potenz‘ in StAII: 392 / AStII: 407.], was gleichwohl in der Form geschieht, daß er ausschließlich dessen positive (heuristische) Funktion – also dessen Leistungscharakter – bei der Erarbeitung „primitiver“ ‚Klassifikationssysteme‘ beschreibt. (Siehe dazu insbesondere das erste Kapitel von WD / PS sowie ebd.: 182 / ebd.: 206; zudem MS: 42.) [Im selben Zusammenhang zu erwähnen ist auch der den „Primitiven“ attestierbare „Hunger[.] nach Erkenntnis aus Freude an der Erkenntnis“ (WD: 27 / PS: 23; keine Hervorhebung im Original), das, was Geertz (1975 / 1983) dann treffend eine „überwältigende Erkenntnisleidenschaft“ (ebd.: 281) nennt.] Daß vorstehend genanntes Vermögen als Entwicklungsanlage unverzichtbar ist, zählt bekanntlich zu den Grundeinsichten auch moderner („zivilisierter“) Wissenschaftsauffassungen. (Nichts anderes indizieren im übrigen die entsprechenden Verweise LéviStrauss’ auf den Biologen Simpson; vgl. dazu WD: 23 ff. und 182 / PS: 19 ff. und 206.) Das dabei Maßgebende allerdings ist: Mindestens genauso stark gewichtet wird dort die nur bedingte Verläßlichkeit der auf diesem Wege erzielten Ergebnisse, also die als negativ empfundene Komplementärerscheinung des ästhetischen Vermögens. Seine in Verbindung damit zu sehende kritische Ergänzung hat einen institutionalisierten Ausdruck in der ursprünglich auf Reichenbach zurückgehenden Untergliederung des forschungslogischen Ablaufs empirischer Untersuchungen in Entdeckungs-(bzw. Generierungs-) und Begründungs-(bzw. Rechtfertigungs-)Verfahren. (Vgl. zur Veranschaulichung dieses Doppelaspekts Diemer 1964: 35: „Gewiß wird niemand bestreiten, daß gerade große Entdeckungen oftmals genialen Einfällen und Intuitionen zu danken sind; das Paradebeispiel dafür ist Kekulés Entdeckung des Benzolringes. Ein solcher Einfall ‚gilt‘ aber nur dann, wenn er nach den bestehenden Kriterien verifiziert bzw. justifiziert werden kann.“) Siehe insgesamt hierzu auch W. Welsch ([1995] 32000: 504 ff. sowie 802). b: Ungeachtet des von Lévi-Strauss artikulierten Bedürfnisses nach einer Versöhnung des Verstandesvermögens mit dem Vermögen der Sinnlichkeit (vgl. Eribondt: 243 / Eribonfrz: 232) sollte nicht aus dem Blickfeld geraten, wo Lévi-Strauss seinen persönlichen Akzent setzt. Einen diesbezüglichen, unmißverständlichen Anhaltspunkt enthält folgender Auszug aus einem seiner Kommentare über Rousseau: „In seinem gesamten Werk sucht er [i. e.: Rousseau; H.M.S.] nach einer Verbindung zwischen Sinnlichem und Intelligiblem, die ich selbst ebenfalls erstrebe, wenngleich auf anderen Wegen und indem ich die Dinge vom anderen Ende her in Angriff nehme: durch den Primat des Intellekts vor dem des Gefühls.“ (Eribondt: 243 / Eribonfrz: 232; keine Hervorhebung im Original.) 86 WD: 11 / PS: 3; keine Hervorhebung im Original. 87 Wer mit der Lektüre von ‚Das wilde Denken‘ beginnt, wird die Feststellung machen, daß die Bezeichnung ‚Die Wissenschaft vom Konkreten‘ als Titel eines Kapitels fungiert, und dies zunächst so verstehen, daß die Wahl dieser Überschrift ausschließlich den darunter fallenden Darlegungen einen besonderen Tonfall zu verleihen bestimmt ist. Demgegenüber wird sich nach abgeschlossener Lektüre des Buchs der Akzent mehr auf die Feststellung verlagern – jedenfalls entspricht dies der von mir vorgeschlagenen Lesart –, daß es seine eigene Bewandtnis hat, wenn die Bezeichnung Lévi-Strauss als Überschrift gerade dieses (scilicet: des ersten) Kapitels dient: Mit dieser Überschrift wird sich einem dann mehr sein Kalkül zu erkennen geben, die Wahrnehmung der Rezeption

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Die Metapher des ‚Konkreten‘ erfüllt in Lévi-Strauss’ Argumentation einen doppelten Kennzeichnungszweck: Erstens den Zweck der Kennzeichnung der sinnlichen Wahrnehmung als sensorischer Weltorientierung. (Anmerkung 1: Unter evolutionsgeschichtlichen Aspekten impliziert ist damit der Vorgang einer Komplexitätsreduktion: die selektive Antwort des Organismus auf eine überkomplexe Wirklichkeit, beschreibbar auch als dessen Situierung innerhalb der Dimension des Mesokosmos, also innerhalb jenes „mittleren Bereichs“ zwischen den von der Physik erschlossenen Mikro- und Makrowelten.88 Anmerkung 2: Unter individualgeschichtlichen Aspekten impliziert ist damit der Vorgang einer Komplexitätsproduktion: zunächst der Aufbau neurophysiologischer Strukturen im Gehirn, sodann und zumal in Interaktion mit der symbolischen Weltorientierung die Schaffung von Bedeutsamkeit und Bedeutungen.89) Im Rahmen der Lévi-Strauss’schen Argumentation erfüllt die Metapher des ‚Konkreten‘ zweitens den Zweck der Kennzeichnung des Status der sinnlichen Wahrnehmung: und zwar hinsichtlich der „Primitiven“ als einer sensorisch relativ limitierten Weltorientierung (aufgrund eben der technischen Nichtverfügbarkeit besagter Mikro- und Makrowelten) bzw. hinsichtlich der „Zivilisierten“ als einer sensorisch relativ amplifizierten (relativer Amplifikationen fähigen) Weltorientierung (aufgrund eben der technischen Verfügbarkeit besagter Mikro- und Makrowelten).90 Dies ergibt: Bestimmt hat Lévi-Strauss mit seiner um die Metapher des ‚Konkreten‘ aufgebauten und also um die sensorische Weltorientierung zentrierten Argumentation einesteils ein Konstituens, andernteils einen Variationsfaktor menschlich-lebensweltlichen Aufenthalts91. Selbstverständlich kommt diese Feststellung nicht der Behauptung gleich, die sensorische Weltorientierung stünde bezüglich dieser Eigenschaften isoliert für sich. Vielmehr ist klar (und eben dies ist mit Anmerkung 2 dieses Subtexts bzw. Fußnote 89 zur selben Anmerkung, desgleichen mit dem parenthetischen Anhängsel in Fußnote 90 auch schon deutlich geworden): Die sensorische Weltorientierung ist eine Form der Weltorientierung unter anderen und entfaltet sich auch nur und stets im Zusammenhang mit diesen.

So sehr die vorgenommene Attribuierung (einer ‚Wissenschaft vom Konkreten‘) einerseits erkennen läßt, daß sich die Intention einer Aufwertung des ___________ von vornherein in einer bestimmten Weise zu „kalibrieren“, das heißt, sie durch einen gezielten Akt der Positionierung auf den Tenor der gesamten Schrift einzustimmen. 88 Vgl. hierzu Schwemmer (1990: 76); außerdem Mohr (1987: 26 ff.). 89 Vgl. hierzu erneut Schwemmer (1990: 76 f. sowie 85 f.). Vgl. hierzu außerdem Cassirer ([1944] / [1960] 1990). [Vgl. speziell zu Cassirer wiederum Schwemmer (1995) und (1997).] Siehe schließlich Mühlmann (1962 a: 118 ff.) bzw. ders. (1966 a: 32 ff.). 90 Auch für die motorische Weltorientierung (als dem zur sensorischen Weltorientierung komplementären Ausdruck organischer Verfaßtheit) resultieren aus spezifischer technischer Nichtverfügbarkeit relative Limitationen, aus spezifischer technischer Verfügbarkeit relative Amplifikationen. [Eine einprägsame Manifestationsform motorischer Weltorientierung bildet die geographische Mobilität (der Verkehr im Sinne der Raumüberwindung); Anschauungsbeispiele relativer Limitationen bzw. Amplifikationen ergeben sich in diesem Falle aus der jeweils unterschiedlichen Nutzbarkeit von Land- und Wasserwegen sowie aus der je nachdem überhaupt ausgeschlossenen oder aber sowohl möglichen als auch faktischen Nutzung der Luftwege. (Einen nochmaligen qualitativen Umschlag markiert hier der Vorstoß in den erdnahen Weltraum (siehe Orbitalstationen, Mondfahrt) bzw. in den interplanetaren Weltraum (siehe z. B. Marsmissionen).)] 91 Dem klassischen Begriff nach: des Ethos (ἦθος).

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

„primitiven“ Denkens bereits auf rhetorischer Ebene niederschlagen soll, so sehr sind die Ausführungen Lévi-Strauss’ auf der anderen Seite wiederum auch von dem Bemühen getragen, von Anfang an gar nicht erst den Eindruck entstehen zu lassen, daß sich die Wahl dieses begrifflichen Rahmens in einer vordergründig-schalen Rhetorik erschöpft. Entgegenzuwirken jedenfalls versucht Lévi-Strauss dem Bestehen prinzipieller Verdachtsmomente gegenüber jenen „Denkformen, die uns sehr fremd scheinen“92, indem er „unter dem Blickwinkel der gemeinsamen Eigenschaften“93 die Thesen Simpsons, eines „modernen Theoretikers der Taxonomie“94 (also eines Biologen), rekrutiert. In ihrem (für ihn, Lévi-Strauss) relevanten Abschnitt95 haben diese den Wortlaut: „Die Gelehrten ertragen den Zweifel und das Scheitern, weil sie nicht anders können. Aber Unordnung ist das einzige, das sie nicht dulden können und dürfen. Das ganze Ziel der reinen Wissenschaft besteht darin, die Reduktion dieser chaotischen Wahrnehmung, die auf einer niedrigeren und wahrscheinlich unbewußten Ebene mit dem Ursprung des Lebens selbst begonnen hat, bis zum höchsten und bewußtesten Punkt zu führen. […]. In ihrem theoretischen Teil läßt sich die Wissenschaft auf Herstellung von Ordnung reduzieren, und wenn es wahr ist, daß die Systematik in einer solchen Herstellung von Ordnung besteht, dann können die Termini der Systematik und der theoretischen Wissenschaft als Synonyme angesehen werden.“96

___________ 92

WD: 21 / PS: 17. (Naumann übersetzt: „… die uns sehr fremd sind …“.) Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 94 Ebd. / Ebd.: 16. 95 Mit Absicht ausgespart wurde von mir der auf die Realitäts- bzw. Universalienfrage Bezug nehmende Passus gegen Mitte der Erklärung, da er – wie übrigens innerhalb des Lévi-Strauss’schen Textverbunds auch – nicht Gegenstand der Argumentation ist. 96 a: WD: 21 / PS: 16; keine Hervorhebungen im Original. b: Erwähnt werden sollte (erstens), daß die Bibliographie von ‚La pensée sauvage‘ zwar Simpsons Originaltitel enthält, Lévi-Strauss dann aber im Text selbst die englischsprachige Originalversion mit unübersehbaren und (zwar nicht regelrecht sinnverfälschenden, aber) zumindest auch nicht ganz unproblematischen Differenzen ins Französische überträgt, ohne diese translatorische Maßnahme als solche zu kennzeichnen. Erwähnt werden sollte außerdem (zweitens), daß wiederum Naumann seine ins Deutsche vorgenommene Übersetzung von ‚La pensée sauvage‘ völlig zu Recht an der von LéviStrauss ins Französische vorgenommenen Übersetzung des ursprünglich englischsprachigen Zitats orientiert. Aufgrund genau letzterer Sachlage aber ist zu einer präzisen Kenntnis der LéviStrauss’schen „Eingriffe“ nur über eine gesonderte Bestimmung – will heißen: im Rückgang auf den englischsprachigen Originaltext – zu gelangen; dabei festgestellt werden kann (unter anderem): Von der zitierten Version des Amerikaners (Simpsons), welche die Bezeichnung ‚theoretical science‘ dreimal enthält (vgl. Simpson 1961: 5), weicht Lévi-Strauss insofern ab, als er sich auf sie das erste Mal mit ‚science pure‘, das zweite Mal mit ‚sa partie théorique‘ und nur das dritte Mal wörtlich mit ‚science théorique‘ bezieht (vgl. PS: 16). Worüber die erste dieser Gegenüberstellungen ins Bild setzt, ist folglich, daß dem französischen Term ‚science pure‘ (bzw. – mit Naumann dann – dem deutschen Term ‚reine Wissenschaft‘; siehe obenstehendes Zitat) der englische (Original-)Term ‚theoretical science‘ entspricht. Eben damit aber – und zu dieser mittelbaren Einsicht erst will die diesbezüglich aufgebotene Subtilität wesentlich verhelfen – kom93

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Zu entnehmen wie gesagt ist der Art und Weise der Heranziehung dieses Zitats, also dem Modus seiner Verwendung innerhalb des Erörterungskontexts von ‚Das wilde Denken‘, daß es Lévi-Strauss nicht dazu dient, das die ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ Ausschließende, sondern (genau umgekehrt) das die moderne Wissenschaft mit dieser ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ Verbindende zu fixieren. Das Zitat selbst nun enthält die genauere Information darüber, worin dieses Verbindende zu sehen ist: gemäß der Rede Simpsons in einer spezifizierten Ordnungsforderung97. Oder um von dorther einen indirekten Standpunkt auszuformulieren: Als Norm mithin auch des ‚wilden‘ Denkens gilt LéviStrauss der systematische Charakter der Ordnungskonstitution, als sinnakkordantes Definiens des Systematischen die maximale Chaosreduktion.

cc) Kommentar Diese Interpretation bedarf insofern eines ergänzenden Kommentars, als zwar sowohl die Lévi-Strauss’sche Suche nach einer Vergleichsbasis, als auch sein Verweis auf den Standpunkt Simpsons – jeweils für sich betrachtet – unstreitig sind; jedoch ergeben die entsprechenden Bezugsstellen aus ‚Das wilde Denken‘ (und dies nicht weniger zweifelsfrei), daß Lévi-Strauss das SimpsonZitat mit seiner eigenen Argumentation in einer Weise korreliert, daß dieses Zitat dafür – zumindest unmittelbar – nicht als einschlägig (!) betrachtet werden kann. Zu tun allerdings hat dies weder (eine Information, die hier neu hinzukommt) mit dem von Lévi-Strauss im betreffenden Kontext angeführten ethnographischen Fallbeispiel als solchem: dem Arrangement von Spechtschnabel und Menschenzahn98; noch liegt der Grund dafür in der über dieses Fallbeispiel manifest werdenden Form „primitiver“ Ordnungsbildung als solcher: einer Form der Ordnungsbildung, die sich dadurch auszeichnet, „über Analogie und ___________ men die Begriffe ‚theoretische Wissenschaft‘ und ‚Systematik‘ einerseits sowie die nunmehr doch zentralen Phänomene des bewußten Denkens andererseits [Man vergleiche: Laut obigem Zitat angezielt ist – wobei für diesmal aus philologischer Sicht eine durchgängige Konkordanz verzeichnet werden kann – der ‚höchste und bewußteste Punkt‘.] auf eindeutig einer Linie zu liegen.

Gelenkt haben will ich die Aufmerksamkeit zuletzt in diesem Zusammenhang noch darauf, daß Naumanns Formulierung „Reduktion dieser chaotischen Wahrnehmung“ sich als Übersetzung von „réduction de ce mode chaotique de percevoir“ (PS: 16) versteht, einer Formulierung Lévi-Strauss’ mit anderen Worten, die ihrerseits eine Übersetzung der ursprünglichen Formulierung „perceptual reduction of chaos“ (Simpson 1961: 5) zu sein beansprucht. – Damit aber liegt auf der Hand: Letztlich abgestellt ist bei Simpson auf die „wahrnehmungsmäßige Reduktion von Chaos“ [genauer: jenes Chaos, „das auf einer niedrigeren und (wahrscheinlich) unbewußten Ebene mit dem Ursprung des Lebens selbst begann“]. (Vgl. jeweils ebd.) 97 Vgl. hier nochmals oben, Seite 88, den Text vor Fußnotennummer 287 bzw. Fußnote 287. 98 Vgl. WD: 20 / PS: 16.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Assoziation Ähnliches miteinander in Beziehung zu setzen, Benachbartes und Verwandtes in ein Netz der Entsprechungen und Relationen zu fügen“99.100 Sondern in ein Mißverhältnis geraten die Lévi-Strauss’sche Argumentation und der Argumentationsausschnitt Simpsons deshalb, weil Lévi-Strauss nicht aufzeigt, was genau hinsichtlich des von ihm angeführten ethnographischen Fallbeispiels, das für eine „erste, ‚schwache‘ Form der Vereinheitlichung des Vielfältigen“101 – die Errichtung einer Protoordnung mit anderen Worten – steht, das Systematische (im mit Simpson indirekt definierten Sinne) ist. Oder um es allgemeiner zu fassen: Der von Lévi-Strauss angekündigte explikative Wert der Thesen Simpsons102 findet sich deshalb nicht eingelöst, weil in diesen Thesen die voraufgegangene Argumentation um besagtes ethnographisches Fallbeispiel sich nicht angemessen widerspiegelt. – Wenn aber Lévi-Strauss’ Argumentation nicht für das steht, was sie sodann (laut des von ihm selbst beigezogenen Textes Simpsons resp. dessen zentraler Aussage) belegen soll, nämlich (im Hinblick auf die intellektuellen Ordnungsleistungen der „Primitiven“) Systematik im Sinne maximaler Chaosreduktion103, dann ist an der Frage kein Vorbeikommen: Wie umgehen mit dieser von ihm gebotenen und unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zumal unziemlichen Irritation? Der Tatbestand der Korrelierung von Disparatem – sprich: das Ergebnis, zu dem man gelangt, wenn man die relevanten Textpassagen innerhalb der engen Grenzen auslegt, die einem die (schließlich von Lévi-Strauss selbst) gewählten Formulierungen zuweisen – läßt noch nicht den Schluß zu, daß das SimpsonZitat innerhalb der Lévi-Strauss’schen Monographie überhaupt jeglichen Sinns entbehrt. Denn aus der Gesamtpalette der von Lévi-Strauss vorgelegten Analyseergebnisse ist Grundsätzliches, aber auch Exemplarisches, das als „primitive“ Entsprechung für Systematik im Sinne maximaler Chaosreduktion zumindest in Betracht kommt, durchaus anführbar. Unter Berücksichtigung also auch des weiteren Verlaufs der Untersuchung will es mir von daher erlaubt scheinen, al___________ 99

Angehrn (1996: 277). An der betreffenden, dem Simpson-Zitat unmittelbar vorausgehenden Textstelle heißt es: „In Wahrheit handelt es sich nicht darum zu wissen, ob durch Berührung mit einem Spechtschnabel Zahnschmerzen geheilt werden, sondern vielmehr darum, ob es möglich ist, in irgendeiner Hinsicht Spechtschnabel und Menschenzahn ‚zusammenzubringen‘ (die therapeutische Regel, die auf dieser Übereinstimmung beruht, ist nur eine der Anwendungsmöglichkeiten) und durch solche Gruppenbildungen von Dingen und Lebewesen den Anfang einer Ordnung im Universum zu etablieren. Wie immer eine Klassifizierung aussehen mag, sie ist besser als keine Klassifizierung.“ (WD: 20 f. / PS: 16; keine Hervorhebungen im Original.) 101 Angehrn (1996: 277). 102 Lévi-Strauss leitet über mit den Worten: „So schreibt ein moderner Theoretiker der Taxonomie: …“ (WD: 21 / PS: 16; keine Hervorhebung im Original). 103 Nochmals: Lévi-Strauss ist die Beanspruchung einer Transferierbarkeit dieses Kriteriums, einfach weil er Simpson zitiert, zumindest implizite zu attestieren. 100

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lein die Plazierung des Simpson-Zitats als verfehlt einzuschätzen und in gewissem Gegensatz zu dessen ursprünglichem „Setting“ eine alternative Deutung zu versuchen, ohne damit eigentlich schon gegen Lévi-Strauss zu denken. Entschieden habe ich mich persönlich jedenfalls dafür, Simpsons Verständnis von Wissenschaft104 von seinem von Lévi-Strauss explizit vorgebrachten, tatsächlich dann aber vermeintlichen Korrelat zu entkoppeln und es stattdessen mit seinen impliziten, dafür aber in der Sache gegründeten Korrelaten in Verbindung zu bringen. Entsprechend wird daher von mir auch in der Verwendung des Simpson-Zitats eher der Auftakt zu Lévi-Strauss’ eigentlicher Analyse des ‚wilden‘ Denkens gesehen, das heißt diesem ein gewissermaßen introduzierender Status zugemessen; mein Plädoyer geht – um es anders zu sagen – dahin, die Integration Simpsons durch Lévi-Strauss für den Ausdruck eines Anspruchs zu nehmen, dessen Einlösung im Moment seiner Erhebung noch dahinsteht. Und nicht weniger dürfte es sich verstehen, daß ich mich mit der Entscheidung für eine Interpretation, welche die Zitation Simpsons als prospektiv eröffneten Bezugspol und Maßstab („gegen“-)liest, des Anrechts begebe, von Lévi-Strauss auf die entsprechenden Belegstellen geradezu geführt zu werden. Die von mir für einschlägig erachteten, für die nachfolgende Unterbreitung vorgesehenen und sodann zu prüfenden Parameter stehen deshalb selbstverständlich für im letzten selbst durchzuführende bzw. zu erbringende Tentamina resp. Rekonstruktionen. Verständlich werden mag es vor diesem Hintergrund, daß sich die endlich angestrebte Bilanzierung dieses Teils der Lévi-Strauss’schen Argumentation nicht im Handumdrehen, sondern nur über Zwischenschritte erreichen läßt. Auch möchte hiermit dahingehend Position bezogen sein, daß nur deshalb, weil diese Bilanzierung nicht im Sturmlauf zu haben ist, es weder für aussichtsnoch gar für sinnlos befunden werden sollte, den dafür erforderlichen Gang überhaupt anzutreten. Der Eventualität hiermit kritisierter Auffassung unmittelbar entgegengesetzt, wollen die voraufgegangenen Differenzierungen vielmehr ein Postament liefern, das verhindert, daß man sich von Sachfragen verabschiedet, ohne sich ernsthaft auf sie eingelassen zu haben. Ein Beispiel von in diesem Sinne kritikabler Verfahrensart bietet die durch einen offensichtlich telediagnostischen Befund abgestützte Herabstufung Lévi-Strauss’ durch Hallpike: Die fadenscheinige und zuletzt (wie sich doch via Simpson zeigt) nicht anders als unhaltbar zu bezeichnende Behauptung, Lévi-Strauss verwende zwar den Wissenschaftsbegriff, unterlasse es aber, ihn zu definieren105, verschafft diesem Autor natürlich die Möglichkeit, sich alle aus einem doch so nicht gelagerten Fall resultierenden Implikationen bequem vom Leibe zu halten. ___________ 104 … bzw. genauer gesagt: eigentlich das, was davon in der zitierten Passage sichtbar wird … 105 Siehe Hallpike (1979 / [1986] 1990: 12).

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Mit der Einbindung Simpsons wird jener zweite Versuch konkret, ein konzeptualisiertes Tertium mit der Diversität der eigenen und der fremden Denkformen zu vermitteln (also eben darüber zu einer Vermittlung der eigenen mit den fremden Denkformen zu gelangen). Festgelegt ist auch hier die weitere Untersuchungsrichtung durch die spezifische Bestimmung des Vergleichspunkts. Im Raum steht diesmal die Frage, inwiefern beide Formen des Denkens darin, wie sie der formulierten Norm der Systematik entsprechen, konvergieren. Die gliederungstechnische Trennung von Darstellung [V.2.a), 112 ff.] und Bilanzierung [V.2.b), 173 ff.] ist die Bedingung für die Existenz dieses Raums: Mit ihr soll der Ausgang der Untersuchung des zweiten Verfahrens bis auf weiteres offen gehalten sein. Motiviert ist sie von der Absicht, Vorurteile (im Wortsinne) auszusetzen; sie soll die Beschreibung dessen, was Lévi-Strauss seiner Konzeptualisierung folgen läßt, in einer weniger an den eigenen Erwartungen, als vielmehr in einer an dessen explizit-impliziten Präsentationen orientierten und dabei in noch keiner Weise vorgreifenden Form ermöglichen.

dd) Die Parameter (1) Basale Ordnungsfunktionen. Konjunktive Modalitäten (a) Analyse und Synthese Hält man sich an die Lévi-Strauss’sche Darstellung, so will das ‚wilde‘ Denken „zugleich analytisch und synthetisch“106 sein. Auffallend daran ist, daß das der Sache nach nur sehr bedingt vermittelte, kurze „Emergieren“ beider Termini im entsprechenden Text in einem deutlichen Mißverhältnis steht zu deren – für ein Verständnis des ‚wilden‘ Denkens – fundamentaler Bedeutung. In der Überzeugung, daß das von Lévi-Strauss mit mehr oder weniger Selbstverständlichkeit Vorausgesetzte so evident nicht ist, wird deshalb in einer teils rekonstruktiv, teils suppletorisch verfahrenden Weise versucht, dieses erst eigentlich zur Disposition zu stellen. Analysen zerlegen die Wirklichkeit, sie implizieren die Konstruktion von Unterschieden und Gegensätzen107; entsprechend verfährt das ‚wilde‘ Denken analytisch, indem es offensichtlich bestehende ‚Diskontinuitäten‘108 als solche ___________ 106

WD: 254 / PS: 290. Vgl. ebd.: 282 / ebd.: 325. 108 Neben diesem Begriff (vgl. MIV / dt: 460 und 642 / MIV / frz: 356 und 492) verwendet Lévi-Strauss auch die Bezeichnung ‚unterscheidende‘ bzw. ‚differentielle Abstände‘ (siehe etwa ET: 22 / TA: 18, WD: 92 / PS: 100, MIV / dt: 601 / MIV / frz: 462 sowie StAII: 80 / AStII: 81). 107

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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erkennt und benennt, aber auch, indem es Unterscheidungskriterien definiert109 und damit Diskontinuitäten einführt, wo die Stabilität und Diskretheit der Wahrnehmung nicht in vergleichbarem Maße gegeben ist. Während ersteres sich etwa mit der Konstitution von Seinsbereichen – der Welt des Natürlichen, des Sozialen und des Göttlichen – vollzieht, jedoch auch innerhalb dieser Seinsbereiche selbst – dort sind Diskontinuitäten in exemplarischer Form etwa im Feld der natürlichen Arten110 aufzeigbar –, vollzieht letzteres sich innerhalb der Seinsbereiche etwa im Feld des Sozialen oder der Artefakte. Synthesen demgegenüber setzen Einzelnes bzw. Vereinzeltes zueinander in Beziehung, sie implizieren die Konstruktion von Einheiten auf unterschiedlichsten Ebenen; entsprechend verfährt das ‚wilde‘ Denken synthetisch, indem es die nach Maßgabe der jeweils „gegebenen“ oder eingeführten Unterscheidungskriterien zergliederte Wirklichkeit in einen Zusammenhang bringt. Anzuschließen hat sich an die grundsätzliche Klärung der beiden Termini eine prophylaktische Erläuterung der oben anhand dieser beiden selben getroffenen Aussage. Denn die Aussage, daß das ‚wilde‘ Denken zugleich analytisch und synthetisch sein ‚wolle‘ (oder für denjenigen, der vom Originaltext herkommt, auch: zu sein ‚beabsichtige‘)111, verfängt in dem Sinne, daß sie leicht in die Annahme versetzt, dieses Denken sei genau damit im Besitz einer Option. Tatsächlich jedoch fügen sich die analytische und die synthetische Orientierung immer schon zu einer komplementären Einheit; als gegenläufige Momente denkenden Erkennens gehören sie logisch notwendig und damit prinzipiell zusammen. Keller bemerkt hierzu: „[E]ben indem ich etwas aufgliedere oder analysiere, bringe ich es unter anderer Rücksicht ‚synthetisierend‘ mit andere[m] in eine Einheit, und umgekehrt gilt das gleiche. Hier liegt wohl die Basis für die – oft recht verworren beschriebene – Dialektik [menschlichen] Erkennens […].“112

In dieser allgemeinen Hinsicht unterscheidet sich also das fremde (bzw. „primitive“, ‚wilde‘) nicht vom eigenen (bzw. „zivilisierten“, verstehe man darunter nun antikes, mittelalterliches oder modernes) Denken, unterscheidet sich ebensowenig aber etwa auch alltägliches Denken von wissenschaftlichem Denken. Auch übernehmen beide Orientierungen, Analyse wie Synthese, eine generell ordnungsbildende, das Chaos überwindende Funktion; das heißt: als Ord___________ 109

Vgl. WD: 282 / PS: 325. a: Angehrn (1996: 209) weist darauf hin, daß „deren irreduzible Pluralität und nicht deduzierbare Bestimmtheit auch für klassische Metaphysik einen letzten Referenzpunkt bildet“. Siehe auch ebd.: 236. b: Vgl. hierzu außerdem Bulmer (1970: 1083). 111 Vgl. WD: 253 f. / PS: 290. 112 Keller ([1979] 21989: 130; keine Hervorhebungen im Original, Abänderungen meine.) 110

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

nungsfunktionen spielen sie eine für die jeweiligen Denkweisen in gleichem Maße konstituierende wie im elementaren Sinne zweckgebundene Rolle. Und auch damit schließlich, daß Lévi-Strauss den systematischen Charakter des ‚wilden‘ Denkens an dessen Intention befestigt, nach den durch die Ordnungsfunktionen der Analyse und der Synthese vorgegebenen Richtungen bis zur ‚äußersten Grenze‘113 zu gehen, das heißt bis zu jenem Punkt, an dem keine weiteren Gegensätze und Einheiten mehr konstruierbar sind114, hat er – unmittelbar zumindest – kein Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Denkweisen benannt; für die analytische Ausrichtung belegt dies etwa folgende, der aristotelischen ‚Metaphysik‘ entnommene Formulierung: „Und so wird man immer fortschreiten, bis man zu dem gelangt, was keine weitere Teilung in Unterschiede zuläßt.“115

Mit anderen Worten: Selbst hinsichtlich jener Figur, in der allein hier man das Lévi-Strauss’sche Äquivalent116 zu Simpsons Figur des ‚Bis-zum-höchstenund-bewußtesten-Punkt-Führens‘117 sehen kann und die entsprechend ein Maximum an Chaosreduktion verbürgen soll, stimmen eigenes und fremdes Denken überein.

(b) Klassifikation, Assoziation, Korrelation, Analogie Klassifikation, Assoziation, Korrelation und Analogie sind weiterhin diejenigen Modi, in denen sich die komplementäre Einheit von analytischer und synthetischer Orientierung – und indirekt damit auch deren systematisch-funktionaler Charakter – Ausdruck verschafft. Auf unterschiedliche Weise realisieren sie den Versuch, angesichts einer bestehenden Mannigfaltigkeit Ordnung herzustellen: Das Klassifizieren ermöglicht Identifizierungen, indem es bezogen auf die jeweils in Anschlag gebrachten Einteilungskriterien Zusammengehöriges einander zuordnet. Es schafft Ordnung, indem es Phänomene nach variablen Kriterien zusammenstellt. Das Assoziieren, Korrelieren und Analogisieren demgegenüber ermöglicht Vernetzungen, indem es auf der Grundlage einer wie auch immer wahrgenommenen Kontiguität (i. e.: räumlichen und / oder zeitlichen Nachbarschaft) oder Ähnlichkeit (i. e.: Gemeinsamkeit eines Merkmals oder mehrerer Merkmale) Bezüge zwischen Phänomenen herstellt. ___________ 113

Vgl. WD: 254 / PS: 290. Vgl. Angehrn (1996: 283). 115 Aristoteles, Metaphysik VII 12, 1038 a 15 f. 116 Bewußt spreche ich von ‚Äquivalent‘, um damit den Umkehrschluß zu inhibieren, gerade zitierter Satz stünde auch bei Aristoteles in einem ‚Chaos‘-Kontext. 117 Siehe das Simpson-Zitat: oben, Seite 116. 114

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Es schafft Ordnung, indem es Phänomene nach variablen Charakteren in ein Verhältnis bringt. In der menschheitlichen Praxis verliert diese Zweiteilung häufig an Schärfe, was damit zu tun hat, daß die jeweiligen Modi in vielfältiger Weise aufeinander bezogen und miteinander verzahnt sind. Das Klassifizieren beispielsweise, also das Bilden von Klassen, ist, ohne daß man sich dabei eines der genannten weiteren Modi bedient, ja keinesfalls zu denken; denn immer beinhaltet es auch eine Antwort auf die Frage, welche Klassen festgelegt, das heißt in eine Reihe gebracht werden.118 Welcher der unterschiedenen Modi letztlich einem ins Visier genommenen Ordnungsbild den Begriff liefert, steht daher – kaum anders als bei den Funktionen der Analyse und Synthese auch – in Abhängigkeit von der getroffenen Wahl der Perspektive bzw. des Aspekts.

(2) Die Frage der Weltanschauung. Disjunktive Modalitäten (a) Vorerwägung Von Ordnungsbildungen der beschriebenen Art macht sowohl das „primitive“ als auch das „zivilisierte“ Denken grundsätzlich Gebrauch. Für diesen ersten, unter Abstrahierung von Kontexten hergestellten Bezug also stehen die postulierten Übereinstimmungen uneingeschränkt in Geltung. Lévi-Strauss liefert in einem sehr gewichtigen Sinne jedoch auch Anlaß zur Beschäftigung mit der Frage nach der jeweiligen Weltanschauung als dem Hintergrund, vor dem Ordnungsentwürfe allenthalben situiert sind. Unter dem Begriff der Weltanschauung firmiert effektiv eine Basisoption humanen Welt- bzw. Selbstverhältnisses, welche nicht nur Wahrnehmungsund theoretisch-praktische Handlungsmuster, sondern auch ein diesen Mustern konsubstantielles Problembewußtsein sowie Wertverständnis präfiguriert, und zwar in einem jeweils grundlegenden (und nicht also nur bestimmten Realitätsebenen oder -bereichen vorbehaltenen) Sinne. Im Kontext einer Erörterung basaler Ordnungsfunktionen bezeichnen Weltanschauungen unterschiedliche Weisen der Auffassung darüber, was letztlich als verschiedenartig bzw. was letztlich als zusammengehörig empfunden wird, unterschiedliche Weisen der Auffassung mithin auch darüber, was womit in Beziehung treten, was wovon ___________ 118 Ein Gefühl für das diesbezüglich allein prinzipiell Denkbare mag auf sehr eindrucksvolle Weise der von Foucault (1966 / [1971] 182003: 17 ff.) aufgegriffene Text Jorge Luis Borges’ vermitteln, in dem dieser eine Klassifikation des Tierreichs zitiert, wie sie durch „‚eine gewisse chinesische Enzyklopädie‘“ (ebd.: 17) vorgeschlagen wird. [Zur Rezeption der Foucaultschen Passage siehe in erster Linie Frank (1983: 137 ff.), aber etwa auch Angehrn (1996: 282 f.).]

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

die Ursache sein kann, was und wie etwas als Problem (in der weitesten Bedeutung des Wortes) in den Blick kommt. Die Auffassung darüber, ob die Dinge als im Grunde verschiedenartig oder aber als im Grunde zusammengehörig empfunden werden, kann sich dabei aus Gründen der aufgezeigten logischen Verschränkung beider Ordnungsfunktionen (je nachdem) weder gegen das Synthetisieren noch gegen das Analysieren (und mithin ebensowenig gegen das Klassifizieren, Assoziieren, Korrelieren und Analogisieren) als solches richten. Sehr wohl dagegen ist es diese Auffassung, die die genaue Art und Weise des Einsatzes besagter Operationen vorgibt und der mithin der besondere Charakter, welchen die komplementäre Einheit von Analyse und Synthese in den Modi der Klassifikation, Assoziation, Korrelation und Analogie gewinnt, in letzter Instanz geschuldet ist.

(b) „Primitives“ Welt- und Selbstverständnis Der weltanschauliche Standort des ‚wilden‘ Denkens nun wird dort offenbar, wo Lévi-Strauss es als ein ‚totalisierendes‘119 bezeichnet. Das Eigentümliche, das damit zu verbinden ist, wird annäherungshalber am besten verständlich am Beispiel einer Konfrontation des ‚wilden‘ Denkens mit einem beliebigen Problem, genauer gesagt: in der Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Beschaffenheit ihm etwas als Problem ins Blickfeld gerät (wobei wiederum auch nicht übersehen werden sollte, daß es sich bei den Lévi-Strauss’schen Kennzeichnungen häufig um die apodiktische Zuspitzung von unzweifelhaft vorhandenen, stark ausgeprägten Tendenzen handelt). Ein Problem wird vom ‚wilden‘ Denken nicht separiert, sondern als homolog zu anderen Problemen gedacht, zu Problemen, die sich in anderen Bereichen, auch anderen Seinsbereichen, stellen.120 Genauer gesagt: Dem ‚wilden‘ Denken als dem Ausdruck einer Weltanschauung, die sich einer normativen Totalität verpflichtet fühlt, kommt ein je gegebenes Problem als ein per se in umfassenden Bezügen stehendes vor den Blick; es operationalisiert und traktiert dieses im Bewußtsein seiner selbstverständlichen, allseitigen wie allzeitigen Eingebundenheit; mit ihm zieht es – der Intention nach – immer auch alle anderen in Betracht121; die umgekehrte Annahme seiner Herauslösbarkeit aus diesen Bezügen wäre nach solchem Vorverständnis ein „systemfremder“ Gedanke. In konsequentem Einklang damit steht auch das entsprechende Bemühen, „sich mit keiner Teilantwort zufriedenzugeben“122, das Bedürfnis, „nach ___________ 119 120 121 122

Vgl. WD: 282 / PS: 324. Vgl. Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194. Vgl. ebd. / ebd. Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original.

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Erklärungen zu streben, die die Gesamtheit der Phänomene umschließen“123, die Vorstellung, „daß man, solange man nicht alles versteht, nichts erklären kann“124. Dieser gewissermaßen prätentiöse Zug also gestattet es nicht, die Lösung eines bestimmten Problems in einer Weise zu betreiben, wie wir dies tun, wenn „wir uns an diese oder jene Naturwissenschaft oder an Recht, Moral, Religion, Kunst [wenden]“125. Für eine an der Idee der Ganzheitlichkeit orientierte Weltanschauung bestehen zwischen all diesen Bereichen kontinuierliche Übergänge126, und ebenso liegt auch die einem jeden von ihnen zugemessene Bedeutung „nicht im Absoluten“127; sie ist innerhalb eines allgemeinen Bezugssystems „lediglich ‚positional‘“128 und damit – stellungsbedingt129 – relativ. Diese zuletzt angeklungene Neigung des ‚wilden‘ Denkens zur Inflationierung und ergo Egalisierung von Bedeutsamkeit130 erstreckt sich gerade auch auf den astronomischen, den sexuellen, den zoologischen und den botanischen Code, auf die Verwendung jener Codes also, die aufgrund der Art und Weise, wie sie sich dem „zivilisierten“ Betrachter präsentieren131, anderes nahelegen (denn unmittelbar zumindest suggerieren der gehäufte Gebrauch einer astronomischen Sprache132 und die thematische Allgegenwart der Sexualität in den Mythen133 wie auch die intime Vertrautheit der „Primitiven“ mit dem biologischen Mi___________ 123

Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194; keine Hervorhebung im Original. MB: 29 / MM: 17; keine Hervorhebungen im Original. Siehe zu diesem ‚Prinzip des Alles oder Nichts‘ außerdem WD: 201 / PS: 228 sowie Eribondt: 164 / Eribonfrz: 157: „Eine Erklärung ist nur unter der Bedingung totaler Geltung von Wert.“ 125 Eribondt: 164 / Eribonfrz: 157. Siehe hier auch Arndt / Raddatzdt: 5. 126 Vgl. WD: 162 / PS: 182. 127 ETö: 313 / PJ: 258. 128 Ebd. / Ebd. 129 Vgl. WD: 159 / PS: 178. 130 Alles gilt ihm [So etwa kann Lévi-Strauss auch behaupten, das ‚wilde‘ Denken – sinngemäß – kenne streng genommen „keinen Mißerfolg“ (WD: 251 / PS: 287).], und damit für gleich viel [Auf den Punkt 124

gebracht findet sich die Konsequenz dieses kehrseitigen Aspekts bei W. Benjamin ([1924/25] 1974), wenn er schreibt: „Es gibt keine Wahrheit, denn es gibt keine Eindeutigkeit und also nicht einmal Irrtum im Mythos.“ (Ebd.: 162.) Verwandt äußert sich Pouillon (1980: 72).]. 131 Vgl. hierzu Lévi-Strauss’ Blick auf Max Müller (nicht den Philosophen!) und dessen Schule in MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38, auf Freud in Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194 bzw. ETö: Kapitel XIV / PJ: Chapitre XIV und auf die ‚Verfechter des Totemismus‘ (WD: 159 / PS: 179) in ebd. / ebd. 132 Vgl. MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38. 133 a: Vgl. Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194. b: In der Bereitschaft zu solcher Wahrnehmung spiegelt sich für Lévi-Strauss gerade die Sensibilität des sexuellen Faktors innerhalb unseres eigenen Wertesystems wider. (Siehe Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194.) Vgl. hierzu auch seine Anfechtung des Freudschen Denkens, insofern es dem sexuellen Code eine Schlüsselposition einräume (Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194 bzw. ETö, Kapitel XIV / PJ: Chapitre XIV.)

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

lieu134, welche in der vorzugsweisen Verwendung zoologischer und botanischer Typologien ihr Korrelat besitzt135, Signifikanzen anderer Art). – Genau diese Sichtgewohnheiten (also) distanziert Lévi-Strauss: Basierend auf den Prinzipien der Homologie auch entferntester Probleme und der generellen ‚Umkehrbarkeit‘ bzw. ‚Konvertibilität‘136 der jeweiligen Botschaften, wird die Auslegung des ‚wilden‘ Denkens gewissermaßen unter Distanzierung der Macht des ersten Eindrucks betrieben. Die entsprechende „Forderung“ (und konsequente Richtlinie) lautet: Weder im einen noch im anderen Fall bezeugt die Verwendung der genannten Codes exklusive Präferenzen137, weder im einen noch im anderen Fall steht ihre Verwendung für bevorzugte Inhalte138; das ‚wilde‘ Denken vielmehr operiert, wenn man so will, mit einem „wahre[n] ‚Intercode‘“139, es arbeitet mit „mehrdimensionalen Logiken“140.141 Die jeweiligen „lokalen Logiken“142 repräsentieren dabei insgesamt nicht mehr und nicht weniger als Aspekte bzw. Modi einer allgemeinen systematischen Tätigkeit143.

(c) Das theoretische „Gegenmodell“ Ähnlich dem (von mir in der ‚Propädeutik‘ nachgezeichneten) Versuch, die strukturale Anthropologie als Untersuchungsmethode der Kulturwissenschaften über die Herstellung von Bezügen zum cartesischen Modell zu profilieren, wird von Lévi-Strauss auch in diesem Zusammenhang die kontrastierend-deiktische ___________ 134 135 136

Vgl. WD: 16 / PS: 10. Vgl. ebd.: 160 / ebd.: 179. Vgl. WD: 93 / PS: 101 bzw. MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38, ETö: 298 / PJ: 245, et pas-

sim. 137

Vgl. WD: 159 / PS: 178. Vgl. MI / dt: 310 / MI / frz: 246 bzw. ETö: 297 f. / PJ: 245. 139 MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38. 140 WD: 80 / PS: 86. (Naumann übersetzt: „… mehrdimensionalen logischen Systemen …“.) 141 So weist also zum Beispiel nach „primitivem“ Dafürhalten ein die Geschlechtlichkeit betreffendes Problem Äquivalenz mit jenen Problemen auf, „welche die Menschen sich im Zusammenhang mit den Himmelskörpern, mit dem Wechsel von Tag und Nacht, der Aufeinanderfolge der Jahreszeiten, der sozialen Organisation, der politischen Beziehungen zwischen benachbarten Gruppen usw. stellen“ (Eribondt: 203 / Eribonfrz: 194 f.). Für die ebenfalls erwähnten Bereiche der Astronomie und der Biologie gilt LéviStrauss’ Veranschaulichung in vergleichbarem Maße; das heißt: die entsprechenden Beispiele fügen sich hier ins selbe Bild, sie bestätigen sozusagen die Erwartung. Zoologische und botanische Taxonomien etwa konstituieren in den Augen der „Primitiven“ keine segregierten Domänen, sondern den „integrierende[n] Teil einer globalen und dynamischen Taxonomie“ (WD: 163 / PS: 185). 142 WD: 188 / PS: 213. 143 Vgl. ebd.: 189 / ebd.: 213. 138

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Bezugnahme auf Descartes als Fixpunkt gewählt, um seiner Argumentation auf theoretischer Ebene zu mehr Konturiertheit zu verhelfen. Das totalisierende, ‚wilde‘ Denken und das partikularisierende, cartesische Denken, das LéviStrauss mit dem modernen wissenschaftlichen Denken identifiziert, stehen dabei für einander vollkommen zuwiderlaufende Gewichtungen; auf der Skala weltanschaulicher Ausdrucksmöglichkeiten besetzen sie beide Extrempositionen: Eine Weltanschauung, die ihr Ordnungsstreben dem Primat der Totalität unterstellt144, weist sich dadurch aus, daß sie auch die „Verwandtschaft mit dem Fremden“145, auch die „Zusammengehörigkeit im Entferntesten“146 sucht, ein unter cartesischen Prämissen ordnender Geist dagegen gerade durch das Bedürfnis nach einer „Entmischung der Sphären“147. Den unverkennbaren historischen Referenzpunkt in dieser Gegenüberstellung bildet für Lévi-Strauss das zweite der von Descartes im ‚Discours de la Méthode‘ formulierten methodischen Prinzipien: die Regel der Zerlegung (= Analyse).148 Dieser Bezug führt in die Irre, wenn das, was er insinuiert149, im absoluten Sinne genommen wird; denn selbstverständlich zerlegt auch das ‚wilde‘ Denken seine Probleme, verfährt auch das ‚wilde‘ Denken – wie gezeigt – analytisch. Das Entscheidende ist daher zu sehen, worauf Lévi-Strauss mit diesem Verweis abhebt: Es sind die diesbezüglich im ‚wilden‘ bzw. modernen Denken unterschiedlichen Vorrangverhältnisse.150 Im ‚wilden‘ Denken erscheint der analytische gegenüber dem synthetischen Aspekt in einer insgesamt subordinierten Stellung; den Primat behält die alles synthetisierende Totalität, sie wird stets wiederhergestellt151. Mit dem partikularisierenden Interesse des ___________ 144

Die einem dafür unter Umständen in den Sinn kommende Bezeichnung ‚Holismus‘ wird – soweit ich sehe – von Lévi-Strauss nicht verwendet. 145 Angehrn (1996: 278). 146 Ebd. 147 Ebd.: 269. 148 Siehe Descartes (Discours, 1637: 31 bzw. 30). 149 Den Wesenszug der in cartesischer Tradition stehenden, modernen wissenschaftlichen Denkweise erkennt Lévi-Strauss in dem Bestreben, „das Problem in so viele Teile zu zerlegen, wie zu seiner Lösung erforderlich sind“ (MB: 29 / MM: 17) – das zentrale Signum des ‚wilden‘ Denkens in der „Weigerung, die betreffende Schwierigkeit zu zerlegen“ (Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194; keine Hervorhebung im Original). 150 Ähnlich verhält es sich wohl auch bei Duerr ([1978] 1984: 194 f.), der – in einem analogen Zusammenhang (die Gegenüberstellung ist bei ihm die von archaischer und moderner Mentalität) – mit dem Paarling ‚synthetische‘ resp. ‚analytische‘ Anschauungs- = Wahrnehmungs- = Erfahrungsweise hantiert. – Was allerdings im einen wie im anderen Fall nichts daran ändert, daß die Art der Fokussierung dazu beiträgt, einen Grundsachverhalt zu verundeutlichen und von daher Mißverständnisse zu erzeugen. 151 Vgl. WD: 173 / PS: 195. Charakteristisch für das ‚wilde‘ Denken ist dementsprechend das, was Lévi-Strauss die „doppelte Bewegung der Detotalisierung und der Retotalisierung“ (ebd. / ebd.) nennt.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

cartesischen Denkens dagegen kehrt sich genau dieses Verhältnis um. Im ‚wilden‘ und im cartesischen Denken sind mithin die Ordnungsfunktionen der Analyse und der Synthese in jeweils originärer Weise ins Verhältnis gesetzt, und es ist wohl dieser zentrale Sachverhalt, der es – jedenfalls in Anbindung an LéviStrauss – gerechtfertigt erscheinen läßt, von letztlich unterschiedlichen Denktypen zu sprechen. Eine direkte Fortführung oder auch weitergehende Präzisierung erfährt die Parallelität der Darstellung durch Lévi-Strauss nicht. Deutlich machen will sie (bzw. will Lévi-Strauss damit), daß ein Großteil der sonstigen Spezifika der beiden Denkformen Folgespezifika jenes fundamentalen Spezifikums (des jeweiligen Dominanz-/Subordinationsverhältnisses der beiden genannten Ordnungsfunktionen) sind; deutlich machen will sie (bzw. will Lévi-Strauss damit) auch, daß ein Großteil der sonstigen Differenzen zwischen beiden Denktypen Folgedifferenzen jener fundamentalen Differenz (des Inversionsverhältnisses in bezug auf das jeweilige Relationsverständnis der beiden genannten Ordnungsfunktionen) sind. Unter ihren prominentesten Implikationen ist vor allem auf die signifikant verschiedenen Grade und Ausprägungsformen sei es verfügbarer, sei es illusionärer Prothetik und ergo Naturbeherrschung zu verweisen, für die sowohl die „Primitiven“ als auch die „Zivilisierten“ leben bzw. in deren Abhängigkeit sie sich wiederum auch stets befinden.152

(3) Die spezifische Konsequenz. Exempla „primitiver“ Ordnungsbildung Erst ein Wissen um das jeweilige Welt- und Selbstverständnis liefert eine rationale Erklärung für die spezifische Konsequenz, mit der sich ein Denken entfaltet, um die nach seinem Empfinden größtmögliche Reduktion einer chaotischen Wahrnehmung zu bewirken153. Für das ‚wilde‘ Denken besteht diese Konsequenz darin, daß es die Phänomene nicht nur innerhalb eines bestimmten Seinsbereichs in ein Verhältnis bringt, sondern daß es gerade auch die semantisch weitesten Distanzen überbrückt, indem es Bezüge zwischen den unterschiedlichen Seinsbereichen herstellt154; signifikant bleibt dabei – in Anlehnung an Angehrn – sowohl die Kontingenz der verwendeten Einteilungskriterien wie ___________ 152

Vgl. dazu MB: 29 f. / MM: 17 und Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195. Vgl. dazu außerdem Mitscherlich ([1966] 121985: 122) sowie nicht zuletzt Blumenberg ([1979] 3 1984: 183). 153 Siehe erneut das Simpson-Zitat: oben, Seite 116. [Eigentlich ja: ‚um die nach seinem Empfinden größtmögliche wahrnehmungsmäßige Reduktion von Chaos zu bewirken‘ (vgl. nochmals Seite 117, Fußnote 96 b).] 154 Vgl. gerade hierzu nochmals das Beispiel von Spechtschnabel und Menschenzahn (oben, Seite 117, Text vor Fußnotennummer 98 bzw. Seite 118, Fußnote 100).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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deren scheinbar ungeregelte Interferenz155. Zudem scheint sich an der Konsequenz, mit der das ‚wilde‘ Denken seine Ordnungsbildungen durchführt, in besonders eindrücklicher Weise zu bestätigen, daß eine Trennung zwischen klassifikatorischer und assoziativ-korrelativ-analogischer Ausrichtung in letzter Klarheit und Schärfe unmöglich ist. Einem an den kommunen Maßstäben modernen Denkens ausgerichteten Betrachter jedenfalls begegnen sie nicht selten unter dem Anschein progredienter Hybridisierungen, deren Bestandteile sich an der Schwelle zum Versinken ins Konturlose mit konstanter Beharrlichkeit den Versuchen eindeutiger Festlegung entziehen. Bester Indikator dafür, daß sich die unter einem basalen Gesichtspunkt festgestellten Übereinstimmungen156 nicht mit derselben Uneingeschränktheit auch für die spezifische Verfahrensart und Konsequenz, mit der das ‚wilde‘ Denken von den unterschiedenen Ordnungsfunktionen bzw. -modi Gebrauch macht, aufrechterhalten lassen, sind die Gefühle der Fremdheit (wenn nicht des Befremdens), die eine Konfrontation mit entsprechenden Fallbeispielen bei einem externen Betrachter hervorruft. Folgende beiden Textbeispiele wurden selegiert, um diesen Erfahrungsaspekt zu simulieren: Beispiel 1: Daß Pflanzen neben ihrer kulinarischen Verwertbarkeit – um hiermit das nächstbeste Kriterium aufzugreifen – etwa auch noch unter dem Gesichtspunkt ihrer Heilwirkung klassifiziert werden, soll als ein kulturübergreifend, also generell feststellbarer Sachverhalt gelten. Spezifisch im Gegensatz zur modernen wissenschaftlichen Auffassung und konsistent zugleich mit der für das ‚wilde‘ Denken typisch multiplen Konnexierbarkeit des jeweils in eine Klasse Gebrachten aber ist, welche Gründe eben dieses ‚wilde‘ Denken anführt, um den Wert und die Verwendungsart seiner pflanzlichen Therapeutika zu legitimieren. Lévi-Strauss illustriert die diesbezügliche Rechtmäßigkeitsauffassung anhand von Ergebnissen einer Studie Leightons / Leightons über die Navaho: „[E]ine bestimmte Pflanze wächst z. B. neben einer wichtigeren Heilpflanze; einer ihrer Teile ähnelt einem Teil des menschlichen Körpers; der Geruch oder der Geschmack der Pflanze (oder wie sie sich anfühlt) ist ‚wie es sein soll‘; die Pflanze färbt das Wasser ‚wie es sein soll‘; die Pflanze ist einem Tier zugeordnet (entweder weil sie seine Nahrung ist oder weil sie miteinander in Berührung kommen oder in demselben Gebiet vorkommen); sie ist durch die Götter offenbart worden; irgend jemand hat gelehrt, wie man sie verwendet; man hat sie in der Nähe eines vom Blitz getroffenen Baumes gepflückt; sie heilt eine bestimmte Krankheit, also ist sie auch für eine ähnliche oder denselben Körperteil befallende Krankheit heilsam usw.“157

___________ 155 156 157

Siehe Angehrn (1996: 282). Vgl. Gliederungspunkt V.2.a)dd)(1) dieses zweiten Kapitels (oben, Seite 120 ff.). WD: 78 f. / PS: 84.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Eine gewisse Abmilderung der gefühlten Andersartigkeit wird hier noch am ehesten erreicht durch ein Überwechseln von der synchronen in die diachrone Perspektive: Sieht Lévi-Strauss in der Art des zitierten Beispiels doch ein Denken in Kraft, „das dem [der] Naturforscher und Geheimwissenschaftler der Antike und des Mittelalters nahesteht“158.159 Beispiel 2: In vielen sogenannten primitiven Gesellschaften werden Fauna und Flora dazu genutzt, um Sinnbilder zu übernehmen, die ihren Mitgliedern unterschiedliche Rollen zuweisen, und damit als Methode, die es diesen Gesellschaften – qua Projektion – gestattet, sozial-funktionale Differenzierungen zu erarbeiten. Die Tiere und Pflanzen werden in diesem Falle folglich nicht als ‚biologische Entitäten‘160 herangezogen, sondern als ‚begriffliche Werkzeuge mit zahlreichen Möglichkeiten‘161. Sozusagen stellt hier eine Artenvielfalt (nämlich die der Tiere und Pflanzen) einer einzelnen Art (nämlich der menschlichen) auf assoziativ-korrelativ-analogischem Wege ein polyvalentes klassifikatorisches Mittel bereit.162 Ein gutes Anschauungsbeispiel für diese Form der ___________ 158

WD: 55 / PS: 57; Einschub und Hervorhebung nicht im Original. a: Der besseren Nachvollziehbarkeit halber zur Kenntnis genommen werden könnten noch die von Lévi-Strauss in diesem Zusammenhang referierten Ausführungen Delattes über die Wirksamkeit der Pflanzen aus Sicht der astrologischen Kräuterkunde in WD: 57 / PS: 58. b: Vgl. hierzu außerdem Mühlmann ([1948] [21968] 41986), für den die „sogenannten magischen Denkakte und Handlungen“ (ebd.: 177) „keineswegs das Reservat eines besonderen ‚primitiven‘ Völkerkreises oder ‚niedrigerer‘ Kulturen [sind]“ (ebd.: 178). Weiter führt Mühlmann aus: „Sie haben vielmehr, worauf schon Schopenhauer hingewiesen hatte […], eine lange Geschichte auch im Abendland hinter sich, und außerdem sind sie auch Vorstufen wissenschaftlich-experimentellen Denkens [Verweis Mühlmanns an dieser Stelle auf Thorndike; H.M.S.].“ (Ebd.: 178.) 160 Vgl. WD: 174 / PS: 196. 161 a: Vgl. ebd. / ebd. Aus diesem Grunde ist es von seiten des Ethnographen auch nicht ausreichend, „jedes Tier [oder] jede Pflanze […], die in den Mythen und im Ritual erwähnt werden, genau zu identifizieren“ (ebd.: 69 / ebd.: 73), sondern „man muß auch wissen, welche Rolle jede Kultur ihnen innerhalb eines Bedeutungssystems zuschreibt“ (ebd. / ebd.). b: Über die zurückliegenden Darlegungen dürfte klar geworden sein – und bei einer Lektüre der Lévi-Strauss’schen Texte ist darauf auch stets zu achten –, daß bezüglich der hervorgehobenen Polyvalenz der Begriffe nicht deren Polyvalenz als solche interessiert [Am Beispiel des Hundes ließe sich diese – in lockerer Auslese aus tausendundeiner Perspektive – pro159

blemlos auch für unsere Kultur nachweisen: Weit davon entfernt, nur ‚biologische Entität‘ zu sein, eignet diesem Tier ferner (je nachdem) die Rolle bzw. das Attribut des Wächters, des Führers, des Spürers, des Fährtensuchers, des Retters, des Begleiters, des Spielkameraden, des treuen Freundes, des Ärgernisses, der Belästigung, der Zumutung und Bedrohung, des Objekts staatlicher Besteuerung, des Anlasses zur Belustigung, des kulinarischen Tabus, des Beschäftigungsinhalts, mitunter der Sinnprothese.], sondern deren Polyvalenz innerhalb

einer bestimmten weltanschaulichen „Umgebung“. Allein letztere ist maßgeblich für deren unverwechselbare Handhabung. 162 a: Vgl. hierzu etwa ET: 22, 116 und 131 / TA: 18, 128 und 145, WD: 128 f., 150 und 161 f. / PS: 143, 168 und 181 sowie Godelier (1973 / 1973: 301).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

131

instrumentellen Vernunft bieten die Luapula aus dem (für den Verfasser des ‚wilden Denkens‘ noch) nördlichen Rhodesien (also heutigen Sambia), deren Clans „die Namen von Tieren, Pflanzen oder gefertigten Gegenständen tragen“163; mit Bezug auf die Forschungen Cunnisons schreibt Lévi-Strauss: „Bei den Luapula stehen folgende Clans in einer scherzhaften Beziehung: Leopard und Ziege, weil der eine die andere frißt; Pilz und Termitenbau, weil der eine auf dem anderen wächst; Brei und Ziege, weil man den Brei lieber mit Fleisch ißt; Elefant und Tonerde, weil ehemals die Frauen, statt Behälter zu formen, Abdrücke von Elefantenfüßen aus dem Boden herauslösten und diese natürlichen Formen anstelle von Behältern verwendeten; der Termitenbau und die Schlange oder das Gras, weil das Gras auf dem Bau gut wächst und die Schlangen sich darin verbergen; das Eisen und alle ‚Tier‘-Clans, weil es die Tiere tötet. Ähnliche Überlegungen erlauben es, eine Hierarchie der Clans festzulegen: der Leopard ist der Ziege überlegen, das Eisen den Tieren und der Regen dem Eisen, denn er bringt es zum Rosten; im übrigen ist der Regen-Clan allen anderen überlegen, denn ohne Regen würden die Tiere vor Hunger und Durst sterben, und es wäre unmöglich, einen Brei (Name eines Clans), Töpferware (Name eines Clans) usw. herzustellen.“164

Während im Zitat Simpsons auf das Ordnungsproblem nur in einer theoretischen Hinsicht Bezug genommen ist, machen die beiden zitierten Beispiele (pars pro toto) deutlich, weshalb von Lévi-Strauss die ‚Logiken des Konkreten‘165 näherhin – und damit in weiterer Spannung des Bogens – als ‚praktischtheoretische Logiken‘166 ausgegeben werden. Ihrer logischen Kraft gelingt nicht nur die Ordnung von Krankheiten und Heilmitteln167 oder die Organisation soziologischen Materials168, sondern auch die Lösung so unterschiedlicher Aufgaben wie die der Organisation des Raums169 oder der Integration der Geschichte170. – Auf genau derselben Linie im übrigen liegt nach Blumenberg171 ___________ b: Vgl. hierzu außerdem die bereits angesprochene Einführung von Diskontinuitäten im Bereich des Sozialen (oben, Seite 121). 163 WD: 78 / PS: 83. 164 Ebd. / Ebd.: 83 f. 165 Vgl. ebd.: 82 / ebd.: 88. (Naumann übersetzt: „… logischen Systeme des Konkreten …“.) 166 Vgl. ebd.: 92 / ebd.: 100; keine Hervorhebung im Original. (Naumann übersetzt: „… praktisch-theoretische[.] logische[.] Systeme …“.) 167 Vgl. ebd.: 192 / ebd.: 217. 168 Vgl. ebd.: 92 / ebd.: 100. 169 Vgl. ebd.: 193 / ebd.: 218 f. 170 Vgl. ebd.: 281 / ebd.: 323. 171 Blumenbergs phänomenologische Rekonstruktionen der anthropologischen Befähigung zu wirksamer Prophylaxe gegen ‚Realitätsprostration‘ ([1979] 31984: 17) haben ihre prägnanteste Formel in dem Entsprechungsverhältnis „Absolutismus der Wirklichkeit einerseits, Allmacht der Vorstellungen andererseits“ (ebd.: 16). Siehe zum Gedanken der Abblendung der Übermacht der Natur durch die menschliche Kultur (unter Einschluß ihres mythischen Prospekts) neben Blumenberg (ebd.: 182 f.) auch Lévi-Strauss in BF: 44 / RE: 41.

132

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

auch Angehrn, wenn er zu bedenken gibt, daß sich im Ordnungsdenken begriffliche Verständigungsraster mit Interessen und Motiven praktischer Existenzbewältigung verschränken172.173

(4) Relativierende Klarstellungen. Zur Gefahr der Exotisierung des „primitiven“ Denkens (a) Einstimmung Buchstäbliche oder weitgehende Exklusivität als Diagnose wird dem Denken in „primitiven“ Ethnien gleichwohl nicht in jedem Falle schon gerecht. Denn nur ein Teil dessen (und sei es der größere), was nicht auf Anhieb ins eigene Raster paßt, erweist sich als triftiger Hinweis auf ein Distinktionsmerkmal „primitiver“ Rationalität. Das Ansinnen, das ‚wilde‘ Denken in seiner Authentizität zu würdigen, muß daher unter allen Umständen auch ein anderes, weniger Erwartetes, vielleicht weit eher Gewöhnungsbedürftiges fordern: Immer geht es in der Auseinandersetzung mit kulturell Fremdem auch um die Bereitschaft, kulturell Eigenes mit unverstelltem Blick wiederzuerkennen – und zwar auch und gerade noch jenseits einer ersten Beschäftigung mit basalen Ordnungsfunktionen.174 Dies gilt in einem neutralen und unpathetischen Sinne. Es meint weder die verkrampfte Suche nach dieser einseitigen Bestätigung (häufig genug zustandekommend zum Preis vereinnahmender Verfremdung), noch das Zugeständnis „in Gottes Namen“, also die „Bereitschaft“, Fakten erst dort nicht mehr zu leugnen, wo die Indizien übermächtig werden. Die beiden folgenden Beispiele leisten auf je ihre Weise einen Beitrag, damit in der Sache die Gesamtbalance gehalten bleibt; beide sind sie vor allem dazu bestimmt, um den Mißleitungen distanzierender Verfremdung zu wehren.

___________ 172

Vgl. Angehrn (1996: 321). Eine eigene Plausibilität erlangt in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Perspektive Luhmanns (1967): „Soziale Systeme haben die Funktion der Erfassung und Reduktion von Komplexität. Sie dienen der Vermittlung zwischen der äußersten Komplexität der Welt und der sehr geringen, aus anthropologischen Gründen kaum veränderbaren Fähigkeit des Menschen zu bewußter Erlebnisverarbeitung. Diese Funktion wird durch Systembildung […] erfüllt.“ (Ebd.: 619.) 174 Im Mangel an dieser Bereitschaft und mithin der Unkenntnis bezüglich der eigenen Denkformen ist in der Tat soviel wie eine prinzipielle Quelle des Mißverstehens fremder Denkformen zu erkennen. Siehe hierzu bereits Horton (1967: 50) sowie Hallpike (1979 / [1986] 1990: 11). 173

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

133

(b) Die Simultaneität des Diversen Im Kontext „primitiver“ Ordnungsbildung wird von Lévi-Strauss verschiedentlich der Eindruck erzeugt, als sei das ‚wilde‘ Denken aufgrund einer speziell ihm eigenen Arbeitsweise dazu in der Lage, mehreres und vor allem Heterogenes gleichzeitig zu leisten.175 Wiedergegeben und damit gewissermaßen multipliziert wird dieser Eindruck wiederum durch Angehrn, und zwar im einen Fall durch eine dezidierte Bezugnahme auf den Aspekt der Assoziation, Korrelation und Analogie, im anderen Fall durch eine dezidiert auf den Ordnungsmodus der Klassifikation abstellende Behauptung. Seine sich gegenseitig ergänzenden Formulierungen lauten: „[…] [Z]ur Besonderheit der konkreten Logik des Mythos [bzw. des totemistischen Denkens; H.M.S.] [gehört] ihre Polyvalenz […], die sie gleichzeitig mit verschiedenen Typen von Verbindungen in unterschiedlichen Dimensionen operieren läßt“176;

bzw.: „Zur Besonderheit dieser Unterscheidungen [gemeint hier also der Klassifikationen des indigenen Denkens; H.M.S.] gehört, daß sie – spiegelbildlich zur Polyvalenz der assoziativen Verknüpfung – gleichzeitig mit verschiedenen Kriterien operieren und verschiedenartige Merkmale kombinieren (zum Beispiel die Einteilung der Pflanzen nach Geschlecht, Heilkraft und Gestalt).“177

Selbstverständlich steckt dahinter keine operative Gleichzeitigkeit im strikten Sinne (sie implizierte die „Geringfügigkeit“ eines Verstoßes gegen die Regeln der Logik bzw. supponierte – umgekehrt gefaßt – die Fähigkeit, das logisch Unmögliche zustandezubringen); und dennoch sind Formulierungen wie die zitierten in besonderer Weise geeignet, um ein genau dahingehendes Mißverständnis zu befördern, das heißt im Klartext: zu der Annahme zu verleiten, als ließe sich mit Hilfe des Sachverhalts, daß das ‚wilde‘ Denken verschiedene Interessen parallel verfolgt (ein ganz normaler Vorgang), der weitere Sachverhalt überblenden, daß es in operativer Hinsicht (wie jedes andere Denken auch) konsekutiv vorgehen muß.178 – Tatsächlich ist mit dem einen nicht gegen das andere vorzugehen, ist das eine nicht gegen das andere „auszuspielen“; beide Sachverhalte bestehen vielmehr völlig unabhängig voneinander. Es liegt deshalb auch nur in der Konsequenz jener unterschwelligen Tendenz zur kontrafaktischen „Verdopplung“ des ersten Sachverhalts, daß sich der Ordnungssinn ___________ 175

Siehe dazu etwa WD: 78 und 79 / PS: 83 und 84 f. oder Eribondt: 203 / Eribonfrz:

195. 176

Angehrn (1996: 277 f.; keine Hervorhebungen im Original). Ebd.: 282; keine Hervorhebungen im Original. 178 Dieser feine Unterschied wurde implizit bereits von Didier Eribon im Dialog mit Lévi-Strauss geltend gemacht, wie seiner Interjektion von den „sukzessiv gestellte[n] Probleme[n]“ (Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195; keine Hervorhebung im Original) zu entnehmen ist. 177

134

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

„in abgründigster Weise auf die Probe gestellt“179 sieht; und ebenso schiene nicht nur (um hiermit auf Angehrns Formulierung anzuspielen180) der Ratio keine Handhabe gegeben, ihr wäre vielmehr keine gegeben, um in dieser vermeintlichen181 Facette des ‚wilden‘ Denkens eine Logik zu erkennen und so den supponierten Modus procedendi als Ordnungsmodus wahrzunehmen. Diese Klarstellung ist, richtet man das Augenmerk auf den Aspekt speziell der Klassifikation (!), nicht ohne Folgen. Denn wenn es sich so verhält, daß die von Angehrn zitierte Kriteriendisposition der Pflanzen (Geschlecht, Heilkraft und Gestalt) auf nichts anderes abstellen kann als einfach nur darauf, daß in einer bestimmten Ethnie die Pflanzen beispielsweise außer nach ihrem Geschlecht auch noch unter dem Gesichtspunkt ihrer Heilkraft sowie ihrer Gestalt eingeteilt werden, dann verpufft auch der von ihm argumentativ intendierte Effekt, nämlich vermöge dieser Kriterienmatrix auf die Besonderheit „primitiver“ Ordnungsbildung abzuheben: – Zum einen, weil die Herstellung eines Nachbarschaftsverhältnisses zwischen den sich über die genannten Kriterien (Geschlecht, Heilkraft und Gestalt) ergebenden Klassen innerhalb „zivilisierter“ Kulturkreise keineswegs als Absonderlichkeit empfunden wird182; – zum anderen, weil die betreffende Konstellation als nur eine Möglichkeit unter einer Vielzahl denkbarer weiterer Konstellationen im Rahmen „primitiver“ Klassifikationsbemühungen zu begreifen ist, die allesamt repräsentativ sind für die prinzipielle Variabilität der Einteilungsmerkmale183 – und eben bezüglich dieser letzterer gilt: sie ist kein Spezifikum des „primitiven“ Rationalitätstyps; die prinzipielle Variabilität der Einteilungsmerkmale stellt vielmehr auch ein Kennzeichen der sogenannten künstlichen Einteilungen ___________ 179

Angehrn (1996: 283). Vgl. ebd.: 282. 181 Siehe hierzu auch Frank (1983: 139). 182 In dieser Hinsicht ist sozusagen das Beispiel schlecht gewählt. Oder wollte man behaupten, die Serie: a) Geschlecht, b) Heilkraft und c) Gestalt verbinde Extreme? – Einen Fall ganz anderer Art konstituiert da schon die bereits erwähnte (siehe oben, Seite 123, Fußnote 118), von Angehrn (1996) selbst ja auch gesehene (siehe ders. ebd.: 283) und anderen Beispielen ‚wilden‘ Denkens verwandte Klassifikation des Tierreichs durch eine „gewisse chinesische Enzyklopädie“. Ich will sie an dieser Stelle wiedergeben, da sie sich in hervorragender Weise eignet, um den (unter Ankündigung der Besonderheit) legitimerweise erwarteten Kontrast zu demonstrieren; ihr zufolge teilen sich die Tiere auf in: „a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen“. (So zitiert in Foucault 1966 / [1971] 182003: 17.) 183 Siehe hierzu bereits oben, Seite 122. 180

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

135

dar, mittels derer die moderne Biologie ihren Gegenstand unter anderem aufbereitet. Letztlich genau dieser Sachverhalt ist es übrigens, der Lévi-Strauss im ‚wilden Denken‘ bemerken lassen kann: „Die Klassifzierungen der Eingeborenen sind nicht nur methodisch und auf ein festgefügtes theoretisches Wissen begründet. Es kommt auch vor, daß sie in formaler Hinsicht mit den Klassifizierungen verglichen werden können, die von Zoologie und Botanik noch immer verwendet werden.“184 Konkrete Beispiele für letztere wären so unterschiedliche Aufteilungen wie die der Zugvögel nach dem Rhythmus ihrer Zugaktivität in Tag- und Nachtzieher, der Planktonorganismen in autotrophe, herbivore, räuberische und detritivore185, der Pflanzen allgemein nach ihrem Wasserhaushalt in Hydrophyten (Wasserpflanzen), Hygrophyten (Landpflanzen an feuchten Standorten mit hohem Wasserverbrauch), Tropophyten (Pflanzen auf Böden mit stark wechselndem Wassergehalt) und Xerophyten (an trockene Standorte angepaßte Pflanzen)186 oder etwa speziell der Pilze nach ihrer kulinarischen Verwertbarkeit in eßbare und nicht eßbare (ungenießbare bzw. giftige)187.

In Anlehnung an Thomson wird er in diesem Punkt noch konkreter: In bestimmten Fällen – so Lévi-Strauss – sei es „nicht übertrieben“188, wenn man behaupte, daß „die Verteilung der Pflanzen und Tiere ebenso wie die der Nahrungsmittel und Rohstoffe, die daraus gewonnen werden, eine gewisse Ähnlichkeit mit einer einfachen Linnéschen Klassifizierung [habe]“189. Als konkretes Beispiel für eine auf Linné zurückgehende Klassifizierung wäre die Aufteilung der Blütenpflanzen nach der Zahl ihrer Staubblätter in Monandria, Diandria, Triandria, Tetrandria bis hin zu den Polygamia zu nennen190 oder etwa die Aufteilung der Insekten in ‚Flügellose‘ (Aptera)191 und ‚Geflügelte‘ (davon letztere näherhin nach ihrer Flügelzahl in Diptera etc.).

___________ 184 185 186 187 188 189 190 191

WD: 58 / PS: 59; keine Hervorhebung im Original. Vgl. Mayr (1997 / 1998: 187). Zurückgehend auf A. F. W. Schimper (siehe Baron 1968: 18). Vgl. Mayr (1997 / 1998: 187). WD: 60 / PS: 62. Ebd. / Ebd.: 62 f.; keine Hervorhebung im Original. Vgl. dazu etwa Zimmermann (1953: 197 ff.) oder Weberling / Stützel (1993: 15). Siehe dazu Remane (1952: 5) oder Weberling / Stützel (1993: 15 f.).

136

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

(c) Der Fall der Hanunóo oder Die Verzeichnung und Aufbauschung des Banalen „In jedem Fall ist es nötig, eine feste semiologische Regel zu beachten, nämlich: die genaue Stellung eines jeden klassifizierten Objektes im Rahmen des jeweiligen Benennungs- und Bedeutungssystems zu bestimmen.“ Michael Oppitz, Notwendige Beziehungen. Abriß der strukturalen Anthropologie

Die Lévi-Strauss’schen Schriften im allgemeinen und ‚Das wilde Denken‘ im besonderen werden in der Erwartung studiert, sie würden einem den Zugang zu den Denkoperationen und -weisen sogenannter Primitivkulturen erleichtern. Ernüchtert freilich wird diese Erwartungshaltung immer wieder durch die Erfahrung, daß Lévi-Strauss dem Bemühen, ein dem „Forschungsgegenstand“ angemessenes Verständnis zu entwickeln, Hemmnisse entgegensetzt, an denen dieses Bemühen sich gleichsam bricht. Als ein besonders eklatantes Beispiel dafür gelten kann – sieht man ab von den bereits deutlich gewordenen, jedem Leser von ‚Das wilde Denken‘ zugemuteten Schwierigkeiten im Umkreis des Simpson-Zitats – Lévi-Strauss’ auszugsweise Übertragung von Ergebnissen aus der damals192 noch sehr aktuellen Feldforschung Conklins bei den Hanunóo, einer Volksgruppe auf Mindoro (einer Insel des philippinischen Archipels)193. In der Tat ist die Verzerrung, die der Arbeitsausschnitt Conklins im Zuge dieser Übertragung erfährt, von einem solchen Ausmaß, daß dies unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr toleriert werden kann, ohne den Sachverhalt zum Anlaß für die Einleitung weiterer Schritte zu nehmen. Dabei versteht es sich von selbst, daß einer kritischen Revision der Lévi-Strauss’schen Darstellung nicht nur die Manipulation an den Erträgnissen des Amerikaners als Rechtfertigung dient, sondern vor allen Dingen das schimärische Bild, welches auf diese Weise zwangsläufig von den Hanunóo entsteht. Schließlich ist es wohl auch diese Sekundärimplikation, die den späten Versuch, eine Alternative zur Lévi-Strauss’schen Lesart Conklins anzubieten, nicht mehr als lästige Pflichtübung, sondern fast schon als moralisch gebotenen Obolus erscheinen läßt. ___________ 192 Ich beziehe mich auf einen bestimmten Zeitraum des Jahres 1961: jenen Zeitraum, in dem nach Lévi-Strauss’scher Angabe ‚Das wilde Denken‘ entstand (12. Juni bis 16. Oktober). (Siehe für die entsprechende Notiz WD: 310 / PS: 357.) 193 Für Hintergrundinformationen über die betreffende Ethnie – abgestimmt auf den Zeitraum, in dem die Lévi-Strauss’sche Bezugnahme erfolgt – siehe Conklin (1955) sowie (1957).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Um nachfolgend unter den Bedingungen einer den Sachproblemen angemessenen Transparenz vorgehen zu können, empfiehlt es sich gleich an dieser Stelle, die fallrelevanten Formalien noch genauer abzuklären: Als primäre und entscheidende Bezugsquelle dient Lévi-Strauss Conklins Beitrag zur lexikographischen Behandlung von Ethnotaxonomien, wie er im Abschlußbericht einer Tagung über lexikographische Probleme abgedruckt ist, die im Jahr 1960 an der Universität von Bloomington / Indiana (USA) stattgefunden hat; innerhalb dieses Beitrags wiederum konzentriert sich sein Interesse auf jenen längeren Passus, in dem Conklin eine modellhafte Rekonstruktion eines Teils der HanunóoBotanik unternimmt. Den Bedingungen einer adäquaten Aufarbeitung der durch Lévi-Strauss induzierten Sachprobleme (resp. deren Nachvollzugs) zuzuzählen ist folglich nicht nur die authentische Verfügbarkeit von entsprechendem Material (dieses besteht neben einem längeren Textauszug vor allem aus Diagrammen), sondern speziell auch – was die Diagramme betrifft – die Verfügbarkeit ihrer konstruktiven Abwandlungen. Betonen will ich in diesem Zusammenhang, daß die Verfrachtung des betreffenden Materials in die Appendices der vorliegenden Arbeit194 aus rein dispositionellen Gründen erfolgt und die mithin eröffnete „Chance“, es unbesehen auf sich beruhen zu lassen, vom Leser der nachfolgenden Ausführungen auf eigene Verantwortung hin (sprich: zum letzthin eigenen Schaden) ergriffen würde. Wessen Interesse dagegen von vornherein einem ernsthaften Nachvollzug der Lévi-Strauss’schen „Verwicklungen“ gilt, für den ist die lückenlose Kenntnisnahme dieses Materials – die Verweispunkte werden von mir im einzelnen angezeigt – unerläßlich. Rein methodisch gesehen, mag eine gewisse Schwachstelle der folgenden Argumentation darin erkannt werden, daß ich in der Kette meiner Recherchen nicht auch noch hinter die Forschungen Conklins zurückgegangen bin, daß sozusagen dessen Ergebnisse von mir ungeprüft übernommen wurden. Abgesehen davon, daß ich diesem Einwand unmittelbar nicht mehr entgegenzusetzen hätte als das Eingeständnis von Kapazitätsund Kompetenzgrenzen (wobei hinzukäme, daß unter Umständen allein das Faktum der verstrichenen Dezennien die exakte Reproduktion des relevanten Untersuchungsteils durch die von ethnographischer Seite aus Zuständigen verunmöglichte), wäre natürlich zu fragen, ob eine Forschung, die solchen Ansprüchen genügen wollte, nicht zu nurmehr leerer Betriebsamkeit verkäme, im Endeffekt also zu Stillstand führte. Denn wofür stünde sie? – Der Sachverhalt ist doch: Man treibt den Aufwand des Regresses zum Zweck einer erneuten Aufarbeitung nur aus einem guten Grund. Ein solcher bestünde entweder von der Sache her (etwa aufgrund einer Modifizierung der Forschungsfrage, was aber im vorliegenden Fall gerade nicht das Interesse spiegelt); oder er verdankte sich einem konkreten, auf die Kompetenz nicht weniger als auf die Integrität des betreffenden Forschers (hier: Conklins) zielenden Verdachtsmoment (dessen Annahme im vorliegenden Fall schon allein insofern kaum aufrechtzuerhalten wäre, als sich Conklins Beitrag bis

___________ 194

Siehe dort: Gliederungspunkt I. (Seite 440 ff.).

138

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

zum Stadium seiner endgültigen Fassung immerhin der mehrfachen Diskussion ausgesetzt sah195).196 Insgesamt scheint mir daher die hiermit zumindest transparent gemachte Schwachstelle von eher theoretischer Natur zu sein – und mithin ungeeignet, um eine wirklich ernsthafte Debatte darüber zu eröffnen, wo denn nun der eigentliche Revisionsbedarf besteht.

Aus didaktischen Gründen habe ich mich entschieden, die eigentliche Aufarbeitung des Falls von jener Situation ihren Ausgang nehmen zu lassen, in die sich der Leser gestellt sieht, wenn er sich an ‚Das wilde Denken‘ hält. Was von dem erwähnten Passus sich dort in einem ersten, umstandslosen Zugriff wiedergegeben findet, hat (mit Lévi-Strauss also) den Wortlaut: „Die Hanunóo der Südphilippinen teilen das Universum in Wesen, die benannt, und solche, die nicht benannt werden können. Die benannten Wesen teilen sich in Dinge, und in Personen und Tiere. Wenn ein Hanunóo das Wort ‚Pflanze‘ ausspricht, schließt er aus, daß die Sache, von der er spricht, ein Stein oder ein hergestellter Gegenstand ist. Die Klasse ‚krautartige Pflanze‘ schließt ihrerseits andere Pflanzenklassen aus, etwa die der ‚Holzgewächse‘ usw. Unter den krautartigen Pflanzen ist der Ausdruck ‚Pfeffergewächs‘ differentiell in bezug auf ‚Reisgewächs‘ usw. ‚Angebauter Pfeffer‘ schließt ‚wilden Pfeffer‘ aus, und ‚angebauter Chili-Pfeffer‘ schließt ‚angebauten grünen Pfeffer‘ aus; schließlich präzisiert ‚Katzenpenis‘, daß es sich um ein Individuum handelt, welches nicht zu den fünf anderen Abarten oder taxa197 gehört, die von der Eingeborenenkultur in der Gruppe der angebauten Pfefferarten unterschieden werden.“198

Die unmittelbare Frage ist gestattet: Womit glaubt es der Leser von ‚Das wilde Denken‘ zu tun zu haben, wenn er den zitierten Abschnitt reflektiert? Unter Einbeziehung der inzwischen nicht mehr unvertrauten Lévi-Strauss’schen Thesen, zu deren Beleg diese Beschreibung in erster Linie angeführt wird – es ist die Annahme einer globalen und dynamischen Taxonomie mit kontinuierlichen Übergängen zwischen den jeweiligen Bereichen199 – und unterstützt durch Lévi-Strauss’ Versuch einer graphischen Umsetzung der für die Hanunóo typi___________ 195 Siehe dafür Conklin (1962: 141). Für bedeutsam darf in diesem Zusammenhang auch Conklins biographische Information (in ders. ebd.: 120) gehalten werden. 196 In Fällen des sich erhärtenden Verdachts würde der Anlaß des Regresses zum zu ächtenden Ausnahmefall, wobei die ‚Scientific Community‘ durch die Einhaltung ihrer Standards auch dafür sorgen sollte, daß diese Ächtung möglich bleibt. Ein sehr gutes Beispiel für diesen glücklicherweise immer wieder funktionierenden Mechanismus liefert Heines Kommentar (1985 / 1987) ad Turnbull. [Nicht zu verwechseln freilich sind die von Heine der Kritik unterzogenen Forschungen Turnbulls über die Ik im Nordosten Ugandas mit den anerkannten Forschungen Turnbulls über die Mbuti-Pygmäen (Ituri / Kinshasa-Kongo, also ehemals Zaire)!] 197 Siehe zur Erläuterung des Terminus ‚Taxon‘ (Plural: ‚Taxa‘) meine Ausführungen speziell unter Gliederungspunkt V.2.b)bb)(2)(c) dieses zweiten Kapitels, unten, Seite 192 f. 198 WD: 162 / PS: 182. 199 Siehe erneut oben, die Seiten 124-126; auch WD: 162 f. / PS: 182 f. und 185.

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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schen Arbeitsweise – siehe für ihre originalgetreue Abbildung die Diagramme 2 und 3 auf den Seiten 443 und 444 der Appendices – scheint der Zusammenhang unter Umständen schnell verstanden: Eine Reihe aufeinanderfolgender Aufgabelungen bzw. Dichotomien, deren semantischer Schwerpunkt fraglos dem Bereich der Botanik zuzuordnen ist, wird mit einem Term zum Abschluß gebracht, der, wenn man ihn für das nimmt, was er sagt, ein der zoologischen Anatomie entnommenes „Akzidens“ repräsentiert. Ferner tendiert das unmittelbare Begreifen dahin, diese Angelegenheiten nicht eben zu genau zu nehmen, das heißt, sie als referierte einfach hinzunehmen, obgleich sie auch nicht ganz durchschaut sind, und sich über die nichtsdestoweniger gespürte Unebenheit mit einer gelernten Bereitstellung hinwegzuhelfen; diese würde in etwa lauten: Gegenstand der Betrachtung ist ein Denken unter dem Aspekt der Totalität, ein Denken, das schließlich durch die Fähigkeit sich ausweist, selbst bedeutungsmäßig voneinander entfernteste Lexeme miteinander zu verknüpfen. Ein nur kurzes Innehalten indessen besorgt eine demgegenüber andere Zuständlichkeit: kann man sich dann doch kaum des Eindrucks mehr erwehren, entlang der gegebenen Beschreibung eines Schauspiels teilhaftig geworden zu sein, in dem nicht nur mit der Tür ins Haus gefallen, sondern in dem vor allem der Verhandlungsgegenstand selbst in enigmatischer Weise „über die Bühne gezogen“ wird. Denn transparent macht einem Lévi-Strauss weder den Kontext, in dem das Hanunóo-Beispiel eigentlich steht – und mithin den Sinn, der sich mit diesem Beispiel insgesamt verbindet –, noch im einzelnen den Anlaß für die letzte Verknüpfung innerhalb der vorgestellten Reihe200, der man insofern – vom Standpunkt der Auslegung her – einigermaßen hilflos gegenübersteht.201 Die damit einhergehende Gefühlsbeschleichung (der Begriffsstutzigkeit und Verunsicherung einerseits, des Fixiertwerdens auf Tastversuche andererseits) kann zum Grund avancieren für das Bedürfnis, zur Bezugsquelle zurückzugehen. Gibt man diesem Bedürfnis nach, so ändert sich die gehabte Situation grundlegend: Markiert wird durch eine solche Entscheidung der Startpunkt für eine in mehreren Anläufen herbeiführbare und in der Sache völlig unverhoffte Wendung. Trifft man sie definitiv, so mutiert mit ihr auch die Eingangsfrage; sie lautet dann: Wovon tatsächlich handelt Conklin mit Blick auf die Eingeborenenkultur der Hanunóo? Conklin handelt – soviel läßt sich in einer ersten und allgemeinen Bestandsaufnahme feststellen – von einem gewöhnlichen Bestimmungsverfahren, der Verwendung eines Instruments mit anderen Worten, das durch den fortge___________ 200 Ein solcher bestünde bei eingesehener Kontiguität oder Ähnlichkeit (siehe oben, Seite 122). 201 Als problematisch erscheinen muß zuletzt die Korrelierung des letzten Terms der Reihe (‚Katzenpenis‘) mit dem Terminus ‚Taxon‘, da erstgenannter schlicht die Kriterien eines Taxons nicht erfüllt. (Vgl. nochmals vorige Seite, Fußnote 197.)

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

setzten Ausschluß einer von jeweils mindestens zwei einander gegenübergestellten Alternativen zunehmender Präzisierung die Identifikation eines Objekts bzw. Phänomens ermöglicht oder aber ermöglichen soll. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, dessen sich auch die moderne wissenschaftliche Botanik und Zoologie bedient, wenn es darum geht, ein Exemplar einer bestimmten Art zu identifizieren202, oder von dem mutatis mutandis ein Arzt Gebrauch macht, wenn er sich im Hinblick auf das Krankheitsbild eines Patienten sukzedierend festlegt203. Bezeichnet wird es auch als ‚Abwärtsklassifikation‘204, deren Prinzipien von Mayr in leicht verständlicher Form beschrieben wurden: „Die Abwärtsklassifikation teilt große Klassen in kleinere Teilklassen und geht dabei nach der aristotelischen Methode der logischen (Zwei-)Teilung vor. Tiere sind entweder warmblütig oder nicht; das führt zu zwei Klassen. Warmblütige Tiere haben entweder Fell oder Federn, und jede der daraus resultierenden Klassen (Säugetiere und Vögel) läßt sich wiederum dichotomisch aufteilen, bis man schließlich bei der bestimmten Art desjenigen Exemplars angelangt ist, das man zu identifizieren versuchte.“205

Von dem von Lévi-Strauss beförderten Eindruck, die im Zuge dieses Verfahrens vorgenommenen Unterscheidungen der Hanunóo stünden in direktem Zusammenhang mit einer Interpretation der Weltordnung (oder es ginge gar wesentlich um diese)206, ist in der Beschreibung Conklins nichts zu spüren; oder anders gesagt, ein derartiger Konnex wird in der Beschreibung Conklins, die sich innerhalb eines Rahmens von weit bescheidenerer Ausspannung für die rationalen Operationen der Hanunóo interessiert, in keinster Weise virulent. Legt man den von Lévi-Strauss fokussierten Conklin-Text zugrunde (siehe Appendices, Seite 440), so zeigt sich, daß es Conklin alleine darum zu tun ist, zu vermitteln, wie ein Hanunóo verfährt, wenn ihm daran liegt, die Aufmerksamkeit eines Mitmenschen auf ein konkretes, in der Alltagspraxis vorhandenes sowie prinzipiell bereits bekanntes Objekt zu richten (siehe ebd.: ‚māluq, qinda pag …‘ bzw. ‚Hey, take a look at this …‘). Der dabei wiederum entscheidende Punkt ist weniger, daß die Kultur der Hanunóo sich in dieser Situation des genannten Bestimmungsverfahrens bedient – daß sie dieses sozusagen in pseudo___________ 202

Siehe dafür etwa Weberling / Stützel (1993: 1 und 146 f.). Siehe hierzu Mayr (1969 / 1975: 252) resp. Mayr / Ashlock ([1969] 21991: 364). 204 Mayr (1997 / 1998: 133 und 185 f.). 205 a: Ebd.: 186. b: Vgl. weiter: „Die Prinzipien der Abwärtsklassifikation beherrschten die Taxonomie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und spiegeln sich in Linnés Bestimmungsschlüsseln und Klassifikationen wider. Diese Methode wird noch heute in Bestimmungsbüchern und den Schlüsseln taxonomischer Übersichten verwendet, nur daß man sie nicht mehr als Klassifikation bezeichnet, sondern als das, was sie eigentlich ist: eine Identifikation.“ (Ebd.) 206 Vgl. hierzu nochmals das Zitat auf Seite 138: Lévi-Strauss verwendet dort den Begriff des ‚Universums‘. 203

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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diagnostischer Absicht verwendet –, sondern daß in der zitierten, kaskadenartigen Abhandlung Lévi-Strauss’ der spezifische Mittelpunkt des von Conklin gewählten Beispiels – die Tatsache, daß es bei diesem Verfahren um die Deixis auf ein bestimmtes Objekt geht und schlicht von daher dann auch um die Frage, welches Objekt denn nun genau den Gegenstand dieses Verweisens bildet – überhaupt nicht zur Geltung kommt. In seinem Fallbeispiel macht Conklin auf völlig unmißverständliche Weise klar, daß es sich bei dem Aufmerksamkeit erheischenden Objekt, dessen Identität sich die Hanunóo versichern, indem sie auf mehreren Stufen fortgesetzter Präzisierung zu ihm „hinabsteigen“, um eine für die Landwirtschaft dieser Ethnie typische Paprika-(nicht Pfeffer-207)sorte dreht, genauer gesagt: um die ‚angebaute „Katzenpenis“-Chili-Paprikapflanze‘. [Vgl. kontrastierend hierzu nochmals das Zitat auf Seite 138 sowie im Anschluß daran und in Aufeinanderfolge die Diagramme 3, 4 und 5 auf den Seiten 444, 445 und 446 der Appendices.] Unglückseligerweise wird der Grad der dank Lévi-Strauss entstandenen Verwirrung durch die Praxis der Pflanzenbezeichnung noch gesteigert. Während Conklin eine enge Übereinstimmung dreier Taxa der indigenen Stufenfolge mit ‚Capsicum‘ zu erkennen gibt (siehe Appendices, Seite 441 bzw. Diagramm 1 auf Seite 442) – womit klar ist, daß es sich bei den exempli causa angeführten Pflanzenarten um Paprikapflanzen handelt – wählt er selbst (Conklin) für deren Übersetzung durchgängig den Ausdruck ‚pepper plant‘ (siehe Appendices, Seite 440 f.); auch Naumann, der Übersetzer von ‚Das wilde Denken‘, legt sich – diesmal in Abweichung vom Lévi-Strauss’schen Originaltext (‚plant de piment‘ etc.) auf die Bezeichnung ‚Pfefferpflanze‘ fest. Dieser Sprachgebrauch, der – zweifellos im Englischen208, teilweise aber auch im Deutschen209 – mit dem populären Sprachgebrauch zur Deckung kommt, muß nicht nur insofern als irreführend bezeichnet werden, als damit dem uneinheitlichen Transport von Information Tür und Tor geöffnet ist; irreführend ist er auch insofern, als durch ihn die unzweideutig vorhandene botanische Differenz zwischen ‚Capsicum‘ und ‚Piper‘210 eingeebnet wird. Wirksam zu verhindern ist diese im gegenwärtigen Kontext unnötige und überflüssige Konsequenz allein durch eine klare Ausrichtung der Übersetzung an den Vorgaben der wissenschaftlichen Nomenklatur.

Die ‚angebaute „Katzenpenis“-Chili-Paprikapflanze‘ ist eine von insgesamt sechs der von den Hanunóo kultivierten Chili-Paprikasorten, von denen wiederum als weitere Conklin nur die im Rahmen des Bestimmungsverfahrens ___________ 207

Siehe zur Erläuterung den unmittelbar folgenden Untertext. Das Taxon ‚Capsicum annuum L. var. grossum‘ beispielsweise entspricht populär ‚Sweet Pepper‘ (dt. demgegenüber ‚Gemüsepaprika‘), das Taxon ‚Capsicum annuum L. var. annuum‘ analog ‚Red Pepper‘ (dt. demgegenüber ‚Gewürzpaprika‘). 209 Die botanische Bezeichnung ‚Capsicum frutescens L.‘ wird im Deutschen für gewöhnlich (neben ‚Chili‘) mit ‚Cayennepfeffer‘ übersetzt. 210 Die Pflanzengattung ‚Capsicum‘ (Paprika) zählt zur Familie der Solanaceae (= Nachtschattengewächse) [siehe hierzu auch Diagramm 7 auf Seite 448 der Appendices]; die Pflanzengattung ‚Piper‘ (Pfeffer) demgegenüber ist der Familie der Piperaceae (= Pfeffergewächse) zuzuordnen. 208

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

ausgeschlossene Alternative – die ‚angebaute „Hahnensporn“-Chili-Paprikapflanze‘ (englisch: the ‚„cock’s-spur“ houseyard chili pepper (plant)‘; siehe Seite 441 der Appendices) – namhaft macht. Diese scheinbar nebensächliche Information ist insofern von Belang, als durch sie der von Lévi-Strauss seines Kontextes deprivierte Term ‚Katzenpenis‘ auch noch den verbliebenen Rest des Dubiosen verliert. Jedenfalls drängt sich – nachdem inzwischen dahingehende Klarheit herrscht, daß das letzte Glied in der von ihm referierten Bestimmungskette eine Pflanze (und also eben kein zoomorphologisches Detail) repräsentiert – die Vermutung auf, daß die Hanunóo auf zoomorphologische Details einzig zum Zwecke der Benennung ihrer Pflanzen zurückgreifen, und zwar in dem Sinne, daß sie sich dabei von diesen Details, insofern sie eine gewisse Ähnlichkeit mit bestimmten Pflanzenteilen aufweisen, inspirieren lassen. Es würde dies bedeuten, daß sie sich dieser nicht mehr als eben indirekt, letztlich in Form bloßer Epitheta, bedienen. Hält man sich gar noch vor Augen, daß auch in unserer Kultur (genauer gesagt: im Deutschen) etwa der ‚„Hahnenfuß“‘ eine in der Umgangssprache fest etablierte Pflanzenbezeichnung darstellt, so scheint es kaum mehr möglich, die anfänglich empfundene Abwegigkeit (oder vielleicht gar Anstößigkeit) angesichts der Bezeichnung ‚Katzenpenis‘ irgend länger aufrechtzuerhalten. Wie die bisherige Aufarbeitung zeigt, könnten die von Lévi-Strauss im einen sowie von Conklin im anderen Fall erzeugten Bilder unterschiedlicher nicht sein. Denn rein vordergründig nur ist der Unterschied zwischen einer direkt (‚Katzenpenis‘) und einer indirekt (‚„Katzenpenis“‘) ins Spiel gebrachten Zoomorphologie von geringem Gewicht; wirklich durchschlagend wird die Differenz erst auf der Ebene der Ordnungsfiguren, die damit im einzelnen in Verbindung stehen. Wer die Distanz, die diese Ordnungsfiguren voneinander trennt – Assoziation bzw. Korrelation bzw. Analogie von Disparatestem einerseits, gewöhnliches Bestimmungsverfahren mit ebenso gewöhnlichen assoziativ-korrelativ-analogischen Anteilen andererseits –, nicht wahrhaben will und die zurückliegende Aufarbeitung eilfertig auf eine ausgewachsene Spitzfindigkeit reduziert, mag in so trivialen Sätzen wie „Er will sie nicht“ bzw. „Er will, sie nicht“ eine vielleicht eingängigere Veranschaulichung des Problems finden, daß gerade das vordergründig kaum Beachtete – neben der Apostrophierung also etwa die Interpunktion – auf vollkommen unterschiedliche Vorstellungsbahnen zu lenken vermag. In einer Hinsicht darf daher der soweit verhandelte Fall als Beispiel gelten, an dem sich eine Erkenntnis bewahrheitet, die Mühlmann wie folgt formuliert: „Wenn ich glaube, die Details aus dem Spiele lassen zu können, kann es mir geschehen, daß ich das vollwichtigste Detail übersehe, welches für das allgemeine Ergebnis den Ausschlag gibt.“211

___________ 211

Mühlmann (1938 a: 108).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Der Sinn, den Lévi-Strauss aus seiner Perspektive mit der Schilderung des Hanunóo-Beispiels verbindet, besteht darin, speziell für das ‚wilde‘ Denken typische Kennmarken hervortreten zu lassen. Es soll den Beleg für die These liefern, daß das, was vom „zivilisierten“ Beobachter als getrennten Bereichen (Botanik, Zoologie, Sexualität) zugehörig empfunden wird, in den Augen der „Primitiven“ eine Einheit mit kontinuierlichen Übergängen darstellt. Nachdem geklärt werden konnte, daß es sich bei dem geschilderten Sachverhalt um ein Bestimmungsverfahren handelt, liegt zugleich auch klar zutage, daß dieses Beispiel die ihm von Lévi-Strauss zugedachte Funktion nicht übernehmen kann. Denn mit seinen Ausführungen, die hinsichtlich der Authentizität ihres Inhalts, ihrer Klarheit und ihrer Deutlichkeit über ernsthafte Zweifel erhaben sind, sorgt Conklin dafür, daß das besagte zoomorphologische Detail (samt seiner sexuellen Konnotation) auch von einem „zivilisierten“ Beobachter ohne einen Moment des Zögerns als integrierender Bestandteil eines botanischen Kontextes wahrgenommen wird. Allein bei diesem einen, gemessen an seiner Zielsetzung als gescheitert zu bewertenden Versuch bleibt es nicht. Denn Lévi-Strauss treibt, obwohl das Hanunóo-Beispiel auch hinsichtlich des der Interpretation verbleibenden Rests gänzlich ungeeignet ist, um die Integrationskraft „primitiver“ Rationalität in ihrer Exklusivität zu demonstrieren, genau dieses Vorhaben mit der vollen Konsequenz des Irrgängers durch. In einem zweiten Zugriff auf Conklins Text und unter Bezugnahme auf die von ihm erstellte schematische Übersicht (siehe Diagramm 2 bzw. 3 auf den Seiten 443 bzw. 444 der Appendices) schreibt er: „Die Klassen, die sich mit Linnéschen Kategorien decken (Paprikapflanze: Capsicum sp., angebauter Paprika: Capsicum annuum L., wilder Paprika: Capsicum frutescens L.) liegen […] weder auf der gleichen Ebene noch auf der gleichen Seite des dichotomischen Systems. Insbesondere zeigt sich der Bereich der Botanik nicht isoliert von dem der populären Botanik, wie sie der Gärtner oder die Hausfrau praktiziert; und ebensowenig ist er von den Kategorien des Philosophen und des Logikers isoliert. In der Mitte zwischen den beiden anderen Bereichen bietet er die Möglichkeit, von einem zum anderen überzuwechseln und jede Ebene mit Hilfe eines einer anderen Ebene entlehnten Code begrifflich zu fassen.“212

Tatsache ist: Wo man solche Behauptungen aufstellt, wird kraft Konstruktion düpiert. „Primitiver“ Rationalität wird hier die Integration von Dingen angedichtet, von denen nicht nur in Conklins Beschreibung des zwischenzeitlich bekannten Bestimmungsverfahrens keine Rede ist, sondern die in diesem Zusammenhang sich auszudenken auch sonst niemand auf die Idee käme: ein thematisch korrekt informierter Hanunóo ebensowenig wie ein thematisch korrekt informierter „zivilisierter“ Beobachter. Es liegt einfach in der Natur von ___________ 212

WD: 163 / PS: 183; die Unterstreichungen markieren (meine) Abänderungen gegenüber der Übersetzung Naumanns (vgl. in diesem Zusammenhang auch nochmals den Untertext auf Seite 141).

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Bestimmungsverfahren, die Charakterisierungsfolge mit relativ unscharfen bzw. allgemeinen Kennzeichnungen beginnen zu lassen, um schließlich bei einem konkreten Exemplar zu enden, wobei der kontinuierliche Fortgang von Stufe zu Stufe sowohl die Konsistenz als auch die Homogenität des gesamten Gefüges wahrt. Das geschilderte Hanunóo-Beispiel bildet dabei keine Ausnahme. Es gehört deshalb schon eine angestrengte Phantasie dazu, die von Conklin beschriebene unidirektionale „Leiter“ als ein System zu interpretieren, das die Bereiche der Philosophie (‚Universum‘ bzw. ‚Entität‘, ‚Sache‘ / ‚Person‘ / ‚Tier‘, ‚Pflanze‘ / ‚Stein‘ usw.), der Logik (‚Dichotomie‘), der wissenschaftlichen Botanik (‚Capsicum‘, ‚Capsicum annuum L.‘, ‚Capsicum frutescens L.‘) und der populären Botanik (‚angebaute Chili-Paprikapflanze‘ / ‚angebaute grüne Paprikapflanze‘ usw.) in sich vereint, und dies auch noch dergestalt, daß dabei dem mittig positionierten Bereich der wissenschaftlichen Botanik eine Vermittlungsfunktion in bezug auf die beiden anderen, graphisch randständigen Bereiche zuerkannt wird. Nun ist es durchaus wahr, daß (zunächst nicht Lévi-Strauss, sondern) Conklin die Terminologie der wissenschaftlichen Botanik partiell ins Spiel bringt (siehe Seite 441 der Appendices). Der richtigen Einschätzung halber aber muß doch gesehen werden, daß dies nicht mehr im Kontext des von Lévi-Strauss allein fokussierten Bestimmungsverfahrens geschieht, sondern in einem davon grundverschiedenen Zusammenhang, der bei Conklin in ebenso kundiger wie selbstverständlicher Weise auch kenntlich wird: Conklin geht es dort, wo er die wissenschaftliche Nomenklatur einführt, um die vergleichende Gegenüberstellung von Taxonomien213, genauer gesagt, um den Vergleich eines Ausschnitts der Pflanzentaxonomie der Hanunóo mit dem entsprechenden Segment der wissenschaftlichen Taxonomie. Dabei stellt sich unter anderem heraus, daß die Hanunóo-Taxa ‚lādaq‘, ‚lāda. balaynun‘ und ‚lāda. tirindukun-tigbayaq‘ (siehe Diagramm 1 bzw. Seite 442 der Appendices) – Taxa, die auch Bestandteil des von ihm zuvor separat verhandelten Bestimmungsverfahrens sind – eine weitgehende Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Taxa ‚Capsicum‘, ‚Capsicum annuum L.‘ und ‚Capsicum frutescens L.‘ aufweisen. Während Conklin diese Übereinstimmung einfach nur als eine zufällige feststellt (siehe Seite 441 der Appendices: ‚happen to correspond‘), will unter anderem heißen: es akkuraterweise unterläßt, sie mit dem vorigen Kontext in Verbindung zu bringen, tut Lévi-Strauss das diesbezüglich pure Gegenteil. In der Absicht eben, eine seiner Thesen zu stützen, wird von Lévi-Strauss das Faktum dieser Übereinstimmung genutzt, um im Kontext des von Conklin geschilderten Bestimmungsverfahrens ___________ 213 Auf die Differenz zwischen Taxonomie bzw. Klassifikation und Identifikation (vgl. nochmals Seite 140, Fußnote 205 b) wird von mir an dieser Stelle bewußt nicht näher eingegangen. Für kompakte Information speziell zu diesem Punkt siehe etwa Mayr / Ashlock ([1969] 21991: 1 f. sowie 116).

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eine dort zuvor nicht vorhandene Begrifflichkeit zu installieren. Im Kontext dieses Bestimmungsverfahrens verdankt der (so bezeichnete) ‚Bereich‘ der wissenschaftlichen Botanik seine Existenz also einzig und allein einer von LéviStrauss in eigenmächtiger Weise vorgenommenen Übertragung. Mit dem von Lévi-Strauss zum Zweck der Kennzeichnung des Denkens der Hanunóo geprägten Begriff des ‚dichotomischen Systems‘ verhält es sich ähnlich, wenn man bedenkt, daß diesbezüglich zunächst nur von einer ‚Arbeitsweise‘214 die Rede war, „die durch eine Reihe von Dichotomien dargestellt werden [könne]“215. (Allein letztere Sichtweise, um dies klarzulegen, gibt den Sachverhalt korrekt wieder.) – Denn wie im vorigen Fall der Lévi-Strauss nachweisbaren Bewerkstelligung eines larvierten „Wanderns“ von Begriffen bietet auch die begriffliche Stilisierung (‚dichotomisches System‘ für eigentlich: ‚Arbeitsweise, die durch eine Reihe von Dichotomien dargestellt werden kann‘) ein Mittel, um vermeintlich autonome Domänen zu konstituieren, die zu überbrükken bzw. zu vereinheitlichen dann erst trefflich Anlaß besteht. Tatsächlich – und durchaus folgerichtig – wirkt sich diese Stilisierung bei Lévi-Strauss bis in die graphische Aufbereitung hinein aus.216 (Man vergleiche hierzu nur Conklins Tabelle auf Seite 442 der Appendices mit den auf den entsprechenden Seiten 443 bzw. 444 abgebildeten Diagrammen 2 bzw. 3. Den Versuch einer demgegenüber unverfänglichen Transposition der Conklin-Tabelle217 habe ich unternommen mit der Erstellung von Diagramm 6 auf Seite 447 der Appendices.) Ein weiteres Mittel zur Untermauerung der Lévi-Strauss’schen Thesen scheint Conklin mit der Übersetzung des Hanunóo-Begriffs ‚kuwaq‘ durch den Begriff ‚Entität‘ zur Verfügung zu stellen (siehe Seite 440 der Appendices). Indessen trügt der Schein auch hier. Denn bei näherem Hinsehen wird man gewahr, daß Lévi-Strauss mit dieser Übersetzung allein deshalb Prätentiöseres (gemäß Text einen Bezug zum ‚Universum‘ resp. zu den ‚Kategorien des Philosophen‘) zu verbinden vermag, – weil er entweder die in Parenthese anhängige Spezifikation des diesbezüglichen Begriffsverständnisses (= Conklins Definition von ‚Entität‘) unvollständig überträgt (‚etwas, das benannt werden kann‘ – siehe Diagramm 2 bzw. 3 auf den Seiten 443 bzw. 444 der Appendices – anstelle von ‚i.e., etwas, das benannt werden kann‘ – siehe Seite 440 der Appendices), ___________ 214

WD: 162 / PS: 182. Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 216 Würde man umgekehrt das Graphische als das chronologisch gesehen vor dem Begriff Vorhandene ansetzen, so müßte angenommen werden, Lévi-Strauss wäre seiner Suggestivkraft erlegen. – Mit welchem der beiden Fälle man es tatsächlich zu tun hat, ist anhand von ‚Das wilde Denken‘ nicht zu erweisen. 217 Wenn einem – wie Lévi-Strauss – schon daran liegt. 215

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– oder aber weil er Conklins Angaben, die sich zusammensetzen aus dem Begriff ‚Entität‘ und besagter, in Parenthese anhängiger Spezifikation, auf graphisch unzulässige Weise voneinander separiert, ja, genauer gesagt: weil im Rahmen eines von ihm (Lévi-Strauss) behaupteten dichotomischen Systems der Begriff ‚Entität‘ und dessen unvollständige Spezifikation zwangsläufig als graphisch voneinander separierbare erscheinen (‚Entität‘ // ‚etwas, das benannt werden kann‘ – siehe Diagramm 2 bzw. 3 auf den Seiten 443 bzw. 444 der Appendices – anstelle von ‚‚Entität‘ (i.e., etwas, das benannt werden kann)‘ – siehe Seite 440 bzw. Diagramm 6 auf Seite 447 der Appendices).218 Der Auslegung Lévi-Strauss’ kann daher nur nochmals folgendes entgegengehalten werden: Indem Conklin verdeutlicht: ‚‚Entität‘ (i.e., etwas, das benannt werden kann)‘ – siehe Seite 440 der Appendices 219 –, erteilt er all jenen eine klare Absage, die hinter besagtem Nomen wähnen, was es ohne die von ihm gleichermaßen unmittelbar wie ausdrücklich vorgenommene, in Parenthese gesetzte Zusatzbestimmung sicherlich wäre: eine (unverhohlene oder unterschwellige, beabsichtigte oder gedankenlose, in jedem Falle aber) inadäquate Projektion dezidiert europäischer Rationalitätsvorstellungen220.221 ___________ 218 Anhand von Text und Schaubild in ‚Das wilde Denken‘ ist – dies gilt wiederum auch hier (siehe vorige Seite, Fußnote 216) – nicht zuverlässig zu rekonstruieren, durch welche von beiden Alternativen der Fall wahrheitsgemäß wiedergegeben wird: ob also diesmal eine schlampige Rezeption der in Parenthese anhängigen Spezifikation (gewissermaßen ein Übersehen des Kürzels ‚i.e.‘) es war, welche eine graphische Dichotomisierung begünstigt hat, oder ob die vorgefaßte Idee einer graphischen Dichotomisierung es war, welche Lévi-Strauss veranlaßt hat, unvollständig zu übertragen (in diesem Falle: das Kürzel ‚i.e.‘ zu unterschlagen). 219 Der Terminus ‚Entität‘ ist in der entsprechenden Tabelle der wohlgemerkt einzige, auf dessen Präzisierung Conklin durch Voranstellung des Kürzels ‚i.e.‘ auch noch besonderen Nachdruck gelegt hat. 220 a: Problemhypotheken schafft sich mithin – verglichen mit Conklin – schon eher ein Autor wie Hallpike (1979 / [1986] 1990), wenn er schreibt: „Bei Primitiven scheint ziemlich allgemein die Vorstellung verbreitet zu sein, daß die Person aus verschiedenen Entitäten zusammengesetzt ist, wie Fleisch, Leben, Lebenskraft, Seele und so fort, und diese werden nicht als Prozesse, sondern als Dinge verstanden.“ (Ebd.: 474.) b: In einem anderen Zusammenhang im übrigen bleibt Lévi-Strauss selbst – aufgrund einer adjektivischen Zusatzbestimmung – völlig auf der sicheren Seite: legt er sich dort doch auf die Bezeichnung ‚biologische Entität‘ fest (vgl. WD: 174 / PS: 196; keine Hervorhebung im Original; siehe auch nochmals oben, Seite 130, Text um Fußnotennummer 160). 221 Abschließend und in einer grundsätzlichen Hinsicht bemerkt: Die Gefahr inadäquater Projektionen (welche gegenwärtig überhaupt nur insofern thematische Relevanz erreicht, als Lévi-Strauss einen Bezug zu den ‚Kategorien des Philosophen‘ herstellen zu können glaubt) spiegelt sich – für den ethnologischen wie für den philosophischen Betrachter – wider in B. Waldenfels’ präskriptivem Hinweis auf die Unumgänglichkeit einer Differenzierung gewisser Problemschichten (vgl. ders. [1992] 1993: 157); entsprechend auch dort, wo B. Waldenfels (gänzlich unabhängig von Lévi-Strauss bzw. Conklin) schreibt (ebd.: 157 f.): „Nimmt man sich das Recht, etwa von einer ‚Bantu-

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Stellt man zu guter Letzt in Rechnung, daß Lévi-Strauss den für den biologischen Laien typischen Fehler einer Vermengung von Kategorie und Taxon begeht222 (siehe hierzu auch Diagramm 7 auf Seite 448 der Appendices 223), so bleibt einem kaum mehr anderes übrig, als in wenig schmeichelhafter Form zu konstatieren, daß von ihm entlang der Aufbereitung des Hanunóo-Beispiels annähernd alles durcheinandergeworfen wird, was dort an Belangvollem durcheinandergeworfen werden kann. Nicht zu verwechseln ist diese Conclusio damit, daß die Umbauten, die Lévi-Strauss an dem von Conklin zur Verfügung gestellten ethnographischen Material (sowie an dessen Deutung durch diesen) vornimmt, im einzelnen wie in ihrer Summe einen hohen Elaboriertheitsgrad zeigen, weshalb es schwerfällt, sie als Folge eines bloßen Versehens zu akzeptieren. Der diesen Umbauten immanente Konstruktionsaufwand läßt aus gegenwärtiger Perspektive vielmehr vermuten, daß hier der Vorsatz und die Minuskompetenz eines Verwegenen am Werke waren, daß hier jemand – in einer um die Stimmigkeit seiner Argumentation nicht sonderlich bekümmerten Form – neben dem Ethnographen und Ethnologen Conklin auch die Ethnie der Hanunóo als „Rohstoff“-Lieferanten und Rechtfertigungsgrund mißbraucht, um sich intellektuell nach Herzenslust ___________ Philosophie‘ zu reden [Nicht genannter Bezugsautor ist vermutlich Tempels (1946 / 1956); H.M.S.], wenn es um die Weltauffassung und Lebensweise dieser afrikanischen Volksgruppe geht, so muß man unterscheiden zwischen einer gelebten, einer institutionell verkörperten und einer explizit ausgebildeten Form von Philosophie.“ 222 a: Zum Befund: Was mit der ‚Paprikapflanze‘ einerseits und ‚Capsicum‘ anderseits, der ‚angebauten Paprikapflanze‘ einerseits und ‚Capsicum annuum L.‘ anderseits, der ‚wilden Paprikapflanze‘ einerseits und ‚Capsicum frutescens L.‘ andererseits zusammentrifft, sind nicht etwa – wie behauptet – Klassen mit Linnéschen Kategorien, sondern durchgängig Taxa, präziser gesprochen: Taxa der Hanunóo-Botanik mit Taxa der wissenschaftlichen Botanik. Bestenfalls ließe sich im Falle von ‚Capsicum annuum L.‘ und von ‚Capsicum frutescens L.‘ noch von Linnéschen Taxa sprechen, insofern ‚L.‘ den Namen Linné abbreviiert (den Namen desjenigen also, von dem diese Taxa etabliert wurden). (Auf die Regeln der biologischen Nomenklatur ist darüber hinaus hier nicht näher einzugehen.) b: Zur Erläuterung: Ein Taxon (wie zum Beispiel ‚Capsicum annuum L.‘ oder ‚Capsicum frutescens L.‘) nimmt stets auf konkrete botanische oder zoologische Objekte Bezug. Eine Kategorie (wie etwa die Klasse) dagegen legt den Rang eines bestimmten Taxons innerhalb einer hierarchischen Ordnungsstruktur fest. ‚Capsicum annuum L.‘ oder ‚Capsicum frutescens L.‘ beispielsweise bezeichneten demgemäß wissenschaftliche Taxa von Artrang. (Die entsprechenden Hinweise auf diese Differenz, die an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll, bilden einen festen Bestandteil der gesamten biotheoretischen Einführungsliteratur.) c: Verweisen will ich in diesem Zusammenhang auch nochmals auf meine Ausführungen unter Gliederungspunkt V.2.b)bb)(2)(c) dieses zweiten Kapitels, unten, Seite 192 f. 223 Siehe in diesem Zusammenhang schließlich Endnote 4 auf Seite 453 der Appendices.

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auszutoben.224 – Zumindest ausgesprochen werden darf zum gegenwärtigen Zeitpunkt diese affektgetönte Einschätzung, wenngleich bezüglich der Frage, ob oder inwieweit Lévi-Strauss im untersuchten Fall ein absichtsvolles Vorgehen zu unterstellen ist, bis auf weiteres ein non liquet bleibt (und also das Problem angesichts der vorerst bestehenden Informationslage nicht entschieden werden kann)225.226 Die Aufarbeitung des Falls der Hanunóo allerdings sollte auf der Höhe des damit erreichten Stands nicht schon als abgeschlossen gelten. Denn über das bisher zur Sprache Gebrachte hinaus existiert noch ein weiterer Aspekt, für den Konzentration zu erübrigen sich zumindest nahelegt: und zwar aufgrund der zusätzlichen Aufschlüsse, die er für den gegenwärtig betrachteten Fall bietet. Gemeint ist der Aspekt der Auswertung der beschriebenen Tatbestände auf einer theoretischen Ebene, präziser formuliert: der Aspekt der Systematisierung dessen, was bislang den Charakter einer Kasuistik trug, unter dem Blickwinkel der Erkenntniskritik. Die fremd-ethnologische Arbeitsweise Conklins227 – um den entsprechenden, den ‚Fall der Hanunóo‘ insgesamt zum Abschluß bringenden Gedankengang von dorther aufzurollen – repräsentiert (jedenfalls gilt dies für ihren bedeutsam gewordenen Ausschnitt) einen phänomenologisch-hermeneutischen Ansatz. An diese Kennzeichnung, die sich nicht in allen relevanten Punkten selbst erklärt, sind zum Zwecke der Vorbereitung ihrer Verständlichmachung eine Reihe von Fragen zu knüpfen: (1) Welcher Referenzautor verbindet sich primär und ursprünglich mit der ersten Teilkennzeichnung ‚phänomenologischer Ansatz‘ und wie sind der Status und die Funktion dieses Ansatzes zu bewerten? (2) Was verbindet sich begrifflich und inhaltlich mit diesem phänomenologischen Ansatz, welches sind seine methodischen Voraussetzungen und Prinzipien, in welcher Form verschränkt er sich mit einem hermeneutischen Ansatz (entsprechend der zweiten Teilkennzeichnung) und schließlich, was mit all dem eng zu___________ 224

Wäre die Lévi-Strauss’sche Argumentation – ein bloßes Gedankenspiel – je Interpretationsergebnis eines ausgewiesenen Philosophen, so könnte sie gelesen werden: einmal (negativ) als Verlust bewährter Verstehensgewißheit in einer Angelegenheit des alltäglichen Lebens; sowie dann entsprechend auch (positiv) als ein von Zweifel an den Grundlagen alltäglichen Handelns und Sprechens geprägter Versuch künstlich konstruierter Vergewisserung. Vgl. in diesem Zusammenhang Wabel (1995: 737). 225 Deshalb auch die vorige Verwendung des Tätigkeitsworts ‚vermuten‘ zur Kennzeichnung des Status der Einschätzung. 226 Siehe zum Rekurs auf dieses Problem bei vorgerücktem Informationsstand: Drittes Kapitel (‚Das Unternehmen der Rehabilitation‘), Seite 254, Fußnote 64 b. 227 Innerhalb eines bestimmten Rahmens ist (und bleibt auch) solche Ethnologie legitim. Ihr vergleichbares (hier nur vorgestelltes) Gegenstück bildete eine hanunóosche Ethnologie amerikanischer Kultur – wobei freilich beide Ethnologien als Formen einer Fremd-Ethnologie miteinander niemals zur Deckung gelangten. (Vgl. für letzteren Aspekt B. Waldenfels 1997 a: 100.)

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sammenhängt, worin bestehen seine Implikationen und Probleme? (3) Inwiefern entspricht Conklins Arbeitsweise im ganzen dieser hybriden Form, sodaß die obige Gesamtkennzeichnung im Sinne eines phänomenologisch-hermeneutischen Ansatzes als gerechtfertigt erscheinen kann? Ad (1): Vorstehende Rede von einem phänomenologischen Ansatz nimmt Bezug auf eine für die Ethnologie fruchtbar gemachte Forschungsmethode. Zu deren Entwicklung kam es bereits im Jahr 1938 (Initiierungs-, nicht Terminierungsdatum!) – durch Mühlmann (in dessen Schrift ‚Methodik der Völkerkunde‘). Ich füge gleich hinzu: Durch den Umstand, daß das bloße Wissen um diesen Sachverhalt unter Ethnologen nicht eben verbreitet ist228, wird die diesbezügliche historische Leistung Mühlmanns229 nicht geschmälert.230 Und auch liefert der Umstand keinen Verdachtsgrund auf der Sachebene.

___________ 228 a: Die gemeinhin beachteten ethnologischen Publikationen zumindest gestatten es kaum, einen anderen Schluß zu ziehen. Kritik darf sich hier aber auch die akademische Lehre gefallen lassen: Bei der Lektüre insbesondere ethnologischer Einführungsliteratur entsteht bisweilen der Eindruck, daß die heutige, akademisch lehrende Generation die Verdienste mancher ihrer Vorgänger (und zwar gerade ihrer fachlich ausgezeichneten) nicht kennt oder aber nicht kennen mag. Beschränken will ich mich an dieser Stelle auf vier zum Anlaß passende Beispiele: Die auflagenstarke Einführung Fischers (Hg. [1983] 41998) etwa, die sich selbst immerhin als ‚Das Standardwerk der Ethnologie‘ versteht (siehe Einbandrückseite), klassifiziert Mühlmanns theoretische Position lapidar – und dies in ihrer überhaupt einzigen Erwähnung – als „‚gemäßigten‘, mit anderen, etwa psychologischen, anthropologischen und historischen Ansätzen kombinierten Funktionalismus“ (ebd.: 38). [Notabene: In der in fünfter Auflage mit neuen Autoren und Texten vorgelegten Neufassung (vgl. Fischer / Beer, Hg., [1983] 52003) findet sich nicht einmal mehr diese Erwähnung.] Den Kern der phänomenologischen Verdienste Mühlmanns treffende Erwähnungen vermisse ich aber auch in den insgesamt wohlakzentuierten und gehaltvollen Einführungen Kohls ([1993] 22000) oder Bargatzkys (1997). Dasselbe ist schließlich für die Einführung Langs ([1981] 21994) festzuhalten, der doch mit seiner (letztlich stark und einseitig an Stegmüller orientierten) wissenschaftstheoretischen Grundlegung der ethnologischen Praxis den Anspruch verbindet, Grundlagen für die Gestaltung von Debatten über ethnologische Probleme zu liefern (ebd.: vii). – Unter den demgegenüber wenigen, die begrenzte Gültigkeit der die (negative) Regel bestätigenden (positiven) Ausnahmen genannt zu werden verdienen Stagl (1980 b: 38, 42) sowie Knorr-Cetina (1980: 169). [Eine weitere, jedoch ablehnende und auch nur auf einen einzigen Aspekt konzentrierte „Würdigung“ des phänomenologischen Ansatzes Mühlmanns (1938 a) enthält die Interpretation von Thiel (1980); vgl. vor allem ders. ebd.: 81 f. und 84. – Ein Vergleich seiner Ausführung (Thiel 1980: 84) mit den Ausführungen des von ihm Kritisierten (Mühlmann 1938a: 110 bzw. 219) indes läßt schnell bemerken, wie wenig gründlich dabei doch gegen betreffenden Ansatz intoniert wird.] b: Dasselbe gilt offensichtlich für Vertreter benachbarter Fächer: Auch eine so anerkannte Einführung in die Phänomenologie wie diejenige B. Waldenfels’ (vgl. ders. 1992) entbehrt etwa unter dem Kapitel ‚Phänomenologie in den Regionen der Wissenschaft‘ (ebd.: 83-119) eines entsprechenden, Mühlmann geltenden Vermerks. 229 Mühlmann (1938 a) betreffend verweise ich auf E. W. Müller (1989: 4 f.).

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Allerdings zeugte es von Einfalt, würde man die Erklärung für genannten Umstand ausschließlich in einem jeder Forschung konkomitanten Moment erblicken: in der Kontingenz von Rezeptionsverläufen. Auf keinen Fall zu leugnen ist, daß Mühlmann sich während der nationalsozialistischen Zeit durch regimekonforme Einstellungen, Äußerungen, Handlungs- und Verhaltensweisen negativ hervorgetan hat.231 Hierin dürfte wohl der Hauptgrund für die seitdem im Wissenschaftsbetrieb verbreitete Tendenz zu suchen sein, (mindestens) die aus den neunzehnhundertdreißiger und -vierziger Jahren datierenden, thematisch insgesamt breit angelegten Schriften Mühlmanns in Bausch und Bogen zu verwerfen. Derart ungeschlachte Verfahrensart indes – genau gemeint damit ist eine gegen die Komplexität und oft auch Mehrdeutigkeit besagter Schriften konsequent veranschlagte „Gleich-Gültigkeit“ –: eben solche Verfahrensart sollte man, so schlimm Mühlmanns damalige Verfehlungen mit Sicherheit sind, von akademischer Warte nicht geradewegs fortführen. Was jedenfalls speziell Mühlmanns phänomenologischen Ansatz betrifft – und allein dieser ist ja im Anschluß zur Verhandlung zu bringen –, so erschiene es mir als nicht richtig, würde man sich bewogen fühlen, ihm als einer wissenschaftlichen Methode eine Verquickung mit faschistischem Gedankengut zu supponieren.232 – Die nun folgenden Ausführungen verstehen sich als gewissermaßen indirekter Beweisgang für die Berechtigung dieser Auffassung.

Daß es Mühlmann bei erwähntem phänomenologischen Ansatz ausdrücklich nicht um die philosophische Grundlegung einer empirischen Wissenschaft zu tun war233, ist vor allem deshalb zu erinnern, da er zu einem späteren Zeitpunkt sowohl in faktischem Widerspruch dazu, als auch einfach irrigerweise glaubte, für sich eine sinngemäße Anknüpfung an Husserl reklamieren zu können234. Daß letzteres (und seit dem Erscheinen von Husserls ‚Logischen Untersuchungen‘ kann das doch nur heißen: eine Fortsetzung der transzendentalen Phäno___________ 230 Ein nur unter Einschränkung vergleichbarer Beitrag jüngeren Datums stammt von Koepping (1976). – Auch in diesem Beitrag muß verwundern, daß sein Autor Mühlmann nicht kennt bzw. nicht zu kennen scheint (vgl. diesbezüglich insbesondere ebd.: 221 und 236). 231 Siehe hier Michel (1989: vor allem 158) bzw. (1992: vor allem 89); ferner Fischer (1991: besonders 40 ff., auch 160 f.); außerdem F. W. Kramer (2005: 121). 232 Erneut zur Kenntnis zu nehmen bitte ich an dieser Stelle meine Anmerkung zu Mühlmann im ‚Prolog‘ (siehe oben, Seite 30, Fußnote 44) bzw. auch nochmals meine Anmerkung zu Mühlmann in der Bibliographie (siehe Seite 654, Fußnote 15). 233 a: Siehe Mühlmann (1938 a: 125). b: Zum Vergleich: Genau das Umgekehrte charakterisiert Schütz’ Bemühungen im Bereich der Sozialwissenschaften ([1932] 21960). [Mühlmann selbst im übrigen ist auf Schütz’ Schrift erst durch die zweite Auflage aufmerksam geworden (siehe dazu ders. 1962 a: 89).] 234 a: Einen entsprechenden Hinweis gibt Mühlmann in ders. (1962 c: 164). Vgl. dazu außerdem Mühlmann (1962 a: 176), (1962 c: 173 f.) sowie ([1948] [21968] 41986: 157). b: Vor genau diesem Hintergrund zu lesen ist auch meine Behauptung einer nur eingeschränkten Vergleichbarkeit des Beitrags Koeppings (1976) [Vgl. Fußnote 230 auf dieser Seite.] – postuliert selbiger den Bezug zu Husserl doch bereits im Titel.

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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menologie235) in der Tat nicht gemeint sein kann, erhellt im Rekurs auf die von Mühlmann verwendeten einschlägigen Begriffe der ‚Epoché‘, der ‚phänomenologischen Reduktion‘ und der ‚Intentionalität‘, die von ihm nie anders als in den Dienst der Generierung empirischer Erkenntnisse gestellt wurden. Dessenungeachtet bleibt festzuhalten, daß die Fragwürdigkeit des von Mühlmann reklamierten Bezugs auf Husserl dem heuristischen Wert seiner empiriebezogenen Programmatik keinerlei Abbruch tut. – Die beschriebene Inkonsistenz dürfte am besten dadurch zu entschärfen und dem von Mühlmann der Ethnologie Beigesteuerten am besten dadurch gerecht zu werden sein, daß man den Konnex mit Husserl nicht über das Maß strapaziert, das heißt, daß man dazu übergeht, im Kontext der formulierten ersten Frage nicht mehr zu beanspruchen als die verglichen mit Mühlmanns Selbsteinschätzung weniger anmaßende Auffassung, er sei als Ethnologe von der Philosophie Edmund Husserls (bei dem er während seiner Freiburger Studienzeit noch gehört hatte236) inspiriert worden. Sichergestellt sein müßte dabei nur, daß auch die weiterreichende Bedeutung erfahrener Impulse nicht verkannt wird; denn auf Mühlmann ausgewirkt haben sie sich in einer dann wiederum doch von philosophischer Warte nicht unbedeutenden Hinsicht: Bieten sich seine Überlegungen – neben auf differenten Prämissen ruhenden, vor allem jüngeren Beiträgen anderer Autoren – jedenfalls bis heute an für eine „gemeinsame grundlagentheoretische Diskussion zwischen Ethnologen und Philosophen zur Klärung unseres Verhältnisses gegenüber fremden Kulturen“237. Nachfolgende Darstellung machte – um nicht zuletzt auch dies noch zu erwähnen – die Entwicklung eines eigenen Leitfadens erforderlich. Damit soll gesagt sein: Sie wird Mühlmanns Ausführungen – die innerhalb anderer Rahmen stehen und insgesamt (dem ganz entsprechend) in keiner geschlossenen Form vorliegen – nicht umfassend, sondern lediglich insoweit rezipieren (heißt hier der Vorgehensweise nach: systematisieren, sowie je nachdem auch: explizieren, extrapolieren, in Teilen korrigieren), wie dies dem Zweck einer erkenntniskritischen Aufarbeitung des Falls der Hanunóo dient. Ad (2): Zu beschäftigen hat im Hinblick auf die zweite Frage zunächst das Problem, wie Mühlmann Husserl in die Ethnologie „überträgt“. Man könnte auch sagen: Präzisiert werden muß, was Mühlmann in der Rolle eines die Erfordernisse der Ethnologie als einer empirischen Wissenschaft reflektierenden Theoretikers darunter versteht, wenn er bestimmt:

___________ 235

Vgl. hierzu Ströker (1971: 35). Vgl. dazu den Hinweis in Mühlmann (1938 a: 210, Fußnote); des weiteren E. W. Müller (1989: 2). 237 Wd. Schmied-Kowarzik (1980: 67; keine Hervorhebungen im Original). 236

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

„Wir kümmern uns nur mehr um die Phänomene selber, und es gilt uns nichts als das im Ausdruck Gemeinte.“238

Mühlmann präzisiert diese noch allgemein gehaltene Bestimmung dort, wo er rhetorisch fragt: „Worum geht es in der Völkerkunde [= Ethnologie239; H.M.S.], um Eigenphänomene oder um Fremdphänomene?“240

Und er fährt fort: „Geht es um Fremdphänomene, so müssen wir eben zu dem vordringen, was fremde Völker [= Ethnien; H.M.S.] mit ihren Gestaltungen241 wirklich meinen […].“242 Der Ausdruck ‚fremd‘ findet hier in einer Weise Verwendung, die offen läßt, worum präzise es sich bei den entsprechenden Phänomenen handelt: um Fremdes als relativ Fremdes243, das heißt um noch nicht Bekanntes bzw. Vertrautes (Verstandenes, Erklärtes), aber prinzipiell Verstehbares und Erklärbares244 oder aber um Fremdes als radikal Fremdes245, das heißt um etwas, das dem Verständnis und der Erklärung prinzipiell verschlossen bleibt (das gewissermaßen nur als ein sich beständig Entziehendes begegnet und als solches einen eigenen Status beansprucht)246. – Gemacht werden kann der Versuch einer Beantwortung der Frage, womit im Einzelfall man es zu tun hat, freilich nur am Ende eines entsprechenden Erkundungsgangs, nicht an dessen Anfang.

Zu konzentrieren hat sich das Interesse des Ethnologen demzufolge zunächst auf die Frage, in welcher Weise einer bestimmten indigenen Gruppe ihre ‚Gestaltungen‘ erscheinen (und also gerade nicht ihm selbst), worin also deren ___________ 238 239

Mühlmann (1938 a: 125). (Sperrung des gesamten Satzes im Original.) Mühlmann (ebd.: 8) verwendet die Termini ‚Völkerkunde‘ und ‚Ethnologie‘ syn-

onym. 240

Ebd.: 145. Der Begriff der ‚Gestaltung‘ erstreckt sich hier – in seiner Verwendung durch Mühlmann – auf Fremdphänomene im denkbar weitesten Sinne. 242 Mühlmann (1938 a: 145; Hervorhebungen in teilweiser Abänderung gegenüber dem Original). 243 Vgl. Därmann (2002: 30). 244 Nebenbei gesagt, teile ich B. Waldenfels’ Auffassung nicht, wonach eine Wissenschaft vom Fremden (wie die Ethnologie), hätte sie es ausschließlich mit dieser Form des Fremden zu tun, ihren Gegenstand und damit sich selbst in gleichsam paradoxaler Weise aufzehrte, je weiter sie voranschritte (vgl. ders. 1999: 128). – Weshalb nur sollte dem so sein? Unterlegt B. Waldenfels mit einer solchen Argumentation besagtem Gegenstand nicht fälschlicherweise einen quasi-essentialistischen Status? Oder umgekehrt gefragt: Fungiert nicht der Umstand des stetigen Wandels besagten Gegenstandes in der Zeit in Verbindung mit den vielfältigen Möglichkeiten seiner Interpretation als ein Garant für dessen grundsätzliche Unerschöpflichkeit? 245 Vgl. Därmann (2002: 30). 246 Vgl. hierzu B. Waldenfels (1999: 128); außerdem ders. ebd.: „Die Abwesenheit charakterisiert das Fremde als Fremdes, so wie sie auf andere Weise das Vergangene als Vergangenes kennzeichnet.“ Siehe hier auch bereits B. Waldenfels (1989: 44). 241

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Wissen, deren Vorstellung, deren Urteil, deren Meinung bezüglich ihrer eigenen ‚Gestaltungen‘ besteht.247 Zugrunde liegt dieser, an den Ethnologen gerichteten Forderung das Prinzip einer Kulturbetrachtung „von innen heraus“248 (in einer späteren Fachdiskussionsphase bekannt geworden unter der Bezeichnung ‚emic approach‘249). Auf der operativen Ebene korreliert ihr die Forderung der phänomenologischen Reduktion, das heißt der Rückführung der durch ihn – den Ethnologen – in den Blick genommenen fremden ‚Gestaltungen‘ auf die für die betreffende indigene Gruppe bestehenden ‚intentionalen Geltungen‘250.251 Es steht hiermit die Frage im Raum, wie genau für den Ethnologen dahin zu gelangen ist, daß er die fremden ‚Gestaltungen‘ in dem erfaßt, was sie intentional sind, soll heißen, wie genau seinerseits das (letztlich unumgängliche) Vornehmen von Bezeichnungen und Einteilungen, das (letztlich unumgängliche) Bilden von Begriffen und Typen, und mithin: das (letztlich unumgängliche) Fällen von Urteilen erfolgen muß, damit diese jeweils als der Fremdintentionalität angemessene betrachtet werden können. Nahe legt sich – mit anderen Worten – die Frage nach den Operationalisierungsschritten der phänomenologischen Methode als einer ‚intentionalen Analyse‘252. An dieser Stelle könnte der Einwand erhoben werden, solcher Forderung seien in einem prinzipiellen Sinne Grenzen gesetzt. Kein Mensch und kein menschliches Kollektiv – so die Überlegung – würde sich (auch nicht auf Veranlassung durch einen Ethnologen) im Hinblick auf die eigenen Intentionen (resp. den eigenen Intentionenkomplex) wirklich voll luzide; es setzte dies restlose Aufgeklärtheit bezüglich aller persönlichen oder kollektiven Bedürfnisse, Motive und Zwecke (vergangener, gegenwärtiger, auch künftiger) voraus. Hinzu käme – so die weitere Überlegung –, daß Sprache sowohl die Ver-

___________ 247

a: Vgl. hierzu Mühlmann (1938 a: 111). b: Ist der Fall so gelagert, daß „das ‚Urteil‘ im Denken der Eingeborenen noch nicht formuliert ist, [so] muß es vom Forscher selbst zum historischen Bewußtsein gebracht werden“ (Ebd.: 139). 248 a: Vgl. Stagl (1980 b: 24). b: Laut Mühlmann verlieh bereits Georg Thilenius (1868-1937) [Neben Richard Thurnwald (1869-1954) und Konrad Theodor Preuß (1869-1938) sein dritter Lehrer in Ethnologie (siehe dafür Mühlmann 1962 a: 169); H.M.S.] besagter Forderung durch die scherzhafte Formulierung Ausdruck,

„man müsse ‚nicht in den Neger hinein, sondern aus ihm heraus sehen‘“ (Mühlmann 1938 a: 112). [Was diese via Mühlmann erinnerte Begebenheit erkennen läßt, ist zum einen, wie relativ früh der Ethnologie hier eine Einsicht prinzipiell schon vorlag; zum anderen aber auch, wie dabei letztlich doch – eben über Thilenius’ humoristische Form der Vermittlung – ein ‚Superioritätskomplex‘ (Mühlmann 1938 a: 145) noch durchbricht, welcher der Umsetzung des prinzipiell Eingesehenen gerade (und wirkungsvoll) entgegensteht.] 249 Zurückgehend auf einen Begriffstransfer (vgl. Phonemik) durch den Linguisten Pike ([1954] 21967). 250 Siehe zum Begriff Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 157). 251 Vgl. ebd. 252 Siehe zum Begriff Mühlmann (1938 a: passim).

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

mittlung als auch die Rezeption intentionaler Gehalte lediglich unter den Bedingungen der Qualität bzw. Natur ihrer selbst als eines Mediums gestattete. Das Entscheidende – dies wäre hier zu erwidern – macht weniger die unleugbare Existenz dieser prinzipiellen Grenzen aus (welche gleichermaßen Grenzen des indigenen Informanten bzw. der betreffenden Ethnie gegenüber sich selbst und dem Ethnologen wie Grenzen des das Reduktionsverfahren durchführenden Ethnologen gegenüber sich selbst und dem indigenen Informanten bzw. der betreffenden Ethnie bezeichnen); sondern das Entscheidende ist der Umgang, den man mit diesen Grenzen wählt. Einem professionell arbeitenden Ethnologen vermögen sie jedenfalls nicht als Ausrede zu dienen, um die Klärung indigener ‚intentionaler Geltungen‘ überhaupt unversucht zu lassen (oder um entsprechende Bemühungen grundsätzlich abzuwerten). Der seriöse Versuch, in jedem einzelnen Fall das praktisch Möglichste zu tun, um den faktischen Verlauf dieser prinzipiellen Grenzen auszuloten, muß zumindest gemacht werden. Der sprichwörtlich gute Wille dazu ist es dementsprechend auch, der nicht fehlen darf.

Wichtig zu sehen im Zusammenhang einer Beantwortung dieser Frage ist zunächst, daß das phänomenal Gegebene – die indigenen ‚Gestaltungen‘ bzw. die in diesen enthaltenen ‚intentionalen Daten‘253 – nichts darstellt, was einem Factum brutum gleichkäme, was also interpretationsfrei vernehmbar und beschreibbar wäre. Vielmehr impliziert die phänomenologische Reduktion ab ovo den Versuch einer Deutung der in den betreffenden ‚Gestaltungen‘ enthaltenen ‚intentionalen Daten‘. Von vornherein bedient sich also der phänomenologische Ansatz hermeneutischer Mittel, verschränkt er sich gewissermaßen mit einem hermeneutischen Ansatz. Wichtig dabei wiederum ist es zu sehen, daß das interpretative Moment als methodisches Konstitutivum jeder phänomenologischen Analyse selbstverständlich nicht die Freiheit einschließt, den jeweiligen Deutungsvorgang nach dem Muster der Beliebigkeit zu vollziehen. Eine Vergewisserung des intentionalen Gehalts der in den Blick genommenen ‚Gestaltungen‘ vermag der Ethnologe vielmehr nur zu leisten (und mithin die phänomenologische Reduktion zu positiven Resultaten nur zu führen), wenn von ihm bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Zu diesen Voraussetzungen zählen: der lebensweltliche Umgang mit den Kulturträgern (a), die Bereitschaft zur Epoché (b), die ethnographische Annäherung (c) sowie die Anwendung des Prinzips der wechselseitigen Erhellung (d) bzw. (e). Die dazu im einzelnen erforderlichen Ausführungen können hiermit folgen. (a) Der lebensweltliche Umgang mit den Kulturträgern: Ausgangspunkt seines Tätigwerdens ist dem Ethnologen die eigene, ihm unmittelbar gegebene Kultur.254 Damit unterscheidet er sich zunächst einmal in nichts von der prinzipiellen Situation auch jedes anderen Menschen: „Die Befangenheit in der eigenen, zeitgenössischen Gruppe und lokalen Kultur ist […] das Gegebene, eine ethnozentrische Einstellung immer die Ausgangslage, und die menschliche Möglichkeit, darüber hinauszukommen, ist gebunden an eine Erwei-

___________ 253 254

Siehe zum Begriff Mühlmann (1938 a: passim). Vgl. dazu Mühlmann (1984: 315).

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terung des Horizontes durch die Berührung und Auseinandersetzung mit dem Fremden.“255

Indessen ist zugleich auch klar, daß ab dem Moment, wo es darum geht, Fremdphänomene auf die ‚intentionalen Geltungen‘ einer bestimmten indigenen Gruppe zu reduzieren – was indirekt aussagt, daß man sich einen ethnozentrischen Standpunkt (in unreflektierter Schlichtheit) nicht mehr leisten kann –, es nicht länger hinreicht, in der Berührung und Auseinandersetzung mit dem Fremden allein eine Möglichkeit zu sehen. Genau will das besagen: Was Mühlmann im obigen Zitat als Möglichkeit beschreibt, erhält im Kontext ethnologischer Forschung normativen Status; oder anders gesagt: im Kontext ethnologischer Forschung ist von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Darüber hinaus gilt die Anforderung aber auch noch in einer bestimmten Form: und zwar meint Berührung und Auseinandersetzung im in Rede stehenden Kontext leibhaftige Berührung und Auseinandersetzung. Programmatisch veranschaulicht hat Mühlmann dies durch folgendes Zitat: „Der lebensweltliche Umgang mit den Kulturträgern selbst ist unabdingbar und durch keine ‚Texte‘ [in den Begriffen Mühlmanns: schriftlich verfügbare ‚Selbstzeugnisse‘256, ‚„Eingeborenenliteratur“‘257; H.M.S.] zu ersetzen.“258

(Mitnichten wird damit der genuine Wert des Studiums entsprechender Quellen bzw. Materialien bestritten; lediglich wird dieser indirekt spezifiziert: Er besteht darin, daß er den lebensweltlichen Umgang mit den Kulturträgern ergänzt.) (b) Die Bereitschaft zur Epoché: Der anhand vorstehender Darstellung entstandene erste Eindruck wäre nun allerdings ein verfehlter, wenn man glaubte, die Auseinandersetzung mit dem Fremden könne sich auf eine äußerlich bleibende beschränken. Zu dienen vermag der ‚lebensweltliche Umgang mit den Kulturträgern‘ dem Zweck der phänomenologischen Reduktion vielmehr nur unter der Voraussetzung, daß ihm die Bereitschaft korrespondiert, sich in der Fremde nicht gegen das Fremde zu verschließen, sich stattdessen in der Fremde für das Fremde zu öffnen, es an sich heranzulassen, mit anderen Worten also: sich dort von diesem auch innerlich berühren zu lassen. Den entscheidenden, verfahrenstechnischen Schritt in diese Richtung bezeichnet der von Mühlmann in normativer Absicht eingeführte Begriff der ‚Epoché‘259. ___________ 255

Mühlmann (1984: 133). Mühlmann (1938 a: passim). 257 Ebd.: 127. 258 Mühlmann (1984: 315). Vgl. hierzu auch ders. (ebd.): „Lesen kann man theoretisch die ganze Weltliteratur und könnte doch völlig vorbeigreifen an dem, was hier gemeint ist.“ 259 a: Vgl. Mühlmann (1938 a: 125) sowie ders. ([1948] [21968] 41986: 157). 256

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Die Epoché zielt auf die Einklammerung allen vorgängigen „Wissens“, in diesem Falle: der von dem jeweiligen, das Reduktionsverfahren durchführenden Ethnologen im vorhinein an die Fremdphänomene herangetragenen ‚Geltungen‘. – Um der Verhinderung eines Mißverständnisses willen ist hier gleich zu bekräftigen: Einklammerung besagter ‚Geltungen‘ meint anderes als deren Leugnung. Sehr wohl anerkannt (und voll anerkannt) bleibt im Vorgang der Einklammerung die prinzipielle Unausschaltbarkeit eines Vorverständnisses, mit dem jeder Mensch (und so auch jeder Ethnologe) immer schon operiert und das in dessen kultureller Daseinsverfaßtheit seine Wurzeln hat. Was der Vorgang der Einklammerung impliziert, ist nicht mehr, als daß man es dahingestellt sein läßt, ob oder inwieweit die auf der Basis des jeweiligen Vorverständnisses an die Fremdphänomene herangetragenen Meinungen oder Behauptungen diesen angemessen sind bzw. sich erhärten. In diesem Sinne könnte man auch formulieren: Die Epoché zielt auf die Suspendierung des Definitivitätsanspruchs für alle vorgängig zur eigentlichen Auseinandersetzung mit den betreffenden Fremdphänomenen an diese selben herangetragenen ‚Geltungen‘.260 – Damit bildet die Einstellung der Epoché so etwas wie eine zweite Eingangsvoraussetzung, ohne die der intentionale Raum einer bestimmten indigenen Gruppe überhaupt nicht betreten werden kann.261 (c) Die ethnographische Annäherung: Noch nicht ist damit gleichwohl positiv benannt, wie der Untersucher im Einzelfall zu der Fremdintentionalität angemessenen Reduktionen kommt. Dieses Problem bleibt virulent, denn nicht etwa wird ja von Mühlmann die Notwendigkeit des Bezeichnens, Einteilens, Begriffe- und Typenbildens als solche bestritten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Entscheidung für die Beschreibung fremdintentionaler Gehalte in einer Sprache, welche die indigene Thematik so adäquat wie möglich wiedergibt. Prädestiniert dafür ist der Sprachmodus des (außerwissenschaftlichen) Alltags, weniger der Sprachmodus des Szientismus.262 (d) Die hypothetischen Typen und die Anwendung des Prinzips der wechselseitigen Erhellung: Ein zweiter Schritt in diese Richtung besteht für Mühlmann ___________ b: Ursprünglich handelt es sich dabei um einen Begriff aus der antiken Skepsis; er meint dort – nimmt man auf die pyrrhonische Richtung Bezug – die auf Ataraxie (Seelenruhe) abstellende Urteilsenthaltung. – Im Rahmen phänomenologischer Analysen hingegen (und so auch hier) erhält der Begriff eine verglichen damit gewandelte Bedeutung. Die Bestimmung folgt unmittelbar. 260 Vgl. hierzu auch Mühlmann (1938 a: 124 f.); dem Sinn nach außerdem Gadamer ([1960] 61990: 304). 261 Vgl. hierzu Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 157). 262 a: Vgl. hierzu erneut ebd. (Verweis in diesem Kontext auf Nicolai Hartmann.) b: Vgl. in diesem Zusammenhang auch Stagl (1980 a: 107 und 114).

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darin, das Bezeichnen, Einteilen, Begriffe- und Typenbilden (als eines unumgänglichen, ja integrierenden Bestandteils ethnologischer Erkenntnisgenerierung) nicht als am Startpunkt der Forschung erfolgenden, einmaligen Akt, sondern als dynamischen Prozeß und fortwährende Aufgabe zu begreifen.263 Entsprechend stellt sich für ihn der ethnologische Erkenntnisvorgang dar wie folgt: „Wir gehen von irgendeiner Variante ethnischen Lebens aus. Wir lernen neue Varianten kennen und bilden aus dem bisher Bekannten hypothetische Typen264 […]. Wir lernen weitere Varianten kennen und sind genötigt, unseren hypothetischen Typus zu korrigieren. Methodisches Prinzip ist uns dabei die wechselseitige Erhellung265: Alles neu Erkannte wirft sein Licht auf alles Frühere, und dieses auf jenes.“266

Aus einer solchen Auffassung spricht nicht nur ein Wissen darum, daß diese Tätigkeit zu keinem prinzipiellen Abschluß kommt, sondern es schlägt sich in einer solchen Auffassung auch ein Wissen darum nieder, wie diese Tätigkeit hinsichtlich ihres erkenntnistheoretischen Status zu bewerten ist. Explizit werden lassen hat Mühlmann das eine wie das andere in Form einer Verfahrensanweisung: Welche Bezeichnungen und Einteilungen vorgenommen, welche Begriffe und Typen gebildet bzw. welche Urteile letztlich auch gefällt werden, immer ist zu beachten: „Der Ethnologe darf sie nicht für endgültige Wahrheiten halten, er muß sie vielmehr als das sehen, was sie sind: fingierte Bekannte, Hypothesen, die einer fortwährenden Berichtigung bedürfen, nicht nur, weil ein Teil der zugrunde liegenden Erscheinungen einem weiteren geschichtlichen Wandel unterworfen ist, sondern auch[,] weil (typologisch gesprochen) neue Varianten auf den Plan treten, d. h. unsere Kenntnisse sich dauernd erweitern.“267

Wesentliche Voraussetzung dafür, daß der ethnologische Erkenntnisprozeß zu (nach phänomenologischem Verständnis) positiven Resultaten führt, ist und bleibt gleichwohl die Einstellung der Epoché. Denn selbstverständlich bietet eine sich als perennierende Aufgabe begreifende, hypothesengestützte Praxis allein noch keine Gewähr, daß die erzielten Ergebnisse auch wirklich die der ___________ 263 Vgl. zum Argument wie zu den entsprechenden Begrifflichkeiten Mühlmann (1938 a: 173). 264 Vgl. hierzu noch folgendes Zitat: „Wie alle Menschen steht auch der Ethnologe mitten im Fluß der Geschichte. Die Schöpfung beginnt nicht mit ihm: Was er beobachtet, untersucht, darstellt, war schon da, bevor er hinzutrat. Gewissermaßen in geschichtlichen Gußformen gelangen ihm die Dinge vor Augen. Er beobachtet und ergreift sie, behandelt sie als ein Bekanntes und nennt sie ‚Tatsachen‘; in Wahrheit sind sie Hypothesen. Er fingiert ihre Größe als bekannt; in Wahrheit ist sie X.“ (Mühlmann 1938 a: 114.) 265 Formuliert hat Mühlmann das sogenannte ‚Prinzip der wechselseitigen Erhellung‘ in begrifflicher Anlehnung an Dilthey. Siehe für diese Information Mühlmann (1938 a: 97). 266 Ebd.: 115. Vgl. hierzu außerdem ebd.: 120 ff. 267 Ebd.: 115; keine Hervorhebungen im Original.

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Fremdintentionalität am besten angemessenen sind; schließlich ließe sich auch die Vornahme suggestiver Bezeichnungen und Einteilungen, die Bildung suggestiver Begriffe und Typen prozedural und statusmäßig so gestalten, daß diese dem Kriterium fortwährender Korrektur und Hypothesengestütztheit genügten. (In diesem Zusammenhang – mit Mühlmann – noch angemerkt werden darf:268 Die Gefährlichkeit von Autosuggestionsurteilen vermehrt der Umstand, daß sie von einem nicht minder starken Evidenzgefühl begleitet sind.) (e) Die (sogenannte) Subjekt-Objekt-Relation und die Anwendung des Prinzips der wechselseitigen Erhellung: Ein dritter Schritt, um im Einzelfall zu der Fremdintentionalität angemessenen Reduktionen zu kommen, besteht für Mühlmann darin anzuerkennen, daß die Einstellung der Epoché nicht nur in Richtung des ethnisch Fremden wirkt, sondern daß diese über das ethnisch Fremde – und also indirekt – auch wieder zurückweist auf den betreffenden Ethnologen selbst. Dies geschieht in der Form, daß sie dessen Reflexion gerade auch auf bis dahin für ihn als fraglos (da innerhalb seiner eigenen Kultur) bestehende ‚intentionale Geltungen‘ induziert.269 Ströker analog270 läßt Mühlmann damit deutlich werden, daß der Epoché nicht allein eine privative, sondern ebensowohl eine positive, heuristische Funktion zuerkannt werden muß. Im ethnologischen Kontext heißt das: Zuerkannt werden muß ihr die Funktion der Veranlassung einer Reflexion auf den jeweils eigenen Kulturhintergrund271 (bzw. das jeweils eigene Vorverständnis), oder nochmals anders gesagt: die Funktion der Veranlassung einer Aufdeckung des jeweils eigenen Kulturhintergrunds (bzw. Vorverständnisses) als eines solchen. Was Mühlmann an anderer Stelle eine „Emanzipation von den ‚Selbstverständlichkeiten‘ des eigenen Kulturhorizontes“272 nennt, kann also gewissermaßen als die paritätische zweite Konsequenz der Einstellung der Epoché angesehen werden273. Bedeutungsmäßig in dieser

___________ 268

Vgl. Mühlmann (1938 a: 107; Bezugnahme auf Heinrich Maier). Vgl. sinngemäß Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 157). 270 Vgl. dies. (1971: 42 f.). 271 Vgl. erneut Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 157). 272 a: Mühlmann (1962 a: 112) bzw. (1966 a: 22). b: Sie (sinngemäß) sieht er „in genauer Analogie zur kopernikanischen Revision des geozentrischen Weltbildes“ ([1948] [21968] 41986: 14) und spricht darum auch von einer „kopernikanische[n] Wendung der anthropologischen Weltkenntnis“ (ebd.). Genau diese Wendung und mithin die Relativierung des Ethnozentrismus sei praktisch sogar ungleich folgenreicher als die Relativierung des Geozentrismus (ebd.). Siehe zum Gedanken der Revolutionierung unseres Weltbildes durch die Ethnologie auch Mühlmann (1962 c: 188 f.). c: Ähnlich argumentieren wird in diesem Sinne später Scholte (1972); siehe vor allem ebd.: 447 f. 273 … und also nicht nur als ein Epiphänomen deren erster Konsequenz. 269

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Doppelkonsequenz enthalten ist: Welche Bezeichnungen und Einteilungen vorgenommen, welche Begriffe und Typen gebildet bzw. welche Urteile letztlich auch gefällt werden, immer werfen diese ihr Licht sowohl auf ihren Urheber: das forschende Subjekt, den Ethnologen (seinen jeweiligen Kontext eingeschlossen) wie auf dessen Bezugspol: das erforschte Objekt, die untersuchte Ethnie (die jeweiligen, in ihrem Kontext untersuchten Fremdphänomene eingeschlossen). Nur so kann Mühlmann auch formulieren: „Fremderkenntnis und Selbsterkenntnis bedingen einander.“274

Betrachtet man dieses wechselseitige Bedingungsverhältnis unter dem Aspekt der Verlaufsform ethnologischer Erkenntnisgenerierung, so stellt es sich dar als Interaktion zwischen forschendem Subjekt (i.e.: dem Untersucher) und erforschtem Objekt (i.e.: der untersuchten Ethnie) dergestalt, daß beide jeweils nicht die gleichen bleiben, sondern sich verändern und als Verwandelte daraus hervorgehen. Im Hinblick auf die ethnologische Erkenntnisgenerierung spricht Mühlmann dementsprechend von einem Geschehen, „in dem sich sowohl das forschende Subjekt wie auch der erforschte Gegenstand verwandeln“275.276

So weiß aufgeklärtes ethnologisches Arbeiten – resümierend gesagt – also nicht nur um den Hypothesencharakter der gebildeten Typen und um die prinzipielle Unabschließbarkeit der Typenbildung. Es weiß auch um die prinzipielle Zweiseitigkeit ethnologischer Erkenntnis – mithin darum, daß die geforderte Kulturbetrachtung „von innen heraus“ (‚emic approach‘) in dieser Ausschließlichkeit nicht möglich ist, sondern daß diese immer schon – zwangsläufig – verschränkt ist mit einer Kulturbetrachtung „von außen her“277 (in einer späteren Fachdiskussionsphase bekannt geworden unter der Bezeichnung ‚etic

___________ 274

Mühlmann (1962 c: 188). Mühlmann (1938 a: 96). 276 a: Man vergleiche dazu außerdem Mühlmanns ergänzende Bemerkung: „Schon die Forderung Heisenbergs, es müsse bei der Diskussion physikalischer Experimente die ‚Wechselwirkung‘ zwischen Experimentator und Objekt in Rechnung gezogen werden, beruht im Grunde auf der gleichen Auffassung: daß nämlich im Experimente Subjekt und Objekt nicht die gleichen bleiben, sondern sich verändern und als Verwandelte daraus hervorgehen.“ (Mühlmann 1938 a: 97.) b: Berührt ist mit der Feststellung dieser Implikation ein Problem, das in der Tat als auch heute noch gern übersehenes Problem der sogenannten teilnehmenden Beobachtung angesprochen werden kann. Vgl. in dem Zusammenhang auch schon Leiris (1950 / [1977] 1985: 54). [Notabene: Der Begriff ‚teilnehmende Beobachtung‘ taucht – soweit ich sehe – in Mühlmanns ‚Methodik der Völkerkunde‘ noch nicht auf. Siehe für die Verwendung dieses heutigen Standardbegriffs etwa ders. (1962 a: 179); außerdem ders. (1962 c: 175) – dort spricht Mühlmann von ‚beteiligter Beobachtung‘.] 277 Vgl. erneut Stagl (1980 b: 24). 275

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approach‘278)279; und aufgeklärtes ethnologisches Arbeiten zeichnet sich ferner dadurch aus, daß es um die prozessuale Konstituiertheit von Subjekt und Objekt weiß. Einen entscheidenden Wertzuwachs verzeichnet der phänomenologische Ansatz Mühlmanns in letztgenannter Hinsicht aber nochmals dadurch, daß er nicht dabei stehenbleibt, mit der prozessualen Konstituiertheit von Subjekt und Objekt einen wesentlichen Bedingungsfaktor ethnologischer Erkenntnisgenerierung lediglich anzuerkennen, sondern daß er es unternimmt, diesem Bedingungsfaktor im Prozeß ethnologischer Erkenntnisgenerierung selbst Rechnung zu tragen – und zwar in der Form, daß er ihn methodisch integriert. Dies geschieht über das bereits im Kontext der Typenbildung erwähnte sogenannte Prinzip der wechselseitigen Erhellung. Zugrunde liegt der Anwendung dieses Prinzips wiederum eine spezifische Erkenntnishaltung, die in diesem Falle danach trachtet, den jeweils erreichten Forschungsstand stets aufs neue zu reflektieren, um so ein höchstmögliches Maß an Ausgewogenheit zu erzielen.280 Denkpraktisch impliziert die Anwendung dieses Prinzips – mit Mühlmann – ___________ 278

Zurückgehend auf den in analoger Weise (siehe oben, Seite 153, Fußnote 249) vorgenommenen Begriffstransfer (vgl. Phonetik) durch den Linguisten Pike ([1954] 2 1967). – Vgl. insgesamt für detaillierte Erläuterungen zum Begriffspaar ‚emisch‘ / ‚etisch‘ E. W. Müller (1983) bzw. für einen Überblick zur entsprechenden fachwissenschaftlichen Diskussion Pelto / Pelto ([1970] 21978: 54-66) sowie Harris (1976). 279 Der gewichtige Unterschied im Standpunkt zwischen Mühlmann und den (ehemaligen) Wortführern der ‚Emic / etic‘-Debatte besteht mithin darin, daß bei ersterem stets aufeinander bezogen bleibt (dies ist Mühlmann positiv anzurechnen), was letztere ins Schema einer Dichotomie zu pressen, mithin in einen Gegensatz zu bringen sich bemüßigt fühlten. Siehe zur Kritik des vergleichsweise jüngeren Standpunkts Duerr ([1978] 1984: 548): „Die mittlerweile [Duerrs Text datiert ursprünglich aus dem Jahr 1978; H.M.S.] auch nach Europa importierte ‚Etic-emic‘-Dichotomie [Duerr bezieht sich an dieser Stelle auf die Autoren Pike und Goodenough; H.M.S.] der ‚Kognitiven Anthropologie‘ oder ‚ethnoscience‘ (einer der neueren Querschnittslähmungen der Völkerkunde) beruht auf dem Fehler, ein ‚äußeres‘ von einem ‚inneren‘ Verständnis scharf zu trennen.“ Sachlich auf derselben Linie liegt im übrigen (von Schütz und Mannheim herkommend) auch Koepping (1976): Emische und etische Kategorien gälte es gemeinsam in Betracht zu ziehen (vgl. ebd.: 234). 280 a: Vgl. dafür Mühlmann (1938 a: 99). b: Ausgewogenheit also ist intendiert, was dezidiert anderes besagt, als daß in bezug auf das betreffende Fremdphänomen eine sogenannte Wesensschau beabsichtigt oder ein Vordringen zu so etwas wie dessen Wesenskern beansprucht würde. Tatsächlich spricht Mühlmann von der „Ablehnung eines als absolut gesetzten Objekts“ (1938 a: 99), kehrt sich damit also offen gegen einen metaphysischen Repräsentationsbegriff. Überraschen in dem Zusammenhang mag aus heutiger Sicht zudem seine affirmative Verwendung des Terminus ‚Fiktion‘ (vgl. ebd.: 100). – Nicht völlig im Widerspruch scheint sein Ansatz folglich zu all jenen vergleichsweise später herausgebildeten Positionen in der Ethnologie zu stehen, welche vor allem den Konstruktionsanteil ethnographischer Fremdrepräsentation (im Sinne durchaus auch eines Asymmetrieanteils) betonen. (Vgl. zu letzte-

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„eine Kette von Reduktionen, in der wir über die jeweilige Subjekt-Objekt-Relation hinaus die Einstellung des ‚Zweiten‘, ‚Dritten‘ usw. zu gewinnen suchen. Es gibt immer noch eine höhere Stufe der Reflexion, in der wir Tun und Gelten der jeweils vorangehenden reflektierend ins Auge fassen können.“281

Im Ergebnis handelt es sich dabei wohlgemerkt um mehr als allein die Möglichkeit, die spezifische Bedingtheit der eigenen Position zu erkennen. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, die eigene Position in selbstkritischer Reflexion zu korrigieren. Nicht zuletzt das Ergreifen auch dieser Möglichkeit ist jedenfalls Voraussetzung, um phänomenologische Reduktionen erfolgreich durchführen zu können. Als Reflex einer methodischen Integration der prozessualen Konstituiertheit und Relativität speziell des Subjekts anzusehen ist – dies sollte noch erwähnt werden – Mühlmanns Aufforderung an den Ethnologen, sich bezüglich seiner eigenen Bindungen Rechenschaft abzulegen. Hierzu zählen nicht allein diejenigen Bindungen, welche ihm der bereits erwähnte eigene Kulturhintergrund auferlegt. (Als Faktor spielt hier wiederholt das unter dem Stichwort der Epoché tangierte Vorverständnis ein.282) Sondern diesen zugerechnet werden müssen vor allem auch die rollenspezifischen Bindungen des Ethnologen. Diese resultieren nach der einen Seite hin aus der affektiven Grundlage seiner Arbeitsweise (korrelierend dem Erfordernis existentiellen Engagements im Feld)283; und sie resultieren – nach der anderen Seite hin – aus der kognitiven Grundlage seiner Arbeitsweise (korrelierend dem eben auch bestehenden Erfordernis intellektueller Distanzierung gegenüber dieser Form des Engagements)284. Die dieser doppelten Bindung285 eigene Brisanz, die Schwierigkeit und zugleich Notwendigkeit des Balancehaltens mit anderen Worten286, kommt am deutlichsten dort zum Ausdruck, wo Mühlmann (die Frage der richtigen Dosierung erwägend) resümiert:

___________ rer Theorieentwicklung Därmann 2005: insbesondere 48 ff.; auch Fuchs / Berg 1993; im einzelnen besonders Fabian 1983.) 281 Mühlmann (1962 a: 176). 282 Vgl. oben, Seite 156. 283 Vgl. hierzu Mühlmann (1938 a: 101). 284 Vgl. hierzu ebd.: 107. 285 Vgl. hierzu auch Koepping (1976: 232); ferner ders. (1984: 229). 286 a: Vgl. hierzu wiederum Koepping (1976: 237); außerdem in diesem Kontext Clifford (1986: 13). b: Bei leidenschaftlicher Hingabe an seinen „Gegenstand“ würde sich dem Feldforscher keine Erkenntnis bieten. Und umgekehrt würde er bei durchgehaltener Distanzwahrung zu Einsichten gelangen, die seinem „Gegenstand“ nicht angemessen wären. Vgl. zur Problematik auch Glaser / Strauss (1965 / 1979: 101): „Seine [des Feldforschers; H.M.S.] Art der Zurückhaltung verhindert einerseits, daß er ganz ein Eingeborener wird, aber gleichzeitig kann er sich so verhalten, daß er gerade noch als Eingeborener angesehen wird, so daß die Leute, die untersucht werden, entweder zeitweise seinen Außenseiterstatus vergessen oder gar nicht erst erkennen. Allmählich hat sein verständiges Verhalten, das Sympathie für ihre Lebensweise zu erkennen gibt, genügend Vertrauen bei ihnen entstehen lassen; der Forscher wird nicht mehr von wichtigen Ereignissen ferngehalten, er kann wichtigen Unterhaltungen zuhören und vielleicht wichtige Dokumente einsehen. Wenn sich ein derartiges Vertrauen nicht entwickelt, so wird die Unter-

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„Es müssen im Erlebnisstrom immer wieder und an den richtigen Stellen Besinnungen eingeschaltet werden.“287 Legt sich der Ethnologe von den genannten Bindungen Rechenschaft ab, so ist es auch nicht rechtens, diese prinzipiell als Befangenheiten auszulegen. Denn werden diese Bindungen, derer sich kein Mensch entledigt, als Bindungen ins Bewußtsein gehoben, so ist zumindest die Wahrscheinlichkeit eine höhere, daß sie sich als nur eben solche – und also nicht als Befangenheiten (i.e.: als Irrglauben voraussetzungslosen Verfahrens) – auswirken288.289

Die unter den Punkten (a) bis (e) gemachten Ausführungen stellen nicht nur grundlegende Voraussetzungen, sondern auch wirksame Möglichkeiten dar, um vor den charakteristischen ‚Fallgruben‘290 der Ethnologie, den Manifestationen jener (wie Mühlmann es formulierte) „trostlose[n] Unfähigkeit des modernen Westeuropäers, auf die phänomenalen Gegebenheiten selbst zurückzugehen“291, zu bewahren; im einzelnen gemeint sind damit (bei fortschreitender Implikation und gleichwohl fließenden Übergängen): – die Vergabe sogenannter ‚suggestiver Etiketten‘, also die Vergabe von Termini, die tatsächlich dem ‚eigenen ethnographischen Hausrat‘ entstammen; – (sodann auf dieser Basis:) die sogenannten ‚sekundären Sinnverleihungen‘, also jene den jeweiligen ‚suggestiven Etiketten‘ angeschlossenen Deutungen, in denen (zwangsläufig wiederum) sich nicht die fremdethnische, sondern die Welt des Untersuchers spiegelt; – (und mithin im Endeffekt:) die sogenannten ‚Verseltsamungen‘ bzw. ‚Mystifizierungen‘ des Fremdethnischen.292 ___________ suchung darunter leiden.“ Vgl. zur Problematik außerdem Powdermaker (1966: 9 und 286 ff.), Wax (1971: 42-55) sowie Fischer (1985: 14). 287 Mühlmann (1938 a: 103). 288 Vgl. hierzu ebd.: 97. (Siehe in dem Zusammenhang etwa auch Fleck [1935] [1980] 31994.) 289 Mit Mühlmanns ‚dynamischer‘, dem ‚Phänomen des Lebens selber‘ verpflichteten Methodologie (vgl. ders. 1938 a: 99) scheinen mir Grundzüge der von Glaser / Strauss in den sechziger Jahren entwickelten ‚grounded theory‘ (vgl. hierzu vor allem Glaser / Strauss 1965 / 1979) – jenes Ansatzes qualitativer Sozialforschung, für den sich neben der Bezeichnung ‚Datenbasierte Theorie‘ auch die Bezeichnung ‚Gegenstandsbezogene Theorie‘ eingebürgert hat – vorweggenommen zu sein. [Lamnek ([1988] [21993] 31995: 112) instruiert: ‚grounded = in der Empirie verankert‘. Vgl. außerdem an dieser Stelle Glaser / Strauss (1965 / 1979): „In der Soziologie entwickelte sich die Feldforschung aus der ethnologischen Tradition, jeweils eine Gesellschaft oder Gruppe zu untersuchen.“ (Ebd.: 96; keine Hervorhebung im Original.)] 290 Um diesen Begriff Mühlmanns zu verwenden (vgl. ders. 1938 a: 117 und 141 f.). 291 Ebd.: 141. 292 a: Siehe zum Argument ebd.: 144 f., zu den entsprechenden Begrifflichkeiten ebd.: 141 und 144 f.; vgl. hier außerdem Mühlmann (1964: 118 ff.).

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In dem Maße, wie die Durchführung der phänomenologischen Analyse als einer ‚intentionalen Analyse‘ gelingt, wie es also gelingt, den soweit beschriebenen Direktiven folgend zu prüfen, was an phänomenal Gegebenem vorhanden ist, läßt sich davon sprechen, daß das, was die jeweilige Ethnie mit ihren ‚Gestaltungen‘ meint, verstanden wird.293 Der Weg der phänomenologischen Analyse als einer ‚intentionalen Analyse‘ ist insofern gleichbedeutend mit der ‚verstehenden Methode‘294.295 Nicht übersehen werden allerdings darf nun, daß der phänomenologisch-hermeneutische Ansatz sich im Rückgang auf die Intentionen einer bestimmten Ethnie nicht erschöpft. Gemeint ist damit, daß keineswegs bei den Deutungen, die von den jeweiligen indigenen Kulturträgern bzw. Informanten gegeben werden, stehenzubleiben ist. Ethnologische Tätigkeit, die sich mit dieser Form von Neutralität einrichtete, verlöre gerade damit ihr Proprium.296 Tatsächlich hat sie an genau jener Schwelle, an der eine als hinreichend betrachtete Verge___________ b: Zur Plausibilisierung des Arguments wähle ich einen prägnanten (zum Teil bereits Historisches enthaltenden) Passus, in dem sich Mühlmann mit dem Komplex des sogenannten Strafrechts auseinandersetzt; er schreibt: „Es ist nicht überflüssig daran zu erinnern, daß zunächst intentional geklärt werden muß, was überhaupt als Verbrechen gilt. Kopfjagd ist bei Dajak und Melanesiern kein Mord, sondern ein Verdienst, Viehraub bei Montenegrinern kein Diebstahl, sondern eine Ehre. ‚Wer keinen Ochsen, keine fremde Kuh, Ziege oder Hammel geraubt hatte, den betrachtete man als einen Feigling und weichlichen Menschen‘, sagt eine montenegrinische Kurzgeschichte. Nur das Vieh eines armen oder unheldischen Mannes zu rauben bringt Unehre […]. Man muß sich also hüten, gewisse Handlungen von vornherein falsch zu benennen. Es wäre auch falsch, zu sagen, Diebstahl sei bei manchen Völkern ‚erlaubt‘, wie gelegentlich auch in anerkannten Werken zu lesen steht. Es handelt sich vielmehr überhaupt nicht um Diebstahl, sondern um eine auszeichnende Handlung, die wesentlich in die Rechtssphäre überhaupt nicht hineingehört. Ähnliches gilt für viele andere Handlungen bei Fremdvölkern, die in gleicher Weise bei uns begangen z. B. als Inzest, Mord, Raub u. a. klassifiziert und folglich in die juristische Sphäre hineingenommen werden. Umgekehrt werden bei manchen Völkern Handlungen als Verbrechen klassifiziert, die bei uns erlaubt sind, z. B. Verwandtenheiraten entfernten Grades.“ (Mühlmann 1938 a: 137; siehe auch ebd.: 158.) c: Vgl. in diesem Zusammenhang auch noch Winchs (1964) Rede vom begangenen ‚Kategorien-Fehler‘ (ebd.: 93); vgl. außerdem ebd.: 102. 293 Vgl. hierzu auch Mühlmann (1938 a: 112). 294 Vgl. hierzu ebd.: 210. 295 Interessanterweise und vermutlich ohne Kenntnis der Mühlmannschen Arbeiten äußert sich Jahre später Wolff (1981) wie folgt: „[…] der Sozialanthropologe [Was durch Ethnologe ersetzt werden kann (siehe R. König 1981: 26); H.M.S.] [wird] instruiert zu versuchen, eine Kultur oder eine Gesellschaft oder eine Sitte so gut wie möglich in dem Bezugsrahmen der Gesellschaft, die er studiert, statt in seinem eigenen zu verstehen. Also nicht häßlich zu finden, was er häßlich findet, sondern herauszufinden, was die Leute häßlich finden, und wenn möglich zu verstehen, wie das kommt.“ (Ebd.: 341.) 296 Vgl. hierzu Mühlmann (1938 a: 212): „Wenn der Eingeborene selber eine Deutung gibt, so ist diese sehr willkommen – aber sie erfordert als solche dann abermals eine Deutung!“

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wisserung bezüglich der phänomenalen Beschaffenheit der betreffenden ‚Gestaltungen‘, wie sie der Auffassung ihrer indigenen Urheber entspricht, erreicht ist, zu versuchen, einen weiteren Horizont zu gewinnen, indem sie vor dem Hintergrund der bisherigen Phänomensicht eigenen Akzentsetzungen oder Fragestellungen nachgeht und auf diese Weise Bedeutungszusammenhänge generiert, welche der betreffenden Ethnie nicht (oder jedenfalls so nicht) im Bewußtsein gegeben sind, da sie die relative Eindimensionalität der bisherigen Phänomensicht aufbrechen. Zugrunde liegt dieser Anschlußphase der Auseinandersetzung das bereits erwähnte, nunmehr jedoch gezielt zur Anwendung gebrachte Prinzip einer Kulturbetrachtung „von außen her“ (der sogenannte ‚etic approach‘). In dem Maße, wie auch dieser weitere Verfahrensschritt – die Diversifizierung bzw. Multiplizierung der Phänomensicht jenseits der Enge des indigenen Blickwinkels – gelingt, läßt sich schließlich davon sprechen, daß die ursprünglichen Phänomene (die Phänomene also, wie sie sich soweit konstituierten bzw. wie man sie soweit konstituierte) in einem amplifizierten Sinne verstanden werden – freilich ohne daß deshalb mit der Ausschöpfung von Sinnbezügen je an ein Ende zu gelangen wäre297 (eine Grundeinsicht der Hermeneutik298). Rechtmäßig bleibt diese Fortsetzung ihrerseits gleichwohl nur, wenn sie auf einer den bereits formulierten Verfahrensanforderungen analogen Basis erfolgt (was die Unterlassung ausgesprochener Umbauten an der jeweiligen indigenen Phänomensicht impliziert). Um groben Auffassungsverschiebungen gegenzusteuern, sei an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, daß Verstehen – auf das primär im Kontext der Forschungen Conklins (bzw. deren Auslegung durch Lévi-Strauss) es ankommt – grundsätzlich (!) keinesfalls schon mit moralischer Billigung einhergehen muß.299

Eine Verschränkung der phänomenologischen mit der hermeneutischen Methode300 zeichnet (Mühlmann extrapolierend) also nicht nur die zuerst beschrie___________ 297 Erfolgen darf an dieser Stelle ein Querverweis auf das Bild der ‚hermeneutischen Spirale‘ (vgl. Bolten 1985). 298 Vgl. etwa Gadamer ([1960] 61990: 303); hierzu außerdem seine Rede vom ‚unendlichen Prozeß‘ (ebd.). – In keinem anderen Sinne argumentiert übrigens auch schon Mühlmann (1938 a: 212): „Es liegt im Wesen der wechselseitigen Erhellung als eines Reflektionsvorganges, daß sie im Grundsatz ein unendlicher Prozeß ist, was zugleich bedeutet, daß keine Interpretation die ‚letzte‘ ist. Nur ein ganz öder Positivismus kann wähnen, abschließende Deutungen zu finden.“ 299 Vgl. hierzu etwa Bowen ([1956] 21964 / 1984: 338). 300 a: Einer der wenigen, die Mühlmanns Beitrag (eben auch) zu einer interkulturellen Hermeneutik erwähnen, ist Jamme (vgl. ders. 1989: 78 f., 1991 a: 58 und 1991 b: 98 f.). (Notiert wird von Jamme – vor Mühlmann – noch Thurnwald; vgl. jeweils ebd.) – Hinwiederum ausgespart erscheinen entsprechende Hinweise durch Jamme in späteren Publikationen (vgl. ders. 1996: 296 ebenso wie 2002: 190).

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bene Anfangsphase ethnologischer Forschung aus – welche (in heutiger Terminologie) der Phase sogenannter Datenerhebung bzw. -aufbereitung entspricht; bezeichnend ist sie auch (wiederum unter Verwendung heutiger Terminologie) für die sich daran anschließenden Phasen sogenannter Datenauswertung bzw. -weiterverwertung, welche einerseits zwar stets auf besagte, ihnen vorausliegende Erhebungs- bzw. Aufbereitungsphase rückbezogen bleiben – insofern sie das betreffende Material verwenden – (folglich gilt die Phasenabgrenzung nur in einem relativen Sinne), andererseits aber auch eine zunehmende Unabhängigkeit besitzen in der Form, daß es in ihnen (wie gesagt) mehr und mehr darauf ankommt, auf der Grundlage der erhobenen bzw. aufbereiteten ‚intentionalen Daten‘ jene Zusammenhänge herzustellen, die den indigenen Kulturträgern bzw. Informanten selbst bewußtseinsmäßig nicht (oder jedenfalls so nicht) gegeben sind. In diesem Kontext erscheint es noch von Bedeutung, darauf hinzuweisen, daß der Rekurs auf den Verstehensbegriff bei Mühlmann primär nicht in psychologischer Absicht erfolgt.301 Was Mühlmann vielmehr postuliert, kommt überein mit einer Bestimmung, die er einmal mit Blick auf die Soziologie Max Webers versprachlicht hat; und zwar wie folgt: Leisten will ein verstehender Ansatz allein „die annähernde Erfüllung des Erwartungshorizontes von Individuen, die durch die gleiche Kultur und eine ähnliche Sozialsituation auf die gleichen nomologischen Regelhaftigkeiten des Zusammenlebens bereits vorweg eingestellt, also virtuell schon ‚vor-verständigt‘ sind“302.

___________ b: Dem Sinn nach affirmativ zum Projekt einer kritischen Verschränkung von phänomenologischer und hermeneutischer Methode, wie sie Mühlmann vorführt, stellt sich – freilich ohne (wie schon gesagt) den Bezug zu Mühlmann herzustellen – auch Koepping (1976: 240). 301 Vgl. Mühlmann (1984: 314). Ich folge hiermit der Position, auf die sich Mühlmann in seinen späten Jahren festgelegt hat. [Anders noch stellt sich Mühlmanns Standpunkt dar in seiner ‚Methodik der Völkerkunde‘ (1938 a), wo von ihm „das ‚Verstehen‘“ (ebd.: 104) offensichtlich gerade als ‚psychologische Methode‘ aufgefaßt wird (vgl. ebd.); von einer Revision, fallweisen Abwandlung und Eingliederung der Techniken und Fragestellungen der Psychologie für die Ethnologie ist allerdings auch schon dort die Rede (siehe ebd.: 209). – Ein anderer Standpunkt wird auch noch vermittelt in ‚Rassen, Ethnien, Kulturen‘ (1964), wo Mühlmann das Desiderat einer Erfassung des ‚Fremdseelischen‘ profiliert an Interpretationen, die geneigt sind, umgekehrt gerade zu einer „Aufhellung unserer eigenen psychischen Struktur“ (ebd.: 120) beizutragen (vgl. ebd.).] 302 a: Mühlmann (1984: 314; keine Hervorhebung im Original). b: In diesem Sinne stellt etwa auch schon Wax (1971: 11) heraus: Verstehen bezeichne ein ‚soziales Phänomen‘, ein ‚Phänomen geteilter Bedeutungen‘. c: Gegenüber einer an Psychologie oder Soziologie angelehnten ethnologischen Hermeneutik schlägt F. G. Friedmann einen dritten Weg ein: und zwar mit dem Versuch eines emphatischen Verstehens fremder Kulturen auf ihrer (durch die anthropologische Situation bedingten) Suche nach dem bzw. in ihrem (durch die anthropologische Situation

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Keineswegs ausgegrenzt bleibt bei Mühlmann schließlich – auch darauf ist noch hinzuweisen – das Problem des Verstehensanspruchs, auf das er vom Pol der Erfahrung des Scheiterns transkulturellen Fremdverstehens her eine Antwort zu geben versucht303: „Vielleicht ist es in vielen Lagen wünschbarer, in einem Vorraum des Verstehens zu verharren, anstatt aufs Ganze gehen zu wollen, und am Ende ist schon viel erreicht, wenn man bis in diesen Vorraum vorgedrungen ist.“304

Insgesamt zeigt sich so, daß Mühlmann Verstehen und Interpretieren nicht als einen einfachen, assimilativen Prozeß begreift, als einen Prozeß, der letzthin Fremdes qua Aneignung ausschaltet; sondern als ein Geschehen, das fallbedingt Raum läßt für Distanz, für die Ambivalenz durchaus des Eigenen und Fremden und mithin für Phänomene, die bei fremd-ethnologischer Arbeitsweise entweder noch nicht oder aber definitiv nicht aufgehen305.306 Ad (3): Der Versuch einer Prüfung der Frage, inwiefern Conklins Arbeitsweise einen phänomenologisch-hermeneutischen Ansatz im eben dargestellten Sinne repräsentiert, wird von mir allein anhand der oben veranschlagten (Conklinschen) Primärtexte und das heißt (insofern diese selbstverständlich nicht auf eine – sozusagen via Lévi-Strauss – extern veranlaßte retrospektive ___________ bedingten) Mühen um den Sinn menschlichen Daseins. (Vgl. hierzu vor allem Friedmann 1953: 94 und 96.) Veranschlagt werden darf bei Friedmann als Motivationshintergrund seiner frühen Stellungnahmen – wie als Motivationshintergrund überhaupt seines gesamten Schaffens – ein Selbstverständnis, dessen begriffliche Kennzeichnung erst spät unter dem Titel des ‚Homo religiosus‘ erfolgte (siehe Friedmann 1991). [Eine mir, H.M.S., im Gespräch bestätigte Einschätzung (siehe Friedmann 2003).] Vgl. zu Friedmanns hermeneutischem Ansatz auch Wiese (2001: 246 f. bzw. 273 f.). 303 Eingedenk dabei zugleich der Erfahrung der Grenzen des Sich-selbst-Verstehens. Siehe Mühlmann (1984: 314). 304 Ebd.: 316. Wiederum folge ich hiermit der Position, auf die sich Mühlmann in seinen späten Jahren festgelegt hat. [Anders noch – auch hier wiederum – stellt sich Mühlmanns Standpunkt dar in seiner ‚Methodik der Völkerkunde‘ (1938 a: 212), wo er die Auffassung Diltheys adoptiert, derzufolge es das letzte Ziel des hermeneutischen Verfahrens sei, den Autor besser zu verstehen als er sich selber verstanden habe (vgl. Dilthey 1900: 331 [Die Annahme ist bereits zu finden bei Kant (KrV, [1781] 21787: B 370 / III, 246); H.M.S.]). Bekanntlich rangiert die Position in der Hermeneutik als eine längst überholte. In Wahrheit könne, schließt man sich dem Argument Gadamers an, nicht von einem Besserverstehen, nur von einem Andersverstehen gesprochen werden (vgl. Gadamer [1960] 6 1990: 301 f.). – Im einen (oben auf dieser Seite zitierten) wie im anderen (vorstehend in dieser Fußnote referierten) Fall gleichwohl, dies sollte nicht übergangen werden, spiegelt sich in Mühlmanns Positionen der Forschungsstand der jeweiligen Zeit.] 305 Vgl. hier auch – unabhängig von Mühlmann – Horstmann (1993: besonders 399 ff.); vgl. ferner zum Problem der Verstehensgrenzen Autoren wie Jamme (1996), B. Waldenfels (1999), Kogge (2002), Kämpf (2003). 306 Eine passende Ergänzung zu den unter Punkt (2) (also auf den Seiten 151 bis 166) verhandelten Inhalten sehe ich in der Ausführung Weber-Schäfers (1997: 246 f.).

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Prüfung hin verfaßt wurden): auf der Grundlage der darin enthaltenen Indizien vorgenommen. Als bekanntes Informationsdatum in diesem Zusammenhang vorausgesetzt werden kann, daß Conklins Kenntnis der Hanunóo-Kultur einer Kenntnis aus erster Hand entspricht. Gewonnen wurde von ihm das Material ‚intentionaler Daten‘ in direktem Kontakt mit Gewährsleuten dieser Ethnie während eines Feldforschungsaufenthalts. Hinsichtlich aller darüber hinausgehenden Aussagen dagegen muß, damit diese statthaft bleiben, vorsichtiger formuliert werden; als unverfänglich mögen hier die folgenden Feststellungen gelten: Es existieren keinerlei Anhaltspunkte, die darauf hindeuteten, daß Conklin in der Datenerhebungs- bzw. -aufbereitungsphase – und aber auch in den sich daran anschließenden Forschungsphasen, welche ein fortwährendes Vor- und Zurückgehen, Wechseln von Bezugsrahmen, Bezugsebenen und Bezugshorizonten implizieren307 – anders vorging als gemäß der geforderten Einstellung der Epoché bzw. gemäß des ebenfalls geforderten Prinzips der wechselseitigen Erhellung308.309 Die performativ demonstrierte Fähigkeit zum existentiellen Engagement einerseits, zur Rollendistanz andererseits, die gelieferten Informationen, unternommenen Schilderungen, durchgeführten Übersetzungen, angebotenen fortschreitenden Deutungen sowie die durchweg gewahrte Transparenz der konzeptuellen Anlage vermitteln (als Elemente wie in ihrer Gesamtheit) zumindest den Eindruck, daß Conklin einmal so behutsam und zurückhaltend, darüber hinaus aber auch so entschieden, gewissenhaft und genau – wenn man will: mit so viel Sagazität – verfuhr, wie es einem Feldforscher nur möglich ist, wenn es ihm darum geht zu erheben und aufzubereiten, auszuwerten und weiterzuverwerten, „was im Sinne phänomenaler Gegebenheiten wirklich da ist“310.311

___________ 307

Koepping (1976: 236) etwa veranschaulicht diesen Vorgang beispielgebend (unter einer Vielzahl alternativ denkbarer, weiterer logischer Möglichkeiten). 308 Die Rede ist beispielsweise von ‚Gesprächen‘, die „im Verlaufe vieler ähnlicher Situationen aufgezeichnet“ wurden. (Siehe hierzu den ersten Satz auf Seite 441 der Appendices: „… conversations recorded during many similar situations …“.) 309 Zur Veranschaulichung: Einen verdachtsgenerierenden Anhaltspunkt lieferte in methodischer Hinsicht die buchstäbliche ‚Selbstidentifikation‘ (Lindig 1964: 36) des Feldforschers mit der von ihm untersuchten Ethnie; als historisches Belegbeispiel gelten kann hier der Fall des gebürtigen Deutschen und naturalisierten Brasilianers Curt Nimuendajú Unkel. Vgl. ausführlicher zur Feldforschungsmethode Nimuendajú Unkels die Arbeit Dungs’ (1991), für einen ersten, diesbezüglich relevanten Eindruck ebd.: 2 und 154 f. Siehe als Primärbezugstext außerdem Nimuendajú Unkel (1914). 310 Mühlmann (1938 a: 130). – Aufzufassen freilich nicht im Sinne eines ‚naiven Realismus‘ (vgl. ebd.: 106)! (Vgl. auch ebd.: 98.) 311 Vgl. an dieser Stelle auch Glaser / Strauss (1965 / 1979): ‚Zur Frage der Vermittlung und Einschätzung von Glaubwürdigkeit‘ (ebd.: 102-105).

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Für den im Rahmen dieser Arbeit relevant gewordenen Untersuchungsausschnitt Conklins erscheint es ferner legitim, abschließend und konkordant mit den unter Punkt (2) entwickelten Überlegungen bedingt zu unterscheiden: – erstens: eine Phase der Datenerhebung und -aufbereitung, die auf der Grundlage indigener Selbstzeugnisse erfolgte, sich also – soweit möglich – am Selbstverständnis der Hanunóo orientierte (bezeichnen will ich sie nachfolgend als Deutung 1); Wollte man dieser Phase Passagen Conklins zuordnen, so beträfe dies auf Seite 440 der Appendices den Eingangstextabschnitt [„In a situation where one Hanunoo farmer wishes to draw another’s attention to a particular individual pepper bush Q, he may, of course, attempt to describe some of Q’s unique attributes without naming the plant. Much more often, however, even in the course of a “unique” description, he will resort to the use of one or more of at least eight lexical units each of which might complete the frame māluq, qinda pag , ‘Hey, take a look at this ,’ but at different levels of contrast (allowing for different degrees of desired or required specificity):“] einschließlich der ihm unmittel-

bar folgenden, tabellarischen Auflistung [I-VIII] auf Seite 440 bzw. 441 der Appendices.

– zweitens und aufbauend darauf: eine Phase der Datenauswertung im Sinne einer bereits unabhängig von den ursprünglichen Informationsgebern vorgenommenen Systematisierung dieser Selbstzeugnisse – vollzogen innerhalb des Großkontextes der Erstellung einer Pflanzentaxonomie der Hanunóo (bezeichnen will ich sie nachfolgend als Deutung 2); Wollte man auch dieser Phase Passagen Conklins zuordnen, so beträfe dies auf Seite 441 der Appendices den sich an genannte tabellarische Auflistung [I-VIII] unmittelbar anschließenden Textabschnitt [„Within the domain of Hanunóo plant taxonomy, from level III down, and specifically within the range of lādaq, from level V down, conversations recorded during many similar situations would ultimately provide the lexicographer with fifteen unitary and composite lexemes (including a terminal set of eleven ‘pepper plant’ names) arranged at four levels in the form of a discrete subhierarchy (Fig. 2). Specification below the level of the terminal taxa noted in the diagram (Fig. 2: 1-11), and hence outside this system of classification, may be provided only by semantically endocentric constructions describing individual plant variations, on which unanimous accord is rare and unpredictable.“] einschließ-

lich der dazugehörigen graphischen Übersicht auf Seite 442 der Appendices.

– drittens und wiederum aufbauend darauf: eine Phase der Datenweiterverwertung im Sinne einer abermals unabhängig von den ursprünglichen Informationsgebern vorgenommenen Feststellung zufälliger Parallelen zwischen der Pflanzentaxonomie der Hanunóo und entsprechenden wissenschaftlichen Taxonomien (bezeichnen will ich sie nachfolgend als Deutung 3). Wollte man auch dieser Phase Passagen Conklins zuordnen, so beträfe dies auf Seite 441 der Appendices den letzten Textabschnitt [„In this particular case, folk taxa 15, 14, and 11 happen to correspond rather closely with the scientific taxa Capsicum, C. annuum L., and C. frutescens L., respectively; but the twelve remaining folk taxa involve distinctions not recognized as significant botanical subspecies by taxonomic botanists who have classified the same flora.“].

Die zurückliegenden Ausführungen zu den Punkten (1) bis (3)312 waren nötig, um eine Grundlage zu bekommen, die in die Lage versetzt, im Gegenzug

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nun auch die Arbeitsweise Lévi-Strauss’ zu bestimmen und zu bewerten. Gedacht ist dabei im folgenden – da nicht anders erforderlich – weniger an eine Wiederaufnahme aller kasuellen Bezüge, als vielmehr an gezielte, dem Kriterium größter Prägnanz verpflichtete Rückverweise. Einleiten will ich diesen letzten Abschnitt einer erkenntniskritischen Revision mit einigen Klarstellungen: Fürs erste festgehalten werden soll, daß sich der Vorwurf gegenüber Lévi-Strauss keineswegs darauf konzentriert, prinzipiell nicht bei den Hanunóo-Interpretationen Conklins stehengeblieben zu sein. Oder um die hier vertretene Position mit den unter Punkt (2) genannten, vorbereitenden Argumentationsschritten in Einklang zu bringen: Auf einer noch grundsätzlichen Ebene konfligiert die Lévi-Strauss’sche Absicht, über einen vorgegebenen interpretatorischen Status quo hinausweisende Deutungen zu versuchen, mit einem phänomenologisch-hermeneutischen Ansatz nicht im mindesten; sie entspricht diesem sogar genau – jedenfalls solange in Geltung steht, daß die ‚intentionale Analyse‘ im Grundsatz als ein ‚unendlicher Prozeß‘ und keine Interpretation im Grundsatz als die ‚letzte‘ begriffen wird.313 Außerdem bzw. fürs zweite festgehalten werden soll: Die Validität der eben vorgetragenen Position wird prinzipiell nicht etwa dadurch eingeschränkt, daß Lévi-Strauss selbst keine eigenen Feldforschungen bei den Hanunóo vorzuweisen hat. Nur verhält es sich so: Dieser Sachverhalt, daß nämlich Lévi-Strauss im diskutierten Fall über keine eigenen, im Feld gewonnenen Ergebnisse verfügt314, regelt die Konsequenzen. Und das wiederum hat zu bedeuten: Letztlich allein von diesen letzteren her vermag offenbar zu werden, welcher Natur die von Lévi-Strauss verursachten Probleme sind bzw. was im einzelnen kritisch gegen ihn angeführt werden muß. – Genau damit aber ist nun auch noch eine dritte Klarstellung zu treffen; es ist dies jene Klarstellung, welche den Übergang zur abschließenden Bestimmung und Beurteilung der Lévi-Strauss’schen Arbeitsweise ermöglichen wird. Die entsprechende Klarstellung lautet: Solange Lévi-Strauss auf keine eigenen Feldforschungsergebnisse zurückgreifen kann – was dem verhandelten Fall entspricht –, existiert für ihn eine obligatorische „Spielregel“ bezüglich des Umgangs mit den durch Conklin vorgelegten Deutungen – eine obligatorische „Spielregel“, deren Inhalt eo ipso dem Muster der unter Punkt (2) angestellten Überlegungen entspricht (mit anderen Worten: deren Inhalt diesem Muster iterativ nachgebildet ist) und die sich aus einer Position retrospektiver Bestim-

___________ 312

Also die Ausführungen der Seiten 149 bis 168. Vgl. hierzu nochmals Seite 164, den Textabschnitt vor Fußnotennummer 298 und Fußnote 298. 314 Siehe gerade hier auch Geertz (1973 / 1983: 23, Fußnote). 313

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mung und Beurteilung folgendermaßen formulieren läßt: Ähnlich Conklin, für den die Herausforderung bzw. Verpflichtung darin bestand, das im primären Ausdruck der Hanunóo Gemeinte zuverlässig zu eruieren (siehe Deutung 1, Seite 168), bevor er es sich leisten konnte, zu davon unabhängigen315 Interpretationen überzugehen (siehe die Deutungen 2 und 3, beide ebenfalls Seite 168), hätte auch für Lévi-Strauss die Herausforderung bzw. Verpflichtung vor dem Versuch weiterer Interpretationen darin bestanden, sich über seine Bezugsquelle – in diesem Falle heißt das: über das im sekundären Ausdruck Conklins Gemeinte (also über die Deutungen 1 bis 3) – angemessen zu verständigen. Es hätte dies selbstverständlich nicht in der Form expliziter Bezugnahmen geschehen müssen; ebenso statthaft gewesen wäre jede Form der impliziten Argumentation, zumindest solange Lévi-Strauss dabei hätte unmißverständlich erkennen lassen, daß die Interpretationen Conklins in seinem Denken aufgehoben bzw. von ihm anerkannt sind. Von einer Befolgung eben dieser „Spielregel“ jedoch zeugen – um hiermit die entscheidenden kasuellen Bezüge wieder aufzunehmen – – weder Lévi-Strauss’ Einführung des Terms ‚Katzenpenis‘ im Kontext der Pflanzentaxonomie der Hanunóo, Vgl. mit dem Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 138 bzw. mit Deutung 1 und 2 auf Seite 168: ‚Katzenpenis‘ ≠ ‚„Katzenpenis“‘.

– noch die von ihm für die Denkweisen dieser Ethnie reklamierten ‚Kategorien des Philosophen‘, Vgl. mit dem Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 143 bzw. mit den Diagrammen 2 und 3 auf den Seiten 443 und 444 der Appendices bzw. mit Deutung 1 auf Seite 168: ‚Entität‘ ≠ ‚‚Entität‘ (i.e. etwas, das benannt werden kann)‘.

– noch der von ihm für die Denkweisen dieser Ethnie reklamierte ‚Bereich der Botanik‘ (gemeint ist die wissenschaftliche Botanik; H.M.S.). Vgl. mit dem Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 143 bzw. mit Deutung 3 auf Seite 168: Conklin postuliert nicht mehr als ‚zufällige‘ Übereinstimmungen zwischen der Pflanzentaxonomie der Hanunóo und der wissenschaftlichen Botanik.

Sieht man einmal davon ab, daß die Texte Conklins einfach nicht „hergeben“, was Lévi-Strauss in sie „hinein“-(bzw. aus ihnen „heraus“-)liest und läßt man weiterhin außer acht, daß die entsprechenden Interpretationen – wenn überhaupt – nur entweder als durch zusätzlich erschlossene ethnographische Quellen abgestützte Ergebnisse oder aber als Folge eines Aufweises argumentativer Inkonsistenzen auf seiten Conklins begriffen werden könnten, so fällt vor allem auf, daß Lévi-Strauss die Begründungsleistungen für seine Hanunóo___________ 315 Verstanden genau im Sinne der oben vorgenommenen Bestimmung (vgl. erneut die Argumentation auf Seite 164 f.).

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Interpretationen samt und sonders schuldig bleibt; es scheint ihm offensichtlich zu genügen, sie generell und jeder wissenschaftlichen Konvention zum Trotz zu statuieren. Damit und ungeachtet zuletzt der Frage, ob die vertretene Position nun die ist, daß man Lévi-Strauss eine absichtsvolle interpretatorische Klitterung unterstellt oder ob man stattdessen eine Position einnimmt, die von einer solchen Unterstellung abstiniert, konzentriert sich der eigentliche Vorwurf bezüglich seiner Arbeitsweise auf einen (wie ich es nennen möchte) fehlerhaften Umgang mit der literarischen bzw. – weniger mißverständlich – mit der textuellen Empirie (einschließlich aller damit verbundenen Folgen): Die Texte (in diesem Falle die als solide einzustufenden Texte Conklins, die nicht nur aus ethnographischen Dokumentationen bestehen, sondern die auch noch deren fortgesetzte Deutung implizieren) wären unvoreingenommen und unverfälscht in Augenschein zu nehmen gewesen. Was Lévi-Strauss in diesem Zusammenhang anzulasten ist, läßt sich – auf den jeweils kürzesten Nenner gebracht – so beschreiben, daß er es von vornherein nicht unternahm, phänomenologisch zu reduzieren; daß er es von vornherein unterließ, auf die Intentionen Conklins zurückzugehen; daß er es von vornherein versäumte, das ihm vermöge Conklins zur Verfügung gestellte Material mit den „wesensmäßigen subjektiven Korrelaten“316 des gleichnamigen Autors abzugleichen. In dem Moment, wo sich herausstellte, daß von den damit implizierten unerläßlichen Standards auf seiten Lévi-Strauss’ nicht auszugehen war und mithin seine Auslegung sich in Wahrheit als Widerschein seiner persönlichen, eigenen Welt (als einer reinen Vorstellungswelt) entpuppte, wurde die Einforderung des relativen Rechts der textuellen Quellen zum normativen Ausdruck eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Forschungen Conklins (und – insofern sich dessen Forschungen als solide betrachten lassen – nicht zuletzt zum normativen Ausdruck eines verantwortungsvollen Umgangs mit den dahinter stehenden Menschen: den Hanunóo). Die Pflicht bestand – ex professo sozusagen – darin, die bereits vorhandene und durch Lévi-Strauss auf unzulässige Weise verschüttete Leistung Conklins der Wissenschaft erneut zugänglich bzw. sie ihr wieder verfügbar zu machen. Gründlich mißverstanden wäre diese Form der Archäologie, wollte man sie reduktionistisch ausdeuten. Denn keineswegs steckt hinter den reklamierten Vorrangverhältnissen (bezüglich Conklins der relative Primat der ethnographischen Quellen der Hanunóo, bezüglich Lévi-Strauss’ der relative Primat der textuellen Quellen Conklins) ein verkappter Positivismus317 oder ein flacher ___________ 316

Mühlmann (1962 c: 174). Der ‚positivistische Begriff der Tatsache‘ zeichnet sich dadurch aus – um an dieser Stelle eine treffliche Bestimmung Habermas’ aufzugreifen –, daß er „die Existenz 317

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Empirismus. Die Rede vom relativen Primat will lediglich besagen, daß Conklins Weg notwendigerweise über die ethnographischen Quellen der Hanunóo führte, ebenso wie Lévi-Strauss’ Weg notwendigerweise über die textuellen Quellen Conklins hätte führen müssen. Die Forderung bezieht sich also im einen wie im andern Fall ausdrücklich auf ein Ansetzen bei den jeweiligen ‚intentionalen Daten‘ – welches nicht nur anderes sagt, sondern auch anderes meint als: bei diesen stehenzubleiben. In seiner Gesamtbetrachtung lehrt das Hanunóo-Beispiel, daß gerade in der Ethnologie als einem Fach, welches den Strategen (oder aber den Nachlässigen) in der Sicherheit sich wiegen läßt, daß das wissenschaftliche Postulat der Nachprüfbarkeit unter zumeist erschwerten Bedingungen einzulösen ist, sehr genau hingesehen werden muß, welche Beschaffenheit der „Gegenstand“ besitzt, den der jeweilige Einzelfall zur Verhandlung bringt. Denn nur so sind Suppositionen wirksam zu verhindern, die einer realistischen Grundlage entbehren – Suppositionen vor allem auch, denen nicht unbedingt das Zeug fehlt, um in der theoretisch-spekulativen Dimension zu kaum mehr rückkoppelbaren Selbstläufern fortgebaut zu werden.318

(5) Resümee Es handelt sich bei den zurückliegenden Ausführungen und Vertiefungen um die Prolongationen jener an den Anfang der eigentlichen Darstellung gesetzten formalen Definition des ‚wilden‘ Denkens als eines ‚zugleich analytischen und synthetischen‘.319 In ihrem Explanationswert hinsichtlich des Welt- und Selbstverständnisses der „Primitiven“ sicherlich partiell bleibend, sind dennoch wesentlich sie es, die jener reduktiven Ausgangsbestimmung Bedeutung verliehen, das heißt: von denen her überhaupt erst sich verstehen ließ, was Lévi-Strauss meint, wenn er – wie bereits hervorgehoben320 – den ‚systematischen‘, das Chaos in maximaler Form reduzierenden Charakter des ‚wilden‘ Denkens an dessen Intention befestigt, nach den durch die Ordnungsfunktionen der Analyse und der Synthese vorgegebenen Richtungen bis zur ‚äußersten Grenze‘ zu ge-

___________ des unmittelbar Vorfindlichen als das Essentielle behauptet“ (Habermas [1968] 101991: 105; keine Hervorhebung im Original). 318 a: Als ob die Philosophie und die Wissenschaften daran Bedarf hätten! (Oder je gehabt hätten. Entsprechend malheuröse, historische Fälle schildert Mühlmann [1948] 2 [ 1968] 41986: 14 f. und 119; auch Kohl [1981] 1986: 9 bzw. 241 und 1985: 63 ff.) b: Vgl. mit dieser Konklusion auch Maybury-Lewis (1968: 139). 319 Siehe nochmals Seite 120. 320 Siehe oben, die Argumentation auf Seite 122.

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hen, also bis zu jenem Punkt, an dem keine weiteren Gegensätze und Einheiten mehr konstruierbar sind.321

b) Bilanzierung: Zur Wissenschaftlichkeit der ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ aa) Identität und Differenz „Von dem Augenblick an, da ich Das Ende des Totemismus und Das wilde Denken zu schreiben begann, und bis zum Abschluß der Mythologica habe ich von Botanik-, von Zoologie-Büchern umgeben gelebt …“ Claude Lévi-Strauss im Gespräch mit Didier Eribon

Wie sich aus der zurückliegenden Darstellung ergibt, ist es also möglich, im Vergleich zwischen den von Lévi-Strauss so bezeichneten ‚bewußten, sehr komplexen und kohärenten Klassifikationssystemen‘322 und den Äquivalenten des sogenannten modernen Denkens Identisches oder zumindest Teilidentisches bzw. Ähnliches zu eruieren. Solange es Lévi-Strauss im Rahmen des zweiten Verfahrens auch alleine darum zu tun gewesen wäre, also darum, hinsichtlich des via Simpson rekonstruierbaren Vergleichspunkts das „primitives“ und „zivilisiertes“ Denken gleichermaßen Kennzeichnende (und in diesem Sinne allgemein Geltende) lediglich aufzuweisen, könnte man sich entsprechend auch darauf verständigen, die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens in einem durch die angewandte Methode selbst begrenzten Sinne als gelungen zu betrachten. Weniger eindeutig zu beantworten dagegen ist die Frage der Koinzidenz von Zielvorgabe und Zielerreichung, wenn – worüber letztendlich ja im Rahmen des zweiten Verfahrens der tatsächliche Fall sich ausweist – bei den Ermittlungen eines ohnehin schon nicht gerade umstandslos konzipierten Humanums auch noch die gewissermaßen vorauseilende Attribuierung des wissenschaftlichen Status desselben mitschwingt. Die aporematische Situation, die ___________ 321 Gleichsam entsprochen wurde mit der im Formalen anhebenden und sodann mehr und mehr um Ethnographisches angereicherten Darstellung der Rationalitätsparameter des „primitiven“ Denkens dem Sachverhalt, daß Bedeutung aus einer ‚Beziehungsanbahnung‘ (ETö: 325 / PJ: 268), aus einem In-Relation-Bringen erwächst. (Siehe für Lévi-Strauss’ durchaus allgemein belangende Anmerkungen zur Frage ‚Was bedeutet bedeuten?‘ MB: 24 / MM: 12, ETö: 324 ff. / PJ: 267 f. sowie Eribondt: 206 f. / Eribonfrz: 198.) 322 Siehe nochmals Seite 113.

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dieser kalkuliert-projektive Akt der Statuszuschreibung insgesamt erzeugt, soll bis auf weiteres an einem konkreten Beispiel, nämlich an Lévi-Strauss’ vermitteltem Verweis auf die Vergleichbarkeit indigener Ordnungsschemata mit dem Ordnungsschema Linnés323, veranschaulicht werden. Der Fall ‚Linné‘ ist zunächst so gelagert, daß Lévi-Strauss mit ihm zwar die Anlehnung an gewohnte Vorstellungen sucht, es dabei aber über die Herstellung des nominalen Nexus hinaus nicht unternimmt, auch für die Mediatisierung des semantischen Gehalts Linnéscher Ordnungskonstitution im Kontext moderner Wissenschaft (= Systematik324) zu sorgen. Solange diese Vermittlung nicht geleistet ist – und ohne weiteres ist die Kenntnis der dafür erforderlichen Informationen nicht eben vorauszusetzen325 –, führt der Verweis auf den Schweden hinsichtlich seines Instruktionswerts eine nur scheinbare Evidenz mit sich. Ein solchermaßen eruiertes Gemeinsames steht in der veritablen Gefahr, als bloß Bezeichnetes die Funktion eines nicht mehr als suggestiven Labels zu übernehmen. Um die zu Bilanzierungszwecken erforderliche genauere Taxierung zu ermöglichen, sind deshalb die entsprechenden Informationen nachzuliefern – bzw. korrekter eigentlich: allererst einmal zur Verfügung zu stellen. [Siehe dafür den unmittelbar nachstehenden Gliederungspunkt bb), Punkt V.2. b)bb) also dieses zweiten Kapitels.] Gelagert ist der Fall zum weiteren so, daß die Aufklärung über den Stellenwert des Linnéschen Ordnungsentwurfs innerhalb der modernen Wissenschaft als eine wiewohl notwendige Ausgangsbedingung noch keinen Maßstab abgibt, anhand dessen sich abschließend und konsensuell beurteilen ließe, wie das ‚wilde‘ Denken denn nun hinsichtlich eben seiner „Leistung“, eine gewisse Nähe zu dieser speziellen Form der Ordnungsbildung aufzuweisen, zu bewerten ist. Als abhängig erweist sich die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens dann immer noch von der Einstellung desjenigen, der die Durchführung des in ___________ 323

a: Siehe oben, Seite 135. b: Zur Person: Carolus Linnaeus (1707-1778), ab 1762 Carl von Linné (siehe Jahn, Hg. [1982] 31998: 235). Schwedischer Naturforscher, dessen 1758 erschienene 10. Auflage seines Hauptwerkes ‚Systema naturae‘ den Beginn der modernen Klassifikation markiert (siehe Storch / U. Welsch [1976] 51997: XVI). 324 Mit Simpson, nach dem von Lévi-Strauss zitierten Textauszug (vgl. oben, Seite 116). 325 Denn tatsächlich ist damit ein Gebiet betreten, dessen Probleme die unmittelbare Kompetenz jedes Nicht-Biologen übersteigen. – Mit Blick speziell auf Lévi-Strauss wäre insofern dann aber auch ein Eingeständnis, aus dem hervorginge, daß deren Eigendynamik ihn als Ethnologen überfordert (siehe hierzu WD: 161 / PS: 181, außerdem Eribondt: 162 / Eribonfrz: 156), kaum mehr annehmbar. Die unter den gegebenen Umständen allein und füglich verbleibende Frage hätte vielmehr zu lauten, inwieweit LéviStrauss ungeachtet seines professionellen Selbstverständnisses bei der Lösung von schließlich selbstinduzierten (und zum mindesten bidisziplinären) Problemen Kompetenz beweist.

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dieser Absicht unternommenen Vergleichs prüft. In einer grundlegenden Hinsicht aufgeworfen ist damit die Frage nach dem Wissenschaftsverständnis (bzw. nach der Wissenschaftlichkeit von Wissenschaft); die dabei prinzipiell denkbaren unterschiedlichen Standpunkte326 gilt es entsprechend zu explizieren. [Siehe dafür Gliederungspunkt V.2.b)cc) dieses zweiten Kapitels.327]

bb) Das Fallbeispiel ‚Linné‘ (1) Vorverständigung (a) Zweckorientierte Ausrichtung – zweckbedingte Einschränkung. Zum Charakter der Argumentation Die Bedeutung des Linnéschen Ordnungsentwurfs innerhalb der heutigen Biosystematik ist nicht durch eine einfache Charakteristik seiner Merkmale zu ermessen; hinzukommen muß, daß einem diese durch die Angabe von Gründen auch einsichtig werden. Letzteres wiederum setzt Klarheit hinsichtlich der Zielstellung der heutigen Biosystematik (mit der sich automatisch bestimmte Maßstäbe, Probleme und Begriffsfelder verbinden) voraus. Die folgenden Ausführungen, die darauf abgestimmt sind, für die Erfüllung dieser Bedingung zu sorgen, sehen sich dabei insofern einer Schwierigkeit ausgesetzt, als zwar für die Biosystematik ein im wesentlichen einheitliches Strebensziel formuliert werden kann, jedoch im Hinblick auf dessen performative Auslegungsofferten eine gewisse Streuung verzeichnet werden muß.328 Sind die zwischen diesen Angeboten bestehenden Differenzen auf der einen Seite auch so gering, daß sie auf die prinzipielle Einschätzung Linnés ohne Auswirkung bleiben, so scheinen sie auf der anderen Seite doch wiederum groß genug, um den Versuch, die Argumentation an so etwas wie einem gemeinsamen Nenner zu orientieren, mit dem Vorwurf der Einseitigkeit, der Parteilichkeit oder der selektiven Repräsentanz des Forschungsstandes zugunsten einer phylogenetischen Systematik zu belasten. Wenn ich mich nichtsdestoweniger für diesen Versuch entscheide, so allein deshalb, weil die Alternative – nämlich der Versuch, durch eine synoptische Darlegung der relevanten Selbstverständnisse jedem Vertreter bis ins einzelne gerecht zu werden – einen Aufwand erforderlich machte, dem im Rahmen der vorliegenden Arbeit kaum wirklich zu begegnen wäre. ___________ 326 Siehe dazu etwa auch die von Feyerabend vorgebrachte Differenzierung von „Grundeinstellungen zur Tatsache der Vielfalt von Traditionen“ in ders. ([1979] 1980: 140). 327 Unten, Seite 215 ff. 328 Dies – sinngemäß – ist den Ausführungen Storchs / U. Welschs ([1976] 51997: XV f. bzw. XVIII) zu entnehmen.

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Auch daß der mit diesem Versuch erreichte Reflexionsgrad nicht der sein wird, der in der Thematik prinzipiell erreicht sein könnte, ist damit zu rechtfertigen, daß die entsprechenden Erörterungen nicht um ihrer selbst, sondern um eines weiteren Zweckes willen in die Wege geleitet sind. Um gleichwohl sicherzustellen, daß anläßlich dieser Behauptung keine Mißverständnisse entstehen, will ich hinzufügen329, daß Vereinfachung und Unvollständigkeit der Argumentation in diesem Falle nicht schon Verfälschung bedeuten. Die Forderung an den biotheoretisch Versierten, denkbare Maximalansprüche zurückzuschrauben, scheint mir jedenfalls von der Sache her vertret- und mithin persönlich zumutbar.330 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit darf es außerdem legitim erscheinen, die die moderne Biosystematik charakterisierenden terminologischen und thematischen Unschärfen331 zu übernehmen, insofern sie auf die angestrebte Einordnung des Linnéschen Ordnungsentwurfs ohne Auswirkung sind. Was schließlich die Einschätzung Linnés selbst betrifft, so wäre dem potentiellen Einwand entgegenzutreten, die betriebenen Recherchen nicht am sei es aktuellsten, sei es differenziertesten Forschungsstand orientiert zu haben. Als besonderer Hintergrund dieser Vorkehrung gilt mir der in jedem Falle beachtenswerte Forschungsbeitrag Müller-Willes332, der mit einer Reihe von Klischeevorstellungen im Linné-Bild der Forschung aufgeräumt hat (oder zumindest aufgeräumt haben will), aber etwa auch die demgegenüber deutlich älteren Hinweise und Belege Zimmermanns333 und Remanes334. Mein Vorbehalt gegen den mit solchen Publikationen automatisch im Raum stehenden Normanspruch besteht schlicht darin, daß das Urteil über die Vergleichbarkeit „primitiver“ Formen der Ordnungsbildung mit den Ordnungsbestrebungen Linnés – der ursprüngliche Anlaß also in der Sache – sich gerade nicht auf biologiehistoriographisch aktuellste bzw. differenzierteste Erkenntnisse (resp. Argumente) stützt, sondern auf die wissenschaftliche Opinio communis, das heißt auf Erkenntnisse (resp. Argumente), die erst unter Ansetzung gewissermaßen mikrologischer Standards in der einen oder anderen Hinsicht als unzutreffend, verkürzend, vergröbernd etc. charakterisiert werden mögen. Es leitet sich daraus ___________ 329 In analoger Verwendung eines Arguments von Hennig (siehe ders. [Manuskript] 1984: 30). 330 Für an einer Vertiefung der (die phylogenetische Systematik betreffenden) Materie Interessierte sei hier im besonderen verwiesen auf die Arbeit von Langanke (2003). 331 Der damit relevant werdende Terminus lautet: ‚Injunktionen‘. Siehe Sudhaus / Rehfeld (1992: 9 und 50 ff.); außerdem die indirekten Hinweise darauf in Ax (1988: 26, Fußnote 8), Weberling / Stützel (1993: 108 f.) sowie Mayr (1997 / 1998: 202 ff.). 332 Vgl. ders. (1999). 333 Vgl. ders. (1953). 334 Vgl. ders. (1972).

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für den bevorstehenden Arbeitsgang etwas ab, was unter anderen Umständen für selbstverständliches, einzig angesagtes Befremden sorgen müßte: nämlich nicht nur die Berechtigung, sondern geradezu das Erfordernis, die Kennzeichnung Linnés an jenem – sei es nun partiell oder vielleicht auch nur vermeintlich stereotypen – Bild zu orientieren, das den für den Vergleich verantwortlichen Autoren (Thomson resp. Lévi-Strauss335) so oder so ähnlich tatsächlich vor Augen gestanden hat oder zumindest (will heißen: allem Vermuten nach) vor Augen gestanden hätte. Insgesamt dürfte wohlgemerkt auch hier zur Beruhigung beitragen, daß sich das damit einhergehende unverhinderbare, da vorgabenbedingte „Rauschen“ in jenen Grenzen hält, innerhalb derer eine Auswirkung auf das die maßgeblichen Vergleichspunkte betreffende Urteil nicht zu befürchten steht.

(b) Der Zirkel der Konvention. Die terminologische Dezision Eine terminologische Verortung des Linnéschen Ordnungsschemas innerhalb der modernen wissenschaftlichen Biologie scheint im wesentlichen auf zweierlei Weise gegeben: Es kann (und soll hier) als Prototyp einer Form der Ordnungsbildung gelten, für die sich sowohl die Bezeichnung ‚künstliches System‘ als auch die Bezeichnung ‚Klassifikation‘ eingebürgert hat. Zu sehen sind beide Bezeichnungen jeweils im Kontext ihres spezifischen Pendants: Wird der Begriff ‚künstliches System‘ in Gegenstellung zum Begriff ‚Natürliches System‘ verwendet, so der Begriff ‚Klassifikation‘ in Gegenstellung zum Begriff ‚System‘. Beide Begriffspaare sind eingeführt und finden bis in die aktuelle Diskussion hinein Verwendung – je nachdem in Form eines inklusiven Umgangs (Koexistenz der Begriffskopplungen)336 oder eines exklusiven Umgangs (Konkurrenz der Begriffskopplungen). Das Markante an der zuletzt erwähnten Form der Praxis – der dezidierten Festlegung auf ein Begriffspaar bei gleichzeitiger Wendung gegen die Alternative – ist, daß sie in Gestalt eines bestimmten Argumentationsmusters auftritt: Gegen den Einsatz der Bezeichnung ‚Natürliches System‘337 wird der Vorbe___________ 335

Siehe oben, Seite 135. Dem inklusiven Umgang subsumiert werden soll näherhin sowohl der Spezialfall eigenen Alternierens als auch der Spezialfall eigener einseitiger Festlegung bei gleichzeitiger Duldung oppositioneller Festlegungen anderer. 337 a: Einschließlich des entsprechenden Begriffsfeldes, das heißt einschließlich also auch solcher Kennzeichnungen wie ‚natürlich‘, ‚natürliche Gruppierung‘, ‚Natürlichkeit‘ etc. b: Vgl. als Hintergrundinformation an dieser Stelle: Der aristotelische Standpunkt des Essentialismus beispielsweise, unter dem bereits der Anspruch auf die Natürlichkeit klassifikatorischer Gruppenbildungen erhoben wurde (Ax 1984: 41), hat zwar auch in336

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halt formuliert, daß sich darunter historisch gesehen nicht nur nicht immer identische, sondern bisweilen regelrecht gegensätzliche Inhalte verbargen338; gemacht wird diese Reserviertheit zugleich zum Legitimationsgrund, um die Opposition von ‚Natürlichem System‘ und ‚künstlichem System‘ durch die Opposition von ‚System‘ und ‚Klassifikation‘ zu ersetzen.339 – Was ein solches Vorgehen übersieht, ist, daß auch aus der favorisierten Alternative – also dem Begriffspaar ‚System‘ / ‚Klassifikation‘ – keinerlei konnotative Evidenz abgeleitet werden kann. Auch in diesem Falle nämlich sind historische Bedeutungsverschiebungen zweifelsfrei und in nicht unerheblichem Ausmaß zu konstatieren. Wer deshalb in der thematisierten Sache die Wahl der Begrifflichkeit vom Grad der historischen Vorbelastung abhängig machen zu können glaubt, läßt sich de facto nicht nur auf ein müßiges Unterfangen ein, sondern demonstriert auch eine Verkennung der eigentlichen Problemlage. Denn an der Tatsache ist kein Vorbeikommen: Die angeführten Begriffe sprechen allesamt nicht ohne weiteres für sich; es handelt sich bei ihnen zunächst um bloße Etiketten. Zu folgen hat deren Vergabe in jedem Fall – also wie auch immer die Entscheidung ausfallen mag – eine auf die jeweilige Zielstellung bezogene und am heutigen Forschungsstand abgenommene Definition. Die Fragwürdigkeit des Kriteriums historischer Vorbelastetheit macht die insgesamt unumgängliche terminologische Entscheidung selbstverständlich nicht generell schon zu einer Angelegenheit des freien Beliebens. Da im vorliegenden Fall ein übergeordnetes Interesse besteht (nämlich die Bewertung der Lévi-Strauss’schen Argumentation), kann das Festlegungskriterium allein die Wahrung der Kontinuität eines bereits angelaufenen Diskurses sein. Wenn also von mir im Anschluß der Versuch einer Einordnung des Linnéschen Ordnungsmodells unter Verwendung des Begriffspaars ‚System‘ / ‚Klassifikation‘ unternommen wird, so geschieht dies, weil Lévi-Strauss in terminologischer Hinsicht eine dahingehende, wenn auch implizite Vorentscheidung getroffen hat: Seine Argumentation bewegt sich allgemein im Umfeld der Begriffe ‚System‘ und ‚Klassifikation‘.340 Die spezielle Opposition ‚natürlich‘ / ‚künstlich‘, von ‚natürlichen‘ und ‚künstlichen Gruppierungen‘, von ‚Natürlichem System‘ und ‚künstlichen Systemen‘ taucht341 in seinen Texten nicht auf.

___________ nerhalb der heutigen biosystematischen Forschungslandschaft noch Verfechter; sein Einfluß auf den Forschungsfortgang im ganzen indessen fällt so gut wie nicht mehr ins Gewicht. (Siehe dazu Mayr 1969 / 1975: 58 sowie 67 f.) 338 Vgl. für den historischen Sachverhalt Storch / U. Welsch ([1976] 51997: XVIII); außerdem Mayr (1969 / 1975: 58, 60 und 68). 339 Siehe dazu insbesondere Ax (1984: 19 f. bzw. 40 f.). 340 Siehe oben, Gliederungspunkt V.2.a) dieses zweiten Kapitels (Seite 112 ff.). 341 … – soweit ich sehe – …

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Mit den im Zuge dieser Entscheidung erforderlich werdenden Bestimmungen besser als bislang sichtbar werden wird nicht nur der genauere Ort des entsprechenden Lévi-Strauss’schen Begriffsfeldes; sondern ans Tageslicht kommen wird damit zwangsläufig auch, daß das Phänomen begrifflicher Bedeutungsverschiebung in synchroner Perspektive eine ebenso gewichtige Rolle spielt.

(c) Die Ordnungsmodelle ‚System‘ und ‚Klassifikation‘. Thematische Eröffnung und terminologische Vorabklärung Systeme und Klassifikationen (unter letzteres – wie gesagt – fällt auch der Ordnungsentwurf Linnés) sind gleichermaßen Versuche und Optionen, um Komplexität (resp. Chaos342) zu reduzieren und auf diese Weise Orientierung zu ermöglichen. Beide besitzen sie die Funktion der Speicherung und Wiederauffindung von Information. Jedoch erfüllen die beiden Ordnungsmodelle diese Zwecke in jeweils unterschiedlicher Form. Die nachfolgenden, biotheoretischen Explikationen gründen im Bewußtsein dieses innerhalb der Wissenschaft allgemein anerkannten Sachverhalts; gewissermaßen bildet dieser Sachverhalt den ersten Kristallisationspunkt bei der Bewältigung der mit dem LéviStrauss’schen Verweis auf Linné aufgerissenen Probleme. Nicht weniger grundlegend und von daher sinnvoll erscheint es, dem Einstieg in die eigentliche Diskussion noch zwei, sozusagen die Sprachregelung in zweiter Reihe betreffende Bemerkungen voranzustellen. Erstens: Bei der Verwendung der Termini ‚systematisieren‘ bzw. ‚Systematisierung‘ und ‚klassifizieren‘ bzw. ‚Klassifizierung‘ stelle ich fortan ab auf die methodischen Verfahren beim Aufbau der entsprechenden Ordnungsgebilde (also der Ordnungsmodelle ‚System‘ und ‚Klassifikation‘). Zweitens: Der Terminus ‚Systematik‘ nimmt nach dem hier zugrundegelegten Verständnis Bezug auf die Theorie (und umfaßt ebenso die Praxis) beim Aufbau des Ordnungsmodells ‚System‘343.344 ___________ 342

Vgl. hierzu erneut das Simpson-Zitat (oben, Seite 116). Diese Festlegungen konvergieren mit den etwa von Ax (1984) bzw. (1988) oder auch von Sudhaus / Rehfeld (1992) gemachten Definitionsvorschlägen (resp. mit deren sowie anderer Sprachgebrauch). 344 Die Verwendung der Begriffe ‚System‘ und ‚Klassifikation‘ betreffend, sei an dieser Stelle – mit den Mitgliedern des philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf – noch auf eine insgesamt weniger bedeutsame, damit aber nicht schon uninteressante Besonderheit hingewiesen. Auf die Konvention ihrer Verwendung als Begriffspaar abstellend, heißt es dort: „Auf sprachlicher Ebene fällt auf, daß beide Begriffe, wie sie de facto gebraucht werden, nicht korrelativ zueinander gebildet sind. Dem Begriff System entspricht Klasse, dem der Klassifikation Systematifikation […].“ (Dies. 1968: 343

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(2) Die Erarbeitung eines Systems der organischen Natur. Zur Zielstellung der gegenwärtigen Biosystematik unter vergleichender Berücksichtigung der Linnéschen Klassifikation (a) Einstieg Die biosystematische Forschung der Gegenwart sieht ihre Aufgabe nicht nur in einer beschreibenden Bestandsaufnahme der Mannigfaltigkeit der organischen Natur, sondern auch darin, die organische Natur in der Summe ihrer Bestandteile als durchgängigen Ordnungs- bzw. Strukturzusammenhang zu begreifen, eine naturwissenschaftliche Erklärung345 für diesen anzubieten und ihn in einem adäquaten Gefüge – einem System – zum Ausdruck zu bringen.346 ___________ 150; keine Hervorhebungen im Original.) – Gelenkt ist die Aufmerksamkeit damit auf eine doppelte und zugleich wechselseitige Inkonsistenz. Etwas deutlicher noch tritt einem diese vor Augen, werden die betreffenden Aspekte in einem bewußt schematisierenden Duktus ausformuliert. Die adäquate Beschreibung dessen, was auffällt, lautet dann: (Erster Aspekt) Vom linguistischen Standpunkt aus entspricht dem Begriff System der Begriff Klasse, während sich im tatsächlichen Sprachgebrauch der Begriff Klassifikation als Korrelatbegriff zum Begriff System durchgesetzt hat. (Zweiter Aspekt) Vom linguistischen Standpunkt aus entspricht dem Begriff Klassifikation der Begriff Systematifikation, während sich im tatsächlichen Sprachgebrauch der Begriff System als Korrelatbegriff zum Begriff Klassifikation durchgesetzt hat. 345 Also keine metaphysische Erklärung (siehe dazu außer Ax 1988: 161 auch Storch / U. Welsch [1976] 51997: XIX). 346 a: Vgl. zur Verwendung der Begriffe ‚System‘ und ‚Struktur‘: Mit dem Verständnis der modernen Biosystematik konvergiert der für den Systembegriff gemachte Definitionsvorschlag der Mitglieder des Philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf; demnach bezeichnet System „eine Ordnungsform, die ein Elementengesamt in einen Strukturzusammenhang bringt […]“ (dies. 1968: 151). Außerdem ist die Definition des dort nicht näher erläuterten Strukturbegriffs durch beispielsweise G. Klaus (als „die Menge der die Elemente eines Systems miteinander verbindenden Relationen“) ebenso übertragbar wie die zwischen System und Struktur festgestellten Wechselbeziehungen in der Formulierung etwa G. Kröbers („Wo von Struktur die Rede ist, handelt es sich stets um Struktur von Systemen. Und umgekehrt; wo von Systemen die Rede ist, geht es stets um strukturierte Ganzheiten (= Mengen) von Elementen.“). (So jeweils zitiert in Dahlberg 1974: 23.) b: Vgl. zur Verwendung der Begriffe ‚Beschreibung‘ und ‚Erklärung‘: Hennig ([1960] 1982) sieht Anlaß hervorzuheben, daß „Beschreiben und Erklären […] nicht verschiedene Wissenschaften voneinander [scheiden], sondern […] in jeder Wissenschaft und auf jedem ihrer Teilgebiete untrennbar miteinander verflochten [sind], ganz besonders aber […] auf dem Teilgebiet der Biologie, das man als ‚Systematik‘ schlechthin zu bezeichnen pflegt“ (ebd.: 10 f.; keine Hervorhebungen im Original). Den Stellungnahmen Mayrs (1969 / 1975) ist darüber hinaus klar zu entnehmen, daß die aus dem Bedürfnis nach einem (naturwissenschaftlichen) Verständnis der lebenden Natur erwachsende Ursachenfrage es ist, welche die biologische Systematik erst eigentlich wissenschaftlich werden läßt, und also für den Fall, daß ihr Bestreben sich allein auf die beschreibende Registrierung der Organismenvielfalt richten würde, sie für nicht mehr denn als bloße Buchhaltung bzw. Technik zu gelten hätte. (Siehe ebd.: 20, 24 sowie 78.)

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Einigkeit besteht heute zwischen den verschiedenen Schulen, die über weite Strecken nicht leicht voneinander zu unterscheiden sind, da sie auf gemeinsamen Grundanschauungen beruhen und sich auseinander und miteinander entwickelt haben347, hinsichtlich des diesen Strukturzusammenhang begründenden Kriteriums der Verwandtschaft. Dementsprechend ist auch das Ziel der meisten modernen Systematiker im wesentlichen dasselbe: Versucht wird, auf der Basis objektivierbarer, das heißt intersubjektiv prüfbarer Hypothesen ein System zu erarbeiten, dessen Ordnungsstruktur die Verwandtschaftsverhältnisse aller Organismen dieser Erde widerspiegelt.

(b) Charakteristik der Aufbaugesetzlichkeiten Wirklich eingesehen ist diese Zielstellung gleichwohl erst, wo auch klar ist, nach welchen Prinzipien dieses System im einzelnen aufgebaut ist. Der Weg dorthin führt über mehrere Etappen und es empfiehlt sich, mit einer Verständigung über die Vorstellungen, die sich innerhalb der Biosystematik348 mit dem Begriff ‚Verwandtschaft‘ verbinden, zu beginnen. Der Begriff ‚Verwandtschaft‘ ist „von Haus aus ein genetischer Begriff“349; ein Begriff, der insofern eine Äquivokation birgt, als er sich auf grundlegend verschiedene Phänomene erstreckt. Terminologisch wird daher näherhin auch zwischen ontogenetischen, tokogenetischen350 sowie phylogenetischen Beziehungen351 unterschieden. Die folgenden Textabschnitte konzentrieren sich darauf, die Typik dieser Beziehungen nach und nach – und zwangsläufig damit auch ihren Verflechtungscharakter – herauszuarbeiten. Ontogenetische Beziehungen bestehen zwischen den Phänotypen eines Organismus während seiner verschiedenen Lebensabschnitte. Mit Hennig werden ___________ 347 a: Siehe Storch / U. Welsch ([1976] 51997: XVIII); namentlich gilt dies für die jeweils so genannte natürliche Systematik, phylogenetische Systematik und evolutionäre Klassifikation. b: Gewichtige und insgesamt zu einer Schärfung des Problembewußtseins führende Beiträge auf dem Gebiet der biologischen Systematik lieferten im 20. Jahrhundert vor allem Leute wie George Gaylord Simpson, Willi Hennig, Adolf Remane und Ernst Mayr. (Siehe ebd.) 348 Siehe für eine noch allgemeine Annäherung Hennig ([Manuskript] 1984: 19). 349 Hennig ([1960] 1982: 78; keine Hervorhebung im Original). 350 Vgl.: ο τόκος – (nach Gemoll [1908] [91965] 1991) das Gebären, die Geburt; auch: das Geborene, die Nachkommenschaft, die Jungen. 351 So nach dem Sprachgebrauch Hennigs. Wobei die Bezeichnung ‚tokogenetische Beziehungen‘ von ihm synonym gebraucht wird für die auch sehr geläufige Bezeichnung ‚genealogische Beziehungen‘ (welche in gewisser Hinsicht dort angemessener erscheint, wo nicht die bisexuelle Fortpflanzungsweise, sondern die parthenogenetische oder vegetative Vermehrung die Regel ist).

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diese „Momentaufnahmen“ auch als ‚Semaphoronten‘ bezeichnet. Er führt dazu aus: „Wie lang die Zeitspanne praktisch bemessen ist, während der ein Semaphoront als konstante […] Größe exisitiert, darüber können keine allgemeingültigen Angaben gemacht werden. Sie hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der sich seine einzelnen Eigenschaften verändern. Im maximalen Grenzfalle wird sie sich mit der Lebensdauer eines Individuums annäherungsweise decken. In vielen anderen Fällen, namentlich bei Organismen, die metamorphotische352 und cyclomorphotische353 Prozesse durchmachen, wird sie dagegen sehr deutlich kürzer sein.“

Bei den „Individuen des gewöhnlichen Sprachgebrauchs“354 handelt es sich folglich um die durch ontogenetische Beziehungen miteinander zu ‚Semaphorontengruppen‘355 verknüpften Semaphoronten. Das biologische Individuum besteht im Endeffekt also aus der „Gesamtheit seiner Semaphoronten“356 und ist – bei strenger Auslegung einfach aufgrund dessen und entgegen dem, was einem der Begriff suggeriert – bereits als ein Beziehungsgefüge anzusehen. In der Tat handelt es sich dabei nicht um die kleinste, sondern bereits um die nächstgrößere Einheit der lebenden Natur. Organismen sind aber nicht nur Bestandteile eines ontogenetischen Beziehungsgefüges. Über die biologische Tatsache, daß jeder Organismus von anderen Individuen (Vorfahren) herkommt und seinerseits – zumindest prinzipiell – als Erzeuger neuer Individuen (Nachfahren) fungiert, ist zu erschließen, daß ein überindividueller Zusammenhang und mithin so etwas wie überindividuelle Einheiten der lebenden Natur existieren.357 Der tokogenetische Verwandtschaftstypus ist die unmittelbare Ausdrucksform dieser Evidenz. Die ihm subsumierbaren, zentralen Bedeutungsinhalte lassen sich der Reihe nach wie folgt beschreiben: Tokogenetische Beziehungen sind genetische Beziehungen zwischen verschiedenen Individuen. Sie verknüpfen diese in der Generationenfolge durch jene Erscheinung, die man ‚Fortpflanzung‘ nennt und stehen im engeren Sinne für ein Verwandtschaftsgefüge, das die Beziehungen zwischen ‚„Bluts___________ 352 Beispiele hierfür wären aus dem Bereich der Botanik die Metamorphosestadien des Sporophyten der Senfpflanze (Same, Keimling, vegetative, blühende und fruchtende Pflanze), aus dem Bereich der Zoologie die Metamorphosestadien des Hirschkäfers (Ei, Larve, Puppe und Imago). Vgl. dazu sowie zu deren Abbildung Sudhaus / Rehfeld (1992: 19). Siehe außerdem ebd.: 24. 353 Beispiele hierfür wären aus dem Bereich der Botanik das anatolische Johanniskraut, das die im kühlfeuchten Frühjahr gebildeten lanzettlich großflächigen Blätter im Sommer durch schuppenförmige ersetzt, aus dem Bereich der Zoologie die saisonale Umfärbung von Hermelin, Schneehase und Schneehuhn, die im Sommer tarnfarben braun und im Winter tarnfarben weiß sind. (So nach Sudhaus / Rehfeld 1992: 25.) 354 Hennig ([1960] 1982: 36). 355 Ebd. 356 Ebd.: 18. 357 Vgl. Ax (1988: 21).

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verwandten“‘358 zum Ausdruck bringt. Die durch diese Art genetischer Beziehungen miteinander verbundenen Individuen, die jeweils in durchaus distinkten Phänotypen realisiert sein können359, nennt man Fortpflanzungsgemeinschaften oder ‚Arten‘ (bzw. ‚Species‘)360. Reproduktive Isolationsmechanismen verhindern deren Vermischung, also den dauerhaften Genaustausch zwischen ihnen.361 Daher kennzeichnet man Arten (bzw. Species) näherhin auch als geschlossene Fortpflanzungsgemeinschaften.362 Schließlich wird jeder Organismus – der heutigen Auffassungsweise gemäß – in einem nochmals weiteren Verwandtschaftszusammenhang gesehen, in einem Zusammenhang, dessen Strukturbild von dem der tokogenetischen Beziehungen nicht weniger geschieden ist, wie sich das Strukturbild der tokogenetischen Beziehungen von dem der ontogenetischen Beziehungen unterscheidet363. Allerdings ist eine Darstellung dieser dritten (= phylogenetischen) Form des verwandtschaftlichen Konnexes nicht direkt im Anschluß möglich; sie muß über eine Zwischenbetrachtung, die der Integration eines bislang nicht erwähnten Sachverhaltes gilt, vorbereitet werden. Dem tokogenetischen Beziehungstypus entspricht das Phänomen, daß Arten als wechselseitig voneinander abgeschottete Gendiffusionsräume ihre Identität jeweils gegeneinander aufrechterhalten364, womit sie die Existenz von Unterschieden zwischen sich befestigen. Daneben kennt die Biosystematik aber auch das Phänomen genetisch bedingter Gemeinsamkeiten zwischen Arten. Beide Phänomene – Unterschiede wie Gemeinsamkeiten – geben hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit ihrer Koexistenz so lange Rätsel auf, wie die Darstellung der Veränderlichkeit von Organismen in der Zeit sich in der Feststellung erschöpft, daß diese den Prozeß der Individualentwicklung durchlaufen und sich geschlossen fortpflanzen. Dagegen löst sich das vordergründige Paradoxon auf, wenn die bisherige Darstellung um einen bestimmten Aspekt der Zeitdimensioniertheit alles Organischen, genauer gesagt: um die evolutiven Mechanismen, denen das organische Leben unterliegt, erweitert wird. Die unmittelbar nachstehenden Überlegungen intendieren eine Antwort auf die Frage: Welches sind ___________ 358

Ax (1984: 42). Siehe hierzu Sudhaus / Rehfeld (1992: 20 ff.). 360 Im Falle bisexueller Fortpflanzung verfügen Arten im Verhältnis Eltern / Nachkommen nicht nur über eine vertikale Kette des Zusammenhaltes in der Zeit (Phänomen der Kontinuität), sondern im Verhältnis der Paarungspartner auch über eine entsprechend horizontale Verbindung (Phänomen der Kohäsion). (Siehe Ax 1984: 25.) 361 Vgl. Remane (1968: 35) sowie Sudhaus / Rehfeld (1992: 39). 362 Siehe etwa Ax (1984: 30) oder Sudhaus / Rehfeld (1992: 39). 363 Vgl. Hennig ([1960] 1982: 36). 364 Vgl. dazu Wiley in Ax (1984: 24). Vgl. dazu außerdem Sudhaus / Rehfeld (1992: 39): „Entscheidend für den Artstatus ist die Relation zu anderen Fortpflanzungsgemeinschaften.“ 359

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diese Mechanismen und inwiefern trägt deren Berücksichtigung zur Lösung des geschilderten Problems bei? Der Prozeß der Veränderung von Organismen in der Zeit ist der Evolutionstheorie zufolge ein komplexes Geschehen, das zwei verschiedene Erscheinungen umfaßt, die sowohl in ontogenetischen als auch in tokogenetischen Beziehungsgefügen (in Individuen also und in Fortpflanzungsgemeinschaften bzw. Arten) wirksam werden:365 – Evolution impliziert zum einen die Möglichkeit der mutativen Veränderung eines Individuums, dessen Potenz zu vererbbarer Mutation und damit die Möglichkeit der Etablierung evolutiver Neuheiten (= Merkmale) in den sukzedierenden Generationen einer Art. Angesprochen ist damit die anagenetische Manifestationsform des Prozesses der Evolution.366 Sie ist ausschlaggebend für die Entstehung von Unterschieden zwischen Arten, denn Ausbildung evolutiver Neuheiten innerhalb einer Art heißt logischerweise nichts anderes als eben dies: Ausbildung eines Unterschieds gegenüber allen anderen, zeitgleich existierenden Arten. – Evolution impliziert zum anderen aber auch die Möglichkeit der Artspaltung, also die Möglichkeit der Entstehung neuer Arten aus existierenden Arten – ein Vorgang, bei dem die evolutiven Neuheiten einer älteren Art an die Deszendenten weitergereicht werden. Bezug genommen ist damit auf die cladogenetische Manifestationsform des Prozesses der Evolution. Diese ist ausschlaggebend für die Entstehung von Gemeinsamkeiten zwischen Arten, denn mit dem Übergang der von der jeweiligen Stammart evolvierten Neuheiten auf die Folgearten wird aus dem, was ursprünglich einen Unterschied gegenüber allen zeitgleich existierenden Arten markierte, zwangsläufig eine Übereinstimmung zwischen exakt den Arten, die aus dem Spaltungsprozeß hervorgingen. Die Evolutionstheorie (und mit ihr die Konzeption der Art als evolutionärer Art367) löst also das Problem der Vereinbarkeit der Koexistenz von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Arten, indem sie diese – statt sie in wechselseitiger Hermetik zu belassen – ins Verhältnis setzt; und zwar so, daß deren Ursache-Wirkung-Relation erkennbar wird. ___________ 365 Für die direkt folgende, idealtypische Darstellung lehne ich mich vor allem an an Ax (1984: 15, 22 f., 36 und 39) sowie (1988: 15 und 23 f.). 366 Sudhaus / Rehfeld (1992) etwa weisen darauf hin, daß eine sich nicht aufspaltende evolutive Linie stets dieselbe Art bedeutet – unabhängig vom Ausmaß erfolgter genetischer Transformation. (Siehe ebd.: 47.) Siehe dazu außerdem Ax (1988: 28 f.). 367 Siehe ausführlicher zur Thematik Simpson (1961: 152 ff.; ursprünglich); außerdem Ax (1984: 24 ff.), ders. (1988: 25 ff.) sowie Sudhaus / Rehfeld (1992: 46 ff.).

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Die mittels des Evolutionsgedankens bewerkstelligte Integration des Phänomens genetisch bedingter Gemeinsamkeiten zwischen Arten bildet gewissermaßen die Brücke, die es erlaubt, den tokogenetischen mit dem phylogenetischen Verwandtschaftskontext zu verbinden. Denn über die Annahme, daß im Prozeß der Spaltung die von einer bestimmten Art evolvierten Neuheiten an Filialarten weitergegeben und somit auch von diesen geteilt werden, läßt die Evolutionstheorie erschließen, daß das tokogenetische Beziehungsgefüge nicht der einzige überindividuelle Kontext ist, in dem Organismen stehen, sondern daß darüber hinaus noch ein weiterer, wenn auch qualitativ anders beschaffener überindividueller Zusammenhang bzw. mit ihm weitere, wenn auch qualitativ anders beschaffene überindividuelle Einheiten der lebenden Natur existieren. Dieser Rekonstruktion, in der genau also sich das phylogenetische Verwandtschaftsverständnis spiegelt, korrespondieren unmittelbar folgende Bestimmungen: Eine Art, die sich im Prozeß der Spaltung in weitere Arten auflöst und damit zu deren historischer Stammart (zu deren Art-Vorfahr) wird, bildet zusammen mit diesen (mindestens zwei) Folgearten (ihren Art-Nachfahren) eine Abstammungsgemeinschaft. Da dieses Gebilde alle anderen Arten, das heißt all jene Arten, die auf eine andere Stammart zurückzuführen sind, ausschließt, kennzeichnet man es näherhin auch als geschlossene Abstammungsgemeinschaft (= Monophylum).368 Konstituiert wird dieses phylogenetische Beziehungsgefüge durch diejenigen Merkmale, die von der Stammart im Verlauf ihrer erdgeschichtlichen Existenz (also bis zum Zeitpunkt ihrer Spaltung) als evolutive Neuheiten erworben wurden.369 Daher spricht man von evolutiven Neuheiten auch als von konstitutiven Merkmalen.370 Allerdings ist mit dieser Charakteristik der phylogenetische Verwandtschaftstypus auch erst zu einem Teil beschrieben. Hierzu überlege man sich, daß die Prozesse der Anagenese371 und der Cladogenese seit Beginn des organischen Lebens auf dieser Erde unzählige Male nach- und nebeneinander stattgefunden haben (und den Naturgesetzen gemäß auch weiterhin stattfinden bzw. stattfinden werden); und zwar dergestalt ___________ 368

Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 104). Vgl. Ax (1984: 15). 370 Vgl. Ax (1984: 157) sowie Sudhaus / Rehfeld (1992: 127 f.). 371 Es sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß der Begriff Anagenese den Prozeß des evolutionären Wandels in Linien in einem umfassenden Sinne definiert. Nur partiell abgedeckt wird das Bedeutungsfeld dieses Prozesses durch den betonten Neuerwerb von Merkmalen. Ebenso mit ins Kalkül gezogen werden muß daneben noch die Möglichkeit der Umbildung sowie die Möglichkeit der Rückbildung (also Reduktion) übernommener Merkmale, was wiederum als Hinweis darauf zu werten ist, daß anagenetische Transformationen nicht in der Etymologie verpflichteter und damit naiver Weise mit „Höherentwicklung“ gleichzusetzen sind. (Siehe dafür Sudhaus / Rehfeld 1992: 102 und 108, Beispiel; außerdem Ax 1984: 39.) 369

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– (erstens), daß die von einer bestimmten Stammart erworbenen evolutiven Neuheiten im Prozeß ihrer Spaltung nicht nur an die unmittelbar folgenden Arten weitergereicht wurden bzw. werden, sondern im Zuge einer Aufspaltung auch dieser Folgearten als logischerweise dann schon ehemalige evolutive Neuheiten (sprich: „Altmerkmale“ bzw. ‚ancestrale‘372 Merkmale) an einen wiederum neuen Satz von Deszendenten übergingen bzw. übergehen (usf.);373 aber auch dergestalt – (zweitens), daß Folgearten, die von ihrer Stammart evolvierte Neuheiten übernommen haben, ihrerseits Neuheiten evolvierten bzw. evolvieren, was sie im Prozeß ihrer eigenen Spaltung dann wiederum zur Stammart für die aus diesem Spaltungsprozeß hervorgehenden Arten gemacht hat bzw. macht. Die damit gegenüber der Erstbetrachtung zu verzeichnende Diversifizierung der Phänomene führt nicht nur zur Relativierung der Begriffe Stammart (die Stammart von „heute“ war „gestern“ noch Folgeart), Folgeart (die Folgeart von „heute“ ist potentielle Stammart von „morgen“) und evolutive Neuheit (die „heutige“ evolutive Neuheit ist potentiell „klassisches“ Merkmal von „morgen“)374. Sie signalisiert auch einen mehrfachen Präzisierungsbedarf hinsichtlich des Kompositums ‚geschlossene Abstammungsgemeinschaft‘. Präzisierung 1: Wenn es sich so verhält, daß die von einer bestimmten Art zu einem bestimmten Zeitpunkt evolvierten Neuheiten zunächst im Prozeß der Spaltung dieser Art auf die Folgearten übergehen und damit eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft begründen, diese vormaligen Neuheiten (= für diese Abstammungsgemeinschaft konstitutiven Merkmale) aber auch die „Schaltstellen“ sukzedierender Artspaltungen fortwährend „passieren“, sodaß deren Übergang auf Folgearten ein iteratives Geschehen ausdrückt, dann läßt sich allgemein behaupten: Eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft ist eine Gruppe von Arten, die alle Folgearten einer einzigen, nur ihnen gemeinsamen Stammart ___________ 372

Vgl. Mayr (1969 / 1975: 195). Vgl. dazu nebeneinander Ax (1984: 15) sowie Sudhaus / Rehfeld (1992: 109). 374 Zur Information: Im Fachjargon nennt man jede evolutive Neuheit einer Stammart abgeleitetes Merkmal (da ihm – als evolutiver Neuheit – etwas vorausgegangen sein muß) bzw. ‚apomorphes‘ Merkmal oder kurz: ‚Apomorphie‘. (Insofern es sich bei diesem abgeleiteten Merkmal um ein Eigen- bzw. Spezialmerkmal handelt, das heißt um ein Merkmal, das nur in der betreffenden Gruppe zu finden ist, spricht man auch von einer ‚Autapomorphie‘.) Daß die Folgearten dieser Stammart mit der Übernahme dieser evolutiven Neuheit bereits ein „altes“ Merkmal teilen, schlägt sich nieder in den Bezeichnungen ursprüngliches (da nunmehr – verglichen zur historisch nächsten evolutiven Neuheit – dem hypothetisierten Ausgangszustand näher stehendes) Merkmal bzw. ‚plesiomorphes‘ Merkmal oder kurz: ‚Plesiomorphie‘. (Siehe dazu, zum Problem des Erkennens der „Evolutionsrichtung“ bzw. der „Lesrichtung“ für Merkmalsalternativen sowie zur Relativität der Begriffe ‚apomorph‘ und ‚plesiomorph‘ vor allem Sudhaus / Rehfeld 1992: 105 f. und 108 f., auch noch 127 f.; vgl. außerdem Mayr 1969 / 1975: 195.) 373

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(einschließlich dieser selbst) umfaßt375; wobei alle Folgearten eben heißt: die unmittelbaren Folgearten inklusive der aus deren und weiterer Folgearten Spaltung hervorgehenden Arten. Eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft vermag auf diese Weise hinsichtlich ihres Umfangs beständig anzuwachsen376 (schließt man den Fall summarischer Extinktion der jüngsten Arten aus377). Präzisierung 2: Wenn es sich außerdem so verhält, daß im Verlauf der Evolution fortlaufend und zu beliebigen Zeitpunkten Neuheiten evolvieren und im Prozeß der Artspaltung weitergetragen werden, dann bedeutet dies nicht nur, daß fortlaufend und zu beliebigen Zeitpunkten neue geschlossene Abstammungsgemeinschaften entstehen, sondern dann bedeutet dies auch, daß geschlossene Abstammungsgemeinschaften unterschiedlichen erdgeschichtlichen Alters und ergo unterschiedlichen Umfangs existieren. Präzisierung 3: Wenn es sich schließlich so verhält, daß im Verlauf der Evolution die Evolvierung und Weitergabe „neuer“ Merkmale mit der Übernahme „alter“ Merkmale Hand in Hand geht, dann verfügt jede geschlossene Abstammungsgemeinschaft stets über ein zusammengesetztes Grundmuster von Merkmalen, konkreter gesagt: über ein Merkmalsgrundmuster, das eine Kombination darstellt aus den in der Stammlinie der jeweiligen Abstammungsgemeinschaft evolvierten Neuheiten und all jenen Merkmalen, die von erdgeschichtlich älteren Stammarten übernommen wurden.378 Diese Kombination entspricht immer dem Merkmalsmuster einer ganz bestimmten evolutionären Art.379 Jede Abstammungsgemein___________ 375

Vgl. Ax (1988: 37). Vgl. ebd.: 36. 377 Vgl. dazu Ax (1984: 23) bzw. (1988: 38). 378 Das korrelativ gebundene Auftreten von Merkmalen entspricht weitgehend dem, was in der Literatur bisweilen unter den Begriffen ‚Bauplan‘ oder ‚Typus‘ verhandelt wird. – Wissenschaftshistorisch gesehen, ist die Erkenntnis, daß bestimmten Organismengruppen ein spezifischer, einheitlicher Bauplan oder Typus zugrundeliegt, mit der sogenannten idealistischen Morphologie bzw. mit Namen wie Cuvier (1769-1832), Goethe (1749-1832) und anderen zu verbinden (siehe hierzu Weberling / Stützel 1993: 18 f.; außerdem Mayr (1988 / 1991: 328). Da eine naturwissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens zur damaligen Zeit noch nicht möglich war, erstaunt es nicht, daß die idealistische Morphologie einen geistigen Hintergrund aufzubauen versuchte, wie er für analoge Erscheinungen auf geisteswissenschaftlichem Gebiet (in der Stillehre, der vergleichenden Sprachforschung etc.) bereits gegeben war (siehe Remane [1952] [21956] 1971: 25). Im Hinblick auf das Verhältnis von Ursache und Wirkung soll damit gesagt sein, daß „der Gedanke des Typus […] sich folgerichtig und notwendigerweise auf Grund der festgestellten Korrelationen und Konnexionen […] entwickelte, und [also; H.M.S.] nicht einem direkten Hineintragen einer geistigen Betrachtung im Sinne der Ideenlehre Platons seine Entstehung verdankt“ (ebd.: 24). (Ähnlich wollen Sudhaus / Rehfeld 1992 hervorgehoben haben, daß es festgestellte Korrelationen waren, zu denen dann erst eine Entsprechung in platonischem Gedankengut sich fand; siehe ebd.: 127.) 379 Siehe Ax (1988: 100). Ausführlich zur Relation zwischen den Merkmalsmustern evolutionärer Stammarten und den Grundmustern der aus ihnen hervorgehenden bzw. hervorgegangenen Abstammungsgemeinschaften siehe Ax (1984: 156). 376

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schaft (bzw. jede Art) weist sich also aus durch ein ‚mosaikartiges Nebeneinander‘380 von Merkmalen erdgeschichtlich unterschiedlichen Alters381.382 Bezüglich ihres jeweiligen Merkmalsgefüges erscheint jede dieser überindividuellen Einheiten gewissermaßen als eine relativ maximale (vorläufige), spezifische (einmalige) und prädisponierte (nicht aleatorische) Summe in der laufenden Geschichte der Entwicklung der organischen Natur.383 Ontogenetische Beziehungen waren definiert worden als genetische Beziehungen zwischen verschiedenen Semaphoronten, tokogenetische Beziehungen als genetische Beziehungen zwischen verschiedenen Individuen. Formuliert man für den phylogenetischen Verwandtschaftstypus analog, dann lautet die Definition: Phylogenetische Beziehungen sind genetische Beziehungen zwischen verschiedenen Arten. Vor dem Hintergrund des inzwischen erlangten Diversifizierungsgrades allerdings könnte die zuletzt genannte Bestimmung nicht wirklich genügen; vielmehr fordert der Argumentationsstand für diesen Fall noch eine genauere Spezifikation. Die entsprechende Präzisierung lautet: Der phylogenetische Beziehungsmodus rekurriert zum einen auf genetische Beziehungen zwischen den Arten einer geschlossenen Abstammungsgemeinschaft384; zum anderen auf genetische Beziehungen zwischen verschiedenen geschlossenen Abstammungsgemeinschaften385, das heißt auf genetische Beziehungen zwischen Artengruppen, die ihrerseits durch Aufspaltung einer wiederum nur ihnen gemeinsamen Stammart (eines wiederum nur ihnen gemeinsamen historischen Art-Vorfahren) entstanden sind. Spätestens mit dieser Explizitmachung aber stellt sich – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Systematisierung – dann auch die Frage nach der Koordination bzw. Integration der unter dem phylogenetischen Verwandtschaftstypus beschriebenen Phänomene. Beschlossen liegt die entsprechende Antwort im Rückgang auf die Prozesse der Anagenese und der Cladogenese: Diese schaffen durch ihr Wirken eine hierarchische, ge___________ 380

Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 109). Mit anderen Worten: Sie umfaßt sowohl Apomorphien (Autapomorphien) als auch Plesiomorphien (siehe Sudhaus / Rehfeld 1992: 109 und 127). (Siehe hierzu auch nochmals Seite 186, Fußnote 374.) 382 Zur Kennzeichnung dieses Epiphänomens anagenetischer und cladogenetischer Prozesse wurde in der Biosystematik der Terminus ‚Heterobathmie‘ geprägt. (Siehe Ax 1984: 119; Sudhaus / Rehfeld 1992: 109 und 127; Weberling / Stützel 1993: 65 und 197.) 383 Eine phänomenologische Spielart der Interpretation dieser Summe darf man in Nietzsches Freisetzung des Gedächtnisbegriffs aus exklusiv bewußtseinstheoretischen (und damit anthropologischen) Kontexten erkennen. Vgl. dazu Nietzsche (Nachgelassene Fragmente / 1869-1874: 470): „[…] Gedächtniß muß […] eine Ureigenschaft der Dinge (sein).“ (Siehe außerdem ebd.: 469.) 384 Vgl. Ax (1984: 42). 385 Vgl. ebd. 381

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nauer gesagt: eine ‚enkaptisch gradierte‘386 Ordnung.387 Interpretiert man diese Ordnungsstruktur in einer dem Evolutionsverlauf entgegengesetzten Richtung, so erscheinen die erdgeschichtlich jüngeren Abstammungsgemeinschaften stets als Bestandteile erdgeschichtlich älterer, zugleich umfassenderer und weniger zahlreicher Abstammungsgemeinschaften; der Vorgang fortgesetzter Rückführung bedingt also gewissermaßen die Bildung von Abstammungsgemeinschaften immer höherer Ordnung. Interpretiert man dieselbe Ordnungsstruktur dagegen in Evolutionsrichtung, so erscheinen die erdgeschichtlich älteren Abstammungsgemeinschaften stets als Gebilde, die erdgeschichtlich jüngere, zugleich weniger umfassende, aber dafür zahlreichere Abstammungsgemeinschaften umschließen. Die Stellung der verschiedenen Abstammungsgemeinschaften zueinander läßt sich folglich je nachdem als Koordinations- (bei Gleichrangigkeit), Subordinations- oder Superordinationsverhältnis zu beschreiben.388 Eine Veranschaulichung der dem phylogenetischen Verwandtschaftstypus subsumierbaren Probleme, Lösungen und Implikationen bietet sich anhand eines von Ax gegebenen Beispiels, das ich aufgrund seines vorzüglichen didaktischen Werts unmodifiziert übernehmen will; die Ausführung lautet: „Warum haben Tiere wie Trampeltier und Maulwurf, Spitzmaus und Elefant trotz extremer Divergenz in Erscheinung und Lebensweise bestimmte Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Haarkleid und die Milchdrüsen? Weil diese Übereinstimmungen das Ergebnis folgender Prozesse in der Erdgeschichte sind: – Eine einmalige Entstehung von Haaren und Milchdrüsen als evolutive Neuheiten innerhalb von überindividuellen Einheiten vierfüßiger Wirbeltiere mit dem Charakter von Arten. Das also ist erst einmal die evolutive Herausbildung von Unterschieden im Vergleich zu allen übrigen koexistierenden Tieren. – Die Genese einer ganz bestimmten Art, in deren Merkmalsmuster das Haarkleid und die Milchdrüsen miteinander korreliert auftraten. – Die Spaltung dieser Art in zwei räumlich separierte Teilpopulationen, zwischen deren Individuen keine Paarungen stattfanden und zwischen denen sich in der Zeit reproduktive Unverträglichkeiten entwickelten. Damit existierten erstmalig in der Erdgeschichte zwei Arten mit den Übereinstimmungen ‚Haare‘ und ‚Milchdrüsen‘. – Die Auflösung dieser beiden reproduktiv isolierten Einheiten in weiteren Speziationsprozessen, deren fortlaufende Wiederholung über zahlreiche, inzwischen aus-

___________ 386 Vgl. dazu Troll / Meister (1952: 115): Enkapsis – Einschachtelung; Gradation – Stufung. 387 Zu ihrer graphischen Darstellung verwendet die Biosystematik das Stammbaumschema. 388 a: Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 11). b: Formulierungen wie ‚Bestandteil sein‘ bzw. ‚umschließen‘, aber auch Termini wie Enkapsis, Gradation, Hierarchie, Koordination (bzw. Gleichrangigkeit), Subordination und Superordination sind hinsichtlich ihres Bedeutungsgehaltes sämtlich gekoppelt an jeweils vollzogene, einseitig gerichtete Übernahmen bzw. Weitergaben von Merkmalen. Insofern handelt es sich dabei selbstverständlich um deskriptive Begriffe.

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gestorbene Einheiten hinweg zur Genese der etwa 4000 Säugetier-Arten führte, die unsere Erde heute bevölkern. Das also ist unsere Antwort. 4000 rezente Tiere haben deshalb Haare und Milchdrüsen gemeinsam (und unterscheiden sich darin von allen übrigen Lebewesen), weil sie alle die Nachkommen einer einzigen überindividuellen Einheit der Natur sind, in deren Merkmalsmosaik das Haarkleid und die Milchdrüsen als evolutive Neuheiten realisiert waren. Trampeltier und Maulwurf, Spitzmaus und Elefant sind 4 von ihnen; als Arten bilden sie Teile einer geschlossenen Abstammungsgemeinschaft der Natur, die den Eigennamen Mammalia (Säugetiere) trägt.“389 Anzumerken (nicht zu kritisieren!) bleibt, daß diese Ausführung die Phylogenese der vier genannten Arten in einer fragmentarischen Form wiedergibt. Zum einen selegiert Ax mit den genannten Merkmalen nur einmal zwei der insgesamt über sechzig für die Abstammungsgemeinschaft der Mammalia konstitutiven Merkmale, welche in deren Stammlinie über einen Zeitraum von mehr als 150 Millionen Jahren evolviert wurden.390 Zum anderen sind die vier genannten Arten nicht nur Teil der Abstammungsgemeinschaft ‚Mammalia‘; jede von ihnen gehört vielmehr – wie die folgende Tafel zeigt – in eine ganze Serie von Abstammungsgemeinschaften zunehmenden Alters und damit zunehmender Superordination: Trampeltier

Maulwurf

Spitzmaus

Elefant

Camelidae

Talpidae

Soricidae

Elephantidae

Artiodactyla

Insectivora

Insectivora

Proboscidea

Mammalia Vertebrata Chordata Metazoa Eukaryonta

Mammalia Vertebrata Chordata Metazoa Eukaryonta

Mammalia Vertebrata Chordata Metazoa Eukaryonta

Mammalia Vertebrata Chordata Metazoa Eukaryonta

Generell und selbstredend ist eine solche Serie für zwei oder mehr Arten stets bis zu ihrer erdgeschichtlich spätesten gemeinsamen Stammart identisch. Aus diesem Grunde teilen Trampeltier, Maulwurf, Spitzmaus und Elefant nicht nur die genannten, eben für die Abstammungsgemeinschaft der Mammalia konstitutiven Merkmale (Haarkleid, Milchdrüsen); sie teilen darüber hinaus erdgeschichtlich früher evolvierte Merkmale, Merkmale „sukzessiv zunehmenden Alters, welche von den Schritt um Schritt weiter zurückliegenden Stammarten größerer, sie einschließender Abstammungsgemeinschaften übernommen wurden“391. Es sind dies – in (makro)chronologischer Reihenfolge – Merkmale der Abstammungsgemeinschaften Vertebrata (z. B. paarige Linsenaugen und Knochenskelett392), Chordata (z. B. Chorda dorsalis und Neuralrohr393), Metazoa (z. B. Spermien394) und Eukaryonta (z. B. Zellkern, Chromosomen, Mitochondrien, die Mechanis-

___________ 389 390 391 392 393 394

Ax (1988: 24 f.; keine Hervorhebungen im Original). Vgl. Ax (1988: 101); siehe außerdem ders. (1984: 55, 96 ff. und 157 f.). Ax (1988: 101). Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Ax (1984: 158).

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men der Mitose und Meiose395; Merkmale mit anderen Worten, die alle ‚Pflanzen‘ und ‚Tiere‘ – als eben ‚auch Eukaryonta‘ – teilen). Macht man stattdessen nur Maulwurf und Spitzmaus zur Vergleichsgruppe, so ist als deren letzte gemeinsame Stammart nicht die Stammart der Mammalia, sondern die der Gegenwart vergleichsweise näher liegende Stammart der Insectivora396 zu benennen. Für Maulwurf und Spitzmaus wirkt sich dies im Vorhandensein weiterer gemeinschaftsspezifischer Merkmale aus. Der Grad der phylogenetischen Verwandtschaft zwischen diesen beiden Arten ist dementsprechend auch enger als zwischen jeder dieser beiden und einer der beiden verbleibenden Arten (Trampeltier und Elephant). Der dem phylogenetischen Verwandtschaftstypus entsprechenden Ordnungsstruktur ist darüber hinaus zu entnehmen, daß eine durchaus beliebige Kombination von Arten – nicht also nur die der genannten vier – sich auf eine gemeinsame Stammart zurückführen läßt, sofern man in der Stammesgeschichte der Organismen nur weit genug zurückgeht.

Wie an den bisherigen Ausführungen abgelesen werden kann, hat die Biosystematik ihre theoretische Basis in der Annahme einer kontinuierlichen Veränderung von Organismen in der Zeit, in der Annahme eines Prozesses mit anderen Worten, für den die Manifestationsformen der Metamorphose (exemplarisch397), der Fortpflanzung, der Mutation und der Artspaltung angenommen werden. Der Annahme entspricht, daß jeder Organismus gleichermaßen als Bestandteil eines ontogenetischen Beziehungsgefüges, eines tokogenetischen Beziehungsgefüges und mehrerer phylogenetischer Beziehungsgefüge bzw. als Glied eines Individualzyklus, einer Fortpflanzungsgemeinschaft und mehrerer Abstammungsgemeinschaften begriffen wird. Der Annahme entspricht ferner, daß der ontogenetische und der tokogenetische Verwandtschaftstypus jeweils nur bestimmte Organismen (Semaphoronten) in einen Strukturzusammenhang bringt, während erst und eigentlich unter Einbeziehung einer phylogenetischen Verwandtschaftskonzeption, indem diese einen gemeinsamen Ausgangspunkt in ferner Vergangenheit hypothetisiert, die Natur zu jenem Beziehungsgefüge wird, das alle Organismen (Semaphoronten) miteinander in Verbindung bringt. Der Annahme entspricht schließlich noch ein weiterer Sachverhalt, insofern die zuletzt genannte Konzeption nicht nur auf die Bahn der Erkenntnis führt, daß genetische Beziehungen zwischen sämtlichen Organismen (Semaphoronten) bestehen: Die phylogenetische Verwandtschaftskonzeption repräsentiert dar___________ 395

Vgl. Ax (1988: 36). Siehe dafür Starck (1995: 370 ff.). 397 Denn im allgemeinen pflegt man „überhaupt nur dann von Metamorphose […] zu sprechen, wenn die Unterschiede [zwischen den Semaphoronten eines Individualzyklus; H.M.S.] verhältnismäßig groß sind und wenn die Dauer einer relativen Konstanz der Merkmale merklich größer ist als die Periode ihrer Umwandlung“ (Hennig [1960] 1982: 40). [Vgl. an dieser Stelle außerdem Zimmermann (1953: 281 f.): Die Metamorphose „ist unmittelbar ein ontogenetischer Prozeß. Mit der phylogenetischen Entwicklung ist sie lediglich dadurch verknüpft, daß die Verschiedenheit der Metamorphosenstadien (z. B. der Unterschied zwischen Raupe und Schmetterling) erst im Laufe der Phylogenie entstanden ist“.] 396

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über hinaus auch noch jene Perspektive, welche die entsprechenden Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede kausal interpretiert (also erklärt).398 Erst und eigentlich die phylogenetische Perspektive also ist es, die ein Ordnungsgefüge entstehen läßt, welches die Gründe für die Gliederung des Naturganzen offenlegt. Von daher offenbart sich die Abstammmungslehre als das eigentliche ‚Principium divisionis‘399 der biologischen Systematik. Im Ergebnis enthält diese Komprimierung der zurückliegenden Textabschnitte die Antworten auf unter anderem folgende Fragen: Wie präzisiert die Biosystematik den Verwandtschaftsbegriff? Von welcher prinzipiellen Beschaffenheit sind die entsprechenden verwandtschaftlichen Beziehungen? Und: Welches jeweils sind die prinzipiellen Einheiten der lebenden Natur, deren Konstituierung mit der Feststellung des Vorhandenseins verwandtschaftlicher Beziehungen in einem Reziprozitätsverhältnis steht? Ein zureichendes Verständnis biosystematischer Forschung aber ist mit der Fähigkeit zum Umgang mit solchen Fragen noch nicht entwickelt. Es setzt auch eine Verständigung über die methodischen Probleme, die beim Systemaufbau begegnen, sowie über die Lösung, der die Biosystematik diese zuführt, voraus. Die in dieser weiteren Hinsicht einschlägigen Fragen lauten: Inwiefern ist die Aufdeckung der Existenz verwandtschaftlicher Beziehungsgefüge mit der Bildung von Systemeinheiten nicht geradezu identisch? Durch welchen methodischen Schritt gelangt die Biosystematik von verwandtschaftlichen Beziehungsgefügen zu entsprechenden Systemeinheiten und wie legitimiert sie diesen? Und nicht zuletzt: Wie überhaupt werden die in der lebenden Natur vorhandenen verwandtschaftlichen Beziehungsgefüge, auf deren Existenz der Aufbau des Systems basiert, identifiziert? Die anschließende Argumentation sieht sich (unterstützt durch die als solche ausgewiesenen Schemata in den Appendices400) als Versuch, speziell den zuletzt formulierten Fragen gerecht zu werden.

(c) Methodische Probleme Innerhalb der Biosystematik wird wie gesagt – bis dahin hatte die vorauslaufende Argumentation gebracht – jeder Organismus gleichermaßen als Bestandteil eines ontogenetischen Beziehungsgefüges, eines tokogenetischen Beziehungsgefüges und mehrerer phylogenetischer Beziehungsgefüge bzw. als Glied eines Individualzyklus, einer Fortpflanzungsgemeinschaft und mehrerer Abstammungsgemeinschaften begriffen. Tatsache aber ist nun: An die diese Ver___________ 398 399

Siehe zur allgemeinen Grundlegung in diesem Kontext Dingler (1943). Vgl. Ax (1984: 13) sowie (1988: 6). Siehe außerdem Sudhaus / Rehfeld (1992:

135). 400

Siehe dort: Gliederungspunkt II. (bzw. Seite 450 ff.).

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hältnisse verkörpernden, faktisch existierenden Einheiten der lebenden Natur kommt der Biosystematiker nur bedingt heran. Daß dem so ist, das heißt, daß ihm diese Einheiten sozusagen nicht zum Nennwert verfügbar sind, hat seinen Grund darin, daß die Zahl der untersuchten Exemplare nicht identisch ist (und schlechterdings nicht sein kann401) mit der Gesamtzahl der existierenden bzw. jemals existiert habenden Lebewesen. Auf das daran sichtbar werdende prinzipielle Problem empirischer Forschung – das Problem der Diskrepanz zwischen den Gegebenheiten der Praxis (einer notgedrungenen Stichprobenbindung) und den Ansprüchen der Theorie (in diesem Falle: ein System zu erarbeiten, das die ‚hologenetische‘402 Phänomenalität der Natur in ihrer Gesamtheit bewältigt) – antwortet die biologische Systematik methodisch mit der Hypothetisierung sogenannter ‚Verallgemeinerungseinheiten‘403; zu verstehen sind darunter systematische Bezugsgrößen, für deren Angehörige die Geltung bestimmter, an Exemplaren bzw. an für repräsentativ gehaltenen Stichproben von Populationen festgestellter Gesetzmäßigkeiten angenommen wird. Methodisch arbeitet die Biosystematik folglich weniger mit raum-zeitlichen Phänomenen (Einheiten der lebenden Natur), als vielmehr mit deren Äquivalenten (Systemeinheiten); im einzelnen heißt das: nicht also mit Organismen (Semaphoronten) als Exemplaren, sondern mit Organismen (Semaphoronten) als Elementen; nicht also mit Organismen (Individuen) als Exemplaren, sondern mit Organismen (Individuen) als Elementeverbindungen; nicht also mit Fortpflanzungsgemeinschaften (Arten bzw. Species), Abstammungsgemeinschaften (Gruppen von Arten bzw. Species) und Gruppen von Abstammungsgemeinschaften, sondern mit Taxa404. Die Rechtfertigung für ein solches Vorgehen kommt von methodologischer Seite: Die konstituierten Systemeinheiten beruhen auf Wahrscheinlichkeitsaussagen über Verwandtschaftsverhältnisse, die sich in einem an der Erfahrung orientierten Prüfungsverfahren ständig zu bewähren haben. Sie stehen in dem Sinne zur Disposition, als sich die Wahrscheinlichkeit des Zutreffens konkurrierender Verwandtschaftshypothesen durch die fortlaufenden Forschungsergebnisse entweder erhöht oder vermindert.405 Das System der organischen Natur kann von daher auch niemals „fertig“ werden406; sein Ausbau gehört vielmehr zu den bleibenden Herausforderungen biologischer Forschung. ___________ 401 Man führe sich dies etwa vor Augen am Beispiel der Myriaden der den Globus bevölkernden Insekten. 402 Zurück geht dieser Begriff auf Zimmermann (1953); siehe ebd.: 6. (Siehe dazu außerdem Hennig [1960] 1982: 36.) 403 Siehe zum Begriff Remane ([1952] [21956] 1971: 3), Sudhaus / Rehfeld (1992: 10 f.) sowie Weberling / Stützel (1993: 12). 404 Taxon ist der eingeführte Begriff für sämtliche überindividuellen Systemeinheiten. (Vgl. Ax 1988: 22.) 405 Vgl. dafür Ax (1984: 58 f.). 406 Vgl. hierzu auch Baron (1968: 22); außerdem M. Hartmann ([1948] 21959: 132).

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Die Verfügbarkeit der Einheiten der lebenden Natur ist aber nicht nur über das Kriterium der Zahl gebrochen; gebrochen ist sie auch über den Sachverhalt, daß die faktisch ablaufenden bzw. abgelaufenen Prozesse der Veränderung von Organismen, die die Konstituierung von Systemeinheiten logisch fordern, der Biosystematik primär nicht gegeben sind. Was ihr primär gegeben ist, ist allein der Organismus als Exemplar und Merkmalsträger407 bzw. unmittelbar damit die Möglichkeit der Beobachtung von Exemplaren, der Merkmalserhebung408 an Exemplaren und des Vergleichs von Exemplaren. Ist mit der Differenzierung zwischen primär nicht Gegebenem und primär Gegebenem409 dem Umstand Rechnung getragen, daß der ontogenetische Zusammenhang zwischen Semaphoronten, der tokogenetische Zusammenhang zwischen Individuen und der phylogenetische Zusammenhang zwischen Arten und Artengruppen sämtlich der nachträglichen Feststellung410 bedürfen, so mit der Differenzierung des primär Gegebenen dem Umstand, daß beim Vorgang nachträglicher Feststellung entsprechender Zusammenhänge jeweils nicht nach einem einheitlichen Muster verfahren werden kann. – Inwiefern nun genau das Vorhandensein verwandtschaftlicher Beziehungen der nachträglichen Feststellung bedarf und inwiefern nun genau auch sich ontogenetische und tokogenetische Beziehungen einerseits (1) sowie phylogenetische Beziehungen andererseits (2) hinsichtlich besagten Vorgangs in bedeutsamer Weise voneinander unterscheiden, läßt sich am besten verdeutlichen durch einen Blick auf die relevanten Problemlagen, mit denen der Systematiker bei der praktischen Arbeit konfrontiert ist (einschließlich der Möglichkeiten bzw. Erfordernisse im Umgang mit denselben). Ad (1): (Problem 1:) Daß innerhalb eines Individualzyklus äußerlich sehr unterschiedliche Semaphoronten und innerhalb einer Fortpflanzungsgemeinschaft äußerlich sehr unterschiedliche Individuen auftreten können, kommt – wie schon der Laie weiß – vor und zeigt, daß deren jeweilige Zusammengehörigkeit via morphologischen Merkmalsvergleich411 nicht zuverlässig zu erschließen ist. Im Gegenteil: Entsprechende Merkmalsvergleiche führen in diesen Fällen nicht selten zur Bildung invalider Systemeinheiten.412 (Problem 2:) ___________ 407

Nichts anderes heißt ‚Semaphoront‘. (Siehe hier auch Endnote 2 auf Seite 453 der Appendices.) 408 Sudhaus / Rehfeld (1992) unterscheiden die Forschungsgebiete Morphologie (Eidonomie: äußere Gestalt; Anatomie: innere Gestalt), Embryologie, Physiologie und Ethologie als jene Bereiche, aus denen sich Merkmale rekrutieren können. (Siehe ebd.: 21.) 409 Vgl. hierzu auch Hennig ([1960] 1982: 37). 410 Vgl. ebd. 411 Gemeint ist hier der Vergleich von für das bloße Auge sichtbaren äußeren Gestalten. 412 Zwei Beispiele seien dafür angeführt (das erste aus dem Bereich der Insekten, das zweite aus dem Bereich der Vögel). Veranschaulichung 1: Individuen mit vollständiger Metamorphose entwickeln jeweils völlig verschiedene Merkmalsgarnituren für

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Ebenso wie äußerlich sehr unterschiedliche Semaphoronten bzw. Individuen veranlassen können, daß zu viele Arten unterschieden werden, unterläuft auch der umgekehrte Fall, daß nämlich die Forschung aufgrund äußerlich sehr ähnlicher Semaphoronten bzw. Individuen zu wenige Arten beschreibt.413 Damit ist insbesondere dann zu rechnen, wenn Gattungen mit zwei, drei oder mehr einander äußerlich sehr ähnlichen bzw. äußerlich nicht unterscheidbaren Arten (sogenannten Zwillingsarten) existieren; diese können in embryologischer, physiologischer, ethologischer oder ökologischer414 Hinsicht – ungeachtet ihrer morphologischen415 Ähnlichkeit bzw. Ununterscheidbarkeit – in zum Teil erheblicher Weise voneinander differieren.416 (Möglichkeit bzw. Erfordernis im Umgang mit den Problemen 1 und 2:) Analog dem erstgenannten Fall, wo sich ausgeprägt verschiedene Morphen nur auf dem Wege der direkten Beobachtung des ontogenetischen bzw. tokogenetischen Zusammenhangs zweifelsfrei als Lebensphasen eines Individuums bzw. als Angehörige einer Art erkennen lassen, ist es auch im umgekehrten Fall der ähnlichen bzw. ununterscheidbaren Morphen die direkte Beobachtung des ontogenetischen bzw. tokogenetischen Zusammenhangs, welche zur letzten Klärung der Situation beiträgt. Genauer gesagt ist in beiden Fällen die direkte Beobachtung dieses Zusammenhangs jener Faktor, der den logischen Vorrang vor der Beschreibung von Individuen ___________ Larval- und Adultstadium (siehe Mayr 1969 / 1975: 122). Dies mag erklären, weshalb etwa „Fliegenmaden und bestimmte Käferlarven (Mehlwurm, Drahtwurm) zunächst für ‚Würmer‘ gehalten wurden“ (Sudhaus / Rehfeld 1992: 18). Veranschaulichung 2: Ursache einer entsprechenden Fehlleistung auf der Artebene war beispielsweise der ausgeprägte Sexualdimorphismus des Königspapageis des Papua-Gebiets: „[D]as Männchen ist grün und hat einen orangefarbenen Schnabel, das Weibchen dagegen rot und blau mit schwarzem Schnabel. Die beiden Geschlechter wurden nahezu hundert Jahre lang (1776-1873) als verschiedene Arten gewertet, bis sich die Naturforscher sicher waren, daß sie zusammen gehörten.“ (Mayr 1969 / 1975: 146 f.) 413 Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 49). 414 Die Existenz von Arten erweist sich nicht allein über die Relation zu anderen Arten (Stichwort ‚Isolationsmechanismen‘), sondern auch über den Bezug zur Umwelt (Stichwort ‚Einnischung‘) (vgl. Sudhaus / Rehfeld 1992: 44 bzw. 48). Siehe zum Prinzip des Wettbewerbsausschlusses bzw. der Konkurrenzvermeidung Mayr (1969 / 1975: 128 sowie Sudhaus / Rehfeld (1992: 42 f.). 415 Gemeint ist hier – wie bereits auf voriger Seite (siehe Fußnote 411) – die für das bloße Auge sichtbare äußere Gestalt. 416 a: Vgl. Mayr (1969 / 1975: 17 bzw. 128 f.); außerdem ders. (1988 / 1991: 203). b: Ein Beispiel dafür ist „die“ Malariamücke – also die Gattung ‚Anopheles‘ mit faktisch sechs Zwillingsarten (in alphabetischer Reihung: Anopheles atroparvus, Anopheles labranchiae, Anopheles maculipennis, Anopheles melanoon, Anopheles messeae und Anopheles sacharovi), von denen nicht alle – genau gesagt: vier – und diese vier dann auch nicht im selben Maße als Malariaüberträger in Frage kommen. (Siehe dafür Mayr 1969 / 1975: 129 sowie Sudhaus / Rehfeld 1992: 50.) Entdeckt wurden die verschiedenen Zwillingsarten aufgrund von Unterschieden in der Struktur der Eier (siehe Mayr 1969 / 1975: 122). Weitere Divergenzen bestehen etwa hinsichtlich des jeweils beanspruchten Lebensraums oder der Fortpflanzungszeit (siehe ebd.: 129).

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bzw. Arten anhand morphologischer Merkmale behält (selbst wenn es Merkmale sind, welche den Blick auf die richtigen Bahnen zu lenken vermögen).417 Oder aus der Gegenperspektive angegangen: Morphen betreffenden Merkmalsbeschreibungen fehlt – bei aller Bedeutung, die ihnen zukommt – die definitorische Macht. Sie besitzen den Status von Indizien, das heißt von prüfbaren Hypothesen über die jeweilige Zusammengehörigkeit von Semaphoronten bzw. Individuen; und diese werden revidiert, wenn sie entsprechenden Beobachtungen individualzyklischer Prozesse bzw. generativer Zusammenhänge widersprechen.418 Ad (2): (Problem 3:) Der phylogenetische Zusammenhang von Arten bzw. Artengruppen ist – anders als der ontogenetische Zusammenhang von Semaphoronten und der tokogenetische Zusammenhang von Individuen – jeder direkten Beobachtung verschlossen.419 Wesentliche Kennzeichen der Ausgangssituation des Systematikers sind in diesem Falle die folgenden beiden Negativa: Die Stammarten geschlossener Abstammungsgemeinschaften – historische Arten also –, an denen sich evolutive Neuheiten unmittelbar ablesen ließen, sind in der Regel unbekannt; aber auch die fossilen oder rezenten Folgearten der entsprechenden Stammarten (resp. deren Vertreter) tragen die übernommenen Merkmale als solche nicht ‚offen etikettiert‘420 zur Schau.421 Daraus folgt (Möglichkeit bzw. Erfordernis im Umgang mit Problem 3): Der phylogenetische Zusammenhang von Arten bzw. Artengruppen ist aufgrund von Indizien zu rekonstruieren, wobei als Indizien vor allem jene an rezenten Exemplaren422 fest___________ 417 So wurden eine Reihe von Zwillingsarten aufgrund unterschiedlicher Lebensraum- und Nahrungspräferenzen entdeckt (vgl. Mayr 1969 / 1975: 128 f.). Andere Fälle wiederum setzten (bzw. setzen) technisch aufwendigere Verfahren voraus. Ich wiederhole an dieser Stelle bewußt eine Information aus vorstehender Fußnote (416 b): Die verschiedenen Zwillingsarten der Gattung ‚Anopheles‘ hat man aufgrund von Unterschieden in der Struktur der Eier in ihren jeweiligen Zusammenhängen erkannt. – Im Fall der Gattung Drosophila (Taufliegen) war es gar eine molekulare Analyse der Chromosomenstruktur, aus der sich die entscheidenden Hinweise für die Erkenntnis ergaben, daß ihre Zwillingsspezies nur relativ entfernt miteinander verwandt sind. (Siehe für dieses zweite Beispiel Mayr 1988 / 1991: 221 sowie Sudhaus / Rehfeld 1992: 28.) 418 Vgl. hierzu auch Sudhaus / Rehfeld (1992: 44). 419 Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 66); außerdem Hennig ([1960] 1982: 38; indirekt). 420 Vgl. Ax (1984: 16). 421 Vgl. ebd. 422 Die landläufige Vorstellung, daß die Rekonstruktion der Phylogenese in erster Linie auf der Auswertung von Fossilfunden beruhe, ist unzutreffend und korrekturbedürftig. Der diesbezügliche Wert von Fossilien beruht im wesentlichen darauf, zusätzliche Entscheidungshilfen bei der Abwägung von Verwandtschaftshypothesen zu liefern, die auf der Grundlage von Analysen an rezenten Merkmalsträgern gebildet wurden. (Siehe Sudhaus / Rehfeld 1992: 202.) Es existiert also „keine eigenständige paläontologische Methode zur Rekonstruktion der Stammesgeschichte“ (ebd.: 203). Vgl. hierzu außerdem Ax (1988: 138): „Die Verwandtschaft fossil überlieferter Organismen ist überhaupt nur dann hypothetisierbar, wenn sie sich in ein konsequent phylogenetisches Sy-

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stellbaren Merkmale dienen, von denen angenommen wird, daß sie von einer gemeinsamen Stammart übernommen sind.423 – Die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind wiederum wie folgt zu beschreiben (Problem 4): Ein von einer historischen Art evolviertes Merkmal erfährt im Verlauf der weiteren Evolution – sprich: indem es an Folgearten weitergereicht wird – mehr oder weniger starke Abwandlungen, sodaß unter Umständen nicht mehr offenkundig ist, daß bestimmte Merkmalsausprägungen bei zwei verschiedenen Folgearten (resp. deren Vertretern) tatsächlich auf eine gemeinsame Stammart zurückzuführen sind, das heißt, daß sie als Transformationszustände eines Merkmals zu interpretieren sind, das in einem anderen Zustand bei einer gemeinsamen historischen Stammart vorhanden war. Und (Problem 5): Eine Merkmalsübereinstimmung zwischen zwei verschiedenen Arten (resp. deren Vertretern) ist nicht automatisch schon als Hinweis auf die Zugehörigkeit zur selben Abstammungsgemeinschaft zu werten, das heißt als ein Hinweis darauf, daß die jeweiligen Merkmale sich auf eine gemeinsame Stammart zurückverfolgen lassen. Sie kann vielmehr ebenso auch das Ergebnis einer mehrfachen, unabhängigen Entstehung sein; abgehoben ist damit auf die Möglichkeit, daß in verschiedenen evolutiven Linien entstandene und zunächst unähnliche Merkmale einander im Zuge evolutiver Veränderungen immer ähnlicher wurden.424 Spricht man im Fall der einmaligen Entstehung von homologen Übereinstimmungen bzw. Merkmalen bzw. von Homologien425 (nur sie erlauben Aussagen über phylogenetische Beziehungen zwischen verschiedenen Arten)426, so im anderen (der mehrfachen Entstehung) von konvergenten Ausbildungen bzw. von Konvergenzen427 (diese ___________ stem einordnen lassen, das vorab auf der Grundlage rezenter Organismen erstellt worden ist.“ 423 Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 66). 424 Siehe ebd.: 85. 425 a: Beim konkreten Versuch einer Rekonstruktion der Phylogenese ist nochmals näher zu spezifizieren zwischen ‚Synapomorphien‘ (Ebene der Koordination) und ‚Symplesiomorphien‘ (Ebene der Subordination). (Vgl. Ax 1988: 73 f.; zu beiden Begriffen auch Sudhaus / Rehfeld 1992: 106 ff.) [Vgl. außerdem nochmals mit Seite 186, Fußnote 374.] b: Ein anschauliches Beispiel dafür wären die Federn bei verschiedenen Vogelarten, die durchaus so verschiedenen Bau wie den bei Strauß und Pinguin einschließen. (Siehe Sudhaus / Rehfeld 1992: 67.) 426 Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 86); außerdem Mayr (1969 / 1975: 82 f.). 427 a: Entscheidendes Kriterium für diese Alternative evolutionärer Übereinstimmung ist mit Ax (1984) die voneinander unabhängige Entstehung (vgl. ebd.: 63). (Vgl. hierzu auch Mayr 1997 / 1998: 189.) – Der Streit um die Berechtigung der Verwendung weiterer Termini wie Parallelentwicklung, Parallelismus, Analogie, Homoiologie oder auch Homoplasie bleibt vor diesem Hintergrund ohne Relevanz (siehe Ax 1984: 63). b: Ein anschauliches Beispiel dafür wäre das Flugvermögen, das keineswegs ein ausschließliches Spezifikum des Taxons ‚Aves‘ darstellt, sondern das sich als Merkmal

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indizieren Funktions- bzw. Adaptionszusammenhänge und lassen auf einen vergleichbaren Selektionsdruck schließen)428. Zusammengenommen folgt daraus (Möglichkeit bzw. Erfordernis im Umgang mit den Problemen 4 und 5): Die bei dieser Rekonstruktion auftretenden Schwierigkeiten (bzw. ihre Implikationen: einander widersprechende Homologie-Hypothesen) erfordern eine richtige Bewertung des Charakters von Merkmalen; letzten Endes werden sie dadurch behoben (bzw. angegangen), daß man die in Frage stehenden Merkmale nicht isoliert betrachtet, sondern sie zu anderen Merkmalen derselben Art – bzw. zu deren Transformationsreihen – in Beziehung setzt.429 Die Aufbereitung sei mit dem Hinweis zum Abschluß gebracht, daß sich im Fall der nachträglichen Feststellung ontogenetischer und tokogenetischer Beziehungen die Option der Beobachtung mit dem Erfordernis der Beobachtung trifft, während hinsichtlich der Phylogenese die nichtvorhandene Option der Beobachtung nicht grundsätzlich schon zum Verhinderungsgrund für die nachträgliche Feststellung von Verwandtschaftszusammenhängen wird. Jenseits der hiermit geleisteten Grundlagenvermittlung ist – was die nachträgliche Feststellung ontogenetischer, tokogenetischer und phylogenetischer Beziehungen resp. die Identifizierung (Konstituierung) der entsprechenden Systemeinheiten betrifft – nicht auch noch in das konkrete operative Procedere einzuführen.430 Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang allein, daß diejenigen Merkmale am konkreten Exemplar, die sich jeweils als zuverlässige In___________ auch in anderen Taxa (‚Insecta‘, aber auch ‚Mammalia‘: Fledermäusen, Flughörnchen, zum Gleitflug befähigten Lemuren – siehe Mayr 1969 / 1975: 209 – usw.) findet. 428 Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 86 und 93). 429 Siehe dazu Hennig ([1960] 1982: 120). Siehe dazu außerdem Sudhaus / Rehfeld (1992: 88): „Allgemein wird eine der sich widersprechenden Homologie-Hypothesen dadurch widerlegt, daß man für zusätzlich berücksichtigte Merkmale zu unwahrscheinlichen Annahmen mehrfach unabhängiger Entwicklungen oder wiederholter Reduktionen gezwungen wird.“ Siehe schließlich und speziell zum Konvergenzproblem Mayr (1969 / 1975: 207 f.): „In Wirklichkeit sind die durch Konvergenz verursachten Schwierigkeiten […] übertrieben worden. Zwar kommt Konvergenz, die bestimmte Merkmale, ganze Organe, das allgemeine Erscheinungsbild und Proportionen betrifft, verhältnismäßig häufig vor; demgegenüber ist aber eine Konvergenz zwischen den Gesamt-Phänotypen nicht miteinander verwandter Organismen selten oder fehlt sogar völlig. Mir ist kein einziger solcher Fall bei höheren Lebewesen bekannt. Kein zum Fliegen befähigtes Säugetier, Reptil oder Insekt könnte jemals irrtümlich als Vogel angesehen werden. Ebensowenig kann ein Wal, ein Seelöwe oder eine Seekuh als Fisch aufgefaßt werden. […] Die meisten Fälle von Konvergenz sind auf ein Einzelmerkmal oder einen funktionellen Merkmalskomplex beschränkt. Die Verwendung neuer Merkmale führt fast immer zur Entlarvung unnatürlicher Gruppierungen.“ 430 Für den letztgenannten Verwandtschaftsmodus tun dies in ebenso anschaulicher wie ausführlicher Form etwa Sudhaus / Rehfeld (1992), angelehnt an die von Hennig entwickelte Methodik (Rekonstruktion der Phylogenese nach dem Prinzip des Schwestertaxons). (Siehe dies. ebd.: 104 ff.)

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dizien für das Vorhandensein verwandtschaftlicher Beziehungen erweisen431, Merkmale sind, die nicht in jedem Falle sicher, leicht und schnell erkennbar sind.432 Die Eruierung dieser Merkmale ist vielmehr häufig zeitraubend, mühsam und gekoppelt an die Verfügbarkeit hochtechnisierter, apparategestützter Forschungsmethoden (Mikroskopie, Molekularanalyse etc.).433 Nicht unbedingt auf den ersten Blick erkannt wird vom Laien die logische Differenz zwischen dem Identifizierungsproblem und den Problemen der Wiedererkennung von Vertretern bereits bekannter Art-Taxa bzw. der Zuordnung von Vertretern bislang unbekannter Art-Taxa zu supraspezifischen Taxa.434 Zur kurzen Erläuterung: Ist die Zusammengehörigkeit von Semaphoronten, Individuen und Arten bzw. Artengruppen erst einmal erkannt, sprich: sind die entsprechenden Einheiten – Individuen, Fortpflanzungsund Abstammungsgemeinschaften bzw. Taxa – erst einmal identifiziert und in ihren

___________ 431 Der Indizienstatus von Merkmalen nimmt – zusammenfassend und abschließend gesagt – Bezug darauf, daß es die jeweilige Einheit der lebenden Natur bzw. Systemeinheit ist, welche die Merkmale liefert, und nicht umgekehrt. (Vgl. dazu Mayr 1969 / 1975: 90 und 132.) 432 a: Vgl. dazu Hennig ([1960] 1982: 37 f.); außerdem etwa Baron (1968: 22) sowie Remane (1968: 35). b: Man plausibilisiere sich dies – zunächst allgemein – anhand des Sektors der Anatomie (Organologie, Histologie und Cytologie), der eine Fülle taxonomischer Merkmale liefert (siehe für die Zoologie Mayr 1969 / 1975: 118); ferner anhand des Sachverhalts, daß bestimmte der zoosystematisch entscheidenden Merkmale (etwa die Chorda dorsalis) sich überhaupt nur in den frühesten Ontogenese-(i. e. Embryonal-)Stadien erkennen lassen (siehe Baron 1968: 22). c: Als konkrete Veranschaulichung für den Bereich tokogenetischer Verwandtschaft (bzw. für Gruppierungen auf der Artebene) kann hier das Beispiel des Anopheles-Komplexes (der „Malariamücken“) gelten, dessen Zwillingsarten – wie bereits erwähnt – aufgrund von Unterschieden in der Struktur der Eier entdeckt wurden (siehe oben, Seite 195 f., die Fußnoten 416 b bzw. 417); oder das Beispiel der Drosophila (Taufliegen), deren Zwillingsarten man – wie ebenfalls bereits erwähnt – aufgrund molekularer Analysen der Chromosomenstruktur in ihrer Verschiedenheit erkannte (siehe oben, Seite 196, Fußnote 417). d: Als konkrete Veranschaulichung für den Bereich phylogenetischer Verwandtschaft (bzw. für Gruppierungen oberhalb der Artebene) ist hier das Beispiel der Abstammungsgemeinschaft bzw. des Taxons Mammalia (Säugetiere) anzuführen, das nicht nur durch so sicher, leicht und schnell erkennbare Merkmale wie Haarkleid und Milchdrüsen konstituiert wird (siehe dazu das Beispiel auf Seite 189 f.), sondern etwa auch durch Merkmale wie ‚Mittelohr mit 3 Gehörknöchelchen‘ oder ‚reife Erythrozyten ohne Nucleus‘ (siehe Ax 1984: 97 f.). 433 Vgl. dazu wiederum Hennig ([1960] 1982: 38). Siehe außerdem Baron (1968: 22); Remane (1968: 35); Mayr (1969 / 1975: 118 f.) und ders. (1988 / 1991: 221); schließlich Müller-Wille (1999: 36). 434 Der Begriff ‚Identifizierung‘ steht hier – wie aus der vorauslaufenden Argumentation klar hervorgeht – in Relation zur Konstituierung von Systemeinheiten und also nicht – wie weiter oben der Fall (siehe das Zitat auf Seite 140 sowie Fußnote 205 b ebd.) – für die Wiedererkennung bzw. Zuordnung von Exemplaren. Was zugleich die Rede von der logischen Differenz verdeutlicht, ist damit aber auch: Thematisch relevant wird die Wiedererkennung bzw. Zuordnung von Exemplaren nun in einer anderen Hinsicht.

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Merkmalen (im umfassendsten Sinne435) beschrieben, dann (und erst dann) lassen sich in der Regel aus diesem Merkmalsgesamt auch diejenigen Eigenschaften selektieren, die ein ebenso verläßliches wie umstandsloses Wiedererkennen beliebig weiterer Exemplare bereits bekannter Art-Taxa bzw. Zuordnen von Exemplaren bislang unbekannter ArtTaxa erlauben; die es also erlauben, die jeweiligen Exemplare unzweifelhaft und zügig als Repräsentanten bestimmter Systemeinheiten bzw. Taxa anzusprechen. Es handelt sich dabei um sogenannte diagnostische Merkmale, die in Bestimmungsschlüsseln einsetzbar sind. Diagnostische Merkmale können mitunter, müssen aber nicht mit den sogenannten konstitutiven Merkmalen höherer Taxa identisch sein.436 Da die Vorgänge der Wiedererkennung und der Zuordnung für die praktische Arbeit des Systematikers unentbehrlich sind und deren sichere, leichte und schnelle Durchführung Desiderata bezeichnen, die mit den Friktionen einer auf die Offenlegung der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Organismen zentrierten Vorgehensweise unvereinbar sind, entspricht die Festlegung diagnostischer Merkmale bzw. die Anfertigung von Bestimmungsschlüsseln einer verfahrenstechnisch eigenen Forderung.437

(d) Das Leistungsvermögen gegenwärtiger Biosystematik und seine Bedeutung im Kontext „zivilisierter“ Wissenschaft und Lebenswelt Das System der organischen Natur, wie es von der modernen Biosystematik erarbeitet wird, ist ein Ordnungsmodell, das den Anspruch hat, sämtliche Organismen dieser Erde zu erfassen und diese – ungeachtet des damit einhergehenden Aufwands – in ihrem Strukturzusammenhang darzustellen. In der über das Verwandtschaftskriterium gegebenen rationalen Begründbarkeit der einzelnen (ontogenetischen, tokogenetischen und phylogenetischen) Strukturbilder wie auch der Systemstruktur insgesamt liegt zunächst einmal die entscheidende Prädisposition, um auf die Einheiten der lebenden Natur in hohem Maße (das heißt bei relativ geringer Irrtumswahrscheinlichkeit) als Verallgemeinerungseinheiten Bezug nehmen zu können438. ___________ 435 Ziel ist die jeweilige Erfassung der Gesamtheit der Merkmale eines Organismus (= Holomorphe); hierzu zählt jede nur denkbare Information (also etwa auch die Bestandsaufnahme seiner Eigenheiten und Lebensweisen). (Siehe dazu Sudhaus / Rehfeld 1992: 20 bzw. 48.) 436 Die für die Bestimmungspraxis im Bereich der höheren Taxa relevanten diagnostischen Merkmale sind „besonders augenfällige Merkmale des Grundmusters [Vgl. zum Begriff nochmals Seite 187, Text vor Fußnotennummer 378; H.M.S.]“ (Sudhaus / Rehfeld 1992: 128). Dabei kann es sich sowohl um neu evolvierte (= für das Taxon konstitutive = autapomorphe) als auch um übernommene (= plesiomorphe) Merkmale handeln, „so daß die überwiegend dichotom angelegten Bestimmungsschlüssel keineswegs die Merkmalsalternativen widerspiegeln, die einer cladistisch rekonstruierten Dichotomie zugrunde liegen. Eine Systematik, die sich allein an die Bestimmungspraxis anlehnen würde, müßte deshalb zu anderen Ergebnissen führen als eine Systematik, die sich an der Phylogenie orientiert“ (ebd.). 437 Vgl. hier auch Baron (1968: 22). 438 Siehe oben, Seite 193, Begriff bzw. Text vor Fußnotennummer 403.

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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Auf der Abstammungs- bzw. Deszendenzlehre im besonderen resp. auf der vermittels ihrer gegebenen kausalen Interpretierbarkeit der Systemstruktur 439 beruht zum weiteren die Möglichkeit zur Voraussage über die Merkmalsausstattung von Vertretern bislang unbekannter Arten (bzw. Art-Taxa)440 – zumindest solange es gelingt, diese aufgrund erster Befunde441 einer bestimmten Abstammungsgemeinschaft bzw. einem bestimmten supraspezifischen Taxon (und damit dann automatisch weiteren Abstammungsgemeinschaften bzw. Taxa höherer Ordnung) zuzuweisen. In gedrängter Kürze veranschaulicht wird diese Leistung durch das unter Biosystematikern bekannte Dytiscus442-Beispiel von Remane.443 Vorgestellt werden soll es hier in der überarbeiteten (also gegenüber dem ursprünglichen Beispiel ausführlicheren und damit besser verständlichen) Version von Ax: „Ein neuer Vertreter des Taxons Dytiscus besteht wie jede einzelne Art irgendeiner anderen geschlossenen Abstammungsgemeinschaft der Natur aus Tausenden von Merkmalen, die nach unserer Erkenntnis nun einmal nicht beliebig bunt zusammengewürfelt sind, sondern in einem langen historischen Prozeß in verschiedenen Organismen nacheinander evolvierten und sukzessive miteinander vereinigt wurden. Wenn ich eine neue Art anhand weniger Merkmale in ein System einander umgreifender supraspezifischer Taxa einordnen kann, dann muß die Art – von möglichen Reduktionen444 abgesehen – ebenso zwingend wie selbstverständlich die Gesamtheit jener Merkmale nebeneinander aufweisen, die jeweils in den Grundmustern der entsprechenden geschlossenen Abstammungsgemeinschaften realisiert sind. Stellen wir also unsere neue Art aufgrund erster Befunde in das Taxon Dytiscus, dann gehört sie automatisch in eine ganze Serie supraspezifischer Taxa zunehmender Superordination. Ich nenne in einer knappen Auswahl die Dytiscidae, Coleoptera, Insecta, Arthropoda sowie Articulata und wähle exemplarisch einige charakteristische Merkmale, welche die Art infolge der sukzessiven Übernahme aus den Grundmustern dieser Taxa obligatorisch besitzen muß: – Larven mit Mandibeln in Form von Saugzangen und mit dem Modus der extraintestinalen Verdauung, weil diese Merkmale im Mesozoikum als evolutive Neuheiten in der Stammlinie einer geschlossenen Abstammungsgemeinschaft entstanden, deren Äquivalent in unserem System den Eigennamen Dytiscidae trägt; – Vorderflügel in Form harter Elytren und Hinterflügel als weichhäutige, einfaltbare Alae, weil Flügel in dieser Ausprägung im Palaeozoikum vor dem Oberkarbon in der Stammlinie der Coleoptera evolviert wurden und bereits bei der letzten gemeinsamen Stammart der ca. 350.000 rezenten Käfer vorhanden waren;

___________ 439

Siehe oben, Seite 191 f., Text vor Fußnotennummer 398. Vgl. Sudhaus / Rehfeld (1992: 129). 441 Angespielt ist in diesem Falle auf äußere bzw. diagnostische Merkmale. (Siehe dazu den Untertext auf Seite 199 f.) 442 Gattung der Wasserkäfer. 443 Siehe Remane ([1952] [21956] 1971: 4 f.). 444 Siehe nochmals oben, Seite 185, Fußnote 371. 440

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

– einen Thorax aus 3 Segmenten und mit 3 Paar Extremitäten, weil diese Konstruktion eine Autapomorphie445 im Grundmuster der geschlossenen Abstammungsgemeinschaft Insecta ist, welche wiederum weiter zurück schon vor dem Devon als evolutive Neuheit entstand; – ein Herz mit Ostien, ein Pericard mit Pericardialseptum, ein Mixocoel und ein ‚offenes‘ Blutgefäßsystem, weil ein tiefgreifender Konstruktionswandel von Coelom und Zirkulationssystem in der Stammlinie der Arthropoda im Praekambrium abgelaufen ist; – ein Strickleiternervensystem an der Ventralseite des Körpers, weil diese einzigartige Manifestation des erregungsleitenden Substrates mit wünschenswerter Sicherheit für die letzte gemeinsame Stammart aller rezenten Articulata postuliert werden kann, – also noch tiefer in grauer Vorzeit in der Stammlinie der Articulata evolviert wurde. Das ist eine bescheidene Auswahl der im Merkmalsmosaik der neuen Dytiscus-Art korrelativ koexistierenden Merkmale. Würde auch nur eines von tausenden Merkmalen fehlen, dessen Mangel nicht das Ergebnis evolutiver Reduktion ist, dann wäre entweder die Einordnung der Art in unser System falsch oder das System selbst wäre kein korrektes Abbild der Ordnung in der lebenden Natur.“446

Der konditionale Sinn der das Beispiel abschließenden konjunktivischen Satzkonstruktion ist selbstverständlich auch eine Chiffre dafür, daß die Exaktheit der auf der Basis eines wahrscheinlichkeitsgestützten Modells getroffenen Prognosen nicht absolut sein kann. Bezeichneter Sachverhalt gilt, weil die Merkmalskorrelationen, auf denen die Prognosen beruhen, ebensowenig absolut sind447. Um allerdings auch gleich einer fälschlichen Überbewertung dieser Relativierung vorzubauen, sei ergänzt, daß die biologische Systematik „in der Exaktheit zutreffender Voraussagemöglichkeiten […] nur von der Vererbungslehre erreicht [wird], im Umfang der Voraussagen von keiner anderen biologischen Disziplin“448. Begründet wird für die Biosystematik durch die Abstammungs- bzw. Deszendenzlehre indessen nicht nur ein explikativer und mithin generalisierender bzw. prognostischer (rekonstruktiver) Wert.449 Als bestimmendes Einteilungsprinzip der Biosystematik fordert die Abstammungs- bzw. Deszendenzlehre außerdem zu Revisionen, Korrekturen und Ergänzungen des Gesamtgefüges heraus (wobei sie wiederum zugleich das entscheidende Bezugskriterium abgibt, an dem letztere sich zu bewähren haben); schließlich legt sie die Richtung des ___________ 445

Gleichbedeutend mit: evolutive Neuheit der Stammart. (Vgl. hierzu auch nochmals oben, Seite 186, Fußnote 374.) 446 Ax (1984: 309 f.). 447 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 5). 448 Ebd. 449 Dieser wird etwa relevant bei den Vertretern jener Arten, die unter Laborbedingungen nicht zu halten sind oder die sich in Gefangenschaft nicht fortpflanzen. (Siehe Mayr 1969 / 1975: 18.)

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weiteren Systemausbaus fest und macht die Biosystematik damit insgesamt zu einer rationellen Forschungsstrategie. Für das System der organischen Natur, wie es von der modernen Biosystematik erarbeitet wird, sind Kants Kriterien im strengen Sinn erfüllt.450 Der phylogenetische Gedanke bzw. der Gedanke der Abstammung übernimmt darin die Funktion einer transzendentalen Idee – also eines regulativen Prinzips, anhand dessen das Ganze der organischen Mannigfaltigkeit zwar niemals erfaßt, aber intendiert wird; eines Prinzips, das den Erkenntnisprozeß dahingehend vorantreibt, daß es ein zufälliges Aggregat in eine nach notwendigen Gesetzen zusammenhängende Einheit überführt.451

Die Bedeutung des beschriebenen Leistungsvermögens moderner Biosystematik liegt darin, daß sie ihre heuristische und kausal orientierte Vorgehensweise bzw. die sich dieser Vorgehensweise verdankenden Erkenntnisse und Informationen für andere Disziplinen – innerhalb wie außerhalb der Biologie, in theoretischen wie in angewandten Feldern – verfügbar macht. Indem sie dies tut, profitiert sie nicht nur selbst452, sondern stellt sie auch grundlegende Voraussetzungen für das Arbeiten in diesen Disziplinen sicher und übt sie auch auf die Entwicklung dieser Disziplinen eine in vielfältigster Weise initiatorische Wirkung aus.453 Als besonders attraktiv gelten dabei jene Fälle, in denen sich ihre Initiativfunktion mit einem praktischen Nutzen verbindet – wie etwa in der angewandten Entomologie (i. e.: der chemischen und biologischen Schädlingsbekämpfung bzw. Schädlungskontrolle454). Sowohl die Wahl als auch die Wirksamkeit von Maßnahmen steht und fällt hier wesentlich mit der Fähigkeit zur präzisen Bestimmung von Arten (also tokogenetischer Beziehungen) bzw. der diesen jeweils korrespondierenden arttypischen Kennzeichen, Ansprüche und Präferenzen. Da das Ergreifen von Maßnahmen auf unzureichender Informationsgrundlage – also letztlich falscher Artbestimmung – kostspielige Fehler verur___________ 450

Analoges gilt etwa auch – wie Ströker (1968) nachweist – für das Periodensystem der Chemie. (Siehe ebd.: insbesondere 93.) 451 Vgl. Kant (KrV, [1781] 21787: B 673 / III, 428). Vgl. hierzu auch Jaspers ([1919] 6 1971: 465 ff.). 452 Siehe zum methodischen Prinzip der gegenseitigen Erhellung Hennig ([1960] 1982: 28 f.); siehe außerdem Remane (1968: 41). 453 a: Vgl. etwa Weberling / Stützel (1993: 4) bzw. Mayr (1969 / 1975: 19). b: Vgl. abschließend dafür Müller-Wille (1999: 34 f.): „Sie [die Biosystematik; H.M. S.] trägt […] nicht nur Züge einer Teildisziplin der Biologie, sondern auch Züge einer Grundlagendisziplin, welche zur Integration einer Vielzahl wissenschaftlicher, auf Lebewesen gerichteter Aktivitäten in eine Wissenschaft vom Leben beiträgt: Auf der Grundlage der Systematik ist es Biologen aller Teildisziplinen möglich, sich in ihrer Forschungstätigkeit auf ein und dieselben allgemeinen Gegenstände zu beziehen.“ Vgl. außerdem Hennig ([1960] 1982: 29 f.). 454 Vgl. Mayr (1969 / 1975: 18 f.).

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sachen kann455, erscheint die Biosystematik hier zugleich auch als ein ökonomischer Faktor. Ein exponiertes Beispiel aus diesem Bereich, an dem sich zeigt, daß es biosystematische Erkenntnisse waren, die den Schlüssel zur Lösung des Problems lieferten, ist der von Mayr geschilderte, berühmt gewordene Fall der Epidemiologie der Malaria: „Der mutmaßliche Überträger in Europa, die Malariamücke Anopheles maculipennis Meigen, ist über den ganzen Kontinent hinweg nachgewiesen worden – und doch war Malaria auf engere Gebiete beschränkt. Erhebliche finanzielle Mittel wurden vergeudet, da man den Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Mücke und Malaria nicht verstand. Sorgfältige [biosystematische; H.M.S.] Untersuchungen, wie sie von Hackett (1937) und Bates (1940) zusammenfassend dargestellt wurden, führten schließlich zu einer Klärung der Situation. Es zeigte sich, daß der maculipennisKomplex aus mehreren Geschwisterarten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen und Fortpflanzungsgewohnheiten besteht, wobei nur einige dieser Arten die Malaria innerhalb bestimmter Gebiete übertragen. Erst diese neue Einsicht ermöglichte Bekämpfungsmaßnahmen, die an genau den Stellen erfolgen konnten, an denen sie die beste Wirkung erwarten ließen.“456

(e) Zur Differenz der Linnéschen Klassifikation Bestimmt werden sollte der semantische Gehalt des Linnéschen Ordnungsentwurfs im Kontext gegenwärtiger Biosystematik.457 Nicht nur ist diese Bestimmung aufgrund der seit ihrer Formulierung zurückgelegten Wegstrecke zu erinnern. Auch erscheint es möglich und sinnvoll, sie dem inzwischen vorgerückten Stand der Information gemäß zu präzisieren. Der ihr nunmehr adäquate Ausdruck darf in der Frage gesehen werden: Wie ist der Wert des Linnéschen Ordnungsentwurfs in Anbetracht der zentralen Probleme und Leistungen gegenwärtiger Biosystematik zu veranschlagen? Eine Beantwortung dieser Frage ist im folgenden vor allem unter zwei Aspekten anzustreben: zum einen unter dem Aspekt der Artabgrenzung (= Ordnungsbildung auf der Artebene), zum anderen unter dem Aspekt der Gruppierung von Arten zu höheren Einheiten (= Ordnungsbildung auf der Ebene höherer Taxa); unter jenen zwei Aspekten mit anderen Worten, für die von Mayr die Begriffe ‚Mikrotaxonomie‘ bzw. ‚Makrotaxonomie‘ verwendet werden458

___________ 455 456 457 458

Vgl. Mayr (1969 / 1975: 19). Ebd.: 18. Siehe oben, Gliederungspunkt V.2.b)aa) dieses zweiten Kapitels bzw. Seite 174. Siehe Mayr / Ashlock ([1969] 21991) sowie Mayr (1997 / 1998: 176 ff.).

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und deren Kombination nach einer Definition von Simpson459 das Wesen der Taxonomie ausmacht460. Zum Aspekt der Artabgrenzung (= Ordnungsbildung auf der Artebene): Die Mannigfaltigkeit der lebenden Natur legt dem intentionalen Verstand nicht eine geradewegs abzuarbeitende Aufgabe vor, sondern in der Tat ein Problem, das nicht ohne weiteres zu bewältigen ist. Theoretisch wäre es denkbar, jeden Organismus als eine isolierte Sonderkonstruktion zu begreifen.461 Dies entspräche einer Position, die zugleich das Ende jeder vergleichenden Forschung bedeutete; einer Position außerdem, die den zunächst für die Mikrotaxonomie zu beleuchtenden Konzepten geradezu widerspricht. Denn sowohl das von der gegenwärtigen Biosystematik als auch das von Linné vertretene Artkonzept stehen für die diesbezügliche Alternative, nämlich für Versuche eines vergleichenden Umgangs mit der Organismenvielfalt. Voneinander unterscheiden sich diese beiden Konzepte dann allerdings darin, daß sie für ihre Vergleichsbetrachtung von verschiedenen Grundannahmen ihren Ausgang nehmen: Das Artkonzept der gegenwärtigen Biosystematik ist im Kern ein biologisches, das heißt, es gründet sich – wie die zurückliegenden Darlegungen hinlänglich zu belegen versuchten – auf das Kriterium genetischer Verwandtschaft.462 Das den Ordnungsbestrebungen Linnés zugrundeliegende Artkonzept dagegen darf hier als ein typologisches (oder essentialistisches)463 angesprochen werden; als ein solches impliziert es die Vorstellung, daß die Ähnlichkeit in sichtbaren morphologischen Kennzeichen464 – betreffs jenes Kriteriums mit anderen Worten, über das sich (gemäß diesem Konzept) die Zugehörigkeit von Organismen zu einer Spezies definiert465 – auf dem gemeinsamen Besitz eines bestimmten, ___________ 459

Also des Autors, der gerade auch die Aufmerksamkeit Lévi-Strauss’ auf sich zog (siehe oben, Seite 116). 460 So in Mayr (1997 / 1998: 177). 461 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 21). 462 Vgl. hierzu Mayr (1997 / 1998: 178). 463 Vgl. Mayr (1997 / 1998: 177) und ders. (1988 / 1991: 203). Vgl. außerdem Ax (1984: 13) sowie Simpson (1961: 48). – Vgl. demgegenüber gleichwohl auch MüllerWille (1999: 195 bzw. 210). 464 Vgl. Mayr (1997 / 1998: 177). 465 In Relation zum biologischen Artkonzept gesetzt, markiert dieses Kriterium eine deutliche Differenz. Ihr entspricht ein jeweils inverses Verständnis in bezug auf das Verhältnis von Prämisse und Schlußfolgerung bei der Zusammenfassung von Individuen bzw. Populationen zu Arten: Werden innerhalb des typologischen Artkonzepts Organismen eben deshalb zu einer Art zusammengefaßt, weil sie einander ähneln, so interpretiert man innerhalb des biologischen Artkonzepts den fallweisen Befund, daß Organismen einander ähneln, nicht als ein operational Erstes und die Artabgrenzung Veranlassendes, sondern – genau umgekehrt – als eine Folge davon, daß diese Organismen derselben Art (in diesem Falle: einer Fortpflanzungsgemeinschaft) angehören. (Vgl. Mayr 1988 / 1991: 221.)

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im platonischen466 Sinne aufzufassenden Eidos bzw. Wesens beruht.467 Nicht nur werden dabei morphologische Variationen innerhalb einer Art als unvollständige Manifestationen des Eidos bzw. Wesens interpretiert;468 auch ihre Möglichkeit (die Möglichkeit morphologischer Variationen also) gilt darüber hinaus als eng begrenzt.469 Beide Konzepte führen zwangsläufig – wiewohl nicht durchgängig – zu divergenten Artabgrenzungen. Diejenigen Polymorphismen etwa, die aus Sicht eines biologischen Artkonzepts intraspezifische Phänomene darstellen, können unter typologischen bzw. essentialistischen Prämissen die Abgrenzung eigener Arten gebieten; und ebenso kann die Konzentration auf morphologisch augenfällige Merkmale bei der Artabgrenzung, wie sie für den typologischen bzw. essentialistischen Ansatz charakteristisch ist, zur Konsequenz haben, daß Organismen derselben Art zugezählt werden, obwohl sie voneinander reproduktiv isoliert sind. Wird daher das typologische bzw. essentialistische Artkonzept unter Voraussetzung der Wünschbarkeit der Lösung jener Probleme diskutiert, mit denen die gegenwärtige Biosystematik kämpft – daß nämlich einerseits zu viele und andererseits zu wenige Arten unterschieden werden (Problem des Polymorphismus bzw. Problem der Zwillingsarten)470 –, so kann es selbstverständlich nicht befriedigen.471 Und natürlich stünden dementsprechend auch die praktischen Erfolge, wie sie die moderne Biosystematik beispielhaft infolge des aufgebrochenen Anopheles-Komplexes verbuchen konnte, unter der Regie einer mikrotaxonomisch relevanten Morphotypologie Linnéscher Provenienz nicht zu erwarten. Zum Aspekt der Gruppierung von Arten zu höheren Einheiten (= Ordnungsbildung auf der Ebene höherer Taxa): Mit dem typologischen bzw. essentialistischen Artkonzept zu verbinden ist der Gedanke der Artkonstanz, genauer gesagt die Vorstellung, „daß eine begrenzte Anzahl konstanter, unveränderlicher Typen in der Natur existiert, die durch unüberbrückbare Lücken voneinander getrennt sind“472. Diese von Linné (und anderen) vertretene Auffassung erwies ___________ 466

Simpson (1961) etwa rekurriert hier auf einen scholastischen Hintergrund (ebd.: 24 f. und 48). 467 Vgl. Mayr (1988 / 1991: 228). 468 Vgl. ebd. 469 Vgl. Mayr (1997 / 1998: 178). 470 Siehe dazu nochmals oben, Seite 194 ff. (Problem 1 bzw. Problem 2). 471 Vgl. dazu Mayr (1997 / 1998: 178) sowie ders. (1988 / 1991: 203); außerdem (nur für das Problem polymorpher Phäne) Weberling / Stützel (1993: 24). 472 a: Mayr (1988 / 1991: 328 f.) Vgl. hierzu auch die von Weberling / Stützel (1993: 24) zitierten Lehrsätze Linnés: „Species … tot numeramus quot diversae formae in principio sunt creatae“ (Wir zählen so viele Arten, wie verschiedene Formen am Anfang erschaffen wurden) bzw. „Species sunt constantissimae“ (Arten sind überaus konstant).

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sich historisch gesehen als eines der gewichtigsten Hindernisse für die Durchsetzung der Evolutions- bzw. näherhin der Abstammungs- oder Deszendenztheorie473: jener Theorie mit anderen Worten, vermittels derer erst das (hypothetische) Wissen zur Verfügung stand, daß genetische Beziehungen zwischen allen Lebewesen bzw. Semaphoronten bestehen474. Bis heute verbindet sich mit dieser Theorie die einzige Möglichkeit, Arten auf der Basis eines naturwissenschaftlichen Kausalprinzips zu höheren Einheiten zu gruppieren;475 sie bildet die einzige solide Grundlage für eine methodisch strenge, konsistente und umfassende Errichtung eines Systems der organischen Natur.476 Welche Leistungen einem nach diesen Maßstäben errichteten Ordnungsmodell entsprechen, sollte das (von Ax überarbeitete) Dytiscus-Beispiel Remanes sowie der Verweis auf regulative bzw. heuristische Momente vor Augen bringen. Nicht nur ist dieser Heranführung zu entnehmen, daß das Leistungsvermögen gegenwärtiger Biosystematik an ganz bestimmte erkenntnistheoretische Bedingungen geknüpft ist; die chronologische Abfolge der wissenschaftshistorischen Ereignisse läßt außerdem sofort erkennen, daß das beschriebene Leistungsprofil von einem Ordnungsentwurf wie dem Linnéschen schon aus prinzipiellen Gründen – eben aufgrund einer zeitlich früheren, in erkenntnistheoretischer Hinsicht divergierenden Ausrichtung – nicht erbracht werden kann. – Wie aber, so ist dann zu fragen, ist der Linnésche Entwurf in makrotaxonomischer Hinsicht überhaupt zu charakterisieren? Daß Linnés Bestreben in nuce einen ‚prä-evolutionären‘477, den stammesgeschichtlichen Tatsachen nicht gerecht werdenden478 Ordnungsversuch darstellt, ___________ b: Der Bedeutungsgehalt des Typusbegriffs, wie er hier Verwendung findet, ist nicht zu verwechseln mit dem Bedeutungsgehalt, wie er ihm innerhalb der Biosystematik im Kontext deskriptiver Abgrenzungen in Bereichen oberhalb der Artebene zukommt (siehe oben, Seite 187, Fußnote 378). (Vgl. zur Doppelbödigkeit im Gebrauch auch Mayr 1988 / 1991: 328 f.) 473 Vgl. hierzu Weberling / Stützel (1993: 23): „Zum Durchbruch gelangte die Deszendenztheorie freilich nicht in der von Lamarck formulierten, später als ‚Milieutheorie‘ bezeichneten Fassung (die eine über lange Zeiträume erfolgende Abänderung der Arten aufgrund einer erblichen Fixierung individuell durch Anpassung erworbener Eigenschaften annahm). Dies geschah erst mit der von Ch. Darwin (1859) gegebenen Fassung, welche die allmähliche Abänderung der Arten auf das Zusammenspiel spontan auftretender – ungerichteter – erblicher Änderungen und einer ständigen Auslese der am besten an die jeweiligen Lebensumstände angepaßten Individuen und deren weitere Fortpflanzung und Vermehrung zurückführte.“ 474 Vgl. hierzu Hennig ([1960] 1982: 21). 475 Vgl. etwa Storch / U. Welsch ([1976] 51997: XIX). 476 Vgl. etwa Mayr (1969 / 1975: 206). 477 Vgl. Simpson (1961: 50). Vgl. hierzu etwa auch Mühlmann ([1948] [ 21968] 4 1986: 48). 478 Vgl. hierzu etwa Buxbaum (1951: 8).

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ist keineswegs so aufzufassen, als wäre damals (wie auch schon weit früher) nicht bereits versucht worden, erkannte Arten zu höheren Einheiten zu gruppieren. Der Unterschied zu den Ordnungsbestrebungen der Biosystematiker von heute ist vielmehr im wesentlichen darin zu sehen, daß die Gruppenbildung oberhalb der Artebene nicht aus einem (eben dem mit der Abstammungslehre verfügbaren) Prinzip erfolgte (dem wiederum die Konstituenzien höherer Taxa in Form von Merkmalsgarnituren hätten korrelieren müssen); sondern sie erfolgte vorzugsweise nach variablen Einzelkriterien479 (ohne daß zwischen diesen Kriterien und der übrigen Organisation der betreffenden Organismen weitreichende Korrelationen bestanden hätten480). Handlungsleitend bei der Erarbeitung einer Organismenordnung war für Linné neben dem Bedürfnis, die naturgegebenen Verhältnisse wahrheitsgetreu abzubilden (was die Konkretisierung betreffend gleichwohl eine Menge offen ließ), der praktische Sinn: Das angestrebte Modell war dazu bestimmt, einen unkomplizierten (leichten, schnellen) und dabei zuverlässigen (sicheren) Ordnungsvorgang hinsichtlich der Bestimmung und Wiedererkennung von Exemplaren zu ermöglichen;481 auch sollte es dem Anspruch auf Übersichtlichkeit482 genügen.483 Besonderes Gewicht bei der Wahl der Einteilungskriterien wurde dementsprechend augenfälligen bzw. leicht feststellbaren Merkmalen zugemessen.484 Die zur Einteilung von Arten in Gruppen herangezogenen Merkmale kamen damit mehr oder weniger jenen Merkmalen gleich, die in der gegenwärtigen Biosystematik den Zweck diagnostischer Merkmale erfüllen.485 Daß die auf dieser Grundlage gebildeten höheren Einheiten in der Regel nicht jenen entsprachen (ja entsprechen konnten), welche die heutige Biosystematik (aner-)kennt, mag an zwei Beispielen aus Linnés ‚Systema naturae‘ (erste Auflage: 1735) illustriert werden. Das erste Beispiel nimmt Bezug auf das dort enthaltene, sogenannte Sexualsystem der Pflanzen und wird von mir zitiert nach der Fassung von Weberling / Stützel; die Autoren schreiben: „In diesem, 24 Klassen umfassenden System werden einer Klasse von blütenlosen Pflanzen (Kryptogamia) 23 Klassen von Blütenpflanzen (Phanerogamia) gegenübergestellt. Die Einteilung in diese 23 Blütenpflanzenklassen richtet sich nach der Verteilung der Geschlechter auf verschiedene Blüten, nach Zahl und Längenverhältnis-

___________ 479 Vgl. etwa Troll / Meister (1952: 109); Baron (1968: 20 und 24); Remane (1968: 39); Oeser ([1974] 21996: 31); Mayr (1997 / 1998: 186 f.). 480 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 5) sowie ders. (1968: 39). 481 Vgl. dazu etwa Oeser ([1974] 21996: 26 ff.). 482 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 5). 483 Unter lebenspraktischen Gesichtspunkten bezeichnet sind damit jeweils unbedingt ernstzunehmende Desiderate. (Vgl. etwa Mayr 1997 / 1998: 186.) 484 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 16); außerdem etwa Mayr (1997 / 1998: 187). 485 Vgl. hierzu nochmals den Untertext auf Seite 199 f.

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sen der Staubblätter und anderen derartigen Merkmalen. Dieses einfache Einteilungsprinzip ermöglicht eine rasche und sichere Einordnung von Pflanzen, führt aber dazu, daß z. B. in der Klasse der Tetrandria, die durch 4 Staubblätter charakterisiert wird, unter anderen folgende Pflanzengattungen486 aufgeführt werden: Globularia (Kugelblume), Dipsacus (Karde), Buddleja (Sommerflieder), Sanguisorba (Wiesenknopf), Epimedium (Sockenblume), Trapa (Wassernuß), Cuscuta (Seide), Potamogeton (Laichkraut), davon die ersten sechs sogar in derselben Ordnung Monogynia. Auf der anderen Seite werden Sanguisorba (Wiesenknopf, 4 Staubblätter), Crataegus (Weißdorn, 10 Staubblätter) und Prunus (Zwetschge, 20 Staubblätter), die wir [sprich: die heutigen Biosystematiker; H.M.S.] als Vertreter ein und derselben Familie, der Rosaceae kennen, von Linné auf 3 Klassen verteilt.“487

Das zweite, analoge Beispiel bezieht sich auf die in den ersten beiden Auflagen des erwähnten Linnéschen Werks in der Unterabteilung Aptera (‚Flügellose‘) der Insekten vereinigten Gattungen „Pediculus, Pulex, Chermes, Podura, Acarus, Araneus, Oniscus, Cancer, Scolopendra, also Läuse, Flöhe, Blattläuse, Springschwänze, Milben, Spinnen, Asseln, Krabben und Tausendfüßler!“488

Zur entsprechenden Verdeutlichung der im Prinzip bereits bekannten Sachverhalte: Beide Fälle müssen als Exemplifikationen eines fehlenden Strukturzusammenhanges gelten, insofern die definierten Angehörigen dieser makrotaxonomischen Einheiten so verschieden sind, daß für sie über das jeweils uniformitätsbildende Kriterium hinaus – die Vierzahl der Staubblätter einerseits, die Flügellosigkeit andererseits – kein Netz von systematisch bedeutsamen weiteren gemeinsamen Nennern auszumachen ist.489 In diesem Sinne bildet das Tetrandria- bzw. Aptera-Beispiel gegenüber dem Dytiscus-Beispiel den buchstäblichen Gegenpol: An Generalisierungen bzw. Prognosen (Rekonstruktionen) hinsichtlich der Merkmalsausstattung der Angehörigen beider supraspezifischen Gruppierungen – an Leistungen mit anderen Worten, die in der heutigen ___________ 486 Die für gewöhnlich wiederum aus mehreren, in der folgenden Aufzählung gleichwohl nicht benannten Arten bestehen. Nichtsdestoweniger mag anläßlich dieses Beispiels die Information sachdienlich erscheinen, daß gemäß der binären Nomenklatur der wissenschaftliche Name eines Organismus aus zwei Begriffen besteht: dem Gattungsnamen und dem Artnamen (einem attributiven Term bzw. Epitheton) – „gleich dem menschlichen Familiennamen und dem Vornamen des täglichen Lebens […]“ (Linné, 1751; zitiert nach Jahn, Hg. [1982] 31998: 239). Erkennbar werden (bzw. werden sollten) dank dieser Registrierung also sofort die beiden „fundamentalen Taxa der Hierarchie des Systems“ (Siewing, Hg. [1962] 31985: 54). 487 a: Weberling / Stützel (1993: 15; meinerseits übernommen ohne Kursivierungen.) b: Ursprünglich entstammt das angeführte Beispiel – was zu erwähnen die beiden Herren unterlassen – einer Publikation Remanes (siehe ders. [1952] [21956] 1971: 5). Dasselbe gilt für die Zitation des folgenden, zweiten Beispiels. 488 Weberling / Stützel (1993: 16) bzw. Remane ([1952] [21956] 1971: 5). (Meinerseits übernommen ohne Kursivierungen.) 489 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 5).

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Biosystematik nicht nur gern als triviale Selbstverständlichkeiten gewertet, sondern mit analoger Attitüde auch vorausgesetzt werden490 – ist hier nicht zu denken.491 Die zitierten Beispiele machen vielmehr deutlich, daß Linnésche Gruppierungen auch im Bereich der Makrotaxonomie492 keine Verallgemeinerungseinheiten im heutigen Sinne (inklusive der diesen inhärenten Potentiale) offerieren. Darüber hinaus lassen die beiden Beispiele erkennen, daß das Wort ‚System‘, wie es von Linné gebraucht wird, gegenüber seiner heutigen Verwendungsweise durch die Biosystematik auf eine grundverschiedene logische Struktur verweist.493 Aus heutiger Sicht jedenfalls manifestiert sich im Gesamtgefüge des Linnéschen Ordnungsmodells der Vorgang des Klassifizierens494 (Elemente werden nach gemeinsamen Charakteren zusammengestellt495), nicht der Vorgang des Systematisierens496 (Elemente werden Elementstellen zugeordnet; ein Elementegesamt wird in einen Strukturzusammenhang gebracht497) – und damit insgesamt ein Ordnungsmodell von vergleichsweise ärmerem Informationsgehalt498. Was zu guter Letzt die diagnostische Kraft des Linnéschen „Systems“ betrifft, so ist hervorzuheben, daß es trotz der seinerzeitigen Handhabungsvorteile heute nur noch historische Bedeutung besitzt499; die entspre___________ 490

Vgl. Ax (1984: 309). Es ist allein der historische Vergleich, welcher diese heutigen Möglichkeiten der Biosystematik als Errungenschaften kenntlich werden (und dementsprechend dann auch würdigen) läßt. Allein ein historisches Bewußtsein – mit anderen Worten – bleibt der Tatsache eingedenk, daß besagte Möglichkeiten eben nicht schlechterdings als trivial und selbstverständlich zu werten sind, selbst wenn sie aus heutiger Perspektive so erscheinen mögen. Auf einem gänzlich anderen Blatt geschrieben steht, daß (wie offensichtlich bei Ax der Fall) der eine oder andere in dieser Sache sich mit einer reinen Gegenwartsbetrachtung eingerichtet und sich an die der Gegenwart verfügbaren Aktionsräume längst gewöhnt hat. – Anerkennenswerterweise noch nicht zu solcher Alltäglichkeit verkommen ist das Empfinden des den genannten Möglichkeiten immanenten Leistungscharakters beispielsweise bei Remane ([1952] [21956] 1971); siehe ebd.: 4 f. 492 Für den Bereich der Mikrotaxonomie war dies am Problem des Polymorphismus bzw. der Zwillingsarten nachgewiesen worden (vgl. die Argumentation auf Seite 206). 493 Vgl. hierzu auch Baron (1968: 22). 494 Siehe oben, Seite 179. 495 a: Vgl. Mitglieder des philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf (1968: 150 f.). b: Das Elementegesamt ist – um es in der Sprache Kants zu formulieren – ‚gehäuft (coacervatio)‘ (KrV, [1781] 21787: B 861 / III, 539). 496 Siehe nochmals oben, Seite 179. 497 a: Vgl. Mitglieder des philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf (1968: 151). Siehe zugleich nochmals oben, Seite 180, Fußnote 346 a. b: Das Elementegesamt ist – um es in der Sprache Kants zu formulieren – ‚gegliedert (articulatio)‘ (KrV, [1781] 21787: B 861 / III, 539). 498 Vgl. Mayr (1997 / 1998: 187). 499 Vgl. Walter ([1948] 21952: 10). 491

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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chende Funktion, die das System der organischen Natur definitionsbedingt nicht mitübernehmen kann, deckt die gegenwärtige Biosystematik durch die Anfertigung von Bestimmungsschlüsseln ab.500 Die absichtliche Bezugnahme auf den Klassifikationscharakter des Gesamtgefüges des Linnéschen Ordnungsmodells will der Tatsache Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß dieses auch und bereits Gruppierungen enthielt, die als Einheiten in nach heutigen Maßstäben gültige Systematisierungsversuche der lebenden Natur eingegangen sind.501 Es handelt sich bei diesen Einheiten um Gruppierungen, die einer unbefangenen Betrachtung für selbstverständlich gelten502, da sie ungewöhnlich gut gegen andere Einheiten ausgewiesen sind. Die Frage etwa, ob man bei einem Buntspecht, einer Nachtigall, einem Star oder einem Zilpzalp Vögel vor sich hat oder nicht, erhebt sich nie. Mit Säugetier- oder Insektenarten könnten sie nicht wirklich verwechselt werden. Im Pflanzenreich stellen die Schmetterlingsblütler eine vergleichbar gut abgegrenzte Gruppe dar.503 Bei aller Unbestreitbarkeit dieses Faktums muß allerdings gesehen werden, daß es einen entscheidenden Unterschied macht, ob man vereinzelte Gruppen oberhalb der Artebene erkennt, weil die Evolution in diesen Fällen sozusagen wohlgeordnet verfahren ist und wohlabgegrenzte Taxa hervorgebracht hat, ohne daß gleichwohl eine naturwissenschaftliche Ursache für dieses Phänomen angeführt werden könnte, oder ob man um diese Ursache weiß, womit die breitangelegte Aufdeckung von Zusammengehörigkeitsverhältnissen erst ihre entscheidende Direktive bekommt.504 Die eigentliche Herausforde-

___________ 500

Vgl. in diesem Zusammenhang nochmals oben, den Untertext auf Seite 199 f. bzw. Baron (1968: 22). 501 Vgl. hierzu Troll / Meister (1952: 110). 502 Vgl. Remane ([1952] [21956] 1971: 15 f.). 503 Vgl. ebd.: 16. 504 a: Die Feststellung steht in keinem Widerspruch zu der geschichtlich sicheren Information, daß „sich die vergleichende Anatomie und die auf ihr beruhende Verwandtschaftsforschung mit Homologien sowie die Anfänge der […] Systematik historisch vor und unabhängig von der Phylogenetik entwickelt haben“ (Storch / U. Welsch [1976] 51997: XIX); das gleiche gilt im Hinblick auf die geschichtlich ebenfalls sichere Information, daß die Phylogenetik „zunächst keine ihr eigene Forschungsmethode [schuf], [sondern sich; H.M.S.] der Ergebnisse der Verwandtschaftsforschung der vergleichenden Anatomie [bemächtigte] und […] diese deszendenztheoretisch um[formulierte]“ (ebd.). Vgl. dazu auch Remane ([1952] [21956] 1971: 10 f.). b: Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch folgende Bemerkung Remanes ([1952] [21956] 1971: 22): „Die vergleichende Anatomie hat von der Antike bis Ende des 18. Jahrhunderts in naiv-empirischer Weise gearbeitet und dabei beachtliche Leistungen erzielt. Erst später erwachte sie zum Bewußtsein ihrer methodischen Probleme. Daß trotzdem mit Erfolg gearbeitet werden konnte, beruht auf der Tatsache, daß die vergleichende Anatomie nicht unter dem Zwang stand, die gesamte Welt der Lebewesen in einem System […] zu [er]fassen, sondern sich auf die Einzelprobleme beschränken konnte, die ihrer Arbeitsweise leicht zugänglich waren.“ c: In diesem Sinne darf hier für den mikrotaxonomischen Bereich nachgetragen werden, daß es nicht dasselbe ist, ob man tokogenetische Beziehungen zwischen Organismen erkennt – vielfach war dies bereits in den ältesten biologischen Ordnungsversuchen der Fall [Analoges gilt im übrigen für ontogenetische Zusammenhänge. So „kennt schon der ägyptische Papyrus Ebers die Entwicklung des Scarabäus aus dem Ei, die der Schmeißfliege aus der Larve und die des Frosches aus der Kaulquappe. Keinem der alten Systematiker wäre es eingefallen, wegen der bestehenden morpholo-

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

rung beginnt schließlich bei der Umsetzung der weniger selbstverständlichen Variationen, Lücken und Übergänge in eine Hierarchie höherer Taxa505 bzw. beim Nachweis der großen Brücken zwischen den entfernteren Formen der Lebewesen.

Zwar nur von historischer Bedeutung ist, aber erwähnt werden darf in diesem Zusammenhang noch der Sachverhalt, daß Linné selbst nicht nur ein volles Bewußtsein von dem Gegensatz zwischen Klassifikation (was – wie gesagt – sein ‚Systema naturae‘ aufs ganze gesehen war) und System besaß, sondern daß er auch den beschränkten Wert seines eigenen Ordnungsentwurfes vor Augen hatte und dementsprechend einen anderen forderte506, ohne jedoch das dafür erforderliche Einteilungsprinzip bereits zu kennen. Es war zuletzt versucht worden, die makrotaxonomische Differenz zwischen beiden Ordnungsentwürfen (jenem Linnés und jenem gegenwärtiger Biosystematik) herauszuarbeiten. Zu einer zusätzlichen Erhellung des Verständnisses mag es beitragen, den Blick für einen kurzen Moment auf ein Feld außerhalb der Biologie zu richten, um ihn abschließend wieder auf dieses zurückzuwenden. Klassifikationen sind (wie im Alltag, so auch) in der Wissenschaft eine unentbehrliche Voraussetzung für Handlungsfähigkeit. Sie intendieren in erster Linie die reibungslose und schnelle Bestimmung ihrer jeweiligen Gegenstände und ermöglichen diese, indem bei der Klassendefinition leicht erkennbare Differenzmerkmale herangezogen werden. Klassifikationen sind im positiven Sinne Mittel zum Zweck: Sie schaffen jene Übersicht, die (zum anderweitigen Nutzen) operative Freiheitsgrade erhöht. Deutlich wird dies am besten anhand eines Beispiels: Die Errichtung einer Bibliothek (als einer Klassifizierung von Büchern) darf – unter Absehung von ihrem ästhetischen Wert – gelten als die Bereitstellung eines Werkzeugs in der Absicht, intellektueller Arbeit eine effiziente Grundlage zu geben. Ohne die Separierung von Sachbereichen (= Klassen), die in der Vergabe von Standortsignaturen ihren signifikanten Ausdruck hat, bliebe eine Bibliothek eine „diffuse Masse von Texten“507. Daß die jeweils vorgenommenen Einteilungen ‚kontingent‘508 sind (und deshalb von Bibliothek zu Bibliothek unterschiedlich ausfallen können) und daß sie – eben weil sie nicht „in sich zwingend und evident“509 sind – sich auch nicht „in absoluter Konsequenz, ohne Leerstellen, Überschneidungen

___________ gischen Unterschiede etwa die Jugendformen der Tiere an anderer Stelle unterzubringen als die einander vielfach ähnlicheren zugehörigen Altersformen, soweit eben der genetische Zusammenhang ihm schon bekannt war“ (Hennig [1960] 1982: 19 f.).] –, oder ob man das Artkonzept auf das Kriterium der tokogeneti-

schen Verwandtschaft gründet. 505 Ganz zu schweigen von den durch die „special freaks“ der Evolution – wie beispielsweise das Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus) – aufgeworfenen Ordnungsfragen. 506 In der einschlägigen Literatur wurde bzw. wird auf dieses Spannungsverhältnis unter variierender Akzentsetzung immer wieder hingewiesen. Vgl. exempli causa hierfür Vaihinger ([1911] 21913: 26 f.), Walter ([1948] 21952: 10), Remane ([1952] [21956] 1971: 16), Troll / Meister (1952: 110), K. Bloch (1956: 91), Simpson (1961: 54) und Jahn (Hg. [1982] 31998: 242). 507 Angehrn (1996: 281). 508 Vgl. ebd. 509 Ebd.

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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und Diffusitätszonen“510 anwenden lassen, tut gleichwohl dem ‚praktischen Nutzen‘511 keinerlei Abbruch. Jedenfalls würde er in diesem Falle „kaum gesteigert durch eine streng systematisierte, aus einem Prinzip deduzierte Nomenklatur“512. Was Angehrn (dem ich die kenntlich gemachten Kernpunkte dieses Beispiels entlehne) für den Bereich des Bibliothekswesens postuliert, hat unbestrittene Gültigkeit und hilft, den genuinen Wert von Klassifikationen generell herauszustellen. Zum weiteren dient dieses Beispiel aber auch als Anlaß, um darauf hinzuweisen, daß Ordnungsmöglichkeiten in jedem Falle abhängig sind von der jeweiligen Beschaffenheit der zu ordnenden Gegenstände selbst. Chemischen Elementen oder biologischen Organismen jedenfalls wären Artefakte wie Bücher unter diesem Aspekt keinesfalls vergleichbar. Wie sich am Beispiel der Chemie demonstrieren ließe513 bzw. am Beispiel der Biologie dargetan werden konnte, war es gerade eine streng systematisierte, aus einem Prinzip deduzierte Nomenklatur, welche gegenüber dem vormaligen (klassifikatorischen) Zustand dieser Wissenschaften die Effektivität in einem unerhörten Ausmaß steigerte.

(3) Abschließende Koordination von historischem und ethnologischem Diskussionszusammenhang Der Vergleich „primitiver“ mit Linnéschen Ordnungsformen erfolgte ursprünglich (i. e.: von Lévi-Strauss’scher Seite aus) vor dem Hintergrund des Prinzips variabler Einteilungsgründe514 und hatte insofern – die Rückschau auf die unmittelbar zurückliegenden Erörterungen macht dies deutlich – einen ausschließlich makrotaxonomischen Bezug515. Der Sinn der unmittelbar zurückliegenden Erörterungen aber erschöpfte sich nicht in dieser Klarstellung; darüber hinaus bestand er vor allem darin – auch dies macht eine entsprechende Rückschau deutlich –, eine desiderable Sensibilität für das entscheidende ‚Principium divisionis‘ der heutigen Biosystematik (die Abstammungslehre bzw. die phylogenetische Perspektive)516 zu entwickeln. Was folglich im Anschluß an die direkt zurückliegenden Erörterungen besondere Aufmerksamkeit verdient, ist ein Umstand, der wie das Zusammentreffen zweier paradoxer Sachverhalte anmuten muß: Zum einen kann die Makrotaxonomie als einer jener Bereiche angesprochen werden, innerhalb derer sensu Simpson die Biologie wesentliche Ordnungsaufgaben wahrnimmt;517 zum anderen greift Lévi-Strauss – wie man sich erinnern wird – in dem Anspruch, ___________ 510 511 512 513 514 515 516 517

Angehrn (1996: 281). Vgl. ebd.; keine Hervorhebung im Original. Ebd. Siehe hierfür erneut Ströker (1968). Vgl. oben, die Argumentation auf Seite 134 f. bzw. auf Seite 122. Vgl. zur Begrifflichkeit nochmals oben, Seite 204 f. Vgl. oben, Seite 192, die Argumentation um Fußnotennummer 399. Vgl. erneut oben, die Argumentation auf Seite 204 f.

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„primitive“ und „zivilisierte“ Denkformen ‚unter dem Blickwinkel der gemeinsamen Eigenschaften‘ zu sichten, auf keinen anderen als eben diesen Autor (also Simpson) zurück.518 Besonderes Interesse verdient dieser Umstand insofern, als damit feststeht, daß das Einteilungsprinzip der modernen Biosystematik (die phylogenetische Perspektive) – jenes Prinzip also, auf das Lévi-Strauss selbst (aus gutem Grund?) nicht zu sprechen kommt – nichts Nachträgliches, kein gewissermaßen in seine Argumentation von außen Hineingetragenes, Fremdes darstellt, sondern daß dieses Einteilungsprinzip seiner Argumentation tatsächlich – wenn auch in latenter Form – immaniert. Somit und folgerichtig gibt dieses Einteilungsprinzip nicht nur einen direkt von der Sache, sondern indirekt auch von Lévi-Strauss selbst her gerechtfertigten Beurteilungsmaßstab ab. Der Vergleich „primitiver“ mit Linnéschen Ordnungsformen erfolgte – dies sei hier wiederholt und betont – von seiten Lévi-Strauss’ vor dem Hintergrund des Prinzips variabler Einteilungsgründe; die Herstellung dieses Bezuges besaß damit ausschließlich makrotaxonomische Relevanz. Dessenungeachtet lassen die zurückliegenden Ausführungen über Linné aber auch noch erkennen, daß die via Lévi-Strauss vermittelten „primitiven“ Formen der Ordnungsbildung in mikrotaxonomischer Hinsicht519 ebensowenig jenen Standards genügten, die die moderne Biosystematik für geboten erachtet: Zwar korrespondieren in den „primitiven“ Gesellschaften den in der Natur beobachtbaren klaren Diskontinuitäten520 dieselben Artabgrenzungen wie in der heutigen Biosystematik auch;521 jedoch gilt dies verständlicherweise nicht (bzw. nur bedingt) für jene Fälle, die oben dem Problemfeld der Zwillingsarten522 (bzw. dem Problemfeld des Polymorphismus) zugerechnet wurden.523 Insofern wäre Lévi-Strauss mit seiner Auffassung, daß die ‚objektive Realität der Diskontinuitäten des genetischen Codes‘524 „in den Werken der Natur wie in den Konstruktionen des Geistes wirkt, um die unbegrenzte Skala des Möglichen einzuschränken“525, auch nur unter Vorbehalt zuzustimmen.526 Unter dem Aspekt mikrotaxonomischen Leistungsvermögens bzw. mikrotaxonomischer Leistungsgrenzen führt also die zurückliegende Auseinanderset___________ 518

Vgl. oben, Seite 116, den Text um Fußnotennummer 93. Vgl. auch hier oben, die Argumentation auf Seite 204 f. 520 Vgl. oben, Seite 121, den Text um Fußnotennummer 110. 521 Vgl. Mayr (1988 / 1991: 207). 522 Die hierfür angeführten Anschauungsfälle etwa stellten (was mehr oder weniger hypothetisch bleibt) „primitive“ Ethnien – nicht anders als eben auch einen Linné – vor gänzlich unlösbare Probleme. 523 Siehe erneut Seite 206 bzw. Seite 194 ff. 524 Vgl. MIV / dt: 795 / MIV / frz: 605. 525 Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 526 Vgl. in dem Zusammenhang auch WD: 161 f. / PS: 181. 519

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zung mehr oder weniger zwangsläufig zu der Erkenntnis, daß auch noch in einer zweiten, von Lévi-Strauss’ einziger und ursprünglicher Bezugnahme völlig unabhängigen Hinsicht eine gewisse Vergleichbarkeit „primitiver“ mit Linnéschen Formen der Ordnungsbildung gegeben ist – selbst wenn nicht davon ausgegangen werden kann bzw. sollte, daß der theoretische Hintergrund des Linnéschen Artkonzeptes demjenigen „primitiver“ Gesellschaften irgend näher vergleichbar ist. Über die entsprechenden Vermögen bzw. Grenzen indessen definitiv erschlossen werden kann – um den Vergleichsinhalt zumindest dahingehend näher zu bestimmen –, daß jedenfalls die „Primitiven“ nicht auf der Grundlage eines biologischen Artkonzeptes operieren – jenes Artkonzeptes also, das für die heutige Biosystematik im mikrotaxonomischen Bereich den Orientierungsmaßstab bildet.

cc) Ermessensspielräume der Interpretation. Die Frage nach dem Wissenschaftsverständnis (1) Vorbereitung Geleistet wurde mit den zurückliegenden, biotheoretischen Ausführungen ein nicht unbeträchtliches Stück Übersetzungsarbeit. Die dabei akkumulierten Informationen ließen die Differenz zwischen „primitiven“ bzw. diesen in gewisser Hinsicht vergleichbaren Linnéschen Ordnungsabsichten einerseits und den Ordnungsvorstellungen der heutigen Biosystematik andererseits unübersehbar werden. Daß diese Differenz – Ergebnis letztlich einer ‚naiven Art der Vergleichung‘527 – wiederum völlig unterschiedlich ausgelegt werden kann, bildet den in der Sache verbleibenden und hinsichtlich der Frage der Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens entscheidenden Streitpunkt. Beleuchtet werden soll er im folgenden aus der Perspektive zweier prinzipiell denkbarer und hier ganz bewußt in ihrer idealtypischen Form konstruierter Einstellungen.

(2) Der dogmatische Standpunkt Zu rechnen wäre einmal mit der dogmatischen Einstellung desjenigen, der zur Voraussetzung für eine Rehabilitierung die mehr oder weniger vollständige Erfüllung „zivilisierter“ Erwartungen bzw. die mehr oder weniger vollständige Transformation „primitiver“ Denkgewohnheiten macht und für den mithin die Lévi-Strauss’schen Untersuchungen im Trivium des immer schon Gewußten ___________ 527 Vgl. Gadamer ([1960] 61990: 367). Vgl. dazu außerdem H. H. Ritter (1970: 123 f.).

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

enden. Empfunden würden „primitive“ Denkgewohnheiten als „externe Provokation“, und reagiert würde auf sie mit rigider Abschirmung gegen jede Reflexion auf den eigenen wissenschaftlichen Standort in seiner sowohl historischen wie kulturellen Gewordenheit, Sinnhaftigkeit und damit Relativität. Die zur Bewertung angesetzten eigenen biosystematischen Maßstäbe, Probleme und Potentiale, ihre Berechtigung und Wünschbarkeit wie auch die übernommene Rolle der Beurteilungsinstanz rangierten im letzten als ein statusmäßig Unantastbares, Selbstverständliches, welches über jede Kritik erhaben und von jeder Hinterfragung ausgeschlossen bliebe. Was sich in seiner Dignität – in diesbezüglich jeder Hinsicht – auszuweisen hätte, wäre allein das „Primitive“. Nicht anerkannt aus solcher Perspektive etwa würde, daß zumindest bestimmte biosystematische Leistungen innerhalb sogenannter Primitivkulturen funktionslose Topoi bildeten und bilden; und als irrelevant abgewiesen würde dementsprechend auch die folgende Überlegung bzw. Frage: „Primitivkulturen“ spezialisieren sich – als Lokalkulturen – auf das Studium von Lokalfloren und Lokalfaunen. Inwiefern folglich hätten sie in ihrer Geschichte Veranlassung gehabt und was vor allem hätte es ihnen bringen sollen, ein System zu entwerfen, dessen dezidiertes Ziel die Erfassung sämtlicher Organismen dieser Erde ist?528 Die von Lévi-Strauss verfolgte zweite Strategie einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens wäre also gewissermaßen von vorneherein zum Scheitern verurteilt: Weit davon entfernt, wirklich ernst genommen zu werden, erschiene die von Lévi-Strauss angestrengte Interpretation ethnobotanischen und ethnozoologischen Materials – einschließlich der unter dem Namen Linné symbolisch konzentrierten „Spitzen“ – als eine Form der weichen Manipulation, im zugewandtesten Fall als eine Art Kalligraphie in humanistischer Absicht.

(3) Der offene Standpunkt Zu einem deutlich anderen Ergebnis gelangte die Einschätzung demgegenüber dort, wo mit der Einstellung desjenigen gerechnet werden könnte, der über die grundsätzliche Bereitschaft, sich verunsichern zu lassen, über die grundsätzliche Fähigkeit, eine Erschütterung des für ihn zur Usance Gewordenen zuzulassen, entweder aktiv oder latent verfügt. Beispielsweise allein ein unter solchen Umständen freigegebener Blick auf die Geschichte der wissenschaftlichen Biologie von Linné bis heute würde dann in selbstkritischer Weise lehren können, daß das, was die Wissenschaftlichkeit von Wissenschaft des genaueren ___________ 528 Vgl. in dem Zusammenhang auch MB: 31 / MM: 19; außerdem Mühlmann (1964: 112).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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ausmacht, bereits innerhalb unserer eigenen Kultur eine keinesfalls gesicherte Sache darstellt.529 Denkbar wäre zumindest, daß die daraus der Möglichkeit nach resultierende größere Bescheidenheit bei der Modellierung des eigenen Selbstbilds sich auch in einer größeren Behutsamkeit und Toleranz im wertenden Umgang mit fremdkulturellen Denkgewohnheiten auswirkte. Eine entsprechende Einstellung, die aus dogmatischer Perspektive nur den Anschein dekadenter Nachgiebigkeit, wenn nicht gar der Selbstprimitivisierung erwecken könnte, hätte im übrigen nicht zwangsläufig schon billige Zugeständnisse an das Fremde zur Folge: Denn ein beschwichtigendes Argument wie etwa dies, daß bestimmte biosystematische Leistungen innerhalb „primitiver“ Kulturen funktionslose Topoi bilden – und zwar auch noch unter den gewandelten Bedingungen ihrer stärkeren Einbettung in globale Zusammenhänge –, würde selbst von einem offenen Standpunkt her kaum wirklich mehr befriedigen (sofern nämlich sich nicht bestreiten ließe, daß wiederum bestimmte andere biosystematische Leistungen durchaus im Sinne, zum Nutzen und Wohle solcher Kulturen würden zum Einsatz gelangen können). Eine offene Einstellung, so sehr gewiß man sie aus dogmatischer Sicht mit Verachtung strafte, erschiene aber auch nicht zwangsläufig schon als Abbild einer Schwäche: Denn aus der mit dieser Einstellung einhergehenden, generell zu größerer Vorsicht im Urteil gemahnenden Haltung resultierte weniger ein Absinken des eigenen Reflexionsanspruchs; besagte Haltung würde die Herausforderung „zivilisierter“ Selbstreflexion vielmehr – umgekehrt – in einer überaus unbequemen Weise steigern helfen, indem nämlich sie hinterfragen ließe, ob etwa die Überwindung taxonomischer Kontingenz durch die „Zivilisierten“ der lebensweltlichen Dienstbarkeit des Denkens wirklich anhaltend, langfristig und in jeder Hinsicht zum Vorteil gereicht.530

dd) Zurückgestellte Einwände. Zur angemessenen Versicherung der Legitimität des durchgeführten Vergleichs Die erarbeitete biotheoretische Informationsgrundlage hat der These von der Vergleichbarkeit bestimmter „primitiver“ Ordnungsentwürfe mit einer ‚einfachen Linnéschen Klassifizierung‘ (so der ursprüngliche Wortlaut531) nicht nur ___________ 529

a: Vgl. in diesem Zusammenhang Hinske (1975: 162 f.). b: Auch scheint ja – wovon die entsprechende Publikationslandschaft ausreichend zeugt – nicht einmal die Interpretation historischer Ordnungsentwürfe der Biologie eine völlig unumstrittene Angelegenheit zu sein. 530 Vgl. hierzu auch Angehrn (1996: 283 f.). 531 Siehe oben, Seite 135 (in Anlehnung an Thomson formuliertes Lévi-Strauss-Zitat).

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eine gewisse Bedeutung verliehen, sondern auch das Feld des wertenden Umgangs mit den durch Lévi-Strauss postulierten ethnologischen Fakten betreten lassen. Nun bieten indessen die absolvierten Verfahrensschritte auch Anlaß – so zumindest scheint es –, um hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit in einem grundlegenden Sinne in Zweifel gezogen zu werden. Schüren jedenfalls ließe sich der Eindruck einer Triftigkeit solcher Infragestellung durch eine Gesinnung, welche den angestellten Vergleich für den unmittelbaren Beweis romantizistischer Verklärtheit nähme, insofern er ein Sich-Versteifen auf positive Ausnahmeerscheinungen (wie eben die diagnostizierbare Nähe zu Linné) statt ein SichKonzentrieren auf den Querschnitt ethnologischer Wirklichkeit (die intellektuellen Produktionen „unterhalb“ dieses Niveaus) rekonstruieren lasse. Öffentlichen Sukkurs fände eine solche Gesinnung allemal, ist der ethnologische Discounthandel doch voll von Berichten, die sie zu validieren trachten. Man denke hier nur an die mit ironischer Feder verfaßten Tagebuchaufzeichnungen des britischen Ethnologen Barley über seine Erlebnisse bei den Dowayos, einer Ethnie im Norden Kameruns; zitieren will ich aus der daraus entstandenen Veröffentlichung den folgenden Auszug: „Die schlichte Wahrheit ist, daß die Dowayos über die Tiere im afrikanischen Busch weniger wußten als ich. Als Fährtensucher konnten sie eine Motorradspur von den Fußabdrücken eines Menschen unterscheiden, aber das war dann auch schon der Gipfel ihrer Leistungskraft. Wie die meisten Afrikaner hielten sie Chamäleons für giftig. Kobras erklärten sie für harmlos. Sie wußten nicht, daß aus Raupen Schmetterlinge werden.532 Sie konnten nicht einen Vogel vom anderen unterscheiden, und kein Verlaß war auf sie, wenn es galt, einen Baum genau zu bestimmen. Für viele der Pflanzen hatten sie keinen Namen, auch wenn sie ganz oft Gebrauch von ihnen machten, und um sich auf diese Pflanzen zu beziehen, bedurfte es langwieriger Erläuterungen: ‚Jene Pflanze, die nötig ist, um die Rinde zu bekommen, aus der man das Färbemittel macht.‘“533

Die beschriebenen Negativbefunde sind – davon soll hier einmal ausgegangen werden – hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes nicht anzuzweifeln. Sicher sein können sie sich in jedem Falle eines hohen Unterhaltungswerts. Der mit ihnen angerichtete Flurschaden allerdings ist gleichermaßen beträchtlich, solange jedenfalls man (auf der Rezeptionsseite) dahin tendiert zu glauben, daß ein so eingestellter Fokus der den gestellten Problemen gemäßere ist. Auch und gerade im Kontext der laufenden Diskussion übersieht man gern, daß negativen Befunden ein per se keineswegs höheres Maß an Authentizität ___________ 532 Vgl. in diesem Zusammenhang – allerdings rein thematisch veranlaßt (und daher nicht unter dem Aspekt einer ironischen Kaprice) – auch Thurnwalds (1913) Verwunderung über ‚die Melanesier‘ (beschrieben in Mühlmann 1936: 361 f. und in ders. 1966 b: 162). 533 Barley (1986 / [1990] 21998: 124).

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zugebilligt werden kann, nur weil sie die positiven überwiegen mögen. Was in einer unter solchen Umständen leicht hergestellten Situation der Verunsicherung bezüglich des angemessenen Fokussierungskriteriums not tut, ist vor allem jene grundlegende Besinnung auf die Frage, was bei interkulturellen Vergleichen legitimerweise womit verglichen werden kann. Ein nur halbwegs selbstkritisches Nachdenken zeigt dann: Es geht nicht an, sich der Negativdarstellung des Fremden (sei es bestimmter Individuen, bestimmter Ethnien oder eines pauschalen Inbegriffs) zu bedienen, solange es zur eigenen Imagepflege gehört, daß man sich (auch hier wiederum je nachdem: als Individuum, Gruppe oder kulturelle Gesamtheit) ausschließlich in jenen Feldern zu sehen wünscht, wo man zu konkurrenzloser Hochform aufläuft.534 Einer Grundsatzkritik an der Darstellung von Negativbefunden ist damit selbstverständlich nicht schon das Wort geredet.535 Was aber im Kontext interkultureller Vergleiche geklärt sein sollte, ist, unter welchem Aspekt man die thematischen Verhandlungen stattfinden lassen möchte:536 Schwächen und Defiziten als agendarischen Punkten auf der einen Seite sollten Schwächen und Defizite als agendarische Punkte auf der anderen Seite entsprechen. Analoges gälte es umgekehrt für Stärken und Leistungen einzufordern. Ebenso wäre schließlich dem Faktischen (Einzelnen) das Faktische (Einzelne) sowie umgekehrt dem Prinzipiellen (Allgemeinen) das Prinzipielle (Allgemeine) gegenüberzustellen. Und natürlich versteht es sich, daß damit automatisch die Wahl der ethnologischen Vergleichseinheiten präjudiziert, diese also nicht mehr in einem regelrecht beliebigen Sinne möglich ist. Will heißen: Herrscht erst einmal Einhelligkeit bezüglich der thematischen Inhalte bzw. näherhin dann der Aspekte ihres Vergleichs, dann kommt es darauf an, dazu auch die passenden ethnologischen Vergleichseinheiten zu selegieren. Im Hinblick auf die für den Bereich der Biotheorie angestellten Überlegungen kann nun der Gegenstand des interkulturellen Vergleichs auch nochmals unmißverständlich vergewissert werden: Geführt wurde die Diskussion unter ___________ 534 Wo nach diesem Stil verfahren wird, ist der Verdacht berechtigt, daß ein fremdes Negativbild „herhalten“ muß, um die (vermeintliche) Überlegenheit der eigenen Position zu befestigen. 535 Einen völlig anderen Charakter als die oben zitierten Schilderungen Barleys besitzen etwa die von Lévi-Strauss zur Untermauerung seiner Evolutionismus-Kritik ausgebreiteten Negativbefunde bezüglich der südamerikanischen Ethnie der Nambikwara. Vgl. dafür insbesondere StAI: 129 ff. / AStI: 127 ff. 536 Der richtigen Einordnung Barleys halber sei an dieser Stelle noch die Information hinzugefügt, daß die Ergebnisse der von ihm mit wissenschaftlicher Intention betriebenen Aufbereitung seiner Feldforschungen bei den Dowayos separat in ders. (1983) publiziert wurden. (Siehe für einen entsprechenden Hinweis auch Kohl 1993: 415.) – Zu diesen Ergebnissen stehen die oben zitierten Negativbefunde nicht als solche im Widerspruch; die „Unverträglichkeit“ rührt vielmehr wesentlich vom unterschiedlichen Blickwinkel, Anspruch, Charakter und so nicht zuletzt von den unterschiedlichen (zumindest potentiellen) Assoziationsfolgen beider Formen der Darbietung her.

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dem Aspekt der prinzipiellen Leistungskraft zweier Denktypen. Damit aber steht zugleich auch fest, was einer Kritik an der Rechtmäßigkeit der zurückliegenden Verfahrensfolge zu entgegnen bliebe; die zu formulierende Frage lautete: In welchem Maße – würde man vermuten – hat wohl der Thesaurus wissenschaftlicher Biosystematik in den Bildungsschatz der „Zivilisierten“537 Eingang gefunden? Würde es nicht auch hier ein leichtes sein, Belege für vergleichbare Peinlichkeiten in genügender Anzahl aufzuspüren? Entgegnet werden dürfte außerdem mit Devereux, wenn er den springenden Punkt im Vergleich zweier (hinsichtlich ihres jeweiligen „Zivilisationsniveaus“ für grundsätzlich äquivalent erachteter) Ethnien auf der Ebene des Individuums dingfest macht: „Der Entwicklungsgrad einer Zivilisation kann nicht vom kulturellen Entwicklungsgrad ihrer am niedrigsten entwickelten Mitglieder abhängig sein, wie schwer sie auch ansonsten gegenüber der übrigen Bevölkerung ins Gewicht fallen mögen. In Amerika sind es nicht die grobschlächtigen Hinterwäldler aus Kentucky, sondern die besten Akademiker, in Polynesien sind es nicht die unwissenden Fischer, sondern die großen Weisen, die den Entwicklungsstand dieser Zivilisationen zum Ausdruck bringen.“538

ee) Identität und Differenz. Der komplexere Sachverhalt In dem Versuch einer Bilanzierung dessen, was Lévi-Strauss seiner Konzeptualisierung folgen ließ539, steuerte die zurückliegende Erörterung geradewegs zu auf das, was sich im Vergleich zwischen den von ihm so bezeichneten ‚bewußten, sehr komplexen und kohärenten Klassifikationssystemen‘ und den Äquivalenten des sogenannten modernen Denkens an Identischem oder zumindest Teilidentischem bzw. Ähnlichem eruieren ließ.540 Vollziehen ließ sich dieser (legitime) Schritt in der (gleichwohl) naiven Auffassung, daß die Vorgabe, intendiert sei der ‚Blickwinkel der gemeinsamen Eigenschaften‘541, hinsichtlich alles Weiteren gewissermaßen Eindeutigkeiten vorzeichne. Ein nochmals nachhakender Umgang mit den Materialien läßt unter Umständen ein etwas komplexeres Strategiebild des Franzosen entstehen. In einer ihrerseits nicht weniger legitimen Weise erschlossen werden nämlich kann, daß das von Lévi-Strauss konzeptualisierte Tertium einer so geschickten Bestimmung entspricht, daß es damit in der Tat möglich wird, unter dem Etikett von Wissenschaftlichkeit bzw. Systematik nicht nur schließlich oder vorgeblich ___________ 537 Auf welch nähere Spezifikation dieses Abstraktums (Individuum, Gruppe, …) die konkrete Entscheidung dann auch immer fiele. 538 Devereux (1970 / [1974] 1982: 176). 539 Vgl. hierzu nochmals oben, Seite 120. 540 Vgl. hierzu nochmals oben, Seite 173. 541 Vgl. hierzu nochmals oben, Seite 116.

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Identisches, Teilidentisches oder Ähnliches, sondern ebensogut auch Differentes – in allen nur möglichen Schattierungen – oder zumindest Strittiges (gemessen jeweils an den Denkgepflogenheiten der ‚Scientific Community‘) abzuhandeln. Zur kurzen Erinnerung: Zum Bezugspunkt wurde für Lévi-Strauss das nach dem Verständnis Simpsons mit der Sache der Systematik reversible wissenschaftliche Ziel, ‚die Reduktion einer chaotischen Wahrnehmung bis zum höchsten und bewußtesten Punkt zu führen‘.542 Damit, daß Lévi-Strauss das Augenmerk mit Bedacht auf diese für sich gesehen noch hinreichend unbestimmten Formulierungen richtete und mithin ausgeblendet blieb (auch bleiben konnte), was denn Simpson unter ihnen des näheren versteht, hatte er sozusagen einen Generalschlüssel gewonnen, der ihn im Fortgang seiner Untersuchung einigermaßen sicher sein ließ, daß er auf alle ihm angelegenen Phänomene paßte. In auslegungstechnischer Hinsicht war Lévi-Strauss auf diese Weise zumindest keinen Moment länger an jenes dezidierte Verständnis von Wissenschaft bzw. Systematik gebunden, auf das ihn jedes eingehendere Studium Simpsons wie auch das sonstige biotheoretische Schrifttum der Gegenwart kompromißlos hätte festlegen müssen. Das diese Vorgehensweise auszeichnende „Raffinement“ – mit anderen Worten – darf man darin erkennen, daß Lévi-Strauss am entscheidenden Punkt des Versuchs, eine in seinen Augen für interkulturelle Vergleiche taugliche Wissenschaftsnorm zu erarbeiten, sich eines ganz bestimmten Mittels bedient: des Mittels, kein Inkrement an Information zuzulassen. Bezüglich der Entscheidung in der Frage, welche Ordnungsfiguren den geforderten ‚höchsten und bewußtesten Punkt‘ erreichen bzw. welche derselben eine maximale Chaosreduktion verbürgen würden, verschafft ihm dieses Mittel den nötigen Spielraum, die für seine Argumentation erforderliche freie Hand; etwa nach der Devise: Ist man nur gewillt, dann kann das Geforderte viel heißen. Auf solchem Wege wird quasi das Tertium den Verhältnissen angepaßt. Eröffnet ist vermöge dieser Maßnahme nicht nur die Option, innerhalb der Biologie eine Reihe klassifizierender Bestrebungen in den Rang von Systematisierungen zu erheben und damit entsprechende, gewohnte Standards zu „unterlaufen“. Sondern es wird auf solche Weise außerdem möglich, die entsprechenden Egalisierungen in einer beliebigen Hinsicht auch außerhalb des Feldes biologischer Phänomenalität durchzuführen. Der hohe Stellenwert, der dieser zweitgenannten Möglichkeit im Kontext einer Rehabilitation des ‚wilden‘ Denkens zugeschrieben werden muß, ist zu ermessen, wenn man sich erinnert, daß der biologische Code im Rahmen der sogenannten totemistischen Klassifikationssysteme eine frag___________ 542

Siehe erneut oben, Seite 116 (Simpson-Zitat). [Eigentlich ja: ‚die wahrnehmungsmäßige Reduktion von Chaos bis zum höchsten und bewußtesten Punkt zu führen‘. (Vgl. nochmals Seite 117, Fußnote 96 b.)]

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

los unerläßliche, in gewisser Hinsicht auch herausgehobene543, deswegen aber nicht schon präferentielle oder vielleicht gar einzigartige Position innehat.544 Gegenüber dem zunächst, unter Gliederungspunkt aa) vorgezeichneten Bilanzierungsvorschlag545 weist dieser zweite Zugang insofern einen höheren Komplexitätsgrad auf, als er sich nicht damit begnügt, in Lévi-Strauss’ Argumentation nur den Versuch zu sehen, sich an gewohnte Vorstellungen anzulehnen und dabei gegen irgend doch unerreichbare Wissenschaftsideale mehr oder weniger krampfhaft anzukommen. Er steht – ohne sich gegen diese zuerst vorgebrachte Interpretation zu kehren – für die lediglich zusätzliche Interpretation der Lévi-Strauss’schen Argumentation als des Versuchs, ein eigenständiges, alternatives Wissenschaftsparadigma zu etablieren546 und damit dem geforderten Vergleichsmaßstab vermittels eines rhetorischen „Tricks“ zu genügen. (Als idiomatischen Ersatz für diese alternative Wissenschaftsform stipuliert LéviStrauss den Ausdruck ‚bricolage‘, also ‚Bastelei‘547.). – Geltung beansprucht dieser Zugang damit hinsichtlich einer integrativen Interpretierbarkeit der LéviStrauss’schen Argumentation als eines mehrgleisigen Verfahrens. Selbstverständlich ist ein solcher Bilanzierungsvorschlag auch seinerseits der wiederum unterschiedlichen Auslegung und Bewertung fähig. Wiederaufgenommen werden darf hier ein bereits bekanntes Muster: – Wer in der Sache einen dogmatischen Standpunkt einnimmt, dem erscheinen die sogenannten totemistischen Klassifikationssysteme mit der für sie typischen Verquickung unterschiedlicher Seinsbereiche gerade nicht als Exemplifikationen einer erfüllten Norm, sondern weit eher als Paradebeispiele einer Chaosinduktion. Unter solchen Bedingungen vergeben, schiene das Attribut der Wissenschaftlichkeit nur als Pseudonym mißbraucht, unter dem es sich ungehindert betreiben ließe, in die Institution Wissenschaft Dysfunktio___________ 543 Der Bezug gilt hier der vergleichsweisen Häufigkeit der Verwendung des betreffenden Codes, nicht dem nur bedingt aufrechtzuerhaltenden Anspruch auf eine ‚Objektivität‘ bei der Abgrenzung biologischer Arten (vgl. oben, Seite 214, die Argumentation um die Fußnotennummern 520-526). [In diesem (= letzterem) Punkt im übrigen folgt Angehrn (1996: 236) Lévi-Strauss unkritisch.] 544 Vgl. hierzu nochmals oben, Seite 125 f. 545 Vgl. oben, Seite 173 ff., Gliederungspunkt V.2.b)aa) also dieses zweiten Kapitels. 546 Vgl. hierzu auch WD: 27 / PS: 24. 547 a: Ebd.: 29 / Ebd.: 26. b: Vgl. hierzu etwa auch Goody / Watt (1968: 87): „[Lévi-Strauss] unterscheidet zwei Modi wissenschaftlichen Denkens, deren erster (oder ‚primitiver‘) in der ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ besteht, dem praktischen Wissen des ‚Bastlers‘ – der technischen Entsprechung des mythischen Denkens.“ c: Vgl. zur Begrifflichkeit ‚bricoleur‘ / ‚bricolage‘ auch Gardner (1973: 139 ff.). d: Vgl. zum ‚bricolage‘ als ‚Denkmodell‘ besonders Stierle (1971: 457 ff.); daneben Keck (2004 b: 39 ff.).

V. Der Bewertungskontext. Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens

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nen einzuschleusen. Allein von daher könnte man dann schon schwerlich umhin, die dahinter stehende Strategie als kompromittierenden, wenn nicht gar subversiven Akt zurückzuweisen. – Demjenigen dagegen, der in der Sache einen offenen Standpunkt vertritt, geraten die sogenannten totemistischen Klassifikationssysteme zum möglichen Anlaß, um über das Unternehmen Wissenschaft in einer abermals kritischselbstbezüglichen Weise nachzudenken. So könnte sichtbar werden, daß mit der aus dogmatischer Perspektive als ‚Kontamination‘548 empfundenen Verschränkung unterschiedlicher Wirklichkeitsdimensionen eben kein Exklusivmerkmal der sogenannten ‚Wissenschaft vom Konkreten‘ benannt ist, da dieses Verfahren zugleich auf ein Bewertungsproblem verweist, das ihr „zivilisiertes“ Pendant bereits in ihrem eigenen Binnenraum (und also ohne jedes Zutun der „Primitiven“) uneinheitlich austrägt: Handelt es sich etwa bei der Übernahme naturteleologischer Entwicklungsmodelle durch die substantialistische Geschichtsphilosophie um ein legitimes Verfahren oder um eine undurchschaute Projektion? Welche Reaktionen ruft die Adaption eines Theorieverständnisses der Naturwissenschaft durch die positivistische Sozialwissenschaft hervor? Welcher Umgang wird gepflegt in Fällen der Transponierung von Natur in Moral, von Seinsverhältnissen in Sollensaussagen?549 – Denkbar wäre für den Fall solchen Nachdenkens eine bereitwilligere Anerkennung des Unternehmens Wissenschaft in seiner multiplexen Verfaßtheit (bei allen Inkommoditäten, die der damit verbundene Schritt, den zwischen dem „primitiven“ und dem „zivilisierten“ Denktypus geglaubten scharfen Gegensatz aufzugeben550, birgt).551 ___________ 548

Vgl. Angehrn (1996: 269). Formuliert wurden diese Fragen auf der Grundlage entsprechender, von Angehrn vorgebrachter Beispiele. (Siehe ders. 1996: 269; vgl. hierzu außerdem ebd.: 308.) 550 a: Siehe dafür insbesondere Lévi-Strauss in Eribondt: 160 / Eribonfrz: 154: „Ich wollte zeigen, daß sich zwischen dem Denken der sogenannten primitiven Völker und dem unsrigen kein Graben auftut. Als man in unseren eigenen Gesellschaften Bräuche und Glaubensinhalte, die fremd waren und den gesunden Menschenverstand irritierten, aufzuzeichnen begann, erklärte man sie als Spurenelemente oder Überreste von Formen archaischen Denkens. Für mich hatte es im Gegenteil den Anschein, daß diese Denkformen bei uns noch immer gegenwärtig, lebendig sind. Wir lassen ihnen häufig freien Lauf. Sie koexistieren mit anderen Denkformen, die sich auf die Wissenschaft berufen; sie sind mit gleichem Recht zeitgemäß.“ Vgl. hierzu auch noch Eribondt: 179 f. / Eribonfrz: 173; daneben außerdem EStV: 157 und 161 f. / StEP: 106 und 110, StAII: 390 ff. / AStII: 405 ff., DC: 1195 f., StAI: 253 f. / AStI: 254 f., WD: 25-29 und 256 f. / PS: 2125 und 293 f., MII / dt: 522 ff. / MII / frz: 407 f., CP: 351, MB: 31 / MM: 19 sowie MS. b: Siehe im Anhalt an Lévi-Strauss etwa auch Jaeggi (1970: 50) oder Lyotard (1979 / 1986: 66 f.). 551 Die philosophischen und kulturwissenschaftlichen Sachwalter scheinen sich bereits seit geraumer Zeit darin einig zu sein – um hiermit den insgesamt herrschenden Auffassungstrend wiederzugeben –, daß die Denkformen menschlicher Kulturen nicht 549

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

Eine offenkundig selektive Einbeziehung Simpsons war für Lévi-Strauss die Methode, um in der Frage des Umgangs mit dem Problem der Vergleichbarkeit fremder („primitiver“) und eigener („zivilisierter“) Denkformen eine tragfähige Grundlage zu bekommen. Sowohl die Gangbarkeit dieses Weges wie auch das mit einer solchen Entscheidung unter Beweis gestellte strategische Geschick indessen vermögen nichts daran zu ändern, daß das entsprechende Zitat552 im Keim zumindest auch einen trennenden Aspekt bereits birgt. Zu entwickeln ist die darin angelegte Differenz im Ausgang von der Tatsache, daß Simpson begrifflich nicht nur mit dem Gegensatzpaar Ordnung / Unordnung arbeitet, sondern daß er sodann und vor allem auch den Eindruck erzeugt, als stünden die Termini Unordnung und Chaos553 für austauschbare Qualitäten. Welche Spezifika an diesen terminologischen Modus operandi auf der Bedeutungsebene angeschlossen sind, enthüllt sich bei Kenntnisnahme weiterer Argumentationsbestände: Für Simpson bezeichnen der vom modernen Wissenschaftler empfundene Zustand der Ordnung wie auch der Zustand der Unordnung (bzw. des Chaos) die jeweils unterschiedlichen Wahrnehmungszustände einer komplexen Datenmasse554, womit feststeht, daß beide Alternativen gleichermaßen als Repräsentanten der Dimension des Seins fungieren. Was im besonderen den Zustand der Unordnung (bzw. des Chaos) betrifft, so wird diesem eine den Ordnungsakt ermöglichende Funktion, ein diesbezüglich kreatives Potential zugeschrieben.555 Gerade weil Simpsons Gegenüberstellung der Begriffe Ordnung und Unordnung sowie seine Auffassung von der Synonymisierbarkeit der Begriffe Unordnung und Chaos (einschließlich der genannten Spezifikationen) mit den „zeitgemäßen“ Vorstellungsbahnen konvergiert, ist – mit Angehrn – noch an eine andere, weit ältere Verstehenstradition zu erinnern: „Die gängige Opposition von Chaos und Ordnung ist nicht die tiefste und letzte Disjunktion, weder logisch noch existentiell. Chaos im Wortsinn, in dem der Terminus bei Hesiod noch greifbar ist, heißt nicht Unordnung, sondern die klaffende Leere, der gähnende Abgrund. Basaler als die Genese von Ordnung ist die Abtrennung von Sein und Nichtsein, das Heraustreten des bestimmten Seienden aus dem formlosen Urgrund.“556 Erfahren wird das Chaos dort, wo man den Begriff in diesem etymologischen Sinn trifft, nicht als Zersetzung einer strukturierten Ganzheit in ihre unkoordinierten Elemente (was genau auf Simpsons Linie liegt), sondern in einem durchschlagenderen Sin-

___________ nur stets und überall eine Mischung aus mythologischen und rationalen Elementen waren bzw. sind, sondern daß auch für eine ganze Reihe von aus europäischer Sicht für wissenschaftlich gehaltene Annahmen gilt, daß diese keinen anderen Status als eben den von Mythen haben. (Vgl. dafür Holenstein 1985: 199; siehe außerdem Goody / Watt 1968: 87.) 552 Vgl. nochmals oben, Seite 116. 553 Verwendet wird im englischen Originaltext – anders als in der französischen und in der wiederum an diese angelehnten deutschen Übersetzung – das Substantiv. (Vgl. in dem Zusammenhang auch nochmals Seite 117, Fußnote 96 b.) 554 Vgl. Simpson (1961: 5). 555 Vgl. ebd.: Fußnote. 556 Angehrn (1996: 202). (Siehe hier auch nochmals Seite 43, Fußnote 28 im Kapitel ‚Propädeutik‘.)

VI. Beschluß

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ne: als drohende Regression in den alles verschlingenden Grund, ins Nichts.557 Komplementär dazu zeigt sich in all jenen Kontexten, in denen diese ursprüngliche Bedeutung Gültigkeit hat, die Überwindung des Chaos kaum als je abschließbare, ein für allemal zu erledigende Aufgabe; vielmehr behält unter solchen Vorzeichen der Vorgang der Seinskonstitution bzw. Seinssicherung den Charakter eines persistierenden, iterativen Prozesses558, eines Prozesses, dessen Initiatoren bzw. Akteure die Dimension des Negativen nicht leugnen, sondern die vor eben dessen Hintergrund die befreiende, doch nie ungebrochene Macht der Formierung von Welt und Selbst erweisen559.560 – Spürbar wird genau diese (ältere) Verstehenstradition – um hiermit auf das eingangs erwähnte dissoziierende Moment der Vergleichsbasis zurückzukommen – auch in Lévi-Strauss’ Darstellung des „primitiven“ Wissenschaftlers, wenn er diesem ein ‚Gefühl der Ohnmacht‘561 in einem zwar nicht durchgreifenden, allein bestimmenden, so aber doch in einem zumindest prinzipiell vorhandenen Sinne unterstellt.562

VI. Beschluß Aus der Perspektive des präparatorischen Teils meiner Arbeit, in dessen Zentrum die Vermittlung eines wissenschaftlichen Selbstverständnisses mit dessen Rezeption stand563, mußte sich Lévi-Strauss’ Versuch, auch auf der Ebene bewußter Verstandestätigkeit den Aufweis von Allgemeinmenschlichem ___________ 557

Vgl. hierzu Angehrn (1996: 202). Siehe dafür Heinrich (1963): „Ununterbrochen muß sich der Mensch in einer ursprungsmythischen Geisteslage, mit kultischen Veranstaltungen und Opfern jeder Art, seiner Herkunft versichern. Denn der Bruch zwischen ihm und den heiligen Mächten des Ursprungs läßt sich nicht ungeschehen machen, und es gehört zur Dialektik des Ursprungsdenkens, daß die gleichen Veranstaltungen, die den Bruch überbrücken sollen, den Bruch sichtbar machen.“ (Ebd.: 14; keine Hervorhebungen im Original.) Siehe hier auch Angehrn (1996): „Der in Schöpfungsmythologien vorgeführte Kampf zwischen Chaos und Kosmos macht deutlich, daß Ordnung keine gesicherte Errungenschaft, sondern ein bleibendes Problem ist. Mythische Erinnerung hält die Gefährdung gegenwärtig, das Ritual ist periodischer Nachvollzug des Urstreits von Schöpfung und Zerstörung […].“ (Ebd.: 309; keine Hervorhebungen im Original.) 559 Vgl. Angehrn (1996: 320). 560 Siehe in dem Zusammenhang erneut auch meine Verweise auf die Autoren Blumenberg, Angehrn und Luhmann (oben, Seite 131 f., den Text um die Fußnotennummern 171-173 bzw. die entsprechenden Fußnoten). 561 Vgl. WD: 255 / PS: 292; keine Hervorhebung im Original. 562 a: Siehe hier auch nochmals BF: 44 / RE: 41. b: Zur Deckung damit gelangt – ohne einen Bezug zu Lévi-Strauss bzw. Simpson – auch die Argumentation von Horton (1967: 156). c: Beachtenswert gerade in diesem Kontext erscheint mir auch Hogrebes (1993) Argument vom ‚anfänglich notwendigen‘ bzw. ‚konstitutiven Kategorienfehler‘, „durch den der menschliche Geist überhaupt erst in die Lage versetzt wurde, sich in der Natur wiederzufinden, und das heißt: zu erkennen“ (ebd.: 368 f.). 563 Hiermit stelle ich ab auf das erste Kapitel (‚Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung‘). 558

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

zu führen, wie ein Vorkommnis präsentieren, das gewissermaßen nicht sein kann, weil es nicht sein darf. In dieser Situation war es der Übergang in einen anderen Kontext564, der es ermöglichte, diesen Versuch neben dem strukturalanthropologischen Engagement als eine prinzipiell gleichberechtigte Variante der Universalienforschung darzustellen und ihm gegenüber – auf eben solche Weise – zugleich auch so etwas wie eine Unvoreingenommenheit sei es zurückzugewinnen, sei es überhaupt herzustellen. Die diesem Übergang zugrundeliegende Entscheidung, die Argumentation um den Begriff ‚Rehabilitation‘ zu zentrieren, ließ in erster Linie einen Motivationskontext sichtbar werden, innerhalb dessen Lévi-Strauss auf Erkenntnisgewinn setzt; auch könnte man sagen: Mit dieser Entscheidung wurde die LéviStrauss’sche Universalienforschung sichtbar als der Versuch einer Erkenntnis von Allgemeinmenschlichem in spezifischer Absicht; als Bestandteil eines Projekts, das sich für Lévi-Strauss versteht als „Inspiration eines neuen Humanismus“565; als der Versuch, gegenüber der (auch zu seiner Zeit immer noch) verbreiteten Wahrnehmung eines kategorischen Hiats zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen – wesentlich hervorgerufen durch die Anschauungen Lévy-Bruhls (aber auch anderer Theoretiker, zum Beispiel Frazers566) – die alternative Wahrnehmung spezifischer Übereinstimmungen zwischen diesen Denkformen durchzusetzen. Dank also des Übergangs in besagten Motivationskontext konnten beide der dargestellten Varianten in der Folge als Rehabilitationsverfahren angesprochen werden. Ihre Bilanzierung fiel – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen und wie inzwischen nachvollziehbar bzw. bekannt – uneinheitlich aus. Im Hinblick auf speziell das zweite dieser beiden Verfahren konnte unter anderem gezeigt werden, daß sich in bestimmten der auf der Ebene des „primitiven“ Bewußtseins nachweisbaren Tätigkeiten manifestiert sehen läßt, was man – eigenen kulturspezifischen Konventionen (und damit Innensichten) folgend – unter Wissenschaftlichkeit verstand oder aber versteht. Interpretiert man diesen Befund von seiner Kehrseite, so steht im Zentrum die Behauptung, daß Lévi-Strauss sich offensichtlich veranlaßt sieht, „primitive“ Denkformen mit einem fremdkulturellen Attribut zu belegen oder nochmals anders ausgedrückt: überhaupt vom kulturspezifischen Attribut der Wissenschaftlichkeit her den Nachweis von Allgemeinmenschlichem zu führen. Daß natürlich ein solcher Versuch im Grunde auf das Fehlen einer gemeinsamen Vergleichsbasis verweist bzw. – als schließlich durchgeführter – das Vorliegen eines methodologischen Dilemmas ___________ 564

Den gegenwärtigen also des zweiten Kapitels (‚Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung‘). 565 EM: 23 / IM: XXIX; keine Hervorhebung im Original. 566 Vgl. Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 176).

VI. Beschluß

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dokumentiert, kann einem bei kritischer Distanznahme nicht verborgen bleiben. Der dilemmatische Charakter des Versuchs wäre dabei wie folgt zu beschreiben: Der Zweck des Nachweises von Wissenschaftlichkeit macht es erforderlich, kulturspezifische, fremde Denkformen kulturspezifischen, eigenen Vergleichsschemata anzupassen – kommt es aber dazu, so wird zugleich offenbar, worin die Konsequenz dieses Handelns besteht: darin nämlich, daß es die ursprüngliche Absicht, kulturspezifische, fremde Denkformen als solche zu beurteilen und zu würdigen, untergräbt.567 Der gesamte Gang der darstellenden und bilanzierenden Auseinandersetzung mit diesem zweiten Verfahren ließ von daher – das heißt aufgrund solcher Konstruktionsanteile – für jeden, der es nur sehen wollte, nicht zuletzt die prinzipielle Fragwürdigkeit einer Verfahrenskonzeption und -durchführung überdeutlich werden. An den Kern des Problems gerührt haben dürfte in diesem Zusammenhang auch Hallpike, wenn er darauf verweist, daß ein Begriff wie der der ‚Wissenschaft‘ insbesondere über „äußerst komplexe Sinngehalte“568 verfügt, „was [ihn] für interkulturelle Vergleiche zwischen den Denkweisen der Industrieund der [sogenannten] primitiven Gesellschaft ganz besonders ungeeignet macht“569.

Erinnert fühlen darf man sich deshalb in diesem Zusammenhang vor allem an Mühlmanns „Mahnung, auf die Phänomene selbst zurückzugehen, ehe man ihnen ein europäisches Etikett aufklebt“570.

Nun muß allerdings im selben Zusammenhang wiederum auch geltend gemacht werden, daß eine Kritik, die den Anspruch hat, Lévi-Strauss’ Argumentation in ihrer denkbaren Weite und Tiefe zu ermessen, es sich nicht leisten kann, ausschließlich in der Rolle des Bedenkenträgers zu verharren und eine gegenüber diesem zweiten Rehabilitationsverfahren durchaus gebotene Reserviertheit als Legitimationsgrund vorzuschützen, um mit Lévi-Strauss in der Hauptsache negativ resümierend abzuschließen. Gefordert ist vielmehr von nun ___________ 567 Ein ähnlich gelagertes methodologisches Dilemma beschreibt Mühlmann (1964: 126 ff.) für das sogenannte Begabungsproblem bei „Primitiven“: Gegen die Applikation von Intelligenztests ist seiner Auffassung nach einzuwenden, daß sie „auf die Anforderungen einer europäisch-amerikanischen Zivilisationsumwelt hingearbeitet sind, also dem kulturellen Hintergrund der [‚Primitiven‘ (hier für: Naturvölker; H.M.S.)] nicht gerecht werden“ (ebd.: 126). Dementsprechend beweisen die Ergebnisse auch „nur die Tautologie, daß die [‚Primitiven‘ (hier wiederum für: Naturvölker; H.M.S.)] nicht ‚verschult‘ und anderen kulturellen Formungskräften ausgesetzt sind als wir“ (ebd.). (Vgl. zur entsprechenden Zirkelschlüssigkeit auch schon Mühlmann 1938 a: 220; vgl. außerdem zum sogenannten Begabungsproblem bei „Primitiven“ bereits Mühlmann 1936: 414 ff.) 568 Hallpike (1979 / [1986] 1990: 15; keine Hervorhebung im Original). 569 Ebd.: 15; Einschübe und Hervorhebung nicht im Original. 570 Mühlmann (1938 a: 144).

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

an ein nochmals anderer Umgang mit den konstruktionsbedingt induzierten Kalamitäten. Was sich an der Aufstellung eines Wissenschaftlichkeitspostulats im Rahmen des zweiten Rehabilitationsverfahrens einwandfrei erweist, ist zunächst – soweit war die Einsicht gediehen –, daß Lévi-Strauss sich nicht dazu bewogen fühlt, falscher Etikette eine konsequente Absage zu erteilen571. Sodann aber sollte der Vorgang auch einfach verwundern, und zwar insofern, als allein zur Schließung des kategorischen Hiats zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen – oder um es präziser zu sagen: dort, wo ein solcher zu Unrecht unterstellt wird – es einer Zertifizierung von Wissenschaftlichkeit überhaupt nicht bedarf. Denn ebenso wie auf der Ebene der unbewußten Phänomene die schlechthinnige Kluft zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen durch die Konzeption der strukturalen Anthropologie als vermeintliche aufgewiesen wird (jedenfalls im Idealfall), geschieht auf der Ebene der bewußten Phänomene Analoges vermöge der Konzeption des sogenannten ‚wilden‘ Denkens – was ausbuchstabiert heißt: vermöge der Konzeption des sogenannten ‚wilden‘ Denkens (als einer Form des intellektuellen ‚bricolage‘, der intellektuellen ‚Bastelei‘) ohne eben die operational wie qualitativ gesehen einen weiteren Schritt darstellende, kulturspezifische Zertifizierung dessen Wissenschaftlichkeit (jedenfalls gilt dies auch hier im Idealfall). So darf daher an dieser Stelle – den Blick nach vorne gewandt – folgende Vermutung ausgesprochen werden: Auf der Ebene der bewußten Phänomene kommt es für Lévi-Strauss offenbar nicht ausschließlich darauf an, nur eine Kluft zu schließen bzw. einfach nur auf irgendeine Weise dafür zu sorgen, daß das, was eigentlich eine solche nicht darstellt, als eine solche auch nicht wahrgenommen wird. Entscheidend zu sein scheint für Lévi-Strauss auf der Ebene der bewußten Phänomene vielmehr die Aufweismöglichkeit eines qualifizierten Modus der Übereinstimmung zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen. Unter der Prämisse des oben formulierten Anspruchs, seine Argumentation in ihrer denkbaren Weite und Tiefe zu ermessen, stehen mithin folgende Fragen zur Klärung an:572 – Welche Veranlassung hat Lévi-Strauss im Rahmen des zweiten Rehabilitationsverfahrens, „primitive“ Denkformen mit dem fremdkulturellen Attribut der Wissenschaftlichkeit zu belegen? – Was bewegt ihn im Rahmen dieses zweiten Verfahrens, vom kulturspezifischen Attribut der Wissenschaftlichkeit her den Nachweis von Allgemeinmenschlichem zu führen? Oder etwa auch: ___________ 571

Vgl. hierzu erneut Mühlmann (1938 a: 145). Erreicht ist für mich spätestens hiermit ein Punkt, über den gründlich hinauszufragen sich die bisherige Lévi-Strauss-Forschung nicht der Mühe unterzog. 572

VI. Beschluß

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– Was motiviert Lévi-Strauss in der Monographie ‚Das wilde Denken‘ zu einer so prätentiösen Hauptabschnittsüberschrift wie ‚Die Wissenschaft vom Konkreten‘573, wo doch – wie man unbedarfterweise meinen möchte – eine Festlegung auf prosaischere Titel wie ‚Die Theorie vom Konkreten‘ oder ‚Die Logik des Konkreten‘574 nicht weniger Sachbezogenheit (im Sinne von Zielgerichtetheit) erkennen ließe und insofern vollständig gerechtfertigt wäre?575 Der Übergang ins dritte und letzte Kapitel der laufenden Untersuchung darf hiermit als vorbereitet gelten. Denn das dem geschilderten zweiten Verfahren inhärente Problempotential stößt mit den zuletzt formulierten Fragen in einen Bereich vor, in dem nunmehr Anlaß gegeben scheint, um speziell den LéviStrauss’schen Rehabilitationskontext hinsichtlich seiner möglichen Bedeutungserstreckung zu reflektieren. Der wissenschaftshistorischen Einordenbarkeit halber will ich abschließend noch eigens darauf hinweisen (denn Lévi-Strauss scheinen die im Grundsatz analogen Bestrebungen seiner Vorgänger nicht oder nur sehr wenig zu kümmern), daß die Konzeption des sogenannten ‚wilden‘ Denkens (und zumindest indirekt damit auch die Konzeption der strukturalen Anthropologie) weder den einzigen noch den ersten Versuch markiert, mit dem die Fachwelt auf Lévy-Bruhls These vom ‚prä-logischen‘ Denken der Primitiven kritisch distanzierend reagiert.576 Tatsächlich setzt die Kritik an LévyBruhl577 bereits – orientiert man sich an Mühlmann – seit 1926 zusehends ein; als Autoren der ersten Reihe werden von diesem genannt (entsprechend der Chronologie der Publikationen): Leo Sternberg, Olivier Leroy, Raoul Allier, Daniel Essertier, Richard Thurnwald, Edward Evan Evans-Pritchard, Alfred Vierkandt und Pitirim Aleksandrowitsch Sorokin.578 Unabhängig von Lévi-Strauss und im übrigen lange vor dessen Ver-

___________ 573 a: Die Rede von einer ‚„ersten“ Wissenschaft‘ (vgl. WD: 29 / PS: 26) ist demgegenüber weniger prätentiös; terminologisch gesehen und die daran angeschlossenen Assoziationsfelder betreffend aber kommt sie mit den bereits erwähnten, problematisierenden Spezifikationen doch auf einer Linie zu liegen. b: Auf ähnliche Bezeichnungen (‚Keime der Wissenschaft‘; ‚Anfänge wissenschaftlichen Denkens‘) glaubt erstaunlicherweise auch Mühlmann (1936: 341) nicht verzichten zu können. [Als typisches Grauzonenphänomen präsentiert sich demgegenüber seine Negativ-Positiv-Spezifikation ‚noch nicht Wissenschaft – aber Grundlage für künftige Wissenschaft‘ (vgl. Mühlmann 1966 b: 159) sowie seine Entscheidung, den problematischen Term kurzerhand komplett mit Anführungszeichen zu versehen – so geschehen in ders. (1936: 342), auch in ([1948] [21968] 41986), wo von ‚„primitiver Wissenschaft“‘ (ebd.: 227) die Rede ist; vgl. außerdem ders. (1936: 426).] 574 Vgl. StAII: 82 / AStII: 83. Eine Bezeichnung, bezüglich derer sich Lévi-Strauss ja ohnehin schon nachzusetzen beeilt, daß ihr Gegenstand „eine der hauptsächlichen Beunruhigungen des modernen Denkens zu sein scheint“ (ebd. / ebd.). 575 Die abschließende Antwort und den expliziten Bezug auf diese Fragen enthält das dritte und letzte Kapitel (‚Das Unternehmen der Rehabilitation‘); siehe unten, Seite 254, Text vor Fußnotennummer 64. 576 Vgl. – Lévi-Strauss betreffend – vor allem nochmals WD: 308 / PS: 355. 577 Die relevanten Schriften sind: Lévy-Bruhl (1910), (1922), (1927) und (1931). 578 a: Vgl. Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 176). b: Ausdrücklich genannt werden darf an dieser Stelle auch noch Paul Radin.

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten

öffentlichung der Monographie ‚Das wilde Denken‘ beginnend, hat außerdem auch Mühlmann selbst – die jeweils bis dahin vorliegenden Forschungsergebnisse aufgreifend (bzw. ihrer zumindest eingedenk) – in die Richtung einer Vermittlung zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen gehende Versuche unternommen: so zum Beispiel direkt mit seiner Thematisierung des alltäglichen (bzw. „bequemen“ oder auch normalen) Denkens579, des „magischen“ und des technischen Denkens580, aber auch indirekt mit seiner Thematisierung des intellektuellen Verhaltens an den Grenzen des Rationalen581. In der Gesamtbetrachtung maßgebend bleibt, daß es sich bei all diesen Versuchen jeweils nicht um Vermittlungsweisen handelt, die einander wechselseitig ausschließen, sondern um Vermittlungsweisen, die einander wechselseitig ergänzen.

___________ c: Lévi-Strauss erwähnt unter den Genannten in einschlägigem Sinne gerade einmal Evans-Pritchard (siehe dafür WD: 22 f. / PS: 18). 579 Vgl. Mühlmann (1938 a: 145 und 214 f.); außerdem ders. ([1948] [21968] 41986: 177). 580 Vgl. Mühlmann (1936: 295 und 426 f.), (1938 a: 142 f.), (1962 a: 255), (1964: 125). 581 a: Hier im Sinne eines Umgangs mit dem, was gleichermaßen als metaphysische „Grundlage eines rationalen Zusammenhanges“ (Hübner 1980: 30) wie auch als etwas, das „sich der Vernunft entzieht“ (Schnädelbach 1980: 106; keine Hervorhebung Original), begriffen werden kann. b: Vgl. hierzu insbesondere Mühlmann (1936: 322); außerdem ders. ([1948] [21968] 4 1986: 176 f.) sowie (1964: 118 f.). c: Sehr anschaulich hierzu schreibt – unter dem Stichwort der Zurechnungsfrage – auch Tenbruck (1978: 120 ff.).

Drittes Kapitel:

Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung I. Der tangentiale Charakter der Lévi-Strauss’schen Argumentation und die Option seiner Kompensierung. Zum Versuch einer noematischen Erkundung des Topos der Rehabilitation „Nach meiner Ansicht kommen die Fortschritte im wissenschaftlichen Denken von einer Verbindung lockeren und strengen Denkens, und diese Kombination ist das wertvollste Werkzeug der Wissenschaft.“ Gregory Bateson, Ökologie des Geistes

Perspektivenwechsel bestehen in veränderten Bedeutsamkeitszuweisungen. Im Falle der vorliegenden Arbeit lag die Bedingung dieser Möglichkeit in der Existenz bzw. Eruierbarkeit eines Rehabilitationskontexts. Die auf dieser Basis im Übergang von deren erstem in deren zweites Kapitel eingeleitete Umzentrierung des Interesses bezeichnete des näheren einen Vorgang, der erfolgte in der legitimen Form einer dezidierten Eingrenzung des dahinter stehenden Bedeutungsfeldes, namentlich als Fokussierung des ‚wilden‘ Denkens als eines eben auch und gerade „primitiven“ Denkens.1 In der zwischenzeitlich möglichen Rückschau könnte nun auch noch ein Weiteres festgehalten werden: Die eingeleitete Umzentrierung des Interesses bezeichnete darüber hinaus einen Vorgang, der in seiner bisherigen Form die Fragen der Rehabilitation hinsichtlich des eigentlichen Objekts der Bezugnahme, hinsichtlich des über diese Bezugnahme verfolgten Ansinnens sowie hinsichtlich des im Verfolg dieses Ansinnens effektiv Bewerkstelligten unerwähnt ließ; zu schweigen damit selbstverständlich von den Möglichkeiten einer Fortsetzung des Diskurses auf anderen Ebenen. Die wiederum daran anschließbare Frage, ob hinter dieser zuletzt via negationis gegebenen Charakteristik Sachverhalte zu erblicken sind, die zur Sprache ___________ 1

Vgl. hierzu nochmals den Untertext auf Seite 93 ff.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

zu bringen und dann im einzelnen zu recherchieren überhaupt als sinnvoll angesehen werden muß, läßt sich unter Bezugnahme auf diese Charakteristik allein nicht entscheiden. Betrachtet man die Angelegenheit – was naheliegt – von den Lévi-Strauss’schen Texten her, so scheint sich die Frage der Rehabilitation unter den genannten Aspekten halb zu stellen, halb scheint sie sich nicht zu stellen: – Erste Einschätzung: Nicht wirklich ernsthaft wird sie sich einem stellen, solange man auf die indisputable Tatsache Rekurs nimmt, daß Lévi-Strauss selbst den formulierten Fragekomplex weder je zum offenen Thema erklärt2 noch diesen je einer gezielten und dabei explizit und transparent gehaltenen Aufarbeitung zuführt. Nicht wirklich ernsthaft wird sich einem die Frage zudem stellen, solange man sich pauschal in der Annahme wiegt, die entsprechenden Antworten bereits zu kennen: sei es, daß man diese durchweg für selbstverständlich erachtet, sei es, daß man anläßlich durchaus vorhandener quasi-inklusiver Wissensbestände über einen Grund zu verfügen meint, um die Rehabilitationsfrage insgesamt für der Erwägung nicht bedürftig zu befinden. – Zweite Einschätzung: Zu einem demgegenüber wirklich ernsthaften Gegenstand der Vergewisserung, des Rück- und Weiterfragens wird einem der bisherige Stand der Argumentation dort werden, wo sich einem bis dato nicht thematisierte Bereiche des Lévi-Strauss’schen Denkens – obgleich von ihrem Urheber so nicht durchgespielt3 – in der Weise potentieller Antworten auf den formulierten Fragekomplex erschließen. Diese im Gegenzug zur ersten Einschätzung proponierte Form einer thematischen Auseinandersetzung soll verdeutlichen, daß die auf seiten Lévi-Strauss’ vorhandenen topologischen Vakanzen per se keinen Aufforderungscharakter besitzen; sondern daß vielmehr vor allem die Einstellung des Betrachters und der diesem verfügbare Stand an Information es sind, welche darüber entscheiden, ob eben dieser Sachverhalt – die Existenz topologischer Vakanzen – eher als Aufforderung zu deren Beibehaltung oder eher als Aufforderung zu deren Beseitigung empfunden wird.

Ein der ersten Einschätzung gegenüber anderer Umgang mit der Rehabilitationsfrage darf außerdem vermutet werden, wo der Erfahrungswert einen gewissen Vorrang genießt, daß im Gang bewußter Reflexion ein Wissen um Gründe und Zusammenhänge sich bildet: ein Wissen um Gründe und Zusammenhänge, das wiederum zum Ausgangspunkt für ungeahnte weitere Er___________ 2 Allein nach einer vernehmlichen Begründung, weshalb die mit einem Aufwand ohnegleichen angestrebte Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens effektuiert werden soll, sucht man – soweit mir dies zu beurteilen möglich ist – in seinen Texten vergeblich. 3 Auf der Grundlage des dokumentierten Primärtextmaterials läßt sich dies mit Sicherheit behaupten.

I. Der tangentiale Charakter der Lévi-Strauss’schen Argumentation

233

probungen zu werden vermag, die ihrerseits nicht nur einen genuinen, eigenen Wert besitzen, sondern die gerade auch den durchdrungen geglaubten Status quo in einem anderen Licht erscheinen lassen und an denen sich mithin der Vorurteilscharakter antizipierter Selbstverständlichkeiten negativ erweisen kann. Die Entscheidung, sich des Rehabilitationstopos exploratorisch anzunehmen, drängt sich in Anbetracht dieser beiden Vorerwägungen also nicht mit Eindeutigkeit auf. Wenn sie von mir nichtsdestoweniger positiv (und damit konform dem Zug der zweiten Einschätzung) getroffen wird, so durchaus in dem Bewußtsein, daß dies einen Schritt bedeutet, der unter Darlegungsgesichtspunkten Weiteres verlangt. Entsprechend soll dieser Schritt spezifiziert werden, und zwar nicht nur mit Blick auf die der getroffenen Entscheidung logisch vorausliegenden wie die den Erkundungsgang faktisch begleitenden Grundüberzeugungen (1) – verlängert um einen Blick auf den seinerseits bedingten Status derselben (die diesbezüglichen Implikationen inbegriffen) (2) –, sondern auch mit Blick auf den diesen ersten Spezifikationen analogen konzeptuellen Zuschnitt des eigentlichen Erkundungsgangs (3); eine Stellungnahme soll außerdem erfolgen mit Blick auf die mit jenem Erkundungsgang verbundene Absicht (4); schließlich und nicht zuletzt als erforderlich angesehen wird eine Spezifizierung hinsichtlich des mit jenem Erkundungsgang verbundenen Anspruchs (5). Ad (1): Veranlaßt durch die Formulierung von Zielen und durch Argumentationen, die sich wie Zielsetzungen interpretieren lassen, wird die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verhandelte Lévi-Strauss’sche Forschung von mir insgesamt als Ausdruck einer strategischen Vorgehensweise begriffen, das heißt als Ausdruck einer Vorgehensweise, die prinzipiell sowohl die Existenz von Motiven wie auch die Existenz von Mitteln bzw. den Gebrauch von Mitteln (zum jeweiligen Zweck der Zielerreichung) impliziert.4 Unterstellt wird auf seiten Lévi-Strauss’ jedoch nicht nur – dem ganz gemäß – das Wirken einer Motivmehrzahl und automatisch damit: das Bestehen unterschiedlicher (oder jedenfalls mehrerer) Mittel/Zweck-Verbindungen; sondern ausgegangen wird vor allem auch von einer zwischen diesen herstellbaren Kohärenz, ja von der Möglichkeit einer sinnhaften, aszendierenden Reihung bzw. Verkettung derselben. Daß der verwirklichte Zustand dieser Möglichkeit alles andere denn direkt und unmittelbar zuhanden kommt, sondern daß darunter vielmehr das mehr oder weniger komplexe Resultat eines auf der Basis von als solchen interpretierten Sinnelementen bzw. -fragmenten unternommenen (, in einer Weise „objektiven“ 5) Syntheseversuchs verstanden werden muß, ist zu betonen. Verhandelt ___________ 4

Vgl. hier speziell nochmals Seite 95, den Text vor Fußnotennummer 22. a: Zur Unterscheidung vom „subjektiven“ Sinnstatus jener Mittel/Zweck-Arrangements, die Lévi-Strauss genannt haben würde, wenn man eine entsprechende Frage 5

234

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

werden von mir die Forschungen Lévi-Strauss’ also gewissermaßen so, als ob ihr Autor seine Handlungen den vorgeschlagenen Projektierungen gemäß vorbereiten und ausführen (bzw. vorbereitet und ausgeführt haben) würde.6 Auf operationaler Ebene entspricht dieser Sichtnormierung neben der bedeutungsmäßigen Konnexierung von primärtextuell lediglich koexistierenden Argumentationsbeständen auch die rekonstruktive Schließung der bei diesem Vorgang entstehenden semantischen Lücken. Die Herstellung fließender Übergänge zwischen den in den Fokus genommenen, diversen Lévi-Strauss’schen Beschäftigungsfeldern findet in der Projektierung einer Sinnsequenz also zugleich ihre Legitimation wie Erklärung. Im Zuge der ihr konsequenzlogisch korrespondierenden hierarchischen „Schaltung“ des Junktims von Mittel und Zweck relativiert sich außerdem – um auch dies noch anzumerken – die verwendete Begrifflichkeit: Denn mit jeder Fortsetzung von Zweckidentifikationen mutiert der jeweils letzte Zweck zu einem untergeordneten und ist damit wiederum selbst nur als ein Mittel einzuschätzen.7 Bezeichnen ließe sich das Verhältnis des jeweils untergeordneten zum jeweils übergeordneten Zweck alternativ durch Verwendung der Begrifflichkeit von Zweck und Maxime. Ad (2): Diese für die eigentliche Debatte um den Topos der Rehabilitation verbindlich gemachten Einschätzungen sollten aufgrund ihrer Kennzeichnung als ‚Grundüberzeugungen‘ gleichwohl nicht dazu verleiten, den Blick auf deren eigenen Dependenzzustand zu verstellen. Die Anmahnung will der Einsicht Rechnung tragen, daß Mittel und Zwecke nichts an und für sich Bestehendes, sondern stets einen aus einer bestimmten und unverwechselbaren Szenerie herausgelösten Teilaspekt definieren, ohne die selbiger nicht zu denken ist.8 Was mit dieser Einsicht zum Ausdruck gelangt, ließe sich auch so formulieren, daß mit jeder vorgeschlagenen Inbezugsetzung, also immer dann, wenn ein vermeintlich beliebiger Sachverhalt als Mittel und ein ebenso vermeintlich beliebiger weiterer als Zweck identifiziert und mithin für die beiden ein Reziprozitätsverhältnis postuliert wird, sich ein bestimmtes Vorverständnis artikuliert und damit zugleich die Anerkennung eines auf einer fundamentaleren Ebene, ___________ an ihn gerichtet hätte. (Vgl. hierzu Schwemmer 1976: 142; außerdem Schütz [1932] 2 1960: 29 ff.) b: Verpflichtet sieht sich die Verwendung des Terminus ‚„objektiv“‘ durchaus der interpretativen Bemühung um ein „von innen her“ entwickeltes Verständnis (vgl. Schwemmer 1987: 69), zugleich aber eben auch der interpretativen „Bemühung, im Strom unserer wechselnden Struktur-Wahrnehmungen beständige Gegenstandsbezüge zu finden, durch die unser Denken […] (möglichst) allgemein vergleichbare Bezugspunkte gewinnt, an denen es sich gleichsam festmachen und seinen Stand gewinnen kann“ (ebd.: 175; keine Hervorhebungen im Original). 6 Vgl. Schwemmer (1976: 148). 7 Analog Clausewitz ([1832 ff.] 1980: 125). 8 Hier wieder analog Clausewitz (ebd.: 27 sowie 313).

I. Der tangentiale Charakter der Lévi-Strauss’schen Argumentation

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das heißt eines noch vor und hinter jedem vorgebrachten Mittel/Zweck-Postulat Operierenden. Indem diese Feststellung getroffen wird, ist zumindest Klarheit in der Hinsicht gewonnen, daß auch die bei der vordergründigen Identifikation teleologischer Nexūs ungenannt bleibenden, aber hermeneutisch zwingend mitgemeinten Restparameter zu vergewissern sind, und zwar insofern, als eben sie es sind, welche die Begründung dieser Verbindungen allererst sinnhaft erscheinen lassen. In operationale Sprache gebracht, heißt dies nichts anderes, als daß der Gang der Beantwortung der Frage, inwiefern im Einzelfall das jeweils eine (das Mittel) auf das jeweils andere (den Zweck) hinzuwirken vermag, erst mit der Verankerung der entsprechenden Mittel/Zweck-Konnexe innerhalb eben der Szenerie, von der diese gewissermaßen die Abstraktion darstellen, seinen befriedigenden Abschluß findet. (Unerheblich bleibt dabei, ob die vorgeschlagenen Relationen direkte Verbindungen, indirekte Verbindungen oder die Form einer Sequenz verkörpern.) Ganz im Einklang mit diesen Überlegungen wird sich die interpretatorische Aufgabe im anstehenden Durchgang auch nicht in der bloßen Affirmation der Existenz arbeitender Vorstrukturen erschöpfen, sondern vielmehr ebenso deren Aufklärung im Sinne einer Hebung des konkreten (und darin selbstredend angreifbar bleibenden) Verständnisses von der Funktionsweise des jeweiligen Getriebes umfassen.9 Ad (3): Nachdem die Intention bzw. der Vorgang einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens im zweiten Kapitel als spezifische Antwort auf die generelle Frage nach der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung – dem relativen Ausgangspunkt der zu entwickelnden Sinnsequenz – interpretiert worden war, indiziert der eingangs des dritten Kapitels präsentierte Fragekomplex, daß nun auch für diese Intention bzw. diesen Vorgang selbst eine Zweckausrichtung angenommen wird. Eine detailgenaue Ausführung zur unterstellten Rechtmäßigkeit dieser Annahme scheint vor allem deshalb angebracht, weil sie in der Debatte um den Topos der Rehabilitation – bereits jenseits des Präliminarischen liegend – den Stellenwert einer Bedingung alles „Definitiven“ hat. [Siehe dafür den anschließenden Gliederungspunkt, Punkt II. also des gegenwärtigen Kapitels.10] In der weiteren Folge wird es darum gehen, innerhalb des im fortlaufenden Auf- und Ausbau begriffenen semantischen Feldes diese Intention bzw. diesen Vorgang einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens kritisch zu verorten, konkreter gesprochen: besagte Intention bzw. besagten Vorgang als den integrierenden Bestandteil des sich – gemäß den genannten Grundüberzeugungen – konstituierenden semantischen Feldes aufzufassen und an der reflexiven Offenlegung – nicht Wertung11 – der entsprechenden Bezüge ___________ 9

Vgl. in diesem Zusammenhang Seite 23 des ‚Prologs‘. Unten, Seite 237 ff. 11 Ob nun in Form einer Befürwortung oder Ablehnung. Vgl. hierzu erneut auch meine Argumentation im Untertext auf Seite 104 f. (zweites Kapitel). 10

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

236

und Wirkungen sowie deren Voraussetzungen zu arbeiten. Geschehen wird dies zuletzt im Rahmen einer extendierten Fassung der Sache der Rehabilitation. [Siehe dafür nach und nach die Gliederungspunkte III. bis VI. des gegenwärtigen Kapitels.12] Ad (4): Getragen ist die Grundsatzentscheidung für eine solche Konzeption von einer heuristischen Absicht.13 Versucht werden soll, semantische Beziehungsgeflechte aus der Latenz zu aktivieren, um auf diese Weise Perspektiven zu eröffnen, mit denen sowohl prospektiv als auch retrospektiv Verständniszuwächse und mithin zusätzliche Erklärungs- und Bewertungsmöglichkeiten einhergehen. Die Frage, ob oder inwieweit Lévi-Strauss für sich persönlich Formen solcher (oder einer dieser vergleichbaren) Zusammenschau entwickelt hat, kann dabei – ebenso wie die Frage, ob oder inwieweit die in diesem Sinne unterbreiteten Vorschläge seine Billigung finden würden – durchaus offen bleiben. Ad (5): Die nachfolgende Argumentation erhebt weder in ihren konstruktiven, noch in ihren rekonstruktiven Anteilen den Anspruch, bis zu so etwas wie einer letzten Sinnschicht vorzudringen.14 Ebensowenig erhebt sie den Anspruch einer konsequent systematischen oder gar axiomatischen bzw. einer dominant an Kriterien wie Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit orientierten Vorgehensweise.15 Vielmehr versteht sie sich als ein mehr oder weniger experimentell bleibendes, mitunter Züge des Konjekturalen aufweisendes Unternehmen16 – was selbstverständlich nicht schon daran etwas zu ändern vermag, daß es die entsprechenden Plausibilitätsnachweise im einzelnen und Schritt für Schritt zu erbringen gilt17. Indem sie so verfährt, betrachtet sich die nachfolgende Argumentation zugleich als ein Bemühen darum, die entlang des eingeschlagenen Weges entstehenden Ordnungsbilder so zu arrangieren, daß diese im einzelnen wie in ihrer Synthese auch anderen denn im engeren Sinne um Lévi-Strauss zentrierten Diskussionen zur Verfügung stehen. Im Zuge der Ausfaltung des anstehenden Gedankengangs wird offenbar werden, daß die eingenommene Perspektive nicht mit derjenigen Honneths zur Deckung kommt – ei-

___________ 12

Unten, Seite 240 (III.), Seite 240 ff. (IV.), Seite 258 ff. (V.) und Seite 351 ff.

(VI.). 13 14

Vgl. in diesem Zusammenhang nochmals Seite 23 des ‚Prologs‘. Entsprechend der sogenannten Dekonstruktion. Vgl. hierzu Engelmann (1990:

30 f.). 15

Vgl. hierzu etwa Lazari-Pawłowska (1979: insbesondere 584). Auf diesen Status muß nahezu rekurriert werden, wo die Integrationsansätze auf eine fragmentarisch zu nennende Ausgangslage treffen. 17 Vgl. zuletzt auch in diesem Zusammenhang nochmals Seite 23 des ‚Prologs‘. 16

II. Quasi-inklusive Wissensbestände

237

ner Perspektive, der die Einschätzung zugrundeliegt, daß es „ein romantischer Impuls“18 sei, „der das Werk von Lévi-Strauss im Innersten beweg[e]“19. Nun handelt es sich bei der von Honneth eingeschlagenen Richtung um eine veritable Interpretationsoption; auch ihr kann man selbstverständlich folgen. Was an Honneths Position nur Einspruch provoziert, ist die Verwegenheit, mit der er seine Art des Zugriffs auf Lévi-Strauss als die allein maßstäbliche propagiert. So wird von ihm – unter Bezugnahme auf seine eigene Einschätzung – als Kernthese vertreten: „[…] nur von diesem innersten Motiv her [!] lassen sich seine Schriften verstehen, nur an ihm [!] lassen sie sich sinnvoll [!] überprüfen.“20 – Käme es stattdessen, so darf man fragen, nicht vielmehr darauf an, ein Wissen um das unauflösbare Verhältnis von (jeweils gesetzter) Prämisse und (jeweils erzieltem) Resultat zu bezeugen, zuzüglich eines diesem entsprechenden, weiteren Wissens darum, daß sich den Anspruch jedweder Interpretation betreffende Verabsolutierungen verbieten?

II. Quasi-inklusive Wissensbestände. Eigentlicher Referent und alloteleologischer Charakter der Lévi-Strauss’schen Rehabilitationsrhetorik Nimmt man Lévi-Strauss beim Wort, so ist es ihm um die Rehabilitation eines Denkens zu tun.21 Indessen sieht es zugleich auch danach aus, als stünde ein einleuchtendes Argument, welches rechtfertigte, daß man bei einer buchstabengetreuen Interpretation solcher Rede stehenbliebe, nicht zu erwarten. Denn entgegen der Suggestion, die ausgehen mag von einer sprachlichen Form, die vorgibt, womit man befaßt sei, läßt bereits der Common sense erkennen, daß besagtes Unterfangen – wie auch dessen Veranlassung (die entsprechenden Erscheinungsformen der Diskreditierung und Diskriminierung)22 – alles andere als einem Denken gilt. Erkennen läßt der Common sense vielmehr: Besagtes Unterfangen hat einen unzweifelhaften Referenten; es hat diesen Referenten in ___________ 18

Honneth (1987: 93; keine Hervorhebung im Original). Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 20 a: Ebd.: 94; Hervorhebungen und Ausrufungszeichen meine. b: Anmerkungsweise mag an dieser Stelle Deleuze (1973 / [1975] 1992) zu Worte kommen, in dessen Augen „Lévi-Strauss […] in gewisser Hinsicht der positivistischste der Strukturalisten ist“ (ebd.: 46), derjenige, „der am wenigsten romantisch ist“ (ebd.). – Belegt wird mit diesem, von Deleuze bezogenen Standpunkt nicht nur die denkbar auffallendste Abweichung von dem durch Honneth ins Blickfeldzentrum beförderten Motiv; sondern eingeschrieben sieht man diesem, von Deleuze bezogenen Standpunkt – in analoger Gegensätzlichkeit – auch eine Relationierung der Hinsicht. 21 Siehe dafür nochmals das Zitat auf Seite 93, zuzüglich der Äußerung Eribons (ebd.). 22 Als ein für diese Kehrseite klassisches Beispiel theoretischer Wegbereitung angeführt worden war Lévy-Bruhls These von der ‚prä-logischen‘ Mentalität der Primitiven. (Siehe oben, Seite 92 f., besonders Fußnote 4.) 19

238

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

konkreten Menschen, welche erst und ihrerseits dann als Repräsentanten23 oder sei es auch nur als „Träger“24 bestimmter Denkformen anzusehen sind. Aufgrund ihres daran augenfällig werdenden Verweisungscharakters gerät die Intention einer rehabilitationsgerichteten Neubewertung des „primitiven“ Denkens – obschon im zweiten Kapitel dieser Arbeit noch in der Funktion eines unhinterfragten, obersten Zwecks – ebenso unversehens wie zwangsläufig in die Rolle eines „Passagenphänomens“; womit zum Ausdruck gebracht sein soll, daß auch sie – nach der Verhandlung der Universalienforschung als Universalienforschung im ersten Kapitel dieser Arbeit – auf einmal nur noch als ein Mittel sich erweist, um auf im letzten anderes hinzuwirken.25 Jedenfalls wird ihr fortan nur noch – um hiermit die prägnantere Formel zu gebrauchen – als einem Mittel zum Zweck Bedeutung zugemessen werden. Spielte man die Formulierung des Eröffnungssatzes des gegenwärtigen Gliederungspunktes unter den alternativen Vorzeichen einer kategorischen Exegese einmal nur auf Probe durch, so wäre die Implikation davon, daß man die auf das ‚wilde‘ bzw. auf das sogenannte primitive Denken bezugnehmende Rede von der Prinzipienlegitimation und der Wiedereinsetzung in zustehende Rechte26 diskriminativ auffaßt; der Sinn dieser Rede bestünde dann darin, mit der beanspruchten Rehabilitation eines Denkens in der Tat einen Selbstzweck – und also nicht ein Mittel zum Zweck – zu signalisieren. Eine solche Position, die den alloteleologischen Charakter der Lévi-Strauss’schen Rhetorik übersehen und die Reflexion tatsächlich auf dem Stand einer À-la-lettre-Auslegung einfrieren wollte, müßte, um schlüssig zu bleiben, LéviStrauss nicht nur ein Unverständnis für allergrundlegendste Dinge unterstellen (etwa so, als habe dieser nicht begriffen, daß Denken stets leiblich konstituiertes Denken ist, daß also immer Menschen es sind, in denen sich Denkprozesse – ob nun auf bewußter oder unbewußter Ebene – abspielen); sie hätte ihm mit notwendiger Konsequenz auch den Vorwurf anzutragen, einen realitätsentkoppelten, mithin belanglosen Diskurs zu führen (etwa so, als sei ihm der lebensweltlich-existentielle Ernst der zugrundeliegenden Problematik entgangen). Wenn demgegenüber hier der Standpunkt vertreten wird – eingedenk nicht zuletzt Lévi-Strauss’ biographischer Stationen (einschließlich gerade auch sei___________ 23

Bezug genommen ist hiermit auf die über die Ebene des bewußten Denkens definierte Rehabilitationsstrategie. 24 Entsprechend gilt der Bezug hier der mit der Ebene des unbewußten Denkens korrelierten Rehabilitationsstrategie. 25 Ganz im Sinne meiner oben, Seite 233 f., unter ‚Ad (1)‘ entwickelten Argumentation. 26 Gemäß Zitat auf Seite 93.

II. Quasi-inklusive Wissensbestände

239

ner eigenen Feldforschung27) –, daß Supposita so gearteter Unbedarftheit bestenfalls den Status artifizieller Plausibilität beanspruchen können, so hat dies allerdings zu bedeuten, daß dann eben um so bestimmter der Frage, in welchem Sinne die Rehabilitation eines Denkens (namentlich des ‚wilden‘ bzw. „primitiven“ Denkens) konkreten Menschen gilt – mithin: der Präzisierung des mit diesem Mittel verfolgten weiteren Zwecks – nachzugehen ist. Das Problem wiederum, auf das man im Zuge solchen Bemühens geradewegs gestoßen wird, figuriert von der Art, daß ein direkter bzw. unmittelbarer Rehabilitationszweck in Lévi-Strauss’ Argumentationen sich nicht rekognoszieren läßt – dies einfach deshalb, weil seine Argumentationen des Rekurses auf einen entsprechenden je entbehren. Was allein die Lévi-Strauss’schen Texte verfügbar halten – und lediglich darauf kann hier gebaut werden – sind Argumentationen, die sich relational zum Topos der Rehabilitation wie indirekte bzw. mittelbare Zwecke ausnehmen. Nur von diesen letzteren, im Grunde und in der Tat einzigen Interpretationsoptionen her vermag die eigentliche Debatte um den Topos der Rehabilitation geführt zu werden. Für die anschließenden Abschnitte der Untersuchung sind diese Setzungen nicht ohne Implikation: Sie induzieren eine Änderung in der Bewußtseinslage. Denn mit dem Vorgang einer Identifizierung argumentativer Sachverhalte als indirekter bzw. mittelbarer Zwecke kehrt sich das Junktim von Mittel und Zweck hinsichtlich seiner bisherigen Blickrichtung methodisch um.28 Diese Ablösung (eben einer Mittel/Zweck- durch eine Zweck/Mittel-Perspektive) entspricht bedeutungsmäßig einer Installierung des jeweils projektierten Zwecks in der Funktion des heuristischen Alphas der Verbindung. Komprimiert findet sich in solcher Qualifizierung die Einsicht, daß im jeweiligen Vorgang einer Zwecksetzung gleichsam der Umgang mit der andrängenden Frage sich organisiert, in welchem Sinne das Bemühen um eine Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens für eine mit Bedacht auf die Natur ihrer Wirkungen gewählte Strategie gehalten werden kann.

___________ 27

Vgl. primär hierfür die Monographie IN; außerdem ChN. Gelten würde dasselbe natürlich im Falle direkter bzw. unmittelbarer Zweckidentifikationen. 28

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

240

III. Naheliegende Assoziationen (I). Der Kontext des Lévi-Strauss’schen Konfessionalismus29 (resp. Subjektivismus30) Versucht werden soll, die virulent gewordene Frage nach dem Rehabilitationszweck im Kontext einer bestimmten Äußerung einer ersten Antwort zuzuführen: im Kontext einer späten Äußerung Lévi-Strauss’, die sich dem Leser wie eine autobiographische Melange vermittelt aus Rückschau, Erinnerung und Bekenntnis. Entnommen ist sie dem Prolog eines erst im Jahr 1994 unter dem Titel ‚Saudades do Brasil‘ veröffentlichten Bildbandes31, dem Prolog jenes Bildbandes, in dem die ‚Traurigen Tropen‘ gewissermaßen ihre visuelle Ergänzung finden32. In ihrer deutschen Fassung hat die Äußerung den Wortlaut: „Es waren die unglückseligen, von der abendländischen Expansion bedrohten exotischen [= „primitiven“; H.M.S.] Kulturen, deren Verteidigung meine Ethnologen-Kollegen und ich uns widmen zu müssen glaubten.“33

IV. Naheliegende Assoziationen (II). Die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens vor dem Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen 1. Einführung des Telos via Spezifikation Der Schritt, der gegenwärtigen Untersuchung diese weitere Verlaufsrichtung zu weisen, steht unter einer Bedingung und verfügt über eine Implikation. Beide hiermit gegebenen Stichwörter bilden – vermehrt um einen kurzen Kommentar – den Auftakt des folgenden Klärungsgangs. – Stichwort ‚Bedingung‘: Bezeichneter Schritt wird überhaupt nur dadurch möglich, daß Lévi-Strauss ungeachtet seines Verzichts auf die ausdrückliche ___________ 29

In der Wahl des Terminus folge ich Kohl ([1993] 22000: 124). (Vgl. hierzu bereits den entsprechenden Hinweis im ‚Prolog‘, Seite 21.) [Zusatzanmerkung: Kohl entwickelt seine Perspektive auf den Lévi-Strauss’schen Konfessionalismus in ders. ([1979] 21986).] 30 Dto. 31 Deutsch 1995 unter dem Titel ‚Brasilianisches Album‘. 32 So der deutsche Klappentext. 33 a: BA: 18 / SB: 18; keine Hervorhebung im Original. b: Vgl. in diesem Zusammenhang zusätzlich LOu; sowie Eribondt: 232 / Eribonfrz: 221. c: Eine so gewiß nicht erwartete Wendung für den, der etwa von Geertz (1967: 30 f.) herkommt; oder von Koepping (1984: 217)! Oder auch von Pace (1983; vgl. dort Kapitel 9).

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

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Nennung konkreter Verteidigungsstrategien etwas Entscheidendes zu erkennen gibt. Es besteht dies darin, daß der in zitierter Äußerung diagnostizierte historische Entwicklungstrend für ihn und seine ‚Ethnologen-Kollegen‘ in einer fundamentalen Hinsicht überhaupt zur Debatte gestanden haben muß; und zwar dahingehend, daß er für beeinflußbar gehalten wurde. – Stichwort ‚Implikation‘: Bezeichneter Schritt will der Auffassung Ausdruck verleihen, daß die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens als ein entsprechendes Mittel interpretiert werden kann, dem es eignet, den gekennzeichneten zeitgeschichtlichen Entwicklungstrend in einer bestimmten Weise zu beeinflussen; der Auffassung genauer gesagt, daß die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens als ein bestimmter Beitrag zur (laut Zitat:) ‚Verteidigung der von der abendländischen Expansion bedrohten exotischen Kulturen‘ interpretiert werden kann. Nun setzt die anstehende nähere Bestimmung und Plausibilisierung des dem Rehabilitationsgeschehen zugeschriebenen Einflusses bzw. Beitrags allerdings voraus, daß auch der Sinngehalt des von Lévi-Strauss projektierten Verteidigungszwecks adäquat erfaßt wurde. Genau davon kann jedoch beim gegenwärtigen Stand der Information nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn seine eigentliche Kontur erhält der im Begriff der Verteidigung konzentrierte noematische Kern der zitierten Aussage – um die entsprechende Verständigung hiermit stattfinden zu lassen – weniger durch Konzedierung einer von der abendländischen Expansion ausgehenden Bedrohung (gemäß Zitat)34, als vielmehr und erst durch das im Textfortgang des Prologs der ‚Saudades do Brasil‘ von Lévi-Strauss verwendete Argument einer der abendländischen Zivilisation anzulastenden ‚Zerstörung‘ unzähliger Kulturen35. Erst wirklich die Einnahme dieser Perspektive ist es, welche eine interpretatorische Festlegung ermöglicht und zu der folgenden Aussage berechtigt: Der Akt der Verteidigung erfüllt seinen Zweck, wo er darin reüssiert, einer in vollem Gange befindlichen, destruktiven Entwicklung Einhalt zu gebieten; oder diese mindestens einzudämmen. Auf einer grundlegenden Ebene ist diese aus dem Argument abendländischzivilisatorischer Zerstörung sich herleitende Exposition des Verteidigungszwecks analog der klassisch-militärischen Exposition desselben, wie sie in von Clausewitz’ Werken über Krieg und Kriegführung angetroffen wird. An einer Stelle, an der die Argumentation zunächst noch damit befaßt ist, die Bedeutung der Lévi-Strauss’schen Aussage in einer basalen Hinsicht erhellen zu helfen, scheint es daher nicht nur legitim, sondern auch sinnvoll, die betreffende von Clausewitzsche Sentenz als Plausibilisierungsinstrument heranzuziehen; deren konziser Inhalt lautet: ___________ 34 35

Insofern darin die noch unbeantwortete Frage nach dem ‚Wovon‘ mitschwingt. Vgl. BA: 18 / SB: 18.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

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„Was ist der Zweck der Verteidigung? Erhalten.“36

Von Clausewitz bekräftigt diese Bestimmung qua Variation, indem er neben einem ‚Erhalten‘ von einem „Erhalten[.] oder Bewahren[.]“37 spricht. Auf der Grundlage dieser knappen Formel kann somit der noematische Kern der zitierten Lévi-Strauss’schen Aussage bis auf weiteres38 und wie folgt als spezifiziert angesehen werden: Die Verteidigung der als „primitiv“ bezeichneten Kulturen verwirklicht ihren Sinn, indem sie auf deren Erhaltung bzw. Bewahrung zielt.

2. Projektierung der entsprechenden Sequenz: Die Etappen Einstellungsänderung, Verhaltensänderung, Zustandsänderung Folgt man den bisherigen Überlegungen, so werden die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens einerseits und die Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen andererseits weder als voneinander völlig unabhängige noch (umgekehrt) als ein Identitätsverhältnis begründende Intentionen bzw. Vorgänge begriffen. In einer Linie mit den oben gemachten Vorankündigungen39 wird vielmehr davon ausgegangen, daß beide Intentionen bzw. Vorgänge im Sinne einer indirekten Mittel/Zweck-Relation aufeinander verwiesen sind. Diese Relation zu postulieren, bedeutet zunächst einmal, eine allgemeine Auffassung in Negativform wiederzugeben; es handelt sich um die Auffassung, daß die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens kein Mittel darstellt, dem es eignet, auf die Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen direkt hinzuwirken. Allein indem diese Relation postuliert wird, ist indessen zugleich auch klar, daß eine bestimmte positive Vorstellung hinsichtlich der Frage, inwiefern genau das eine auf das andere hinzuwirken vermag, existiert. Diese bislang unausgesprochene, nichtsdestoweniger jedoch vorhandene Vorstellung ist es, welche es nunmehr zur Anschaulichkeit zu bringen gilt. Dasjenige, was dem Strategiekomplex einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens (in der Art, wie er von Lévi-Strauss ins Werk gesetzt wird und unter der Prämisse einer Anerkennung der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen als seiner ferneren Destination) der Möglichkeit nach unmittel___________ 36

Clausewitz ([1832 ff.] 1980: 221). Ebd; keine Hervorhebung im Original. 38 Die automatische Legitimität des angestellten Vergleichs mit der militärischen (wie im übrigen auch allen anderen Formen von) Verteidigung endet selbstverständlich, wo sich die Frage nach den Modalitäten des Erhaltens bzw. Bewahrens stellt. 39 Vgl. Seite 239. 37

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

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bar unterstellt werden darf, ist das Bewirken einer Einstellungsänderung40 bei einem ganz bestimmten Personenkreis. Die Rede ist dabei von jenem Personenkreis, der als der Adressat der Lévi-Strauss’schen Argumentationen zweifelsfrei sich eruieren läßt. An erster Stelle sind es die wissenschaftlichen Vertreter der durch seine Argumentationen tangierten Fächer, deren Nennung hier obliegt; Erwähnung finden muß in diesem Zusammenhang aber auch jene Gruppe von Personen, denen die Lévi-Strauss’schen Argumentationen außerdem noch – und zwar gleichermaßen intellektuell wie motivational – vorerschlossen sind, was realistischerweise (das heißt: unter Absehung von gewiß existierenden, regelbestätigenden Ausnahmen) – und vor allem: ohne dabei werten zu wollen – nur bei wiederum akademisch Aus- oder Vorgebildeten angenommen werden kann. In einem deren nächsten Zweck präzisierenden Sinne mag daher der Lévi-Strauss’sche Strategiekomplex einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens verstanden werden als der Versuch einer qualifizierten Einflußnahme auf die Gestaltung der Meinungslandschaft „zivilisierter“ Kulturen (als eines Spiegels deren Einstellungsverfaßtheit). Diese Festlegung konfligiert durchaus nicht mit der Möglichkeit nach- und nebenfolgender Popularisatoreneffekte. Sie erführe vielmehr durch solche, bedingte Breitenwirkungen geradezu ihre Bestätigung. Innerhalb der gewählten Projektionsbahn darf zum weiteren die Möglichkeit unterstellt werden, daß sich bei dem letztlich erreichten Personenkreis erfolgte Einstellungsänderungen verhaltenssteuernd auswirken, oder um es genauer zu sagen: daß diese Einstellungsänderungen entsprechende Verhaltensänderungen nach sich ziehen. Und eben daran, ob oder inwieweit wiederum das Eintreten auch dieses letzteren Folgefalles angenommen werden kann, bemißt sich schließlich die Möglichkeit einer Änderung des Status quo im projektierten Sinne: die Möglichkeit also, einen als beklagenswert empfundenen Ausgangszustand (die anhaltende Zerstörung „primitiver“ Kulturen) zu beenden und einem gewünschten – und unter den gegebenen Umständen auch nur noch realisierbaren – Zielzustand (dem Fortbestehen verbliebener „primitiver“ Kulturen) näherzubringen. Zurückliegende Explikation bringt genaugenommen ein Dreifaches zum Ausdruck: – Sie läßt mit den aufgeführten Etappen zum ersten die Stationen sichtbar werden, die es zu durchlaufen gilt, wenn die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens und die Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen als teleologisch miteinander in Verbindung stehende Einheiten begriffen werden wollen. Ganz in diesem Sinne vermittelt worden sein sollte, daß durch den ___________ 40 … (seltener wohl zu Zeiten jedenfalls der Hochphase Lévi-Strauss’schen Schaffens: das Bewirken einer Einstellungsbekräftigung) …

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Versuch einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens bewirkte Einstellungsänderungen allein nicht hinreichen, um das Fortbestehen verbliebener „primitiver“ Kulturen zu gewährleisten, sondern daß es jenseits dieses Zwischenergebnisses noch der Wirkung eines weiteren Faktors (eben einer Verhaltensänderung) bedarf, damit überhaupt unter der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen ein nahbares, das heißt realistisches Ziel verstanden werden kann. – Zum zweiten läßt die Explikation aber auch deutlich werden (und dies durchaus, ohne gegenüber dem gerade Erwähnten einen Widerspruch zu begründen), daß die genannten Etappen hinsichtlich ihrer tatsächlichen Abfolge als keineswegs selbstverständliche vorausgesetzt werden können. Ganz in diesem Sinne wiederum vermittelt worden sein sollte, daß in kausaler Folge des Versuchs einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens eingetretene Einstellungsänderungen lediglich eine Möglichkeit – und also keine Zwangsläufigkeit – zum Ausdruck bringen; so wie auch diese Einstellungsänderungen ihrerseits allein mögliche – und eben keine automatischen und zuverlässigen – Prädiktoren für entsprechende Verhaltensänderungen repräsentieren41. Im wesentlichen dürfte hier wohl die Behauptung Gültigkeit besitzen42, daß mit dem Eintreten erwähnter Einstellungsänderungen nicht mehr als eine Vorentscheidung fiele, insofern vor allem eine starke Hoffnung darauf geht, daß diesen entsprechende Verhaltensänderungen folgen, welchen schließlich es erst zugedacht ist, eine Änderung von für inakzeptabel befundenen Zuständen gültig zu erwirken. Bestätigt wird auf diese Weise das Erscheinungsbild des Versuchs einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens also lediglich in seiner funktional reduzierten Form, nämlich als Anfangsglied einer Kette sich potentiell anschließender weiterer Glieder. – Zurückliegende Explikation zeigt zum dritten – indem sie bewußt von Möglichkeiten spricht –, daß durch den Fall eines tatsächlichen Zurückbleibens hinter diesen (sei es aufgrund bloßer Teilabfolge, sei es aufgrund kompletter Nicht-Abfolge der Transitionen) der projektierten Sequenz von ihrer Legitimität nichts genommen würde. Tangiert würde diese Legitimität im übrigen ebensowenig durch etwaige, in „pragmatischer“ Absicht vorgebrachte Einwände: etwa in Form einer Frage nach der Angemessenheit der Wahl der Mittel/Zweck-Sequenz (Einstellungsänderung / Verhaltensänderung) im Hinblick auf das ins Auge gefaßte konkrete Ziel (Zustandsänderung qua Termination des Zerstörungsprozesses „primitiver“ Kulturen – negativ – resp. qua Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen – positiv –); oder in Form

___________ 41 Einstellungsdiskrepantes Verhalten etwa ist in der psychologischen Forschung ein hinlänglich bekanntes Phänomen. Vgl. hierzu bereits die (heute als klassisch geltende) Studie von La Piere (1934). 42 Empirieorientierte, sozialpsychologische Studien zum Problem des EinstellungsVerhaltenszusammenhangs scheinen diese Vermutung zumindest nicht zu widerlegen.

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

245

einer Frage nach der in statistischem Zahlenwerk verschlüsselbaren prognostischen Bedeutsamkeit der betreffenden Einstellungen für entsprechende Verhaltensänderungen.

3. Die Konstellation in ihrem Sinnzusammenhang a) Zur Hebung ihrer lebensweltlichen Vorstruktur Die oben definierte, indirekte Relation wurde eingeführt auf der Grundlage der Vorstellung, daß es möglich ist, ihre Elemente – die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens einerseits und die Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen andererseits – teleologisch über Etappen miteinander zu verbinden: über Etappen, die unter den Begriffen Einstellungsänderung, Verhaltensänderung, Zustandsänderung namhaft gemacht und in dieser Reihenfolge expliziert werden konnten. Was aber berechtigt überhaupt zu dieser Vorstellung? Eine Argumentation, die sich über den Anspruch definiert, für den Lévi-Strauss’schen Topos der Rehabilitation neben einer projektiven eine zugleich kritische Disposition auszuarbeiten, kann sich in Anbetracht dieser Frage nicht mit bloßen Setzungen begnügen. Oder um es anders auszudrücken: Sie würde – gemessen an ihrem eigenen Anspruch – nicht satisfaktionsfähig, solange sie sich nicht darum bemühte, auch den Gründen ihres irgendwie Gewußten nachzuspüren, die Gründe des Gewichts ihrer Ahnung aus dem Ungefähr zu aktivieren. Zumindest hat sie zu versuchen, jene Gründe als implizit mitgeltend gemachte offenzulegen; jene Basisannahmen mit anderen Worten, hinsichtlich deren Existenz bislang auf alle Fälle so viel unstreitig ist, daß sie a limine hypothetisiert worden sein muß, da sonst kein rationaler Anlaß bestanden hätte, um überhaupt Einfluß- und Abfolgemöglichkeiten der skizzierten Art zu insinuieren und so auch den speziellen Versuch einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens als Auslöser einer Kette entsprechender Transitionen in Betracht zu ziehen. Der Gang der Bewältigung des emergierten Legitimitätsproblems erweist sich folglich als gleichbedeutend mit dem Gang der Aufdeckung eines unstreitig Vorgängigen. In übersetzter Form und unison mit einer bereits erfolgten Ankündigung43 ließe sich dafür auch sagen: Er ist gleichbedeutend mit einem Untersuchungsgang, der sich vollzieht als der Versuch einer Vergewisserung der Parameter der Szenerie, innerhalb derer die projektierte Konstellation situiert gesehen wird. Auf methodischer Ebene führt der Vollzug dieses Gangs – wofür die Ankündigung ebenfalls bereits erfolgte44 und die anschließenden ___________ 43 44

Vgl. hierzu nochmals die unter ‚Ad (2)‘, Seite 234 f., notierten Überlegungen. Vgl. hierzu nochmals Seite 239.

246

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Ausführungen die einschlägigen Belege liefern werden – zu einer automatischen Invertierung der Blickrichtung.

b) Der Charakter der lebensweltlichen Vorstruktur: Ein politischer Sinnzusammenhang Obenstehend vorgenommener Projektierung einer Mittel/Zweck-Sequenz ging eine gedankliche Exploration voraus: Zu imaginieren war jene Lage, in die sich Lévi-Strauss versetzt hatte dadurch, daß er sich zu einem Engagement als Defensor bekannte. Die mutmaßlichen Inhalte des diesen Konfessionalismus (ob nun bewußt oder unbewußt) begleitenden Gedankenverkehrs sind dabei selbstverständlich nur insoweit von Bedeutung, wie sie einer rationalen Rekonstruktion offenstehen. Das Ergebnis dieser Rekonstruktion will ich in seinen Grundzügen wie folgt wiedergeben: Lévi-Strauss’ (und seiner ‚Ethnologen-Kollegen‘) Überzeugung, daß es erforderlich sei, sich der Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen zu widmen45, folgt humanistischen Ideen und dürfte vor dem Hintergrund der Einschätzung zustande gekommen sein, daß mit einer komplikationslosen, sich gewissermaßen im Selbstlauf realisierenden Umsetzung derselben nicht geradezu gerechnet werden kann. Lévi-Strauss als Autor der referierten Überzeugung mag dabei – deutlicher noch – vor Augen gestanden haben, daß die entsprechende Zielvorstellung eigens (will heißen: gegen konkurrierende gesellschaftliche Interessen) durchzusetzen ist und daß deren Verfolgung so gesehen ein politisches Unternehmen definiert.46 Die Gewärtigung eines solchen Durchsetzungszusammenhangs vorausgesetzt, mag Lévi-Strauss des weiteren bewußt gewesen sein, daß die Zielsetzung einer Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen ein planvolles Vorgehen erforderlich macht, dergestalt, ___________ 45

… – und zwar (es scheint erlaubt, dies hinzuzufügen) nicht im Sinne einer ausschließlichen Privatangelegenheit – … 46 Vgl. an dieser Stelle Kondylis (1981: 32): „Daß Ideen wirken, bedeutet […], daß sich bestimmte Menschen auf sie berufen; nicht Ideen in ihrer ersten Jungfräulichkeit bewegen die von ihnen inspirierten Menschen, sondern Menschen, die sich in konkreten Lagen befinden, bedienen sich bestimmter, ihnen z. T. schon bekannter Ideen, die aber entweder selektiv geltend gemacht oder von neuem interpretiert werden müssen. Anders gewandt: Ideen kommen zur Wirkung, eben weil sie in Lagen verwendet werden, die kein Ideenprodukt, sondern existentiell-politischer Ernst im reinsten Sinne des Wortes sind; der Ernst der Lage macht die Wirkung von Ideen zur ernsten Sache. […]. [Ideen] sind zunächst nur verfügbare Waffen; wer sie verwenden wird, und das Wann und Wie hängen nicht von ihnen ab, und deshalb ist die Geschichte ihrer Wirkung, ja ihre eigene Geschichte im Grunde nur die Geschichte ihrer Interpretationen. Ohne die Interpretation einer Idee in einer konkreten Lage bzw. ohne den kämpfenden Interpreten gibt es keine Wirkung von Ideen.“

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

247

daß die Widerstandsgrößen, an denen sich die Zielverfolgung in jedem Falle bricht, von vornherein als ergebnisrelevante Faktoren in dieses Vorgehen einzukalkulieren sind. Bewußt gewesen sein könnte ihm damit außerdem, daß über den Erfolg seiner Sache nach Maßgabe eines zu erarbeitenden Kompromisses entschieden wird; eines Kompromisses, dessen Merkmal darin besteht, sich mit einer vorgefundenen Situation unaufhebbarer Wirkungsgefüge auf der Grundlage verfügbarer Mittel zu arrangieren. Die Gewärtigung auch dieses fortgesetzten Folgezusammenhangs vorausgesetzt, darf schließlich angenommen werden, daß das, was Lévi-Strauss interessieren mußte, nicht die prinzipiell denkbaren, sondern allein die faktisch zur Verfügung stehenden Mittel waren – und auch letztere wiederum nur, insoweit sie im Rahmen eines Durchsetzungszusammenhangs relativ größtmögliche Einflußnahme versprachen.47 Nun hat die Beschaffenheit der Situation, in der sich Lévi-Strauss befand, ebenso wie die Beschaffenheit der Mittel, die ihm in dieser Situation als verfügbare und dabei zugleich als zur Zielerreichung geeignete erschienen, in der bloßen Proposition solcher Deutung noch keinen Ausdruck. Vorstellungen davon lassen sich aber unter Einbeziehung weiterer mutmaßlicher Zusammenhänge sowie unter Verwendung offenkundiger, bislang nicht verwerteter Information entwickeln. Die eingeschlagene Richtung knüpft an die Möglichkeit an, die Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen als politische48 Zielsetzung zu begreifen. Diese Möglichkeit resultiert konsequent aus der oben zitierten Mitteilung Lévi-Strauss’ über eine von ihm (und anderen) eingenommene Position, und damit letztlich aus einer von ihm (und anderen) getroffenen Entscheidung.49 An diesem Punkt – genaugenommen – setzen die in den zuletzt formulierten Feststellungen implizierten Fragen nach der Beschaffenheit von Situation und Mitteln an. Qualitativ sind diese Fragen selbstverständlich geschieden von der Frage, ob die angelegene Fortexistenz sogenannter Primitivkulturen überhaupt ein Problem aufwirft, dessen Lösung sich der Wirkung ausschließlich politischer Gesetzmäßigkeiten verdankt. Letztere Frage gehört in den Umkreis der Grundsatzfrage nach den prinzipiell relevanten Bestimmungsfaktoren menschheitlicher Fortentwicklung und erweist sich insofern als (statusmäßig weitere) Vorfrage. Ein diesbezüglicher Klärungsprozeß wird – wiewohl prinzipiell legitim genug – im Rahmen der direkt nachfolgenden Überlegungen nicht eingeleitet werden.

___________ 47

a: Erhellen würde daraus, daß die Redensart, wonach der Zweck es ist, welcher die Mittel vorschreibt, je nach Kontext auf zwar keiner falschen, aber durchaus einseitigen und somit ungenauen Vorstellung beruht. b: Die gegebene Rekonstruktion steht gleichsam wie ein Spiegel zu der bei Berger / Luckmann (1966 / [1969] [51977] (20)2004: 139) niedergelegten Auffassung: „In der Gesellschaft sein heißt […], an ihrer Dialektik teilhaben.“ 48 Im auf voriger Seite bestimmten, allgemeinen Sinne. 49 Vgl. dazu nochmals das Zitat auf Seite 240 zuzüglich meines Kurzkommentars unter dem Stichwort ‚Bedingung‘, Seite 240 f.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

c) Aufbau der Szenerie Zunächst liegt es auf der Hand, daß die Situation, in der sich Lévi-Strauss befand, nicht so beschaffen war, daß es in seiner Macht gelegen hätte, die zur Erreichung seines Ziels erforderlichen Maßnahmen autoritativ zu verfügen. Als Citoyen (als der er sich, wie man unterstellen darf, unter anderem verstand) war Lévi-Strauss vielmehr veranlaßt, Handlungssubjekte – Menschen also mit der Bereitschaft zu eigeninitiativem und zielorientiertem Engagement – zu gewinnen. Aus dem semantischen Gehalt beider Annahmen resultieren als Variablen zwangsläufig und einzig die Einstellungen der betreffenden Handlungssubjekte. Auf diese Weise kann zum einen die oben projektierte Sequenz als eine gerechtfertigte erscheinen; zum anderen wird auf diese Weise aber auch Klarheit hinsichtlich der Frage erzielt, worin für Lévi-Strauss die eigentliche Herausforderung bestanden haben muß: darin nämlich, auf die Einstellungen von Menschen verändernd einzuwirken. Unter Verwendung welcher Mittel aber – so die sich daran zwangsläufig anschließende Überlegung – hätte dergleichen geschehen können? Wie – mit anderen Worten – wäre dahin zu gelangen gewesen, auf die Einstellungen von Menschen Einfluß zu nehmen, sie dazu zu bringen, sich bestimmten Ideen anzuschließen, sich für eine bestimmte Sache einzusetzen? Im Kontext dieser Fragen festzustehen scheint: Ob Menschen ihre Einstellung ändern oder nicht, hängt aus der Perspektive eines Kommunikators davon ab, inwieweit es gelingt, sich deren Ansprechbarkeit, sich deren ‚Responsivität‘50 (als eines jeweiligen Verhaltensgrundzugs) gezielt zunutze zu machen. Daran führte wohl auch für Lévi-Strauss kein Weg vorbei; hier – so darf angenommen werden – lag auch für ihn der eigentliche instrumentelle Ansatzpunkt. Zu den relativ aussichtsreichen Möglichkeiten, sich die menschliche Ansprechbarkeit bzw. Responsivität gezielt zunutze zu machen, ist der Versuch zu zählen, kulturspezifischen und „zeitgeist“-abhängigen Wertvorstellungen zu entsprechen, und zwar näherhin jenen unter ihnen, die innerhalb einer bestimmten Kultur und Epoche hohes Prestige genießen. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß ein Rekurs auf eben solche, prestigebesetzte Wertvorstellungen – insofern diese für die jeweiligen Adressaten eine hohe Bedeutsamkeit aufweisen – vergleichsweise hohe persuasive Wirkungen erzielt, und das wiederum heißt: einen Effekt, welcher zumindest der Möglichkeit nach auch deren Einstellungsverfaßtheit nicht unberührt läßt. Immer wenn also die Vermittlung ___________ 50 Meine Verwendung dieses von B. Waldenfels eingeführten Begriffs (vgl. insbesondere ders. 1994: Gliederungspunkt III.1.; daneben ders. 1987 a, [1990] 31998, 1997 a sowie 1998) erfolgt eingedenk des Umstands, daß dieser ihn in einem kommunikationstheoretische Erwägungen überbietenden Sinne faßt.

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

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eines Anliegens durch einen Kommunikator daraufhin angelegt ist, innerhalb einer bestimmten Kultur und Epoche anerkannten und dabei zugleich für maßgeblich erachteten Wertvorstellungen (inklusive den über sie regulierten Erwartungshaltungen) zu entsprechen, darf auch damit gerechnet werden, daß dieser Vorgang einer Dignitäts- und damit Akzeptanzsteigerung des betreffenden Anliegens auf der Adressatenseite und mithin zumindest der Vorbereitung einer Einstellungsänderung auf seiten der jeweiligen Adressaten dient.

d) Evaluation Die Strategie einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens in der von Lévi-Strauss durchgeführten Form scheint diesen Mechanismus insofern zu reproduzieren, als sie der Überwertigkeit des Rationalen in unserer Kultur in mehrfacher Hinsicht entgegenkommt. Die Aufgabe, der es sich – in der Absicht, diese Vermutung zu begründen – anzunehmen gilt, besteht zunächst einmal darin, spezifische Gestalten, in denen diese Überwertigkeit sich präsentiert, abrißhaft zu bestimmen (1); und sie besteht sodann darin zu klären, in welchem Sinne die Lévi-Strauss’sche Intention einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens Geltung dahingehend beanspruchen kann, die den entsprechenden Internalisierungen korrelierbaren Erwartungshaltungen mindestens potentiell zu bedienen (2). Ad (1): Die Operation einer abrißhaften Bestimmung spezifischer Erscheinungsformen des als präponderant angenommenen Bezugswerts will ich mit folgender Einschätzung Pothasts beginnen lassen: „Einer der gravierenden Unterschiede des Menschenbildes in ‚westlicher‘ Philosophie gegenüber den Bestimmungen des Menschen in anderen Kulturkreisen scheint die Verbindung zwischen Mensch und Logos zu sein. Sie ist verbal mit dem Aristotelischen ‚zoon logon echon‘51 stabilisiert und hält sich, unter mehrfacher Wandlung dessen, was unter ‚logos‘ zu verstehen sei, im Grunde durch bis in die Gegenwart. Das heutige Schlüsselwort in diesem Zusammenhang ist ‚Rationalität‘.“52

Was im vorliegenden Zusammenhang zentrale Bedeutung erlangt, ist indes nicht nur, daß bzw. wie sich das entsprechende Selbstverständnis (unter Vernachlässigung anderer Signaturen des Humanums) in der Philosophie ausgebildet hat; wichtig zu sehen ist gerade auch – womit ich Pothast (neben anderen) nur folge –, daß dieses Selbstverständnis innerhalb unserer Kultur und Geschichte Wirkungen entfaltete, die weder auf den Bereich der Philosophie allein, noch – hinsichtlich ihrer mittelbaren Konsequenzen dann – auf unsere Kultur und Geschichte allein beschränkt geblieben wären. Abgehoben sei da___________ 51 52

Aristoteles, Politik 1253 a. (Anmerkung wie bei Pothast.) Pothast (1998: 12; zweite Hervorhebung nicht im Original).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

mit zunächst auf jene der innerhalb der europäischen Tradition explizit entwikkelten Rationalitätsauffassungen, welche die Ausbildung der Wissenschaft in ihrer heutigen Form ermöglichten53, sodann auf die fortgesetzten transaktionalen Beziehungen zwischen Philosophie, neuzeitlicher Wissenschaft und Lebenswelt54, im Zuge derer sich unsere Kultur nicht nur zur naturwissenschaftlich-technischen Zivilisation entwickelte, sondern im Zuge derer sich mehr und mehr auch eine entsprechende, gesamtkulturell verankerte Wissenschaftsorientierung bemerkbar machte, ja innerhalb unserer Kultur und Epoche durchsetzte. Die Tendenz, den beherrschenden Rationalitäts- und Wissenschaftskonzeptionen Pilot- oder auch Vorbildfunktion für nahezu jeden Bereich menschlicher Weltbegegnung, -vergewisserung und -bewältigung zuzumessen, ist dabei ebenso Teil dieser Entwicklung55 wie umgekehrt die Tendenz, angesichts der Realisierung des diesen Konzeptionen inhärenten Gefährdungspotentials selbst deren kritische Hinterfragung noch unter Wahrung des Ideals der Wissenschaftlichkeit stattfinden zu lassen56. Zusammengenommen mag hier zutreffen, was ___________ 53

Exemplarischen Stellenwert besitzt hier Descartes’ ‚Discours de la méthode‘ (1637), gewissermaßen ein „Hauptbuch der modernen Wissenschaft“ (Lepenies 1997: 27). 54 Urprünglich und anders als für gewöhnlich angenommen – darauf macht Welter (1986: 13) aufmerksam – geht die Verwendung des Ausdrucks ‚Lebenswelt‘ auf Simmel zurück, während jedoch erst Husserls phänomenologische Applikation desselben es war, welche die damit aufgegriffene Problemkonstellation ins allgemeine Bewußtsein rückte (vgl. ebd.). Im Anschluß an Welter hervorgehoben sei, daß dieser Vorgang „keine isolierbare Spätphase in Husserls Lebenswerk“ (ebd.: 41) beschreibt (ein Eindruck, den u. a. Schwemmer 1987: 202 ff. durch seinen ausschließlichen Bezug auf Husserls KrisisSchrift 1936 bzw. 1954 – vgl. Krisis / Hua VI, 1954 – erzeugt); die „Konzeption der ‚Lebenswelt‘“ (ebd.: 41) muß – hält man sich an Welter – vielmehr als ein ‚Anliegen‘ (ebd.) betrachtet werden, „das Husserl sowohl unter verschiedenen Problemperspektiven als auch unter verschiedenen ‚Problemtiteln‘ in seiner ganzen phänomenologischen Arbeit immer mitgeführt hat“ (ebd.). – Um so mehr und in Anbetracht nicht zuletzt auch der diversen „Nachfolgegestalten der Husserlschen Phänomenologie der Lebenswelt“ (ebd.: 14) stellt sich dann aber die Frage nach einer ‚authentischen Verwendung‘ (vgl. ebd.: 39) besagten Ausdrucks. Welter faßt darunter „ganz allgemein […] kulturinvariante Strukturen, Gegebenheiten und Charakteristika menschlichen Weltvollzugs […], ob sie nun Gegenstand der Transzendentalphilosophie, Anthropologie, Soziologie oder sonstiger Disziplinen sind“ (ebd.; keine Hervorhebung im Original). 55 Was seltsam berührt, wenn man sich überlegt, daß diese Konzeptionen doch gerade „im ausdrücklichen Orientierungsverzicht in politisch-sozialen Fragen die wichtigste Voraussetzung ihres Tuns [erblicken; H.M.S.]“ (Lepenies 1997: 27; keine Hervorhebung im Original). 56 Von „der“ Wissenschaft zu sprechen, erwiese sich demzufolge als Fiktion, handelt es sich faktisch doch stets um bestimmte, teils miteinander konkurrierende, teils einander ablösende, historisch gesehen auf alle Fälle unterschiedlich durchsetzungsfähige Wissenschaftskonzeptionen. – Was allein im Zeitlauf ungebrochen sich durchzuhalten scheint, ist (nochmals klargestellt) die Aufrechterhaltung eines Ideals der Wissenschaftlichkeit. Vgl. hierzu auch Hinske (1975: 158 ff.).

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

251

Martens / Schnädelbach diagnostizieren, wenn sie davon sprechen, daß Wissenschaft in der heutigen Zeit „auch eine politische Macht [darstellt; H.M.S.], weil sich politische Zielsetzungen um so effektiver vertreten lassen, wenn man sie mit dem Nimbus der Wissenschaftlichkeit umgeben kann“57.

(Kopiert werden dürfte die Verwendung identischer Etiketten wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde auch außerhalb akademischer Institutionen.58) Mit der vorangestellten These von der Überwertigkeit des Rationalen innerhalb unserer Kultur und Epoche wird folglich nicht nur der ästimative Vorrang eines spezifischen Aspekts (eben des Rationalen) gegenüber davon zumindest relativ abmarkbaren anderen Aspekten des Humanums postuliert, sondern postuliert wird mit dieser These auch der ästimative Vorrang spezifischer, primär am naturwissenschaftlichen Erkenntnisideal orientierter Rationalitätsauffassungen (wobei dieser ästimative Vorrang sich auch auf die entsprechende Verwissenschaftlichung unserer Kultur erstreckt) gegenüber alternativen Rationalitätsauffassungen (und deren jeweiliger Implikation). Ungeachtet des darüber manifest werdenden, vereinseitigten und verkürzten Verständnisses des Humanums sowie im besonderen des Rationalen figurieren die eine wie die andere Ausprägung – und allein dieser Punkt erlangt im vorliegenden Kontext entscheidendes Gewicht – als Ausdruck eines innerhalb unserer Kultur und Epoche dominanten, prestigebesetzten Selbstverständnisses. Ad (2): In der Wendung auf den Topos der Rehabilitation spiegelt sich dieses Selbstverständnis in gleich mehrfacher Weise. Die im Raum stehende Frage – um dies zu erinnern – war, in welchem Sinne der Lévi-Strauss’sche Strategiekomplex Geltung dahingehend beanspruchen könne, die diesem Selbstverständnis korrelierbaren Erwartungshaltungen mindestens potentiell zu bedienen. Wie nach den zurückliegenden Ausführungen festgestellt werden kann, wird diesen Erwartungshaltungen schon einmal dadurch der Möglichkeit nach entsprochen, daß Lévi-Strauss von den ihm in ausgezeichneter Weise zur Verfügung stehenden Mitteln als Intellektueller und Vertreter einer mit hoher Reputation ausgestatteten Institution, nämlich als Wissenschaftler, Gebrauch macht; integrierender Bestandteil des Lévi-Strauss’schen Strategiekomplexes ist also, bereits qua Rolle, sein Spiritus rector selbst. Der Möglichkeit nach entsprochen wird den innerhalb unserer Kultur und Epoche vorherrschenden Erwartungshaltungen aber nicht nur über das Prestige der Person Lévi-Strauss’, sondern auch und vor allem über das Prestige der von ihm diskutierten Sache; und zwar geschieht dies in der inzwischen hinlänglich bekannten Weise, daß Lévi-Strauss zum Hauptgegenstand seiner Rehabilitationsbemühungen eben ein ___________ 57 58

Martens / Schnädelbach (1985: 20; keine Hervorhebung im Original). Apropos ‚Scientology‘.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

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Denken (das Denken der „Primitiven“) macht, wobei sich sein Interesse bezeichnenderweise auf wiederum sehr spezifische Formen bzw. Manifestationen dieses Denkens konzentriert: zum einen – was seinen methodischen Strukturstandpunkt (von mir als erste Rehabilitationsstrategie verhandelt) betrifft – auf intellektuelle Operationen, die sich im besonderen dazu eignen, um auf im letzten naturwissenschaftlich begründete59, gattungsuniversale Strukturen zurückgeführt zu werden; zum anderen – was seinen methodischen Subjektstandpunkt (von mir als zweite Rehabilitationsstrategie verhandelt) betrifft – auf intellektuelle Operationen, die von ihm offensichtlich für geeignet befunden werden, um den „Primitiven“, indem sie sie vollziehen, Wissenschaftlichkeit zu attestieren.

4. Externes kein internes Sinnverständnis. Versuche einer vorläufig abschließenden Sinnzuschreibung Die vorgenommene Evaluation erfolgte auf der Grundlage von als kulturund epochenspezifisch angenommenen Wertpräferenzen. Zu den diesen zuordenbaren Erwartungshaltungen konnten passende strategische Gegenstücke gefunden werden, womit jedoch allein die Existenz möglicher Komplementärverhältnisse als bestätigt gelten kann. Oder um den Sachverhalt anders auszudrükken: Unberücksichtigt bei diesem planen Feststellungsakt – und überhaupt so weit – blieb das Problem der Verträglichkeit solcher Komplementärverhältnisse mit dem Lévi-Strauss’schen Sinnverständnis, welches erst seine Forschung als ein Handlungsgeschehen verständlich machte. Bei der bisherigen Ausklammerung dieses Problems, in dem sich ein Bedürfnis nach Klärung artikuliert, muß es indessen nicht sein Bewenden haben. Denn der sukzessiv aufgebaute Sinnzusammenhang gleicht an der erreichten Nahtstelle einem Modell, das es erlaubt, sich von einer entsprechenden Verträglichkeitsvermutung durchaus leiten zu lassen und so die eine oder andere Interpretation zumindest zu wagen. Dem, worauf sich einzulassen Anlaß bestünde, seien zwei (auf die Beseitigung resp. Verhinderung von Mißverständnissen zielende) Bemerkungen vorangestellt: – Erstens: Die festgestellten Komplementärverhältnisse können die nachfolgend offerierten Sinnzuschreibungen weder begründen, noch vermögen sie sie zu erzwingen. – Zweitens: Da Lévi-Strauss in Richtung solcher Sinnzuschreibungen gehende, eigene Angaben schuldig bleibt (auf den Punkt hatte ich bereits zu Ein___________ 59 Siehe hierzu erneut oben: Erstes Kapitel (‚Propädeutik‘), Seite 87, die Argumentation um die Fußnotennummern 280-283.

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

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gang hingewiesen60), steht automatisch und von vornherein fest, wie diese zu bewerten sind: Lediglich können sie als Versuche gelten, logisch nachvollziehbare Vorstellungen von einer von außen angenommenen inneren Sinnstruktur des Lévi-Strauss’schen Handelns anzubieten; nicht dagegen vermögen sie mit dem (direkten oder indirekten) Anspruch aufzuwarten, auf diese Weise Lévi-Strauss’ persönliches, „subjektives“61 Sinnverständnis abzubilden.62 Erinnert werden soll in diesem Zusammenhang an die von Schütz im Rahmen seiner ‚Grundzüge einer Theorie des Fremdverstehens‘ formulierte Einsicht, der zufolge „das Postulat nach Erfassung des fremden gemeinten Sinnes […] unerfüllbar [sei] und fremder gemeinter Sinn […] auch bei optimaler Deutung ein Limesbegriff [bleibe]“63.

Mit diesen beiden Bemerkungen kann der Versuch vorläufig abschließender Sinnzuschreibungen als vorbereitet gelten und also unternommen werden: Angesichts des Problems der Verträglichkeit der festgestellten Komplementärverhältnisse mit dem Lévi-Strauss’schen Sinnverständnis bestünde erstens Anlaß zu fragen, ob die den identifizierten Wertpräferenzen zugeschriebene Wirkung für Lévi-Strauss nicht ein Grund gewesen sein könnte, um sich überhaupt auf einen Strategiekomplex wie den bezeichneten festzulegen. Wäre man geneigt, diese Frage als Option auf eine externe Sinnzuschreibung affirmativ zu beantworten, so würde man – was dann speziell den (als zweite Rehabilitationsstrategie verhandelten) methodischen Subjektstandpunkt betrifft – auch nicht mehr umhinkönnen, in Lévi-Strauss’ Zuweisung des Attributs der Wissenschaftlichkeit den Akt eines öffentlichkeitswirksamen Aufpolierens von Forschungsergebnissen fixiert zu sehen. Die beiden diese Einschätzung antezedierenden Rekonstruktionsschritte würden lauten: (Erstens) In der Natur des „primitiven“ Denkens liegt es nicht, die Verwendung des Attributs der Wissenschaftlichkeit zu motivieren. (Zweitens) Insofern aber die entsprechende Motivation ausschließlich in den Wirkungsgesetzlichkeiten unserer eigenen Kultur zu suchen wäre, verbliebe allein zu fragen: Welche – außer der eben vorgeschlagenen – sollte sonst noch existieren?

___________ 60

Siehe oben, Seite 232. Siehe zur Einführung der Unterscheidung zwischen einer (in einer Weise) „objektiven“ und einer (in entsprechender Weise) „subjektiven“ Perspektive nochmals oben, Seite 233, Begriff vor Fußnotennummer 5 bzw. Seite 233 f., Fußnote 5 a und b. 62 Vgl. prinzipiell zu den mit diesen Überlegungen angerissenen (sowie benachbarten) Problemfeldern Schwemmer (1976) – dort insbesondere Kapitel 3 (‚Erklärung als rationale Rekonstruktion‘) und ders. (1987) – dort insbesondere Kapitel 2 (‚Erklärungen in den Kulturwissenschaften‘). 63 Schütz ([1932] 21960: 108; keine Hervorhebung im Original). Vgl. außerdem ebd.: 30 und 36. 61

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Gewissermaßen verfügbar wäre damit das bislang noch ausständige, explanative Komplement zum interrogativen Ausgang des zweiten Kapitels.64 Es mag nur auf den ersten Blick erheitern. Eine Bejahung vorstehender Sinnzuschreibung vorausgesetzt, erschienen der qualitätsverbürgende Stempel des lebensmittelchemischen Instituts auf dem Glas eines unter der Marke ‚Nutella‘ bekannten Brotaufstrichs und das durch Lévi-Strauss dem „primitiven“ Denken zugewiesene Label der Wissenschaftlichkeit im funktionellen Rahmen als ein und derselbe Vorgang: Intendiert sehen dürfte man in beiden Fällen eine Steigerung der Attraktivität und damit Akzeptanz des zu vermittelnden „Produkts“, um auf diese Weise eine Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung zu initiieren und so dem jeweils gewünschten Ziel – der Hebung des Umsatzes im einen, der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen im anderen Falle – näherzubringen. Was die beispielgestützte Analogisierung anklingen lassen will, ist, daß das „primitive“ Denken unter einem bestimmten Aspekt seiner (rechtmäßigen) Darstellung in der Tat keinen anderen Charakter einnimmt als den einer Ware. Auf ihren nüchternen, unschönen Begriff gebracht ist damit – wohlgemerkt – allein eine Implikation Lévi-Strauss’scher Argumentation. Und eine solche (neben anderen Implikationen durchaus gleichberechtigte) wird es bleiben, selbst wenn man annehmen muß, daß sie mit ihres Urhebers ursprünglicher Absicht nicht zusammenfällt.

Angesichts des Problems der Verträglichkeit der oben festgestellten Komplementärverhältnisse mit dem Lévi-Strauss’schen Sinnverständnis bestünde zweitens Anlaß zu fragen, ob in der den identifizierten Wertpräferenzen zugeschriebenen Wirkung für Lévi-Strauss nicht zugleich und darüber hinaus ein Grund gesehen werden könnte für den enormen Anteil, den dieser Strategiekomplex65 – gemessen am Gesamtumfang der Lévi-Strauss’schen Forschungen – besitzt. Dialektisch hinterleuchtet, ließe sich angesichts des bezeichneten Problems weiterfragen, ob in jener der Überwertigkeit des Rationalen zugeschriebenen Wirkung nicht wiederum auch ein Grund dafür liegen könnte, weshalb bei___________ 64

a: Siehe ebd.: Seite 228 f. b: Das bislang noch ausständige, explanative Komplement darf hier außerdem gesehen werden zum Text vor Fußnotennummer 226 auf Seite 148 (ebenfalls zweites Kapitel): Eine Vorgehensweise, die fast nur wie ein weitgehend sinnloses, intellektuelles Sich-Austoben anmuten konnte, würde sich nun eher als Mittel im Dienste eines spezifischen Zwecks (eben des öffentlichkeitswirksamen Aufpolierens von Forschungsergebnissen, siehe vorige Seite) zu erkennen geben. c: Gewissermaßen verfügbar wäre damit zugleich eine Antwort auf die Frage nach dem Grund jener paradox anmutenden „Verweigerungshaltung“, die Feyerabend (1975 / [1976] 1983) nicht zuletzt einem Denker wie Lévi-Strauss unterstellt: „Evans-Pritchard, Lévi-Strauss und andere haben erkannt, daß das ‚abendländische Denken‘ keineswegs ein einsamer Gipfel der menschlichen Entwicklung ist, sondern mit Problemen zu kämpfen hat, die in anderen Ideologien fehlen – aber die Wissenschaft nehmen diese Autoren von ihrer Relativierung aller Denkformen aus.“ (Ebd.: 387; keine Hervorhebungen im Original). Vgl. für die knappere Fassung ders. ([1979] 1980: 120 f.). 65 Davon im besonderen der von mir als erste Rehabilitationsstrategie verhandelte methodische Strukturstandpunkt.

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

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spielsweise der Aspekt des ‚homo faber‘ in den unter der Leitfrage nach dem Humanum stattfindenden ethnologischen Forschungen Lévi-Strauss’ eine so vergleichsweise untergeordnete Bedeutung besitzt.66 Eine ähnlich kritische Anfrage wäre schließlich in bezug auf all jene Formen humaner Kompetenz vorzubringen, die als Ausdruck von Rationalitätsauffassungen in Erscheinung treten, die mit den für unsere Kultur und Epoche als typisch angenommenen Wertpräferenzen nicht oder nur sehr schwer in Verbindung zu bringen sind. Eindeutig nicht die Forschungsschwerpunkte Lévi-Strauss’ machen jedenfalls jene Rationalitätstopoi (und diesen entsprechende Handlungen bzw. Akte) aus, auf die etwa Feyerabend anspielt, wenn er schreibt: „‚Primitive‘ Gesellschaften lehren uns, daß es bessere Weisen der Altersversorgung, der Behandlung ‚krimineller‘ Elemente, der Behandlung von Geisteskrankheiten gibt, als wir sie heute kennen und anwenden. Wir lernen auch (etwa von den Azande), daß eine ‚rationale Diskussion‘ soziale Probleme oft verschärft und nicht löst.“67

Im Lichte dieses Kontrasts wäre also zuletzt zu fragen, ob ein Grund dafür, warum Lévi-Strauss seine Forschungsschwerpunkte so ausgebildet hat, wie er sie ausgebildet hat68, nicht darin liegen könnte, daß er um die problematische ___________ 66 a: Gesprochen hatte ich oben (Seite 251) bewußt von relativ abmarkbaren anderen Aspekten des Humanums. b: Siehe als Beispiele für eine punktuelle Würdigung des „Primitiven“ als ‚homo faber‘ etwa den Verweis Lévi-Strauss’ auf jüngere Erkenntnisse bezüglich Kleidung und Wohnung der Eskimos (TT: 379 f. / TrTr: 444 f.) oder auf den traditionellen erdelosen Pflanzenbau bestimmter polynesischer Ethnien (StAII: 385 / AStII: 399); vgl. außerdem BF: 396 f. / RE: 367. 67 a: Feyerabend ([1979] 1980: 19). – Ähnliche oder analog gelagerte Beispiele finden sich in Höffe ([1999] 2002: 35), Hoffmann (1993: 9), Kimmerle (1991: 91) oder, auf essayistischer Basis, bei Chatwin (1996 / 1998: 130 f.). [Im Falle Chatwins gleichwohl erschiene mir eine parallelgeschaltete Lektüre Passarges (1907) – im besonderen der Seiten 56 f., 69, 73 ff., 110 f. und 124 ff. – als angemessen, um vor einer zumindest historischen Positiv-Stilisierung der Buschmann-Kulturen zu bewahren.] b: Noch ein Querverweis darf in diesem Zusammenhang erfolgen auf ein unmittelbar angrenzendes Thema. Entgegen einem eingesessenen Vorurteil schreibt Mühlmann (1962 a: 27) mit Blick auf sogenannte primitive Gesellschaften: „Mißgestaltete, verkrüppelte, schwachsinnige oder sonstwie biologisch untüchtige Individuen werden in der Regel von der Gruppe mit durchgeschleppt, weil das Prinzip der Gruppensolidarität stärker ist als jede andere Erwägung.“ – Eine jüngere, in der Ausdrucksweise wenig moderater und hinsichtlich der ausgelösten Assoziationen daher etwas verträglicher gehaltene Bestätigung dieser ethnographisch alten Beobachtung liefern Turnbulls Forschungsergebnisse über die Mbuti-Pygmäen (vgl. ders. 1986: 115 f.). Vgl. hier zudem L. L. CavalliSforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 27). 68 Lévi-Strauss’ Ausführungen zum von ihm so bezeichneten ‚Schamanen-Komplex‘ (StAI: 197 / AStI: 197) und den entsprechenden Heilverfahren (siehe jeweils ebd.: Kapitel 9 und 10), seine Ausführungen ferner zu Themenblöcken wie ‚Oralität und Literalität‘ oder ‚außereuropäischer Schriftsinn‘ (siehe hierfür StAI / AStI: Kapitel 13, daneben vor allem TT: 168 ff. und 288 ff. / TrTr: 203 ff. und 337 ff.) [Wie aufschlußreich diese

im einzelnen auch immer sein mögen. An erster Stelle erwähnter Ausführungen bzw. Themata nehmen sich auf je

256

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Einheit von Lernfähigkeit und Lernwilligkeit auf seiten seiner „zivilisierten“ Adressaten wußte. Denn wenn Feyerabend (wie eben zitiert) schreibt: „‚Primitive‘ Gesellschaften lehren uns …“, so ist klar, daß dies effektiv nichts anderes heißt als: sie lehren uns, insofern wir uns lehren lassen; sie lehren uns, insofern wir allererst die Bereitschaft haben, uns auf für uns ungewohnte Sichtweisen einzulassen. Zwar wäre es in sich schlüssig, wollte man hier einwenden, daß Lévi-Strauss unter dem Titel des ‚wilden‘ Denkens für Ausdrucksformen „primitiver“ Intellektualität sich stark macht, bezüglich derer zutrifft, daß sie doch gerade unter die Rubrik jener eben angesprochenen Rationalitätsauffassungen fallen, die, weil sie mit unseren eingefahrenen Vorstellungen des Wünschenswerten kollidieren, über ein eher negatives „Image“ verfügen. Nur stellt sich der Fall als solcher so nicht dar. Wer meiner Argumentation kontinuierlich gefolgt ist, wird bemerkt haben, worin ich in diesem Punkt Lévi-Strauss’ eigentliche Strategie erkannt zu haben meine: Mir will scheinen, daß Lévi-Strauss – vor die Alternative einer prosaischen Abhandlung des ‚wilden‘ Denkens gestellt – einer vorsorglichen „Verpackung“ dieser Rationalitätsauffassung den Vorzug gegeben hat; daß er sich entschieden hat, sie durch Verwendung des Etiketts der Wissenschaftlichkeit bewußt und gezielt mit einem erwartungskompatiblen Wert zu besetzen, um gewissermaßen auf dem Umweg der Imagesubstitution vorhandene Bereitschaftslagen zu nutzen und so das in gewohnter Blickbahn Atypische annehmbarer zu machen.69

Unter der Voraussetzung einer Bejahung dieser Sinnzuschreibungen verweist die Ausbildung der Lévi-Strauss’schen Forschungsschwerpunkte zurück auf eine aus „pragmatischen“ Gründen getroffene, in gewisser Hinsicht fast opportunistisch zu nennende Wahlentscheidung: Lévi-Strauss könnte die allgemeine Lebenserfahrung veranschlagt haben, daß erst in dem Maße, wie gelebte Systeme an spürbare Grenzen stoßen, eigene Dispositionen wachsen, herkömmliche Bereitschaftsmuster und Wertpräferenzen zu ändern; und ebenso wäre es denkbar, daß von Lévi-Strauss – entsprechend dazu – die besondere zeitgeschichtliche Situation, in der er sich befand, als eine gerade nicht in diesem Sinne krisenhaft empfundene veranschlagt wurde, womit ihm die herkömmlichen Bereitschaftsmuster und Wertpräferenzen als bis auf weiteres gül___________ ihre Weise Hansen ([1995] [22000] 32003: 90 ff.) und Schüttpelz (2005: 273 ff.), an zweiter Stelle erwähnter Ausführungen bzw. Themata auf je ihre Weise Derrida (1967 b / 1974 b), Därmann (2005: 642 ff., 648 ff., 654 ff.) und wiederum Schüttpelz (2005: 251 ff.) an.] sollen und dürfen im Kontext eben genannter Bei-

spiele nicht verschwiegen werden. Reklamieren können sie im Gesamtrahmen LéviStrauss’scher Forschungen indessen nicht mehr als den Status schmaler Segmente. [An zweiter Stelle erwähnte Ausführungen bzw. Themata stehen in Verbindung mit einer als ‚Schreibstunden‘ gekennzeichneten Episode der ‚Traurigen Tropen‘. Unabhängig davon ist die Feststellung richtig, daß die Entfaltung des breitangelegten Programms der ‚Mythologica‘ die mündliche literarische Überlieferung eines ganzen Kontinents zu seiner Grundlage hat (siehe Schüttpelz 2005: 378).] 69 Aufgehoben sehe ich dasselbe Sinnverständnis in der maximal komprimierenden (und dabei leicht vergröbernden) Formel Duala-M’bedys (1977: 253): „[D]er Fremde [wird] als Wissenschaftler betrachtet, wodurch er rehabilitiert wird […].“ (Keine Hervorhebung im Original.)

IV. Naheliegende Assoziationen (II)

257

tige Orientierungsmaßstäbe nicht nur hätten dienen können, sondern geradezu müssen.

5. Der ideologische Kern der Lévi-Strauss’schen Strategie: Handeln für den Dritten70 in selbsterteiltem Auftrag Im Rahmen vorstehenden Sinnverständnisses fungiert die Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens als ein Beitrag zur Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen. Der Art ihrer Durchführung nach besitzt sie den Charakter einer kulturimmanenten Verhandlung fremdkultureller Sachverhalte, denn Lévi-Strauss verteidigt „primitive“ Kulturen, denen er selbst nicht angehört, vor dem Forum eines Kulturkreises, dem er selbst angehört und der aber – hält man sich an das Lévi-Strauss’sche Schema – als ein „zivilisierter“ zugleich ein anderer ist. Als immerhin bemerkenswert herausgestellt werden darf bezüglich dieses Verfahrensmodus der Befund (als solcher mag er hier zunächst betrachtet werden): In den textoffiziellen Verlautbarungen Lévi-Strauss’ treten „primitive“ Kulturen – jene gegenüber ihm selbst und seinen „zivilisierten“ Adressaten Dritten sowie in der Sache eigentlich Betroffenen – gleich einem artikulationsunfähigen Klienten überhaupt nicht in Erscheinung. Dieses gilt in einer mehrfachen, zunächst in (wiederum) deskriptiver Absicht zu präzisierenden Weise: – Lévi-Strauss macht sich zu deren Fürsprecher, ohne daß ihm für diese Form der Intervention (die durchaus eine Art der „Einmischung in innere Angelegenheiten“ darstellt) von entsprechender Seite je ein Auftrag erteilt worden wäre.71 – Lévi-Strauss scheint der „primitiven“ Kulturen aber auch insofern nicht zu bedürfen, als er offensichtlich frei ist davon, diesen ein Interesse an der von ihm verfolgten Strategie zumindest zu unterstellen72, um sich zumindest auf diese Weise seiner Handlungsmotivation und -legitimation zu versichern.73 ___________ 70

Nach dem Doppelpunkt so formuliert in Anlehnung an den Wortlaut einer Überschrift Münklers (1980: 317). 71 Wie hätte man sich diesen Vorgang auch vorzustellen? 72 Anderslautende Erklärungen vermag ich nicht zu eruieren. 73 Im Hintergrund des Arguments steht die von dem Politologen Münkler für den Bereich der Terrorismusforschung geprägte (bissige? boshafte?) Formel vom ‚als interessiert unterstellten Dritten‘ (vgl. Münkler 1980: 317). [Siehe zur Verdeutlichung dieser Formel Münklers Beispiel: „In den offiziellen Verlautbarungen wurden von der ‚RAF‘ sowohl das nationale Industrieproletariat und marginalisierte gesellschaftliche Schichten der Industriestaaten als auch die Völker der Dritten Welt als an den Aktionen der Gruppe interessiert unterstellt.“ (Ebd.: 321; keine Hervorhebung im Original.) Was Lévi-

258

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

– Lévi-Strauss aber (auch zuletzt unter zuspitzender Bezugnahme auf die von ihm verfügbaren Texte) unterstellt nicht nur nichts, er überprüft auch nichts. Will heißen: Auch scheint es ihn schließlich nicht zu kümmern, ob das Faktum wie auch die Art seines Engagements – sowohl das ‚Daß‘ also wie das ‚Wie‘ seiner Fürsprache – jeweils tatsächlich im Sinne „primitiver“ Kulturen ist74, um sich auch hiermit wiederum der eigenen Handlungsmotivation und -legitimation zu versichern. Hält man sich an die oben vorgenommene Sinnzuschreibung, so könnte insbesondere letzteres – die Frage also, ob die Art, in der das Engagement erfolgt, tatsächlich die Zustimmung „primitiver“ Kulturen erführe bzw. auf deren Interesse stieße – bezweifelt werden. Denn erscheint Lévi-Strauss’ Entscheidung, die innerhalb seines eigenen Kulturkreises herrschenden Bereitschafts- und Wertstrukturen unangetastet zu lassen, als eine strategisch notwendige und mithin der Preis affektbefriedigender Zugeständnisse, ja einer gewissen Anbiederung geradezu als Forderung, so verwirkt er damit – zumindest „primitiven“ Kulturen gegenüber – den Anspruch, sich als Bewahrer deren Authentizität zu gerieren.75

V. Fernerliegende Assoziationen (I). Das Telos der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen 1. Problemstellung Die stereotype Formel von der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ diente der unmittelbar zurückliegenden Argumentation als Fluchtpunkt und Orientierungsmarke. In dieser Funktion ermöglichte sie die vertiefte Erörterung einer Reihe die Rehabilitationsthematik betreffender Fragen, die sich im zweiten Kapitel dieser Untersuchung mehr und mehr herauszuschälen ___________ Strauss mit den Terroristen Münklers verbindet, ist folglich, daß beide als selbsternannte Fürsprecher auftreten und nach ihrem Selbstverständnis auch für einen Dritten handeln; dies rechtfertigt überhaupt den Transfer. – Nicht auf den Rehabilitationskontext anwendbar ist die Formel Münklers dagegen insofern, als Lévi-Strauss diesem Dritten ein Interesse an seiner Strategie (wie gesagt) nicht unterstellt, ebensowenig wie er die Motivation und Legitimation für sein Handeln überhaupt von einem solchen abhängig macht.] 74 Vgl. auch hierzu Münkler (1980) mit der Differenzierung zwischen einem zunächst als interessiert unterstellten (sinngemäß: angeblich interessierten) und einem sodann tatsächlich interessierten Dritten (ebd.: 325). 75 Vgl. zuletzt in diesem, mit dem Bereich interkultureller Verständigung verschränkten Zusammenhang die von Holenstein (1994 b) formulierte und am traditionellen hermeneutischen Prinzip der Billigkeit orientierte ‚Personalitätsregel‘ (ebd.: 301 f.).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

259

begannen. Mit ihrem Verlauf erreicht hat die Diskussion indessen nun auch einen Punkt, an dem die hinreichende Unbestimmtheit besagter stereotyper Formel über den bisherigen Stand und Horizont hinaustreibt. Konkret tut sie dies in Gestalt der folgenden, in der Sache miteinander verschränkten Fragen: so einmal in Gestalt der Frage nach dem Woraufhin eben auch der jüngsten teleologischen Identifikation, das heißt: in Gestalt der Frage nach dem Sinn und Zweck eben auch der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘; so außerdem in Gestalt der Frage nach der grundsätzlichen Beschaffenheit des mit der Rede von der Erhaltung bzw. Bewahrung anvisierten normativen Zustands, oder was sich auf dasselbe beläuft: in Gestalt der Frage nach der Form, in der die der Menschheit noch verbliebenen „primitiven“ Kulturen fortzuexistieren gedacht sind; und so schließlich in Gestalt der Frage nach den für die Erhaltung bzw. Bewahrung dieser Kulturen (in eben der nach grundsätzlicher Beschaffenheit resp. Form spezifizierten Weise) erforderlichen Bedingungen. Im gegenwärtigen, über diese Fragen kennzeichenbaren Stadium der Untersuchung bieten weitere, bislang konzeptionsbedingt zurückgehaltene Forschungen Lévi-Strauss’ eine wichtige Möglichkeit der Fortsetzung: Zwar liegt von Lévi-Strauss keine dezidierte Kulturtheorie vor. Nichtsdestoweniger aber existieren dazu verstreute Ansätze, welche sich durch diverse interpretative Maßnahmen (so der Dokumentation explizit, der Explikation implizit, der Überbrückung elliptisch verlaufender, der Vernetzung dispositionell unabhängig voneinander existierender Argumentationsbestände, zuletzt aber auch der Transposition resp. Mediation von „Stilen“) zu so etwas wie einem einheitlichen Modell integrieren lassen. Die entsprechende Konzeptualisierung enthält unter anderem – ausgehend von einer begrifflichen und sachlichen Vorverständigung über Kultur als des basalen Gegenstandes der Reflexion – nicht nur das Problem der Ausbildung und Veränderung von Kulturen betreffende Vorstellungen, sondern auch eine Normvorstellung von der Erhaltung des (von LéviStrauss so bezeichneten) Faktums der Verschiedenheit menschlicher Kulturen, wobei letztere (von ihm) wiederum als eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben der Menschheit angesehen wird. [Siehe hierfür den unmittelbar folgenden Gliederungspunkt 2., Punkt V.2. also dieses dritten Kapitels.] Interesse beansprucht dieser Vorstellungskomplex im Zusammenhang der zuletzt aufgeworfenen Fragen, weil er sich als geeignet erweist, um an die normativ eingesetzte Formel von der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ seinerseits teleologisch anzuknüpfen; bzw. weil er sich – im Sinne eben dieser zuletzt aufgeworfenen Fragen – als geeignet erweist, um besagte Formel hinsichtlich ihrer Relevanzen und Implikationen semantisch anzureichern. [Siehe hierfür Gliederungspunkt V.3. dieses dritten Kapitels.76] ___________ 76

Unten, Seite 315 ff.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

260

Interesse schließlich beansprucht der entsprechende Vorstellungskomplex außerdem, da die anhand seiner gewonnenen Einsichten in wiederum weiterer Folge eine rückwirkende Anwendung auf die Rehabilitationsthematik und damit eine Neuinterpretation der diesbezüglich so weit vorliegenden Ergebnisse gestatten. [Siehe dafür dann Gliederungspunkt VI. dieses dritten Kapitels.77]

2. Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen. Versuch ihrer kritisch-konstruktiven Integration a) Lévi-Strauss’ kulturwissenschaftlicher Kulturbegriff und seine Verwendung im Singular und Plural Mit Lévi-Strauss sind der unterschiedlichen Verwendung des Wortes Kultur78 – also seiner Verwendung im Singular und im Plural – auch unterschiedliche Probleme zuzuordnen.79 Die Vornahme dieser grundlegenden Differenzierung und Zuordnung bzw. die mit ihr zu verstehen gegebene reziproke Verwiesenheit von Begriffs- und Sachebene soll für die Abarbeitung der gekennzeichneten Aufgaben als Einteilungsprinzip und methodischer Leitfaden übernommen werden.

b) Der kulturanthropologische Akzent oder Lévi-Strauss’ Verwendung des kulturwissenschaftlichen Kulturbegriffs im Singular: Kultur als Distinktionsbegriff und Attribut der Conditio humana aa) Effektive Präzisierung und Erweiterung des auf Tylor zurückgehenden Traditionsbestands Als Wissenschaftler grenzt sich Lévi-Strauss von der einseitig wertenden populären Auffassung, dergemäß sich mit Kultur „die durch Urteilsfähigkeit und Geschmack bereicherte und aufgeklärte Lebensführung“80 verbindet, ab ___________ 77

Unten, Seite 351 ff. Der Begriff ‚Kultur‘ birgt Äquivokationen. Faßbar werden diese nicht nur an der üblichen Unterscheidung zwischen einem populären und einem wissenschaftlichen Sprachgebrauch, sondern näherhin auch noch einmal daran, daß der populäre wie der wissenschaftliche Sprachgebrauch – jeweils für sich betrachtet – uneinheitlich ausfällt. Für eine einführende Orientierung angesichts der Polysemie (bei jeweils gemeinsamer Etymologie) des Kulturbegriffs sei hier verwiesen auf die Ausführungen Hansens ([1995] [22000] 32003: 11-18). 79 Siehe BF: 55 / RE: 51. 80 Eribondt: 240 / Eribonfrz: 229. 78

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

261

und stellt sich in die ethnologische Tradition der auf den Briten Tylor zurückgehenden, klassischen Definition81. Tylors Definition zufolge bezeichnet Kultur „jenes komplexe Ganze, welches Wissen, Glaube, Kunst, Moral, Recht, Sitte und Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten einschließt, welche der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erworben hat“82.

Interpretierend setzt Lévi-Strauss seiner eigenen Rezitation dieser Definition83 mit dem Hinweis nach, daß damit „alles zum Untersuchungsgegenstand [würde]: die Hervorbringungen, die man im [populären; H.M.S.] Sinne des Begriffs als die niedrigsten werte[.], ebenso wie die vornehmsten“84.

Betrachtet man den ganzen Abschnitt – was sich nahelegt und wogegen nichts spricht – als Argumentationseinheit und wertet man diese allein anhand der in ihr enthaltenen Anhaltspunkte aus, so stellt sich der Standpunkt LéviStrauss’ in der Frage nach einem wissenschaftlichen Kulturverständnis unter drei direkten Aspekten dar: – Direkter Aspekt 1: Insofern Lévi-Strauss seine Interpretation der Definition Tylors in inhaltlicher Opposition zu der von ihm als einseitig wertend charakterisierten populären Kulturauffassung formuliert, bewirkt sie eine genauere Bestimmung der Tylorschen Definition. Begründet wird der Status seiner Interpretation als inhaltlicher Opposition durch Akzentuierung des unterschiedslosen, sowohl umfassenden wie wertneutralen Untersuchungsinteresses im Begriff ‚alles‘. – Direkter Aspekt 2: Indem Lévi-Strauss parallel zu Tylors Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ den Begriff ‚Hervorbringung‘ einführt (der Originalterminus lautet ‚production‘), lenkt er die Aufmerksamkeit auf den Untersuchungsgegenstand vornehmlich – und anders als Tylor – unter dem Blickwinkel seiner Entstehung; insofern darf man darin eine weitere Form des konstruktiven Umgangs mit der Definition Tylors erkennen. Gestellt sieht man sich an diesem Punkt gleichwohl vor das Problem – und hierin unterscheidet sich der gegenwärtige vom erstgenannten Aspekt –, daß der betreffende Lévi-Strauss’sche Argumentationszusam___________ 81 82

Siehe Eribondt: 240 / Eribonfrz: 229. a: Tylor ([1871] 51913: 1); nach der exakten Übersetzung Kohls ([1993] 22000:

131). b: Vgl. für die Zitation des Originalwortlauts nachstehende Fußnote, Fußnote 83 b. 83 a: Die Abweichungen vom Originalwortlaut Tylors sind unwesentliche. b: Siehe für Lévi-Strauss’ korrekt wiedergegebene Originalzitation Tylors StAI: 381 / AStI: 389: „That complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society.“ Vgl. außerdem StAI: 32 / AStI: 25 sowie ebd.: 81 / ebd.: 78. 84 Eribondt: 240 / Eribonfrz: 229; keine Hervorhebungen im Original.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

menhang über kein weiteres Indiz verfügt, anhand dessen entscheidbar würde, wie dieser Sachverhalt zunächst für sich betrachtet, sodann aber auch wiederum im Verhältnis zu Tylors Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ zu bewerten ist. – Direkter Aspekt 3: Lévi-Strauss’ Interpretation der Definition Tylors dokumentiert, insoweit sie deren Präzisierung bewirkt resp. deren Erweiterung erkennen läßt, keinen Vorgang passiver Übernahme, sondern einen Vorgang aktiver Aneignung und damit Fortschreibung einer Tradition. Sicher nicht in einem absoluten, wohl aber in einem über seine historischen Rückbezüge relativierten Sinne ist daher der Vorgang dieser Präzisierung resp. Erweiterung als Ausdruck einer Vergewisserung von Lévi-Strauss’ persönlichem wissenschaftlichen Kulturverständnis anzusehen. Weiteren Aufschluß bezüglich des Standpunkts Lévi-Strauss’ in der Frage nach einem wissenschaftlichen Kulturverständnis versprechen über den bisher möglichen Aussagestand hinaus zwei unabhängig von der eben in den Fokus genommenen Argumentationseinheit existierende Einteilungen; gemeint ist damit zum einen der das Lévi-Strauss’sche Werk durchziehende Unterschied85 von Natur und Kultur86, zum anderen die von Lévi-Strauss unter einer pädagogischen Fragestellung vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Kreativität im objektiv verstandenen und einer Kreativität im subjektiv verstandenen Sinne87. Im Hinblick auf die gegenwärtige Aufgabenstellung voranzubringen versprechen diese beiden Differenzierungen deshalb, weil ungeachtet ihrer sowohl dispositionellen Disloziert- bzw. Separiertheit wie auch ihrer thematischen Verflechtung in primär andere Kontexte inhaltliche Bezüge zur gerade fokussierten Argumentationseinheit zweifellos bestehen. Geht man diesen einwandfrei vorhandenen inhaltlichen Bezügen im einzelnen nach, so stellt sich der Standpunkt Lévi-Strauss’ in der Frage nach einem wissenschaftlichem Kulturverständnis neben den bereits genannten direkten unter nochmals drei weiteren, entsprechend nun als indirekt zu bezeichnenden Aspekten dar: – Indirekter Aspekt 1: Der das Lévi-Strauss’sche Werk durchziehende Unterschied von Natur und Kultur führt in Verbindung mit der von Lévi-Strauss übernommenen Tylorschen Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ unter einem zunächst formalen Gesichtspunkt zur Ver___________ 85 Von Lévi-Strauss gern (fälschlicherweise) als Gegensatz postuliert. (Vgl. hierzu auch die entsprechenden Materialien in den Appendices, Gliederungspunkt III., Seite 454 ff.; dabei insbesondere Endnotennummer 9 auf Seite 457 f.) 86 Der auf den ontologischen Status der Disparatheit abstellende Positionenwandel Lévi-Strauss’ (siehe hierzu BellourI / dt: 79 / BellourI / frz: 37 f.) spielt aus Sicht der momentan beschäftigenden Fragen keine Rolle. 87 So in BF: 396 ff. / RE: 366 ff.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

263

vollständigung einer Bedeutungsreihe bzw. zur Herstellung eines Komplementärverhältnisses; so wird aus der Sequenz88 Natur

:

x

::

Kultur

:

Erworbenes

::

Kultur

:

Erworbenes

per analogiam die Sequenz Natur

:

Gegebenes

Gezogen wird dieser Analogieschluß auf der Grundlage einer weitgehend unreflektiert übernommenen Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Kultur als eines Kontrastverhältnisses.89 Macht man sich den Vorgang erst bewußt, dann vermag er – sozusagen postponierend – auf eine Erweiterung im Verständnis der Konnotation des Lévi-Strauss’schen Kulturbegriffes hinzuwirken. Denn die dezidierte Scheidung von natural Gegebenem und kulturell Erworbenem involviert als bewußtgemachte – das heißt: kontextadäquat übersetzte – einen bedeutungsmäßigen Fortschritt in bezug auf das, was bei Lévi-Strauss (ohne exklusiv auf ihn beschränkt zu bleiben) unter dem Titel ‚Kultur‘ faßbar wird: Deutlicher als oben noch erweist sich Kultur nun als etwas, das nicht „wie die biologischen Erbanlagen mit der Fortpflanzung von Individuum zu Individuum weitergegeben“90 werden kann, sondern als etwas, „das sich jeder einzelne im Verlauf seiner ‚Enkulturation‘ lernend aneignen muß“91. Kultur wird aus dieser Perspektive gleichsam zum Funktionsbegriff für die individuelle Absetzung vom naturhaft Vorgegebenen qua genetischer Überlieferung. – Indirekter Aspekt 2: Die unter einer pädagogischen Fragestellung vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Kreativität im objektiv verstandenen und einer Kreativität im subjektiv verstandenen Sinne wird von LéviStrauss mit Bedeutungen assoziiert, welche dazu führen, den von ihm parallel zu Tylors Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ eingeführten Begriff ‚Hervorbringung‘ (bzw. ‚production‘) semantisch aufzudoppeln. Auf welche Weise dies geschieht, zeigen die der Unterscheidung anhängigen Spezifikationen: So verbindet Lévi-Strauss mit Kreativität im erstgenannten (‚objektiven‘) Sinne individuelle ‚Schöpfungsakte‘ ‚auf materiellem oder geistigem Gebiet‘, die innerhalb eines sozietären Kon___________ 88 Nachfolgend verwendeter Zeichenschlüssel ist identisch mit dem von Lévi-Strauss in den ‚Mythologica‘-Bänden eingesetzten. Dort und also auch hier bedeutet: : verhält sich zu … / zu … :: wie … . (Vgl. MI / dt: 439 / MI / frz: 348 oder MII / dt: 525 / MII / frz: 409 oder MIII / dt: 547 / MIII / frz: 423 oder MIV / dt: 818 / MIV / frz: 622.) 89 Schwemmer (1987) nennt die entsprechende Unterscheidung eine ‚intuitive‘ (vgl. ebd.: 181). 90 Kohl ([1993] 22000: 131). 91 Ebd.; keine Hervorhebung im Original.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

264

texts eine ‚Innovation‘ bedeuten92; sowie mit Kreativität im zweitgenannten (‚subjektiven‘) Sinne individuelle ‚Schöpfungsakte‘ ‚auf materiellem oder geistigem Gebiet‘, die innerhalb eines privaten Kontexts eine ‚Innovation‘, innerhalb eines sozietären Kontexts dagegen eine Wiederholung darstellen93. Der Begriff ‚Hervorbringung‘ (bzw. ‚production‘) wird auf diese Weise der Sache nach mit Phänomenen reversibel, für die sich – bleibt man terminologisch konsequent – im erstgenannten Fall der Ausdruck ‚objektive‘ Innovationen, im zweitgenannten Fall der Ausdruck ‚subjektive‘ Innovationen nahelegt. Als relevant angesehen werden sollte in diesem Zusammenhang auch die von Lévi-Strauss vorgenommene kritische Würdigung der Funktion des kreativen Menschen für die Entstehung und Ausprägung von Kultur – eine kritische Würdigung, die insbesondere im Hinblick auf die Spezifikation der subjektiv-kreativen Seite eine (der landläufigen Anschauung entgegengerichtete) Aufwertung beinhaltet: „Sicher sind die großen [= die (im Sinne Lévi-Strauss’) objektiven; H.M.S.] Neuerer für das Leben und die Entwicklung der Gesellschaften [bzw. deren jeweilige Kultur; H.M.S.] notwendig: Abgesehen davon – aber darüber wissen wir nichts –, daß ein derartiges Talent genetische Grundlagen haben könnte (was ausschließt, daß es latent jeder besitzt)94, muß man sich auch nach der Lebensfähigkeit einer Gesellschaft fragen, die ihre Mitglieder sämtlich als [(im Sinne Lévi-Strauss’) objektive; H.M.S.] Neuerer sehen möchte. Es scheint äußerst zweifelhaft, daß eine derartige Gesellschaft überleben und, mehr noch, sich fortentwickeln könnte, betriebe sie doch permanent die Auflösung ihrer eigenen Errungenschaften.“95

Außerdem als relevant angesehen werden sollte im Zusammenhang der semantischen Aufdopplung des Begriffs ‚Hervorbringung‘ (bzw. ‚production‘) die Implikation, daß beide Bedeutungsvarianten gleichermaßen in einer Beziehung zum Individuellen wie zum Sozietären stehen. Das Entscheidende daran ist und diesbezüglich ausformuliert werden kann, was sie in diesem ih___________ 92 Die Formulierung ist das Ergebnis einer Auswertung von BF: 396-398 / RE: 366368, unter hauptsächlicher (wenn auch nicht ausschließlicher) Verwendung der LéviStrauss’schen Terminologie. 93 Gültig analog vorstehender Fußnote. 94 Die Absetzung des Kulturellen vom naturhaft Vorgegebenen qua genetischer Überlieferung (siehe vorige Seite) hindert freilich nicht, die potentielle Bedingungsgewichtigkeit genetischer Grundlagen für die Entstehung von Kultur anzuerkennen. – Mit Mühlmann (1966 a: 20 f.) hielte ich es für angemessen, daß man das Postulat einer Disparatheit der Begriffe Kultur und Natur vom Postulat einer entsprechenden Antithetik (Natur versus Kultur) schiede und sich gegen letzteres (als des Ausdrucks eines unhaltbaren Vorstellungskomplexes) verwahrte. [Selbstverständlich gilt dies auch in umgekehrter Blickrichtung: „Der Mensch, wie jeder Organismus, ‚erlernt‘ und ‚erwirbt‘ – auch kulturell – nichts, was ihm nicht nach seinem erbbiologischen Potential möglich ist.“ (Ebd.: 20.) – Vgl. insgesamt und ausführlicher hierzu erneut Endnotennummer 9 auf Seite 457 f. der Appendices.] 95 BF: 397 / RE: 367.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

265

rem spezifischen Konnex voneinander trennt, das heißt, inwiefern sie die entsprechenden Verhältnisse auf je eigene Weise reflektieren: Objektive Innovationen wären als dem Individuellen verhaftet zu betrachten, insofern sie ihren Ursprung in Individuen haben; jedoch wären sie zugleich auch wiederum als vom Individuellen losgelöst zu sehen, insofern sie ins Kulturinventar der betreffenden Gesellschaft Eingang finden und damit allgemein zur Verfügung stehen. Subjektive Innovationen demgegenüber wären als dem Sozietären verhaftet zu betrachten, insofern sie zu Bestandteilen des Kulturinventars einer bestimmten Gesellschaft gewordene, objektive Innovationen wiederholen; jedoch wären sie zugleich auch wiederum als vom Sozietären losgelöst zu sehen: zum einen insofern, als der jeweilige Akt, der eine Wiederholung von in sozietärem Kontext allgemein Bekanntem darstellt, vom betreffenden Akteur – wird er von diesem erstmals vollzogen – weniger als Wiederholung, sondern als eine Form des originären Nachvollzugs und mithin Individuelles empfunden wird96; zum anderen insofern, als die Vollzugsart wie auch das Ergebnis der (sei es nun einmaligen, sei es schließlich fortgesetzten) privaten Wiederholung von in sozietärem Kontext allgemein Bekanntem bewirkt, daß diese auch und gerade außerhalb des privaten Kontexts als eine unverwechselbare, mithin individuelle erkennbar bleibt (woran sich zeigt, daß es mindestens in diesem Fall zu Recht geschieht, wenn sie der Akteur als solche empfindet). In diesem Sinne darf daher selbst die private Wiederholung von in sozietärem Kontext allgemein Bekanntem beanspruchen, als veritable Produktion (und nicht nur als Reproduktion oder dergleichen Bagatellisierendes97) bezeichnet zu werden. Auch im Hinblick auf die ___________ 96

Lévi-Strauss nennt dazu folgendes Beispiel: „Ich erinnere mich der Begeisterung zweier junger Amerikanerinnen während eines Landaufenthaltes in Frankreich, als man ihnen beibrachte, daß die Vanille eine Hülsenfrucht ist und man sich aus einem Ei Mayonnaise selbst machen kann. Für sie stammten diese Substanzen und ihr Geschmack bisher aus einer anonymen Kollektion von Beuteln und Dosen, deren Inhalt für sie seiner Herkunft nach – von gewissen Unterschieden in der Zusammensetzung abgesehen – nicht zu unterscheiden war. Plötzlich stellten sich in ihrem geistigen Universum unerwartete Beziehungen her, sie fühlten sich in einen historischen Prozeß reintegriert. Mit winzigen Verrichtungen nahmen sie an einem Schöpfungsakt teil.“ (BF: 398 / RE: 368.) 97 Lévi-Strauss rekurriert etwa auf das Beispiel der Werkzeugherstellung in den von ihm und seinen Kollegen untersuchten Gesellschaften: „Man sollte dabei nicht von instinktiver Nachahmung reden: Die armseligsten Techniken der sogenannten Primitiven verlangen äußerst komplexe manuelle und intellektuelle Operationen [Vergleichbar argumentiert Lévi-Strauss in StAII: 390 / AStII: 405; H.M.S.], die begriffen und erlernt werden müssen und jedes Mal, wenn man sie ausführt, Intelligenz, Initiative und Interesse erfordern. Nicht jeder beliebige Baum taugt für das Bogenholz; auch nicht jeder beliebige Teil des Baums; die Ausrichtung des Stamms, der Zeitpunkt im Jahr oder Monat, an dem man ihn fällt, sind ebenfalls nicht unwesentlich. Die Gesten, die man ausführt, um das Holz abzuhobeln, zu fassonieren und zu schleifen, um die Faser für die Schnur und die GriffManschetten vorzubereiten und sie aufzuwickeln und zu befestigen – all das setzt Erfahrung, Spürsinn und Urteilskraft voraus. Diesen Beschäftigungen widmet sich der

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

zweite Bedeutungsvariante erscheint folglich die Verwendung des französischen Terminus ‚production‘ durch Lévi-Strauss als eine angemessene. – Indirekter Aspekt 3: Der Effekt dieser (unter ‚Indirekter Aspekt 1‘ und ‚Indirekter Aspekt 2‘ angestellten) Überlegungen besteht darin, daß sie auf das Bedeutungsfeld von Tylors Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ zurückwirken und somit zuletzt auch dieses aufschlüsseln. Es gilt dies zunächst im Hinblick auf die vor dem Hintergrund einer primär pädagogischen Fragestellung möglich gewordene Spezifikation des Begriffs der ‚Hervorbringung‘ (bzw. ‚production‘), insofern die Implikation davon sich auf den Begriff des ‚Erworbenen‘ überträgt, sodaß also auch für letzteren gleichermaßen ein Bezug zum Individuellen wie zum Sozietären beschrieben werden kann. Der entsprechende Sachverhalt stellt sich im Prinzip wie folgt dar: In dem Maße, wie Individuen zu entweder objektiven oder aber subjektiven Innovatoren werden, ist deren Handlungsergebnis als ein individuell Erworbenes zu qualifizieren; und ebenso muß in dem Maße, wie objektive Innovationen sich von ihren Urhebern lösen und damit ihren Wirkungskreis ausdehnen bzw. ins Kulturgut einer Gesellschaft eingehen bzw. den Kulturbestand der betreffenden selben mehren, von einem sozietär Erworbenen gesprochen werden98. Rückwirkend angereichert wird der Bedeutungsgehalt von Tylors Typisierung des Untersuchungsgegenstandes als eines ‚Erworbenen‘ zum weiteren dadurch, daß die Dichotomie von Natur und Kultur jetzt – das heißt in Verbindung mit einem sensibilisierten Kreativitätsverständnis – auch einen differenzierteren Blick auf das Objekt gestattet, für das sich der ‚Erwerb‘ als Erfordernis darstellt: Während der Hintergrund ___________ Mensch voll und ganz, er investiert darin sein Wissen, seine Geschicklichkeit, seine Persönlichkeit; gleiches gilt für die Töpferin oder Weberin. Die Unterschiede zum Werk des Nachbarn können minimal und für das ungeübte Auge unsichtbar sein. Der Praktiker bemerkt sie, und sie erfüllen den Urheber mit berechtigtem Stolz.“ (BF: 396 f. / RE: 367; Hervorhebungen nicht im Original.) Siehe hier auch W. Schmid ([1998] 62000: 416 f.). 98 Den Stellenwert der hier als objektive Innovationen bezeichneten Neuerungen bestimmt Lévi-Strauss aus der für ihn typischen, strukturalanthropologischen Perspektive: „Die Gesamtheit der Bräuche eines Volks ist stets durch einen Stil gekennzeichnet; sie bilden Systeme. Ich bin davon überzeugt, daß die Anzahl dieser Systeme begrenzt ist und daß die menschlichen Gesellschaften genau wie die Individuen – in ihren Spielen, ihren Träumen, ihrem Wahn – niemals absolut Neues schaffen, sondern sich darauf beschränken, bestimmte Kombinationen aus einem idealen Repertoire auszuwählen, das sich rekonstruieren ließe. Würde man das Inventar aller Bräuche, die je beobachtet, in Mythen ersonnen, in den Spielen von Gesunden und Kranken sowie in den Verhaltensweisen von Psychopathen beschworen wurden, [erstellen; H.M.S.], dann erhielte man schließlich eine Art periodischer Tafel ähnlich derjenigen der chemischen Elemente, in der sich alle realen oder auch nur möglichen Bräuche zu Familien gruppieren würden, so daß man nur noch herauszufinden brauchte, welche von ihnen die einzelnen Gesellschaften tatsächlich angenommen haben.“ (TT: 168 f. / TrTr: 203; keine Hervorhebung im Original.) Vgl. dazu auch LG: 233 / HL: 280.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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der Dichotomie von Natur und Kultur (unter ‚Indirekter Aspekt 1‘ noch ausschließlicher Hintergrund) manifest werden ließ, daß sich jeder Mensch Kultur – anders als seine Erbfunktionen – lernend aneignen muß (gemeint war damit: im Sinne einer Anpassungsleistung), ergibt sich nun – vor dem zusätzlichen Hintergrund der Unterscheidung zwischen einer Kreativität im objektiv verstandenen und einer Kreativität im subjektiv verstandenen Sinne –, daß dies nicht nur für jeden Menschen, sondern auch für jede Gesellschaft zutrifft; das heißt, daß sich auch jede Gesellschaft – um ihrer eigenen Überlebensfähigkeit willen – Kultur in Form von objektiven Innovationen anzueignen und dabei zugleich für eine gewisse Ausgewogenheit im Verhältnis von objektiven und subjektiven Innovationen zu sorgen hat.99

bb) Beurteilung Zurückliegender Versuch einer Auswertung der bezüglich der Frage nach einem wissenschaftlichen Kulturverständnis einschlägigen Reflexionen LéviStrauss’ führt im Ergebnis zu einer mehrfachen Präzisierung und Erweiterung der klassisch-ethnologischen Definition Tylors. Auf seinen inhaltlichen Kern reduziert, nähert sich dieses Ergebnis stark einer Auffassung an, die der deutsche Ethnologe Rudolph – völlig unabhängig davon – auf folgenden Nenner bringt: „Kultur umfaßt alles Materielle und Nichtmaterielle, was im menschlichen Dasein nicht von Natur aus vorgegeben ist, sondern von Menschen durch ‚Innovationen‘ zielgerichtet hinzugefügt wurde. Die Definition von ‚Kultur‘ ist dementsprechend: ‚Gesamtheit der Ergebnisse von Innovationen‘.“100 Aus wissenschaftshistorischer Perspektive könnte man sich veranlaßt sehen, der Frage nach einer Erklärung für das hohe Maß an Übereinstimmung zwischen beider Autoren Positionen nachzuspüren. Nachdem diese sich wechselseitig nicht zu kennen scheinen, bestünde eine problemadäquate Herangehensweise darin, auf einen ‚Zwang in der Sache‘ zu verweisen (wie einmal Adorno – in anderem Kontext – es formulierte101); beanspruchen könnten beide Positionen in diesem Falle den Status ‚echter Parallelen‘102. –

___________ 99

Vgl. hierzu erneut das Zitat auf Seite 264. Rudolph (1998: 57). 101 Vgl. Adorno ([1966] 81994: 11). 102 Vgl. Mühlmann (1962 a: 260). Vgl. hierzu außerdem Mühlmann (1962 a: 260 f.): „Wir pflegen bei der Erörterung solcher Parallelen zu sagen, ein bestimmter Gedanke habe ‚in der Luft gelegen‘, oder ‚die Zeit sei reif gewesen‘ für eine bestimmte Entdekkung oder Erfindung. Irgend etwas Mystisches liegt in dieser Art Parallelität natürlich keineswegs. Ihre Erklärung ist darin zu suchen, daß auf der Basis einer bestimmten Situation, in der bestimmte Erfahrungen sich akkumuliert haben, für die Lösung bestimmter Aufgaben nur eine begrenzte Anzahl von weiterführenden Denkwegen und Möglichkeiten gegeben ist. Wir können geradezu von einem Prinzip der begrenzten Variationsmöglichkeit sprechen. In der Tat nehmen denn auch Ogburn, Kroeber und White keinen 100

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Eine Alternative zu diesem Ansatz würde darin liegen, die auf beiden Seiten eruierbaren Informationen getrennt zu verfolgen und sie nicht mehr als einfach konstatierend aufzulisten. Was unter eben solcher Prämisse zum Tragen käme, wäre, daß bei Rudolph von einem expliziten, bei Lévi-Strauss dagegen mehr von einem impliziten Kulturverständnis gesprochen werden kann bzw. muß; ferner, daß dem Kulturverständnis Rudolphs – anders als jenem Lévi-Strauss’ – eine streng methodische Gedankenführung korrespondiert. Demgemäß würde sich dann beispielshalber unter Einschränkung des Blickfelds auf die übereinstimmende Interpretation des Menschen als ‚homo inventor‘ die Diagnose ergeben: Rudolph gestaltet seine Argumentation luzide, indem er Referenzautoren benennt und auf diese Weise eine schlüssige Rekonstruktion ermöglicht103, während Lévi-Strauss umgekehrt Recherchen erzwingt, keine Referenzautoren benennt und so Vermutungen begünstigt104.

Eine ausgeprägte Qualität ist dem wissenschaftlichen Kulturverständnis Lévi-Strauss’ allerdings erst zuzubilligen, wenn nicht zuletzt auch ersichtlich wird, welches im Einzelfall die Bezugseinheiten sind, über die sich die soweit ausgewerteten Reflexionen manifestieren.

___________ Anstand, im Falle der Parallelen von Entwicklun[g]stendenzen zu sprechen. Genauer: Es sind Gleichläufe auf Grund übereinstimmender situativer Ausgangspotentiale, also (relative) ‚Verlaufsganzheiten‘. Für diese ist kennzeichnend, daß sie personunabhängig, gewissermaßen anonym sind.“ 103 Einmal stellt Rudolph den Bezug seiner Argumentation zu den breiter und tiefer angelegten Analysen seiner Koproduktion mit Tschohl (vgl. Rudolph / Tschohl 1977) her (siehe für diese Information Rudolph 1998: 57); und er gibt darüber hinaus zu verstehen, daß sich seine bzw. seine und Tschohls Ausführungen zur Innovationsproblematik an die diesbezüglich relevanten Schriften Barnetts (1940, 1942, 1953) anlehnen (siehe wiederum für diese Information Rudolph / Tschohl 1977: 108 bzw. 327 sowie Rudolph 1998: 56). 104 Innerhalb eines kulturtheoretischen Kontexts bedeutsame Überlegungen LéviStrauss’ zur Innovationsproblematik entnehme ich den oben zitierten Stellen in BF / RE bzw. TT / TrTr, was impliziert, daß erstere, insofern sie einer ursprünglich unabhängigen Erstveröffentlichung entstammen, aus dem Jahr 1975 datieren, letztere dagegen aus dem Jahr 1955. Inwieweit Lévi-Strauss’ diesbezügliche Überlegungen nun als seine eigenen oder aber als von Barnett (oder unter Umständen nochmals anderen) inspirierte zu betrachten sind, läßt sich angesichts der verfügbaren Informationen nicht mit Sicherheit sagen. Träfe ersteres zu, so würde dies bedeuten, daß sie gemessen an den Forschungen Barnetts jüngeren, gemessen an jenen Rudolphs bzw. Rudolphs / Tschohls älteren Datums sind; hinsichtlich des zweiten Szenariums mag allein festgehalten werden, daß Barnett als Autor für Lévi-Strauss zwar eine durchaus bekannte Größe bildet, daß LéviStrauss allerdings nicht nur an anderen Stellen und in anderen Kontexten seines Werks auf diesen verweist (so in EStV / StEP, in MIV / dt / MIV / frz sowie in LG / HL), sondern daß er sich an diesen Stellen bzw. in diesen Kontexten auch auf andere (und also nicht auf die betreffenden, das heißt: auf die unter vorstehender Fußnote genannten) Publikationen Barnetts bezieht.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

269

c) Der ethnologische Akzent oder Lévi-Strauss’ Verwendung des kulturwissenschaftlichen Kulturbegriffs im Plural. Kulturen als Manifestationsformen von Kultur aa) Die Frage der Validität: Nominal- und Realdefinition – Lévi-Strauss’ Reaktion auf Radcliffe-Brown Die Debatte um das ‚theoretische Problem der Tragweite und Gültigkeit des Kulturbegriffs‘ (so der Lévi-Strauss’sche Ausdruck)105 kann auch aus heutiger Sicht noch nicht als abgeschlossen gelten. Für Lévi-Strauss bildete sie den Anlaß, um die grundlegende Bedeutung dieses Begriffs für die Ethnologie zu bekräftigen. Konkret geschah dies seinerzeit als Reaktion auf Radcliffe-Brown’s vorzugsweise Verwendung des Begriffs der Sozialstruktur und die damit vollzogene generelle Infragestellung des Kulturbegriffs.106 Was in diesem Zusammenhang den Standpunkt Lévi-Strauss’ interessant macht, ist, daß er mit seiner Reaktion auf Radclifffe-Brown keiner gegenteiligen Einseitigkeit verfällt, sondern daß er vielmehr, indem er auf die Relevanz des Kulturbegriffes abhebt, in der Weise differenzierender Betrachtung verfährt: Seine Verteidigung der Gültigkeit des Kulturbegriffs erfolgt im Stil deren Problematisierung, dergestalt, daß von ihm Radcliffe-Browns Vorwurf der Reifizierung einer Abstraktion107, statt pauschale Zurückweisung zu erfahren, in relativierter Form durchaus Berücksichtigung erfährt. Lévi-Strauss’ insgesamt mehrstufiges Vorgehen in dieser Debatte dokumentiert so eine eigentümliche Verbindung von Nominal- und Realdefinition. Um die Veranschaulichung mit dem Nominalaspekt beginnen zu lassen: „Wir nennen Kultur jede ethnographische Gesamtheit, die, vom Standpunkt der Untersuchung aus, gegenüber anderen bezeichnende Abweichungen aufweist. Wenn man bezeichnende Abweichungen zwischen Nordamerika und Europa zu bestimmen sucht, wird man sie als verschiedene Kulturen behandeln; angenommen aber, das Interesse richte sich auf bezeichnende Abweichungen zwischen, sagen wir, Paris und Marseille, dann können die beiden Stadteinheiten vorübergehend auch wie zwei kulturelle Einheiten behandelt werden.“108

___________ 105

Vgl. StAI: 320 / AStI: 325. Vgl. ebd. / ebd.: „Für den englischen Meister ist ‚die Idee einer europäischen Kultur genauso eine Abstraktion wie die einer Kultur dieses oder jenes afrikanischen Stammes‘. Es existieren nur menschliche Wesen, die eine unbegrenzte Reihe sozialer Beziehungen aneinander bindet […].“ (Die zitierte Quelle entstammt Radcliffe-Brown 1940: 10; H.M.S.) [Vgl. zur Auffassung Radcliffe-Browns außerdem K. E. Müller (1998: 37).] 107 Siehe erneut StAI: 320 / AStI: 325 (bzw. Radcliffe-Brown 1940: 10; H.M.S.). 108 StAI: 320 / AStI: 325. 106

270

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Wie die anhand der Kontinente bzw. Städte illustrierte Möglichkeit einer interessegeleiteten Bestimmung von Abweichungen und deren Zusammenfassung zu einer signifikanten Raumzeiteinheit zeigt, stellt die faktische Pluralität der Kulturen nach Lévi-Strauss’schem Verständnis durchaus das Resultat der Beteiligung eines konstruktiven Moments, mithin einer Pluralisierung dar; gesondert wird von Lévi-Strauss unter diesem Aspekt auch darauf verwiesen, daß die Möglichkeit der Generierung von Gesamtheiten in gewissem Maße, das heißt korrelativ zur Wahl des geographisch-politischen Auflösungsgrades, iterierbar bzw. in gewissem Maße, das heißt korrelativ zur Wahl soziologischer Qualitäten, erweiterbar ist: „Ein und dieselbe Menge von Individuen steht, vorausgesetzt, daß sie in Zeit und Raum objektiv gegeben ist, gleichzeitig in mehreren Kultursystemen: in einem universellen, einem kontinentalen, einem nationalen, einem provinziellen, einem lokalen usw.; sowie einem familiären, beruflichen, konfessionellen, politischen usw.“109

Umgekehrt wird von Lévi-Strauss dann aber ebenso daran erinnert, daß der entsprechende ‚Nominalismus‘110 in der Praxis nicht bis zum Extrem getrieben werden dürfe111. Hergestellt ist auf diese Weise der Bezug zum zweiten, zum Realaspekt der Definition, der genau das Entgegenkommen gegenüber Radcliffe-Brown signalisiert. Lévi-Strauss’ diesbezügliche Forderung lautet, die jeweilige Wahl nicht der Willkür zu unterstellen, sondern dieselbe am Kriterium der Erfahrbarkeit orientiert zu regeln: „Der Ausdruck Kultur wird tatsächlich verwendet, um eine Gesamtheit bezeichnender Abweichungen neu zu gruppieren, bei der die Erfahrung beweist, daß die Grenzen ungefähr zusammenfallen.“112

Aufgehoben finden sich beide Aspekte in der Behauptung, daß „der Begriff der Kultur einer objektiven Wirklichkeit entsprechen und dabei doch von dem Typ der betreffenden Untersuchung abhängig sein [könne]“113.

___________ 109

StAI: 321 / AStI: 325. (Naumann übersetzt: „… in einem universellen, einem kontinentalen, einem nationalen, einem provinziellen und lokalen, schließlich einem familiären, beruflichen, konfessionellen, politischen und so fort“.) 110 Ebd. / Ebd. 111 Vgl. ebd. / ebd. 112 a: Ebd. / Ebd; im Original andere Hervorhebung. b: Auf dieses Kriterium der Erfahrbarkeit rekurriert auch Hansen ([1995] [22000] 3 2003: 360). 113 StAI: 321 / AStI: 325; keine Hervorhebung im Original.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

271

bb) Die Frage der Konstitutionsmerkmale: Vertikaldifferenzierung, Horizontaldifferenzierung und das Kriterium der Territorialität Dessenungeachtet beschäftigen die angeführten Zitate aber auch noch in einer weiteren Hinsicht: Die von Lévi-Strauss vorgenommene Unterteilung von ‚Kultursystemen‘114 kann als spezifischer Systematisierungsversuch gedeutet werden: einmal in vertikaler Hinsicht (universelles, kontinentales, nationales, provinzielles, lokales usw. Kultursystem), sodann in horizontaler Hinsicht (familiäres, berufliches, konfessionelles, politisches usw. Kultursystem). Um diesen Systematisierungsversuch adäquat beurteilen zu können, ist es entscheidend zu sehen, daß die Lévi-Strauss’sche Vorstellung von Kultur als einer ‚Gesamtheit bezeichnender Abweichungen‘ einen Kontext bildet, im Rahmen dessen die der Vertikale einerseits und der Horizontale andererseits zuordenbaren Kultursysteme als weder gleichartig noch gleichwertig nebeneinanderstehende sich begreifen lassen: Während die Vertikalunterteilung durch das Verhältnis Umsystem/System charakterisierbar wird, spiegelt sich in der Horizontalperspektive das Verhältnis eines jeweiligen Systems zu seinen Teilsystemen wider. Angebunden an diese Unterteilung ist für Lévi-Strauss die durch die Erfahrung legitimiert gesehene Annahme einer jeweils grundsätzlichen Integrationsfähigkeit aller Teilsysteme; ihr entspricht die Auffassung, daß auf der jeweils gewählten Systemebene (der Vertikale, also beispielsweise einer Kontinentaleinheit wie Nordamerika oder einer Stadteinheit wie Paris) sich die entsprechenden Teilbereiche (der Horizontale, also die unterschiedlichen soziologischen Teilsysteme) von einer vergleichbaren115 Untersuchungseinheit (wie beispielsweise Europa bzw. Marseille) insgesamt so sehr unterscheiden, daß selbst in Ansehung teilbereichsspezifischer Ausnahmen deren Zusammenfassung zu einem Typus rechtfertigbar ist. Daher – so Lévi-Strauss – dürfe auch die Tatsache, daß das Zusammenfallen von Grenzen bezeichnender Abweichungen „niemals absolut“116 sei, den Ethnologen „nicht abhalten, den Begriff Kultur zu verwenden“117. Was an Lévi-Strauss’ Umgang mit dem faktisch nur ungefähren Zusammenfallen von Grenzen bezeichnender Abweichungen ablesbar wird, ist folglich weniger die Auffassung, daß die Tendenz zu teilbereichsspezifischer Variabilität sich auch definitorisch auszuwirken habe; sondern was daran ablesbar wird, ist ein Plädoyer für die Aufrechterhaltung bzw. Prägung eines Kulturbegriffs gerade entgegen dieser Tendenz. Die in begriffskonstitutiver Hinsicht zugelassene Variabilität reduziert sich damit im Grunde auf die Vertikale, was die Territorialität zum entscheidenden Begriffsbildungskriterium macht. ___________ 114 115 116 117

Siehe erneut das erste der auf voriger Seite angeführten Zitate. Die Systemebene ist zu deklarieren (vgl. Obermeier 1989: 417). StAI: 321 / AStI: 325. Ebd. / Ebd.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

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cc) Die Frage der Ausbildung und Veränderung von Kulturen „Die Betonung der Einmaligkeit jeder Kulturschöpfung führt […] nicht nur zum Relativismus, sondern […] auch zum Chaos der Unordnung, jenen nichtstabilen Situationen, in denen jede Kultur einen unvorhersehbaren Weg des Wandels einschlägt. Es ist nicht verwunderlich, daß Lévi-Strauss, trotz persönlicher Erfahrung der Zerstörung von Eingeborenenkulturen, sich nie an die Problematik des Kulturwandels heranwagt, jenes Gebiets, auf dem bisher keine theoretische Formulierung Ordnung in die Vielfalt der Phänomene hat bringen können.“ Klaus-Peter Koepping, Feldforschung als emanzipatorischer Akt

(1) Das Faktum der wechselseitigen Beziehungen Von diesen ersten Sensibilisierungen für das Lévi-Strauss’sche Kulturverständnis soll nun übergegangen werden zur Erörterung der sich um die Genese von Kulturen zentrierenden Lévi-Strauss’schen Reflexionen. Hierfür ist es nützlich, sich zunächst eine weitere Differenzierung zu vergegenwärtigen; Lévi-Strauss zufolge kann „jede Gesellschaft von ihrem eignen Gesichtspunkt aus die anderen Kulturen in drei Kategorien einteilen […]: die zeitgenössischen Kulturen, die es an einem anderen Ort der Erde gibt; die Kulturen, die sich annähernd im gleichen Raum entwickelt haben, ihr jedoch zeitlich vorausgegangen sind; und schließlich die Kulturen, die es sowohl in früherer Zeit als auch in einem anderen Raum gegeben hat“118. Anläßlich dieses Zitats sei darauf hingewiesen, daß Lévi-Strauss die Begriffe ‚Gesellschaft‘ und ‚Kultur‘ bisweilen analog verwendet119, obwohl er mit deren Gebrauch – grundsätzlich (bzw. je nach Kontext) – durchaus voneinander unterscheidbare Betrachtungsweisen zu verbinden weiß: so werden von ihm unter ‚Gesellschaft‘ „insbesondere die Beziehungen der Menschen untereinander“120 verstanden, wogegen für ihn ‚Kultur‘ „innerhalb einer gegebenen Form der Zivilisation die Gesamtheit der Beziehungen des Menschen zur Welt“121 umfaßt.122

___________ 118

StAII: 373 / AStII: 387. Siehe dafür etwa auch ebd.: 367 / ebd.: 382: „[…] jede Kultur oder Gesellschaft […].“ (Keine Hervorhebung im Original.) 120 Charbonnierdt: 40 / Charbonnierfrz: 46. 121 Ebd.: 39 / Ebd.: 45. 122 Vgl. an dieser Stelle und im Hinblick vor allem auf den Fortgang meiner Argumentation auch nochmals Fußnote 25 b des ‚Prologs‘ (oben, Seite 26). 119

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

273

Für die mit der ersten Kategorie eingenommene Perspektive hat der Gedanke der Abgeschlossenheit seine prinzipielle Plausibilität verloren, insofern auch die entlegensten Koordinaten der Landkarte in einen umfassenden Zusammenhang eingebunden sind, welcher Austausch und damit Beeinflussung einschließt. Daher stellt sich die grundsätzliche Durchgängigkeit der Beziehungen für die Gegenwart zunächst einmal dar als Faktum; im Hinblick auf die Bestimmungsfaktoren ihrer Reziprozität werden diese Beziehungen weiterhin faßbar als Ergebnis einer Verschränkung von Ermöglichung (Stichwort ‚Verkehrs- und Kommunikationsmittel‘), Erfordernis (Stichwort ‚demographischer Druck‘, ‚Kommunikationsmittel‘) und Erwünschtheit (Stichwort ‚Neugierde‘123). Gleichwohl bringt die geschichtliche Entwicklung, welche die Kulturen der zweiten und dritten Kategorie mit der heutigen Situation verbindet, reziprozitätsbestimmende Faktoren nicht erst hervor. Im Zuge der menschheitlichen Entwicklung verändern sich allein deren Rahmenbedingungen und damit das Ausmaß (die Extensität), die Stärke (Intensität) sowie die Häufigkeit (Frequenz) der wechselseitigen Beziehungen. – Geschilderte Auffassung bildet den in Teilen expliziten, andernteils in sehr weitläufige Kontexte nur implizit eingelagerten Hintergrund der Lévi-Strauss’schen Argumentation. Gerichtet ist sie vor allem gegen die mit zunehmender zeitlicher Entfernung plausibilitätsheischende Annahme einer absoluten Isoliertheit von Kulturen oder Gesellschaften.124 In einer Reihe von Beispielen setzt sich Lévi-Strauss entschieden von eben dieser Sichtweise ab. Unter Bezugnahme auf die erste Besiedlung der beiden Hemisphären des amerikanischen Kontinents etwa schreibt er: „Von dem Augenblick an, da die Menschen, ohne es zu wissen, in Amerika eingedrungen sind, auf einem Boden, der aus dem Meer emporgetaucht war und die Beringstraße ausfüllte, haben sie sich methodisch bemüht, die gesamte Fläche der Neuen Welt zu besetzen, und zweifellos haben einige Jahrhunderte genügt, bis Horden, die imstande waren, viele Kilometer pro Tag zurückzulegen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sie sich Monate oder Jahre an einer Stelle aufgehalten haben, sich über mehr oder weniger große Entfernungen hinweg verteilten, von Alaska bis Feuerland.“125

Auf der Grundlage dieser Hypothese126 ist für ihn auch davon auszugehen, „daß die beiden Amerika, in welchem Augenblick ihrer Geschichte wir sie auch betrachten, wiewohl zu neun Zehnteln leer (Mittelamerika, Mexiko und das Andengebiet ausgenommen), eine volle Welt bildeten. Sicherlich nicht in dem Sinn, den eine erstickend gewordene Demographie diesem Terminus verleiht, sondern unter Be-

___________ 123 Lévi-Strauss betont diesen Faktor insbesondere in der Diskussion der Kulturen auch letztgenannter Kategorie (vgl. Daixdt: 100 / Daixfrz: 7). 124 Siehe in diesem Zusammenhang auch Blok (1978 / [1985] 21995: 39 ff.). 125 MIV / dt: 711 / MIV / frz: 543. 126 Siehe dazu auch EV: 81 / PD: 73.

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

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rücksichtigung der Tatsache, daß winzige Menschengruppen, die eine rudimentäre Technologie dazu zwingt, riesige Räume für die Jagd, das Sammeln und selbst für die Bedürfnisse einer transhumantischen Landwirtschaft zu nutzen, sie wirksam besetzen können […]. Trotz ihrer schwachen Bevölkerungszahl wissen die sogenannten primitiven Gruppen ihren Einfluß auf die gesamte Fläche eines Territoriums auszudehnen, bis hin zu den äußersten Grenzen, wo das Gleichgewicht der Kräfte den Einfluß anderer Gruppen durchsetzt. Daraus folgt, daß man, statt die Neue Welt der präkolumbianischen Zeit als einen praktisch leeren Raum zu konzipieren, in dem sich in hunderten von Kilometern Entfernung kleine isolierte Kerne von Menschen verstreuten, sie sich eher als ein kompaktes Aggregat von großen Zellen vorstellen sollte, die zwar wenig dicht, aber jeweils auf diffuse Weise in ihrem ganzen Volumen bevölkert waren […].“127

Wiewohl also die „nordamerikanischen und südamerikanischen Kulturen viele Jahrtausende lang fast völlig von der übrigen Welt abgeschnitten“128 waren, vermag dieser Umstand großmaßstäblicher Isolierung – so Lévi-Strauss – nicht darüber hinwegzutäuschen, daß der amerikanische Kontinent einen diesem Phänomen gewissermaßen entgegengesetzten Binnenraum konstituierte. Denn im Einklang mit der zitierten Illustration „bestand dieser abgetrennte Teil der Menschheit [seinerseits; H.M.S.] aus einer Fülle von großen und kleinen Gesellschaften, die in engem Kontakt zueinander standen“129.

Ebenso wird von Lévi-Strauss die Existenz kleiner isolierter Völkergruppen zur Zeit der ersten ethnologischen Forschungen130 keineswegs als Widerlegung seiner Thesen bewertet etwa in dem Sinne, daß von dort aus Rückschlüsse auf präkoloniale Zustände gezogen werden könnten. Stattdessen müssen in der „Entdeckung und Kolonisierung der beiden Amerika“131 die entscheidenden Ereignisse gesehen werden, welche das „dem Kontinent eigentümliche historische Werden“132 in nachhaltig destruktiver Weise durchkreuzten – ein Werden, das (wie gesagt) darin bestand, daß „es in jedem Augenblick der Geschichte [seiner; H.M.S.] Völker Kontakte mit anderen Völkergruppen gegeben hat, die sich nach und nach über den gesamten Kontinent ausgebreitet haben“133.

Gegenüber dem ersten Fall einer Isolation im kontinentalen Maßstab verweist das soeben geschilderte Beispiel kleiner isolierter Völkergruppen innerhalb der beiden Amerika nur auf das andere Ende einer Skala; dabei ist es für ___________ 127 128 129 130 131 132 133

MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544. StAII: 368 / AStII: 382. Ebd. / Ebd. Vgl. Daixdt: 92 / Daixfrz: 4. MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544. Ebd. / Ebd. Daixdt: 100 / Daixfrz: 6.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Lévi-Strauss der geschichtliche Kontext, welcher seine Einstufung als Ausnahmefall erlaubt.134 Zusammenfassend für seine Argumentation soll festgehalten werden, daß die Vorstellung einer absoluten Isolierung menschlicher Gruppierungen einer Illusion entspricht. Denn was dem Betrachter als solche erscheint, ist in Wirklichkeit – entweder eine (wie auch immer schwache) Manifestationsweise im Spektrum wechselseitigen Kontaktes (i. e.: in diesem Sinne wird relative Isolierung von Lévi-Strauss gerade nicht als Modus der Isolation, sondern als Modus wechselseitiger Beziehungen begriffen); – oder aber der konkrete Fall einer Ausnahme, welche eine Regel bestätigt135; dieser letzteren zufolge sind die „menschlichen Gesellschaften […] niemals voneinander isoliert“136 (i. e.: in diesem Sinne waren und sind gegenseitige Beziehungen stets der Normalfall). Mit Lévi-Strauss also sind die für die Vergangenheit anführbaren Fälle von Isolation aufgrund ihres Status (relative Isoliertheit bzw. Ausnahmeerscheinung) weniger als Negation, sondern vielmehr umgekehrt als Affirmation der Auffassung vom Bestehen wechselseitiger Beziehungen zu interpretieren. Insofern gilt auch für die Vergangenheit137, wofür sich in der Gegenwart eine Validierung erübrigt – handelt es sich (wie bereits deutlich wurde) in Anbetracht vollzogener Umwälzungen doch sowohl in Fällen von Isolation im kleinen wie in Fällen von Isolation im großen Maßstab nicht mehr nur um relativierbare, sondern überhaupt um längst überholte und damit hinfällige Phänomene.138

(2) Die Bedeutung der wechselseitigen Beziehungen für die Verschiedenheit der Kulturen Dieses Resümee ist insofern nicht ohne Belang, als mit der zeitkonstanten Gegebenheit wechselseitiger Beziehungen, die allein hinsichtlich ihrer Ausprä___________ 134 Als Beispiel für einen aufgrund seiner insularen Lage zeitlich begrenzten weiteren Ausnahmefall von Isolation im kleinen Maßstab nennt Lévi-Strauss Tasmanien. (Siehe StAII: 367 f. / AStII: 382.) [Vgl. für ein Beispiel im Kleinstmaßstab Mühlmann (1944 a: 305).] 135 Eigentlich müßte es heißen: welche die begrenzte Gültigkeit einer vermeintlich allgemeinen Regel bestätigt. 136 StAII: 368 / AStII: 382. 137 Vgl. in diesem Zusammenhang bereits Thurnwald (1935: 282). 138 Vgl. hierzu auch StAI: 404 / AStI: 414: „Es gibt heute praktisch keine isolierten Kulturen mehr […].“

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

gung variieren, die Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Kulturen nicht mehr schlechterdings in der Isolation gesehen werden können. Nun ist die Zerstörung der Illusion, daß Menschen vor allem aufgrund ihrer völligen Unkenntnis voneinander verschiedene Kulturen hervorgebracht haben, ihrerseits Teil einer kontroversen Diskussion auch noch anderer Bedingungsfaktoren. So wird von Lévi-Strauss – mit Blick auf die Originalität kultureller Hervorbringungen – beispielsweise festgestellt: „Wenn eine solche […] vorhanden ist – und das ist ohne Zweifel der Fall –, so rührt sie von den geographischen, historischen und soziologischen Verhältnissen her und nicht von bestimmten Fähigkeiten, die etwas mit der anatomischen oder physiologischen Konstitution der Schwarzen, Gelben oder Weißen zu tun hätten.“139

Kulturelle Verschiedenheit hängt demzufolge also „durch keine UrsacheWirkung-Relation mit jener anderen zusammen, die biologisch zwischen bestimmten feststellbaren Aspekten der menschlichen Gruppierungen vorhanden ist“140. Ihren freilich wichtigsten Akzent erhält Lévi-Strauss’ Thematisierung der Verschiedenheit der Kulturen mit der Behauptung, daß es sich dabei um „ein natürliches Phänomen“141 handele, „das von den direkten oder indirekten Beziehungen der Gesellschaften untereinander herrühr[e]“142. Bezeichnen würde die Verschiedenheit der Kulturen demzufolge also „weniger eine Funktion der Isolierung als vielmehr [eben gerade; H.M.S.] der gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Gruppen“143.

Die dem Gang der Argumentation in dieser Pointierung verliehene Wendung ist unter einem zweifachen Blickwinkel bemerkenswert: – Zum einen ist zu erkennen, daß es sich bei den wechselseitigen Beziehungen nicht um irgendeinen Gesichtspunkt handelt, sondern um einen Faktor, der gemeinsam mit der Vorstellung der Isolation einen Gegensatz und damit ein besonderes Verhältnis konstituiert. Lévi-Strauss’ argumentative Konzentration auf diesen Faktor wirkt deshalb für den Leser alles andere als selbstverständlich. Oder um demselben Sachverhalt einen detaillierteren Ausdruck zu geben: Wenn auch die kulturstiftende Funktion der Isolation entgegen ihrer anfänglich hohen Plausibilität als Fiktion aufgewiesen wurde, so impliziert dieser Schritt unter logischen Gesichtspunkten noch keinerlei Überschüssigkeit auf eine etwaige Umkehrorientierung hin. Eher schon wirkt die Beseitigung der vormals unmittelbaren Eingängigkeit des Isolationsgedankens in ___________ 139

StAII: 364 / AStII: 378. Ebd. / Ebd. – Eine ausführliche Stellungnahme zu dieser Problematik findet sich im ersten und zweiten Kapitel von BF / RE. 141 StAII: 368 / AStII: 382. 142 Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 143 Ebd. / Ebd.; keine Hervorhebung im Original. 140

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Richtung auf eine Hinwendung zu den erwähnten anderen Bedingungsfaktoren144 fort, als daß sie die spezifisch konträre Ausrichtung am Faktor der wechselseitigen Beziehungen erwarten ließe; erstere Erwartungshaltung wird zumindest dadurch unterstützt, daß besagte Beziehungen aus heutiger Perspektive doch gerade als ein Faktor erfahren werden, welcher der Auffassung einer Auflösung traditioneller Kulturen mit am deutlichsten Vorschub leistet. Um so erstaunlicher muß es daher anmuten, wenn das Phänomen wechselseitiger Beziehungen von Lévi-Strauss nicht ausschließlich unter dem Blickwinkel der Nivellierungsproblematik, sondern wider gängig Erwartbares auch in seinem „Besonderungs“- bzw. Individuierungspotential erschlossen wird. – Wie dies im einzelnen zu denken ist und unter Zuhilfenahme welcher Zusatzannahmen Lévi-Strauss zu dieser Auffassung gelangt, wird Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen. Jedenfalls aber veranschaulicht so der Aspekt der wechselseitigen Beziehungen bereits unabhängig davon eine diametrale Verschiebung primärer Plausibilitäten. – Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß der Beziehungsaspekt durch die obenstehende Bestimmung nicht nur seine gleichberechtigte Existenz in, sondern mehr noch seine Hervorhebung aus einem Feld komplexer Bedingungsverhältnisse erfährt, also für die Genese von Kulturen als in besonderem Maße ausschlaggebend erachtet wird. Damit zielt Lévi-Strauss keinesfalls darauf ab, die Bedeutung weiterer Faktoren für die Hervorbringung unterschiedlicher Kulturen für nichtig zu erklären; was vielmehr er vornimmt, ist deren bedeutungsmäßige Gewichtung, indem er sie am für ihn übergeordneten Faktor der wechselseitigen Beziehungen relativiert.

(3) Das Problem der Kulturgenese in der Perspektive ihrer Wirkmechanismen (a) Erinnerung und Aufgabenstellung Die Gedankenführung der beiden vorangegangenen Abschnitte konzentrierte sich darauf, besagte wechselseitige Beziehungen zunächst in ihrem bloßen Bestehen bewußt zu machen [so unter Gliederungspunkt V.2.c)cc)(1), 272 ff.], um sie sodann auf einer noch allgemeinen Ebene auch hinsichtlich ihres Bestehens für etwas, das heißt in ihrer Wirksamkeit bzw. ihrer implikativen Seite nach zu qualifizieren [so unter Gliederungspunkt V.2.c)cc)(2), 275 ff.]. In Anknüpfung daran soll daher nun die Frage formuliert werden: Inwiefern hat der Faktor der wechselseitigen Beziehungen Anteil an der Hervorbringung unterschiedlicher Kulturen, und dies in einer Weise, welche seine Auszeichnung gegenüber anderen Bedingungsfaktoren gerechtfertigt erscheinen läßt? ___________ 144

Vgl. erneut das (gesamte) obere Zitat auf voriger Seite.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

(b) Methodologische Vorbetrachtung 1. Wie eine Synopse der verwendeten Terminologie zeigt, folgt Lévi-Strauss in seinem Versuch, die Kulturgenese als erklärungsbedürftigen Sachverhalt nachvollziehbar zu machen, keiner einheitlichen Strategie. Auffallend ist ein in konzeptueller Hinsicht vorliegender Hybridzustand zwischen Modell und Theorie. So existieren einerseits Hinweise darauf, daß Lévi-Strauss auf die Biologie als ein Modell zurückgreift, welches ihm dazu dient, kulturelle Austauschprozesse zu beschreiben.145 Andererseits aber existieren auch Belegstellen, aus denen hervorgeht, daß die Argumentation jenseits dieser anschaulichen noch auf einer stark formalisierten, systemtheoretischen Ebene stattfindet.146 Nun ist das Vorliegen einer Differenz zwischen Modell- und Theorieebene grundsätzlich keineswegs illegitim, da das Modell gewissermaßen eine Mittlerstellung einnimmt zwischen den Formalisierungen der Theorie und der (in diesem Falle) ethnographischen Praxis, in der die Theorie ihre Bewährung zu finden hat.147 Indessen setzt letzteres auch wiederum voraus, daß die Theorie hinsichtlich ihres Elaborierungsniveaus dem Stand der Modellvorstellungen bzw. deren Implikationen (Milieu, Osmose) entspricht. Genau dieses Korrespondenzverhältnis jedoch erweist sich bei einer Analyse der Lévi-Strauss’schen Primärtexte als unvollständig. Zudem wird der Umgang mit den betreffenden konzeptuellen Leerstellen – wie ebenfalls zu zeigen sein wird – seinerseits nochmals erschwert durch zahlreiche Äußerungen, die unmittelbar weder der Ebene des biologischen Modells noch der Ebene der Systemtheorie, sondern vielmehr der Ebene der Spieltheorie148 zuzuordnen sind. ___________ 145 Vgl. dazu etwa folgende Terminologie: ‚Zellen‘ (MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544); ‚Trennwände‘ (ebd. / ebd.); ‚Undurchlässigkeit‘ (BF: 14 / RE: 15). 146 a: Vgl. dazu etwa die Terminologie: ‚System‘ (BF: 162 / RE: 145 f.); ‚Elemente‘ (ebd. / ebd.: 146); ‚verbindende Beziehungen‘ (ebd. / ebd.); ‚kohärente Ganzheiten‘ (ebd. / ebd.). b: Im Einzelfall gilt es zu unterscheiden, worauf genau Lévi-Strauss mit dem Systembegriff operational Bezug nimmt. Von Interesse ist hier und im folgenden allein die Verwendung des Systembegriffs auf der Ebene der einzelnen Mythen [Siehe etwa: ‚mythische Systeme‘ (MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562); keine Hervorhebung im Original).] und nicht auf der Ebene der Mythologie [Siehe etwa: ‚das globale System‘ (ebd.: 708 / ebd.: 541); keine Hervorhebung im Original).]. – Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen unter Fußnote 153 a bzw. b auf der nächsten Seite. c: Zur Legitimation des unter Fußnote 146 b angekündigten Interessenschwerpunktes und um möglichen Mißdeutungen zuvorzukommen, will ich daran erinnern, daß den Hintergrund meiner jetzigen Argumentation (wie gesagt) die Rekonstruktion LéviStrauss’scher Konzeption von Kultur bildet – nicht die strukturale Analyse der Mythen. 147 Analog Schwemmer (1987: 103). 148 Siehe dazu StAI: 324 / AStI: 329.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Ungeachtet des Bestehens dieser Schwierigkeiten darf die Lévi-Strauss’sche Argumentation als Legitimation gelten für den Versuch, die eingangs dieses Abschnitts formulierte Frage149 im Rahmen bzw. unter Zuhilfenahme systemtheoretischer Konzeptionen einer Beantwortung zuzuführen. Der Versuch, die Angelegenheit in dieser Form zu rekonstruieren, ist in erster Linie in heuristischer Absicht unternommen: zu dem Zweck, die innerhalb der Primärtexte gestreuten, oftmals fragmentierten und hinsichtlich ihres theoretischen Status divergierenden Stellungnahmen zu faktisch doch ein und demselben Themenkomplex150 auf ihren epistemologischen Wert hin zu vereinheitlichen und somit zu stärker konturierter Sicht zu bringen. Inwieweit dabei die Vermittlung von Theorie und Praxis gelingt, ist selbst eine empirische Frage151 und von daher nur noch bedingt auch Gegenstand der vorliegenden Bemühungen.152 2. Lévi-Strauss entwickelt seine Vorstellungen einesteils und exemplarisch im Zuge der Mythenforschung.153 Weiterreichende Ausfaltungen erfolgen sodann und wesentlich im Rahmen einer nicht mehr nur auf schriftlose Ethnien eingegrenzten Vorgehensweise.154 Genau damit aber ist diese seine Fortfüh___________ 149

Vgl. Seite 277 (unten). Zu guter Letzt darf an genau dieser Stelle in Erinnerung gerufen werden, daß von Lévi-Strauss in ‚Diogène couché‘ – seiner Entgegnung auf die Kritik Roger Caillois’ an ‚Rasse und Geschichte‘ und damit einem Aufsatz, der beträchtliche Überschneidungen mit der in Rede stehenden Thematik aufzuweisen hat – „die Anfälligkeit gewisser [eigener] Hypothesen, der riskante Charakter [der eigenen] Argumentation [sowie] die Abwesenheit, allzu oft, einer experimentellen Basis“ (DC: 1202; präzisierende bzw. angleichende Einschübe meine) ohne Umschweife zugestanden wird. 151 Wiederum analog Schwemmer (1987: 103). 152 Verwiesen sei von hier aus auf die Überlegungen zur residualen Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses unter Gliederungspunkt VII.4 dieses Kapitels (unten, Seite 373 ff.) 153 a: Die bevorstehende Rekonstruktion knüpft gemäß ihrer Fragestellung wohlgemerkt an diejenigen Passagen an, in denen sich Lévi-Strauss’ Argumentation auf der Ebene der einzelnen Mythen (als voneinander unterscheidbaren kulturellen Produktionen) bewegt – nicht also an Passagen mit der (aus strukturalanthropologischer Perspektive wesentlich gebotenen weiteren) Bezugsebene der Mythologie. [Eine gute Orientierungsmöglichkeit zum Verständnis von Lévi-Strauss’ diesbezüglicher Unterscheidung bietet – meiner Einschätzung nach – die Lektüre von MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544 („Wenn wir die Dinge … “) – ebd.: 714 / ebd.: 546 („ … und fortzuschwemmen.“).] b: Zur Vermeidung etwaiger weiterer Mißverständnisse mache ich zudem darauf aufmerksam, daß Lévi-Strauss auf der unter Fußnote 153 a genannten zweiten (und ergo für den momentanen Kontext irrelevanten) Ebene (der Mythologie also) sich ebenfalls der Differenzierung zwischen Modell [Dort gleichwohl der Physik; siehe MIV / dt: 713 / MIV / frz: 544 f.] und Theorie [‚System‘ wird dort folgerichtig als Singularetantum verwendet; siehe ebd. / ebd.] bedient. 154 Zu entnehmen ist der Sachverhalt vor allem der Argumentation in BF (Vorwort und erstes Kapitel) / RE (Préface und Chapitre premier) wie in RG / RH bzw. StAII: Kapitel XVIII / AStII: chapitre XVIII. 150

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

rung nicht nur Indiz für eine Antwort auf die begründete Forderung erkenntnistheoretischer Anpassung an den Wandel historischer Gegebenheiten; auch geht die entsprechende Erweiterung der Kontexte parallel mit einer (epochenunabhängigen) Generalisierung von Thesen.155 Der sich erst und eigentlich darüber vermittelnde Wechsel der Perspektive ist es, welcher die direkte Anbindung an das Problem der Ausbildung und Veränderung von Kulturen erlaubt und begründet. Denn: In genereller Hinsicht interessierende Probleme verlangen generelle Thesen. Was die Illustration der Bedeutung des Faktors der wechselseitigen Beziehungen betrifft, so impliziert dieser Transzensus gleichwohl keinen Bruch argumentativer Kontinuität, insofern die vor diesem Hintergrund gemachten Aussagen aufgrund des ihnen inhärenten Allgemeinheitsstatus die Ergebnisse der Mythenforschung einschließen. Es bleibt auf diese Weise also die Kompatibilität mit dem Rahmen des Überschrittenen gewahrt. Nicht gilt dies gleichwohl in umgekehrter Richtung, was bedeutet: Während Kultur hinsichtlich ihres Entstehungs- und Entwicklungsprozesses als Mechanismen unterworfen gedacht wird, die sie insgesamt betreffen (das heißt nicht nur epochenunabhängig, sondern jenseits spezifischer Ausprägungen immer auch als ein Gesamt aller ideellen sowohl wie materiellen Hervorbringungen einer menschlichen Gruppierung156), findet die zum Zwecke der Veranschaulichung zunächst herangezogene Mythenforschung ihre wesenhafte Grenze in den Mechanismen, deren Einfluß per definitionem nur ihr Gegenstand (die Mythen also) als spezielle, nämlich ideelle Hervorbringung gehorcht.157 3. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Faktor der wechselseitigen Beziehungen im Verbund mit weiteren Bedingungsverhältnissen steht. Wenn also die Kulturgenese in ihren empirischen Manifestationen stets von der Gesamtheit aller dieser Faktoren durchdrungen ist bzw. diese in je besonderer Weise alle enthält, so stellt sich mit der Zentrierung der Aufmerksamkeit auf nur einen Faktor das Problem seiner operationalen Freilegung. Für die Beantwortung der eingangs dieses Abschnitts formulierten Frage158 heißt dies, daß die mit der Priorisierung des Faktors der wechselseitigen Beziehungen vorgezeichneten Etappen der Rekonstruktion auch jeweils im ___________ 155 Siehe dazu insbesondere StAII: 365 ff. (‚2. Die Verschiedenheit der Kulturen‘) / AStII: 379 ff. (‚II: Diversité des cultures‘). 156 Vgl. hierfür nochmals meine Argumentation auf Seite 260 f. sowie auf Seite 267; außerdem Kohl ([1993] 22000: 132). 157 Zum Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Übergang von Mythen von einer Gesellschaft zur anderen und dem Austausch materieller Güter siehe Pouillondt: 108 / Pouillonfrz: 15. 158 Siehe wieder Seite 277 (unten).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Bewußtsein um ein hintergründig spezifisch analytisches Interesse abzuschreiten bleiben.

(c) Kulturen als offene Systeme „Ob man es nun weiß oder nicht – auf dem Pfade der Schöpfung wandert keiner je allein.“ Claude Lévi-Strauss, Der Weg der Masken

Eine Möglichkeit, um die bisherige Erörterung einer systemtheoretischen Interpretation anzunähern, bietet die Lévi-Strauss’sche Aussage, daß sich „[j]ede Kultur […] dank dem Austausch mit anderen Kulturen [entwickelt]“159.

Wie die Äußerung in diesem Falle zu lesen ist und was sie entsprechend impliziert, findet sich in den beiden unmittelbar folgenden Abschnitten verdeutlicht: Kultur mag man zunächst (laut Zitation) im Hinblick auf ihre externen Bezüge160, das heißt – einer systemtheoretischen Konzeption gemäß ausgelegt – im Hinblick auf ihre Umweltbezüge angesprochen sehen. Klar wird damit allerdings gleich: Der Umweltbegriff wird unter Bezugnahme auf vorstehend zitierte Aussage auf einen bestimmten Teil seiner prinzipiell denkbaren Bandbreite verkürzt, denn er nimmt seinen Bezug „nur“ auf die jeweils andere Kultur.161 Was daraus im Gegenzug resultiert, ist: Wenn Kulturen als Gebilde sich auffassen lassen, welche jeweils füreinander ihre Umwelt abgeben bzw. als solche fungieren, wird – unter systemtheoretischen Vorzeichen – der Umweltbegriff mit dem Begriff der Kultur als eines Systems reversibel; die System/Umwelt-Differenzierung als allgemeinste Signatur einer Theorie offener Systeme wird dann substituierbar durch die Differenzierung System/System bzw. Kultur/Kultur. Wenn man nun sagt, daß die Theorie offener Systeme – anders als das klassische Systemdenken, welches sich auf die Innenordnung des Systems konzentrierte – Ernst mache mit der Offenheit, dem Außen162, so ist dies dahingehend aufzufassen, daß ___________ 159

Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207. Analog Obermeier (1989: 418). 161 Zum Vergleich: Das diesbezügliche, von Lévi-Strauss definierte Spektrum findet sich beschrieben im Text vor Fußnotennummer 190, unten, Seite 285. 162 Siehe dazu Obermeier (1988: 76 f.). 160

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

„Offenheit von Systemen auch Umweltprägung durch Systeme heißt, und umgekehrt“163;

in diesem Sinne also schließt Umweltverwiesenheit das Verflochtensein von Innen und Außen ein.164 – Das aber wiederum bedeutet, daß die vorgenommene Substitution des Umweltbegriffs erst unter diesem zusätzlichen Aspekt ihre eigentliche Relevanz erhält; denn das sich über die Implikationen der Systemoffenheit vermittelnde „Prinzip der Kokonstitution und der Koevolution, also der wechselseitigen Bedingtheit und Entwicklung von System und Umwelt“165

kennzeichnet dann nichts anderes als eben auch das Verhältnis der Kulturen untereinander.166 Mit dem Sachverhalt der Interdependenz167 stellt sich erneut das bereits aufgeworfene Problem der Mechanismen, welche den wechselseitigen Beziehungen der Kulturen zugrundeliegen. Im Gegensatz zur bisherigen Untersuchung, welche einer generellen Sensibilisierung für die Auffassung diente, daß kulturelle Identität weniger in der Isolation als vielmehr im Medium wechselseitiger Beziehungen sich aufbaut168, ist daher nunmehr dieses Medium seinerseits, und

___________ 163

Obermeier (1988: 253). Siehe dazu auch StAI: 321 / AStI: 326 sowie StAII: 367 / AStII: 381 f. 165 Obermeier (1988: 253; keine Hervorhebung im Original). 166 Zur Kenntnis nehme man (nur) aus dieser Perspektive auch Mühlmann (1944 b: 10; keine Hervorhebung im Original): „Es gibt keine ethnische Gemeinschaft, die nicht durch den Kontakt und das Kontrasterlebnis zu anderen ethnischen Gemeinschaften überhaupt erst konstituiert und konsolidiert würde.“ Außerdem siehe man hier Mühlmann (1964: 58; letzte Hervorhebungen nicht im Original): „Toynbees Behauptung, Gesellschaften seien ‚closed systems‘, ist ethnologisch falsch. Der Ethnologe denkt ‚Ethnie‘ nur in der Mehrzahl. Sein Gegenstand sind die interethnischen Beziehungen und Zusammenhänge und die in diesen sichtbar werdenden Regelhaftigkeiten und typischen Handels[Handlungs?; H.M.S.]abläufe. Die einzelnen Ethnien sind für ihn nicht geschlossene, sondern offene Systeme.“ Prinzipiell nicht anders: Mühlmann (1964: 137). 167 Vor dem soeben hergestellten Hintergrund erhält auch eine Aussage wie beispielsweise die, daß „[d]er Reichtum einer Kultur oder der Entfaltung einer ihrer Phasen […] nicht als innerer Besitz [existiere]“ (BF: 31 / RE: 30; keine Hervorhebung im Original), einen tieferen Sinn. 168 Vgl. dafür auch den folgenden Passus aus Eribondt: 222 / Eribonfrz: 212 (keine Hervorhebungen im Original): [Eribon:] „Kann eine Gesellschaft im Jahre 1988 monokulturell sein, in Ansehung der Verschmelzungen von Populationen, der Völkerwanderungen, der Einwanderung … [?]“ [Lévi-Strauss:] „Monokulturell sagt nichts aus, weil es nie eine Gesellschaft gegeben hat, die so beschaffen gewesen wäre. Alle Kulturen erwachsen aus Verschmelzungen, Anleihen, Mischungen, die sich unaufhörlich weitervollziehen, wenn auch in anderen Rhythmen, seit Anbeginn der Zeiten.“ 164

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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zwar hinsichtlich seiner Einflüsse auf die Erarbeitung, Bewahrung und Erneuerung kultureller Identität zu bedenken. Insbesondere vor dem Hintergrund des größeren Kontextes, in den meine Erörterung des Lévi-Strauss’schen Kulturkonzeptes eingelagert ist, erscheint es zunächst sinnvoll, drei Momente zu bestimmen, welche für die Diskussion der wechselseitigen Beziehungen zum Tragen kommen.169

(d) Kulturelle Interaktionen und passives Moment Der Weg dieser sukzessive vorzunehmenden Bestimmung soll innerhalb der Mythenforschung aufgenommen werden – dort, wo Lévi-Strauss die wechselseitigen Beziehungen ihrer Verlaufsart nach spezifiziert. Demnach haben wechselseitige Beziehungen im Leben der ‚schriftlosen Völker‘170 zwei diskrete Erscheinungsformen, die als Bereich der ‚starken Interaktionen‘171 bzw. als Bereich der ‚schwachen Interaktionen‘172 voneinander unterschieden werden. Erstere „bestehen in Migrationen, Epidemien, Revolutionen und Kriegen und machen sich zeitweilig in Form von tiefen Erschütterungen bemerkbar, deren Auswirkungen weitreichend und dauerhaft sind“173; neben diesen einschneidenden Umwälzungen vollziehen sich letztere auf der Ebene der intertribalen Kontakte (in Form von Handelsgeschäften, Besuchen, Heiraten etc.)174 „in einer weit schnelleren Frequenz und mit einer sehr kurzen Periodizität“175. Die im Zuge dieser sogenannten schwachen Interaktionen ausgelösten ‚Schwingungen‘176, welche „das Feld in dauernder Bewegung halten“177, bedingen einen

___________ Entsprechend auch sind für Lévi-Strauss die Gesellschaften „aufgrund ihrer Entstehungsweise allesamt plurikulturell“ (Eribondt: 222 / Eribonfrz: 212). – Sinngemäß nicht anders äußert sich Wierlacher (1993: 60); auch Nederveen Pieterse (1995 / 1998: 119). 169 Siehe dazu im folgenden die Gliederungspunkte (d), (e) und (f), die Punkte V.2.c) cc)(3)(d), V.2.c)cc)(3)(e) und V.2.c)cc)(3)(f) also dieses dritten Kapitels. 170 Vgl. MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545. 171 Ebd. / Ebd. 172 Ebd. / Ebd. 173 Ebd. / Ebd. 174 Siehe ebd.: 713 f. / ebd.: 545. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lévi-Strauss’ Erwähnung der intertribalen Märkte und Messen im letzten Mythologica-Band (MIV / dt bzw. frz: passim); außerdem in Daixdt: 93 f. / Daixfrz: 4, EV: 83 f. / PD: 75 f. sowie Eribondt: 194 / Eribonfrz: 187. 175 MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545. 176 Ebd. / Ebd. 177 Ebd. / Ebd.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

eher unmerklichen und graduellen, genau darin aber alles andere als vernachlässigbaren Wandel178. Anders als zu vermuten steht, ist es gerade die spezifische Beschaffenheit der letztgenannten Austauschprozesse, die nicht ohne Auswirkungen auf die Mythenvorstellungen bleibt. Auf der Basis bisheriger Untersuchungsergebnisse werden die für diese Ebene charakteristischen permanenten Impulse folgendermaßen einschätzbar: Was einer jeweils existenten Kultur in Form von bestimmten ‚Ereignissen‘179 widerfährt, weist ihr in diesem ‚Daß‘180 noch keinen Sonderstatus zu. Das Faktum der wechselseitigen Beziehungen macht exogene Betroffenheit zu einem kulturubiquitären Sachverhalt. – Notwendige Konsequenz der Substitution der System/Umwelt-Differenzierung durch die Differenzierung System/System bzw. Kultur/Kultur ist aber auch, daß die jeweiligen Kulturen sich darin wechselseitig Ursache sind. Betroffensein und Beeinflussen sind insofern Komplementäraspekte (einmal in passiver, einmal in aktiver Hinsicht) ein und desselben interkulturellen (bzw. -systemischen) Geschehens. Die diesbezüglich vorgenommene erste und vorläufige Fokussierung des passiven Moments hat einfach damit zu tun, daß eben sie es ist, welche die den unmittelbaren Fortgang auszeichnende tendenzielle Umorientierung von den inter- auf die intrakulturellen (bzw. -systemischen) Prozesse, das heißt hier: auf den prinzipiellen Umgang einer Kultur mit den entsprechenden Ereignissen, vorbereitet.

(e) Kulturelle Interaktionen und reaktives Moment Die Ebene der intertribalen Begegnungen ist aus dem Grunde von einschneidendem Interesse, weil sie die Plattform darstellt, auf der – um die interkulturellen Austauschprozesse exemplifizierend zu vergegenwärtigen – der ‚Übergang‘181 eines Mythos „von einer Gesellschaft zur anderen“182 stattfindet. Konkret gesprochen, mag sich dies zunächst so zutragen, daß die Mitglieder eines Stammes „ihre Nachbarn einen ihrer Mythen erzählen hören“183. An dieses Ereignis jedoch – dies bringt die Formulierung von den „dialektischen Beziehun___________ 178 Siehe dazu MIV / dt: 713 f. / MIV / frz: 545; vgl. in diesem Zusammenhang auch MII / : 481 / MII / frz: 376 (gemäß Hinweis in – nur in – MIV / frz: 545). dt 179 Siehe etwa BF: 161 / RE: 145. 180 In dieser (noch ersten) Hinsicht ist die Funktion des Ereignisses für das entsprechende Kultursystem darin zu sehen, daß es als milieubedingte Perturbation die Initiierung für dessen innere Reorganisation übernimmt und insofern dieses System im Sinne einer grundsätzlichen Antwort instruiert. 181 MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562. 182 Ebd. / Ebd. 183 BF: 169 / RE: 151.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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gen zwischen zwei Mythen benachbarter Stämme“184 zum Ausdruck – wird sich niemals der bruchlose Transfer der gehörten Version anschließen. Wesentlicher Bestandteil der Dynamik kultureller Interaktionen sind in jedem Falle ‚Bearbeitungen‘185 des betreffenden Mythos durch die rezipierende Kultur, die „so lange“186 erfolgen, „bis er ihr eigener wird“187. – In der Auseinandersetzung zwischen eigenem und fremdem Mythenkorpus entsteht also schlußendlich eine neue Version. Entscheidend dabei ist nun, daß jede der auf beschriebene Weise entstehenden Mythenversionen einen zweifachen Determinismus zum Ausdruck bringt. Im einzelnen erstreckt sich dieser – auf Zwänge, „die aus der Beziehung zu einer besonderen Umwelt herrühren“188 (von Lévi-Strauss daher auch unter der Bezeichnung ‚externer Determinismus‘189 angesprochen); subsumiert wird darunter, was aus jeweils spezifischen ökologischen, technischen und ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen als Zwang erwächst;190 bzw. – auf ‚mentale‘191 Zwänge, „die sich stetig und konstant manifestieren, unabhängig von Unterschieden zwischen den Umweltformen“192 (von LéviStrauss in analoger Weise unter der Bezeichnung ‚interner Determinismus‘193 angesprochen).194 Gegenüber einer ersten, nur auf die Impulsgabe reduzierten Betrachtung195 sind also mit der reziproken Wirksamkeit dieser Mechanismen weiterreichende, nämlich das ‚Wie‘ der Reorganisation betreffende Vorgaben verbunden. Dies wiederum gilt jedoch nur in eingeschränktem Sinne. Denn der doppelte Determinismus von ‚Infrastruktur‘ / ‚Infrastrukturen‘ und ‚Geist‘196 legt die Reaktion ___________ 184

BF: 169 / RE: 151. Ebd. / Ebd. 186 Ebd. / Ebd. 187 Ebd. / Ebd. 188 Ebd.: 179 / Ebd.: 160. 189 So bei Daixdt: 96 / Daixfrz: 4. 190 Siehe dafür insbesondere BF: 169 ff. / RE: 152 ff. – Erst hiermit ist nun der Umweltbegriff in seinem vollen (= mehrdimensionalen) Bedeutungsgehalt präsent. (Vgl. nochmals mit dem Text vor Fußnotennummer 161 und Fußnote 161, oben, Seite 281.) 191 BF: 179 / RE: 160. 192 Ebd. / Ebd. 193 So bei Daixdt: 97 / Daixfrz: 4. 194 Vgl. insgesamt hierzu auch MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562. 195 Siehe dazu nochmals vorige Seite, Fußnote 180. 196 Siehe diese Begriffe etwa in WD: 154 f. / PS: 173. – Beide Determinismen, über die sich die Basis/- bzw. Unterbau/Überbau-Thematik abzeichnet [Siehe dazu insbesondere BellourII / dt: 165 ff. / BellourII / frz: 359 ff.; zur Verwendung dieser Marxschen Figur bereits WD / PS.], werden 185

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

des Systems – die ‚Transformation‘197 seiner internen Relationen – im letzten allein in formaler Hinsicht fest. Daß es sich um keinen inhaltlichen Determinismus handelt, ergibt sich aus der Unvorhersehbarkeit der konkreten Gestalt, zu der sich ein System reorganisiert. Lévi-Strauss skizziert diesen Sachverhalt im Rückgang auf die ökologischen Bedingungen: „Jede Kultur erhebt nur einige wenige Aspekte ihrer natürlichen Umwelt zu Unterscheidungsmerkmalen, aber niemand kann voraussagen, welche und zu welchen Zwecken. Überdies sind die Rohmaterialien, die die natürliche Umwelt der Beobachtung und der Reflexion darbietet, so ergiebig und zugleich so unterschiedlich, daß der Geist von allen diesen Möglichkeiten nur einen Bruchteil zu erfassen in der Lage ist. Er bedient sich ihrer, um daraus ein System unter einer unendlichen Zahl anderer,

___________ von Lévi-Strauss auch als strukturale Zwänge beschrieben (so in Pouillondt: 108 / Pouillonfrz: 15. [Vgl. im übrigen an dieser Stelle auch Oppitz’ Hinweis: „Infrastructure und superstructures sind die französischen Übersetzungen von Unterbau und Überbau. Ich finde es bezeichnend, daß in ihnen der Wortbestandteil -structure enthalten ist.“ ([1975] 2 1993: 343).] In der Frage ihres Verhältnisses schließt sich Lévi-Strauss prinzipiell der These vom ‚Primat der Basis‘ (WD: 154 / PS: 173; keine Hervorhebung im Original) an, äußert sich daneben aber auch zum Aspekt der Exklusivität: „Was den Determinismus betrifft, so glaube ich nicht, daß Marx selbst jemals an einen rigorosen, nur in eine Richtung wirkenden Determinismus gedacht hat […].“ (BellourII / dt: 165 f. / BellourII / frz: 359.) Eine demgegenüber um die Festlegung auf Tendenzen noch stärker entschärfte Fassung lautet: „[…] die Beobachtung gibt nie den genauen Anteil zu erkennen, der jedem davon zukommt, wir konstatieren lediglich die Effekte ihres Zusammenwirkens.“ (BF: 164 / RE: 147.) Faktisch impliziert die Sicht, daß die entsprechenden Bereiche miteinander verschmelzen, um (etwa) in Form einer neuen Mythenversion eine „bedeutungsvolle Einheit“ (ebd.: 163 / ebd.: 146) zu bilden. Aus eben dieser letzten Perspektive wird also den unterschiedenen Determinismen keinerlei objektiver Status zugebilligt bzw. werden auch die jeweils unterschiedlichen Bestandteile nicht als „unwiderruflich getrennten Bereichen“ (ebd.: 179 / ebd.: 160) zugehörend angenommen. 197 a: Vgl. zu diesem für die strukturalanthropologische Forschung zentralen Begriff vor allem MIV / dt: 793 ff. / MIV / frz: 603 ff., dort nicht zuletzt Lévi-Strauss’ Ausführungen zu den ihn inspirierenden Forschungen des Biologen Thompson (die ihrerseits in der Tradition der Botanik Goethes standen; vgl. dort außerdem Lévi-Strauss’ Verweis auf die vor Goethe liegenden ästhetischen Spekulationen Dürers über menschliche Proportion). Vgl. zum entsprechenden Hintergrund auch Eribondt: 164 ff. / Eribonfrz: 158 ff. b: In der Tat ist für Lévi-Strauss ein angemessenes Verständnis strukturaler Anthropologie nicht möglich ohne Berücksichtigung des Begriffs der Transformation (bzw. Veränderung): „[…] im anthropologischen Sinne des Wortes ist die Struktur als ein Ganzes definiert, das aus den Beziehungen zwischen den Teilen eines Systems und aus ihren Veränderungen besteht. Wenn Kelly [Lévi-Strauss’ Bezugnahme gilt Raymond G. Kelly bzw. dessen Titel ‚Etoro Social Structure‘ (1977); vgl. EV: 219 / PD: 209; H.M.S.] einen Volksstamm von seinen Nachbarn isoliert, die doch Probleme der gleichen Art aufwerfen, wählt er den Begriff der Struktur unter Ausschluß des Begriffs der Veränderung, der ihm doch inhärent ist.“ (EV: 221 / PD: 211; zweite und dritte Hervorhebung nicht im Original). Vgl. hierzu auch Eribondt: 165 / Eribonfrz: 159; ferner WM: 16 / VMI: 34, WM: 84 / VMII: 30 und WM: 130 ff. / VMII: 116 ff.; zuletzt VM-TE: 153. Vgl. hier zudem noch Reckwitz ([2000] 2006: 227) über Lévi-Strauss.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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ebenfalls vorstellbarer zu erarbeiten; nichts erwählt irgendeines davon zu einem privilegierten Schicksal.“198

Aus diesem Grunde auch ist die Anthropologie „vor allem eine empirische Wissenschaft“199. Das bedeutet und impliziert: „Jede Kultur repräsentiert einen einmaligen und einzigartigen Fall, dem die minutiöseste Aufmerksamkeit gewidmet werden muß, um ihn zunächst beschreiben und später dann verstehen zu können. Einzig diese Untersuchung gibt zu erkennen, wie die von einer Kultur zur anderen variierenden Fakten und Kriterien beschaffen sind, aufgrund und anhand deren jede Einzelkultur bestimmte Tier- oder Pflanzenarten, bestimmte mineralische Substanzen, bestimmte Himmelskörper und andere Naturerscheinungen auswählt, um sie mit einer Bedeutung auszustatten und einem endlichen Komplex von Elementen logische Form zu verleihen. […] vorausgesetzt, daß hier und da identische Elemente erfaßt worden sind, so beweist die Erfahrung, daß das aus ganz unterschiedlichen Gründen geschehen konnte und daß umgekehrt verschiedene Elemente manchmal diesselbe Funktion erfüllen.“200

Die damit aufgezeigten Grenzen des zweifachen Formaldeterminismus spiegeln sich auch in folgendem Fazit wider: „Man darf die Interpretation niemals postulieren: sie muß aus den Mythen selbst oder aus dem ethnographischen Zusammenhang hervorgehen – und soweit irgend möglich aus beidem zugleich.“201

Nur die ethnographische Forschung (die Erfahrung also) kann sie ‚a posteriori‘202 aufdecken. In der Sprache der Kybernetik203 formuliert, stellt sich die verhandelte Problematik wie folgt dar: Das Verhältnis von Input (gehörter Mythenversion) und Output (neuer Mythenversion) folgt auf formaler Ebene der durch den zweifachen Determinismus von Infrastruktur und Geist vorgezeichneten Logik. Das heißt: „So willkürlich die Wahl der Elemente […] auch erscheinen mag, so fügen sie sich [den benannten Bestimmungsgrößen gemäß; H.M.S.] doch zum System zusammen, und die sie verbindenden Beziehungen bilden kohärente Ganzheiten.“204

In dieser allgemeinen Hinsicht also weiß man, was in der ‚Black Box‘ geschieht; auf der Ebene der rein formalen Betrachtung wird diese insofern – in ___________ 198

BF: 162 / RE: 145 f. Ebd.: 161 / Ebd.: 145. 200 Ebd.: 161 f. / Ebd. 201 MI / dt: 229 / MI / frz: 181. 202 WD: 74 / PS: 79 sowie BF: 162 / RE: 146. 203 Vgl. Obermeier (1988: 252): Die Theorie offener Systeme schließt Regelung, also auch Kybernetik, ein. 204 BF: 162 / RE: 146. – Entsprechend erscheint darum auch auf der Ebene der Mythologie das „Feld des mythischen Denkens“ (StAII: 214 / AStII: 223) als „fest strukturiert“ (ebd. / ebd.). 199

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Anlehnung an die Metaphorik – „weiß“. Auf der inhaltlichen Ebene dagegen folgt dasselbe Verhältnis keiner prognostizierbaren Logik, denn es gibt in der Gegenwart wie gesagt „nichts, was einem vorherzusagen erlaubte, was sich, unter so vielen möglichen denkbaren und anderen völlig undenkbaren Konstellationen, schließlich tatsächlich ereignen wird“205.

Daher schlägt das besagte Moment der Willkür – auch darüber versuchten die obigen Ausführungen ins Licht zu setzen – mit Problemen zu Buche, die „einzig die Erfahrung beheben kann“206. Dieser Umstand wird bezüglich seiner Implikationen in zwei Aspekten virulent: Zum einen bewahrt sich damit auf der Ebene der inhaltlichen Betrachtung die ‚Black Box‘ ihre Opazität, sie bleibt dort entsprechend „schwarz“. Zum anderen aber steht diese Tatsache nicht schlechterdings schon für Alogizität; gesagt ist damit lediglich, daß das System auf der inhaltlichen Ebene einer Logik folgt, die dem prospektiven Blick entzogen bleibt. Das soll heißen: „Die Ereignisse sind unvorhersehbar, solange sie nicht eingetreten sind. Wenn sie stattgefunden haben, dann kann man versuchen, sie zu verstehen, zu erklären. Man kann die Ereignisse miteinander verknüpfen und rückwirkend die Logik dieser Verknüpfung erfassen.“207

(f) Kulturelle Interaktionen und aktives Moment Die Diskussion der kulturellen Interaktionsformen wurde zunächst aufgenommen aus der Perspektive prinzipiellen Betroffenseins von der unkalkulierbaren Kontingenz der Ereignisse. Als von dort aus naheliegend erwies sich die Überleitung zur Untersuchung des integrativen Umgangs einer Kultur mit den ereignisinduzierten Folgen. Damit drängt die laufende Betrachtung nunmehr an einen Punkt, an dem die bisherige Perspektivenabfolge zu ergänzen ist um ihr drittes Moment, die Möglichkeit prinzipiellen Beeinflussens. Bezeichnetes, von Lévi-Strauss ins Spiel gebrachtes, kulturelle Interaktionen immer auch noch ausweisendes drittes Moment – jenes Moment, im Zuge dessen Verhandlung genau der oben angekündigte Überschritt über die auf die My___________ 205 Eribondt: 183 / Eribonfrz: 176. Vgl. dazu auch den Wortlaut der aufgegliederten Fassung: „Es gibt kein allgemeines Prinzip, kein Deduktionsverfahren, das die Antizipation der kontingenten Ereignisse, aus denen die Geschichte jeder Gesellschaft besteht, der besonderen Merkmale der Umwelt, in die sie eingebettet ist, und der unvorhersehbaren Bedeutungen erlaubte, die sie diesem oder jenem Ereignis ihrer Geschichte, diesem oder jenem Aspekt ihres Verbreitungsgebietes wahlweise hat zukommen lassen, und zwar vor allen den anderen, die sie ebenso gut hätte aussondern können, um ihnen Bedeutung zu verleihen.“ (BF: 161 / RE: 145.) 206 BF: 162 / RE: 146. 207 Eribondt: 183 / Eribonfrz: 176; keine Hervorhebungen im Original.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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thenforschung bezogenen Ausführungen erfolgt208 – hat sein vorderstes Artikulationsfeld in einer gewissen Optionalität der Kontaktaufnahme; denn so unvermeidbar sicher das In-wechselseitigen-Beziehungen-Stehen prinzipiell ist209, es folgt daraus umgekehrt noch nicht, daß eine bestimmte Kultur mit jeder anderen eines gewählten Zeitpunkts in Kontakt stand bzw. steht, stehen mußte bzw. stehen muß. An diese erste Form selektierender Einflußnahme schließt sich eine zweite an; es handelt sich hierbei um die Möglichkeit der Handhabung der durch den ersten Gestaltungsschritt der Beteiligten für diese Beteiligten in Gang gebrachten Konsequenzen. Konkret besteht diese zweite Möglichkeit der Einflußnahme in der Regulierung des Durchlässigkeits-(Empfänglichkeits-/ Ansprechbarkeits-)grades210 für fremdkulturelle Systemelemente (im Sinne deren erster und insofern grundsätzlicher Akzeptanz bzw. Rejektanz). Terminologisch siedelt dieses Phänomen bei Lévi-Strauss auf der Ebene des biologischen Modells, was an der in diesem Kontext beobachtbaren Verwendung einer osmotischen Vorgängen analogen Begrifflichkeit211 kenntlich wird. In kybernetischer Hinsicht ist damit der Begriff der ‚Grenze‘ installiert. Sodann darf aber auch die prinzipielle (wiewohl im historischen Verlauf dann unterschiedlichen Bedingungen unterworfene) Gestaltbarkeit der wechselseitigen Beziehungen (über die bei Lévi-Strauss unterscheidbaren Modi der Extensität, Intensität und Frequenz)212 in einem direkten logischen Zusammenhang mit den eben angeführten Möglichkeiten – und so gewissermaßen als eine dritte Form selektierender Einflußnahme – gesehen werden. Systemtheoretisch betrachtet, ist mit diesem Ensemble von Möglichkeiten ein wesentliches Kennzeichen autopoietischer Konzepte anvisiert: Ein selbstorganisierendes System zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß es „aktiv213 in seine Umwelt ein[greift] und […] dabei in gewissen Grenzen die Umweltbedingungen [manipuliert], unter denen es sich erhalten kann“214.

Ihren gebündelten Ausdruck findet die geschilderte Merkmalsstruktur des kulturelle Interaktionen auszeichnenden aktiven Moments letztlich in Lévi___________ 208

a: Siehe Seite 279 f., die Argumentation unter Punkt 2. b: … ohne wie gesagt – auch darauf hatte ich dort hingewiesen – zu deren Ergebnissen in Widerspruch treten zu müssen … 209 Vgl. hierzu auch Holenstein (1985: 161): „Kulturelle Isolation ist keine Sache, über die der sich Abschirmende allein gebietet.“ 210 Vgl. BF: 14 / RE: 15. 211 Vgl. erneut ebd. / ebd.: „[…] eine gewisse Undurchlässigkeit […].“ 212 Siehe oben, Seite 273. 213 Zur Verwendung des Begriffs ‚Aktivität‘ bei Lévi-Strauss siehe MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545. 214 Krohn / Küppers / Paslack (1987: 461; keine Hervorhebung im Original).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Strauss’ Vorstellung, daß auf seiten jeder Kultur zusätzlich zu den bisher thematisierten Momenten noch so etwas wie der ‚Wunsch‘215 besteht, „sich gegeneinander abzusetzen, sich zu unterscheiden, sie selbst zu sein“216.

(g) Kulturelle Interaktionen und der Antagonismus der Kräfte217 Mit den zurückliegenden Untersuchungsschritten wurde versucht, Kulturgenesen als das Resultat einer Beteiligung von passiven, reaktiven und aktiven Momenten darzustellen. Nun spiegeln kulturelle Systeme in einer anderen Hinsicht jedoch noch ein weiteres Charakteristikum des Mediums wider, im Rahmen dessen sie ihre Identität aufbauen; verdeutlicht wird dies durch folgendes Zitat: „In den menschlichen Gesellschaften sind gleichzeitig Kräfte am Werk, die in entgegengesetzten Richtungen wirken: die einen tendieren zur Erhaltung und sogar Verstärkung der Partikularismen, die anderen wirken auf Konvergenz und Affinität hin.“218

Die Konsequenzen des ungehinderten, grenzwertigen Wirkens dieser Kräfte bestehen für den Fall von Partikularisierungstendenzen in der Stagnation219, für den Fall von Konvergenztendenzen in der wachsenden ‚Entropie‘220 bzw. ‚Desintegration‘221 des betreffenden kulturellen Systems, das heißt letztlich: im Verlust der Identität desselben. Die zwischen diesen problematischen Polen (der Versteinerung einerseits, der Auflösung andererseits) aufgespannte Skala denkbarer Verfassungsvarianten kultureller Systeme222 macht mithin deutlich, daß allein das Vorhandensein des ‚Wunsches‘ nach kultureller Eigenständigkeit dessen bestmögliche Realisierung noch keineswegs verbürgt. Und ebensowohl ___________ 215

StAII: 368 / AStII: 382. Vgl. dazu auch den diesem Begriff unmittelbar beigestellten Terminus ‚Wille‘ (ebd. / ebd.) bzw. die im bedeutungsmäßigen Umfeld gebrauchte Begrifflichkeit ‚Bemühungen‘ (ebd.: 286 / ebd.: 300). 216 Ebd.: 368 / Ebd.: 382. (T. König übersetzt: „sich gegeneinander abzusetzen, sich zu unterscheiden, etwas Eignes zu sein“.) – Das inhaltlich selbe Argument taucht auf in DC: 1190. Siehe zu dessen Wiederholung auch BF: 14 / RE: 15. Vgl. in diesem Zusammenhang außerdem WM: 131 / VMII: 117 f. 217 Vgl. für die verwendete Terminologie StAII: 269 / AStII: 283 (die Rede ist dort von ‚antagonistischen Kräften‘). 218 Ebd.: 366 / Ebd.: 381; keine Hervorhebungen im Original. 219 Vgl. dazu sinngemäß ebd.: 400 / ebd.: 415 sowie Eribondt: 215 / Eribonfrz: 205. 220 Eribondt: 217 / Eribonfrz: 206; auch TT: 411 / TrTr: 478 sowie Charbonnierdt: 40 / Charbonnierfrz: 46. 221 TT: 411 / TrTr: 479. 222 Zur Erörterung von Verfassungsvarianten aus spezifisch soziologischer Sicht und unter besonderer Berücksichtigung der Zeit als Systemdimension siehe Waldmann (1971).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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wird an dieser Diskrepanz erkennbar, daß ein gezielter Umgang mit dem Wirken dieser Kräfte ein Verständnis deren Mechanik unabdingbar voraussetzt. Lévi-Strauss’ hierfür einschlägige Überlegungen kennzeichnet eine gewisse Doppelbödigkeit, die daher rührt, daß von der seine Kulturkonzeption tragenden Argumentation systemtheoretischen Zuschnitts zeitweilig auf eine Ebene gewechselt wird, deren Parameter dem Kontext der Spieltheorie zugerechnet werden müssen223: Kulturen (bzw. Gesellschaften) werden dort mit ‚Spielern‘ verglichen224, Lebensformen, Techniken, Wissensbestände und Glaubensinhalte sinngemäß mit ‚Einsätzen‘225; kultureller Austausch wird – in der Entsprechung – als eine Art des ‚Zusammenspiels‘226, als eine Art der ‚Koalition‘227 begriffen. Wenn nun – um jene Interpretationsweise aufzugreifen – aus spieltheoretischer Sicht die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Einsätze eine Anfangsbedingung jeder ‚Partie‘228 darstellt229, so führt das Zusammenlegen der unterschiedlichen Einsätze über kurz oder lang zu einer schrittweisen Angleichung dessen, was jeder der Beteiligten in diesem Zusammenspiel einbringt.230 Die ‚differentiellen Abstände‘231, welche die Spieler anfänglich voneinander trennen, tendieren also mit zunehmender Länge des Spielverlaufs dazu, sich zu verringern.232 Um dieser unvermeidbaren Entwicklung entgegenzuwirken, wäre es erforderlich, „die Komplexität und Unterschiedlichkeit der Anfangssituation wiederherzustellen“233. Nach Lévi-Strauss ist diese Möglichkeit234 in zwei Varianten gegeben. Die erste Variante führt über entsprechende Binnendifferenzierungen ___________ 223

Vgl. dazu StAI: 324 / AStI: 329. (Die Bezugsautoren sind Neumann / Morgenstern 1944.) Vgl. außerdem dazu nochmals meine Argumentation auf Seite 278, den Text um Fußnotennummer 148. 224 Vgl. StAII: 403 f. / AStII: 418 f. 225 Vgl. ebd. / ebd. 226 Vgl. ebd.: 403 / ebd.: 418. 227 Vor allem ebd.: 398, 402 und 403 f. / ebd.: 413, 417 und 418 f. 228 Ebd.: 403 / Ebd.: 418. 229 Vgl. ebd. / ebd. 230 Vgl. ebd.: 404 f. / ebd.: 419 f. 231 Vgl. ebd.: 402 f. / ebd.: 417 f. 232 a: Vgl. ebd.: 404 f. / ebd.: 419 f. b: Man beachte in diesem Zusammenhang auch Lévi-Strauss’ Verwendung des Bildes der Dampfmaschine in Charbonnierdt: 41 / Charbonnierfrz: 47. [Abgestellt wird von ihm damit auf den Sachverhalt der Tendenz zur Einebnung des Temperaturgefälles bzw. auf den Sachverhalt der Erwärmung der ‚Kältequelle‘ bei Sinken der Temperatur der ‚Wärmequelle‘ (vgl. jeweils ebd. / ebd.).] 233 StAII: 404 / AStII: 419. 234 Unter Ausschluß – versteht sich – der (prinzipiell ja nur theoretisch möglichen) Zäsur von Abbruch und Neubeginn, welche die Konditionen eines ersten Anfangs stets aufs neue und problemlos herstellt.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

der beteiligten „Spieler“ zu einer Erneuerung der differentiellen Abstände; angesprochen ist damit der Fall, daß sich in einer Kultur (bzw. Gesellschaft) in dem Maße, wie die Homogenisierung der Spieleinsätze auf interkultureller Ebene voranschreitet, eine kommunikative Umkehrorientierung abzeichnet, das heißt, daß sie dazu übergeht, ihren eigenen Einsatz im Hinblick auf dessen Teilgrößen, also in sozialer Hinsicht (Stichwort ‚Kasten‘, ‚Klassen‘), ökonomischer Hinsicht (Stichwort ‚Berufsgruppen‘), konfessioneller Hinsicht (Stichwort ‚Religionsgruppen‘) usw.235 zu diversifizieren.236 Demgegenüber besteht die zweite prinzipielle Möglichkeit einer Heterogenisierung der Spielbestände darin, neue, das heißt externe ‚Partner‘237 in den Spielverbund aufzunehmen, „deren ‚Einsätze‘ sich stark von denen unterscheiden, die den ursprünglichen Bund kennzeichnen“238. In beiden Fällen239 aber bleibt entscheidend: Die der Natur des Spiels immanente Gesetzmäßigkeit wird durch die angeführten Maßnahmen nicht etwa aufgehoben oder gar umgekehrt; dem Resultat deren Wirkung ist mit diesen Maßnahmen nur gegengesteuert, es wird durch sie allein aufgeschoben.240 Die konsequente Analogisierung von Spielablauf und Kulturgenese machte demzufolge eine Nivellierung der ursprünglichen Unterschiedlichkeit kultureller Systeme zur reinen Zeitfrage; Lévi-Strauss’ Äußerungen verstärken bisweilen diesen Eindruck241 und fördern dort, wo sie die Differenziertheit der Bezüge vermissen lassen, nicht gerade die Einsicht in das Vorliegen einer (wenn auch nicht der Elaboriertheit, so doch der Anlage nach) gestuften und komplexen Argumentation.242 ___________ 235

Vgl. StAII: 367 und 403 / AStII: 381 und 418. Vgl. ebd.: 403 f. / ebd.: 418. Siehe hier auch Tréguerfrz: 187 f. 237 Ebd.: 404 / Ebd.: 419. 238 Ebd. / Ebd. 239 Lévi-Strauss rekurriert zum Zweck der Exemplifizierung der ersten Variante auf den Begriff des ‚Kapitalismus‘, zum Zweck der Exemplifizierung der zweiten Variante auf den Begriff des ‚Imperialismus‘ bzw. ‚Kolonialismus‘ (vgl. StAII: 404 / AStII: 419; siehe dazu auch Charbonnierdt: 41 / Charbonnierfrz: 47). 240 Lévi-Strauss spricht deshalb auch von einer nur vorläufigen, einer nur einstweiligen Verlangsamung eines Prozesses. (Siehe StAII: 404 / AStII: 419.) 241 Um nur ein bezeichnendes Beispiel zu nennen: „Es ist nicht mehr zu ändern: die Zivilisation ist nicht länger jene zarte Blüte, die man umhegte und mit großer Mühe an einigen geschützten Winkeln eines Erdreichs züchtete, in dem zwar viele robuste und durch ihre Lebenskraft zweifellos bedrohliche Feldpflanzen wuchsen, die aber die Saat auch zu verändern und zu kräftigen vermochten. Heute findet sich die Menschheit mit der Monokultur ab. Sie schickt sich an, die Ziv[i]lisation in Massen zu erzeugen wie Zuckerrüben. Und bald werden diese auch ihre einzige Nahrung sein.“ (TT: 31 / TrTr: 38 f.) 242 Vgl. wiederum dafür etwa Lévi-Strauss’ Argumentation in StAII: 405 / AStII: 420: „[M]an kann sich vorstellen, daß durch eine Differenzierung, die sich jedesmal auf einer anderen Ebene wiederholt, in veränderlichen und die Menschen immer wieder überraschenden Formen, d[er] Zustand eines Ungleichgewichts erhalten werden kann […].“ 236

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Um eben diese Argumentation sichtbar werden zu lassen, ist hier zunächst und allgemein daran zu erinnern, daß Lévi-Strauss’ Reflexionen über die Verschiedenheit der Kulturen bei aller Akzentuierung des Faktors der wechselseitigen Beziehungen keinem monokausalen Erklärungsmuster folgen.243 Daher auch hat die verfahrensbedingte Eingrenzung des Blickfeldes auf diesen einen Faktor alle weiteren Einflußgrößen bestenfalls im Verhältnis dazu suspendiert, nullifizierte sie also niemals schlechterdings in ihrer Gültigkeit. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß selbst im Kontext des akzentuierten Faktors wechselseitiger Beziehungen die spieltheoretischen Erwägungen nochmals ein per definitionem verengtes Modell indizieren – ein Umstand, dem (sei er nun beabsichtigt oder nicht) umgekehrt im Moment der Aufgabe operationaler Hermetik, also einer Berücksichtigung kultureller Gesamtkontexte, auch wiederum Rechnung zu tragen ist, sollen Verzerrungen vermieden werden. Auf jeden Fall wird dabei der Gedanke leiten müssen, daß eine Heranziehung der Spieltheorie grundsätzlich nur in dem Maße für sinnvoll erachtet werden kann, wie dies kulturelle Problemsachverhalte einsehbar macht. Das nachstehende Interesse wird sich von daher um die Frage zu zentrieren haben, in welchem Sinne genau eine Übertragbarkeit spieltheoretischer Überlegungen auf kulturtheoretische Problemsachverhalte als gewährleistet bzw. unter welchen Voraussetzungen genau eine Prognose entsprechender Entwicklungsfolgen als zulässig erachtet werden kann. Da Lévi-Strauss seine spieltheoretische Argumentation sehr stark um das Problem der Homogenisierung der Einsätze zentriert, kann – der soeben deutlich gemachten Absicht gemäß – nicht darauf verzichtet werden, neben dem vordergründig Bekannten244 auch nach den spezifischen Hintergründen zu fragen, welche dieses Problem als angeblich langfristig und zwangsläufig eintretendes Ereignis reflektiert. Angezielt sind damit offene Problembestände – das, worüber von Lévi-Strauss keine unmittelbaren Aussagen getroffen werden: Das Argument von der Homogenisierung der Einsätze beispielsweise läßt offen, was diese in ihrer Disponibilität bedingt (erstens); ebenso besitzt es keinen direkten Aussagewert bezüglich der auf die jeweiligen Einsätze in struktureller Hinsicht (zweitens) wie aber auch in prozessualer Hinsicht (drittens) einwirkenden Faktoren.245 Diesbezüglich weiterführend ist erst ein Wechsel auf die ___________ 243

Siehe dafür nochmals oben, Seite 277 bzw. 280 f. Dazu zählen neben der bereits erwähnten Unterschiedlichkeit der jeweiligen Einsätze als einer spieltheoretischen Anfangsbedingung die das Spiel bzw. den Austausch bestimmenden und unabhängig von der Natur der Partner existierenden ‚Regeln‘ (StAI: 324 / AStI: 329). 245 Der entlang dieser Linierung demonstrierte Klärungsbedarf wird auch durch die bereits beschriebenen, thetisch etablierten Heterogenisierungsvarianten eher noch unterstrichen, als daß diese ein probates Instrumentarium zur Beurteilung dessen lieferten, 244

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

systemtheoretische Argumentationsebene, insofern die Problematik dort einen genauen Ort zu erkennen gibt: Unter systemtheoretischen Gesichtspunkten nämlich zeigt sich, daß eine Homogenisierung der Einsätze als das notwendige Resultat zeitlicher Erstreckung Konditionen verlangt, die sozusagen allein auf der Grenze gelten, also lediglich für das Moment bzw. den Akt des Austauschs selbst. Gleichzeitig ist mit der Grenze als dem Bestandteil einer äußerst vielschichtigen Konstellation der Horizont zu erkennen gegeben, im Lichte dessen die spieltheoretischen Exkurse ihrer kulturtheoretischen Bedeutung nach erschlossen werden können. – In diesem Sinne bildet daher der Wechsel der Argumentationsebene die Grundlage, von der aus sich der zunächst entstandene Eindruck einer Analogisierbarkeit von Spielablauf und Kulturgenese einer Prüfung unterziehen läßt. Über erste gegebene, richtungsweisende Bestimmungen hinaus soll entsprechend nun noch deutlicher dargestellt werden, worauf mit der Rede von der Homogenisierung der Einsätze nicht Bezug genommen sein konnte. – Zum ersten Punkt (abgehoben ist auf die die Einsätze in ihrer Disponibilität bedingenden Faktoren): Die Homogenisierung der Einsätze erstreckt sich – selbstredend fast – nicht auf das fallweise nicht zum Einsatz Gemachte; gemeint ist damit zunächst nicht mehr, als daß ein Kultursystem bei interkulturellen Kontakten niemals als Totum zur Disposition steht. – Ausschlaggebend dafür ist die in der Regulierung des Durchlässigkeitsgrades bestehende Funktion der Grenze, wenn auch in einer ganz bestimmten, die bisherige Argumentation ergänzenden Hinsicht: Diese beschränkte ihr Interesse an der Grenze (abgestimmt auf den ursprünglichen Hergang der Untersuchung) einseitig auf die Möglichkeit der Regulierung des Durchlässigkeitsgrades für fremdkulturelle Systemelemente.246 Um jedoch von einer Kultur aufgenommen247 bzw. ausgeschlossen248 zu werden, muß ein fremdkulturelles Systemelement der Komplementärkultur überhaupt als „Veräußerbares“ zur Verfügung gestanden haben.249 Diese Disponibilität intrakultureller Bestände nach „außen“ – in Form einer als möglich anzunehmenden Emission (Abgabe) oder Retention (Zurückhaltung) von Einsätzen – macht mithin offenbar, daß die Grenze konzeptuell nicht auf Semipermeabilität hin angelegt ist, sondern in ihrer Regulierungsfunktion prinzipiell bidirektionale Optionen aufweist, womit aber eben auch das zum Einsatz zu Machende dosierbar wird. ___________ was sich unter dem Anspruch auf Systematisierung mit der gegebenen Problemskizze zur Diskussion stellt. 246 Siehe oben, Seite 289, den Text um Fußnotennummer 210. 247 Vgl. StAII: 386 / AStII: 401. 248 Vgl. ebd. / ebd. 249 Vgl. dazu etwa die ebd.: 380 / ebd.: 394 f. gegebenen Beispiele. (Lévi-Strauss analog argumentiert hier Leiris 1951 / 1977: 101 f.)

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– Zum zweiten Punkt (angesprochen sind die auf die Einsätze in struktureller Hinsicht einwirkenden Faktoren): Systemtheoretische Prämissen zwingen noch in einem weiteren Sinne zur Transposition spieltheoretischer Konsequenzen; mit anderen Worten: Es sind letztlich nur die Einsätze250, welche als einem Konvergenzprozeß unterworfen zu denken sind, nicht ihrerseits die (im vorhinein) diese Einsätze strukturell bedingenden bzw. (im nachhinein) die Austauschresultate in analoger Form modifizierenden Faktoren. Jenseits des interkulturellen Grenzverkehrs und der dort ablaufenden Austauschprozesse wäre daher genau zu trennen zwischen eben diesen Faktoren, aus denen – strukturell gesehen – die Hervorbringung unterschiedlicher Einsätze immer auch resultiert251 und deren Wirkung (zwangsläufig) auch wiederum den Prozeß der Einordnung252 der Austauschresultate beeinflußt, und der Unterschiedlichkeit dieser Einsätze selbst. So ist es etwa, um dafür ein Beispiel anzuführen, die globale Pluralität hinsichtlich naturaler Gegebenheiten253, welche auf ihre Weise der Garant nicht allein differenter „Anfangs-“, sondern auch differenter „Endzustände“ bleibt254 – dies gleichwohl ungeachtet der beschriebenen spieltheoretischen Heterogenisierungsvarianten; und nur eine Nichteinbeziehung dieser Vielfalt infrastruktureller Kontexte, denen die jeweiligen Einsätze entstammen und denen sie, als ausgetauschte, auch wieder „zugeführt“ werden, würde mit Notwendigkeit dahin bringen, daß, was ursprünglich einer Veranschaulichung von Entwicklungstendenzen dienen sollte, schließlich und unwiederbringlich im Bereich von Extremfolgen steckenbleibt. Nicht gesehen oder zumindest deutlich unterschätzt zu werden scheint von Lévi-Strauss außerdem – diesmal genau mit Blick auf die beschriebenen spieltheoretischen Heterogenisierungsvarianten – der semiotische Faktor: bestimmt sich doch der Charakter dessen, was mit den jeweiligen Einsätzen geschieht, wesentlich auch über die ihnen von ___________ 250

Strenggenommen dahinter steht ‚das jeweils zum Einsatz Gemachte‘. … ein Sachverhalt, der – wie gesagt (siehe oben, Seite 277) – von Lévi-Strauss keineswegs geleugnet wird … 252 Vgl. StAII: 386 / AStII: 401. 253 Applizierbar wäre darauf der oben eingeführte Begriff des ‚externen Determinismus‘ (siehe oben, Seite 285, vor Fußnotennummer 189). 254 Das Argument der naturalen Gegebenheiten ist nicht auf Bedeutungsengpässe, wie sie etwa im Beispiel ‚einzelner australischer Koralleninseln neueren Ursprungs‘ (vgl. Marx, DI, 1845/46: 353) zum Ausdruck kommen, fixiert, zielt also keineswegs auf eine Eskamotierung menschlichen Bearbeitungs-, Gestaltungs- und Veränderungspotentials. – Daß die ‚sogenannte Gegebenheit‘ (Bloch [1959] 31990: 299) einer Oberflächenbetrachtung korreliert, sich also nur einer solchen als ‚schieres Datum‘ (ebd.: 300) und ‚autarkes Prius‘ (ebd.) vermittelt, soll hier gar nicht bezweifelt werden. Wesentlich für die Argumentation bleibt demgegenüber allein die Resistenz dieses (um welche menschliche Tätigkeitspotenz auch immer) ‚vermehrten‘ (vgl. ebd.: 302) Prius gegen durchgreifende Homogenisierung. 251

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den jeweiligen Kulturträgern als Zeichen zugemessene Bedeutung; die Unerschöpflichkeit menschlicher Bedeutungsgenerierung ist es dabei, in der man – in einer gewissen Hinsicht zumindest – einen Garanten differenter „Anfangs-“ und „Endzustände“ sehen darf. – Zum dritten Punkt (angesprochen sind die auf die Einsätze in prozessualer Hinsicht einwirkenden Faktoren): Selbst wenn die Spieltheorie unter den eben vorgenommenen Explikationen nicht mit dem Potential eines kulturtheoretischen Menetekels figuriert, so macht dieser Umstand das grundsätzliche Problem der Autolyse von Kulturen, also des Eintretens fortgeschritten entropischer bzw. desintegrativer kultureller Systemzustände, nicht eben schon verschwinden; zumindest sollte benannter Umstand nicht vorschnell zum Anlaß werden dafür, die mit interkultureller Begegnung und Austausch verbundenen Vorgänge hinsichtlich ihrer intrikaten Bedeutung für die beteiligten Kulturen generell zu unterschätzen. Daß nämlich das Argument von der Homogenisierung der Einsätze nur die unmittelbaren Implikationen des Tauschverkehrs fokussiert, läßt sich in einer nunmehr dritten Hinsicht auch noch wie folgt ausdeuten (gegenüber den beiden bereits ausgeführten Punkten begründet diese Option einen entscheidenden Unterschied): Beschrieben ist auf diese Weise nicht das Ergebnis der aus dem Tauschverkehr für die jeweiligen Kultursysteme im ganzen entstehenden Folgelasten. – Das wiederum hat aber zu bedeuten: In dem Maße, wie an solchen Folgelasten nicht vorbeizukommen ist, ist dem Aspekt der Integration des jeweils Eingetauschten – dem schließlich, was Lévi-Strauss (im engeren Sinne) die Erarbeitung einer ‚originären Synthese‘255 nennt256 – Gewicht beizumessen. Jenseits des Arguments von der im Zuge der Tauschakte sich einstellenden Homogenisierung interessiert deshalb in ganz entscheidender Weise auch die sich an die jeweiligen, relativen Anfangssituationen anschließende Ausbildung eines spezifischen Arrangements; einer atomistischen, quantifizierenden, additiven Betrachtungsweise257 entgegengesetzt also näherhin das, was ___________ 255 Vgl. Eribondt: 222 / Eribonfrz: 212; siehe auch StAII: 401 / AStII: 416. [Zusätzlich beachte man hier Lévi-Strauss’ Einbeziehung des angelsächsischen Begriffs ‚pattern‘ (StAII: 401 / AStII: 416).] Zum Stichwort ‚Originalität‘ siehe StAII: 364 / AStII: 378 bzw. ebd.: 401 f. / ebd.: 416 f. sowie MB: 32 / MM: 20. Siehe für die Verwendung ähnlicher Ausdrücke außerdem (mit Einschränkung auf den Kontext der Mythenforschung) MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544 (‚originale Schöpfung‘) sowie Daixdt: 98 / Daixfrz: 6 (‚Fähigkeiten zur Synthese‘). 256 Aufmerksamkeit verdient die ‚Art‘ (StAII: 386 / AStII: 401; siehe hierzu auch DC: 1194), wie jede Kultur das jeweilige Tauschgut „einordnet, aufnimmt oder ausschließt“ (StAII: ebd. / AStII: ebd.). 257 Wie sie de facto und im wesentlichen für die (zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts – in Anknüpfung an Frobenius – von Graebner und Ankermann begründete) Kulturkreislehre bezeichnend war. (Vgl. für diesen Ansatz im allgemeinen sowie zum Status des für diesen Ansatz zentralen Begriffs des ‚Kulturelements‘ im besonderen K.

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die jeweiligen Kulturen gerade aus dieser Situation heraus in dann doch integraler258 und unverwechselbarer259 Weise (im Sinne einer eigenen Qualität) hervorzubringen vermögen.260 – Inwieweit die für die Ausbildung einer spezifischen Qualität erforderlichen Bedingungen ihrerseits zur Verfügung stehen, liegt wiederum wesentlich an der Wahrnehmung der Grenzfunktionen; belegt wird dies durch folgendes Zitat: ___________ E. Müller 1980: 201-215; außerdem zu dieser Thematik auch schon Mühlmann 1938 a: passim, ders. 1964: 32 sowie Thurnwald 1931: 18.) 258 Vgl. diesbezüglich Lévi-Strauss’ Verwendung des Begriffs ‚système‘: „Eine Zivilisation definiert sich nicht über ein einziges Kriterium, sondern über mehrere und vor allem über das System, in dem diese organisiert sind.“ (DC: 1212; keine Hervorhebung im Original.) 259 Vgl. hierzu entsprechend Lévi-Strauss’ Verwendung des Begriffs ‚incommensurable‘ (DC: 1194) bzw. die Rede von „besonderen, nicht übertragbaren Lebensstilen“ (BF: 54 / RE: 50); vgl. hier auch CJ: 9. – So definierte und auf eine Gesamtqualität bezogene Unverwechselbarkeit ist selbstverständlich nicht zu vermengen mit Inkommensurabilität und Nichtübertragbarkeit auf der Ebene einzelner Systembestandteile. Wie die zurückliegenden Ausführungen hinreichend belegen konnten, werden diese Attribute dort gerade nicht postuliert. [Notabene: Ob Huntingtons Prognose vom Kampf der Kulturen (siehe ders. 1993 bzw. 1996 / 1997) der Wind aus den Segeln kommt oder nicht, hängt unter einem theoretischen Aspekt entscheidend davon ab, auf welcher der beiden Ebenen angesetzt wird; praktisch dagegen lautet die entscheidende Frage, welche der beiden Ebenen die Lebenswelt mehr bestimmt (was freilich immer auch heißt – und hier wiederum trifft sich die Praxis mit der Theorie –: welcher der beiden Ebenen man lebensweltlich zu größerem Gewicht verhilft).] In der Möglichkeit einer Unterscheidung der beiden eben genannten Ebenen sehe ich letztlich auch den Schlüssel zur Auflösung des Problems der Vereinbarkeit einer an der Wahrung der Verschiedenheit originärer Synthesen interessierten Kulturtheorie (Stichwort ‚Kulturrelativismus‘, ‚Inkommensurabilität‘) mit einer an der Ermittlung struktureller Invarianten interessierten Anthropologie (Stichwort ‚Universalienforschung‘). (Vgl. hier auch Benoist 1977 / 1980: 13 bzw. MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545.) 260 a: Vgl. in dem Zusammenhang auch Mühlmann (1962 a: 288 f.); daneben ders. (1961 a: 10 f.). b: Könnte etwa diese Bestimmung als Gradmesser dienen für die Berechtigung der oft umstrittenen Verwendung des Terminus ‚Authentizität‘? [Etymologisch betrachtet, stellt dieser u. a. ab auf Urheberschaft (vgl. Liddell / Scott [1843] [91940] 1996 unter ‚αὐθέντης‘, auch unter ‚αὐθεντικός‘).] c: Fraglos zu konzedieren ist, daß die in den Schriften Lévi-Strauss’ eruierbaren kommunikations-, system- sowie spieltheoretischen Positionen es nicht erlauben, Phänomene der Heimsuchung und Infragestellung durch ein differenztheoretisch-radikalisiert aufgefaßtes Fremdes, wie man es von Autoren wie Levinas, Derrida, B. Waldenfels oder Därmann in den Fokus gerückt sieht, adäquat zu erfassen. – Allerdings darf der kategorische Gehalt etwa jener Aussage, wonach das „Selbst“ in der Konfrontation mit einem (der Art nach) so begriffenen Fremden „als Selbst erst konstituiert [.] wird“ (Därmann 2005: 288; keine Hervorhebung im Original), bestritten werden. Ihr würde ich eine zurückgenommenere und darin einer in Lévi-Strauss’scher Perspektive entwickelten Argumentation die Legitimität belassende Behauptung entgegensetzen wollen; nämlich: Als Selbst wird das „Selbst“ in entsprechender Begegnung (nicht weniger sicher, wohl aber doch auch nicht mehr denn) mitkonstituiert.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation „Für die Entwicklung von Unterschieden, damit die Grenzschwellen, die die Unterscheidung einer Kultur von den ihr benachbarten erlauben, hinreichend kenntlich sind261, gelten grosso modo die gleichen Bedingungen wie die, die die biologische Differenzierung zwischen den Populationen fördern: relative Isolierung im Laufe eines längeren Zeitraums und begrenzte Austauschmöglichkeiten […].“262

Erst mit der Berücksichtigung dieses letzteren Aspekts sind folglich die aus der Homogenisierung der Einsätze resultierenden Konsequenzen in ihrem eigentlich kritischen Kern ermessen. Denn das Problem der Verringerung der sogenannten differentiellen Abstände beschriebe in dem Moment, wo es Kulturen nicht mehr gelänge, die Vorgänge auf der Grenze intrasystemisch in einen geordneten Zustand überzuführen, in der Tat einen Prozeß von Relevanz auf der Ebene der jeweiligen Gesamtsysteme. Es war der Versuch unternommen worden, in der Frage des Antagonismus der Kräfte (also der – gemäß Zitat263 – in den menschlichen Gesellschaften in entgegengesetzten Richtungen wirkenden Kräfte) zu einem Ursachenverständnis zu gelangen. Verfahrenstechnisch gesehen, wurde diesem Versuch mit dem Einstieg in Lévi-Strauss’ spieltheoretische Argumentation zunächst einseitig entsprochen – sie führte zur Erörterung der Konvergenzproblematik. Auf der Grundlage eines Transfers spieltheoretischer Argumentationsmuster in eine systemtheoretische Sprache konnte dabei nicht nur aufgezeigt werden, daß Konvergenztendenzen nicht unabhängig vom Durchlässigkeitsgrad der Grenze zu denken sind, sondern auch, daß Konvergenz zunächst die noch sehr allgemeine und unspezifizierte Bezeichnung für einen Vorgang darstellt, der im einzelnen äußerst Unterschiedliches bedeuten kann. Folgende Spezifikationen mögen hier abschließend getroffen werden: – Erstens: Ein hoher Grad an Durchlässigkeit ist unter Systemerhaltungsgesichtspunkten das Richtige, wenn eine Kultur von Stagnation bedroht ist. Mit anderen Worten: Wollen Kulturen nicht ein Leben im Stillstand führen264, so ist es für sie nicht allein wünschenswert, sondern es stellt für sie geradezu eine Notwendigkeit dar, miteinander in Kontakt zu treten, sich auszutau___________ 261 Vgl. dazu: „Wer wollte leugnen, daß es heute eine japanische, eine amerikanische Kultur gibt, sogar bei Berücksichtigung innerer Differenzen? Es gibt kein Land, das in stärkerem Maße das Produkt einer Mischung ist als die Vereinigten Staaten, und doch existiert ein ‚American way of life‘, dem sich alle Bewohner des Landes verschreiben, ohne Rücksicht auf ihre ethnische Herkunft.“ (Eribondt: 222 f. / Eribonfrz: 212; keine Hervorhebung im Original.) 262 BF: 42 / RE: 39; nur erste Hervorhebung im Original. [Die Beziehungen zwischen biologischer und kultureller Evolution werden von Lévi-Strauss unter dem Aspekt der Analogie (im einzelnen unter Vorbehalt ausgesprochen) wie auch unter dem Aspekt der Komplementarität zum Gegenstand der Erörterung (siehe dazu ebd.: 42 ff. / ebd.: 39 ff.).] 263 Siehe oben, das zweite der auf Seite 290 angeführten Zitate. 264 Vgl. Eribondt: 215 / Eribonfrz: 205.

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schen, beieinander ‚Anleihen‘265 zu machen.266 Der Begriff der Konvergenz nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf einen so essentiellen wie limitierten Bereich kultureller Entwicklung, nämlich auf die zwischen Kontribution (Intervallanfang; Tauschobjekt bzw. Einsatz = Beitrag) und Retribution (Intervallende; Ausgetauschtes = Wiedererstattetes) ablaufenden Prozesse, also auf unmittelbares Grenzgeschehen; innerhalb dieser Intervallgrenzen bezeichnet er die notwendige und als positiv zu bewertende Folgeerscheinung einer steuerungstechnischen Maßnahme.267 – Zweitens: Ein hohes Maß an Durchlässigkeit kann jedoch – wiederum unter Systemerhaltungsgesichtspunkten – auch das Falsche sein. Dies ist konkret der Fall im Anschluß an den beschriebenen Prozeßabschnitt, wo Bedingungen hoher Durchlässigkeit die entsprechenden Umstrukturierungen verhindern würden. Deren Ausbleiben beförderte kulturelle Entropie bzw. Desintegration und damit eine Konsequenz, die – dem Zustand kultureller Stagnation analog – auf der jeweiligen Systemebene durchschlägt. In diesem zweiten Sinne besitzt daher der Begriff der Konvergenz eine den Bereich der Grenzvorgänge überschreitende, umfassende Bedeutungsdimension; er bezeichnet damit zugleich die zu vermeidende und als negativ zu bewertende Folgeerscheinung einer steuerungstechnischen Maßnahme. Nun ist die geschilderte Doppelfunktion (ein und derselbe Durchlässigkeitsgrad führt zu völlig unterschiedlichen – sowohl positiven wie negativen – Konsequenzen) nicht allein Kennzeichen dieses Regulierungsmodus. Ambivalente Implikationen charakterisieren auch eine konstantgesetzte Verminderung des Durchlässigkeitsgrades – das, was Lévi-Strauss eine ‚gewisse Undurchlässigkeit‘268 nennt. Gleichwohl entscheidend daran ist die jeweilige Aufeinanderbezogenheit, die Tatsache also, daß die Angemessenheit des einen Durchlässigkeitsniveaus stets die Unangemessenheit des anderen einschließt und umgekehrt. In diesem Sinne können, ja müssen die beiden zuletzt vorgenommenen Spezifikationen – was die dem spieltheoretischen Zugang immanente, anfängliche Einseitigkeit aufhebt – als jeweils inverse (und insofern implizite) Verhandlung auch der Problematik der Partikularisierung angesehen werden. Die___________ 265

BF: 14 / RE: 15. Vgl. ebd. / ebd. Vgl. in diesem Zusammenhang auch StAII: 400 / AStII: 415: „Das einzige Verhängnis, der einzige Makel, der eine Menschengruppe treffen und an der vollen Entfaltung ihrer Natur hindern kann, ist, isoliert zu sein.“ Vgl. hier außerdem Leiris (1951 / 1977: 100 f.). 267 Lévi-Strauss’ Verwendung des Begriffs ‚Koalition‘ sowohl wie seine Behauptung von der ‚plurikulturellen Entstehungsweise‘ der Gesellschaften erhalten im Rahmen dieser ersten Spezifikation ihre jeweils zentrale Relevanz. (Vgl. dazu jeweils nochmals oben, Seite 291, den Begriff vor Fußnotennummer 227 und Fußnote 227 bzw. Seite 282 f., Fußnote 168.) 268 BF: 14 / RE: 15. 266

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ses Inversionsverhältnis fungiert seinerseits wiederum als Schlüssel zum Verständnis jener Behauptung, derzufolge es „[d]ie Menschheit […] ständig mit zwei einander widersprechenden Prozessen zu tun [habe], von denen der eine zur Vereinheitlichung strebt und der andere zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Differenzierung“269.

Zum Zwecke ihrer Bewertung ist diese Widersprüchlichkeit270 gleichwohl in einen weiteren Kontext zu stellen, da sowohl die logische als auch die synchronoptische Bedeutungsvariante vorstehender Einschätzung abstrahiert von der prinzipiellen Koordinierbarkeit der Widerspruchsbedingungen (also der variablen Grenzfunktionen). Gegen Ende dieser Auswertung bahnt sich so eine entscheidende Akzentverlagerung an: Gegenüber der bisherigen, durch isolierte Betrachtung einzelner Momente auf die Herausarbeitung prinzipieller Wirkmechanismen konzentrierten Analyse schiebt sich nunmehr als Schwerpunkt die Genese kultureller Identität als in Abhängigkeit vom Regulierungspotential der Grenze zu erbringende in den Vordergrund. Die Konsequenz des Vorgangs dieser Akzentverlagerung ist von der Art, daß der Wunsch einer Kultur nach Unterscheidbarkeit271 jetzt einer Vorgabe gleicht, welche in jeweils spezifischer Weise bindend wird für die Umsetzung der zentralen Möglichkeit aktiver Einflußnahme: Die Regulierung des Durchlässigkeitsgrades wird zur Frage des richtigen Zeitpunkts. Aus solcher Perspektive wird eine Kultur bei der Erarbeitung einer originären Synthese nur in dem Maße reüssieren, wie es ihr gelingt, den Antagonismus der Kräfte mit den phasenspezifischen Erfordernissen ihrer Entwicklung in Einklang zu bringen. Die jeweilige Anpassungsleistung dürfte dabei – vom Standpunkt der Interpretation aus – auch keinesfalls als Pendant prinzipiell angelegter Dysfunktionalität mißverstanden werden; vielmehr käme es darauf an zu sehen, daß die regelungsinduzierten Kräfte bzw. Prozesse – in ihren jeweiligen Grenzen gehalten – dem Erhalt kultureller Identität gleichermaßen und in grundlegender (i. e. unverzichtbarer und nicht kompensierbarer) Weise dienen. Die Aufhebung von Unvereinbarkeiten liegt also in einer dementsprechend sich realisierenden Flexibilität begründet. Resümierend könnte somit in dem Maße, wie es einer Kultur gelänge, das richtige Gleichgewicht im Kräftefeld kultureller Dynamik herzustellen272, in der Tat von „zwei verschie___________ 269

StAII: 406 / AStII: 421; keine Hervorhebung im Original. Siehe auch ebd.: 405 / ebd.: 420. 271 Vgl. erneut ebd.: 368 / ebd.: 382 bzw. oben, die Argumentation auf Seite 289 f. um die Fußnotennummern 213-216 (mit den entsprechenden Fußnoten). 272 Das Ziel (sinngemäß mit Lévi-Strauss) besteht darin, „eine Schwelle zu erreichen – für die menschlichen Gesellschaften zweifellos die nutzbringendste –, auf der sich ein richtiges Gleichgewicht zwischen ihrer Einheit und ihrer Vielfalt herstellt; und die die Waage hält zwischen der Kommunikation, die den wechselseitigen Erleuchtungen förderlich ist, und dem Fehlen von Kommunikation, das ebenfalls heilsam ist, denn die empfindlichen Blüten des Unterschieds brauchen Schatten, um zu überleben“ (StAII: 286 / AStII: 300). Siehe dazu auch Eribondt: 218 / Eribonfrz: 207 (außerdem MB: 32 / MM: 270

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dene[n] Arten, sich zu schaffen“273 und im Verhältnis dazu auch von einer nur dem Schein nach bestehenden274 Antinomie gesprochen werden. Aus kulturenübergreifender, globaler Sicht wäre damit – für Lévi-Strauss – dann positiv das erreicht, was in seinen Augen als „ein gewisses Optimum an Verschiedenheit“275 sich bezeichnen läßt; der Zustand letztendlich, in dem er „eine anhaltende Bedingung für die Entwicklung der Menschheit“276 erblickt.

___________ 20): Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Kommunikation birgt Gefahren für die kulturelle Evolution. – Skylla und Charybdis wurden mit den Zuständen der Entropie bzw. Desintegration und der Stagnation (siehe oben, Seite 290, vor den Fußnotennummern 220 bzw. 221 und 219) bereits benannt. Lévi-Strauss veranschaulicht (und unterlegt) seine Argumentation anhand eines ethnohistorischen Beispiels, anhand des überlieferten Standpunkts der Mandan (eines in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts infolge einer Pockenepidemie nahezu ausgelöschten nordamerikanischen Indianerstammes; siehe für die Information Lloyd 1843: IX); die entsprechende, Lévi-Strauss’sche Schilderung lautet: „Die Mandan nannten Minnetaree, ein Wort, das in ihrer Sprache ‚sie haben den Fluß überquert‘ bedeutet, die älteste aus dem Nordosten gekommene Hidatsa-Gruppe, die am Ende der Vorgeschichte am Missouri ankam und die Maiskultur bei ihnen lernte. Doch ihren eigenen Traditionen zufolge wünschten die Mandan nicht, daß dieses Zusammenleben fortdauerte, und sie legten ihren Gästen ihren Standpunkt in folgenden Worten dar: ‚It would be better if you went upstream and built your own village, for our customs are somewhat different from yours. Not knowing each other’s ways the young men might have differences and there would be wars. Do not go too far away, for people who live far apart are like strangers and wars break out between them. Travel north only until you cannot see the smoke from our lodges and there build your village. Then we will be close enough to be friends and not far[.] enough away to be en[.]emies‘ (Maximilian 1843, S. 368; Bowers 1965, S. 15).“ (StAII: 285 / AStII: 299.) In der Art seiner Schilderung durch Lévi-Strauss fügt sich dieses ethnohistorische Beispiel in ein systemtheoretisches Denken ein, vermag es letzteres – wie schon gesagt – zu veranschaulichen. Nicht aber würde es umgekehrt dazu berechtigen, das Handeln der Mandan als Folge einer Einsicht in systemtheoretische Ablauf- und Wirkungsgesetzlichkeiten aufzufassen. Eine Anmerkung zur Interpretation dieses Beispiels durch LéviStrauss scheint auch insofern angebracht, als dieser in der Mandan-Entscheidung eine „große Lektion in politischer Philosophie“ (StAII: 285 / AStII: 299) erkannt haben will. – Vertretbar wären derlei Einschätzungen nur, wenn (was jedoch genau nicht der Fall ist) aus den von Lévi-Strauss angegebenen ethnographischen Quellen Argumente rekonstruierbar würden, mit denen die Mandan ihren Standpunkt begründeten. [Eine Übersetzung des (nach oben zitierter Version) überlieferten Standpunkts der Mandan ins Deutsche in Verbindung mit einer Quellen- und Hintergrundrecherche anläßlich Lévi-Strauss’ Heranziehung dieses Beispiels findet sich in den Appendices der vorliegenden Untersuchung (siehe dort: Gliederungspunkt IV., Seite 458 ff.).] 273 StAII: 406 / AStII: 421; nur zweite Hervorhebung im Original. 274 Nicht so wiederum nach der Ansicht von Lévi-Strauss in DC: 1201! 275 StAII: 367 / AStII: 381. Siehe dafür auch KA: 15 / CA: 17, Tréguerfrz: 187 f. sowie BF: 14 / RE: 15. 276 KA: 15 / CA: 17.

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dd) Die Verschiedenheit der Kulturen als normative Größe Es wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern der Faktor der wechselseitigen Beziehungen Anteil an der Hervorbringung unterschiedlicher Kulturen habe, und dies in einer Weise, welche seine Auszeichnung gegenüber anderen Bedingungsfaktoren gerechtfertigt erscheinen lasse.277 – Der vorgelegene Stand der Information ließ ein unmittelbares Daraufeingehen nicht zu. Vielmehr erwies sich die Fragestellung als argumentationseröffnend; die Voraussetzungen für eine Beantwortung waren gewissermaßen erst zu schaffen. So war die Frage nicht nur initialisierend für den Versuch, das Verständnis kultureller Interaktionen von den entsprechenden Wirkmechanismen her mit einer Struktur zu versehen; auch ließ sie dafür eine bestimmte Reihung als sinnvoll erscheinen, mit deren Abarbeitung nun der für eine Schließung des Kreises notwendige Rahmen als gegeben betrachtet werden kann. Die operationale Isolierung des Beziehungsaspekts aus einem Feld komplexer Bedingungsverhältnisse führte – sozusagen auf zweiter Stufe – zu einer allmählichen Fokussierung der Grenze als des funktionalen Dreh- und Angelpunkts der Lévi-Strauss’schen Kulturkonzeption. Wie im Zuge dessen aufgewiesen werden konnte, verläuft die Gestaltung wechselseitiger Beziehungen aufgrund des ‚ambivalenten Charakters der Grenze‘278 zwar entlang prinzipiell vorgezeichneter Optionen; sie ist jedoch faktisch nicht auf eindeutige Resultate hin festgelegt. Wechselseitige Beziehungen als im Hinblick auf die Genese von Kulturen zu berücksichtigender Kausalfaktor bilden insofern eine durchaus schillernde Größe. Dementsprechend auch wird an der Ausbildung einer originären Synthese, welche die hinlängliche Unterscheidung einer bestimmten Kultur von einer anderen gestattet, äußerst Unterschiedliches manifest. Der LéviStrauss’sche Terminus der ‚originären Synthese‘ verweist zunächst auf eine gelungene Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen, fungiert also als Ausweis für ein intaktes Gleichgewicht zwischen Einheit und Vielfalt, Über- und Unterkommunikation, Nivellierung und Partikularisierung.279 Vor dem Hintergrund der Handhabbarkeit des Vorbehalts allerdings ist er in ebensolchem Maße auch Indikator für die Labilität dieses Gleichgewichts und insofern also für letzthin nichts anderes als die Fragilität und Unabsicherbarkeit kultureller Identität. Die mit der Konzeption von Kultur als eines offenen Systems in nuce angelegte Ex___________ 277

Zur Erinnerung des Hergangs siehe abermals Seite 277 (unten). [Die entscheidende These, die der Formulierung der Frage vorausging, war, daß es sich bei der Verschiedenheit der Kulturen um „ein natürliches Phänomen“ (StAII: 368 / AStII: 382) handele, „das von den direkten oder indirekten Beziehungen der Gesellschaften untereinander herrühr[e]“ (ebd. / ebd.). (Siehe hierfür wiederholt Seite 276, die Argumentation um die Fußnotennummern 141 und 142.)] 278 Siehe Waldmann (1971: 693). 279 Vgl. dazu nochmals Seite 300 f., Fußnote 272.

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tendierbarkeit des Maßstabs impliziert gleichwohl eine noch radikalere Konsequenz. Im Klartext heißt das: Die Verschiedenheit der Kulturen, verstanden als die plurale Gegebenheit originärer Synthesen, kann in ihrem Fortbestand ebensowenig als gesichert angenommen werden. Insgesamt gesehen zeigt sich also daran, daß durch die Gestaltbarkeit der wechselseitigen Beziehungen nicht nur der Verlauf der Kulturgenese im einzelnen (in jeweils allen denkbaren Ausprägungsformen) entscheidend beeinflußt zu werden vermag; immer steht mit dem Instrument der Grenze – soviel zum Entfaltungslimit des Prinzips der Kokonstitution und der Koevolution280 – auch die Existenz von Kultur überhaupt zur Diskussion. Letzteres gilt um so mehr unter Berücksichtigung sowohl der verkehrs- bzw. kommunikationstechnischen Veränderungen281 als auch der bekannten demographischen Entwicklungen282, was wiederum bedeutet: In dem Maße, wie für Lévi-Strauss die Rückkehr zu einem demographischen wie auch verkehrs- bzw. kommunikationstechnischen Status quo ante nicht zu erwarten steht283, erhöht sich die Bedeutung des Faktors der wechselseitigen Beziehungen bzw. die Bedeutung der mit der Gestaltbarkeit dieser Beziehungen verbundenen Freiheitsgrade. Mag also die Verschiedenheit der Kulturen diagnostisch noch haltbar sein und retrognostisch gegolten haben284, einen prognostizierbaren Sachverhalt vermag sie in seinen Augen nicht unter allen Umständen (also pauschal) mehr zu definieren. Daher ist auch, wenn von Lévi-Strauss formuliert wird, daß die Verschiedenheit der menschlichen Kulturen „hinter uns, um uns und vor uns“285 sei, der zukunftsgerichtete Term dieser Adverbialsequenz nicht im Sinne einer Deskription aufzufassen. Die Verschiedenheit der Kulturen besitzt in diesem Falle vielmehr den Status einer Präskription, sie bezeichnet ein Postulat. So ließe sich in diesem Sinne auch behaupten: Lévi-Strauss beschränkt seine Argumentation

___________ 280

Siehe das zweite Zitat auf Seite 282. Vgl. BF: 50 f. / RE: 46 f. sowie ebd.: 51 f. / ebd.: 47 f.: „Die großen schöpferischen Epochen waren die, in denen die Kommunikation hinreichend dicht geworden war, daß entfernte Partner sich anregen konnten, ohne doch so häufig und rasch zu sein, daß die zwischen Individuen wie Gruppen unerläßlichen Hindernisse bis zu dem Grade schwanden, daß die allzu große Leichtigkeit, mit der sich ein Austausch vollziehen ließ, ihre Verschiedenheit einebnete und aufhob.“ 282 Vgl. ebd.: 48 / ebd.: 45: „Die Populationen wachsen, nehmen jedoch an Zahl ab.“ 283 Vgl. ebd.: 52 / ebd.: 48: „[…] der Rückweg in die Vergangenheit [ist] unmöglich […].“ 284 Vgl. dazu StAII: 366 / AStII: 380: „[…] die Vielfalt der Kulturen ist, in der Gegenwart faktisch und in der Vergangenheit faktisch und theoretisch, viel größer und reicher als alles, was zu kennen uns je vergönnt sein wird.“ 285 Ebd.: 407 / Ebd.: 422; keine Hervorhebung im Original. 281

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

– nicht: a) auf die Feststellung dessen, was ist Die Verschiedenheit der Kulturen ist in ihrem Fortbestand bedroht.286

– bzw.: b) auf die Feststellung dessen, was sein kann, Die Verschiedenheit der Kulturen ist prinzipiell der Erhaltung fähig (so das Ergebnis der zurückliegenden Rekonstruktion).

– sondern er macht: c) auch Aussagen darüber, was sein soll. Die Verschiedenheit der Kulturen wird, indem sie ‚vor uns‘ gesehen wird, für erhaltungswürdig befunden.287

Dies ist insofern bedeutsam, als der damit bezeichnete Schritt im Rahmen der bislang durchgeführten Rekonstruktion weder möglich noch erklärbar war. Mit anderen Worten: Anhand des bisherigen, sensu Lévi-Strauss artikulierten Kulturverständnisses ließ sich zwar sagen, wie die kulturelle Evolution unter bestimmten Bedingungen verläuft – nicht aber, wie sie verlaufen sollte. Denn keine deskriptive Aussage darüber, daß sich kulturelle Systeme in einem bestimmten Zustand befinden, erzwingt mit logischer Notwendigkeit eine bestimmte Bewertung dieses Zustands als wünschenswert oder nicht wünschenswert, gut oder schlecht; auch enthalten Aussagen, die Sachverhalte beschreiben, keine Information dahingehend, welche Systemzustände zu stabilisieren oder zu modifizieren sind. Ein weiteres Rekonstruktionsergebnis ist daher: Die Wahl einer präskriptiven Formulierung läßt erkennen, daß die Verschiedenheit der Kulturen von Lévi-Strauss zu einem Wert erhoben wird. Daß die Verschiedenheit der Kulturen sein soll, bringt eine moralische Überzeugung zum Ausdruck, ist Resultat einer ethischen Entscheidung. – Unter den Vorzeichen einer offenen Systemkonzeption ist allerdings auch klar, worin die letzte Konsequenz der diese Entscheidung motivierenden Absicht besteht: Was allein aufrechterhalten werden kann und soll, ist die Verschiedenheit der Kulturen ihrer Form nach, während die Verschiedenheit der Kulturen ihrer inhaltlichen Bestimmung nach einem Wandel geradezu unterliegen muß; mit Lévi-Strauss formuliert: „Das Faktum der Verschiedenheit ist zu erhalten, nicht der historische Inhalt, den jede Epoche ihm gegeben hat und den keine über sich selbst hinaus verlängern kann.“288

___________ 286 Vgl. sinngemäß StAII: 406 / AStII: 421; außerdem MB: 32 / MM: 20 sowie BF: 51 / RE: 47. 287 Vgl. hierzu auch Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207: Es ist „wünschenswert […], daß die Kulturen an ihrer Verschiedenartigkeit festhalten […]“. Siehe hier außerdem Benoist (1977 / 1980: 13). 288 a: StAII: 406 / AStII: 421; keine Hervorhebung im Original. (Siehe hier erneut auch Benoist 1977 / 1980: 13.) Dementsprechend auch ist „der wirkliche Beitrag der Kulturen nicht in der Liste ihrer besonderen Erfindungen [zu sehen; H.M.S.], sondern in dem ‚differentiellen Abstand‘, den sie voneinander haben.“ (StAII: 402 / AStII: 417; wiedergegeben ohne die Hervorhebung im Original.)

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Wesentlich diese Auffassung mag es gewesen sein, die Lévi-Strauss zu einem späteren Zeitpunkt in Erwägung ziehen ließ, daß „auch die Identität ihre Unschärferelationen hat“289.

Die Erörterung der Normativitätsproblematik hat die bisherigen Analysen in einen weiteren Rahmen gestellt und bietet dadurch Anlaß für wichtige Ergänzungen. – Addendum 1: Der Nachweis prinzipieller Erhaltungsfähigkeit von Kultur/en entspricht, zurückprojiziert auf den bisherigen Argumentationsgang, dem Nachweis einer nur notwendigen Bedingung im Umsetzungsprozeß, bei dem stehenzubleiben als unbefriedigend empfunden werden muß. Denn es ist auf dem Wege einer Verständigung über die entsprechenden Ablaufmechanismen nicht an dem Sachverhalt vorbeizukommen, daß Werte (in diesem Falle die Originalität einer Kultur resp. die Verschiedenheit der Kulturen)290 erst über situationsbezogene Normen verhaltenswirksam werden.291 In (aus der zurückliegenden Argumentation) rekonstruierbaren Formeln wie ‚Vermeidung von Stagnation und Entropie bzw. Desintegration‘ oder ‚den phasenspezifischen Erfordernissen angemessene Grenzregulierung‘ aber fehlt dieser situative Bezug. Beide Spezifikationen bringen zwar die Problematik des richtigen Zeitpunkts zum Ausdruck, jedoch erweisen sie sich als unzureichend, um diesbezüglich auch diskriminieren zu können; die jeweilige Bestimmung des richtigen Zeitpunkts bleibt somit virulent. Analog verhält es sich bei der Auszeichnung der Erinnerung: Mit Lévi-Strauss repräsentieren Kulturen ‚Wertsysteme‘292, deren dynamische Erneuerung gerade auch im Rückgriff auf jene Ressourcen, die der eigene Fundus bereithält, erfolgt.293 Mit ihm entspricht es der ‚Pflicht‘294 einer jeden Kultur bzw. „eines jeden ___________ b: Nebenbei bemerkt, mag dieses Zitat jene Scheinwidersprüchlichkeit im Artikel Kohls (1988) beseitigen helfen, die daher rührt, daß dieser, um seine (primäre) These von der Resistenzkraft von Lokalkulturen zu untermauern, die Sprache zwangsläufig auch auf deren Flexibilität und Wandel bringen muß. (Mögliche Verwirrung mit Blick auf den erklärten Titel entsteht, weil der Autor beide Aspekte nebeneinander verhandelt, anstatt sie jeweils – wie dies Lévi-Strauss tut – aufeinander zu beziehen.) 289 IDdt: 9 / IDfrz: 11; keine Hervorhebungen im Original. 290 Vgl. dazu BF: 54 / RE: 50: Kultur bezeichnet „eine Vielzahl von besonderen, nicht übertragbaren Lebensstilen, die eher in Gestalt konkreter Produktionen – Techniken, Sitten, Bräuchen, Institutionen, Glaubensinhalten – denn potentieller Fähigkeiten erfaßbar sind und beobachtbaren Werten entsprechen […]“. 291 Analog Peuckert (1998: 435). 292 BF: 14 / RE: 15. Siehe hier außerdem Eribondt: 217 und 223 / Eribonfrz: 207 und 212. 293 Siehe BF: 14 / RE: 15. 294 StAII: 68 / AStII: 68.

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Volkes“295, „seine Vergangenheit zu bewahren“296; „[k]eines darf sie versinken lassen, bevor es sich nicht ihrer Originalität und ihres Werts voll bewußt geworden ist und sie im Gedächtnis verzeichnet hat“297. – Lévi-Strauss stößt, wie sich daran insgesamt zeigt, weder im einen noch im anderen Fall bis zu den hinreichenden Bedingungen vor; denn vorgebracht werden beide Male nur relativ allgemeine Handlungsdirektiven, Anweisungen eher appellativen Charakters, die ihrerseits nochmals instruktionsgebunden bleiben. – Addendum 2: Lévi-Strauss’ Argumentation zufolge trägt jede Kultur dadurch zur Erhaltung der Verschiedenheit der Kulturen (und in diesem Sinne: zur „Weltzivilisation“) bei, daß sie ihre Originalität bewahrt.298 Es allein bei einem solchen Verständnis bewenden zu lassen, wäre jedoch insofern verkürzt und unangemessen, als das Konservierungspostulat auch Probleme höherer Ordnung generiert. Der von Lévi-Strauss den ‚internationalen Institutionen‘299 zugemessene Stellenwert300 macht zumindest deutlich, daß im Hinblick auf eine langfristige kulturelle Entwicklung auch Bedarf für Leistungen gesehen wird, welche das Aufgabenprofil der einzelnen Kulturen übersteigen.301 Gefordert – nach Lévi-Strauss – ist in diesem Zusammen___________ 295

StAII: 68 / AStII: 68. Ebd. / Ebd. 297 a: Ebd. / Ebd. b: Angesichts der damit thematisch angeschnittenen potentiellen Zeitgemäßheit des Unzeitgemäßen mag hier ein Querverweis auf Nietzsches ‚Unzeitgemäße Betrachtungen II: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben‘ angebracht erscheinen. Vgl. Nietzsche (Unzeitgemäße Betrachtungen II / 1874). 298 Vgl. StAII: 402 / AStII: 417. 299 Ebd.: 405 / Ebd.: 420. 300 Vgl. hier: Die Argumentation entstammt einer Studie mit dem Titel ‚Rasse und Geschichte‘, die als Auftragsarbeit für die UNESCO entstanden ist (siehe dazu DC: 1189 und 1190; Benoistdt: 236 / Benoistfrz: 1; BF: 12 und 42 / RE: 13 und 39 sowie Eribondt: 128 und 214 / Eribonfrz: 122 und 204). 301 Dahinter nun jedoch eine Relation von Mikrosystemen (von einzelnen Kulturen) zu einem Makrosystem (einer „Weltzivilisation“ bzw. deren institutionalisierten Korrelaten) zu vermuten und zu versuchen, das Potential der dieser Relation anhängigen Implikationen zu entfalten, würde dem beschriebenen Sachverhalt nicht gerecht. Denn der Begriff ‚Weltzivilisation‘ wird von Lévi-Strauss wie folgt bestimmt: „Es ist keine von allen anderen unterschiedene Zivilisation, die den gleichen Realitätskoeffizienten aufweist. Wenn wir von Weltzivilisation sprechen, so bezeichnen wir damit nicht eine Epoche oder Menschengruppe: wir verwenden einen abstrakten Begriff, dem wir einen entweder moralischen oder logischen Wert beimessen: einen moralischen Wert, wenn wir den vorhandenen Gesellschaften damit ein Ziel weisen, einen logischen Wert, wenn wir die durch Analyse erkennbaren gemeinsamen Elemente der verschiedenen Kulturen mit einer Vokabel bezeichnen wollen. In beiden Fällen muß man sich darüber im klaren sein, daß der Begriff ‚Weltzivilisation‘ sehr dürftig und schematisch ist und daß sein intellektueller und affektiver Inhalt keine große Dichte aufweist.“ (StAII: 401 f. / AStII: 416 f.) Tatsächlich muß er also als „eine Art Grenzbegriff“ (ebd.: 402 / ebd.: 417) angesehen werden, als etwas, das es „in dem absoluten Sinn […], den dieser Ausdruck oft 296

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hang eine ‚dynamische Haltung‘302, die nicht nur in der Vorwegnahme des Noch-nicht-Zeitgemäßen und dessen Wegbereitung besteht303, sondern gleichermaßen in der Beseitigung des Nicht-mehr-Zeitgemäßen304. Darüber hinaus, aber nicht zuletzt eignete solcher Haltung ein Wissen darum, daß die Herausbildung neuer Anpassungsformen „voller Überraschungen, Brüche und Skandale“305 ist.306 – Auch die den internationalen Institutionen zugewiesene Aufgabe eines richtigen Gespürs für die Zeichen der Zeit aber bleibt damit eine in allen Aspekten verhältnismäßig vage Verhaltensspezifikation, ein erneutes bloßes Anheben vom Allgemeinen zum Konkreten. Abschließend für beide Ergänzungen wäre daher festzustellen: Der Entscheidung für eine Erhaltung der Verschiedenheit der Kulturen erwachsen zwar ___________ hat“ (ebd. / ebd.), weder gibt noch geben kann (vgl. ebd. / ebd.). [Aufgehoben ist diese Überzeugung auch dort, wo Lévi-Strauss formuliert, daß „der Mensch seine Natur nicht in einer abstrakten Menschheit realisiert, sondern in traditionellen Kulturen […]“ (ebd.: 371 / ebd.: 385). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hallpike (1979 / [1986] 1990: 572).] – Als mehr virtueller denn konkreter Bezugspunkt entzieht der Begriff ‚Weltzivilisation‘ daher einer Unterscheidung von Ebenen im Sinne von Systemebenen und deren Anordnung die konzeptuelle Grundlage. [Daß die Erörterung solcher Systemkonfigurationen indessen dort, wo die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, sehr aufschlußreich sein kann, demonstriert beispielsweise auf dem Gebiet der Biologie der Vortrag von P. A. Weiss (1969 / 1970). Weiss war es auch, der 1924 als erster den Begriff des ‚Systems‘ in die Biologie einführte (nach einer Anmerkung von Bertalanffy in Weiss (ebd.: 64)).] 302 StAII: 407 / AStII: 422. 303 Es geht darum, „was sein will, vorauszusehen, zu verstehen und zu fördern“ (ebd.: 407 / ebd.: 422). „Man muß […] das Gras wachsen hören, verborgene Möglichkeiten fördern, alle Berufungen zu gemeinsamem Leben, die die Geschichte parat hält, erwecken […].“ (Ebd.: 406 / Ebd.: 421.) 304 a: Es kann also nicht darum gehen, „lokale Traditionen zu hätscheln und vergangenen Zeiten noch eine Frist zu gewähren“ (ebd.: 406 / ebd.: 421). Stattdessen haben die überstaatlichen Einrichtungen dazu beizutragen, „daß die toten Unterschiede, die wertlosen Rückstände von Arten der Zusammenarbeit, deren Vorhandensein im Zustand verfaulter Rudimente eine ständige Infektionsgefahr für den internationalen Körper darstellt, so wenig schmerzhaft und gefährlich wie möglich absterben. Sie müssen beschneiden, notfalls amputieren und das Entstehen anderer Anpassungsformen fördern“ (ebd.: 405 f. / ebd.: 420 f.). [Es handelt sich wohlgemerkt – ich weise eigens darauf hin – bei der hier gewählten Begrifflichkeit um die Sprache Lévi-Strauss’.] b: Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lenk (1979: 598 f.); außerdem L. L. CavalliSforza (1996 / 1999: 191 f.). 305 StAII: 406 / AStII: 421. 306 Aus diesem Wissen heraus müßte man dann auch dazu bereit sein, „ohne Überraschung, Abscheu und Empörung ins Auge zu fassen, was alle jene neuen sozialen Ausdrucksformen unweigerlich an Ungewohntem aufweisen werden“ (ebd.: 406 / ebd.: 421). – Man beachte in diesem Kontext zudem Lévi-Strauss’ Einführung des Begriffs ‚Toleranz‘: „Toleranz ist keine kontemplative Einstellung, die dem, was war oder ist, mit Nachsicht begegnet.“ (Ebd.: 406 f. / Ebd.: 422); siehe zur Verwendung des Toleranzbegriffs auch BF: 48 / RE: 44.

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auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Aufgaben. Zum Thema ‚Die Verschiedenheit der Kulturen als normative Größe‘ jedoch ist im Rahmen der Lévi-Strauss’schen Überlegungen über das Fundament und die Symbole eines (erst) auszuarbeitenden Programms nicht hinauszugelangen.

ee) Legitimation und Grenzen kultureller Auto- und Heterostereotype Bezeichnet die Verschiedenheit der Kulturen einen Wert, dessen Erhaltung Maßstab verantwortlichen Handelns sein soll307, so besteht Anlaß, auch nach den Friktionen zu fragen, die einer erhaltungsorientierten Praxis entstehen. 308 Mit speziellem Hinblick auf den noch bevorstehenden Transfer von Ergebnissen ist allerdings darauf hinzuweisen, daß den Gegenstand des Interesses primär weniger die bereits unter dem zweiten Nachtrag (bzw. dort auf der Ebene der internationalen Institutionen)309 angeklungenen Bedeutungsgehalte bilden; primär in Erfahrung zu bringen ist vielmehr, was sich damit auf der Ebene der einzelnen Kulturen verbindet. Unter dem Aspekt der Ausbildung, Bewahrung und Erneuerung kultureller Identität gerät die fallweise Regulierung des Durchlässigkeitsgrades zu einer transitiven Spezifikation. Damit ist bedeutet: Die Grenze ist die Instanz, vermittels derer die kontingenten Ereignisse von Systemseite aus eine sozusagen performative Bewertung erfahren. So betrachtet hat der ambivalente Charakter der Grenze310 seine Entsprechung in der Art von Bewertungen, mit anderen Worten: in der Auf-, Ab- oder Entwertung des anderen im interkulturellen Kommunikationsprozeß (was wiederum indirekt heißt: in der Art dessen zugelassener Präsenz).311 ___________ 307

Lévi-Strauss spricht in diesem Zusammenhang – und an die Adresse der internationalen Institutionen gerichtet – von ‚Verantwortung‘ (siehe StAII: 405 / AStII: 420). 308 Bei Lévi-Strauss ist deutlich die Rede von einem zu entrichtenden ‚Preis‘ (siehe BF: 14 / RE: 15 sowie Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207). 309 Siehe oben, Seite 306 f. (einschließlich der entsprechenden Fußnoten). 310 Vgl. nochmals Seite 302, vor Fußnotennummer 278. 311 Am Beispiel sogenannter primitiver Ethnien illustriert Lévi-Strauss derartige Bewertungsvorgänge. Den Vorgang der Ab- bzw. Entwertung betreffend vgl. StAII: 369 f. / AStII: 384: „Die Menschheit endet an den Grenzen des Stammes, der Sprachgruppe, manchmal sogar des Dorfes, so daß eine große Zahl sogenannter primitiver Völker sich selbst einen Namen gibt, der ‚die Menschen‘ bedeutet (oder manchmal – mit etwas mehr Zurückhaltung – ‚die Guten‘, ‚die Hervorragenden‘, ‚die Vollendeten‘), was gleichzeitig einschließt, daß die anderen Stämme, Gruppen oder Dörfer keinen Anteil an den guten Eigenschaften – oder sogar an der Natur – des Menschen haben, sondern höchstens aus ‚Schlechten‘, ‚Bösen‘, ‚Erdaffen‘ oder ‚Läuseeiern‘ bestehen. Manchmal spricht man den Fremden sogar noch jene letzte Stufe an Realität ab, indem man sie als ‚Fantome‘ oder ‚Erscheinungen‘ ansieht.“ (Siehe dazu ebenso BF: 95 / RE: 85, Spiegeldt: 97 sowie

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Lévi-Strauss’ Position ist nun, daß dieses (an den Erfordernissen des Systemerhalts und weniger an der Triftigkeit des Arguments orientierte) Urteilsverhalten als solches – eingeschlossen gerade auch die Vorgänge der Ab- und Entwertung – nicht nur kulturuniversell312, sondern darüber hinaus zunächst auch völlig ‚normal‘313, ‚sogar legitim‘314, ‚jedenfalls unvermeidlich‘315 ist, mithin eine durchaus ‚gesunde‘316 und also keineswegs ‚pathologische‘317 Disposition darstellt: „Es ist durchaus nicht sträflich, eine bestimmte Art zu leben und zu denken über alle anderen zu stellen318 und sich von denen oder jenen wenig angezogen zu fühlen, deren Lebensweise, an sich achtbar, sich weitgehend von der entfernt, der man durch Tradition verhaftet ist. Diese relative Unansprechbarkeit ermächtigt zwar nicht dazu, die abgelehnten Werte oder ihre Repräsentanten zu unterdrücken oder zu Grunde zu richten319; sie hat aber, in ihren Grenzen gehalten, nichts Empörendes an sich.“320

___________ BF: 26 f. und 53 / RE: 26 und 49. Siehe hier außerdem – unabhängig von Lévi-Strauss – noch Kohl 1979: 124 f.) Den Vorgang der Aufwertung betreffend vgl. BF: 27 / RE: 26: „Man kennt jedoch auch eine andere Einstellung, die der vorhergehenden eher komplementär ist, als daß sie ihr widerspräche, und derzufolge der Fremde den Reiz der Exotik genießt und die in und mit seiner Gegenwart gebotene Möglichkeit verkörpert, die sozialen Bande zu erweitern. Bei einer Familie zu Besuch, wählt man gerade ihn und seinen Namen, um ihn einem Neugeborenen zu verleihen, und auch die ehelichen Verbindungen sind um so wertvoller, wenn sie mit weit entfernt lebenden Gruppen geschlossen werden.“ [Vgl. zu prinzipiell analogen Bewertungsvorgängen aus sozialpsychologischtherapeutischer Warte die Arbeit von Watzlawick / Beavin / Jackson (1967 / [1969] 10 2000) – dort freilich im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Störung bzw. Pathologie.] 312 Man begegnet derselben Einstellung – mit den entsprechenden Abwandlungen – auch in der Antike (siehe StAII: 369 / AStII: 383 sowie BF: 53 / RE: 49) bzw. in der westlichen Zivilisation (siehe StAII: 369 / AStII: 383). Als Beleg für die Universalität mag auch die diesbezüglich unspezifizierte Redeweise in Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207 (vgl.: ‚die Kulturen‘ bzw. ‚Kulturen‘) gelten. 313 Vgl. BF: 13 / RE: 15. 314 Vgl. ebd. / ebd. 315 Vgl. ebd. / ebd. 316 Vgl. Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207. 317 Vgl. ebd. / ebd. 318 Siehe hier auch MB: 32 / MM: 20: „Damit eine Kultur eine wirkliche Identität haben und etwas schaffen kann, müssen sie und ihre Angehörigen sich der eigenen Originalität, in gewissem Maße sogar der eigenen Überlegenheit über andere gewiß sein.“ (Keine Hervorhebung im Original.) 319 Es ist klar, daß zu der darin zum Ausdruck gelangenden Haltung (nimmt sie ihren Bezug auf einzelne Vertreter) ein jede systemtheoretische Argumentation wesentlich übersteigendes Entscheidungsmoment hinzukommen muß: ist sie zumindest mit deren gegenüber dem individuellen Kasus indifferenten Parametern nicht abzusichern. 320 a: BF: 14 / RE: 15. Ähnlich äußert sich Hallpike (1979 / [1986] 1990: 572). [Jaspers’ Forderung demgegenüber bestünde darin, „in die echte Kommunikation des Heterogenen zu treten“ ([1931] [51932] (9)1999: 74).]

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Mehr erläuternd führt Lévi-Strauss an anderer Stelle aus: „Zweifellos wiegen wir uns in dem Traum, daß eines Tages Gleichheit und Brüderlichkeit unter den Menschen herrschen werden, ohne daß ihre Verschiedenheit gefährdet ist. Aber wenn die Menschheit sich nicht damit abfinden will, zum bloßen sterilen Verbraucher der Werte zu werden, die sie einzig in der Vergangenheit hat hervorbringen können, nur noch fähig, bastardhafte Werke, plumpen und läppischen Tand zutage zu fördern, wird sie wieder lernen müssen, daß jede wirkliche Schöpfung eine gewisse Taubheit gegenüber dem Reiz anderer Werte voraussetzt, die bis zu ihrer Ablehnung, ja sogar Negation gehen kann. Denn man kann sich nicht gleichzeitig im Genuß des Anderen verlieren, sich mit ihm identifizieren und sich doch in seiner Verschiedenheit erhalten.“321

___________ b: Beanstandet wird von Lévi-Strauss daher auch jener „sprachliche[.] Mißbrauch, mit dem man mehr und mehr dazu übergeht, Rassismus im strengen Sinne und [um es an dieser Stelle zu wiederholen; (H.M.S.)] normale, sogar legitime, jedenfalls unvermeidliche Einstellungen miteinander zu verquicken“ (BF: 13 / RE: 15); siehe besonders hier auch Finkielkraut (1987 / 1989: 90 ff.). [Vgl. zur definitorischen Bestimmung des Rassismus im Sinne einer Abgrenzung BF: 13 f. / RE: 15; keine Hervorhebung im Original: „Der Rassismus ist eine Doktrin, die in den intellektuellen und moralischen Merkmalen, die einem Komplex von Individuen zugeschrieben werden (wie immer man diesen Komplex definiert), die zwangsläufige Auswirkung eines gemeinsamen genetischen Erbgutes zu sehen behauptet.“ Vgl. dazu vor allem noch Eribondt: 218 f. / Eribonfrz: 208; keine Hervorhebungen im Original: „[…] was ist der Rassismus? Eine genau umrissene Doktrin, die sich in vier Punkten zusammenfassen läßt. 1. Es besteht eine Korrelation zwischen dem genetischen Erbteil einerseits und den intellektuellen Fähigkeiten und sittlichen Dispositionen andererseits. 2. Dieses genetische Erbteil, von dem jene Fähigkeiten und Dispositionen abhängen, ist allen Mitgliedern bestimmter menschlicher Gruppierungen gemeinsam. 3. Diese ‚Rassen‘ genannten Gruppierungen lassen sich im Verhältnis zur Qualität ihres genetischen Erbteils hierarchisch gliedern. 4. Diese Unterschiede ermächtigen die sogenannten überlegenen ‚Rassen‘, die anderen zu befehligen, auszubeuten und eventuell sogar zu vernichten.“] 321 a: BF: 51 / RE: 47. b: Vor dem globalen Migrationshintergrund bestünde die Implikation dieser LéviStrauss’schen Position darin, Zuwanderern (den aufrichtigen Willen zur Eingliederung jeweils beidseitig vorausgesetzt) Integrationsleistungen abzuverlangen. [Die im speziellen Umfeld des Migrationsthemas existierenden jeweiligen Probleme – Folgelasten entsprechender Regulierungsversäumnisse einerseits, Unmöglichkeit exakter Lokalisierung von Konfliktgenesen bei Angehörigen besonders der zweiten und dritten Migrantengeneration andererseits – lassen sich im momentanen Kontext nicht mehr als andeuten.] c: Die Denkfigur, daß Selektivität zuerst einmal eine Bedingung von Produktivität darstellt, sieht W. Welsch ([1995] 42000: 675) nicht nur in den kulturtheoretischen Reflexionen Lévi-Strauss’, sondern auch im (in strengerem Sinne) philosophischen Denken aufgehoben: so im Denken Goodmans (1978 / 1984: 36) bzw. – vordem – im Denken Nietzsches (Unzeitgemäße Betrachtungen II / 1874: 251). Der entsprechende Passus aus W. Welsch ([1995] 42000: 675) sei hier wie folgt zitiert: „Nietzsche, der mit den Bedingungen von Produktivität besonders vertraut war, wies darauf hin, daß Produktivität generell Horizontziehung verlangt: ‚[…] jedes Lebendige kann nur innerhalb eines Horizontes gesund, stark und fruchtbar werden.‘ Es kommt darauf an, den Horizont auf das Vermögen der eigenen ‚plastischen Kraft‘ einzuschränken. Zu diesem Zweck muß man ‚genau wissen, wie gross die plastische Kraft eines Menschen, eines Volkes, einer Cultur ist, ich meine jene Kraft, aus sich heraus eigenartig zu wachsen, Vergangenes und

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Würde der umstrittene Begriff der sogenannten ‚Leitkultur‘322 speziell vor dem Hintergrund dieses Zitates (einschließlich seines im Zuge der laufenden Argumentation aufgebauten theoretischen „Settings“ und mithin nicht als Singularetantum) Verwendung finden, so hätte ich innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurszusammenhangs kein Problem damit.323 Wenig geeignet, um nicht zu sagen kontraproduktiv scheint mir die Verwendung des Begriffs dagegen in der öffentlichen Diskussion zu sein, dort, wo er als Bestandteil politischen oder journalistischen Sprachgebrauchs sich zu erkennen gibt. Teils aufgrund mangelnden Sachverstands, teils aufgrund unzureichender Explikationszeiten324 erweist sich der Begriff in diesen Kontexten als eher dazu angetan, Verwirrung zu stiften und auf seiten seiner Befürworter wie Gegner gleichermaßen fragliche Bedürfnisse zu bedienen, statt einen veritablen Beitrag in der Sache (heißt hier: zur Entschärfung von Problemen) zu leisten.325 – Ein analoges Begleiterscheinungsprofil dürfte für den öffentlich-schlagwortartigen Umgang mit dem Begriff der sogenannten ‚Multikultur‘ gezeichnet werden.

Die eigentliche Problematik – insoferne soeben noch von ‚Grenzen‘ die Rede war326 – tritt in der Konsequenz erst dort zutage, wo diese Bewertungen in einer Art und Weise durchgeführt werden, die nicht mehr nur der Ausbildung, Bewahrung oder Erneuerung einer jeweils eigenen, originären Synthese dienen, sondern wo dieses prinzipiell legitime Unterfangen den unter Systemerhaltungsgesichtspunkten nicht erforderlichen Preis (der Unterdrückung oder Vernichtung einzelner Angehöriger einer anderen kulturellen Gruppierung bzw. – was hier die höhere Aufmerksamkeit verdient –)327 der Zerstörung der Funkti___________ Fremdes umzubilden und einzuverleiben, Wunden auszuheilen, Verlorenes zu ersetzen, zerbrochene Formen aus sich nachzuformen‘ […]. – Ähnlich sagt Nelson Goodman: ‚Die Bereitschaft, alternative Welten anzuerkennen, kann zwar befreiend sein und Hinweise auf neue Forschungswege geben, aber wem alle Welten gleich willkommen sind, wird keine erbauen.‘ […]“ d: Nicht fehlen sollte – zuletzt an dieser Stelle – ein Hinweis auf Simmel ([1908] 5 1968), der den „prinzipielle[n] Zusammenhang der Kollektivität mit der Feindseligkeit“ (ebd.: 245; keine Hervorhebung im Original) in seiner klassisch soziologischen Untersuchung über den Streit herausgearbeitet hat (vgl. ebd.: 186-255). 322 Zurück geht er vermutlich auf Bassam Tibi (ursprüngliche Verwendung 1997 bei den Frankfurter Römerberggesprächen; präzisiert in ders. 1998); vgl. für die Information Wagner (2003: 218). 323 Obgleich – um in dieser Hinsicht keinen Zweifel aufkommen zu lassen – ich nicht der Auffassung bin, eine wissenschaftliche Debatte hätte der Kreation und Rezeption eines solchen Begriffes je bedurft. – Indessen ist der Begriff dort eingeführt und kursiert. Lediglich diesem Umstand also verdankt sich und lediglich bei entsprechender Konzession verantwortete ich auch meine Positionsnahme. 324 Sei es, daß der betreffende Nutzer sie sich nicht nimmt, sei es, daß sie diesem nicht zugebilligt werden. 325 Eine stets drohende Gefahr sehe ich vor allem in den ‚haltlosen Idealisierungen‘ (vgl. Holenstein 1989: 243), zu denen der Begriff geradezu einlädt. 326 Siehe das Zitat auf Seite 309. 327 Der in Klammern stehende Satzabschnitt ist selbstverständlich nicht dahingehend aufzufassen, als wäre der Extremfall einer physischen Liquidation einzelner recht und

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

onsfähigkeit anderer Wertsysteme (= Kulturen) hat. Unter dem Primat der Systemerhaltung ist gerade damit der Punkt erreicht, an dem Vorurteile (wie freilich umgekehrt auch deren Toleranz) ihre legitime Funktion verlieren. Denn wo fremde Kulturen als Bedingungen der Möglichkeit doch gerade auch eigener Wertschöpfungen328 unumkehrbar verschwinden, wird jedem hegemonialen Streben auf kurz oder lang automatisch der Boden auch der dahinter stehenden eigenen Existenz entzogen. – Wenn nun demgegenüber hypertrophierte Bewertungsvorgänge nichtsdestoweniger zu den faktischen Vorkommnissen zählen329, so zeigt dies nur an, daß das Prinzip der Kokonstitution und der Koevolution330 niemals per se schon Sicherungsmechanismus sein kann; denn jenes benennt allein eine elementare Voraussetzung für die Operabilität eines offenes Systems, beschreibt also nicht bereits seine an die Norm der Selbsterhaltung (die in diesem Falle – konzeptuell bedingt – mit der Norm der Fremderhaltung und damit Phänomenvielfalt identisch wird331) gekoppelte Internalisierung.

ff) Der terminale teleologische Komplex: Die Verschiedenheit der Kulturen in ihrer Bedeutung für den Fortbestand jeder einzelnen Kultur wie für das Überleben der Menschheit im ganzen Die Entschlossenheit, mit der Lévi-Strauss für eine Erhaltung der Verschiedenheit der Kulturen votiert, wird nochmals besser verständlich, wenn gesehen ___________ billig, solange nur die Funktionsfähigkeit des fremden Systems im ganzen gewährleistet bleibt. Mit anderen Worten: Die Ab- bzw. Entwertung des Fremden hat (im Anschluß an Lévi-Strauss) nicht nur Grenzen in der Größenordnung; sie besitzt auch qualitative Schranken. (Für seine Stellungnahme zu entsprechender Gewalt gegen einzelne siehe Eribondt: 222 / Eribonfrz: 211 f.) [Die damit tangierte Problematik betreffend, ist hier gleichwohl nochmals an die Klarstellung unter Fußnote 319 (oben, Seite 309) zu erinnern, welche indirekt besagt: Daß ein Verhalten unter Systemerhaltungsgesichtspunkten nicht geboten erscheint, bedeutet im Umkehrschluß nicht schon, daß davon – immanent gedacht – unter allen Umständen zu abstinieren ist.] Was im gegenwärtigen Kontext das spezifische Augenmerk und damit die Einklammerung im Haupttext auf Seite 311 rechtfertigt, ist – und allein dies sollte mit der betreffenden, parenthetischen Formulierung zum Ausdruck gebracht sein – die den Argumentationsschwerpunkt bzw. den Rahmen bildende Thematik der Rehabilitation als eben einer Rehabilitation von Kulturen bzw. Ethnien (nicht einzelner Personen). [Vgl. zuletzt dazu auch nochmals die Festlegung des primären Interesses im einleitenden Textabschnitt unter Gliederungspunkt ee) auf Seite 308.] 328 … – so die notwendige Implikation der übernommenen Prämissen – … 329 Diese Auffassung bildet eine zentrale Grundlage meiner Argumentation in Strehler (2001). Anknüpfend daran sei hier außerdem verwiesen auf Waldmann (2003: 232 f.). 330 Siehe nochmals das zweite Zitat auf Seite 282. 331 Unter den Prämissen einer offenen Systemkonzeption bedürfte es – so gesehen – keines Altruismus.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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wird, was dieses Ziel seines Bestrebens insgesamt, das heißt sowohl im Rahmen der so weit angestellten Betrachtungen, als auch jenseits dessen in einem erweiterten Kontext leistet. Lévi-Strauss’ sprachliche Wendung von der ‚Verschiedenheit der Kulturen‘ steht – vorneweg und in Abgleichung mit den vorauslaufenden Überlegungen gesagt – für eine plurale Gegebenheit von (hinsichtlich ihrer Genese bereits plural332 und nicht zuletzt deshalb in sich differenziert verfaßten) originären Synthesen, für eine Vielfalt von (nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, also im Leben der Mitglieder einer jeweiligen Kultur sich manifestierenden) Wertsystemen. In solcher Spezifikation repräsentiert besagte sprachliche Wendung nicht nur eine kardinale Bedingung für den Fortbestand jeder einzelnen Kultur (insofern der maßvolle Austausch von jeweils Unterschiedlichem Stagnationen333 am wirksamsten vorzubeugen vermag);334 sondern in solcher Spezifikation repräsentiert besagte sprachliche Wendung ferner eine kardinale Bedingung, um der gesamten Menschheit im Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen der Gegenwart ein höchstmögliches Maß an responsiver335 Flexibilität (als der Voraussetzung wiederum deren Fortbestands) zu bewahren.336 In Analogie zu den Gegebenheiten im Bereich der biologischen Evolution337 ___________ 332 Vgl. nochmals Seite 282 f., Fußnote 168 sowie Seite 298 f., den Text vor Fußnotennummer 267 bzw. Fußnote 267. 333 Stagnation (wohlgemerkt) bedeutet stets: Stagnation unter den Konditionen einer sich fortlaufend verändernden Welt. 334 Vgl. für dieses Ergebnis nochmals die (unter ‚Erstens‘ entwickelte) Argumentation auf Seite 298 f. 335 Wie ich dies in einem den kommunikations-, system- sowie spieltheoretischen Positionen Lévi-Strauss’ gemäßen (zugleich damit aber auch der Auffassungsweise B. Waldenfels’ gegenüber engeren) Sinne (analog Seite 248, Fußnote 50) definieren möchte. 336 Wertsysteme mögen sich – um dies keinesfalls zu unterschlagen – über den physischen, spirituellen, ästhetischen und moralischen Komfort bekunden, den sie dem konkreten Leben bieten. [Lévi-Strauss hat diesen Aspekt vor Augen, wo er von der Beziehung zu all dem spricht, was uns traditionsgemäß lieb und wert ist (vgl. Escaffitdt: 282 / Escaffitfr: 9; vgl. entsprechend auch BF: 51 / RE: 47); vgl. hier außerdem Winch (1964: 106).] Dabei nicht übersehen werden aber sollte: Bezeichnete Aspekte (des Komforts) bezeichnen nachgeordnete Phänomene, und dies in dem präzisen Sinn, daß sie ohne die grundsätzliche Existenz verschiedener Wertsysteme schlechterdings nicht zu denken sind. 337 a: Vgl. hierfür etwa E. U. v. Weizsäcker / Lovins / Lovins ([1995] 101997: 255); außerdem Sponsel / Bailey / Headland (1996: 16); auch Leakey / Lewin (1995 / 1996: 152 ff.). b: Eingeführt wird die Analogisierung von biologischer (organischer, genetischer) und kultureller Perspektive – unter Wahrung der jeweils gebotenen Vorbehalte – durch Lévi-Strauss selbst, so im ersten Kapitel von BF / RE mit dem bezeichnenden Titel ‚Rasse und Kultur‘ / ‚Race et culture‘. Vgl. hierzu auch bereits das Zitat auf Seite 298.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

sowie teils wörtlich, teils sinngemäß mit Lévi-Strauss338 ließe sich so auch die Feststellung treffen: Allein einer weltweiten Koalition von Kulturen, deren jede ihre Originalität bewahrt und die untereinander ein denkbares Maximum an Verschiedenheit aufweisen, kann es gelingen, kulturevolutive Experimente optimal zu ermöglichen, die Chance kultureller Neukombinationen bzw. -ansätze optimal zu eröffnen, das Entstehen neuer kultureller Anpassungsformen optimal zu fördern und von daher das Überleben der Menschheit im wirklich umfassenden und bestmöglichen Sinne zu sichern.339 Keinesfalls mithin werden die Unterschiede zwischen den Kulturen, wird deren Verschiedenheit von Lévi-Strauss als etwas Schädliches, als etwas, das es aufzuheben gälte, begriffen.340 Der Auffassung Lévi-Strauss’ zufolge handelt es sich dabei vielmehr – im Gegenteil – um etwas im angeführten Doppelsinne äußerst Fruchtbares.341 Womit aber eben nur gemeint sein kann: Das so Begriffene liegt wesentlich in einem Potential, es besteht wesentlich im Sinne einer Conditio sine qua non, im Sinne einer jedem utilitaristischen oder auch unmittelbar auf rationalistisch-ökonomische Ausmünzbarkeit zielenden Kalkül342 vorgeordneten Bedingung. Exakt die in zurückliegenden Abschnitten herauspräparierten teleologisch-normativen Leitgedanken sind es, die gegenüber den (jedenfalls zu nationalsozialistischer Zeit entstandenen) Arbeiten Mühlmanns343 dann wiederum doch auch eine scharfe, ja die geradezu entscheidende Diskrepanz offenbaren. – Dessen durchaus auf Führung bzw. Beherrschung von als unterlegen ausgemachten fremden Kulturen gerichtete (und darin distanzierungswürdige) Überlegungen betreffend, sei hier im besonderen verwiesen auf die ausführlichen Recherchen Michels.344

___________ 338 Vgl. hierfür vor allem StAII: Kapitel XVIII, 9 (397 ff.) und 10 (403 ff.) / AStII: Chapitre XVIII, 9 (412 ff.) und 10 (418 ff.); außerdem BF: 43; 48-51 / RE: 40; 45-47. 339 a: Um anderes also geht es als um das ‚bloße Überleben‘ (B. Waldenfels 1998: 94; dort mit umgekehrter Hervorhebung). b: Eine entstellende (das biologische Überleben der Menschheit auf inkorrekte Weise thematisch werden lassende) Rezeption erfährt Lévi-Strauss durch Balibar (1988 / [1989] 1990: 29). c: In keinem anderen Zusammenhang im übrigen erfolgt auch Lévi-Strauss’ Erörterung der Fortschrittsproblematik. Vgl. hier vor allem DC: 1190. 340 Vgl. MB: 32 / MM: 20 sowie Escaffitdt: 282 / Escaffitfrz: 9. 341 Vgl. jeweils ebd. / ebd. 342 Wie es etwa faßbar wird an dem Nutzen, den pharmazeutische Firmen aus indigenen Rezepten (vgl. Breidenbach / Zukrigl [1998] 22000: 233) zu ziehen wissen. Vgl. hierzu auch Maybury-Lewis (1992: 47 ff.). 343 Teleologisch-normative Aspekte läßt Mühlmann – soweit ich sehe (und ausgenommen ders. 1951) – in seinen späteren, nach 1945 verfaßten Schriften eher unbesetzt. 344 Vgl. dies. (1989: vor allem 147-162) bzw. (1992: vor allem 85-99).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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3. Auswertung a) Beantwortung der formulierten Fragen Zurückliegender Versuch einer kritisch-konstruktiven Integration LéviStrauss’ kulturwissenschaftlicher Positionen stellt Informationen zur Verfügung, auf deren Grundlage nun auch eine Beantwortung der eingangs dieses Unterkapitels formulierten Fragen345 unternommen werden kann. – Um es der besseren Präsenz halber zu wiederholen: Angezielt war einmal eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Zweck der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ (1); angezielt war ferner eine Antwort auf die Frage nach der grundsätzlichen Beschaffenheit des mit der Rede von der Erhaltung bzw. Bewahrung anvisierten normativen Zustands; womit nichts anderes zum Ausdruck gebracht ist als: eine Antwort auf die Frage nach der Form, in der die der Menschheit noch verbliebenen „primitiven“ Kulturen fortzuexistieren gedacht sind (2); und angezielt war schließlich eine Antwort auf die Frage nach den für die Erhaltung bzw. Bewahrung dieser Kulturen (in eben der nach Beschaffenheit resp. Form spezifizierten Weise) erforderlichen Bedingungen (3). Ad (1): Das Ziel der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ kann in dem Maße, wie seine Erreichung Wirklichkeit wird, als ein Beitrag zur Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit gelesen werden. Die Bedeutung wiederum, die dieser weiteren teleologischen Bestimmung zugemessen werden muß, war mit ihrer Verortung innerhalb eines (als solchen ausgemachten) terminalen teleologischen Komplexes abschließend kenntlich geworden: Die Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit dient ihrerseits nicht nur dem Fortbestand jeder einzelnen Kultur, sondern auch dem Überleben der Menschheit im ganzen – ersteres wie gesagt346 in dem Sinne, daß der maßvolle Austausch von jeweils Unterschiedlichem Stagnationen einzelner Kulturen wirksam vorzubeugen vermag, und letzteres wie gesagt347 in dem Sinne, daß kulturelle Verschiedenheit – verstanden als eine Pluralität originärer Synthesen – der gesamten Menschheit im Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen der Gegenwart (wie Zukunft) ein entsprechendes Maß an responsiver Flexibilität bewahrt. Ad (2): Grundsätzlich bestimmt ist die Beschaffenheit des mit der Rede von der Erhaltung bzw. Bewahrung anvisierten normativen Zustands oder auch die Form, in der die der Menschheit noch verbliebenen, sogenannten Primitivkulturen fortzuexistieren gedacht sind, mit der präskriptiven Spezifikation von Kulturen als offener Systeme, als originärer Synthesen, als unverwechselbarer ___________ 345 346 347

Vgl. erneut oben, Gliederungspunkt V. bzw. Seite 259. Siehe oben, Seite 313, den Text vor Fußnotennummer 334. Siehe oben, Seite 313, den Text vor Fußnotennummer 336.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Wertsysteme. Eine dieser Perspektive gemäße Reifizierung müßte deshalb lauten: Es käme darauf an, daß es gelingt, die betreffenden Kulturen unter den in der Welt von heute waltenden (und dabei stete Anpassung fordernden) Bedingungen als offene Systeme, als originäre Synthesen, als unverwechselbare Wertsysteme – und das meint insgesamt: als kulturell intakte Gebilde – zu erhalten bzw. zu bewahren.348 Ad (3): Im Rahmen der vorangegangenen, auf die Ausbildung, Bewahrung und Erneuerung von Kulturen gerichteten systemtheoretischen Überlegungen erschien der Faktor der wechselseitigen Beziehungen als ein Faktor von vergleichsweise entscheidendem Gewicht. Begreiflich werden konnte in diesem Zusammenhang, daß interkulturelle Kontakte nicht von vornherein eine zerstörerische Wirkung entfalten. Einer systemtheoretischen Konzeption zufolge nimmt diese Auffassung ihren Bezug auch auf sogenannte Primitivkulturen. Dementsprechend kann bzw. sollte die Forderung auch nicht in der kategorischen Unterbindung von Kontakten zu diesen Kulturen bestehen. Entscheidend wird in diesem Zusammenhang vielmehr folgendes Moment: Ob oder inwieweit interkulturelle Kontakte eine für sogenannte Primitivkulturen zerstörerische oder aber produktive Wirkung entfalten, mithin diese Kulturen in der Berührung und im Austausch mit anderen Kulturen als intakte Qualitäten sich erhalten können, ist im wesentlichen abhängig von der Gestaltung dieser Kontakte, das heißt von der Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen zwischen den betreffenden Kulturen. Möglichkeiten der Einflußnahme liegen dabei prinzipiell auf beiden Seiten: auf seiten der sogenannten Primitivkulturen sowohl wie auf seiten der sogenannten „zivilisierten“ Kulturen – ohne daß die zu beiden Seiten verfügbaren Optionen deshalb faktisch schon identisch wären oder überhaupt sein könnten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Möglichkeit gezielter Kontaktaufnahmen (resp. deren Unterlassung)349, an die Möglichkeit eines bewußten Einsatzes des Instruments der Grenze (durch Regulierung von Durchlässigkeitsgraden)350 bzw. an die Möglichkeit einer modalen Gestaltung wechselseitiger Beziehungen (durch Bestimmung deren Extensität, Intensität, Frequenz)351. ___________ 348

Keineswegs geht es also um die Herstellung eines Status quo ante; oder um die Apologie vermeintlicher Paradiese (vgl. hier Breidenbach / Zukrigl [1998] 22000: 167 f.). – Der Rückweg in die Vergangenheit ist unmöglich. (Siehe erneut oben, Seite 303, Fußnote 283.) 349 Vgl. oben, Seite 289, den Text um Fußnotennummer 209. 350 a: Vgl. wiederum oben, Seite 289, den Text um Fußnotennummer 210. b: Was bedeutungsmäßig gleichzusetzen ist mit der performativen Bewertung fremdkultureller Systemelemente bzw. indirekt dann mit der Entscheidung über die jeweils zugelassene Präsenzform fremder Kulturen resp. deren Produktionen im weitesten Sinne. (Siehe oben, Seite 308, den Text vor Fußnotennummer 311.) 351 Vgl. erneut oben, Seite 289, den Text um Fußnotennummer 212.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Wie freilich die eben genannten Möglichkeiten der Einflußnahme durch die jeweiligen Kulturen praktisch zum Einsatz zu bringen sind, bedarf in jedem einzelnen Fall der Abwägung. Unterstützt werden mag der entsprechende gedankliche Prozeß durch eine nachstehend noch vorzunehmende Vergegenwärtigung der problemspezifischen Situation, in der sich sogenannte Primitivkulturen angesichts ihrer Einbettung in ein globales Interdependenzsystem352 befinden. Und unterstützt werden mag der betreffende Abwägungsprozeß ferner durch eine damit zu koordinierende Vergegenwärtigung der problemspezifischen Herausforderung, die sich angesichts der Einbettung sogenannter Primitivkulturen in ein globales Interdependenzsystem stellt. Im bezeichneten Sinne unterstützend wirken kann dieser kombinierte Versuch insofern, als damit zu klarerer Kontur gelangt, daß eine gemeinsame Herausforderung den einzelnen Kulturen jeweils doch unterschiedliche Aufgaben bei der Gestaltung wechselseitiger Beziehungen zuweist. Vorgenommen zu werden vermag er selbstverständlich nur noch – um darauf von Beginn an einzustellen – im reduzierten Rückgriff auf die Lévi-Strauss’schen Materialien.

b) Anhaltspunkte für eine Konkretisierung. Versuch einer Vergegenwärtigung der problemspezifischen Situation und Herausforderung „Die Fortschrittseiferer setzen sich der Gefahr aus – gerade weil sie so wenig Aufhebens davon machen –, die ungeheuren Reichtümer zu verkennen, welche die Menschheit zu beiden Seiten jener schmalen Rille angehäuft hat, auf die allein sie ihre Blicke heften […].“ Claude Lévi-Strauss, Traurige Tropen

aa) Die Auswirkungen zeitgenössischer globaler Veränderungen auf sogenannte Primitivkulturen. Zu den Voraussetzungen ihrer angemessenen Bewertung Daß die sogenannten Primitivkulturen von anderen Zivilisationskreisen nicht (oder noch nicht) absorbiert wurden, verdankt sich zu einem gut Teil der ‚Resistenzkraft‘353, die sie bis dato gegenüber historischen Veränderungen – auch und gerade unter den Vorzeichen deren gewandelter Dynamik und Erstreckung – zu mobilisieren vermochten. Die Auffassung von einer ‚hoffnungslosen ___________ 352

Vgl. Kohl ([1993] 22000: 97). Vgl. zum Begriff Mühlmann (1962 a: 351), (1962 b: 182) sowie (1964: 66); außerdem, später dann, Kohl ([1993] 22000: 97). 353

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Preisgegebenheit‘354 dieser Kulturen an den Prozeß globaler Veränderung ist insofern sicherlich Ausdruck einer Überzeichnung;355 sie steht unter der fehlerhaften „Prämisse einer rapide wachsenden, unaufhaltsamen kulturellen, sozialen und ökonomischen Globalisierung, in deren Verlauf alle lokalen, regionalen und nationalen Besonderheiten von Lebenszusammenhängen überwunden werden“356.

Umgekehrt sollte jedoch auch nicht übersehen werden, daß die vollzogene Einbettung sogenannter Primitivkulturen in das zeitgenössische, globale Interdependenzsystem einer Entwicklung entspricht, die einen durchaus qualitativen Umschlag bedeutet357, und zwar insofern, als sie im Hinblick auf diese Kulturen eigene, bislang ungekannte Gefährdungen birgt.358 Als nicht weniger unangemessen müßte daher in diesem Zusammenhang jedes intellektuelle Bestreben bezeichnet werden, welches die mit dieser Entwicklung einhergehenden Veränderungen hinsichtlich ihrer kritischen Bedeutung für die Fortexistenz besagter Kulturen herunterspielen wollte. Für die laufende Debatte erwiesen sich in jedem Falle beide Einschätzungen als wenig weiterführend: die der Unterschätzung der Resistenzkraft sogenannter Primitivkulturen sowohl wie die deren Überschätzung. Während bei einer Unterschätzung die Gefahr in der Tendenz besteht, gewissermaßen „Hopfen und Malz“ verloren zu sehen, besteht sie bei einer Überschätzung in der Tendenz, den selbstregulierenden Kräften der gegenwärtigen Globalisierung blindlings zu vertrauen. Beide Einstellungen verhindern, daß die der Zeit gemäßen Maßnahmen ergriffen werden. Der Hinderungsgrund liegt in der jeweiligen Einseitigkeit der Betrachtung. Sie verstellt den Blick auf den wahren Kern, welcher beiden Einschätzungen zugrundeliegt: ___________ 354

Vgl. zum Begriff erneut Mühlmann (1962 a: 394). Vgl. hierzu etwa Sponsel / Bailey / Headland (1996: 19; Verweis auf Bodley [1975] 31990: 179-207). Die Autoren halten näherhin fest: „Obwohl viele indigene Gesellschaften wie die Yanomani in Brasilien […] und die Agta auf den Philippinen […] vom Untergang bedroht sind, haben andere den Ethnozid umgangen, indem sie nach einem anfänglichen Bevölkerungsrückgang – als Folge des Kontaktes mit der westlichen Zivilisation – einen erneuten Bevölkerungsanstieg erfuhren, westliche Kultur in Teilen akzeptierten und ihre ethnische Identität wie auch ihre territoriale Integrität aufrechterhielten.“ (Sponsel / Bailey / Headland 1996: 19.) Als erfolgreiche Beispiele im Sinne vor allem der beiden letztgenannten Aspekte führen die Autoren an: die Kayapó in Brasilien, die Shuar in Ecuador, die Ye´kuana in Venezuela und die Kuna in Panama (vgl. ebd.). Vgl. hierzu auch Maybury-Lewis (1992: 247 ff.). 356 Stehr (2003: 251; keine Hervorhebung im Original). 357 Vgl. Kohl ([1993] 22000: 97). 358 Gefährdungen, die bezüglich ihrer Art wie ihres Ausmaßes nicht einfach dem gleichzusetzen sind, was man mit einem früheren Globalisierungsschub (dem Zeitalter der Entdeckungen und der ihm folgenden Kolonialisierung; vgl. Höffe [1999] 2002: 23) in Verbindung bringt. 355

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

319

– Nicht bestritten werden kann, daß sogenannte Primitivkulturen auch in der heutigen Zeit noch existieren (was zumindest im Kontext einer systemtheoretischen Kulturkonzeption zu der Annahme berechtigt, daß diese über Fähigkeiten des Resistierens und Sich-Adaptierens verfügen359); – ebensowenig aber bestritten werden kann, daß sie dies unter gewandelten Bedingungen tun und daß durchaus nicht alle darin reüssieren (womit unwillkürlich anderes sich in den Vordergrund schiebt: die Frage nach den Grenzen dieser Fähigkeiten, die Frage nach den Faktoren, die – unter Umständen oder in jedem Falle – mit bedingen, daß sogenannte Primitivkulturen in der Welt von heute nicht mehr als intakte Größen zu bestehen vermögen). Auf beide Sachverhalte bzw. auf deren jeweils in Parenthese gesetzte Implikationen gälte es Reflexion und Handeln abzustimmen, wenn die Prämisse die ist (was ja – mit Lévi-Strauss – den Fall beschreibt), daß die Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen ein Desiderat darstellt. Das Ergebnis vermag dementsprechend auch nur zu lauten: – Unter der anzusetzenden Prämisse ist es nicht allein schon damit getan zu konzedieren, daß sogenannte Primitivkulturen über Fähigkeiten des Resistierens und Sich-Adaptierens verfügen; – sondern unter der anzusetzenden Prämisse kommt es vielmehr wesentlich darauf an, sichtbar werden zu lassen, wo im einzelnen die Grenzen dieser Fähigkeiten liegen; zu zeigen, welches die entscheidenden Faktoren sind, die – unter Umständen oder in jedem Falle – mit bedingen, daß sogenannte Primitivkulturen in der Welt von heute nicht mehr als intakte Größen zu bestehen vermögen. Sachdienlich im Hinblick darauf erscheint in erster Linie eine Differenzierung zwischen zeitgenössischen externen Einflüssen und zeitgenössischen externen Eingriffen360 bzw. deren jeweilige Erörterung unter dem Aspekt ihrer auf sogenannte Primitivkulturen ausgehenden potentiellen oder realen Gefährdungen.

___________ 359

Außerhalb eines systemtheoretischen Argumentationskontexts besäße diese Annahme den Status eines Postulats: einer denknotwendigen Unterstellung, ohne die von der grundsätzlichen Möglichkeit der Ergreifung zeitgemäßer fremd- bzw. selbsterhaltender Maßnahmen überhaupt nicht ausgegangen werden könnte. 360 Assoziiert werden mag zu dieser Typisierung Lévi-Strauss’ Unterscheidung zwischen ‚schwachen‘ und ‚starken‘ Interaktionen (vgl. oben, Seite 283, den Text um die Fußnotennummern 172 und 171).

320

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

bb) Gefährdungspotentiale und Gefährdungen. Versuch einer Typisierung (1) Zeitgenössische externe Einflüsse. Die „weichen“, schleichenden und kleinen Veränderungen Grundsätzlich ist noch nichts dagegen einzuwenden, wenn etwa Stehr darauf hinweist, daß es „falsch [wäre], lokale Sozialkontexte gegenüber externen Einflüssen als ausschließlich passive Situationen aufzufassen, wie dies die ‚radikal‘ affirmative These von der Globalisierung tun muß“361;

und ebensowenig gibt es schon Anlaß zu grundlegendem Widerspruch, wenn Stehr in unmittelbarem Anschluß fortfährt: „Lokale Situationen leisten nicht nur Widerstand, sondern haben Ressourcen, um importierte kulturelle Praktiken aktiv zu ‚assimilieren‘.“362

Beide Gesichtspunkte lassen sich – abgesehen davon, daß deren Inhalte so neu nicht sind363 – mit den in dieser Untersuchung vorgetragenen systemtheoretischen Überlegungen stimmig verbinden. Was eigentlich erst Stehrs Vortragsweise zu einer im Grunde problematischen macht, ist deren Einseitigkeit, der Umstand, daß seine Erörterung sich über die genannten Gesichtspunkte hinaus nicht auch auf deren Komplementäraspekte erstreckt. Denn tatsächlich läßt Stehrs Akzentsetzung die Auswirkungen externer Einflüsse hinsichtlich ihres bedenklichen Gehalts völlig außerhalb der Betrachtung. Dies gilt auch, ja gerade im Hinblick auf die Lage sogenannter Primitivkulturen: So läßt sich wohl behaupten, daß sogenannte Primitivkulturen bzw. deren lokale Sozialkontexte (wie die aller anderen Kulturen auch) gegenüber externen Einflüssen sich nicht ausschließlich passiv verhalten; und ebenso läßt sich wohl behaupten, daß sogenannte Primitivkulturen bzw. deren lokale Situationen (wie die aller anderen Kulturen auch) Widerstand leisten und Ressourcen haben, um importierte kulturelle Praktiken aktiv zu „assimilieren“. Doch hätte – ohne daß dies den soeben genannten Positionen Abbruch täte – die Wahrnehmung weit mehr noch für den Sachverhalt sensibilisiert zu werden, daß das Verhalten sogenannter Primitivkulturen (wie das aller anderen Kulturen auch) passive Momente durchaus, ja immer auch enthält; außerdem, daß sich das Verhalten sogenannter Primitivkulturen (wie das aller anderen Kulturen auch) keinesfalls immer durch Widerstand kennzeichnen läßt und daß Ressourcen zu aktiver „Assimilation“ von diesen Kulturen (wie von allen anderen Kulturen auch) keinesfalls immer mobilisiert werden; schließlich, daß der Hinweis auf aktive „Assimila___________ 361

Stehr (2003: 253). Ebd. 363 Vgl. etwa betreffs sogenannter Primitivkulturen auch schon die gleichgerichtete Einschätzung Mühlmanns (1964: 35). 362

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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tionen“ im Sinne einer bloßen Feststellung nur mangelhaft hinreicht, insofern hiermit nicht allein das jeweils erzielte Resultat, sondern dieses auch hinsichtlich seiner möglichen Konsequenzen unterbestimmt bleibt. Kaum irgendwo sonst wird die Triftigkeit dieser ergänzenden Gesichtspunkte im Hinblick auf die Lage sogenannter Primitivkulturen so deutlich wie in der ökonomischen Dimension der Globalisierung, am Beispiel der weltweiten Ausbreitung „westlicher“ Konsumgüter. Ein zentrales Bedeutsamkeitsmoment des betreffenden Vorgangs muß darin gesehen werden, daß Konsumgütern der Charakter einer Versuchung eignet; und daß, wo eine Versuchung ist, zumindest die Gefahr besteht, daß diejenigen, für die sie existiert (zwangsläufig zählen dazu auch sogenannte Primitivkulturen), ihr auf kurz oder lang erliegen. – Ehrliche, das heißt nicht nur paradigmenimmanente Bilanzierungen der von einem entsprechenden (einmal so anzunehmenden) Fall dann nicht zu sondernden Nach- und Nebenfolgen indessen finden sich auf Seiten der primären Verursacher kaum. Exemplarisch vermittelt diesen Eindruck das Management von Coca Cola, wenn es betont, „daß es bei Globalisierung nicht darum geht, Fabriken überall in der Welt aufzubauen, sondern darum, Teil der jeweiligen Kultur zu werden“.364

Verschleiert wird mit dieser allgemein en vogue befindlichen Unternehmensstrategie erstens die historisch und bis in die Gegenwart hinein zureichend bekannte Beobachtung, daß sich mit der aktiven „Assimilation“ von „Kulturimporten“ dort, wo man sie als gelungen bezeichnen mag, nicht eben selten ein Verdrängungsprozeß verbindet, sich also dieser Vorgang zu Lasten eines altbewährten Vorhandenen vollzieht (im Falle des angeführten Beispiels gemeint ist damit die weltweite, faktische Verdrängung lokaler Getränke durch CocaCola365). Besagte Unternehmensstrategie verschleiert zweitens, daß die Auswirkungen von Verdrängungsprozessen adäquat stets nur vor dem Hintergrund des Diversifikationsgrades eines betreffenden Kulturbestands taxiert zu werden vermögen, wobei der anzulegende Beurteilungsmaßstab lautet: Je bescheidener das gesamte „Inventar“366 einer bestimmten Kultur – und bei sogenannten Pri___________ 364

a: Beck (1997: 86). b: Die plumpere Vorform des darüber zu verstehen gegebenen Bemühens um Umsatzsteigerung bringt eine Äußerung Alfred M. Zeiens, des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Gillette, zum Ausdruck: „Wir haben beschlossen, keine Produkte an Märkte anzupassen, sondern alle Märkte gleich zu behandeln.“ (Ursprünglich zitiert in Uchitelle 1994: C3; hier zitiert nach Barber 1995 / [1996] 2001: 302.) 365 Vgl. E. U. v. Weizsäcker / Lovins / Lovins ([1995] 101997: 321). 366 Zum „Inventar“ einer Kultur zählt wesentlich auch, was Holenstein (1989: 238) die ‚Ideengeschichte‘ nennt, das heißt: jener Traditionsbestand, der sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Technologisierungsgrad des Wortes (oral, chirographisch, typographisch, elektronisch) in höchst unterschiedlichen Formen auszuprägen pflegt und dementsprechend über eine je eigene Originalität verfügt (vgl. hierzu insbesondere Ong

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

mitivkulturen ist es vergleichsweise eher bescheiden –, desto folgenschwerer wiegen Verdrängungsvorgänge. Was besagte Unternehmensstrategie schließlich verschleiert, ist (drittens), daß es sich dabei selten um einmalige, sondern zumeist um in mannigfacher Weise sich ereignende wie auch um sich fortwährend aufs neue abspielende Vorgänge handelt. – Zumindest so viel läßt sich deshalb festhalten: Die Ausbreitung „westlicher“ Konsumgüter erhöht in jedem Falle die Wahrscheinlichkeit, daß in sogenannten Primitivkulturen bislang ungekannte Bedürfnisse und Begehrlichkeiten geweckt werden, daß dort das allgemeine Anspruchsniveau steigt, daß dort generelle Unzufriedenheit mit dem herkömmlich Gegebenen keimt – was wiederum (wenn man so will) sich in der ‚Glücksbilanz‘367 negativ niederschlägt.368 Und sie erhöht schließlich die Wahrscheinlichkeit, daß die jeweilige Kultur nicht nur auf der Ebene der Gemüts-, sondern auch auf der Ebene der Geistesverfassung sich selbst entfremdet wird. Von einem Eintreten dieses Falls soll dann die Rede sein, wenn außer einem allmählichen Innewerden der Tragweite des in symptomatischer Hinsicht beschriebenen Wandels es auf seiten der Betroffenen auch zu einem bewußten Ergreifen der damit verbundenen „Chancen“ kommt.369 Ein solcher Wandel der Geistesverfassung brächte eine (jedenfalls performative) Entscheidung für ein alternatives Modell des Situiertseins in der Zeit zum Ausdruck. Nicht nur entspräche er einem Wandel dessen, was Lévi-Strauss die ‚subjektive Einstel___________ 1982 / 1987). – Erfaßt ist das „Inventar“ einer Kultur damit gleichwohl nur anteilig; es besteht – wie einerseits der Verweis auf „westliche“ Konsumgüter (Beispiel Coca-Cola), andererseits der Verweis auf tradierte praktisch-pädagogische Fertigkeiten vor Augen führt (letzterer steht im Moment noch aus; vgl. hierfür unten, Seite 339, den Text um Fußnotennummer 445) – selbstverständlich nicht alleine daraus. 367 Vgl. zur Verwendung des Begriffs schon Mühlmann (1938: 226). 368 a: Vgl. hierzu jeweils auch – auf der Grundlage historischer Beispiele (bei gleichwohl unverminderter Aktualität) – Mühlmann (1962 a: 376 f.). b: Obwohl zu all dem seitens sogenannter Primitivkulturen – wie man meinen könnte – nicht ernsthaft Anlaß bestünde. Vgl. speziell zum Zusammenhang von Arbeitsaufwand und Bedürfnisbefriedigung Kohl ([1993] 22000: 86 ff.). Vgl. speziell zum Problem der Glücksbilanz die auch heute noch keineswegs überholte Einschätzung Mühlmanns (1964: 112): „Vom Standpunkte der Anpassung, namentlich der psychischen, also der ‚Glücksbilanz‘, erscheint uns die moderne Zivilisation vergangenen und ‚primitiven‘ Kulturen nicht unbedingt überlegen. Setzt man das Gefühl höchst gesteigerten Lebens einer Gemeinschaft als höchsten Wert, so steht sie sogar zweifellos gegen viele entlegene Kulturen zurück. Diesem höchsten Anpassungsziele ist mit den Wirkungsmöglichkeiten der modernen Technik und Wissenschaft allein sicher nicht näherzukommen. Es bedarf dazu der politischen Ordnung, der Kunst, der Religion und vor allem der philosophischen Besinnung.“ – Letzteres im übrigen scheint auch der Auffassung Russells (1912 / [1967] 91981: 135 f.) zu entsprechen, der – den Wert der Philosophie reflektierend – zu dem Schluß gelangt: „Wenn es allen Menschen gutginge, wenn Armut und Krankheit auf das niedrigste überhaupt mögliche Maß reduziert wären, bliebe noch viel zu tun übrig, um eine Gesellschaft zu schaffen, die Wert hätte.“ Vgl. zur Glücksbilanz sogenannter Primitivkulturen auch Lévi-Strauss in StAII: 361 f. / AStII: 376. 369 Vgl. hierzu vor allem Mühlmann (1962 a: 282 f.).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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lung‘ einer bestimmten Gesellschaft zu ihrer eigenen Geschichte370 nennt; sondern auch implizierte er eine starke Depotenzierung des Prinzips der Vergangenheitstreue im Sinne weitgehend nachahmender Wiederholung.371 Angebracht erscheint an dieser Stelle ein Hinweis darauf, daß Lévi-Strauss’ verstreute Überlegungen um den Geschichtsbegriff an Prägnanz gewinnen, wenn man letzteren – mit Mühlmann – als Äquivokation begreift372 und erstere am damit zur Verfügung stehenden Raster ausrichtet. Außerdem angebracht erscheint an dieser Stelle ein Hinweis auf die von Lévi-Strauss eingeführte Unterscheidung zwischen „kalten“ und „warmen“ Gesellschaften: „[D]ie einen versuchen dank den Institutionen, die sie sich geben, auf gleichsam automatische Weise die Wirkung zu annullieren, die die historischen Faktoren auf ihr Gleichgewicht und ihre Kontinuität haben könnten; und die anderen interiorisieren entschlossen das historische Werden, um es zum Motor ihrer Entwicklung zu machen.“373 Der Satz wurde von mir schon einmal zitiert, und zwar im Zusammenhang mit der Thematisierung der von Lévi-Strauss aus der Linguistik übernommenen Unterscheidung zwischen synchronischen und diachronischen Strukturen.374 Als entscheidend im damaligen Kontext erwies sich der Sachverhalt, daß Lévi-Strauss die angeführten Positionen in idealtypischer Weise (als Grenzwerte bzw. empirisch unbesetzte Pole) konzipiert; daß nach seiner Auffassung beide Positionen sich jeweils nicht in Reinform, sondern nach jeweils unterschiedlichen Anteilen gegenüberstehen. Auf dieser Grundlage stellte sich die Beziehung zwischen „Primitiven“ und „Zivilisierten“ folgerichtig dar als ein Gegensatz von Subordinationsverhältnissen, in denen auf der einen Seite die einen, auf der anderen Seite die anderen Anteile das Übergewicht besitzen. – In der Übertragung auf den gegenwärtigen Kontext ließe sich somit feststellen: Die eigentliche Gefahr, in der sich sogenannte Primitivkulturen angesichts der gegenwärtig auf sie wirkenden externen Einflüsse befinden, besteht darin, daß es zu einer Invertierung besagten Subordinationsverhältnisses kommt.

Die positive Beantwortung der Frage, ob eine aktive „Assimilation“ von „Kulturimporten“ fallweise wirklich der Aufrechterhaltung kultureller Identität ___________ 370 Vgl. Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174; daneben Eramodt: 259 / Eramoit: 120; außerdem SG: 69 / HE: 1218. 371 Vgl. hierzu WD: 272 / PS: 312 f.; außerdem auch nochmals meinen ‚Prolog‘, Seite 30 f. (Aspekt 6, Stichwort ‚hohe Überlieferungskonstanz‘). Siehe hier zudem LéviStrauss’ Bestimmung der Konstitutionsprinzipien des „primitiven“ Aufenthalts in der Zeit (‚Anciennität‘ und ‚Kontinuität‘) bzw. dessen Legitimationsalgorithmus („die Alten haben es uns gelehrt“) in WD: 272 f. / PS: 312 f. (Vgl. in diesem Kontext zuletzt auch noch Mühlmann 1936: 95.) 372 Mühlmann (1962 a: 281) unterscheidet: 1. Kulturvariabilität, 2. Historie und historische Fakten, 3. Geschichte und Geschichtlichkeit. 373 a: WD: 270 / PS: 309 f., mit Verweisen auf seine 1961 publizierten Gespräche mit Georges Charbonnier sowie seine 1960 gehaltene Inauguralvorlesung am Collège de France. b: Nicht ausgelassen haben möchte ich hier mit Blick auf die Gesellschaften zweitgenannter „Kategorie“ eine (wenn auch nur) pauschale Erwähnung Rosas (2005). 374 Siehe oben, Seite 107 f., den Text um die Fußnotennummern 58-60.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

förderlich ist, sollte also zumindest nicht voreilig erfolgen. Denn was zunächst wie eine gelungene „Assimilation“ aussehen kann, vermag nach und nach doch zu einer so weitgehenden Veränderung der betreffenden Kultur beizutragen, daß deren Angehörige die Wertschätzung für ihre eigenen Traditionen zu verlieren beginnen und ihr kulturelles Selbstverständnis an anderen, „westlichen“ Traditionen (bei deren naiver Verkennung freilich) auszurichten trachten. In genau diesem Zusammenhang müßte es Anlaß zur Besorgnis sein, wenn selbst in einem reflexiv anspruchsvollen Denkkollektiv wie dem der Wissenschaft die Auffassung weitverbreitet ist, bei der Frage der Beurteilung externer Einflüsse auf sogenannte Primitivkulturen handele es sich überhaupt um ein ohne weiteres für den Gegenwartsrahmen (unter Ausschluß der Zeitdimension der Zukunft) definierbares Problem. Zu selten, wenn überhaupt scheint in den einschlägigen wissenschaftlichen Diskussionsforen die Möglichkeit erwogen, daß die im Zuge zeitgenössischer „Kulturimporte“ stattfindenden Veränderungen hinsichtlich der Tragweite ihrer Auswirkung erst in mehreren Generationen zu einigermaßen zuverlässigen Aussagen berechtigen. Angesichts eines in Entwicklungsangelegenheiten allzu bedenkenlosen Optimismus wäre hier zu fragen: Bedürfte es in der Frage einer reliablen Beurteilung zeitgenössischer externer Einflüsse auf sogenannte Primitivkulturen nicht der koordinierten Vornahme von Langzeitbeobachtungen? Liegen uns diesbezüglich verläßliche Erfahrungswerte überhaupt schon vor?

Auf der Grundlage der bis dato verfügbaren Informationen sollte jedenfalls nicht mit Selbstverständlichkeit davon ausgegangen werden, daß zeitgenössische externe (vor allem „westliche“) Einflüsse mit dem, was sie auslösen und bewirken, das ‚ethnische Selbstgefühl‘375 sogenannter Primitivkulturen und so auch deren Widerstandsbereitschaft unangetastet lassen. Das Beispiel CocaCola (als ja nur ein sehr bekanntes unter einer großen Zahl von weiteren) läßt zumindest Zweifel angebracht erscheinen an der demonstrativen Gewißheit, mit der etwa Stehr behauptet: „Weder waren dominante Zivilisationen in der Vergangenheit in der Lage, in anderen gesellschaftlichen Kontexten ihre Herrschaft widerstandslos zu etablieren, noch werden im Zusammenhang mit gegenwärtigen Entwicklungen lokale kulturelle Zusammenhänge und Identitäten auf Grund globaler Trends einfach überlagert oder sogar völlig verschwinden.“376

Solange man (mindestens) das oben genannte Beispiel vor Augen hat, muß die kategorische Tonalität solcher Einschätzung beunruhigen, kann diese fast nur als Ausdruck von Verharmlosung und Gefahrenblindheit erscheinen – und insofern auch fast nur zu Vorsicht und Skepsis mahnen (so jedenfalls die Zielsetzung in der Erhaltung bzw. Bewahrung von vormals als „primitiv“ klassifizierten Lokalkulturen als intakter Größen besteht). Die eigentlich kritische Schwelle wird in jedem Falle dort erreicht, wo die diskutierten Einflüsse besagten, für lokale Situationen reklamierten Widerstand in einem Maße schwächen, ___________ 375 376

Vgl. zum Begriff Mühlmann (1964: 202). Stehr (2003: 252; keine Hervorhebungen im Original).

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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daß die konfliktvolle Erneuerung lokaler Besonderheiten377 gerade nicht mehr funktioniert. Der Umstand, daß eine aktive „Assimilation“ von Fremdem in Fällen, in denen mit ihr die Verdrängung eines lokalen, einheimischen Produkts durch ein „westliches“ Konsumprodukt einhergeht, den Diversifikationsgrad des betreffenden Kulturbestands nicht herabsetzt (dies insofern, als Neues an die Stelle von Altem tritt), könnte „westliche“ Unternehmensstrategen dazu verleiten, dem Vorgang werbewirksame Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Wie die vorstehenden Überlegungen zeigen sollten, geschähe dies jedoch zu Unrecht; und vor allem: das Hauptproblem wäre dabei verkannt. Denn Aufmerksamkeit beansprucht nicht der von Verdrängungen unberührt bleibende Diversifikationsgrad des betreffenden Kulturbestands, sondern Aufmerksamkeit beanspruchen die aufgezeigten tatsächlichen oder jedenfalls möglichen negativen Begleiterscheinungen dieser Verdrängung; und zwar in dem präzisen Sinn, daß sie vor dem Hintergrund des Diversifikationsgrades des betreffenden Kulturbestands zu bewerten sind – vor dem Hintergrund jener Größe also, die man im Falle sogenannter Primitivkulturen von Hause aus vergleichsweise niedrig und dementsprechend kompensationsschwach veranschlagen muß. Daneben sollte „westliche“ Unternehmensmentalität noch in einer anderen Hinsicht beschäftigen. Wenngleich die weltweit – und also vielfach – unterstellte aktive „Assimilation“ „westlicher“ Konsumprodukte den Diversifikationsgrad des dabei jeweils betroffenen, einzelnen Kulturbestands nicht herabsetzt, so mindert sie doch, wenn damit im Einzelfall ein Verdrängungsprozeß einhergeht, den Diversifikationsgrad des Kulturbestands der Menschheit im ganzen. Die Angebotsvielfalt auf der Welt insgesamt nimmt also ab.378 – In der Tat sollte man hier keiner Täuschung unterliegen: Zwar fällt die aktive „Assimilation“ „westlicher“ Konsumprodukte in jedem Teil der Welt anders aus (sodaß man sagen könnte: eine weltweit stattfindende aktive „Assimilation“ „westlicher“ Konsumprodukte läßt auf ihre Weise Neues entstehen); das demgegenüber Entscheidende aber ist, daß die Ergebnisse solcher „Assimilation“ schlicht nicht dem vergleichbar sind, was sie im Einzelfall hinter sich lassen. Denn welcher Form von Vielfalt hilft man damit weltweit auf die Beine! Die Propagatoren kapitalmarktorientierter Bedürfnisbefriedigung, welche die auf diese Weise entstehende neue Vielfalt als echten Erfolg verbuchen, „berauschen“ sich in Wirklichkeit an der enormen Binnendifferenzierbarkeit eines – eben des herrschenden, des ökonomischen (als eines voll monetarisierten, kapitalistischer Tauschlogik folgenden379) – Paradigmas.380 Daß die auf diese Weise etablierte

___________ 377

Von der Beck spricht; vgl. ders. (1997: 87). Vgl. hierzu erneut E. U. v. Weizsäcker / Lovins / Lovins ([1995] 101997: 321). 379 Eine alternative, auf das moderne Leitbild des ‚homo oeconomicus‘ irreduzible Wirtschaftsform bezeichnete die „primitive“, stets in Kontexte nicht-ökonomischer Natur (wie Verwandtschaft, Religion, auch Prestige) eingebettete und überdies vom Phänomen der Reziprozität unabtrennbare Institution des Gabentauschs (vgl. Kämpf 1995: 126 f.; auch Elwert 1991: 160 und Bargatzky 1997: 168 f.). Siehe als bis heute grundlegenden Text zu diesem Thema die einschlägige theoretische Abhandlung Mauss’ ([1923/24] 1973 / 1978). [Interessanterweise – das freilich sollte mit Blick auf diesen Autor nicht verkannt werden – zielt seine Kritik europäischer Ökonomie und Moral aus sowohl ethnologischer wie historischer Perspektive nicht auf deren Fundament [In diesem Punkt geht mir Därmann (2005: 74) einen Schritt zu weit; nicht so B. Waldenfels (1994: 597).]: Durchaus beläßt Mauss entsprechenden Gegebenheiten – wie der Herausbildung des Prinzips einer Unterscheidung zwischen Sachenrecht und Personenrecht – ihre Gültigkeit; indem nur von ihm ein Nebeneinanderbestehen archaischer und moderner Prinzipien für mög378

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Ergebnisvielfalt (obenstehend genanntem Beispiel gemäß: die Vielfalt der weltweiten Resultate einer aktiven „Assimilation“ von Coca Cola) innerhalb der „westlichen“ Kultur weithin schon gar nicht mehr als das wahrgenommen wird, was sie eigentlich ist: nämlich eine depotenzierte Vielfalt, eine Vielfalt zweiten Grades381, ist bester Ausdruck für die gediehene Reichweite der Abstumpfung „westlicher“ Genußfähigkeit382, für das Maß der Entfremdung und Pervertierung von Werten innerhalb der „westlichen“ Gesellschaften383 und mithin für den Stand jenes umfassenden Anliegens, das Marx in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten in einer bis heute überdenkenswerten Weise ‚Emanzipation‘384 bzw. ‚Bildung‘385 der Sinne genannt hat.386 – So scheint es deshalb

___________ lich gehalten wird, schränkt er letztere auf den ‚ihnen zukommenden Platz‘ ein. (Vgl. Mauss [1923/24] 1973 / 1978: 161; vgl. daneben noch ebd.: 120 f., 173 f.)] Besseren historischen Hintergrundverständnisses halber mag hier außerdem ein Hinweis erfolgen auf die begriffliche und sachliche Trennung des Wirtschaftens und Schenkens, wie sie sich in der Ökonomie „zivilisierter“ Kulturen Mitte des 18. Jahrhunderts durchgesetzt hat und dort in der Folgezeit kanonische Geltung erlangen konnte (vgl. Laum 1960: 5 und 7; überdies 40 ff. bzw. 84 ff.). Nicht von ungefähr vermochte Schumpeter zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu erklären, das Geschenk sei keine ökonomische Kategorie (vgl. auch dazu Laum, ebd.: 8). – Als von diesem Hauptstrang rationalistisch-ökonomischer Entwicklung abgehoben zu betrachten sind die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts unternommenen Versuche der Wiederentdekkung des Geschenkverkehrs durch fachliche Außenseiter wie Laum, Perroux und Boulding; siehe hierfür die von Rost vorgelegten Untersuchungen (1994: 169 ff.). 380 Ein Beleg dafür – nebenbei gesagt –, wie stark unsere Kultur das Bewußtsein für die Existenz unterschiedlicher Wirtschaftsformen abgebaut hat, ist leicht auch über die Verwendung von Begrifflichkeiten zu erbringen. So weist das Fremdwörterbuch für die Termini ‚monetär‘ und ‚pekuniär‘ dieselbe Bedeutung aus: finanziell, geldlich; die Finanzen bzw. das Geld betreffend. Was diese längst in Fleisch und Blut übergegangene Egalisierung verdeckt, ist genau die Differenz zwischen Münzwährung (vgl. lat. ‚moneta‘ – Münze) und Viehwährung (vgl. lat. ‚pecus‘ – Vieh). [Siehe zur ursprünglich sakralen Bedeutung beider Geldformen Laum ([1924] 2006), betreffs speziell der Münzwährung noch ders. (1929).] Die Relevanz des ‚Viehkapitals‘ gerade für die (auch noch rezente) nomadische Wirtschaftsform hat Mühlmann (1964: 274) herausgestellt. Daß in der Konsequenz eines letztlich mono-dimensionalen Umgangs mit der Existenz unterschiedlicher Wirtschaftsformen die (illegitime) Wertung liegt, bringt exemplarisch Simmel vor Augen, sofern er mit Blick auf (u. a.) Vieh als eines Gebrauchswerts von einer „primitiven Wirtschaftsstufe[.]“ sprechen zu können glaubt (vgl. ders. [1900] 61958: 115). 381 In einer gewissen Hinsicht behält deshalb die Konvergenzthese, behält deshalb die These von der Homogenisierung bzw. Monotonisierung der Welt ihre Triftigkeit. (Vgl. speziell vor diesem Hintergrund auch meine Rede in Strehler 2001: 38.) – Siehe für eine frühe diesbezügliche Stellungsnahme aus der Feder eines Literaten: Zweig (1925); aus fernöstlicher Sicht und andeutungsweise Tanizaki (1933 / 1987). Siehe im selben Zusammenhang außerdem Jaspers ([1931] [51932] (9)1999: 74); schließlich Miegel ([2000] 52006: 215 f.). 382 Vgl. dafür etwa die immer noch lesenswerte Zeitdiagnose Fromms (1976 / [1976] [21979] 322004). 383 Vgl. dafür etwa den nicht zuletzt gegen die (im übrigen bis heute geläufigen) Entstellungen des Marxschen Denkens angeschriebenen Beitrag Fromms (1961 / [1963] 1988); besonders das Kapitel über Entfremdung (ebd.: 49 ff.). 384 Marx (ÖPhM, 1844: 80).

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an dieser Stelle auch nicht fehl am Platze, pars pro toto ein Sentiment Lévi-Strauss’ in Erinnerung zu rufen – ein Sentiment, das mit zum Besten gehört, was die Philosophie und die Wissenschaften von ihm geerbt haben: „[…] unser Auge hat seine Frische eingebüßt, wir vermögen nicht mehr zu schauen.“387

(2) Zeitgenössische externe Eingriffe. Die „harten“, abrupten und massiven Veränderungen388 Bei wenig technisierten, „primitiven“ Kulturen im besonderen stellen Territorien Lebensgrundlagen (in Form von natürlichen Ressourcen) bereit. In der Unversehrtheit dieser Territorien liegt deshalb eine Voraussetzung, damit die betreffenden Kulturen als kulturell intakte Gebilde überleben können. Nun sind sogenannte Primitivkulturen aber nicht nur in dem Sinne territorial, daß geographische Gebiete ihre Existenzgrundlage darstellen. Sie sind – was man unter dem Einfluß einer hochtechnisierten, cartesianisch geprägten Lebenswirklichkeit gerne zu übersehen pflegt389 – auch noch (mindestens) in dem Sinne territorial, daß im Rahmen ihrer mythischen Weltauslegung die Geographie ein Substrat der Ursprungsgeschichten (‚Archái‘390) bildet391 und eine entsprechende – parataktische – Raumauffassung392 für die religiös durchdrungene Produktion und Reproduktion der eigenen Lebensverhältnisse393 bestimmend wird.394 Im Rahmen mythischer Weltauslegung stellen Territorien also auch es___________ 385

Marx (ÖPhM, 1844: 81). Sicher hinterläßt der Verweis auf Marx gerade im gegenwärtigen Kontext auch ein gewisses Unbehagen, wenn man bedenkt, daß er sein Verständnis von Arbeit (als der Aktionsart sinnlicher Selbstentwicklung des Menschen; vgl. S. Müller 1992: 435 f.) vor dem Hintergrund der evolutionistischen Theorien seiner Zeit ausgebildet hat. Siehe hier speziell Krader (1972 / 1976: 11 ff.); ferner Kohl (1979: 134 f.). 387 Eribondt: 254 / Eribonfrz: 241. Siehe hier auch TT: 412 f. / TrTr: 479 f. sowie StAII: 313 ff. / AStII: 328 ff. 388 Angesichts einer im Prospekt offenen wie zugleich im Retrospekt an Greueln reichen Menschheitsgeschichte benannt werden sollte – dies gleich vorab – der prinzipiell auch mit Blick auf die Zukunft rezenter sogenannter Primitivkulturen immer denkbare Fall eines Genozids. Thematisch oder szenarisch vertieft werden muß er hier wie im weiteren nicht. (Vgl. in diesem Zusammenhang allerdings noch Lévi-Strauss in BF: 47 f. / RE: 43 f. sowie in BF: 52 / RE: 48.) 389 Vgl. hierzu etwa Bargatzky (1997: 50 sowie 62 f.). 390 Ebd.: 36. 391 Vgl. ebd.: 135 und 150. 392 Vgl. ebd.: 59. 393 Vgl. ebd.: 67; außerdem ebd.: 170. 394 Ausführlich zitieren will ich in diesem Zusammenhang Bargatzky (1997: 59; zweite und dritte Hervorhebung nicht im Original): „Die mythische Raumvorstellung ist parataktisch – Raumteil wird an Raumteil gefügt und diese Raumteile besitzen in386

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

sentielle Aktions- und Artikulationsfelder bereit. Solange es den Status eines Desiderates hat, „primitive“ Kulturen als intakte Gebilde zu erhalten bzw. zu bewahren, muß deshalb auch dieser weitere Aspekt von Territorialität Berücksichtigung finden. Resümierend ließe sich also feststellen: „Primitive“ Kulturen sind insofern territorial, als geographische Gebiete ihre Existenzgrundlage darstellen; und sie sind zum weiteren insofern territorial, als auch ihr gesamter Existenzvollzug – dies gilt jedenfalls im allgemeinen – an bestimmte geographische Räume gebunden bleibt. So erscheint denn auch zumindest von dieser Warte die aus den kulturtheoretischen Positionen Lévi-Strauss’ rekonstruierbare grundsätzliche Bedeutung des Kriteriums der Territorialität395 als gerechtfertigt.

Die Feststellungen und Schlußfolgerungen, die vor dem Hintergrund solcher Sachlage gezogen werden mögen, sind folgende: – Beide Territorialitätsaspekte zusammengenommen lassen erkennen, daß das Desiderat, „primitive“ Kulturen als intakte Gebilde zu erhalten bzw. zu bewahren, nicht kompatibel ist und nicht kompatibel sein kann mit der Herstellung künstlicher, also mit dem ursprünglichen Territorium (und dessen ökologischer Prägung) sei es nicht oder aber nur teilweise identischer, sei es zu knapp bemessener oder gar parzellierter Reservationen. Nicht nur erzwänge ___________ dividuellen Charakter. Das hat Kurt Hübner (1985[a]: Kap. VIII) ausführlich am Beispiel des griechischen Mythos dargestellt. Das Prinzip der Nebenordnung individueller Raumteile begegnet uns aber nicht nur im antiken Griechenland, sondern überall dort, wo die Vorstellungen noch von einer mythischen Ontologie geprägt oder mitgeprägt werden. […] Im Rahmen der mythischen Ontologie ist […] jeder Ort ein Témenos, ein Ort, wo ein Gott wohnt oder wo sich eine Ursprungsgeschichte (Arché) abgespielt hat und sich ständig wiederholt – eine Quelle, Grotte, Wiese, ein Berg oder Hain. Die Akropolis ist ein Témenos, weil Athene dort den ersten Ölbaum pflanzte (s. Hübner 1985[a]: 159) und jede Kirche, jeder dem Kult gewidmete Ort ist solch ein Témenos. Solche Orte sind klar voneinander abgegrenzt, sie werden durch mythische Inhalte bestimmt, mit denen sie eine unauflösliche Einheit bilden.“ [Vgl. hier auch Jamme (1991 a: 131) bzw. (1991 b: 131).] Weiter führt Bargatzky (1997: 59 f.) aus: „Die mythische Raumauffassung steht in scharfem Gegensatz zu unserer modernen Auffassung des Raumes, denn der Raum, der zur veräußerbaren Ware und damit zum Träger von Tauschwert wird, ist nicht mehr der Ort, an dem eine Gottheit wohnt. Er unterscheidet sich nur noch quantitativ, in Geldwerten gemessen, von anderen Raumteilen. Heilige Bezirke werden in verwertbare Topographie aufgelöst, deren Grenzen durch die Unterschiede im Kauf- und Verkaufspreis markiert sind. Die Entheiligung der Natur und des Raumes ist die Folge der Durchsetzung der auf der Monetarisierung des Lebens beruhenden Erwerbswirtschaft. Arbeit, im mythischen Raum verrichtet, hat liturgische Qualität, sie ist immer auch Gottesdienst. Arbeit, die natürliche Rohstoffe in Tauschwerte verwandelt, besitzt diese Qualität nicht mehr.“ (Keine Hervorhebungen im Original.) [Bargatzkys Verwendung des Begriffs ‚Liturgie‘ darf freilich nicht im christlichen Sinne (miß-)verstanden, sondern muß im weiteren Kontext einer die Etymologie einbeziehenden Deutung gelesen werden. (Siehe für entsprechende Erläuterungen Bargatzky 1997: 52 ff.)] 395 Vgl. oben, Seite 271.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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dieser Vorgang auf seiten der Betroffenen – entgegen vielleicht manch wohlmeinender Absichten Außenstehender – den weitgehenden, bisweilen radikalen Abschied von einer „traditionellen“ (wildbeutenden, bodenbauenden, pastoralisierenden) Lebensform; er prädisponierte – neben Assimilationen bzw. Akkulturationen – auch in hohem Maße um ihren positiven Sinn amputierte Formen der Fortexistenz.396 – Beide Territorialitätsaspekte zusammengenommen lassen aber auch erkennen, daß das Kriterium der Unversehrtheit nicht einfach nur abstellt auf die rein geographische Verfügbarkeit traditioneller Gebiete, sondern daß dieses Kriterium mit dem gleichen Gewicht auch abstellt auf den ökologischen Zustand, in dem diese traditionellen Gebiete sich befinden. Oder anders ausgedrückt: Was beide Territorialitätsaspekte zusammengenommen außerdem erkennen lassen, ist, daß das Desiderat, „primitive“ Kulturen als intakte Gebilde zu erhalten bzw. zu bewahren, ebensowenig kompatibel ist und ebensowenig kompatibel sein kann mit der Beibehaltung traditioneller Lebensräume, sofern diese hinsichtlich ihres ökologischen Zustands tiefgreifende Veränderungen erfahren. Wohl mit am augenfälligsten wird das damit angesprochene Dependenzverhältnis (ganz abgesehen von der Schwere und Dringlichkeit des auf diese Weise berührten Problems) im Kontext der Beschädigung und Dezimierung der weltweiten ‚Hyläa‘397, also der tropischen Regenwaldzonen. Denn auch der Vorgang deren Schwindens vermag – analog dem Vorgang künstlicher Isolierung in Reservationen – niemals losgelöst vom Schicksal der betreffenden Ethnien gedacht zu werden. Auch hier implizierten zu weitreichende Eingriffe das Ende „traditioneller“ (in diesem Falle: wildbeutender oder bodenbauender) Lebensformen; und auch hier prädisponierten zu weitreichende Eingriffe – neben Assimilationen bzw. Akkulturationen – in hohem Maße um ihren positiven Sinn amputierte Formen der Fortexistenz. Die Betrachtung des Vorgangs der Abholzung wird hier von der Betrachtung des Vorgangs der Reservationenbildung natürlich nur insoweit geschieden, wie sich die Betrachtung beider Vorgänge voneinander scheiden läßt. Legitimiert ist die getrennte Darstellung durch die Bedeutungsdifferenz zwischen dem Kriterium der geographischen Integrität und dem Kriterium der Zustandsintegrität. Umgekehrt jedoch ist damit nicht schon ausgesagt, daß Reservationenbildung und Abholzung prinzipiell als

___________ 396

Vgl. hierzu auch Duala-M’bedy (1977: 202). – Daß sicher künstliche Reservationssysteme sich stabilisieren können und aus einer Existenz unter solchen Bedingungen wiederum eine Lebensform werden kann (vgl. Lindig / Dauer 1961: 43; auch Arens / Braun 2004: 113 ff.), sollte nicht als veritable Alternative begriffen werden. 397 Von Alexander von Humboldt geschaffener Begriff; ursprünglich (das heißt durch ihn) verwendet zur Bezeichnung des tropischen Regenwaldgebietes Amazoniens. Nicht mehr in dieser speziellen Beschränkung – sprich: zur Kennzeichnung der Regenwaldzone nur dieses Gebiets – findet der Begriff dann etwa Verwendung bei Mühlmann (1964: 206).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

voneinander getrennte Phänomene existierten. Zwar vermag sich beides unabhängig voneinander zu ereignen; beides kann aber auch auf unterschiedliche Weise miteinander korrelieren (etwa in Form einer zeitlichen Koinzidenz oder Aufeinanderfolge).

Erinnert werden darf in diesem Zusammenhang an das Diktum Batesons, wonach die ökologischen Prozesse sich nicht spotten ließen.398 Die Formulierung will soviel besagen wie: Das ökologische Fehlverhalten des Menschen kehrt sich letztlich immer auch gegen ihn selbst, schlägt letztlich immer auch auf kultureller Ebene durch. Im gegenwärtigen Kontext thematisierter Regenwaldvernichtung bewahrheitete sich diese Einsicht sowohl in ihrer zeitlich und räumlich unmittelbarsten, als auch in ihrer denkbar drastischsten Form: in Form von für die betreffenden Ethnien unausweichlichen, unumkehrbaren und unerbittlichen Konsequenzen, in Form von Konsequenzen, die hinsichtlich ihrer Durchschlagskraft durch buchstäblich gar nichts abgefangen werden könnten. Bei dem Vorgang der Beschädigung und Dezimierung tropischer Regenwälder insbesondere handelt es sich, wenn man ihn – wie hier – primär im Sinne einer extern induzierten Veränderung der territorialen Situation sogenannter Primitivkulturen versteht, um ein Phänomen, das eine vergleichsweise komplexe Ursachennatur aufweist. Lediglich zum Zwecke ihrer Kennzeichnung – und also ohne den Anspruch, diesbezüglich zu einem vertieften Verständnis zu gelangen – sei hier verwiesen auf politische, militärische, wirtschaftliche399 und demographische400 Faktoren.401 Sponsel / Bailey / Headland liegen sicher nicht ganz falsch, wenn sie diese Faktoren bzw. deren häufige und oftmals spezifische Verzahnung auf eine nochmals grundlegendere Ursachenkombination (Not und Habsucht) bzw. Ursachenalternative (Not oder Habsucht) zurückführen.402 Nicht ganz falsch dürften die Autoren auch mit der Einschätzung liegen, daß Ansätze des Umgangs mit der inzwischen als krisenhaft zu bezeich-

___________ 398

Vgl. Bateson (1971 / 1981: 646 f.): „Der härteste Ausspruch in der Bibel ist der von Paulus an die Galater gerichtete: ‚Gott läßt sich nicht spotten‘, und dieser Spruch ist auf die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Ökologie anwendbar. Es nützt nichts, sich damit zu entschuldigen, daß eine einzelne Sünde der Verschmutzung oder der Ausbeutung nur eine kleine war, oder daß sie nicht mit Absicht bzw. mit den besten Absichten erfolgte. Oder zu denken, ‚Wenn ich es nicht getan hätte, dann hätte es ein anderer getan‘. Die ökologischen Prozesse lassen sich nicht spotten.“ Vgl. auch Bateson (1972 / [1981] 71999: 599). 399 a: Zu nennen wären hier Holzwirtschaft, Plantagenwirtschaft, Bergbau; sowie – meist im Gefolge davon – Handel und Industrie. b: Daß sich die Konsequenzen der entsprechenden Eingriffe nicht gegen ihre vornehmlichen und gewichtigsten Verursacher richten: gegen jene parametersetzenden Personen, welche für die Öffnung der tropischen Regenwälder zu kommerziellen Zwecken verantwortlich zeichnen, ist ein Geschehensmoment, das dem Vorgang der Auslöschung, Auflösung oder Akkulturation der in den betreffenden Gebieten ansässigen Ethnien die eigentümlich makabre, ja (ganz wörtlich) perverse Note verleiht. 400 Vgl. speziell hierzu Mühlmann ([1972] 1974), besonders ebd.: 713. 401 Vgl. insgesamt hierzu etwa Sponsel / Bailey / Headland (1996: 9-14). 402 Das Wortspiel der amerikanischen Originalfassung – „need and / or greed“ (ebd.: 14; vgl. auch ebd.: 19) – vermag im Deutschen nicht wiedergegeben zu werden.

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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nenden ökologischen Situation nur konstruktiv sein können, wenn sie unter Bezugnahme auf beide der angeführten Ursachenebenen entwickelt werden.403 Die Darstellung des Vorgangs der Beschädigung und Dezimierung tropischer Regenwälder geriete freilich – auch dies sei hier noch erwähnt – zu einer verzerrten, wenn man sich dabei ausschließlich auf externe Eingriffe kaprizierte und darüber den jeweils indigenen Anteil (den Anteil sogenannter Primitivkulturen) an der Problematik vergäße. Daß im Hinblick auf den Umgang mit der Natur unter den sogenannten Primitivkulturen zum Teil erhebliche Unterschiede bestehen, ist ein Sachverhalt, auf den in der ethnologischen Literatur verschiedentlich hingewiesen wurde.404 – Um hier die Relation zu wahren, sollte allerdings auch gleich hinzugefügt werden, daß jedenfalls der traditionelle indigene Schwendbau405 im allgemeinen und bei geringer Bevölkerungsdichte mit den regenerativen Kapazitäten des tropischen Regenwaldes vereinbar ist406; im einzelnen vermag er sogar ein Anwachsen der biologischen (vegetabilischen wie animalischen) Vielfalt zu bewirken407. Unter anderem letztgenannter Umstand hat in der jüngeren Forschung die Konzeption der Hyläa als eines ursprünglichen und unberührten Areals hinterfragen408 und stattdessen die Auffassung von einer (bereits Jahrtausende währenden) Interdependenzbeziehung zwischen Menschen und Wäldern in den Vordergrund treten lassen409. Im gegenwärtigen Kontext

___________ 403

Vgl. Sponsel / Bailey / Headland (1996: 14). a: Vgl. für entsprechende historische Negativbeispiele vor allem E. W. Müller (1990: 47); außerdem Sponsel / Bailey / Headland (1996: 8 und 28). b: Grundsätzlich (und entgegen dem, was die romantizistisch verklärende, populäre Literatur wahrhaben will) kann gelten, daß auch sogenannte Primitivkulturen sich die Natur produzierend aneignen und also in die Natur eingreifen; eine Garantie für die Bewahrung der natürlichen Umwelt gibt es also auch in diesen Kulturen nicht. (Vgl. hierzu vor allem Bargatzky 1992: 881 und 1997: 171.) c: Helbling (1994) sieht entsprechende, ausgesuchte Fälle ökologischer Fehlanpassung u. a. als (nichtbeabsichtigte) Folge einer kriegerischen Austragung von Konflikten mit Nachbarbevölkerungen. 405 Der traditionelle indigene Schwendbau (engl.: ‚swidden cultivation‘) bezeichnet eine Form des Bodenbaus, bei der der oberirdische Wuchs einzelner Waldstücke verbrannt und in dem von der Asche gedüngten Boden Nahrungspflanzen angebaut werden. Da sich der Nährstoffgehalt des Bodens bereits nach wenigen Ernten erschöpft, macht diese Methode in regelmäßigen zeitlichen Abständen ein Verlegen der Felder (entweder durch Inbesitznahme neuer landwirtschaftlicher Flächen oder aber durch Rotation in der Form einer Rückkehr zu Brachen) erforderlich, weshalb man auch von Wechselwirtschaft (engl.: ‚shifting cultivation‘) bzw. von extensivem (also relativ viel Land erforderndem) Bodenbau spricht. Anders als im Fall des Brandrodungsfeldbaus (engl.: ‚slash-and-burn-cultivation‘) beläßt die Schwendbaumethode Wurzeln und Stubben im Erdreich und verhindert auf diese Weise am ehesten die Erosion. (So nach Kohl [1993] 2 2000: 81 f. bzw. Bargatzky 1997: 157.) 406 Vgl. Sponsel / Bailey / Headland (1996: 7). Vgl. hierzu außerdem Helbling (1991: 138 f.) und (1994: 88); auch Kohl ([1993] 22000: 83) sowie Bargatzky (1997: 157). 407 Vgl. Sponsel / Bailey / Headland (1996: 7) und McNeely (1996: xv). 408 Vgl. McNeely (1996: xv); siehe dem entprechend auch Bailey (1996: 325). 409 Vgl. erneut McNeely (1996: xv); außerdem Sponsel / Headland / Bailey (1996: xix f.) sowie Sponsel / Bailey / Headland (1996: 8 und 23). 404

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

ist diese Wendung, welche ein anthropogenes Waldzustandsverständnis410 einbegreift, insofern bedeutsam, als sie deutlich werden läßt, daß das Ziel der Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen dort, wo sich der von diesen ausgehende Einfluß auf den Waldzustand positiv bemerkbar macht411, einer primär und einseitig humanitär motivierten Begründung gar nicht bedarf. Dabei spielt es im übrigen auch keine Rolle, daß den entsprechenden Verhaltensweisen sogenannter Primitivkulturen überhaupt nicht die Absicht zugrundelag bzw. -liegt, einen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten412 – ja daß ihnen diese Absicht überhaupt nicht (das heißt: prinzipiell nicht) zugrundeliegen konnte bzw. kann413; entscheidend in dem Zusammenhang wird vielmehr, daß viele (wenn auch bei weitem nicht alle) indigene Kenntnisse und Praktiken mit einem ökologischen Bewußtsein bestens vereinbar sind414, ja daß diese in all jenen („externen“) Kontexten, in denen ein ökologisches Bewußtsein ausgeprägt ist (sei dies auf lokaler, regionaler, nationaler oder internatio-

___________ 410

Vgl. Sponsel / Bailey / Headland (1996: 8); außerdem Bailey (1996: 323). Bzw. umgekehrt auch entsprechend negativ, wo er ausbleibt (vgl. hierzu Bailey 1996: 325). 412 Es beruht auf einem Mißverständnis, wenn man die in Territorien sogenannter Primitivkulturen fallweise zu beobachtende Koordiniertheit von natürlichen Kreisläufen und kultischen Handlungszyklen als Ausdruck eines bewußt hergestellten ökologischen Gleichgewichts bzw. als Ausdruck bewußt ergriffener Umweltschutzmaßnahmen interpretiert (vgl. hierfür Bargatzky 1992: 882 f.; daneben auch Kohl [1993] 22000: 23). Was solchen Anschein erweckt, bezeichnet – mit Bargatzky – allenfalls die „unbeabsichtigte Folge bestimmter Handlungen mit anderer Absicht“ (1992: 882); im Einzelfall kann dies bedeuten: von Handlungen, welche durchgeführt wurden bzw. werden, um „menschliches Überleben in Übereinstimmung mit göttlichen Geboten dauerhaft [zu] sichern“ (ebd.). 413 Natur vermag bewußt (und effektiv) nur geschützt – wie übrigens auch ausgebeutet (!) – zu werden, wenn sie ‚kategoriale Eigenständigkeit‘ (Bargatzky 1997: 171) besitzt. Genau diese theoretische Voraussetzung fehlt jedoch dem Mythos, der das Weltbild sogenannter Primitivkulturen prägt; für bewußten Umweltschutz bietet der Mythos sozusagen keine theoretische Grundlage (vgl. Bargatzky 1992: 881 ff.). Zwar kennt auch das mythische Ordnungsdenken unterschiedliche Seinsbereiche (Götter, Menschen, Welt, Natur), konstitutiv für seinen Vollzug aber ist gerade die Tendenz, diese unterschiedlichen Seinsbereiche in ein großes Netz von Bezügen zu fügen; gewissermaßen kann also das mythische Ordnungsdenken gar nicht anders, als die unterschiedlichen Seinsbereiche darin – und mithin als vereinheitlichte – wahrzunehmen. (Vgl. zu dieser Spezifikation des mythischen Ordnungsdenkens Angehrn 1996: 277; vgl. hierzu außerdem meine Argumentation oben, auf Seite 123 ff.) 414 Was die rezenten unter den sogenannten Primitivkulturen durch ihre Existenz bezeugen – selbst wenn sie keinen bewußten Umweltschutz praktizieren –, ist unter anderem, daß sie bis dato einem von ihrer natürlichen Umwelt ausgehenden Selektionsdruck standgehalten haben, das heißt, daß sie ihre traditionelle Lebensweise innerhalb der Kapazitätsgrenzen ihrer natürlichen Umwelt auszubilden bzw. abzuändern verstanden. (Vgl. hierzu McNeely 1996: xvi.) Der historische Wandel, der in diesen heute noch existierenden Kulturen immer auch stattgefunden hat, darf daher zumindest ein Stückweit als ein Prozeß der Optimierung – im Sinne der bestmöglichen Anpassung an waltende Umweltbedingungen – aufgefaßt werden. (Vgl. hierzu Blumenberg [1979] 31984: 183.) 411

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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naler Ebene415), sogar von größter Bedeutung sind, insofern sie sich dort in jeweils konstruktiver Weise aufgreifen lassen.416

cc) Die bestehende Herausforderung. Zur Stärkung der Resistenzkraft sogenannter Primitivkulturen In Anbetracht des erwähnten Umstands der Einbettung sogenannter Primitivkulturen in ein globales Interdependenzsystem einschließlich der diesem Umstand inhärenten (und vorstehend unter diversen Aspekten beleuchteten) Gefährdungspotentiale und Gefährdungen muß die entscheidende Voraussetzung für eine Fortexistenz besagter Kulturen als intakter Qualitäten in der Stärkung ihrer Resistenzkraft gesehen werden. Daraufhin – so die Quintessenz – gälte es die Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen abzustimmen. Auf der Operationalisierungsebene müßte dem vor allem durch Stärkung des jeweiligen ‚ethnischen Selbstgefühls‘417 bzw. – wo man den „Wunsch und Willen, sich abzusetzen gegen den Eindruck übermächtiger Fremdkultur“418, bereits erschüttert oder untergraben sieht – durch dessen Wiederherstellung entsprochen werden;419 und insofern die Aufweichung des Empfindens ethnischer Identität weniger von heute auf morgen und schlagend, sondern im Laufe der ___________ 415

Vgl. Sponsel / Bailey / Headland (1996: 21 ff.). Vgl. etwa Sponsel / Headland / Bailey (1996: xx); auch Sponsel / Bailey / Headland (1996: 23). 417 Nochmals mit Mühlmann (1964: 202); vgl. oben, Seite 324, vor Fußnotennummer 375. 418 a: Das Vorhandensein dieses (zeitkonstanten) Impetus wird zu einer entscheidenden Perspektive des (noch unter kolonialem Eindruck entstandenen) Werkes von Mühlmann et al. ([1961] 21964); entnommen ist die Zitation dem Vorwort zur ersten Auflage (Mühlmann 1961 a: 12). Vgl. hierzu außerdem Mühlmann (1964: 323). b: Vgl. in diesem Zusammenhang erneut auch die erste Lévi-Strauss-Zitation (inklusive Terminus vor Fußnotennummer 215 sowie Fußnote 215) auf Seite 290 dieser Untersuchung. 419 Auf literarisch treffliche Weise zum Thema gemacht sehe ich die in „zivilisierten“ Kulturen verbreitete Mißachtung indigenen ethnischen Selbstgefühls durch Traven: in seiner Erzählung ‚Der Großindustrielle‘ (1930 a). Mögen die Formen und Umstände ihrer Manifestation zwischenzeitlich auch andere sein, an der Ursache der Mißachtung – einem verkümmerten Spüren (auch und gerade im jeweiligen personalen Selbstverhältnis) – scheint sich seit Traven nicht sehr viel geändert zu haben. (Siehe für eine entsprechende, konzise zeitgenössische Einschätzung Strehler 2001: 38 f.) – Grundsätzlich begrüße ich daher aus Sicht der hier diskutierten Problematik (wenngleich natürlich nicht ausschließlich aus dieser) den von philosophischer Warte unternommenen Versuch Pothasts, ein ‚Konzept lebendiger Vernünftigkeit‘ (ders. 1998) zu entwickeln: ein Konzept der Vernünftigkeit, das wesentlich abstellt auf ‚vernunftrelevante Spürensleistungen‘ (ebd.: 34; ohne die Hervorhebung im Original). [Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch noch auf Pothast (1988: 543) und (1998: 229).] 416

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Zeit und in subtiler Form vonstatten geht, täte immer auch Prophylaxe Not: die Ergreifung von Maßnahmen zur beiderseitigen Schaffung (oder Schärfung) eines Problembewußtseins.420 Beginnen würde dies etwa damit, daß man hinarbeitete auf eine beiderseitige Anerkennung des positiven Wertes (eine beiderseitige Wertschätzung) der Traditionen sogenannter Primitivkulturen. (Ist freilich im Einzelfall die Entwicklung so weit gediehen, daß das Gefühl ethnischer Identität nachgerade zerbrochen ist421, dann ist auch – erfahrungsgemäß – die betreffende „Primitivkultur“ im Sinne einer intakten Qualität als verloren anzusehen.422) Entscheidende Bedeutung käme darüber hinaus all jenen Maßnahmen zu, welche der Erhaltung bzw. Bewahrung intakter Lebensräume dienen. In diesem Zusammenhang hervorgehoben werden sollte insbesondere die Beeinflußbarkeit von Bereitschaftslagen: Daß die Stärkung der Kontrolle über ein traditionelles Territorium das ethnische Selbstgefühl (den ‚ethnischen Stolz‘423) betreffender Kulturen und zugleich damit das Gefühl der Verantwortlichkeit für den Schutz des eigenen Territoriums zu heben vermag424, ist ein Umstand, dessen Nutzen in Zeiten einer zunehmend derangierten Ökologie gar nicht hoch genug veranschlagt werden kann.

___________ 420 Beiderseitig will hier besagen: Auf seiten der „Zivilisierten“ nicht weniger als auf seiten der „Primitiven“. 421 Ein gleichermaßen tragisches wie eindrucksvolles historisches Beispiel daraus resultierender möglicher Konsequenzen sind die „eschatologische[n] Aufbrüche ‚escapistischen‘ Gepräges“ (Mühlmann 1961 a: 13) der Guaraní in Südamerika. (Ausführlicher hierzu: Lindig 1961.) Dabei handelte es sich um zeitlich wie räumlich extrem ausgedehnte Stammeswanderungen – unternommen mit dem Ziel, in ein ‚Land ohne Schlechtes‘ (Nimuendajú Unkel 1914: 287 et passim) zu gelangen –, Stammeswanderungen, deren letzte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufhörten (vgl. Lindig 1961: 20). [Nicht zu verwechseln sind solche (, neurotische?), inzwischen – wie gesagt – historische Formen des Ziehens mit Formen des eigentlichen Nomadismus, mit Formen also einer jeweils originären, als Folge spezifischer ökonomischer Tätigkeit zu begreifenden, wandernden Lebensweise: so von Jägern und Sammlern (etwa der Pygmäen; vgl. hierzu unten, Gliederungspunkt VII.4.c)aa) dieses Kapitels, Seite 380 ff.), von Hirten (vgl. Mühlmann 1964: 283; weiterleitender Terminus technicus: ‚Pastoralismus‘), von Karawaniers (vgl. für den Sahararaum H. Ritter [1980] 1985: 77 ff.) oder auch von europäischen und orientalischen Zigeunern (vgl. Hamzeh’ee 2002: 195 f.).] 422 Vgl. erneut Mühlmann (1964: 202). Der Fall ist unter anderem dann gegeben, wenn deren Angehörige für etwas anderes gehalten werden möchten, als sie ihrer ursprünglichen kulturellen Identität nach sind (vgl. ebd.). Vgl. dazu mit klar historischem Bezug auch Mühlmann (1962 a: 376 f.). 423 Bailey (1996: 328). 424 Vgl. ebd.

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dd) Das ‚Problem der Größenordnung‘ Anknüpfend an die Thematisierung spezifischer Gefährdungspotentiale und Gefährdungen sollte noch Beachtung finden, was sich als ‚Problem der Größenordnung‘ bezeichnen läßt: der Umstand mit anderen Worten, daß der Charakter und mithin Effekt wechselseitiger Beziehungen stark beeinflußt wird von der Größe der jeweils miteinander in Kontakt befindlichen Bezugseinheiten. So wirken sich kulturelle Beziehungen (je nach ihrer Extensität, Intensität und Frequenz) auf eine Bezugseinheit, deren Bevölkerungszahl im Bereich des Sechs- oder Siebenstelligen liegt, anders aus als auf eine Bezugseinheit, deren Mitglieder – wie im Falle sogenannter Primitivkulturen – oft nur nach Hunderten425, Tausenden oder Zehntausenden zählen.426

ee) Die ‚Größenordnung des Problems‘ Übersehen werden sollte im Anschluß an die Thematisierung spezifischer Gefährdungspotentiale und Gefährdungen auch nicht die ‚Größenordnung des Problems‘. Wert gelegt werden darf hier wiederholt auf die Feststellung, daß das sogenannte Faktum kultureller Verschiedenheit sich über die Vielfalt von Kulturen als Qualitäten definiert.427 Nimmt man die Information hinzu, daß Mühlmann bereits vor über sechzig Jahren dahin kam, den statistischen Anteil sogenannter Primitivkulturen an der Gesamtmenschheit mit etwa 6% zu veranschlagen428 und kalkulierten Bestand als das Ergebnis eines ungeheuren Schwundvorganges zu bezeichnen429 – aktuellere Schätzungen dieses Anteils durch Maybury-Lewis belaufen sich auf 4%430 –, so mag man in sich jenes Gefühl des Nihilismus, wie es für das ausgehende 19. Jahrhundert kennzeichnend war431, wiederbeleben, zugleich aber auch ermessen, was letztlich mit dem Te___________ 425 Nicht verhehlt werden mag bei dieser (oder einer gar noch geringeren) Größenordnung das weitere Problem einer „teilweisen Erschöpfung der genetischen Vielfalt“ (L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza 1993 / 1994: 44). 426 Vgl. hierzu auch Holenstein (1989: 238). 427 Siehe oben, die Argumentation vor Fußnotennummer 260, Seite 296 f. 428 Vgl. Mühlmann (1943: 18). [Bemessenskriterium war die Bevölkerungszahl.] Womit nicht mehr als einer rohen Schätzung entsprochen sein konnte, die indessen – selbst unter den nochmals gewandelten Gegebenheiten der heutigen Zeit – den Zweck erfüllt, eine mindestens ungefähre Vorstellung von den entsprechenden Verhältnissen zu geben. Vgl. hierfür auch Mühlmann (1962 a: 274) sowie ders. (1962 b: 182). 429 Vgl. Mühlmann (1943: 18). (Siehe für eine Auflistung der Einzelerscheinungen dieses Schwundvorganges ebd.: 19 f.) 430 Vgl. Maybury-Lewis (1992: 15 (= Tabelle)). [Bemessenskriterium war auch hier die Bevölkerungszahl.] 431 Vgl. auch hierfür nochmals Mühlmann (1943: 18).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

los von der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ aus jüngster Perspektive auf dem Spiele steht: Das Kernproblem – um dies klarzustellen – besteht nicht in der ständigen Transformation kultureller Gebilde seit Beginn der Menschheitsgeschichte (in einem Prozeß mit anderen Worten, welcher deren fallweises, unumkehrbares Verschwinden einschloß, einschließt und einschließen wird)432; sondern das Kernproblem – angesichts der Dynamik und Profundität weltweiter Veränderung – besteht in der Gefahr der Transformation eines ganzen Typus von Kulturen, und so des unumkehrbaren Verschwindens einer gesamten Kategorie kultureller Qualitäten. Die Verwischung dieser Differenz qua pauschalisierender Gleichsetzung – also durch die Darstellung, das, was sich heute abspiele, sei die immergleiche Reproduktion dessen, was sich seit Menschengedenken in der Welt ereigne – verkennt das tatsächliche (beispiellose) Ausmaß des in unserer Epoche im Gange Befindlichen.433 Vor allem aber kann solche Nivellierung heute – sicher unter der Voraussetzung, daß die Lévi-Strauss’schen Prämissen gelten – nicht mehr nur als fahrlässig bezeichnet werden; sondern heute handelte es sich dabei dann um einen wahrlich kriminellen intellektuellen Akt.

Das Eintreten letzteren Falles also markierte das Noch-nicht-Dagewesene.434 Dementsprechend liegt auch der eigentliche Grund legitimer Beunruhigung darin, daß bezeichnete Gefahr allzu häufig außerhalb des Gesichtskreises (nicht eben zuletzt des wissenschaftlichen) bleibt. Zu befürchten steht darüber hinaus die Unmerklichkeit, mit der die Möglichkeit des Eintretens bezeichneten Falles Realstatus erlangt. Den durch und durch unspektakulären Charakter des Verschwindens sogenannter Primitivkulturen muß man in dem Umstand begründet sehen, daß sich dieses Geschehen heutzutage als ein im wesentlichen ethnischer bzw. kultureller bzw. soziologischer Vorgang vollzieht: in Form des Aufgehens sogenannter Primitivkulturen in ethnisch bzw. kulturell bzw. soziologisch größeren Komplexen.435 Vorhandene Tendenzen zu relativer, lokaler Autonomie verlagern sich dabei auf sehr kleine Sozialgebilde innerhalb dieser

___________ 432 a: Ein gewichtiger und unter zahlreichen Aspekten beleuchteter Topos der Forschungen Mühlmanns. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auf Mühlmann (1962 a; in Teilen) sowie (1964). b: Verwiesen sei im selben Zusammenhang speziell auch noch darauf, daß diese Dynamik – was jedenfalls historische Zeiträume betrifft – keineswegs beschränkt war auf das Verhältnis zwischen „Zivilisierten“ (sogenannten Hochkulturen) und „Primitiven“; vielmehr waren es „Primitive“ verschiedenen ökologischen Typs, welche in der überwiegenden Zahl der Fälle einander entgegenstanden (vgl. Mühlmann 1962 a: 361); vgl. hierzu auch Mühlmann (1962 a: 388). 433 Analoges (eine Analogisierung ist hier gestattet) beobachtet man nicht selten bei der Interpretation des weltweiten Rückgangs an Vielfalt im Bereich der biologischen Arten. 434 Ein Fall, den Mühlmann (1962 a: 407) offensichtlich für beschlossene Sache hielt: „Die Naturvölker als solche werden im Zivilisationsprozeß eingeschmolzen.“ – Indirekt entspricht dies auch der Auffassung Jettmars (1973), wenn er äußert, für deren Zukunft ließen sich nur negative Perspektiven gewinnen (vgl. ebd.: 73). 435 Vgl. hierzu auch nochmals meinen ‚Prolog‘, Seite 26, Fußnote 25 a.

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größeren Komplexe, das heißt, sie verwirklichen sich etwa in Familie, Nachbarschaft, Wohnviertel oder Dorf.436 – Ein anderes Problem in diesem Zusammenhang besteht zweifellos darin, daß man sich angesichts des (oben erwähnten) geringen statistischen Anteils sogenannter Primitivkulturen an der Gesamtmenschheit – deren Quantität also – häufig über ihre Bedeutung – deren Qualität also – hinwegtäuscht. Wie die bisherigen Reflexionen gezeigt haben, geschieht dies jedoch zu Unrecht, kann also im Hinblick auf den „primitiven“ Kulturtypus gerade nicht von einer vernachlässigbaren Größe gesprochen werden.

So wäre es denn in der Tat denkbar, daß der Beginn einer neuen, bislang ungekannten Entwicklung, ja in gewisser Weise geradezu (und dies keineswegs nur aus Sicht von Kulturphilosophie, Kulturanthropologie und Ethnologie) der Beginn einer neuen Zeitrechnung eingeläutet würde, ohne daß weite Kreise der „zivilisierten“ Welt davon ernsthaft Kenntnis nähmen.

c) Abschließende Überlegungen, auch Klarstellungen aa) Aufklärung kein Plädoyer Die unter drei Leitfragen aufgenommene und dann auch weitergeführte Auswertung Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen erfolgte nicht in erster Linie mit einem praktischen Interesse. Aufgenommen und dann auch weitergeführt wurde sie primär in dem Bemühen um Aufklärung. Jeweils leitend dabei war die Überlegung, daß – wenn die Erhaltung bestimmter Werte für bedeutsam angesehen wird (was die Lévi-Strauss’schen Bekenntnisse und Reflexionen nahelegen) – bestimmte Dinge beachtet werden, ja bestimmte Dinge sich ändern sollten oder müßten (einfach damit letztlich diese Werte auch tatsächlich erhalten bleiben). Dies darf nicht in unbilliger Weise aufgefaßt werden: Keineswegs, weder direkt noch indirekt, enthält ein solches Argumentationsschema die Missive, daß man bestimmte Dinge ändern sollte oder müßte. Eine um Aufklärung bemühte Ausführung ist – um dies abschließend klarzustellen – noch keine bzw. schlicht anderes als eine Befürwortung, noch keine bzw. schlicht anderes als eine Aufforderung.437

___________ 436 437

Vgl. hier Mühlmann (1962 a: 407). Vgl. für ein analoges Argumentationsschema Lévi-Strauss in Spiegeldt: 97.

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bb) Verlust „primitiver“ Lebensformen unter dem Wissensaspekt nur bedingt kompensierbar (Appendix zur ersten Leitfrage: der Frage nach dem Sinn und Zweck der ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘438) Eines der jüngsten und wohl zugleich auch eindrücklichsten Beispiele dafür, daß der mit dem Verschwinden sogenannter Primitivkulturen einhergehende Vorgang einer Verschüttung spezifischen Wissens nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte, scheint die am 26. Dezember 2004 durch einen Tsunami ausgelöste Überschwemmungskatastrophe an den Küsten Südostasiens zu bieten. Die soweit verfügbaren Informationen jedenfalls deuten darauf hin, daß die vergleichsweise geringen menschlichen Verluste auf den Andamaneninseln im wesentlichen dem Umstand geschuldet waren, daß die betreffenden Ethnien nicht nur der Flutwelle vorausgegangene Meeresveränderungen sowie Verhaltensauffälligkeiten von Tieren bewußt registrierten, sondern daß sie diese auch mit Blick auf ihre eigene Situation überlebensdienlich zu interpretieren wußten. Das genannte Beispiel erweist sich zudem als geeignet, um die Aufmerksamkeit auf ein in Mode gekommenes Mißverständnis zu lenken. Schildern will ich zu diesem Zweck eine Textsequenz aus Breidenbach / Zukrigl439. Beide Autorinnen konstatieren zunächst und völlig richtig: „In dem Moment, in dem Lebensformen verdrängt werden und verschwinden, geht kulturelles Wissen verloren.“440

Sodann aber stellen sie auch wiederum fest: „Obwohl viel Wissen dem globalen Wandel zum Opfer fällt, nimmt der weltweite Fundus an Wissen insgesamt zu. Wissenschaft geht mit einem enormen Wissenszuwachs einher, und einer Theorie zufolge verdoppelt sich die dem Menschen zugängliche Information alle sechs Jahre. Durch Institutionen wie Archive, Museen und Schulen geht immer weniger Wissen verloren, und neue Kommunikationstechnologien wie das Internet erleichtern den Zugriff auf Information.“441

Erzeugt wird im an zweiter Stelle zitierten Passus der Eindruck, als ließe sich durch Effektivierungen auf institutioneller und kommunikationstechnologischer Ebene der mit der Verdrängung bzw. dem Verschwinden von Lebensformen einhergehende kulturelle Wissensverlust zumindest partiell wettmachen. – Unter manchen Aspekten ist dieser Eindruck sicherlich zutreffend, unter manch anderen Aspekten jedoch trügt er (ein jeweiliger Widerschein des angesprochenen Mißverständnisses). Die entsprechenden Erläuterungen dazu sollen nachfolgend gegeben werden. ___________ 438 439 440 441

Siehe oben, Seite 259 bzw. 315. Breidenbach / Zukrigl ([1998] 22000). Ebd.: 232; keine Hervorhebungen im Original. Ebd.: 233; keine Hervorhebungen im Original.

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Abgesehen davon, daß Breidenbach / Zukrigl durch ihre Formulierungen eine unzulässige Gleichsetzung von Wissen und Information zumindest begünstigen442, kann besagter Eindruck überhaupt nur entstehen aufgrund einer undifferenzierten Verwendung des Wissensbegriffes in den zitierten Passagen. Wenn man (wie dies die Autorinnen tun) auf der einen Seite Wert legt auf die Feststellung, daß die Verdrängung bzw. das Verschwinden von Lebensformen kulturellen Wissensverlust bedeutet, und auf der anderen Seite Wert legt auf die Feststellung, daß der menschheitliche Wissensfundus nichtsdestoweniger im Wachsen begriffen ist, so sollte dabei spezifiziert werden (eben dies wird von den Autorinnen unterlassen), was damit jeweils nur gemeint sein kann: Der im letzteren Sinne gebrauchte Wissensbegriff stellt im wesentlichen ab auf eine theoretische Form des Wissens sowie auf Wissen, das – losgelöst von seinen Trägern und gespeichert in diversen Medien – allgemein und frei verfügbar ist (in Informationsform), ohne daß es deshalb auch schon allgemein begriffen wäre oder sein müßte.443 Der im ersteren Sinne gebrauchte Wissensbegriff stellt hingegen ab auf eine Form des Wissens, welche an eine bestimmte „primitive“444 Lebensform gekoppelt bleibt und neben einer theoretischen immer auch aus einer praktisch-pädagogischen, einer teleologischen (was jeweils schon Malinowski wußte445) sowie einer situativen Komponente besteht, wobei die Zusammengehörigkeit der einzelnen Komponenten kennzeichnend ist. Erhellen sollte daraus, daß jeder archivierende, museal konservierende, in Klassenzimmern unterrichtende oder auf elektronischen Datenträgern speichernde Umgang mit lebensformgebundenem, „primitivem“ Wissen selbiges prinzipiell nur insoweit zu erfassen vermag, wie es sich eben anhand der für solchen Umgang typischen Parameter erfassen läßt. Mit anderen Worten: Was unter solchen Umständen von einem lebensformgebundenen, „primitiven“ Wissen verfügbar gemacht werden und so in andere Kulturen Eingang finden kann, ist ein analytisch verkürzter Anteil. Allein dieser kann gerettet und so gewissermaßen ausgeglichen werden. Mit der Art des bezeichneten Umgangs ist ein Wissensverlust also prinzipiell gegeben; auch könnte man sagen: die Art des bezeichneten Umgangs programmiert einen Wissensverlust prinzipiell vor. Sozusagen handelt es sich bei besagtem Umgang um eine Form von strukturell bedingter Komplexitätsreduktion. Allerdings sollten diese Feststellungen auch wieder richtig eingeordnet werden: Nicht richtet sich die Kritik gegen die Art des bezeichneten Umgangs (wie sollte dieser auch anders erfolgen!), sondern die Kri___________ 442

Vgl. für eine nützliche Klärung des Begriffsfeldes etwa Mittelstraß ([1992] 1996: 226 f.). 443 Vgl. auch hier Mittelstraß ([1992] 21996: 231). 444 Sinngemäß dafür bei Breidenbach / Zukrigl (vgl. dies. [1998] 22000: 233): ‚indigene‘ (wenngleich die Autorinnen den Begriff sachlich weiter als in dem von mir fokussierten Sinne fassen; vgl. ebd.). 445 Vgl. Malinowski (1944 / 1975: 50 f.).

2

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tik richtet sich gegen das weithin fehlende Bewußtsein von den immanenten Leistungsgrenzen desselben. Eine diesbezügliche Sensibilisierung ist es folglich, die es anzustreben gilt. Daß umgekehrt der sich jeweils als transferierbar erweisende Wissensanteil – wie sehr er im einzelnen auch analytisch verkürzt sein mag – einen unschätzbaren Wert darstellt (oder zumindest darstellen kann446), darüber braucht nicht gestritten zu werden. Nur in einer sehr bedingten Weise triftig ist der Kompensationsgedanke aber auch noch aus einem anderen Grund: Der institutionell und kommunikationstechnologisch bewahrende Umgang „Zivilisierter“ mit an „primitive“ Lebensformen gekoppeltem Wissen zeichnet sich gezwungenermaßen aus durch Rückwärtsgewandtheit – das heißt dadurch, daß zu einem je gegebenen Zeitpunkt ein „Schnitt“ durchgeführt und so ein bestimmtes Wissen automatisch auf dem Stand der jeweils jüngsten Vergangenheit „eingefroren“ wird. Verloren ist, was auf solche Weise – und ungeachtet aller denkbaren und möglichen Aktualisierungen – sich bewahren läßt, sicher nicht. Was aber im Zuge der Anwendung moderner Methoden bei gleichzeitiger Verdrängung „primitiver“ Lebensformen „durch die Lappen“ geht, ist all jenes Wissen, das im Rahmen solcher Lebensformen in Gegenwart und Zukunft noch gebildet würde. Denn in dem Punkt, um wiederholt darauf hinzuweisen, sollte man nicht irren: Auch sogenannte Primitivkulturen unterliegen einem Wandel in der Zeit (heute mehr und augenfälliger denn je), und ungeachtet ihrer hohen Überlieferungskonstanz447 änderte sich deshalb auch deren lebensformtypischer, eigener Wissensschatz beständig. Übrig bleiben schließlich noch in einer dritten Hinsicht Bedenken: Der institutionell und kommunikationstechnologisch bewahrende Umgang „Zivilisierter“ mit an „primitive“ Lebensformen gekoppeltem Wissen zeichnet sich bereits innerhalb des ihm allein zugänglichen Bereichs aus durch Selektivität. Wirklich erschöpfend kann er (selbst innerhalb dieses Bereichs) gar nicht sein; es setzte dies – was anzunehmen illusorisch wäre – restlose Aufgeklärtheit bezüglich aller menschheitlich nur denkbaren Bedürfnisse, Motive und Zwecke (vergangener, gegenwärtiger sowie künftiger)448 voraus. Sozusagen manifestiert sich also über die Art des bezeichneten Umgangs noch eine weitere Form von strukturell bedingter Komplexitätsreduktion. – Die entscheidenden erkenntnis___________ 446

Dahingehende „Vorgriffe“ vom Charakter einer abschließenden Wertung verbieten sich. Bekannt sein müßten dafür – was schlechterdings unmöglich ist – alle menschheitlich nur denkbaren Bedürfnisse, Motive und Zwecke: vergangene, gegenwärtige, auch künftige. (Siehe näherhin dazu dann meine unten auf dieser Seite anhebende Ausführung: in einer dritten Hinsicht zu formulierende Bedenken.) 447 Vgl. hierzu wiederholt meinen ‚Prolog‘, Seite 31, vor Fußnotennummer 49. 448 Erhellend hier: Lipps dramatologische Konzeptualisierung von Kultur. Siehe dafür ders. (1984) und (1988).

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theoretischen Argumente, welche die Unmöglichkeit eines diesbezüglich exhaustiven Vorgehens449 bekräftigen, seien hier mit Schwemmer formuliert: „Unsere Vorstellungen sind viel zu ungenau, als daß sie zum unmittelbaren Vergleich mit der tatsächlichen Wirklichkeit taugen würden.“450 „Sie müßten die Geschichtlichkeit und also Kontingenz der durch sie in Gang gebrachten Entwicklungen bereits vorwegnehmen und in sich aufnehmen können. Oder aber sie müßten in einer Allgemeinheit verbleiben, die durch nahezu jede Entwicklung erfüllt werden könnte. Das erste ist aber unmöglich. Das zweite bezeugte nur ein opportunistisches oder dogmatisches Arrangement dürftiger Vorstellungen mit einer kärglichen Wirklichkeit.“451

Wenn aber unsere praktischen Erfahrungen eine Wirklichkeit zeigen, die konkreter ist, als unsere Vorstellungen zu sein vermögen452, so impliziert dies hinsichtlich der diskutierten Problemstellung: Welches ethnienspezifische Wissen über die betreffende Ethnie hinaus zu einem bestimmten (in der Zukunft liegenden) Zeitpunkt relevant werden könnte oder würde, ist ex ante nicht zu entscheiden. Dies zeigte sich erst in jeweils konkreter Situation. – Das Resümee daraus kann entsprechend nur lauten: Solange der Menschheit daran gelegen ist, den Verlust „primitiver“ Wissensressourcen so gering als möglich zu halten, können Fortschritte im Bereich der institutionellen und kommunikationstechnologischen Wissenskonservierung – wie begrüßenswert diese für sich betrachtet auch sein mögen – keinen Anlaß zur Beruhigung bieten; vielmehr käme es unter besagter Zielsetzung wesentlich darauf an, jene Bedingungen sorgsam im Auge zu behalten, die gewährleisteten, daß sogenannte Primitivkulturen gelebte – und nur so eben auch hinsichtlich ihres unausschöpflichen Wissens erfahrbare – Wirklichkeit bleiben.

cc) Was Selbstbestimmung „primitiver“ Kulturen bedeutet, was sie nicht bedeutet und was den Rekurs auf sie verdächtig macht (Appendix zur zweiten Leitfrage: der Frage nach der Form, in der die der Menschheit noch verbliebenen „primitiven“ Kulturen fortzuexistieren gedacht sind453) Wichtig scheint es auch zu betonen, daß die Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen als intakter Qualitäten (unter den in der Welt von ___________ 449

Wie gesagt: Bezogen allein auf den institutionell und kommunikationstechnologisch zu einem je gegebenen Zeitpunkt erfaßbaren Wissensanteil! 450 Schwemmer (1986: 85). 451 Ebd.: 67. 452 a: Vgl. ebd.: 68. b: Vgl. in genau diesem Zusammenhang auch F. W. Kramer ([1977] 21981: 8). 453 Siehe oben, Seite 259 bzw. 315.

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heute waltenden und stete Anpassung fordernden Bedingungen) – falls sie als Desiderat begriffen wird – keinesfalls unvereinbar ist mit der modernen Forderung nach Selbstbestimmung. Allerdings sollte, wenn davon die Rede ist, auch geklärt sein, was sinnvollerweise nur unter Selbstbestimmung verstanden werden kann: Selbstbestimmung setzt – will die Kennzeichnung nicht zur Farce verkommen – voraus, daß die eigene ethnische Identität mit den für sie konstitutiven Traditionsbestandteilen (etwa dem eigenen Situiertsein in der Zeit454) nicht mangels Aufklärung (und also leichtfertig) aufs Spiel gesetzt wird; oder unterlaufen wird. Entsprechend auch zeichnet sich selbstbestimmte Identität dadurch aus, daß sie bereits im Vorfeld abzuschätzen versucht, worauf fallweise sie sich einläßt. Dazu gehört nicht zuletzt (um mit Pothast zu formulieren) „das einleuchtende Ordnen der Ziel-Überzeugungs-Konstellation (die Konsistenzforderung in einem weiten Sinn), das Erwägen der Folgen und Nebenfolgen für die einzelnen Alternativen, das Erwägen von Entscheidungskosten wie von Veränderungskosten bei neu sich anbietenden Handlungslinien“455.

Einen einigermaßen wirksamen Schutz kann ein solches Verständnis von Selbstbestimmung vor „trojanischen Pferden“ bieten, die in der Diskussion nicht eben selten sind. In diesem Zusammenhang ist das (bei rechtem Licht besehen) entlarvende Beispiel Breidenbachs / Zukrigls zu erwähnen, die von der „offensichtlichen Faszination indigener Völker für die Waren des Westens“456 sprechen, wo es richtig doch „durch die Waren des Westens“ heißen müßte.457 Als ob sich über diesen Vorgang – das faktische Affiziertsein der Angehörigen vieler sogenannter Primitivkulturen von diesen Waren – schon so etwas wie Selbstbestimmung artikulierte (der Eindruck, den doch beide Autorinnen erzeugen)! Bringen die betreffenden Individuen, indem sie sich willfährig und unreflektiert der Faszination hingeben, nicht weit eher zum Ausdruck, wie sehr bereits sie den ‚Stempel der Heteronomie‘458 tragen? Hier ist erneut Pothast zu zitieren: ___________ 454

Einschließlich der entsprechenden Implikationen. Siehe nochmals oben, Seite 322 f., die Argumentation um die Fußnotennummern 369-371; und den darauf folgenden Untertext, Seite 323. 455 Pothast (1998: 247). 456 Breidenbach / Zukrigl ([1998] 22000: 168; keine Hervorhebung im Original). 457 a: Die ‚Waren des Westens‘ figurieren sozusagen als das ‚Fascinans, das Lokkende‘ (Mühlmann 1936: 320). [Mit seiner Beschreibung des Fascinans als eines Elements des Numinosen knüpft Mühlmann an die Arbeiten des Religionsphilosophen und Theologen Rudolf Otto an (vgl. Mühlmann 1936: 319 f.; auch ders. 1938 a: 140).] b: Ein (dem berichtigten) prinzipiell analoges Wirkungsverhältnis wird rekonstruierbar aus Kants Exposition des ‚Erhabenen‘: Dieses ruft in uns ein bestimmtes Empfinden hervor, indem es „durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittelbar gefällt“ (KU, 1790: V, 267; keine Hervorhebung im Original). 458 Den Ausdruck entlehne ich Mühlmann (1964: 207; keine Hervorhebung im Original).

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„Es ist schwerlich autonom, einfach zu tun, was man im jeweiligen Moment am stärksten will. Das Bedürfnis der Person nach langfristigem Richtig-Finden ihres eigenen Handelns in überpersönlicher Perspektive und das Integrieren der einzelnen Handlungen zu einer selbst gebilligten Gestalt stehen als erstes (nicht einziges) dem entgegen. Es ist ebenso schwerlich autonom, eine einmal eingeschlagene Hauptlinie eigenen Handelns gegen skeptische, unbefriedigte, enttäuschte Stellungnahmen des eigenen Innengrunds überlegungslos beizubehalten, indem man diese Voten gar nicht zur Kenntnis nimmt.“459

Was vor allem – so wäre in Fortführung des Gedankengangs zu fragen –, wenn angesichts einer früher oder später sich vielleicht doch noch einstellenden Gewärtigung skeptischer, unbefriedigter, enttäuschter ‚Spürensvoten‘460 eine Wiederanknüpfung an die jeweilige traditionelle Lebensform als Alternative nicht (oder nicht ohne weiteres) mehr offenstünde? – So scheint denn zumindest sehr viel dafür zu sprechen, daß die Selbstbestimmung sogenannter Primitivkulturen sich nicht dort erfüllt, wo man deren häufige Fasziniertheit durch die ‚Waren des Westens‘ von außen fördert. Eine diesbezügliche Zurückhaltung und Vorsicht muß sich deshalb auch nicht schon des Paternalismus zeihen lassen.461 Dasselbe gilt übrigens nicht nur für eine entsprechende externe Zurückhaltung und Vorsicht, sondern umgekehrt auch für bestimmte Formen externer Einmischung: Externe Einmischung ist unter der Voraussetzung wünschenswert – da im Sinne sogenannter Primitivkulturen selbstbestimmungsrelevant (und also nicht schon paternalistisch) –, daß sie in einer gegenüber den jeweiligen ‚Honoratioren‘462 von Anstand getragenen, respektvollen, das heißt wohl veranlaßten, wohl begründeten, vor dem Hintergrund der eigenen Existenz glaubwürdigen und als Option erkennbaren Form geschieht. Unausschaltbar ist dabei sicher das Problem der „Chemie“ in den persönlichen Beziehungen, ferner der auf seiten sogenannter Primitivkulturen lastende Bestand von Erinnerungen an frühere oder zeitgenössische Formen unziemlicher externer Einmischung. Wo je sich brüske Zurückweisungen ereignen, sollte zudem erwogen werden, ob Einmischungen nicht leichter angenommen würden, wenn sogenannte Zivilisierte selbige auch im Gegenzug tolerierten, vielleicht sogar begrüßten.463 Der sich über Verweigerungshaltungen möglicherweise Ausdruck verschaffende Anspruch von Angehörigen sogenannter Primitivkulturen, als gleichberechtigte Partner (statt vornehmlich als Mittel zum Zweck „zivilisierter“ Selbstbestätigung) angesehen und behandelt zu werden, wäre mehr als legitim; nicht zuletzt erwiese er sich für die sogenannten Zivilisierten – in wenngleich ungewohnter Form – als Prüfstein für die Beherzigung des praktischen Imperativs Kants, demzufolge die Menschheit sowohl in der eigenen Person als auch in der Person eines

___________ 459

Pothast (1998: 247, Fußnote). Die Verwendung speziell dieses Begriffs entlehne ich dem Sprachgebrauch (wiederum) Pothasts (vgl. ders. ebd.: 261 ff.). 461 Vgl. auch hier Breidenbach / Zukrigl ([1998] 22000), ebd.: 168. 462 Vgl. Koepping (1993: 116). 463 Gewissermaßen einzuwilligen wäre also auf seiten der „Zivilisierten“ in die Aufnahme einer nicht gerade vertrauten Übung! Vgl. hier auch Miegel ([2000] 52006: 215). 460

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jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel zu brauchen wäre464.465

Welch letztlich verdächtige Art von Selbstbestimmung Breidenbach / Zukrigl im Hinblick auf sogenannte Primitivkulturen vorschwebt, kommt auch dort zum Vorschein, wo sie sich in doch sehr einseitiger, um nicht zu sagen tendenziöser Weise auf die Darstellung der „Schattenseiten“ sogenannter primitiver Lebensformen verlegen. (Von den Autorinnen nacheinander aufgelistet werden:466 geringe allgemeine Lebenserwartung; Kindstötung als Methode der Bevölkerungskontrolle; harte körperliche Arbeit; niedriger Lebensstandard; Verzicht auf individuelle Wahlmöglichkeiten, Rechtssicherheit, Bildung und Teilnahme am politischen Leben; enges Sozialgefüge mit rigider Kontrolle, Konformitätszwängen und Repression von Andersartigkeit.) So berechtigt diese Darstellung – als Kritik gedacht – einerseits ist467, so mißachtet sie andererseits doch zwei fundamentale Daumenregeln468, deren Beachtung unerläßlich erscheint, um eine von Sachlichkeit und Fairneß getragene (statt eine in die Denigration mündende) und nur so letztlich im Hinblick auf sogenannte Primitivkulturen auch selbstbestimmungsdienliche Auseinandersetzung auf den Weg zu bringen: – Die erste fundamentale Daumenregel lautet: Jede Gesellschaft ist auf der Grundlage ihrer eigenen Voraussetzungen zu beurteilen.469 – Die zweite fundamentale Daumenregel lautet: Keine Gesellschaft ist als grundlegend gut oder als grundlegend schlecht anzusehen; denn jede Gesellschaft bietet ihren Mitgliedern gewisse Vorteile, und in jeder gibt es gewis___________ 464

Vgl. Kant (GMS, 1785: IV, 429). Vgl. hier auch Holenstein (1994 b: 301). 466 Siehe dies. ([1998] 22000: 167 f.). [Dabei zum Teil unter (nicht näher spezifizierter) Berufung auf Habermas, Wilber u. a.] 467 Vgl. etwa unter dem Stichwort ‚Kindstötung‘ die Äußerung Meads (1972 / 1978: 169) angesichts ihrer Erfahrungen bei den Mundugumor: „Frauen wollten Söhne haben und Männer Töchter, und Babies, die das falsche Geschlecht hatten, wurden lebend, in Rindenstoff gewickelt, in den Fluß geworfen. Die Leute waren imstande, das Bündel aus dem Wasser zu ziehen, nach dem Geschlecht des Babys zu schauen und es wieder wegzuwerfen. […]. Es schien mir auf der Hand zu liegen, daß eine Kultur, die in dieser Weise Kinder ablehnte, keine gute Kultur sein könne […].“; oder unter dem Stichwort ‚enges Sozialgefüge‘ das auch vielen „Zivilisierten“ hinlänglich bekannte Phänomen: „Je kleiner das Dorf, um so größer die Hölle.“ (Spanisches Sprichwort, zitiert nach Mühlmann 1984: 254.) 468 Den Ausdruck ‚Daumenregel‘ verwende ich in Anlehnung an Holenstein (1994 b: 288-290). 469 Vgl. hierzu etwa Mühlmann (1964: 111 f.). [Siehe für die (mit Lévi-Strauss) immanente Grenze der Gültigkeit dieser Regel dann gleichwohl noch unten, Seite 375 f. (Punkt 3).] 465

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se Rückstände an Ungerechtigkeit, deren Bedeutung ungefähr konstant erscheint.470 Wo diese Daumenregeln Beachtung fänden471, würde eine Thematisierung der „Schattenseiten“ sogenannter primitiver Lebensformen nicht in Ausschließlichkeit erfolgen; sie wäre arrondiert durch eine Thematisierung auch deren „Sonnenseiten“472. Welche es nicht zu verwechseln gilt mit romantisierenden, der Realität entbehrenden Projektionen.473 – Schief, um dies zu bemerken, würde das vermittelte Bild nicht nur dort, wo die Wahrnehmung allein zwischen „Schattenseiten“ und Projektionen zu unterscheiden wüßte474; sondern schief würde das vermittelte Bild etwa auch dort, wo die Ausführung mit den „Sonnenseiten“ sogenannter primitiver Lebensformen begänne, um dann auch schon bei diesen stehenzubleiben. – Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung sollte in der Lage sein, zwischen allen drei Aspekten angemessen zu diskriminieren und sich dieser auch weitgehend ausgewogen anzunehmen.

Wo die genannten Daumenregeln Beachtung fänden, würde außerdem die Konsequenz, mit der man die Thematisierung der „Schattenseiten“ sogenannter primitiver Lebensformen betriebe, sich erstrecken auf die Thematisierung auch der „Schattenseiten“ sogenannter zivilisierter Lebensformen, an denen ebensowenig Mangel herrscht.475 Es mag nur abgedroschen klingen: Ausreichend Be___________ 470 Vgl. hierzu Lévi-Strauss in StAI: 360 / AStI: 367; siehe entsprechend auch TT: 381 / TrTr: 446 f. [Siehe für die (mit Lévi-Strauss) immanente Grenze der Gültigkeit dieser Regel – auch hier dann wiederum – noch unten, Seite 375 f. (Punkt 3).] 471 Zur Kenntnis nehme man in diesem Zusammenhang auch das von Holenstein (1994 b: 293) formulierte ‚Natürlichkeitsprinzip‘: „Bevor man Menschen aus einer anderen Kultur sinnloses, unnatürliches, unmenschliches oder unmündiges Verhalten und entsprechende Wertvorstellungen unterstellt, zweifelt man fürs erste besser an der Zulänglichkeit des eigenen Verstandes und Wissenshorizontes.“ 472 Vgl. unter diesem Aspekt etwa nochmals meine Zitation Feyerabends auf Seite 255 (einschließlich der in der dazugehörigen Fußnote gemachten Anmerkungen). 473 a: Hier liegen Breidenbach / Zukrigl ([1998] 22000: 167 f.) durchaus richtig. b: Der „Gassenhauer“ unter den Projektionen ist wohl die Stilisierung sogenannter Primitivkulturen zu „Öko-Heiligen“ (vgl. hier durchaus auch Lévi-Strauss in BA: 16 / SB: 16!). Siehe zur Unangemessenheit dieser Sicht nochmals meine Bemerkungen im Untertext auf Seite 331 (dort speziell vor Fußnotennummer 404 einschließlich Fußnote 404 a und 404 b) sowie auf Seite 332 (dort speziell die Fußnoten 412 und 413). [Vgl. gleichwohl dann auch nochmals – zum Zweck der Vermeidung einer ins gegenteilige Extrem verfallenden Auffassung – Seite 332 f. (dort die Hinweise um die Fußnotennummern 412-416 zuzüglich des Hinweises in Fußnote 414).] 474 Dies im wesentlichen ist es, was ich Breidenbach / Zukrigl ([1998] 22000: 166 ff.) ankreide. 475 a: Von Holenstein (1994 b: 295) gekennzeichnet als ‚Nos-quoque-Regel (‚Auchwir‘-Regel)‘. – Argumentiert nicht in diesem Sinne bereits Montaigne? Vgl. ders. ([1580] 1988 / 1998: 113). b: Das zugrundeliegende Problem angemessenen interkulturellen Vergleichens war bereits Gegenstand der Erörterung. Siehe nochmals oben, Seite 218 f.

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sinnungsstoff bieten könnten hier – dies bei noch unvollständiger Lese (und zu schweigen von „zivilisierten“ Kriegs- und Bürgerkriegsszenarien) – die Wirtschaftsmagnaten (deren Rigorismus und Empathielosigkeit), die Langzeitarbeitslosen (deren Defätismus und Lethargie), die Nichtseßhaften (deren Verwahrlosung), die Suizidanten (deren Sinnlosigkeitsgefühl und Verzweiflung), die Verkehrsopfer und Verkehrstoten (deren Zurichtung); das allgemein in Zunahme begriffene Empfinden von „Öde und Leere (bei gleichzeitiger innerer Rastlosigkeit)“476.477 – Eine Beachtung der genannten Daumenregeln machte sich schließlich im Kontext der Menschenrechtsdiskussion bemerkbar: in Form eines weniger prätentiösen Fortschrittsverständnisses. Mit der nötigen Umsicht und Bescheidenheit artikuliert findet es sich etwa bei Holenstein: „Zu weltweiter Einhaltung verhilft man den Menschenrechten nicht dadurch, daß man sie überall in der gleichen Weise und in derselben formalrechtlichen Gestalt, wie sie sich im Westen durchgesetzt haben, durchzusetzen drängt.“478

___________ 476

Rosa (2005: 388). Als von unverminderter orientierender Bedeutsamkeit erwiese sich hier immer noch Heideggers Scheidung des ‚rechnenden Denkens‘ vom ‚besinnlichen Nachdenken‘ (vgl. 1955: 13) bzw. die an ersteres geknüpfte Gefahr eines gehetzten Lebens (vgl. ebd.), auch eines Verbogen-, Verwirrt- und Verödetwerdens (vgl. ebd.: 22 f.). 477 a: Vgl. außerdem mit nochmaligem Blick auf das bereits genannte Stichwort ‚Kindstötung‘ Lévi-Strauss in BF: 34 f. / RE: 33: „So abstoßend uns die Kindstötung auch geworden sein mag, sie unterscheidet sich als Methode der Geburtenregelung nicht grundlegend von der hohen Kindersterblichkeitsrate, die in den ‚reichen‘ Gesellschaften vorgeherrscht hat und in manchen noch heute vorherrscht, und von kontrazeptiven Methoden, deren Anwendung uns gegenwärtig unerläßlich erscheint, um Millionen oder Milliarden von Individuen das Schicksal zu ersparen, auf einem überbevölkerten Planeten geboren zu werden – ein nicht weniger beklagenswertes Los als das, das ihnen eine frühe Beseitigung beschieden hätte.“ Einen weiteren, im Kontext der genannten „Schattenseiten“ anführbaren Fall bildet LéviStrauss’ exemplifizierende Analogisierung von („primitiver“) Anthropophagie (‚Menschenfresserei‘) und („zivilisierter“) Anthropemie (‚Menschenauskotzung‘) in TT: 382 f. / TrTr: 447 f. [Vgl. hier auch noch TC.]; eine beispielgebende Fortführung dieser Analogisierung habe ich unternommen in Strehler (2004: 78 ff.). b: Vgl. insgesamt in diesem Zusammenhang auch Leiris (1951 / 1977: 110). 478 a: Holenstein (1994 b: 297 f.). – Gerade nicht so: Breidenbach / Zukrigl ([1998] 2 2000: 169). b: Es mag in speziell diesem Kontext noch eine Berichtigung angebracht erscheinen: Wenn W. Welsch ([1995] 32000) die Auffassung vertritt, das durch die europäische Kultur entwickelte Menschenrechtskonzept (vgl. ebd.: 746) sei „das einzige, welches sich die Frage, wie unterschiedliche Kulturen friedlich zusammenleben können – statt tödlich aufeinanderzustoßen –, überhaupt gestellt und eine Lösungsmöglichkeit dafür entwickelt hat“ (ebd.: 745; keine Hervorhebungen im Original), so verweist dies auf einen offensichtlich unzulänglichen Kenntnisstand. Im Gegenteil verfügt – wie zuerst Mauss den „Zivilisierten“ vor Augen zu bringen versuchte – auch die von pazifischen Völkern entwickelte interkulturelle Konzeption der Gabe über entsprechenden Antwort- bzw. Modellcharakter, vermag auch sie „Anspruch auf eine hochgradig konkrete (und [also gerade] nicht über europäisch-amerikanische Menschenrechte dekretierte) Universalität

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dd) Kontrollierbarkeit der Entwicklung dahingestellt (Appendix zur dritten Leitfrage: der Frage nach den für die ‚Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen‘ erforderlichen Bedingungen479) Die aus den kulturtheoretischen Positionen Lévi-Strauss’ rekonstruierbaren kritischen Entwicklungszustände (symbolisiert in den Polen der Stagnation und der Entropie bzw. Desintegration)480 stecken auch im Hinblick auf das Problem der Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen jenen Ermessensraum ab, innerhalb dessen die Möglichkeiten zur Lösung spezifisch deren kulturgenetischer Probleme zu suchen sind. Als bedeutende Akzentsetzungen in diesem Zusammenhang – im Sinne (näherhin) der Bereitstellung von Kriterien, an denen eine entsprechende Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen zwischen sogenannten zivilisierten und sogenannten primitiven Kulturen zu orientieren wäre – dürfen neben Lévi-Strauss’ Reflexionen über Erfordernis und Grenzen der Innovation481 auch seine grundsätzliche Auszeichnung der Erinnerung (als eines den jeweils eigenen Wertschöpfungen bzw. der jeweils eigenen Originalität verpflichteten Vorgangs)482 verstanden werden. Sinnverwandt, jedenfalls kompatibel sind die diesbezüglichen Lévi-Strauss’schen Standpunkte mit dem, was unter der Kennzeichnung ‚Romer’s Rule‘483 in die Sozial- bzw. Kulturwissenschaften Eingang fand. Besagter Regel zufolge sollte die Wahrung des Bestehenden den Hauptantrieb für Wandel bilden.484 Der Inhalt dieser Regel, der auf den ersten Blick leicht widersinnig anmuten mag, bezeichnet die Quintessenz einer ursprünglich von dem Paläontologen Alfred Sherwood Romer zur Erklärung der Evolution von Landwirbeltieren entwickelten Theorie. Zur knapp gefaßten Erläuterung des dahinter stehenden Sachverhalts: Was sich während des betreffenden Erdzeitalters (des Devons) evolutiv abspielte, war die allmähliche Entwicklung von Beinen aus Flossen, genauer gesagt, ein Anpassungsvorgang, der es in Wassertümpeln lebenden Tieren ermöglichte, unter Bedingungen saisonaler Trockenheit von im Verschwinden begriffenen Wassertümpeln zu noch vorhandenen anderen zu ___________ des Ethischen [zu] erheben“ (Därmann 2005: 87; Einschübe H.M.S.). Diesbezüglich relevante, resümierende Überlegungen Mauss’ finden sich unter ders. ([1923/24] 1973 / 1978: 181 ff.). [Um auf diesen letzten Seiten durchscheinende Bedingungen der Friedfertigkeit als eines zentralen Themas des Mauss’schen ‚Essays‘ weiß – abschließend gesagt – auch schon Elwert (1991: 159 f.).] 479 Siehe oben, Seite 259 bzw. 315. 480 Vgl. oben, Seite 290, den Text um die Fußnotennummern 219-221. (Und später.) 481 Vgl. oben, Seite 263 ff. 482 Vgl. oben, Seite 305 f. 483 Vgl. Kottak (1990: 723). 484 Vgl. ebd.

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gelangen; nicht befähigt waren diese Tiere deshalb schon zu einer vollen Existenz an Land.485 – Romers Verdienst im Hinblick auf die Interpretation dieses Sachverhalts bestand darin, erkannt zu haben, daß das neu evolvierte anatomische Merkmal – welches sich (im weiteren Verlauf der Evolution) für ein Leben an Land als essentiell erweisen sollte – eine terrestrische Lebensform im voll ausgeprägten Sinn unmittelbar noch keinesfalls erlaubte, sondern daß dieses Merkmal unmittelbar wesentlich dazu diente, eine phylogenetisch ältere Lebensform – die aquatische – weiterhin aufrechtzuerhalten.486 In einer verallgemeinerten Hinsicht will die Romer-Regel zweierlei besagen: einmal, daß in Anbetracht veränderter Gegebenheiten Anpassung und Wandel unumgänglich sind, wenn das Ziel darin besteht, ein traditionell Gegebenes (eine originäre Synthese, ob nun eine tierische oder eine menschliche Lebensform) zu bewahren; sodann aber auch, daß der Charakter von Anpassung und Wandel unter solchen Vorzeichen minimalistisch ist, will heißen, daß Anpassung und Wandel (und mithin die Berücksichtigung innovativer Momente) jeweils gerade so weit stattfindet, wie dies nötig ist, um dem eigentlichen Ziel der Konservierung zu dienen487. Eine Anwendung der Romer-Regel im Kontext ländlicher Entwicklungsprojekte beispielsweise zeichnet sich dadurch aus – um nun auch deren Übertragbarkeit zu demonstrieren –, daß die jeweils (nationalen oder internationalen Institutionen gegenüber) verantwortlich Zeichnenden wohl um die im Rahmen einer Projektumsetzung relevant werdenden technischen sowie finanziellen Probleme wissen, dabei jedoch nicht abstrakt bei diesen ansetzen; angestrebt wird die Entschärfung dieser Probleme in einer gewissen Weise vom anderen Ende her; präziser formuliert: es wird – gerade in Anbetracht des projektbedingt Unumgänglichen – versucht, den im einzelnen vorhandenen indigenen („primitiven“) kulturellen Praktiken und Sozialstrukturen, aber auch den Motiven und Bedürfnissen der im einzelnen betroffenen indigenen („primitiven“) Bevölkerung weitestmöglich Rechnung zu tragen.488 Auch könnte man sagen: Es wird in den darin liegenden Potentialen (positiv) die Chance zur Lösung der bestehenden Probleme wie aber (negativ) zugleich auch der Rahmen, innerhalb dessen man deren jeweilige Lösung zu finden hat – da die Betroffenen erfahrungsgemäß nur eine innerhalb desselben sich abzeichnende tolerieren resp. unterstützen –, gesehen.489 Eine solche Strategie setzt zum einen ein gründliches ___________ 485

Vgl. Romer ([1933] 41959: 94). Vgl. nochmals ebd.; in analoger Form auch ebd.: 327. Siehe hierfür außerdem erneut Kottak (1990: 723); daneben Bailey (1996: 322). 487 Vgl. Kottak (1990: 724). 488 Vgl. ebd.: 723 f. und 730. – Siehe dafür im einzelnen dann etwa Sussman / Green / Sussmann (1996: 310) oder Bailey (1996: 322 f.). 489 Vgl. Bailey (1996: 322). 486

V. Fernerliegende Assoziationen (I)

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Verständnis des jeweils vorgefundenen, anzupassenden kulturellen Systems (einschließlich seiner Repräsentanten bzw. Akteure) durch Ethnologen und Kulturanthropologen voraus490; und eine solche Strategie erfordert zum anderen die Integration, ja weit mehr noch: das Aktivwerden der jeweils betroffenen indigenen („primitiven“) Bevölkerung selbst.491 Nicht versäumt sei es in diesem Zusammenhang, auf verfügbare Evaluierungen hinzuweisen:492 Wie diese zeigen, befriedigt eine solche Strategie auf der Lokalebene keineswegs nur unter qualitativen Gesichtspunkten (also unter Gesichtspunkten der Lebensqualität für die Betroffenen); sie zahlt sich – buchstäblich – auch in quantitativen Parametern (im engeren Sinne: rationalistisch-ökonomisch) aus.493

Ein demgegenüber unbewältigtes (aber durchaus gewichtiges) Problem besteht freilich angesichts der Frage, wie an der Romer-Regel orientierte Möglichkeiten der Einflußnahme hinsichtlich ihres Wirkungsgrades im Globalmaßstab zu veranschlagen sind. Berührt ist mit diesem Problem die nicht mehr nur vom jeweiligen lokalen, sondern von einem entsprechend weiteren, auch anders dimensionierten Rahmen her leitende „Frage, inwieweit wir die Prozesse überhaupt so in der Hand behalten können, daß wir sie zu steuern vermögen“494 – wenn es sich denn so verhält, daß wir sie in einer bestimmten Weise steuern möchten. Mühlmanns Einschätzung und Erwägung aus dem Jahr 1962 darf hier – auch gut vier Jahrzehnte später noch – zu bedenken gegeben werden: „Unsere üblichen Begriffe von [‚Wandel‘ und ‚Entwicklung‘; H.M.S.] werden dem revolutionären Charakter der Vorgänge nicht gerecht. […]. Es könnte sein, wenn wir die Vorgänge einseitig mit Harmonisierungs-, Anpassungs- und Steuerungsbegriffen zu erfassen versuchen, daß wir dann an der Wirklichkeit ähnlich blind vorbeileben und -denken, wie die Sozialwissenschaft des 19. Jahrhunderts, als sie die Realitäten des Industrialismus, der perennierenden Revolution und des Klassenkampfes usw. nicht sehen wollte.“495

Ungeachtet der Frage, wie genau denn nun in dieser Problematik es um die menschlichen Kapazitäten bestellt ist, scheint doch zumindest auch aus jüngster Sicht noch so viel sich sagen zu lassen: Erstens, daß gerade die Erhaltung einer vergleichsweise sehr geringen Größe wie die der sogenannten Primitivkulturen gewaltiger menschheitlicher Anstrengungen bedürfte. (Was von keiner Seite einseitig aufgefaßt werden sollte: Gefordert wären Anstrengungen wirklich aller Beteiligten.) Und zweitens, daß jede diesbezügliche Handlungsorientierung ihre vordringliche Aufgabe nicht in der isolierenden Behandlung von Einzelproblemen, sondern in der Entwicklung komplexitätsgerechter Strategien besä___________ 490 491 492 493 494 495

Und also nicht nur die Kompetenz von Technikern und Wirtschaftsfachleuten. Vgl. Bailey (1996: 322 f.). Ein prokataleptisches Motiv. Vgl. Kottak (1990: 723). Mühlmann (1962 b: 161). Ebd.: 162; zweite Hervorhebung nicht im Original.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

ße, das heißt in einer Entwicklung, der man die Koordination der zu ergreifenden Schritte496 (auf allen Ebenen497 und dort jeweils auch in jede vorhandene Richtung498) zuzurechnen hätte.499 Die Ermächtigung zur Rede von einer „moralischen Pflicht zu hoffen“500 stünde dabei von vornherein unter mindestens zwei Bedingungen: Auf den lokalen Entscheidungsebenen erforderte sie die Bereitschaft, Stellungnahmen von höherer Ebene nicht sei es im einzelnen vorschnell, sei es prinzipiell als Formen der illegitimen Einmischung in „ureigene“ Angelegenheiten abzutun; gearbeitet zu werden hätte zu diesem Zweck an einer differenzierteren Wahrnehmung externer Kritik, an der Entstehung der Einsicht, daß auch Formen einer von höherer Ebene geäußerten Kritik existieren, die in ihrem Kern Ausdruck für ein langfristiges Interesse an der Wahrung indigener („primitiver“) Lebensformen sind (insofern also einer eigentlichen Respektsbekundung gleichen), und daß solche Formen der Kritik es verdienen, wenn auch nicht kommentarlos und unmodifiziert übernommen, so doch zumindest mit Sorgfalt erwogen zu werden. Auf den nationalen und internationalen Entscheidungsebenen – im Gegenzug – erforderte die Ermächtigung zu besagter Rede nicht eben weniger den Sprung über eigene Schatten: Sie setzte dort die wachsende und dabei ehrliche Bereitschaft zur Anerkennung der auf seiten sogenannter Primitivkulturen vorhandenen Potentiale als gleichberechtigter, das heißt vollwichtiger Beiträge zu einer lebenswert bleibenden Zukunft auf diesem Globus voraus.

___________ 496

Vgl. Mühlmann (1962 a: 442). Einschlägig würde dies folglich auch mit Blick auf die von Lévi-Strauss thematisierten Probleme höherer Ordnung (vgl. oben, Seite 306 f., ‚Addendum 2‘). 498 Eine generelle Favorisierung von operativ an der jeweiligen ethnischen „Basis“ ansetzenden (sogenannten ‚Bottom-up‘-) gegenüber entsprechend umgekehrt ausgerichteten, administrativen (sogenannten ‚Top-down‘-)Verfahren – wie sie einer unübersehbaren Tendenz nach etwa Bailey (1996) erkennen läßt –, halte ich im Anwendungskontext der Romer-Regel nicht schlechterdings für weiterführend (so verständlich sie vor dem Hintergrund historisch negativer Erfahrungen zweifellos ist). Den Problemen angemessener scheint mir demgegenüber der Versuch, beide Verfahren – abgestimmt auf jeden einzelnen Fall – in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. 499 Vgl. in dem Kontext auch Dörner (1989). – Die Stärke von Dörners Ansatz liegt in der zweifellos scharfen Aufdeckung und Analyse dessen, was er ‚Logik des Mißlingens‘ nennt. Verfahren wird dabei retrospektiv-induktiv; Dörner gewinnt also seine Einsichten durch empirische Auswertung von unabänderbar Zurückliegendem. Impliziert ist damit freilich zugleich die prinzipielle Schwäche des Ansatzes: Sie liegt (wenn man einmal absieht von dem kontraproduktiven Begleiteffekt, daß Dörner den Leser in einen trügerischen Zustand der Sicherheit, fast der Souveränität versetzt) in der eben nur bedingten Übertragbarkeit dieser Einsichten auf neue, das heißt so noch nicht da gewesene komplexe Situationen. 500 Um mit Geertz ([1995] 1996: 90) zu sprechen. 497

VI. Fernerliegende Assoziationen (II)

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VI. Fernerliegende Assoziationen (II). Der Topos der Rehabilitation im Kontext Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen Bis zu dem Versuch einer kritisch-konstruktiven Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen ging es thematisch gesehen wesentlich um die Rehabilitierung eines Denkens, namentlich um die Rehabilitierung des Denkens sogenannter Primitivkulturen. Strategisch betrieben wurde sie von Lévi-Strauss in vielschichtiger Form, unter anderem und markant durch Zuweisung des Attributs der Wissenschaftlichkeit. Unter exploratorischen Gesichtspunkten konnte die betreffende Vorgehensweise nur insoweit sinnvoll erscheinen, wie davon auszugehen war, daß auch noch weitere Zweckvorstellungen in Geltung stünden. In diesem Zusammenhang erwies sich die aus einer persönlichen Äußerung Lévi-Strauss’ rekonstruierbare Zweckvorstellung von der Erhaltung bzw. Bewahrung „primitiver“ Kulturen als weiterführend. Vorhandene semantische Lücken innerhalb der damit projektierbaren Sinnbahn vermochten über die Annahme bestimmter Etappen (im einzelnen der Einstellungsänderung, der Verhaltensänderung und der Zustandsänderung) geschlossen zu werden. Seine hinlängliche Plausibilität erhielt der auf diese Weise vervollständigte vorläufige Sinnkomplex im Zuge der Transparentmachung einer entsprechenden lebensweltlichen Vorstruktur, so vor allem der innerhalb unserer Kultur und Epoche vorherrschenden Wertpräferenzen, Erwartungshaltungen und Funktionsmechanismen. Vorstehendes zur Erinnerung. Gezeigt werden soll nun, in welchem Sinne die unter den Prämissen einer systemtheoretischen Kulturkonzeption entwickelte Argumentation als stringente Fortführung der soeben erinnerten Argumentation gelesen werden kann (erstens). Sodann soll gezeigt werden, in welchem Sinne besagte Prämissensetzung aber auch nicht ohne Konsequenz auf das Verständnis des Rehabilitationsbegriffes selbst bleibt (zweitens) bzw. wie ein solchermaßen gewandeltes Begriffsverständnis in wiederum zwangsläufiger Folge andere Sichtweisen auf die Rehabilitationsthematik eröffnet (drittens).501 – Auf jeden der hiermit angesprochenen Aspekte ist nunmehr der Reihe nach einzugehen. – Zum ersten Aspekt (der stringenten Fortführung der erinnerten Argumentation): Wie anhand des mit der Rede von der Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit verbundenen teleologischen Komplexes offenbar wird, sind auch in den kulturtheoretischen Positionen Lévi-Strauss’ Zweckvorstellungen enthalten.502 Die darüber gegebene Möglichkeit einer projekti___________ 501 502

Vgl. erneut oben, Seite 260, den Text vor Fußnotennummer 77. Vgl. erneut oben, Seite 312 ff.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

ven Anknüpfung an die vorstehend erinnerte Sinnsequenz stellt das ursprüngliche Rehabilitationsgeschehen in einen erweiterten Rahmen, innerhalb dessen zunehmend deutlich wird, worauf dieses Unterfangen jedenfalls nicht abzielt: Der Versuch einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens verfehlt aus jüngster Perspektive seinen Sinn, wo sein Bestreben dahin geht, „Primitivkulturen“, sofern es sich dabei um in ihrer Authentizität bedrohte resp. vor dem Verschwinden stehende Größen handelt, quasi museal zu konservieren; nicht weniger als verfehlt angesehen werden muß dieser Versuch – ob nun in Verbindung damit oder unabhängig davon – dort, wo er das (private oder öffentliche) Selbst fokussiert, um in erster Linie ein schlechtes Gewissen zu beruhigen, sei es nostalgische, sei es romantische Gefühle zu bedienen oder auch Bedürfnisse nach Verfügbarkeit von Kuriosa der Zeit zu befriedigen. Gegenüber all diesen Spielarten verwirklicht der Versuch einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens seinen Sinn – positiv gewendet und der jüngsten Perspektive gemäß –, indem er primär auf die Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen als intakter Qualitäten zielt und indem er – indirekt damit – auch auf die Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit hinzuwirken sucht. Lévi-Strauss’ Rehabilitationsbemühungen erweisen sich damit insgesamt als ein gegenwarts- und zukunftsgerichtetes Unternehmen. – Daß unter den Prämissen einer systemtheoretischen Kulturkonzeption von einem solchen Verständnis selbst, ja gerade auch für eben den Fall ausgegangen werden kann, daß man des unwiederbringlich verschwundenen (verlorenen, zerstörten) Teils besagter Größen gedenkt, verdankt sich der prinzipiell immer auch prospektiven Funktion jedes Vergangenheitsbezugs. Aus der Perspektive Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen könnte und würde also auch Erinnerung in erster Linie um der jetzigen wie der kommenden Zustände willen erfolgen. Lévi-Strauss selbst hat mit den ‚Traurigen Tropen‘ – einer sicherlich nicht nur schriftstellerischen Glanzleistung503, die jedoch bis in den Titel hinein von Retroversion und Melancholie kündet504 – in ganz beträchtlichem Maße dazu beigetragen, die Sicht auf diese Interpretation zu verstellen. Das paradoxe Bedeutungsmoment dieses Sachverhalts ist um so nachdrücklicher anzumerken, als eben gerade die Veröffentlichung der ‚Traurigen Tropen‘ es war, welche seine anhaltende Publizität begründen sollte.

– Zum zweiten Aspekt (des gewandelten Verständnisses des Rehabilitationsbegriffs): Aus der Perspektive der zuletzt entwickelten systemtheoretischen Kulturkonzeption entspricht der Versuch einer Rehabilitierung des „primiti___________ 503 Vgl. für eine Lektüreanweisung Geertz (1988 / 1990: 33-51). (Ähnlicher Differenzierungen wie Geertz bedient sich im übrigen auch schon Wolff 1968: 120 oder 1976: 82.) 504 Vgl. dafür auch BA: 16 / SB: 16. Eine Bekräftigung eben solcher Position durch Lévi-Strauss läßt sich außerdem finden in Arndt / Raddatzdt: 5.

VI. Fernerliegende Assoziationen (II)

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ven“ Denkens dem Versuch einer systemimmanenten Aufwertung fremdkultureller Systemelemente. Indem dieser Vorgang sich in der Weise interpretieren läßt, daß er auf die Erhaltung bzw. Bewahrung sogenannter Primitivkulturen sowie indirekt damit auf die Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit zielt, wird nicht nur ein Zentralprinzip der Theorie offener Systeme, das erwähnte Prinzip der Kokonstitution und Koevolution505, sowie dessen Implikation, der prinzipiell auch subsidiäre Wert des Fremden für das Eigene, performativ anerkannt; sondern es wird – als einer unmittelbaren Folge davon – auch der Rehabilitationsbegriff aus seiner ursprünglich einseitigen („abendländischen“) Bedeutungsbindung freigesetzt; das heißt, der Rehabilitationsbegriff wird auf diese Weise verallgemeinerbar. – Zum dritten Aspekt (der Eröffnung anderer Sichtweisen auf die Rehabilitationsthematik): In einem dieser Interpretation entsprechenden „kybernetischen“ Rehabilitationsverständnis entfaltet sich die ‚Dimension der Rückbezüglichkeit‘506 in einer anderen Form. Vor allem läßt ein „kybernetisches“ Rehabilitationsverständnis die Naivität und Misere des herkömmlichen („abendländischen“) Rehabilitationswesens mit größerer Deutlichkeit zu Tage treten. Diese besteht nicht nur im Auseinandertreten von betroffenem Subjekt (den „Primitiven“) und engagiertem Subjekt (den „Zivilisierten“) bzw. in dem Umstand, daß – wiewohl letztlich Mündigkeit des (der) ersteren intendiert ist – dessen (deren) Bevormundung praktiziert werden muß; sondern besagte Naivität und Misere besteht auch in dem Dünkel, daß Rehabilitation (im Sinne einer Aufwertung fremdkultureller Systemelemente) eine moralische Option darstellt, während es sich vielmehr so verhält, daß sie durchaus existentiellen Notwendigkeiten gehorcht; überdies besteht besagte Naivität und Misere in dem Dünkel, daß Rehabilitation (im Sinne einer Aufwertung fremdkultureller Systemelemente) als Aufgabe ausschließlich den „Zivilisierten“ zukommt, während es sich vielmehr so verhält, daß sie als solche jeder Kultur zuwächst.507 Eine Ausweitung der traditionellen ethnologischen Blickrichtung – sprechen wollen würde ich von deren konsequenter ‚Indigenisierung‘ (von deren ‚Indigenisierung‘ auf ganzer Linie) – gerät mithin zur zwingenden indirekten Folge einer Konzeption von Kul-

___________ 505

Vgl. wiederholt oben, das zweite Zitat auf Seite 282. Bargatzky (1993: 220). 507 Einer traditionell einseitigen Sichtweise verhaftet (bezogen auf das letztgenannte Moment: Rehabilitation wächst jeder Kultur zu) bleibt der ansonsten achtbare und aus der unverkennbaren Perspektive des erfahrenen Praktikers geschriebene Beitrag Amborns (1994). 506

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

turen als offener Systeme. Sicher implizierte (= forderte) sie fallweise genau eine Invertierung gewohnheitsmäßiger Perspektivik.508 Ein nicht unbedeutender Nebeneffekt dieser zuletzt angeführten Teilinterpretation besteht darin, daß durch sie (oder soll man sagen: im Zuge der sie ermöglichenden Bedingung, einer systemtheoretischen Kulturkonzeption) die bisherige, durch Lévi-Strauss selbst vorgegebene Differenzierung zwischen „Primitiven“ und „Zivilisierten“ als überholt erscheint – und zwar eben, dies ist entscheidend, als überholt gemessen an den Maßstäben Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen, also ausschließlich seiner eigenen Materialien.509 Sinnvoll vermag an die Stelle dieser so gesehen ausgedienten terminologischen Differenzierung nur die Unterscheidung zwischen kulturell Fremdem und kulturell Eigenem zu treten. Daß es sich bei diesen beiden letzteren Bezeichnungen sowohl um relationale Begriffe510 wie um relative Begriffe511 handelt (bzw. daß es sich jeweils nur darum handeln kann), sollte inzwischen keiner gesonderten Erklärung mehr bedürfen. ___________ 508 a: Zur Verdeutlichung: Die Kulturleistungen der „Zivilisierten“ etwa (auf ihre Weise – nämlich in den Augen sogenannter Primitivkulturen – nichts anderes als ‚indigene‘ Hervorbringungen; siehe hier noch Finkielkraut 1987 / 1989: 63) wären von (letzteren, also von) sogenannten Primitivkulturen gezielt insoweit zu integrieren, wie sie deren Fortbestehen als intakter Gebilde dienten. Dasselbe gälte prinzipiell für das Verhältnis sogenannter Primitivkulturen untereinander. – Entsprechend würden darin dann jeweils auch zusätzliche (Vermittlungs-)Aufgaben lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Institutionen liegen. b: Ein auf andere theoretische Grundlagen gestütztes Konzept ethnologischer Inversion entwickelt und profiliert Därmann (2005). Dabei setzt sie sich – wiewohl begrifflich angelehnt an Husserl (‚Indianisierung‘; vgl. Krisis / Hua VI, 1935: 320) – der Sache nach von selbigem (wie auch von anderen Autoren: Dilthey, Heidegger, Levinas und Derrida) ab. 509 Lévi-Strauss selbst – wenn man so will – entzieht also mit seinen kulturtheoretischen Positionen dem Exotismus der „Primitiven“ den Boden. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Geertz ([1995] 1996: 76). 510 Abgehoben sei damit auf den Aspekt der reziproken Verwiesenheit: Im kulturell Fremden ist kulturell Eigenes immer auch enthalten – et vice versa. Vgl. hierfür das Beispiel Holensteins (1998: 8): „Mit der ‚Europäisierung der Menschheit‘ kehrt etwas in die außereuropäischen Zivilisationen zurück, das in früheren Phasen der Geschichte in umgekehrter Richtung aus ihnen übernommen worden ist.“ (Ähnlich ebd.: 190 und 237.) 511 Abgehoben sei damit auf den Aspekt der Bedingtheit: Keine Kultur – weder eine fremde noch die eigene – erzeugt eine originäre Synthese (im Sinne eines notwendigen, wenn auch niemals zum Abschluß gelangenden Prozesses) je rein aus sich selbst. [Siehe hierfür erneut das Gliederungspunkt V.2.c)cc)(3)(c) dieses Kapitels – oben, Seite 281 – vorangestellte Lévi-Strauss-Zitat.] Auch diesen Aspekt bringt Holenstein (1993: 368) indirekt zum Ausdruck, wenn er mit Blick auf außereuropäische Kulturen schreibt: „Viele dieser Kulturen sind nicht so prämodern, nicht so exotisch, nicht so inkommensurabel-unverständlich und gerade nicht so irrational, wie es so gut in unsere überkommenen Klischees von außereuropäischen Kulturen passen würde. Sie sind dies alles seit Menschengedenken nicht.“

VI. Fernerliegende Assoziationen (II)

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Relationalität und Relativität – nebenbei bemerkt – bedeuten im bezeichneten Sinne nicht schon das Ende von Verbindlichkeit schlechthin. Was nur damit dahinfällt, ist deren (gemeint letzterer) ‚universalistische Emphase‘512. Oder anders gesagt: Die traditionell dominante ‚Großverbindlichkeit‘513 ist es, welche sich vor diesem Hintergrund als nicht mehr haltbar erweist. Einem den Entwicklungen und Verhältnissen der heutigen Zeit gemäßeren Verständnis nach wird diese „ersetzt durch Verbindlichkeit in einer Mittellage zwischen Singularität und Universalität, durch Verbindlichkeit in der lebbaren Form begrenzter, lokaler Allgemeinheit“514.

Rehabilitation (so viel wurde deutlich) mutiert also unter den Prämissen einer systemtheoretischen Kulturkonzeption von einer – konventionell betrachtet – ausschließlichen Funktion der Fremderhaltung zu einer Funktion sowohl der Fremd- als auch der Selbsterhaltung, mithin von einem Dependenz- zu einem Interdependenzgeschehen. Die verglichen zur herkömmlichen („abendländischen“) Sichtweise einschneidenden Konsequenzen davon sind: Die konventionell festgeschriebene Rollenverteilung (eine Kultur erfährt sich prinzipiell nur als rehabilitierende – und damit nicht in ihrer eigenen „Rehabilitationsbedürftigkeit“ –, eine andere entsprechend nur als zu rehabilitierende) weicht einer dynamisierten Rollenverteilung (jede Kultur erfährt sich prinzipiell sowohl als rehabilitierende wie als zu rehabilitierende – und damit auch in ihrer eigenen „Rehabilitationsbedürftigkeit“). Das wiederum aber hat zu bedeuten: Ein systemtheoretisches Kulturverständnis nimmt dem Rehabilitationsgeschehen seine Pathetik, es hebt das moralische Gefälle auf. Eine systemtheoretische Kulturkonzeption erweist sich schließlich noch in einer weiteren Hinsicht als Fortschritt in dem Bemühen darum, nachvollziehbar zu machen, daß Rehabilitation keinen simplen Akt darstellt, sondern als vielschichtiger Vorgang begriffen werden muß: Während die oben erinnerte Argumentation515 eine Rehabilitationsstrategie repräsentiert, die im Rekurs auf die affektive Natur des Menschen (ja in der Tat: auf dessen Ma___________ 512

W. Welsch (1988: 65). Ebd. 514 a: Ebd. b: Gewissermaßen wie ein Komplement zu dieser Position fügt sich folgende Äußerung B. Waldenfels’ ([1986] 1987): „Anders als Aussagen, die sich auf dasselbe beziehen, können Aussagebedingungen, die verschiedene Aussageräume schaffen, einander widerstreiten, aber nicht widersprechen.“ (Ebd.: 323.) Und: „Daß vorhandene Lebensformen unvergleichbar sind, heißt […] nicht, daß sie nichts miteinander zu tun haben – eine Annahme, die genauso spekulativ wäre wie die einer durchgängigen Geordnetheit –, es besagt, daß es keinen Ort und keine Instanz gibt, von der aus sie als Ganzes verglichen werden könnten.“ (Ebd.; keine Hervorhebung im Original.) 515 Siehe Seite 351. 513

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

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nipulierbarkeit) verfährt516 und so eher ein ihr zugrundeliegendes „pessimistisches“ Menschenbild (eine ihr zugrundeliegende „negative“ Anthropologie) zum Ausdruck bringt, macht die unter den Prämissen einer systemtheoretischen Kulturkonzeption entwickelte Argumentation eine Rehabilitationsstrategie vorstellbar, die im Rekurs auf die rationale Natur des Menschen (auf dessen Einsichtsfähigkeit angesichts des ungesicherten Fortbestands jeder einzelnen Kultur wie auch der Menschheit im ganzen) operiert517 und so eher ein ihr zugrundeliegendes „optimistisches“ Menschenbild (eine ihr zugrundeliegende „positive“ Anthropologie) erkennen läßt. – Daß freilich diese Interpretation auch innerhalb einer systemtheoretischen Kulturkonzeption nicht ohne Gegenpol bleibt, wird deutlich, wenn man sich erinnert, daß Lévi-Strauss an dem Punkt, wo er angesichts generierter Probleme höherer Ordnung auf die Herausforderungen internationaler Institutionen zu sprechen kommt518, (jedenfalls ein Stückweit) die Notwendigkeit parametersetzender, dirigistischer Eingriffe insinuieren muß.519 Abgesehen von einer damit implizite virulent werdenden Elitediskussion wäre eine solche Rehabilitationsstrategie Ausdruck für die Annahme der Kontrollbedürftigkeit des Menschen, was erneut eher zu dem Schluß auf ein ihr zugrundeliegendes „pessimistisches“ Menschenbild (eine ihr zugrundeliegende „negative“ Anthropologie) veranlaßte.

VII. Der Horizont der Ausmessung. Versuch einer abschließenden Bewertung, Fortschreibung und Ausweitung des Diskurses 1. Generelle Matrix für die Taxierung älterer kulturtheoretischer Positionen Die vorliegende Auseinandersetzung über den Lévi-Strauss’schen Humanismus verdankt ihre bisherige Reichweite wesentlich der Einbindung LéviStrauss’ kulturtheoretischer Positionen (als älterer kulturtheoretischer Positionen). Die nun noch ausstehenden Ausführungen zielen auf eine abschließende Bewertung, Fortschreibung und Ausweitung des unter Einbindung dieser Positionen geführten Diskurses. Voraussetzung dafür ist freilich die Möglichkeit ei___________ 516

Vgl. hierzu vor allem meine Argumentation unter den Gliederungspunkten IV.3.5. dieses dritten Kapitels: oben, Seite 245 ff. 517 Das von W. Welsch (1988: 44) als postmodern gekennzeichnete entschiedene Eintreten „für das Eigenrecht der unterschiedlichen Orientierungen und Lebensformen“ erhielte vor solchem Hintergrund einen nochmals tieferen Sinn. 518 Vgl. erneut oben, Seite 306 f. (‚Addendum 2‘). 519 Eine analoge Position bezieht etwa auch Verbeek (1990: 256).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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ner angemessenen Verortbarkeit Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen innerhalb von Kulturphilosophie und Kulturwissenschaft, mit anderen Worten, deren Verortbarkeit im Verhältnis gerade auch zu anderen – nochmals älteren, zur selben bzw. in etwa zur selben Zeit entstandenen, nicht zuletzt aber auch jüngeren oder jüngsten – kulturtheoretischen Positionen. Unerläßlich in diesem Zusammenhang scheinen bestimmte, den noch ausstehenden Ausführungen vorausliegende, sie in gewisser Weise auch vorbereitende Überlegungen allgemeiner Art: einmal im Hinblick auf die Beschaffenheit kultureller Wirklichkeit als des Gegenstandes kulturtheoretischer Reflexionen (1), sodann im Hinblick auf die zur Erfassung kultureller Wirklichkeit verfügbaren Betrachtungsweisen bzw. Instrumentarien (2) und schließlich im Hinblick auf die akademischen Umgangsformen mit den vorhandenen Betrachtungsweisen bzw. Instrumentarien (3). Ich trage meine diesbezüglichen Gedanken nachfolgend teils in Thesenform, teils in Form von Fragen, teils in Form von Billigkeitserwägungen520 vor. Ad (1): Die kulturelle Wirklichkeit ist dem in der Zeit stehenden Betrachter nicht konstant, sondern in fortlaufend – gleichsam unterderhand – sich wandelnden Gestalten gegeben. Was sich an der kulturellen Wirklichkeit hinsichtlich der Erscheinungsformen, in denen sie dem Betrachter zu einem je gegebenen Zeitpunkt sich darbietet, wandelt, ist die Zusammensetzung ihrer Vielgestaltigkeit. Diese erschließt sich dem Betrachter keinesfalls nur in synchroner, sondern mit mindestens derselben Schlüssigkeit und Gültigkeit in diachroner Perspektive. Letztere betreffend, ist es prinzipiell denkbar, daß die kulturellen Phänomene einer bestimmten Epoche durch (zum Beispiel technisch bedingt) emergierende, bislang ungekannte kulturelle Phänomene verdrängt, überformt oder abgelöst werden (was zu einem triftigen Definitionsgrund einer neuen Epoche werden kann). Prinzipiell denkbar aber ist ebenso, daß kulturelle Phänomene nicht ausschließlich an eine bestimmte Epoche gebunden sind, daß – entstehungsgeschichtlich betrachtet – kulturell „Früheres“ auch in einer „späteren“ Epoche noch fortbesteht, daß sozusagen kulturell „Früheres“ und kulturell „Späteres“ zeitgleich, das heißt in derselben Epoche – sei es nebeneinander, sei es mit wechselseitigen Bezügen – existiert, wenn auch unter Umständen bei einer Bedeutungsminderung des kulturell „Früheren“;521 die Konsequenz davon kann im Einzelfall sein, daß nicht ohne weiteres mehr zu entscheiden ist, ob überhaupt bzw. in welchem Sinne genau man es mit neuen Sachverhalten zu

___________ 520

Vgl. zum Prinzip der Billigkeit Holenstein (1994 a: 112 f.). Zu tun also hätte man es in diesem Falle mit einer Konstellation, deren Kennzeichen in der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ bestünde. 521

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

tun hat (zumindest gestaltet sich aus solcher Perspektive das Ziehen von Epochengrenzen schwieriger522). Ad (2): Der Vielfalt kultureller Phänomene gegenüber steht eine Vielzahl von Werkzeugen zu deren Erfassung. Im einzelnen zu prüfen bleibt, inwieweit ein veranschlagtes Instrumentarium den betreffenden kulturellen Phänomenen, die zu erfassen es beansprucht, sowohl auf theoretischer als auch auf empirischer Ebene gerecht wird, inwieweit es diesen wirklich gewachsen ist. Hier kommt wiederum nicht nur die synchrone, sondern erneut auch die diachrone Perspektive ins Spiel. Die vordringliche Frage mit Blick auf ältere wissenschaftliche Entwürfe kultureller Wirklichkeit ist: Wurden ihre Urheber in einer den jeweiligen (damaligen und unter Umständen auch später noch existenten) kulturellen Phänomenen angemessenen Weise tätig, das heißt, befanden sie sich mit ihren Entwürfen auf der Höhe sowohl ihrer damaligen als auch unter Umständen indirekt noch einer späteren Zeit? Erst an nachgeordneter Stelle erhebt sich dann freilich noch die weitere Frage: In welchem Maße kann ihnen überdies im Hinblick auf jüngere und jüngste kulturelle Entwicklungen noch Konturierungs-, also Plausibilisierungs- und Erklärungs- sowie nicht zuletzt Prognosekraft zugesprochen werden? Ad (3): Die Vielfalt kultureller Phänomene – dies gilt insbesondere für die Epoche zeitgenössischer Globalisierung – verlangt in der wissenschaftlichen Arbeit den Einsatz vielfältiger Werkzeuge. Angesichts der Vielfalt sowohl der kulturellen Phänomene wie auch der verfügbaren Werkzeuge zu deren Erfassung erscheint jedenfalls als Bedingung fruchtbarer Forschung eher eine Haltung des Sich-Einlassens auf einen fairen Wettbewerb dieser Werkzeuge (sprich: der differenten methodischen Ansätze) – einschließlich eben auch der relativ älteren – denn der müßige, auf Gedeih und Verderben geführte Streit um die der jeweiligen Epoche angemessenste Kulturtheorie523. Folgende Billigkeitserwägungen zum Zwecke der Verhinderung von Zerrbildern mögen in diesem Zusammenhang Erwähnung finden:524 (Erstens) Aktuelle Forschung sollte sich die Tradition, die Beiträge ihrer klassischen (Maßstäbe setzenden) wissenschaftlichen Vorgänger aneignen525, so jedenfalls nach Maßgabe mobilisierbarer Kapazitäten. (Zweitens) Aktuelle Forschung sollte nicht nur um die Traditi___________ 522 Vgl. hierzu – mit Blick speziell auf die Globalisierungsdiskussion – Friedrichs (1997: 4), daneben Höffe ([1999] 2002: 20-25); vgl. außerdem hierzu erneut auch den Untertext auf Seite 30 meines ‚Prologs‘. 523 Ein Streit, den offenbar Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000: 3) glauben, zu ihren Gunsten entscheiden zu können. 524 Daß diese eigentlich als selbstverständlich gelten, heißt nicht, daß sie in jedem einzelnen Fall auch so empfunden und handlungsrelevant werden. – Genau diese Differenz rechtfertigt die folgende (mehr erinnernde) Ausführung. 525 Den kulturtheoretischen Beiträgen Lévi-Strauss’ (ebenso wie denjenigen Mühlmanns) hätte man nach meinem Dafürhalten klassischen Status zuzumessen.

VII. Der Horizont der Ausmessung

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on, in der sie steht, um die entsprechenden Beiträge wissen; sie sollte, wo sie jeweils darum weiß, diese auch nicht leugnen oder entstellen. – Bestimmte, mitunter sehr reale und durchaus nicht nur fingierte Standpunkte könnten, wo dem Folge geleistet würde, nur schwerlich sich behaupten: Es wäre dies einmal jener Standpunkt, welcher die Darstellung der aktuellen Forschungssituation in einer Weise betreibt, daß der Eindruck entsteht, als wäre die Wissenschaft noch nicht auf einem Stand, dessen Erlangung als jüngste Herausforderung auszugeben man sich anmaßt; und es wäre dies daneben jener andere Standpunkt, welcher die Darstellung der aktuellen Forschungssituation in kaum weniger kontrafaktischer Weise betreibt, indem nämlich er die Beiträge wissenschaftlicher Vorgänger für etwas ausgibt, was diese allein vermeintlich – und nicht also wirklich – sind: Loci communes oder eigene Kontributionen. Wenn nun der Versuch einer abschließenden Bewertung, Fortschreibung und Ausweitung des unter Einbindung Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen geführten Diskurses aufgenommen wird, so möchte die hiermit bereitstehende Matrix dem Leser nicht nur zu einem klareren Nachvollzug verhelfen, sondern sie möchte ihn526 auch in die Lage versetzen, die Relevanz und Einsichtigkeit der angestellten Überlegungen frei von aller argumentationslosen Suggestion zu beurteilen.

2. Die ‚territoriale Falle‘. Zu den Adäquanz- und Aktualitätsgrenzen des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses Das Lévi-Strauss’sche Kulturverständnis ist – wie sich aufzeigen ließ527 – ein im wesentlichen territorial geprägtes. Das heißt: Kulturen werden von Lévi-Strauss als geographische Einheiten postuliert, innerhalb derer sich Faktoren wie Familie (Verwandtschaft), Beruf (Erwerbstätigkeit), Konfession (Religion), Politik (Macht) in einer Art und Weise Bedeutung verschaffen, daß die betreffende Gesamtgestalt eine signifikante Abgrenzung von vergleichbaren geographischen Einheiten erlaubt. Auch könnte man sagen: Kulturen werden von Lévi-Strauss als Einheiten postuliert, die sich dadurch auszeichnen, daß der gesellschaftliche Raum mit dem geographischen Raum weitgehend zusammenfällt. – Bis zum heutigen Tag wird dieses territorial grundierte Kulturverständnis den empirischen Gegebenheiten in sogenannten Primitivkulturen in verhältnismäßig hohem Maße gerecht. Wie darüber hinaus zuletzt aufgewiesen werden konnte528, muß in einem solchen Kulturverständnis sogar eine unerläßliche ___________ 526 527 528

… in Analogie zur Argumentation Schwemmers ([1971] 1980: 7) … Siehe oben, Seite 271. Siehe oben, Seite 327 ff.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Bedingung gesehen werden, ohne die eine konstruktive Beschäftigung mit der aktuellen Situation und Problematik sogenannter Primitivkulturen schlechterdings nicht erfolgen kann. – So viel vorab und im Rückblick. Was in sogenannten Primitivkulturen bis heute weitreichende Gültigkeit beansprucht529, gilt indessen nicht (oder zumindest nicht im selben Maße auch) in anderen kulturellen Kontexten: sei es mehr aus historischer, sei es mehr aus aktueller Perspektive. Daß dabei allzu lange die in der Philosophie wie in den relevanten Einzelwissenschaften verwendeten theoretischen Konstrukte mit den empirischen Gegebenheiten – prinzipiell altbekannten Phänomenen ebenso wie sich wandelnden bzw. emergierenden neuen Phänomenen – nicht angemessen Schritt hielten, bezeichnet für die vergangenen Forschungsjahrzehnte fraglos einen beklagenswerten Zustand; einen Zustand, den Agnew / Corbridge mit ihrem Ausdruck der ‚territorialen Falle‘530 in überaus treffender Weise zu kennzeichnen vermochten.531 Das Erfordernis noch zusätzlicher (und so eben auch gegenüber LéviStrauss gewandelter) theoretischer Ausrichtungen ist nachfolgend unter mehreren Aspekten zu verdeutlichen. Ein wesentlich territorial grundiertes Kulturverständnis wird genau dort unbrauchbar, wo empirische Gegebenheiten den Ausschlag dafür geben, daß die postulierte weitgehende Koinzidenz von gesellschaftlichem Raum und geographischem Raum – genau das also, was bei LéviStrauss als überwiegendes Komplementärverhältnis von horizontaler und vertikaler Differenzierung vorgestellt wurde532 – mit bestimmten Erfahrungen nicht zur Deckung gelangt.533 Davon ist auszugehen, wo sich soziologische, ökonomische, religiöse, politische, aber etwa auch technische oder ökologische Faktoren über primär geographisch definierte Untersuchungseinheiten hinweg – also: „quer“ zum territorialen Grenzverlauf (statt nach konventionellem Verständnis: entlang desselben) – Bedeutung verschaffen534; und eben dies in ei-

___________ 529 Und es existieren – wie sich ebenfalls aufzeigen ließ – gute Gründe, die ein Engagement in Richtung einer Aufrechterhaltung der entsprechenden Gegebenheiten nahelegen. 530 Vgl. Agnew / Corbridge (1995), vor allem die Seiten 78-100. 531 Die genannten Autoren argumentieren aus primär politikwissenschaftlicher Perspektive. Zu bedeuten hat dies nicht, daß die getroffene Diagnose auf diese Perspektive beschränkt bliebe. Legitimerweise aufgegriffen wurde die Argumentation etwa von Beck (1997: 52) sowie (1998 a: 14). 532 Siehe erneut oben, Seite 271. 533 Vgl. auch Beck (1998 b: 8 f.). 534 Vgl. hierzu etwa Holenstein (1995: 173 f.); daneben Höffe ([1999] 2002: 30).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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nem Ausmaß, das seinerseits als überzufällig bezeichnet werden muß.535 Bezug genommen ist hiermit auf so unterschiedliche Phänomene wie – alters-, geschlechts-, schicht-, milieu-, berufs- oder allgemein lebensformspezifische Welt- und Wertvorstellungen, die den Angehörigen entsprechender Gruppen über kulturelle (im Sinne von Territoriums-)Grenzen hinweg gemeinsam sind, sodaß diese sich unter Umständen untereinander mehr zu sagen haben als den Angehörigen einer jeweils anderen Gruppe innerhalb der Grenzen des betreffenden eigenen Territoriums; (Veranschaulichung 1) „Ob man an die Lebensform des Arbeiters oder des Intellektuellen, des Managers oder des Fremdenführers denkt: Sie sind weltweit, sind transkulturell gleich […].“536 (Veranschaulichung 2) „In einer Befragung von Gruppen in Australien, Südamerika, Europa und Kanada, die von Bankern bis zu Obdachlosen reichten, stellte sich heraus, daß die einzelnen Gruppen mehr miteinander gemein hätten, als Personen aus unterschiedlichen Gruppen im jeweiligen Land. Die Krankenschwestern der Welt verstünden sich besser untereinander, als jede Krankenschwester mit ihren eigenen Kindern […].“537 (Veranschaulichung 3) „Ein europäischer Bauer versteht sich unter Umständen besser mit einem chinesischen Bauern als mit einem Städter aus seinem eigenen Land.“538, 539

– Assoziierungs- bzw. Organisationsformen oder Ereignisse sowohl kulturverbindender als auch kulturübergreifender Art: so – bei fakultativer Auflistung – in den Sektoren Politik, Wirtschaft, Verteidigung, Bildung und Forschung, Religion, Menschenrechtsschutz, Umweltschutz, Kunst, Musik, Sport, Tourismus; Stichwörter: UNO, NATO, GATT, EU, TNU’s, Messen, Erasmus, Katholische Kirche, Amnesty International, Greenpeace, Médecins sans frontières, Olympische Spiele etc.540; aber auch: Terrororganisationen, Drogenkartelle etc.541

– Omnipräsenzformen einer Quasi-Verschmelzung von geographischer wie ideeller Nähe und Ferne, Ferne und Nähe (aufgehoben im Begriff der sogenannten ‚Weltgesellschaft‘); (Veranschaulichung 1) „[…] entfernte Orte [werden] in solcher Weise miteinander verbunden […], daß Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die

___________ 535 Aus Sicht des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses würde in diesen Fällen also jeweils – um mit B. Waldenfels (1987 a: 66) zu formulieren – „das Atypische zum Herd eines neuen Typus“. 536 W. Welsch ([1991] 1992: 11). 537 Kleiner / Strasser (2003: 26). 538 Holenstein (1995 / 1998: 267); vgl. außerdem ders. (1993: 353 f.) und (1995: 174). 539 Jeweils anders akzentuiert Hansen [1995] [22000] 32003: 214 f. 540 Vgl. etwa Beck (1997: 70 f.). 541 Vgl. etwa Höffe ([1999] 2002: 28).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.“542 (Veranschaulichung 2) „Was die Menschen scheidet – religiöse, kulturelle und politische Unterschiede –, ist an einem Ort, in einer Stadt, immer öfter sogar in einer Familie, in einer Biographie präsent.“543

– Informations- bzw. kommunikationstechnologisch bedingte Formen der Wirklichkeitsbeeinflussung und Wirklichkeitsgestaltung. Stichwörter: Klassische Medien; sogenannte neue Medien; virtuelle Realitäten; virtualisierte Mobilität.544

Die eben skizzierten Phänomene kontrastieren also mit den in der Erfahrung immer auch noch gegebenen, wesentlich territorial definierten Kulturen (etwa Lévi-Strauss’scher Konzeption)545, den – wie W. Welsch sie nennt – sogenannten ‚Kulturen alten Stils‘546. Auf der theoretischen Ebene korrelieren ihnen (sprich: besagten, eben skizzierten Phänomenen) dezidierte Inter- und Transkulturalitätskonzeptionen. Die grundlegendsten Beiträge zu deren laufender Elaborierung liefern Denkansätze (bzw. -anschlüsse) von Autoren wie Wittgenstein, Derrida, Lyotard, Deleuze / Guattari, Maturana, S. J. Schmidt und W. Welsch.547 Nicht sollte der Kontrast zwischen wesentlich territorial fixierten (resp. fixierbaren) Kulturphänomenen und inter- bzw. transkulturellen Phänomenen dahingehend aufgefaßt werden, als wären erstgenannte automatisch die historisch älteren. Auch inter- bzw. transkulturelle Phänomene weisen mitunter ein nicht unbeträchtliches historisches Alter auf, und von manchen darf vermutet werden, daß sie so gut wie immer schon existierten. Inwieweit nun all die vielfältigen rezenten kulturellen Phänomene – territorialer wie inter- bzw. transrelationaler Prägung, von den historisch ältesten bis zu den historisch jüngsten – wechselseitig interagieren, interferieren, sich potenzieren, unter Umständen auch sich konterkarieren, inhibieren, substituieren, bzw. in welchem Maße und Sinne jeweils historisch neu auftretende Formen eine Diversifizierung kultureller Wirklichkeit begünstigen548 oder aber beeinträchtigen549, sind jeweils Fragen, in deren Bahnlinie Vergewisserungen stattfinden sollten, wenn der Wunsch oder Anspruch der ist, im Hinblick auf die künftige Entwicklung in ___________ 542

Giddens (1990 / 1995: 85). Beck (1998 b: 7). 544 Vgl. etwa Ht. Reimann (1992: 14 ff. und 24 f.); auch S. J. Schmidt ([1993] 1994: 32 ff.) und ([1994] 32003: 261 ff.); sowie Bonß / Kesselring (2001: 186 f.). 545 Nicht ist mit ‚kontrastieren‘ notwendigerweise gemeint: ‚widersprechen‘! 546 W. Welsch ([1991] 1992: 12). 547 Vgl. hierzu auch Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000). 548 Sodaß gewissermaßen die Ordnungsmechanismen sich vervielfältigten. (Vgl. B. Waldenfels 1987 a: 66.) 549 Sodaß man eher mit einem gegenläufigen Prozeß zu rechnen hätte. 543

VII. Der Horizont der Ausmessung

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gegründeter Form Einflüsse geltend zu machen – und sei dies auch nur in Form von Nachsteuerungen550. – Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung mag es freilich genügen, die betreffenden Fragen formuliert zu haben. Es zeugte von Naivität, würde man unterstellen wollen, Lévi-Strauss hätte von den skizzierten inter- bzw. transkulturellen Phänomenen keine Kenntnis genommen oder gehabt. (Wo er etwa im Rahmen seiner Mythenforschung auf intertribale Ereignisse wie Märkte und Messen551 oder im Rahmen seiner als Auftragsarbeit für die UNESCO entstandenen Schrift mit dem Titel ‚Rasse und Geschichte‘ auf generierte Probleme höherer Ordnung552 zu sprechen kommt, wird dies – zumindest partiell und aus jeweils deutlich unterschiedlicher Blickrichtung – evident.) Das demgegenüber Entscheidende im gegenwärtigen Diskussionszusammenhang allerdings – so viel darf, ja muß in der Tat festgehalten werden – bleibt, daß Lévi-Strauss die entsprechende Kenntnis theoretisch nicht konsequent umgesetzt hat; daß sie in seinen kulturtheoretischen Positionen keinen ausgeprägten Niederschlag fand. – Wohl ist zwar in Lévi-Strauss’ spezifischen Systematisierungsversuchen (dem vertikalen: universelles, kontinentales, nationales, provinzielles, lokales usw. Kultursystem; dem horizontalen: familiäres, berufliches, konfessionelles, politisches usw. Kultursystem)553 die Möglichkeit der Erfassung inter- bzw. transkultureller Phänomene prinzipiell angelegt, sozusagen dispositionell da. Wie aber die zurückliegenden Ausführungen zeigten, sind im Lévi-Strauss’schen Denken die damit konzeptuell bereitliegenden Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich ihres Potentials noch eindeutig gebunden.554 Und aus just diesem Grund sollte auch Lévi-Strauss’ operationalisierende Unterscheidung von Vertikal- und Horizontalbetrachtung nicht schon zu einem unmittelbaren Vorverweis auf eine Kombinatorik jenseits der konventionellen Annahme einer prinzipiellen Deckungsgleichheit teilsystemischer Manifestationen mit territorialen Grenzverläufen stilisiert werden. Sowohl im Bewußtsein des Problemstands seiner Zeit als auch im Bewußtsein des heutigen, vorgerückten Problem- und Theoriestands läßt sich dementsprechend – und resümierend gesagt – dem Kulturverständnis Lévi-Strauss’ bezüglich einer ‚ob___________ 550

Vgl. zum Begriff ‚Nachsteuerung‘ Dörner (1989: 267). Vgl. oben, Seite 283, den Text vor Fußnotennummer 174 und Fußnote 174. 552 Vgl. erneut oben, Seite 306 f. (‚Addendum 2‘). 553 Vgl. oben, das erste Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 270. 554 a: Vgl. hierfür nochmals oben, Seite 271, den zweiten (letzten) Textabschnitt unter Gliederungspunkt V.2.c)bb) dieses dritten Kapitels. b: Eine bewußte und aktive Anknüpfung an dieses Potential – im Sinne in der Tat einer Fortführung – wird von mir unter Gliederungspunkt VII.4 dieses Kapitels (unten, Seite 373 ff.) unternommen. 551

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

jektiven Wirklichkeit‘555 allein in einem mehrfach eingeschränkten Sinne so etwas wie ein Entsprechungsvermögen zuerkennen. Was gleichwohl demgegenüber auch wiederum gesehen werden sollte, ist, daß diese notwendige Bedeutungsdiminuierung Grenzen hat: Erreicht sind die Grenzen solchen Rückstufung dort, wo sich das Lévi-Strauss’sche Kulturverständnis (als ein wesentlich territorial geprägtes Kulturverständnis) im Verbund mit Inter- und Transkulturalitätskonzeptionen auf sein bedeutungsmäßiges Normalmaß „zurechtgestutzt“ sieht. – Was ohne Not und unter Aufbietung fragwürdiger Mittel darüber hinausginge, bewegte sich in Richtung seiner Demontage. Und weder der Wissenschaft noch den Menschen wäre gedient, falls es dazu käme.

3. Kulturen als offene Systeme. Zur retroaktiven Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses Ein wesentlich territorial geprägtes Kulturverständnis wird – dies zeigt ein Blick in die zeitgenössische wissenschaftliche Literatur – häufig mit einem Kulturverständnis gleichgesetzt, welches Kulturen nach der Vorstellung geschlossener Systeme konzipiert. In der Geschichte der kulturphilosophischen und kulturwissenschaftlichen Theoriebildung existieren Beispiele – so die (aus dem 18. Jahrhundert datierende) Herdersche Vorstellung von Kulturen als Kugeln556 oder auch die deutlich späteren, sich dieser Vorstellung annähernden Meditationen Husserls557 –, die eine dahingehende Interpretation gerechtfertigt erscheinen lassen.558 Von dieser Warte ist deshalb gegen eine solche Gleichsetzung nichts einzuwenden. Indessen sollte im selben Zusammenhang nicht übersehen werden: – Erstens: Die entsprechenden Beiträge Herders oder auch Husserls waren bereits den kulturellen Phänomenen ihrer Zeit unangemessen. – Zweitens: Die entsprechenden Beiträge stehen in diesem Sinne für negative Beispiele; nicht sollten sie mit der Gesamtheit der kulturphilosophischen und

___________ 555

Vgl. oben, das dritte (letzte) Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 270. Vgl. Herder ([1774] 1967: 44 f.). 557 Vgl. Husserl (Intersubjektivität 3 / Hua XV, [1929-1935] 1973: 430, nicht 438). 558 Pate stand beim Kugelgestalt-Bild im wesentlichen das Modell des klassischen (als eben geschlossen entworfenen) Organismus. – Für detailliertere Ausführungen zu diesem Thema wie auch zu den erwähnten Autoren sei hier verwiesen auf Holenstein (1989: 230 f. und 238 ff.). Siehe das Herdersche Kulturverständnis betreffend hier zudem Wimmer (1997: 125 ff.); das Husserlsche Kulturverständnis betreffend hier zudem Held (1991: 315; äußerst unpräziser Verweis darauf in Holenstein 1989: 251). 556

VII. Der Horizont der Ausmessung

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kulturwissenschaftlichen Bemühungen sei es ihrer, sei es der ihnen folgenden Forschergeneration(-en) in einen Topf geworfen werden. – Drittens: Das Beispiel Lévi-Strauss (bzw. mein Versuch einer kritisch-konstruktiven Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen)559 zeigt, daß die nicht selten auch noch der jüngeren Forschungsvergangenheit unterstellte generelle Parallelisierung von territorialen und geschlossen-systemischen Kulturkonzeptionen historisch unzutreffend ist (womit die Beiträge Lévi-Strauss’560 – rückwirkend gewissermaßen – im Lichte eines positiven Gegenbeispiels erscheinen). – Viertens: Was das Beispiel Lévi-Strauss (bzw. mein Versuch einer kritischkonstruktiven Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen) vor allem auch zeigt, ist, daß eine derartige Parallelisierung sich – theoretisch gesehen – keinesfalls zwingend ergibt. Wahrgenommen wird dies selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daß eine naheliegende, wiewohl mißliche Überblendung unterschiedlicher Perspektiven verhindert, oder anders gesagt, daß deren gebotene operationale Trennung eingehalten wird. Eine Implementierung dieser Voraussetzung bedeutete konkret: Von ‚interkulturellen Phänomenen‘ im oben erwähnten Sinne561 werden ‚interkulturelle Beziehungen‘ unterschieden, wo bzw. insofern ihnen im Hinblick auf die Genese ortsgebundener Kulturen – nach Lévi-Strauss’schem Verständnis: im Hinblick auf die Ausbildung, Bewahrung und Erneuerung geographisch zuordenbarer, originärer Synthesen – eine unerläßliche Bedeutung zuwächst. (Die unter letzterem Aspekt vordringlich werdende „Innengerichtetheit“ der Betrachtung markiert also den entscheidenden Unterschied. Dabei handelt es sich um ein prinzipiell legitimes, das heißt – solange es im Rahmen seiner Grenzen zum Einsatz gelangt – um ein über Grundsatzzweifel erhabenes Mittel; sprechen könnte man diesbezüglich auch von einer prinzipiell legitimen Fokussierungsoption.) Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen läßt sich nun auch das eigentlich zur Behandlung anstehende Problem besser auf den Punkt bringen: Problematisch an der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur ist weniger, daß sie ein wesentlich territorial geprägtes Kulturverständnis fallweise mit einem Kulturverständnis gleichgesetzt, welches Kulturen nach der Vorstellung geschlossener Systeme konzipiert; denn sie kann damit – wie bereits deutlich wurde – durchaus richtig liegen. Sondern problematisch an der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur ist vielmehr, daß sie diese Einschätzung, statt sie auf ___________ 559

Siehe oben, insbesondere Seite 272 ff. Dasselbe gilt etwa auch für diejenigen Mühlmanns. 561 In der Hauptsache gemeint sind die (auf Seite 361) erwähnten interkulturellen Assoziierungs- bzw. Organisationsformen oder Ereignisse. 560

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

nachweisliche Beispiele zu beschränken, auf häufig unzulässige Weise verallgemeinert (und so jedenfalls den über vorstehende Feststellungen vermittelten Reflexionsstand nicht angemessen widerspiegelt). – In denjenigen Fällen, in denen dies auf besonders eklatante Weise sichtbar wird und die entsprechenden Erklärungen in einer Art verfaßt sind, daß vermittels ihrer schlichtweg unhaltbare Bezüge zu den kulturtheoretischen Positionen Lévi-Strauss’562 hergestellt werden oder herstellbar werden, sehe ich mich veranlaßt, korrigierend einzuschreiten. Nachfolgend werde ich dabei so vorgehen, daß ich zunächst diesen einschlägigen Fällen (teils sie schildernd, teils sie zitierend) Raum gebe, bevor ich dann – im Anschluß an einen mehr erinnernden Bezug auf Lévi-Strauss’563 kulturtheoretische Positionen – dazu übergehe, diese Fälle zu kommentieren und damit das durch sie erzeugte Bild als Trugbild (sowie nicht zuletzt als Tort, den sie dem Vermächtnis Lévi-Strauss’564 antun) dingfest zu machen. Zunächst also zu den einschlägigen Fällen: In ihrem Essay zur Aktualität des Kulturbegriffs in der Ethnologie beispielsweise visiert B. Schmidt den Funktionalismus, die Systemtheorie und den Lévi-Strauss’schen Strukturalismus als Theorieparadigmen, welche Kulturen (im unausgesprochenen, aber konventionellen Sinne geographisch zuordenbarer Größen) als ‚geschlossene Container‘ konzipieren.565 Innerhalb welches terminologischen und konnotativen Feldes diese Etikettierung566 siedelt, zeigt sich nicht nur an benachbarten Stellen desselben Essays – dort etwa, wo die Autorin ihre Rede auf „reine, ganzheitlich geschlossene Kulturisolate“567 bringt oder gar eine „Ontologie des geschlossenen Containers“568 (einschließlich eines ‚ontologischen blinden Flecks‘ in bezug auf die wissenschaftliche Reflexion des ‚„Fremden“‘569) ausgemacht haben will –, sondern es zeigt sich ferner in einer Studie über Kultur im Zeitalter der Globalisierung, in der B. Schmidt (neben Drechsel und Gölz) als Koautorin wirkt570. Abgesehen von einigen begrifflichen Variationen (‚äquilibrierte ‚au___________ 562

… bzw. etwa auch zu jenen Mühlmanns … … bzw. etwa auch Mühlmanns … 564 … sowie etwa auch jenem Mühlmanns … 565 Vgl. B. Schmidt (2000: 130); siehe zur näheren Erwähnung Lévi-Strauss’ ebd.: 136. (In Richtung auf eine Stärkung des Problembewußtseins wirkt genau hier auch Boon 1985: 169.) 566 B. Schmidt merkt an (vgl. dies. 2000: 129 bzw. 136), daß Beck (1997: 49 f.) von einer ‚Kultur-Container-Theorie der Gesellschaft‘ spreche. – Dem will ich hinzufügen, daß Beck den ‚Container‘-Begriff vermutlich Autoren entlehnt, die ihn bereits vor ihm gebrauchten (vgl. Agnew / Corbridge 1995: 84 und 92 ff.). Zumindest ist dies der Eindruck, den ich bei der Lektüre des Beckschen Textes gewinne. 567 B. Schmidt (2000: 129; keine Hervorhebung im Original). 568 Ebd.: 130; keine Hervorhebung im Original. 569 Vgl. ebd. 570 Vgl. Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000). 563

VII. Der Horizont der Ausmessung

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tochthone‘ Kultur‘571, ‚isolierte holistische Kulturen‘572, ‚zeitlose kohärente isolierte Kulturmonaden‘573, ‚autopoietische Kulturcontainer‘574) sticht dort vor allem ins Auge, daß das sogenannte Paradigma geschlossener Kultur-‚Container‘ auf einer Linie mit der traditionellen Unterscheidung zwischen sogenannten ‚primitiven‘ und sogenannten ‚zivilisierten‘ Kulturen gesehen wird.575 Man beachte in diesem Zusammenhang den unverkennbar apodiktischen Zug der folgenden Darlegung: „Sogenannte ‚primitive‘ Kulturen wurden als die reinsten geschlossenen Container in der Moderne konstruiert […]. Zwischen ihnen gab es nichts, noch nicht einmal Differenzen.“576

Mit ihrer pauschalisierenden Gleichsetzung von territorialem und geschlossen-systemischem Kulturverständnis steht das besagte Autorenteam (Drechsel / B. Schmidt / Gölz) bei weitem nicht alleine. Vergleichbare Auffassungsweisen finden sich etwa bei Nederveen Pieterse (im Rahmen dessen, was er als ‚Kultur 1‘ definiert)577; desgleichen bei Beck, der die Argumentation Nederveen Pieterses übernimmt578; oder auch bei Breidenbach / Zukrigl, deren Position (entstammend einer Manuskriptversion) man in diesem Zusammenhang verschiedentlich herangezogen sieht579: „Das verwendete Kulturkonzept negiert nicht nur die Durchlässigkeit von Grenzen, interne Heterogenität, Kulturkontakt, Vermischung und Widersprüche, es schafft und essentialisiert auch in seiner Konzentration auf ‚Unterschiede‘ eben diese.“580

Der bei einer Synopse konstatierbaren eigentümlichen und überaus zweifelhaften Vernetzung und Verdichtung der genannten Auffassungsweisen wird mithin nicht zuletzt durch ein Phänomen Vorschub geleistet, das innerhalb der ‚Scientific Community‘ unter der Bezeichnung „Zitierzirkel“ geläufig ist (gemäß dem Muster: A bezieht sich auf B; B bezieht sich auf A; C erwähnt A und ___________ 571

Vgl. Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000: 13; keine Hervorhebung im Original). Vgl. ebd.; vgl. auch ebd.: 7; jeweils keine Hervorhebung im Original. 573 Vgl. ebd.: 14; keine Hervorhebung im Original. 574 Ebd; keine Hervorhebung im Original. 575 Vgl. ebd.: 13 und 137. 576 Ebd.: 13; keine Hervorhebungen im Original. 577 Vgl. Nederveen Pieterse (1995 / 1998: 114 f.). 578 Vgl. Beck (1997: 118 f.); ferner ders. (1998 a: 54). Siehe zu einer wiederum daran anknüpfenden Bezugnahme Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000: 137); auch Hansen ([1995] [22000] 32003: 356 f.). 579 So von Beck (1998 a: 54); von Drechsel / B. Schmidt / Gölz (2000: 137); wie auch von Hansen ([1995] [22000] 32003: 357). 580 a: Breidenbach / Zukrigl (1997), zitiert nach Beck (1998 a: 54) ; keine Hervorhebungen dort. b: Vgl. hierzu außerdem, leicht abgewandelt, Breidenbach / Zukrigl ([1998] 2000: 77 f. und 80). 572

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

B; D zitiert A, B und C, wird dann im Gegenzug aber auch wieder von A referiert usf.). Unter diesem Aspekt sei hier nochmals vor allem verwiesen auf die Autoren Beck; Drechsel / B. Schmidt / Gölz; sowie Hansen581. Die von „Zitierzirkeln“ ausgehende negative Wirkung bezeichnet diejenige Seite des Phänomens, um die wesentlich es hier geht (und allein gehen kann). – Ein dem entsprechenden Vorgang eigentümlicher Aspekt sind die bisweilen auftretenden Formen der Vereinnahmung: die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Vereinnahmung zitierender Anderer, das Vereinnahmtwerden durch zitierende Andere, das Sich-vereinnahmen-Lassen durch zitierende Andere.582

Auf der Grundlage der über dieses Konglomerat an Beispielen (deren faktische Konnexität) vermittelten Einschätzungen ist ein Urteil wie das folgende zwangsläufig vorprogrammiert: Das Lévi-Strauss’sche, im wesentlichen territorial geprägte Kulturverständnis, für das sich die terminologische Unterscheidung zwischen sogenannten ‚Primitiven‘ und sogenannten ‚Zivilisierten‘ als quasi-konstitutiv erweist, zeichnet sich dadurch aus, daß es Kulturen nach der Art geschlossener, isolierter, statischer, homogener und äquilibrierter Gebilde (bzw. ‚Container‘) konzipiert. Eine nur kurze Revision meines Versuchs einer Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen dürfte demgegenüber helfen, sich einerseits der Unhaltbarkeit der über die angeführten Fallbeispiele vermittelten Einschätzungen – deren Stereotypencharakters –, andererseits und automatisch damit aber auch der retroaktiven Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses583 zu versichern. Die gesamte Mythenforschung beispielsweise – der sowohl hinsichtlich ihres Umfangs wie hinsichtlich der darin investierten Lebenszeit gewichtigste Anteil des Lévi-Strauss’schen Œuvres und zentraler Anwendungsbereich der strukturalen Anthropologie – wäre überhaupt undenkbar auf einem theoretischen Hintergrund, wie ihn der von mir kritisierte Autorenkreis insinuiert: dem theoretischen Hintergrund ‚geschlossener Contai___________ 581 Statthaft erscheint gleich an dieser Stelle noch ein Vermerk. Das von Hansen im Vorwort zur zweiten Auflage seines Buchs ([1995] 22000) für die folgende, dritte Auflage angekündigte Kapitel zum Kulturwandel (vgl. [1995] 22000: 7) ist mir nicht bekanntgeworden. Dort (in der dritten Auflage; vgl. [1995] [22000] 32003: 7) heißt es an betreffender Stelle nur noch: „Das wird nachzuholen sein.“ – Man kann gespannt sein, inwieweit sich dieser bis dato ausstehende Beitrag von den kulturtheoretischen Reflexionen Lévi-Strauss’ unterscheiden wird (abgesehen natürlich von einer speziellen Fokussierung auch inter- und transkultureller Phänomene, die im Falle Hansens legitimerweise erwartet werden darf; bzw. dürfte). 582 Unter diesem Gesichtspunkt will ich darauf hinweisen, daß sich die Argumentation von Breidenbach / Zukrigl ([1998] 2000) – wenn man sie im größeren Zusammenhang liest und zudem von den durch andere Autoren zitierten Passagen der älteren Manuskriptversion (vgl. dies. 1997) absieht – als mitunter doch differenzierter erweist. 583 Oder etwa des Kulturverständnisses Mühlmanns.

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ner‘.584 Als gewissermaßen exemplarische Bürgen für diese Unmöglichkeit figurieren in Lévi-Strauss’scher Theorie und Praxis nicht nur die zahlreichen, davon nicht zu sondernden systemtheoretischen Elemente (als Teile einer Theorie offener Systeme), sondern auch der Begriff der ‚Transformation‘585. Vergleichbares ist auch für die Forschungsperspektiven Mühlmanns festzuhalten, die mit dem (die Wahrnehmung von Abstufungen und Differenzen eher behindernden) Etikett des Funktionalismus586 zu versehen man sich landläufig angewöhnt hat: Wie sollte – wiederum nur zum Beispiel – die ethnologische Betrachtung von Amphiktyonien (kultischer Zusammenkünfte verschiedener Gemeinden bzw. Stämme)587, von Formen bzw. Systemen zeremoniellen Güterumlaufs (wie Kula, Merbok und Potlatsch)588, der Einrichtung der Proxenie (der öffentlichen Gastfreundschaft)589 oder des Metökenwesens (der Schutzbürgerschaft)590, aber auch der Erscheinungen der sogenannten ‚Colluvies gentium‘591 (eines Modus der Ethnogenese592) oder von Mechanismen ethnischer Assi-

___________ 584

Vgl. hierzu nochmals im besonderen die referierte Position B. Schmidts (oben, Seite 366, Text vor Fußnotennummer 565). 585 Siehe zu diesem innerhalb der strukturalen Anthropologie zentralen Begriff erneut meine Ausführung auf Seite 286 (Fußnote 197 a und b). 586 Vgl. angesichts dieser üblichen Rubrizierung erneut die referierte Position B. Schmidts (oben, Seite 366, Text vor Fußnotennummer 565). 587 Vgl. Mühlmann (1936: 287 f.), (1938 b) sowie (1940: vor allem 54 ff.). 588 Vgl. ders. (1936: 313 ff.) und (1938 a: 147, auch 233). 589 Vgl. ders. (1936: 286 ff.) und (1940: vor allem 45 ff.). 590 Vgl. ders. (1940: 53 und 148 f.). 591 Zurückgehend auf den deutschen Naturforscher und Ethnographen Carl Friedrich Philipp von Martius (1794-1868) (vgl. Mühlmann 1962 a: 303), stellt dieser Begriff ab auf ein „Sammelsurium von Versprengten, Rechtsbrechern, Flüchtlingen, Glücksrittern oder Banditen verschiedenster ethnischer Herkunft“ (Mühlmann 1964: 64). 592 Vgl. Mühlmann (1962 a: 303 ff.); hier insbesondere ebd.: 303 f.: Auf seinen in den Jahren 1823-1832 in Brasilien durchgeführten Reisen hatte Martius beobachtet, daß „manche Indianergruppen mit einheitlichem Stammesnamen keineswegs einheitlicher Herkunft waren, sondern in Wirklichkeit aus zusammengewürfelten Banden von Leuten der verschiedensten ethnischen Herkunft und – ursprünglich – auch verschiedener Sprache bestanden. Einige spätere Reisende haben die Berichte Martius’ angezweifelt und sie als auf Irrtümern beruhend bezeichnet. Inzwischen aber haben sich unsere ethnographischen Kenntnisse gewaltig vermehrt, und es läßt sich zeigen, daß der soziologische Tatbestand der ‚colluvies gentium‘ in der Tat besteht und nicht einmal ganz selten anzutreffen ist. In einigen Fällen können wir die Entstehung derartiger ‚ethnischer‘ Gebilde in den Einzelheiten verfolgen; in anderen Fällen haben wir nur Indizien. Im ganzen läßt sich schon heute zeigen, daß das Zustandekommen der ‚colluvies gentium‘ aus bestimmten historischen Situationen entspringt und gewissen soziologischen Regeln folgt. Bekannt ist das Beispiel der sog. Maronen in Niederländisch-Guayana, die in den Büschen Surinams aus der Vermischung entlaufener Negersklaven mit Indianern im 17. Jahrhundert entstanden sind. Sie haben den Holländern in jahrzehntelangen Buschkriegen zu schaffen gemacht und bilden heute eine ziemlich deutlich geprägte ethnische Gruppe […].“

370

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

milation593 möglich gewesen sein auf der Basis einer Konzeption von Kulturen als ‚geschlossener Container‘?

Der Nachweis für die Triftigkeit Lévi-Strauss’ tatsächlicher (belegbarer) kulturtheoretischer Positionen594 soll (und muß auch) an dieser Stelle nicht Schritt für Schritt neu erbracht werden. Als Leitfaden für eine (vom Leser selbst durchzuführende) Revision mag die auf der nächsten Seite tabellarisch präsentierte Gegenüberstellung in einem dienen und genügen. Betrüblich an der kritisierten zeitgenössischen kulturtheoretischen Diskussion ist insbesondere – um dies nun kommentierend anzumerken –, daß nicht wenige ihrer Meinungsführer sich trefflich darauf verstehen, das Geschehen vergangener und auch noch vorvergangener Dezennien für den Betrachter in einer Weise zu inszenieren, daß bei jedem wissenschaftshistorisch nur schemenhaft Orientierten der Eindruck entsteht (oder aber verstärkt wird), man habe bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein in gleichsam geistiger Umnachtung geforscht und es seien die wahrhaft ingeniösen Erleuchtungen ausschließlich den in allerjüngster Zeit sich Abmühenden vorbehalten gewesen (woraus messerscharf dann auch der Anspruch auf deren Würdigung als Meriten sich ableitete). Wesentlicher Bestandteil solcher Vorgehensweise ist die Selbstpositionierung der eigenen, zeitgenössischen Forschungsgeneration im wertend distanzierenden Verhältnis zu deren Vorgängern; genauer gesagt: das selbstgefällige Lancieren (jedenfalls eines Teils) der eigenen, zeitgenössischen Forschungserträgnisse595 in Verbindung mit einer unterschwelligen, subtilen Form der (eben alles andere als gerechtfertigten) Geringschätzung, die man den Bemühungen der Vorgänger angedeihen läßt; zum Ausdruck kommt dies trefflich in etwa folgenden Formulierungen: „[…] das Kulturmosaik596 scheint nicht nur als Bild unserer heutigen Welt unpassend. Auch historisch wird die Vorstellung, daß die zeitgenössische Diversität der Welt aus isolierten historischen Entwicklungen entstanden ist und die einzelnen Kulturen in sich geschlossene, statische Ganze sind, in Frage gestellt.“597 „Wir haben inzwischen Kenntnis von höchst komplexen vorkolonialen Kontakten – vermeintlich isolierter Menschengruppen. […]. Das Bild der reinen, homogenen und integrierten Kultur der jeweils Anderen entpuppt sich immer mehr als Projektion der mit der fragmentierten Realität der Moderne hadernden Westler.“598

___________ 593

Vgl. vor allem Mühlmann (1962 a: 323 ff.) und (1964: 135 ff.). Dasselbe gilt für die im Kontext deren Integration erfolgten Hinweise auf die Positionen Mühlmanns. 595 Des Kaisers neue Kleider! 596 Dem Sinn nach zu diesem Ausdruck fügt sich, was bei Geertz als sogenanntes ‚Keksausstecher-Kulturkonzept‘ ([1995] 1996: 76) Erwähnung findet. 597 Breidenbach / Zukrigl (1997), zitiert nach Beck (1998 a: 54). 598 Breidenbach / Zukrigl ([1998] 2000: 78; keine Hervorhebungen im Original); ähnlich in dies. (1997), zitiert nach Beck (1998 a: 54). 594

VII. Der Horizont der Ausmessung

371

Tabelle 3 Gegenüberstellung vermeintlicher und tatsächlicher Lévi-Strauss’scher Positionen Explizit oder implizit unterstellte (unhaltbare) Lévi-Strauss’sche Positionen

Tatsächliche (belegbare) Lévi-Strauss’sche Positionen

Kulturen (im konventionellen Sinne geographisch zuordenbarer Größen) sind zu begreifen als … 1. geschlossene Gebilde (bzw. ‚Container‘)

1. offene Systeme599

2. isolierte Gebilde

2. interagierende und interdependente Systeme

3. statische Gebilde

3. dynamische Systeme

4. homogene Gebilde

4. heterogene Systeme

5. äquilibrierte Gebilde

5. Antagonismen beinhaltende und (diese intra- wie interkulturell) austragende Systeme600

___________ 599 a: Nachfolgende Positionen 2-5 (dies gilt auch für die linke Spalte) bezeichnen logische Implikationen der an erster Stelle aufgeführten Kennzeichnung. b: Damit, daß Lévi-Strauss in Kulturen nicht nur ‚originäre Synthesen‘ (eine im Rahmen der bisherigen Ausführungen ebenfalls zentrale Bestimmung; vgl. oben, Seite 296, vor Fußnotennummer 255), sondern auch ‚offene Systeme‘ (einschließlich deren Implikationen) erkennt, birgt sein Kulturverständnis Züge jenes Junktims von Differenz und Konnexion, wie es sich in dem von Deleuze und Guattari unter dem Bild des ‚Rhizoms‘ skizzierten Modell einer zeitgemäßen Ontologie Ausdruck verschafft (vgl. dies. 1976 /1977; daneben W. Welsch [1995] 32000: 356 ff.). 600 a: Damit, daß Lévi-Strauss in Kulturen nicht nur ‚originäre Synthesen‘ (wie eben gesagt), sondern (im besonderen dann) auch ‚Antagonismen beinhaltende und austragende Systeme‘ erkennt, spiegelt sich in seinem Kulturverständnis überdies jener Januscharakter wider, den Hansen ([1995] [22000] 32003: 312 und 314) von einer zeitgemäßen Kulturtheorie berücksichtigt wissen will und der selbige davor bewahren mag, ihren Gegenstand einerseits zu pessimistisch, andererseits zu optimistisch einzuschätzen. b: In einer Weise aufgehoben sehen kann man den Kern dieser (an fünfter Stelle genannten) Bestimmung schon in Ogburns Lehre vom ‚cultural lag‘ (vgl. ders. 1923). Vgl. bezüglich Ogburns auch Mühlmann (vor allem ders. 1964: 355 ff.; außerdem ders. [1948] [21968] 41986: 224); bezugnehmend auf Ogburns Terminologie spricht dieser von einem ‚Hiatus‘ (1938: 204), von ‚kultureller Phasendifferenz‘ (vgl. 1962 a: 269) bzw. von ‚kultureller Phasenverschiebung‘ (vgl. 1964: 356).

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

372

Wenn man bedenkt, daß die Originalausgabe der betreffenden Publikation aus dem Jahr 1998 datiert, so stellt sich die Frage: Was heißt da ‚inzwischen‘? Und: Was heißt da ‚immer mehr‘? – Hält man sich allein an die wissenschaftshistorischen Dokumente, so kann der Befund nur lauten: Die Beiträge LéviStrauss’ weisen einen entsprechenden, offenkundigen Kenntnisstand bereits (allerspätestens) für den Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Säkulums aus. Bei Mühlmann etwa tauchen Stellungnahmen, die auf einen entsprechenden Kenntnisstand schließen lassen bzw. Stellungnahmen, die einen solchen dokumentieren, vergleichsweise früher auf (deutlich bereits ab der Mitte der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts). Ansätze zu einer zeitgemäßeren Sicht finden sich und jedenfalls unverkennbar aufgebrochen ist das sogenannte Paradigma geschlossener Kultur-‚Container‘ aber etwa auch schon in den bis Mitte der dreißiger Jahre vorgelegten, maßgebenden Veröffentlichungen Thurnwalds; oder etwa – nicht zu vergessen – in der nochmals gut zehn Jahre früher und zunächst nur in einer Fachzeitschrift erschienenen, sich aber im Laufe der Jahre als bahnbrechend erweisenden Abhandlung über die Gabe von Marcel Mauss.

Den Behauptungen, zu denen sich die kritisierte zeitgenössische kulturtheoretische Diskussion nicht selten versteigt, eignet in ihrer Vermessenheit aber auch noch eine andere Seite: Erweisen sie sich damit letzthin doch auch wieder als von einiger, fast paradoxer Schlichtheit. Autoren wie Drechsel / B. Schmidt / Gölz zumindest scheinen sich offenbar nicht darüber im klaren zu sein, wie sehr doch – bei Licht betrachtet – sie selbst es sind, welche kraft ihrer wissenschaftshistorischen Klitterung (und obendrein: aller offenen Anprangerung sowie allem angeblich überwundenen Gestrigen zum Trotz) dazu beisteuern, das Klischeedenken um die terminologische Unterscheidung zwischen sogenannten ‚Primitiven‘ und sogenannten ‚Zivilisierten‘ am Laufen zu halten, ja es in geradezu ungekannter Frische zu restituieren.601

___________ 601

muß!

Ein Ergebnis, das Lévi-Strauss sich in der Form sicher nicht vorhalten lassen

VII. Der Horizont der Ausmessung

373

4. ‚Originäre Synthesen‘ in der Zeit. Zur residualen Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses „Ungeschichtlichkeit ist eine opportunistische Marscherleichterung mit verhängnisvollen Folgen.“ Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos

a) Die denkbare Spannweite des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses und das Ziel der Argumentation Der Versuch, die Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses zu veranschlagen, erbrachte ein soweit doppeltes Ergebnis: angesichts bestimmter inter- bzw. transkultureller Phänomene konnten zum einen entsprechende prinzipielle Tauglichkeitsgrenzen des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses aufgewiesen werden; angesichts bestimmter wissenschaftshistorischer Darstellungen ergab sich zum anderen aber auch eine rückwirkende Problemangemessenheit und Zeitgemäßheit des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses. Mit diesen beiden Nachweisen ist nun allerdings die Frage der Adäquanz und Aktualität des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses noch nicht in einem hinreichenden Sinne als beantwortet zu betrachten. Der Umstand, daß Lévi-Strauss Kulturen nicht nur im konventionellen Sinne geographisch zuordenbarer Größen602 und als offene Systeme, sondern zugleich als ‚originäre Synthesen‘603 begreift und thematisiert, der Umstand – ferner –, daß Lévi-Strauss dies unter dem Aspekt deren Ausbildung, Bewahrung und Erneuerung604 tut, sowie der Umstand – schließlich –, daß Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Reflexionen aufgrund der Unterscheidung verschiedener Kultursysteme einerseits bzw. zwischen Nominal- und Realdefinition andererseits ein ipso facto konstruktives Moment enthalten605, dies alles zusammengenommen läßt es legitim erscheinen, die Verwendung des Lévi-Strauss’schen Kulturbegriffs – unbeschadet seiner erklärten, „klassisch“ ethnologischen Ausrichtung – auch noch auf Phänomene anderer Art auszudehnen: den von Lévi-Strauss unterschiedenen Kultursystemen gemäß auf bestimmte Traditionen bzw. Kollektive606, so etwa – ___________ 602 In den Worten W. Welschs ([1991] 1992: 12): als sogenannte ‚Kulturen alten Stils‘. Siehe nochmals oben, Seite 362, vor Fußnotennummer 546. 603 Vgl. zu diesem Terminus nochmals oben, Seite 296, vor Fußnotennummer 255. 604 Vgl. hierzu nochmals oben, Seite 277 ff. bzw. (im besonderen dann) Seite 282 ff. 605 Vgl. hierzu nochmals oben, meine Argumentation auf Seite 269 f. 606 In diesem Falle analog der Vorgehensweise Hansens ([1995] [22000] 32003: 158 ff.).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

um hierfür einige konkrete Beispiele zu nennen – auf bestimmte, geschichtlich hervorgebrachte und bis in die Gegenwart bestehende Formen des Hochschulwesens oder des Handwerks; entsprechend aber etwa auch auf bestimmte, geschichtlich hervorgebrachte und bis in die Gegenwart bestehende Formen der religiösen Glaubensgemeinschaft (wie die Katholische Kirche), auf im Laufe der jüngeren Geschichte formierte und aktuell noch existierende Nationalstaaten (wie die Türkei) oder auf sich aktuell formierende, staats- bzw. nationenübergreifende Zusammenschlüsse (wie die Europäische Union). Eine Vergewisserung der denkbaren Spannweite des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses erschöpfte sich dementsprechend nicht in der Konzentration auf den durch die „klassisch“ ethnologische Ausrichtung festgelegten Bereich; sondern ein entsprechender Vorgang würde darüber hinaus der soeben deutlich gewordenen, legitimen Extendierbarkeit des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses auch auf jenseits dieser „klassisch“ ethnologischen Ausrichtung liegende Bereiche gerecht. Genau dies aber ließe eine bewußte und aktive (prospektive) Entfaltung des gegebenen Potentials, eine bewußte und aktive (prospektive) Anbindung an das in den kulturtheoretischen Positionen LéviStrauss’ dispositionell Vorhandene unumgänglich werden.607 In zwei aufeinanderfolgenden Schritten soll nun eben dieser Versuch einer Vergewisserung der denkbaren Spannweite des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses unternommen werden, und zwar – das ist entscheidend – im Hinblick auf die Problemangemessenheit und Nutzbarkeit, welche dieses Kulturverständnis unter gleichermaßen „klassischen“ wie erweiterten Bedingungen für die Gegenwart besitzt und für die Zukunft behält. Gehen wird es in diesem Zusammenhang – zunächst auf einer prinzipiellen, sodann auf einer kasuellen Ebene – jeweils wesentlich darum, Herausforderungen zu präzisieren, ohne daß mit dem Angehen dieser Aufgabe schon letzten Antworten vorgegriffen würde.608 Begründet liegt die Begrenztheit des Anspruchs auch in der Beschaffenheit des LéviStrauss’schen Kulturverständnisses selbst: Enthalten Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen – wie meine Integrationsversuche im Ergebnis zeigen sollten609 – letztlich doch nicht mehr als relativ allgemeine Handlungsdirektiven, in allen Aspekten verhältnismäßig vage Verhaltensspezifikationen, Fundamente und Symbole eines (erst) auszuarbeitenden Programms.

___________ 607

Vgl. in dem Zusammenhang nochmals oben, Seite 363, die Argumentation vor Fußnotennummer 554 sowie die Fußnoten 554 a und b. 608 Vgl. hierfür auch nochmals meine Ausführungen unter Aspekt 8 des ‚Prologs‘, Seite 32 f. 609 Vgl. oben, Seite 305 ff.

VII. Der Horizont der Ausmessung

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b) Die prinzipielle Ebene: Erwägungen, Festlegungen, Fragen Punkt 1: Der Umstand, daß Ausgangspunkt wie auch Hintergrund der nachfolgenden Reflexionen kulturtheoretischer bzw. kulturphilosophischer (im einzelnen: kommunikations-, system- und spieltheoretischer; konstruktiver; auch teleologischer sowie nicht zuletzt normativer) Natur sind, legt in einem deren Anwendbarkeit, deren Reichweite und Grenzen fest. Punkt 2: Wenn die Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit als wichtiges Desiderat begriffen wird, kann der Akzent niemals einseitig auf der Erhaltung eigener originärer Synthesen (völlig absehend von der Erhaltung fremder) oder aber fremder originärer Synthesen (völlig absehend von der Erhaltung eigener) liegen; das Bestreben muß unter solcher Voraussetzung vielmehr dahin gehen, kulturelle Selbsterhaltung und Fremderhaltung – Phänomene (prinzipiell gesehen), zwischen denen Interdependenz besteht – zu koordinieren, sie also gleichermaßen im Blick zu behalten. Dies gilt zunächst im Kontext der Bewahrung und Erneuerung bestehender originärer Synthesen.610 – Auf bestimmte Weise gilt dies aber auch im Kontext der Ausbildung neuer originärer Synthesen. In diesem Falle erscheint die Auflösung bzw. Beseitigung bestehender originärer Synthesen nur als ein konstruktiver Vorgang, wenn sie nicht ersatzlos erfolgt, das heißt, wenn an deren Stelle eine neue originäre Synthese tritt oder aber der Vorgang einer (unter Erhaltungsgesichtspunkten gebotenen) Stärkung einer bereits bestehenden anderen originären Synthese dient. Punkt 3: Unter der Kondition der Erhaltung des Faktums kultureller Verschiedenheit ist Skepsis angebracht gegenüber allen originären Synthesen, die faktisch erkennen lassen, daß ihnen – nach innen wie nach außen – wirksame Kontrollinstanzen zur Begrenzung ihrer Macht abgehen.611 Die bestimmte Kon___________ 610 Der Preis dafür kann in Verhaltensanpassungen bestehen, betreffend etwa die Art, wie von Grundrechten Gebrauch gemacht wird. Nicht verwechselt werden sollte seine Entrichtung mit der Entrichtung jenes anderen (unannehmbaren) Preises, den eine regelrechte Verletzung oder Abschaffung von Grundrechten bedeutete. [Der Unterschied scheint nicht immer klar gesehen zu werden – selbst unter Wissenschaftlern; bisweilen darf es daher legitim erscheinen, die Wahrnehmung seiner Konturen zu stärken. Einen Versuch in diesem Sinne bilden meine beispielveranlaßten Überlegungen in einem in die Appendices der vorliegenden Untersuchung aufgenommenen Essay (Strehler 2006). (Siehe dort unter: Gliederungspunkt V., 465 ff.)] 611 Es ist ein Schwachpunkt Lévi-Strauss’scher Argumentation – was Glean O’Callaghan / Guillaumin (1974: 206) zu Recht bemängeln –, daß sie sich der Frage nach den entscheidenden Akteuren wie auch nach den historischen, ökonomischen, sozialen und politischen Hintergründen, die jeweils zu folgenreichen Definitionen, Abgrenzungen und Ausgrenzungen führen, nicht wirklich ernsthaft annimmt. Kaum weniger zurückgeblieben erscheint – was unter einer problemorientierten Sichtweise daran anschließt – die Behandlung von Fragen nach dem Wirken bindungsstiftender und -erhaltender bzw. bindungsschwächender und -lösender Kräfte, sowohl innerhalb einer originären Synthese als auch zwischen originären Synthesen [Ausgenom-

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

sequenz solcher Skepsis liegt darin, daß man sich in Fällen von Traditionen, die entsprechend inhuman sind oder es geworden sind, verwahrt gegen Erscheinungsformen eines absoluten Relativismus wie auch einer totalen Toleranz. Punkt 4: Wenn – wie dargetan612 (und zusammenstimmend mit beiden eben vorangegangenen Punkten) – kulturelle Selbst- und Fremderhaltung zu einem Interdependenzgeschehen mutieren, ja es diese als ein Interdependenzgeschehen aufzufassen gilt (entsprechend der letztlich im Rahmen eines terminalen teleologischen Komplexes gelagerten Konzeption von Kulturen als offener Systeme613), ist Selbsterhaltung gerade und notwendig maßvoll zu halten, sind jene fatalen Formen der Selbsterweiterung, die zu einer Gefahr für das kulturelle Weltgefüge werden müssen, gerade und notwendig zu verhindern, hat mithin die Reifikation von Selbsterhaltung in Selbstbegrenzung und Mäßigung zu liegen.614 – Nur ein Übersehen (im Sinn eines Wahrnehmungsdefizits bezüglich) des Bestehens erörterter Zusammenhänge machte es bislang möglich, daß der gegen Lévi-Strauss erhobene Vorwurf des Krypto-Rassismus (so letztlich – und ___________ men werden davon muß Lévi-Strauss’ Argumentation um den Begriff der ‚Koalition‘ (siehe oben, besonders Seite 291, vor Fußnotennummer 227, und Seite 313 f.).] . – Zentrale Bedeutung erlangt in dieser Hinsicht

bis heute die kulturvergleichende und sich sodann und vor allem auch moralischer Schlußfolgerungen nicht enthaltende Arbeit Mauss’ über die ‚Gabe‘ (vgl. ders. 1923/24 / [1968] 1990; vgl. näherhin dazu insbesondere Därmann 2005: 73-173, auch 624-639; und Schüttpelz 2005: 171-222). [Kritisch gegenüber Mauss anzuführen bliebe allerdings die prekäre Unterbestimmtheit der Modalität, in der er die von ihm visierte ‚gesellschaftliche Praxis‘ des Gebens, Nehmens und Erwiderns als ‚lernbar‘ ausgibt bzw. der Konnotation auch des Begriffs, der von ihm im Hinblick darauf eingeführt wird: ‚Erziehung‘ (vgl. dafür ders. 1923/24 / [1968] 1990: 180-182). Relevante Textpassagen machen nicht zuverlässig rekonstruierbar, welche Instanz letztlich ihm hier in jeweils spezifisch erzieherischer Funktion vor Augen steht: Menschen in diversen pädagogischen Rollen (Pendant: Lernen qua inter- resp. intragenerativer Übermittlung) oder aber das Leben selbst (Pendant: Lernen qua Widerfahrnis am eigenen Leib; darf heißen: Klugwerden erst qua Erleiden persönlichen Schadens). – Gerade weil Mauss zu weitreichenden moralischen Schlüssen anhebt, definiert der Unterschied einen Unterschied in der Ausgangsposition, wird dieser mithin eminent belangreich.] Siehe zum Thema ‚soziokulturelle Bindekraft‘ außerdem die durch Heitmeyer edierten, speziell die Bundesrepublik Deutschland fokussierenden, wenngleich nicht im inhaltlichen Anschluß an Mauss’ Gabeabhandlung konzipierten Studien bzw. Materialien: (1997 a) und (1997 b). 612 Siehe oben, Seite 352 ff. 613 Siehe oben, Seite 312 ff. 614 a: Nicht positiv anerkannt scheint mir die grundsätzliche Möglichkeit solcher Sichtweise – auch durchaus unabhängig also von Lévi-Strauss – bei B. Waldenfels (vgl. ders. 1997 a: 150); außerdem (indirekt) bei Därmann (vgl. dies. 2005: 86). b: Gestützt sehe ich meine in diese Richtung weisende Auslegung nicht zuletzt durch folgende, in der Absicht und mit dem Anspruch vorgetragene Stellungnahme LéviStrauss’, die virulenten Probleme im Kontext des Kulturellen und des Sozialen, im Kontext der Rassenfrage und der ökologischen Frage auf ihren Kern zu reduzieren; ihr genauer Wortlaut ist: „Von dem Augenblick an, da der Mensch keine Grenze seiner Macht mehr kennt, neigt er zur Selbstzerstörung.“ (Eribondt: 237 / Eribonfrz: 226).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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hier für alle – durch Balibar615) überhaupt formuliert werden konnte; wohingegen nunmehr ein Ignorieren hier vertretener Interpretation unterstellt werden dürfte, würde man sich betreffendem Vorwurf auch weiterhin anschließen oder aber sich veranlaßt sehen, diesen gegen ihren Verfasser zu richten. Punkt 5: Originäre Synthesen unterliegen dem Wandel in der Zeit. Zugunsten eines bestimmten Entwicklungsverlaufs getroffene Entscheidungen scheiden automatisch alle anderen Optionen aus; zudem erschweren sie – aufgrund der Eigendynamik, die sie entfalten – die Abänderung oder Umkehrung einmal genommener Entwicklungsrichtungen (wenn sie selbige nicht sogar verunmöglichen). Punkt 6: Innerhalb des Rahmens möglicher Einflußnahmen auf die Ausbildung, Bewahrung und Erneuerung originärer Synthesen in der Zeit erhebt sich die grundsätzliche Frage, an welchen Kriterien diese zu orientieren sind. LéviStrauss’ kulturtheoretische Positionen legen in diesem Zusammenhang nahe, die als Pole konzipierten Systemzustände der Stagnation und der Entropie bzw. Desintegration im Blick zu behalten.616 Hingewiesen werden sollte bei einer Bezugnahme auf dieses Spannungsfeld insbesondere auf die Bedeutung der Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen: auf die Bedeutung – im einzelnen – des Umgangs mit der Option gezielter Kontaktaufnahmen (resp. deren Unterlassung), mit der Option eines bewußten Einsatzes des Instruments der Grenze (durch Regulierung von Durchlässigkeitsgraden) bzw. mit der Option einer modalen Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen (durch Bestimmung deren Extensität, Intensität, Frequenz).617 Orientierungsmaßstab nach LéviStrauss wäre ferner (was wiederum von Vorstehendem nicht zu trennen ist) eine Verpflichtung gegenüber der eigenen Vergangenheit – im Sinne einer angemessenen Versicherung gegenüber der in dieser beschlossen liegenden Wertschöpfung und Originalität, gegenüber den Ressourcen auch, die der eigene Fundus bereithält –, um so vor allzu leichtfertigen Preisgaben derselben oder auch vor unverhältnismäßigen Innovationsschüben (jeweils insbesondere dort, wo es sich um geschichtsträchtige originäre Synthesen handelt) zu bewahren.618 ___________ c: Hier auch endet deshalb die Parallelität der Denkbahn Lévi-Strauss’ mit jener Denkbahn, der Mühlmann während der nationalsozialistischen Jahre Gestalt zu verleihen sich anschickte. Siehe dafür bereits oben, den Untertext auf Seite 314. 615 Vgl. Balibar (1988 / [1989] 1990: 29 und 37). Siehe erneut auch oben, Seite 314, Fußnote 339 b. 616 Vgl. hierfür nochmals oben, Seite 290, den Text um die Fußnotennummern 219221. (Und später.) 617 Vgl. hierfür nochmals oben, die Argumentation auf Seite 288 f. (Und später.) 618 Vgl. hierfür nochmals oben, Seite 305 f., die Argumentation um die Fußnotennummern 292-297; speziell zur Innovationsthematik auch nochmals oben, die Argumentation auf Seite 263 ff.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Punkt 7: Originäre Synthesen (umfassender Art wie Ethnien, Lebensformen; aber auch begrenzter Art wie Formen des Hochschulwesens, des Handwerks, der religiösen Glaubensgemeinschaft usw.) bezeichnen Antwortversuche auf spezifisch humane Herausforderungen; in diesem (noch allgemeinen) Sinne sind sie zweckgebunden, handelt es sich um Instrumentarien einer jeweiligen Bewältigung.619 Punkt 8: Originäre Synthesen als per se zweckgebundene originäre Synthesen verfügen über je eigene Traditionen mit ihren je eigenen Vor- und Nachteilen, das heißt über Traditionen mit Vor- und Nachteilen, deren Bewertung zu Verzerrungen und unzulässigen Verkürzungen führt, wenn sie unter Absehung von dem jeweiligen, spezifischen Traditionskontext vorgenommen wird. Der Schutz vor fälschlicher, nicht selten taktisch motivierter Elimination einzelner Vor- oder Nachteile aus traditionsgebundenen Bedeutungsfeldern beginnt daher mit einer Vergewisserung bezüglich der spezifischen Qualität, die zweckgebundene originäre Synthesen jeweils wesentlich ausmacht, die diese jeweils wesentlich besitzen: Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen legen nahe, darunter Alternativen zu verstehen, wobei ich den Begriff ‚Alternative‘ näherhin fassen will als Funktionsbegriff katexochen für den Ausschluß eines Wertgefälles. Ein Denken in Alternativen kontrastierte demzufolge mit dem Konkurrenzdenken. Oder summarisch ausgedrückt: Verschiedene, bereits bestehende originäre Synthesen, die denselben oder vergleichbaren Zwecken dienen, stünden demzufolge dem Wettbewerb nicht offen. – Worin in jedem Einzelfall sollten die Verzerrungen und unzulässige Verkürzungen ausschließenden Entscheidungskriterien auch bestehen? Punkt 9: Historisch neue Herausforderungen stellen vor die Frage der Tragfähigkeit von Traditionen. Im Falle verschiedener originärer Synthesen, die denselben oder vergleichbaren Zwecken dienen, berührt diese Frage schnell die Frage deren Effizienz. Vor allem aber handelt es sich dann um ein Problem, dem sich nicht ausschließlich eine Tradition gegenübersieht; sondern es betrifft dann immer auch – in der einen oder anderen Weise – alternative Traditionen. Punkt 10: Was kulturell fremd, was kulturell eigen ist, ist eine Frage nicht zuletzt des Standpunkts. Aufmerksam zu machen ist in diesem Zusammenhang auf eine atypische Erscheinungsform des kulturell Fremden: das kulturell Eigene, indessen Fremdgewordene; das kulturell Eigene, das von den Betroffenen wahrgenommen wird oder das ihnen manifest begegnet in Gestalt einer originä___________ 619 Vgl. in diesem Zusammenhang Blumenberg ([1979] 31984: 182): „Das aus dem Mechanismus der Evolution resultierende organische System wird ‚Mensch‘ dadurch, daß es sich dem Druck jenes Mechanismus entzieht, indem es ihm so etwas wie einen Phantomleib entgegenstellt. Es ist die Sphäre seiner Kultur, seiner Institutionen, auch seiner Mythen.“ Vgl. in diesem Zusammenhang außerdem Lévi-Strauss in BF: 44 / RE: 41.

VII. Der Horizont der Ausmessung

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ren Synthese, deren bei ihnen einmal vorhandene Wertschätzung nicht mehr unvermindert gegeben ist.620 Punkt 11: Auf nochmals eigene Weise erhebt sich die Grundsatzfrage der Kriterienorientierung im Zusammenhang des Problems Eigenständigkeit versus Zusammenschluß: in Form der Frage der Gewichtung einer bestimmten, bereits bestehenden originären Synthese im Verhältnis zu einer anderen, ebenfalls bereits bestehenden originären Synthese, mit der eine Fusionierung (im Sinne eines Integrationsvorgangs) – und mithin: die Ausbildung einer insgesamt neuen Qualität – vorstellbar ist bzw. umsetzbar erscheint.621 Als Gewichtungskriterium auf Lévi-Strauss’scher Linie läge in diesem Falle – zusätzlich zu den obenerwähnten Orientierungskriterien622 – das Ökonomieprinzip; dessen Anwendung bedeutete, daß stets zu prüfen bliebe, inwieweit jede der von einem Integrationsvorgang betroffenen originären Synthesen der jeweils anderen notwendig623 bedarf. Nicht übersehen werden sollte, daß es sich hierbei zumeist um einen relationalen Vorgang handelt, was implizierte, daß zur Anwendung besagten Prinzips die fallweise gegeneinander vorzunehmende Abwägung von (aus einer Wahl wie aus einer Nichtwahl resultierenden) Konstellationen zählt. – Konvergieren würden mit dieser Linie all jene handlungsrelevant werdenden Entscheidungen, von denen sich behaupten ließe, daß sie das Faktum der Verschiedenheit (einschließlich der daran gekoppelten responsiven Flexibilität) auf vergleichsweise höchstem Niveau erhalten.

___________ 620 In der Verwendung von Begrifflichkeiten wie kulturell Eigenem bzw. kulturell Fremdem ist der ab ovo plurikulturelle Entstehungscharakter originärer Synthesen – um dies wiederholt zu betonen (vgl. zuletzt Seite 313, den Text um Fußnotennummer 332) – immer schon aufgehoben. 621 Lévi-Strauss beschreibt das Ergebnis eines solchen Vorgangs unter spieltheoretischen Prämissen: als Diversifizierung des Spieleinsatzes durch Aufnahme eines externen Partners (bzw. externer Partner) in den Spielverbund (vgl. oben, Seite 292, den Text um die Fußnotennummern 237 und 238). 622 Siehe Punkt 6: Vermittlung zwischen den Systemzuständen der Stagnation und der Entropie bzw. Desintegration (bei entsprechender resp. durch entsprechende Gestaltung der wechselseitigen Beziehungen); eigener Wertschöpfung und Originalität verpflichtete Erinnerung; maßvolle Innovationen. 623 Gemessen an den jeweils systemspezifischen Herausforderungen.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

c) Die kasuelle Ebene: Ausgesuchte Proben aa) Illustrationen: Die Jäger- und Sammler-Kulturen zentralafrikanischer Pygmäen624 „Der Wald ist Alles (ndura nde bokbu).“ Rede der Mbuti (nach Colin M. Turnbull, Wayward Servants)625

(1) Die maßgeblichen ethnographischen Daten Das Lévi-Strauss’sche Kulturverständnis in seiner „klassisch“ ethnologischen Ausrichtung erfährt hinsichtlich seiner wesentlichen Parameter so lange seine Bestätigung und auch behält es – unter dem Aspekt der Entwicklungsdynamik – so lange seine (mindestens hypothetische) Plausibilisierungs-, Erklärungs- und Abschätzungsfähigkeit, wie entsprechende Ethnien bzw. indigene Lebensformen existieren. Ein geeignetes Illustrationsbeispiel bieten in diesem Zusammenhang die rezenten Jäger- und Sammler-Kulturen zentralafrikanischer626 Pygmäen, Kulturen eines Kontinents mit anderen Worten, der eigentümlicherweise so gut wie nicht im näheren Blickfeld Lévi-Strauss’scher Forschung stand627. – Zunächst die maßgeblichen ethnographischen Daten: ___________ 624 Fertigstellung dieses Gliederungspunktes: Juni 2005. (Danach nur noch sehr geringfügige Überarbeitungen.) 625 Vgl. hier auch Godelier (1973 / 1973: 77). 626 Abgestellt wird damit auf eine geographische Region, die ein weit größeres Gebiet umfaßt als nur den gleichnamigen Staat (die Zentralafrikanische Republik). 627 a: Lévi-Strauss’ ‚Kurze Betrachtungen über Afrika‘ in EStV: 624-630 / StEP: 535-541 wie auch seine in den Jahren 1981-1982 an der École Pratique des Hautes Études gehaltene Vorlesung (die zugleich letzte Vorlesung seiner Lehrtätigkeit; sie enthält Verwandtschaftsbetrachtungen über Afrika; vgl. EV: 241-253 und 284 f. / PD: 230-241 und 273 f.; vgl. entsprechend auch BF: 143 ff. / RE: 128 ff.) fallen – gemessen an der thematischen Richtung der Mehrzahl seiner Forschungsbeiträge – nicht wirklich ins Gewicht. Besagte Betrachtungen gelten im übrigen auch nicht zentralafrikanischen Pygmäenkulturen. b: Dies läßt sich, wenn man speziell an die zentralafrikanischen Pygmäenkulturen denkt, im Falle Mühlmanns nicht behaupten. (Entsprechende, auch gebotene kritische Hinweise enthalten die nachfolgenden Ausführungen.) [Zumindest erinnert sei an dieser Stelle noch an die in den neunzehnhundertdreißiger und -vierziger Jahren entstandenen und (im Gegensatz zu jenen Mühlmanns) auf Feldforschungen basierenden Beiträge der der Wiener Schule zuzurechnenden Steyler Ordensbrüder Schebesta und Gusinde. G. Forsters im Jahr 1785 erstmals gedruckter Pygmäenaufsatz hingegen (vgl. ders., Ueber die Pygmäen / 1785 ) – so viel noch zuletzt bemerkt – stellt eine der Aufklärungsepoche verhaftete, um Entmythologisierung bemühte Deutung der Pygmäen-Sage dar, steht also noch deutlich außerhalb des Kontextes ethnographisch gesicherter Bezugnahmen.]

VII. Der Horizont der Ausmessung

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Physisch betrachtet, zählen die zentralafrikanischen Pygmäen – neben anderen Bewohnern tropischer Regenwälder (etwa den Negritos Südostasiens) – zu den kleinwüchsigen Zweigen der Menschheit.628 Die zahlenmäßig stärksten und wissenschaftlich (unter diversen Aspekten) am besten dokumentierten zentralafrikanischen Pygmäengruppen sind die Aka (im Norden Kongos / Hauptstadt Brazzaville und im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik), die Baka (im Südosten Kameruns, im Norden Gabuns und im Norden Kongos / Hauptstadt Brazzaville), die Mbuti und die Efe (jeweils im Nordosten Kongos / Hauptstadt Kinshasa629).630

___________ 628 a: Vgl. hierfür etwa Mühlmann (1964: 194 ff.); auch L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 30 ff.) und L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 23). Die durchschnittliche Körpergröße – um davon eine Vorstellung zu vermitteln – ist nicht für alle zentralafrikanischen Pygmäengruppen dieselbe; lediglich zur Orientierung angegeben werden soll hier ein mittlerer Wert von 150 cm bzw. ein Wert, der im Mittel auf alle Fälle deutlich unter 160 cm liegt (vgl. L. L. Cavalli-Sforza 1986 a: 18 und 20; siehe hier auch Christiansen 1994: 38). b: Der Begriff ‚Rasse‘ könnte, muß hier aber keinesfalls Verwendung finden. Hier und im folgenden büßt die Argumentation nicht das geringste an Aussagewert ein, wenn sie auf ihn verzichtet. [Vgl. in dem Zusammenhang Leiris 1951 / 1977: „Sobald man des Feld der reinen Biologie verläßt, verliert das Wort ‚Rasse‘ jegliche Bedeutung.“ (Ebd.: 114.)] – Siehe allgemein für einen wissenschaftlich soliden und zugleich verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik um diesen Begriff die beiden vorhin erwähnten Titel: L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994) und L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999); außerdem den soeben erwähnten Titel: Leiris (1951 / 1977). 629 Im Nordosten also ehemals Zaires. 630 a: Vgl. Hewlett (1996: 215 f.). Siehe für eine geographische Übersicht ebd.: 216; auch L. L. Cavalli-Sforza (1986 b: 24). Die jeweils geschätzte Population beträgt: 30.000 für die Aka, 25.000 für die Baka, 27.000 für die Mbuti und 6.000 für die Efe (so nach Hewlett 1996: 218). – Die genannten Zahlen beziehen sich jeweils auf den ganzen (durch gleiche Sprache, Sitten und Bräuche, Mythen, religiöse Vorstellungen ausgezeichneten) Stamm, nicht auf dessen einzelne, die größten gemeinsam handelnden Einheiten darstellenden, sogenannten Horden, die im Durchschnitt nur circa dreißig Personen umfassen und deren Zusammensetzung variieren kann. In Gang gesetzt und gehalten wird die solchen Horden eigene Dynamik von Fission und Fusion durch Faktoren wie Nahrungs- bzw. Ressourcenknappheit, über die Jagd diktierte Lagerplatzwechsel oder auch interne soziale Unstimmigkeiten. Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 23); Turnbull (1986: 109 und 119 f.); Kohl ([1993] 22000: 54) und Bargatzky (1997: 135 f.). [Vgl. in diesem Zusammenhang, auf die Mbuti abstellend, auch Godelier (1973 / 1973): „Das, was sich nicht verändert, ist nicht die innere Zusammensetzung der Horden, sondern das Bestehen eines stabilen Verhältnisses zwischen den Horden […].“ (Ebd.: 72.)] b: Eine Bezifferung der Stärke aller zentralafrikanischen Pygmäengruppen, sozusagen der gesamten zentralafrikanischen Pygmäenpopulation, ist schwierig. L. L. CavalliSforza (1986 c: 361) nennt eine Zahl von 150.000-200.000, Bahuchet (1997: 115) eine Zahl von 100.000-200.000 Seelen.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Ungeachtet der vielfältigen Unterschiede zwischen den genannten (und noch anderen) zentralafrikanischen Pygmäengruppen631 teilen diese (über die angeführte physische Gemeinsamkeit hinaus) traditionell noch eine Reihe weiterer gemeinsamer Merkmale bzw. Merkmalsmuster, von denen die folgenden hervorgehoben seien: Mit den folgenden Merkmalsmustern beziehe ich mich auf die genannten Gruppen, insoferne sie auf diese zutreffen, was genau besagen will, daß nicht auszuschließen ist, daß lokal mitunter Gegebenheiten gelten, welche die folgenden Ausführungen in Teilen nicht (oder nicht mehr) bzw. nur bedingt (oder nur noch bedingt) als zustimmungsfähig ausweisen.632 Die Wahl des Begriffs Merkmalsmuster erfolgte ebenfalls mit Bedacht: Von vornherein will sie einer Verleitung zu der Auffassung entgegenwirken, verhandelt werde ein unterkomplexer „Gegenstand“.

– Anthropogeographisches Muster: Die traditionelle Lebensweise zentralafrikanischer Pygmäen ist unter dem Gesichtspunkt der theoretischen und praktischen Kompetenz633 wie auch unter dem Gesichtspunkt des gesamten Sozialverhaltens634 hervorragend an den tropischen Regenwald angepaßt; umgekehrt ist diese Lebensweise aber auch ebensowenig vom tropischen Regenwald zu trennen: mit seinen Ressourcen (Tieren und Pflanzen), ja mit seiner gesamten Ökologie bildet er deren wesentliche Grundlage.635 Traditionell lebende zentralafrikanische Pygmäen identifizieren sich außerdem spirituell und emotional sehr stark mit dem tropischen Regenwald.636 Zudem sind zen___________ 631 a: Etwa bezüglich der jeweils bevorzugten Jagdtechniken (und deren ökonomischer und sozialer Implikationen). b: Bewußt akzentuiert wird eine entsprechende, auf Unterschiede abstellende Forschungsperspektive in den Beiträgen (beispielsweise) Kents (1996), Hewletts (1996) und Bird-Davids (1996). 632 Vgl. hier – gerade für eine Einstimmung – auch den Beitrag Vansinas (1986). 633 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 25). Zu betonen sind neben der Herstellung von Arzneien, Giften und Gegengiften insbesondere die hervorragenden ethologischen Kenntnisse, welche sich bei der Jagd als von grundlegender Bedeutung erweisen (siehe ebd.). 634 Vgl. Turnbull (1986: 122). 635 a: Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 49 und 351); daneben Turnbull (1986: 106 ff. und 123). b: Die entsprechende Ressourcenvielfalt wiederum bildet – auch darauf ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen – ein Resultat der langewährenden Präsenz (und also gerade nicht, wie man bisweilen geneigt ist anzunehmen, einer Absenz) der Pygmäen in den zentralafrikanischen Regenwäldern. Siehe besonders Bailey (1996: 324 f.; außerdem noch 327 f.). [Vgl. hier auch nochmals die Argumentation zum ‚anthropogenen Waldzustandsverständnis‘: oben, Untertext auf Seite 331 f., um Fußnotennummer 410.] 636 a: Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 28 und 37 f.); auch Bailey (1996: 326) und Hewlett (1996: 215). b: Vgl. speziell für die Mbuti Turnbull (1965: 252 ff.); außerdem – Bezug nehmend darauf – noch Godelier (1973 / 1973: 77 f.).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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tralafrikanische Pygmäen biologisch bestens an ihre Umgebung, den tropischen Regenwald, angepaßt.637 Es sollte bezüglich der betreffenden geographischen Räume nicht mit Selbstverständlichkeit von ‚Rückzugsgebieten‘ gesprochen werden.638 Denn die mit einem solchen Terminus unterschwellig gesetzte These eines historisch weit zurückliegenden, ethnischen Verdrängungsprozesses erforderte eine Eindeutigkeit der Befundlage, die faktisch nicht gegeben ist. Ebenso denkbar wäre, daß Pygmäen immer schon dort gelebt haben;639 ebenso denkbar auch, daß historische Bewegungen in diese Räume und das gegenwärtige Existieren in ihnen Tendenzen gleichermaßen der Flucht wie der Selbständigkeit zum Ausdruck bringen.640

– Interethnisches Muster: Zentralafrikanische Pygmäengruppen stehen traditionellerweise in einem festen (engen, bisweilen als symbiotisch gekennzeichneten641) und überaus komplexen Interaktionsverhältnis642 mit den ihnen jeweils benachbarten, angrenzend an den tropischen Regenwald siedelnden643, Bodenbau betreibenden Ethnien644.645 Wesentlicher Bestandteil des ___________ 637 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 31 und 33 ff.) und L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 23). 638 Vgl. zur Verwendung dieses Terminus Mühlmann, vor allem (1962 a: 272 und 355) sowie (1964: 171 f.); später Kohl ([1993] 22000: 80) sowie Bargatzky (1997: 159). 639 Siehe für diese mit wünschenswerter Vorsicht vorgetragene alternative Annahme L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 31). 640 Vgl. auch wiederum hierzu Mühlmann, und zwar ders. (1962 a: 383): „Die heutige geographische Entlegenheit der [sogenannten; H.M.S.] Naturvölker in den Peripherzonen der Oikumene ist nicht nur Fluchtlage auf Grund eines Rückzuges vor den [sogenannten; H.M.S.] Zivilisationsvölkern (wie sie von den Anthropogeographen meist gedeutet wird); sie ist zum Teil auch Folge eines Selbständigkeitsstrebens. Sie ist, genau genommen, ein Gemisch aus Flucht- und Selbständigkeitstendenzen.“ – Insgesamt verrät Mühlmann damit, insofern er (wie gesagt und häufig genug) auch auf den Terminus ‚Rückzugsgebiete‘ rekurriert, eine doppelbödige Argumentationsführung. 641 Vgl. hierfür etwa Mühlmann, vor allem ([1982] 1985: 14); ebenso L. L. CavalliSforza (1986 c: 423); auch Thiel ([1977] [41983] 51992: 49); oder Leiris (1951 / 1977: 104). 642 Vgl. etwa Hewlett (1996: 215). 643 Bisweilen kann es sich bei den entsprechenden Siedlungen – entgegen manchen, die tatsächlichen ethnographischen Verhältnisse auf den Kopf kehrenden Darstellungsweisen – auch um Enklaven handeln, das heißt um (über Fernstraßen angebundene, ansonsten aber) relativ weitgehend isolierte, von Plantagen umgebene Dörfer bzw. Lichtungen inmitten des riesigen Areals des Regenwaldes. (Oder um den Sachverhalt aus entgegengesetzter Perspektive zu fassen: Gerade nicht die angestammten Lebensräume der Pygmäen bezeichnen in solchen Fällen die Enklaven.) Vgl. Turnbull (1986: 104 f.). 644 ‚Nichtgeschlossenheit‘ (Godelier 1973 / 1973: 70 und 72) – mit anderen Worten – ist nicht nur ein Kennzeichen der Pygmäengruppen nach innen (vgl. hierfür nochmals oben, Seite 381, Fußnote 630 a, zweiter Absatz), sondern auch nach außen. Bemerkenswerterweise wird dieser wesentliche Aspekt in den Untersuchungen Godeliers (1973 / 1973) ignoriert. 645 Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang die jährlich auf mehrere Monate ausgedehnte, quasi-institutionalisierte Tätigkeit von Pygmäen auf den Plantagen bzw.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Interaktionsverhältnisses zwischen den Pygmäen und den großwüchsigen Angehörigen dieser benachbarten Ethnien sind Tauschgeschäfte.646 Die im einzelnen durchaus vorhandenen kulturellen Übereinstimmungen (so beispielsweise in der gesprochenen Sprache647) sollten freilich nicht übersehen machen, daß die zentralafrikanischen Pygmäengruppen sich von ihren jeweiligen seßhaften Nachbarn dann wiederum doch auch beträchtlich unterscheiden. Dies betrifft nicht nur den Bereich der subsistenzorientierten Wirtschaftsweise (hier ist es am offenkundigsten); es betrifft auch die Bereiche der verwandtschaftlichen Beziehungen, der Sozialorganisation, der Religion648. Hinter den Fragen nach dem Typus dieses Interaktionsverhältnisses bzw. nach der Art und dem Status der diesbezüglich erweisbaren Interdependenzen stehen Themenkomplexe, die hier weder im einzelnen aufgerollt und vertieft werden können, noch im einzelnen aufgerollt und vertieft werden müssen. Statt von vornherein und auf einer unter Umständen unzureichenden Informationsgrundlage für die eine oder andere der in dieser Diskussion verfochtenen Positionen Partei zu ergreifen649, sollte die De-

___________ Feldern ihrer Nachbarn. Sie dürfte inzwischen für fast alle Pygmäen gelten (vgl. L. L. Cavalli-Sforza 1986 c: 422). Die Anzahl der im tropischen Regenwald verbrachten Monate hat Hewlett (1996: 220) für die genannten Gruppen wie folgt beziffert: auf sieben bis acht für die Aka, auf vier bis fünf für die Baka, auf acht für die Mbuti und auf fünf für die Efe. 646 Tierische und pflanzliche Produkte der Hyläa (z. B. Wild, Honig, Baumaterial; zu Kolonialzeiten im besonderen Elfenbein) sowie Dienstleistungen (z. B. Wahrsagerei, Heilpraktiken) gegen Eisengegenstände (Pfeil- bzw. Speerspitzen, Messer), Terrakottagefäße, Kleidung, Tuche, Lebens- und Genußmittel (z. B. Maniok, Bananen, Alkohol, Tabak). Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 15 und 36; auch 19 f.), Turnbull (1986: 104), Thiel ([1977] [41983] 51992: 49), Bahuchet (1997: 128 f.) und Descamps (1997: 51). 647 Wenngleich Hinweise auf ursprünglich eigene Sprachen der Pygmäen existieren, so ist doch die gängige Meinung die, daß die ethnographisch erfaßten Pygmäengruppen jeweils die Sprache ihrer (wenn nicht gegenwärtigen, dann vormaligen) Bodenbau betreibenden Nachbarn übernommen haben. Vgl. Hewlett (1996: 219); auch L. L. CavalliSforza (1986 c: 367) und L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 27 f.). – Etwas mehr um eine Aufhellung der hintergründigen Komplexität der linguistischen Situation bemüht ist – mit der Konsequenz auch einer entsprechenden Differenzierung auf der Resultatseite – die Untersuchung von Bahuchet / Thomas (1986); vgl. vor allem ebd.: 102 f. (Stichwörter: ‚Sprache derselben Familie, nicht dieselbe Sprache‘; ‚häufige, nicht generelle Zweisprachigkeit‘; ‚Vielzahl von Kontaktsprachen‘). 648 Vgl. speziell für die Aka Bahuchet (1997: 117). 649 Ich will es an dieser Stelle bei der einen kritischen Überlegung bewenden lassen: Mit welcher Berechtigung kann – wie dies Mühlmann tut – für die von ihm visierte Gegenwart jeweils pauschal von einem ‚Klientelverhältnis‘ (‚Klienten‘ sind die Pygmäen), einem Verhältnis von ‚Gast-‘ zu ‚Wirtsvölkern‘ (‚Gastvölker‘ sind die Pygmäen), einem ‚asymmetrischen‘ Interaktionsverhältnis (unterlegen sind die Pygmäen) gesprochen werden? (Vgl. hierzu vor allem Mühlmann 1964: 207 ff.; auch 1962 a: 373 f.) – Alles andere als zur Deckung gelangt damit die jüngere Auffassung Turnbulls (1986: 103 ff.), um allein ein Beispiel zu nennen. [Vor allem sollte man die Auffassung Turnbulls (oder auch weitere, von der Position Mühlmanns abweichende Auffassungen) nicht vorschnell

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vise zunächst einmal die sein, dieses Interaktionsverhältnis grundsätzlich, also wesentlich im Hinblick auf die Evidenz seiner Existenz anzuerkennen.

– Intraethnisches Muster: Die interne Übermittlung kultureller Information findet bei den zentralafrikanischen Pygmäen650 traditionellerweise und in der Hauptsache in Form zweier Mechanismen statt:651 in Form eines sogenannten vertikalen Typs (von der Elterngeneration zur Filialgeneration) und in Form eines sogenannten konzertierten Typs (von mehreren Übermittlern – in der Regel dem größeren Teil der Lagergruppe – zu einem einzigen Empfänger – einem Angehörigen oder neuen Mitglied besagter Gruppe); letztgenannte Variante bezeichnet eine Sonderform des horizontalen Typs652, das heißt eines Typs der kulturellen Übertragung, bei dem die Frage des Lebensalters, der Generationenfolge und der Verwandtschaftsbeziehung irrelevant bleibt653.654 – Beide kulturelle Transmissionsmechanismen (der sogenannte vertikale und der sogenannte konzertierte Typ) zusammen erzeugen das vergleichsweise zeitstabilste, konservativste kulturelle Milieu655, lassen also wenig Raum für Innovation, bieten (eigenen wie aber auch der Übernahme fremder656) Neuerungen wenig Chancen auf Erfolg657.658 ___________ in ein falsches Licht rücken: Die oftmals despektierliche Behandlung, die Pygmäen von seiten ihrer jeweiligen Nachbarn zuteil wird (vgl. hierfür etwa L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza 1993 / 1994: 376; auch Redfield [1953] 81965: 54 und 171, verweisend auf Carleton S. Coon bzw. Patrick Putnam), muß deswegen noch keinesfalls geleugnet werden.] 650 Vgl. zu L. L. Cavalli-Sforzas generalisierender Sprechweise („die Pygmäen“; „die Pygmäen ebenso wie andere Jäger und Sammler“) ders. (1996 / 1999: 209 f.) bzw. ders. / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 351). Vgl. für eine ähnliche Generalisierung auch Hewlett (1996: 230). 651 L. L. Cavalli-Sforza mißt dieser Auffassung – den Geltungsstatus betreffend – eine hohe Wahrscheinlichkeit zu (vgl. ders. 1986 c: 425 f.). Ihre empirische Bestätigung erfährt sie soweit durch eine Untersuchung bei den Aka-Pygmäen (vgl. Hewlett / L. L. Cavalli-Sforza 1986, besonders ebd.: 932). [Notabene: Die Vermutung einer Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse auf alle zentralafrikanischen Pygmäenkulturen findet sich bereits ebd.: 933.] 652 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 193 f.) 653 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 329). 654 Vgl. insgesamt L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 208 ff. bzw. 201). 655 Siehe unter dem Aspekt des kulturellen Konservativismus auch schon L. L. Cavalli-Sforza / Feldman (1981: 353 f.). 656 Im Falle der Pygmäen fungieren als Vermittler entsprechender Informationen vorzugsweise bestimmte Kontaktpersonen der ihnen benachbarten, Bodenbau betreibenden Bevölkerung. 657 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza (1986 c: 425). 658 a: Zusätzliche Stabilität verleiht diesem Milieu noch die ontogenetisch vergleichsweise früh abgeschlossene „Einübung“ der wildbeutenden Lebensform (der sie auszeichnenden Fertigkeiten [Siehe speziell dazu Christiansen 1994: 45.], des sie auszeichnenden Lebensgefühls), mit anderen Worten: die Enkulturation während eines Alters, in dem die

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Der Humangenetiker L. L. Cavalli-Sforza, auf den die genannten Typenbezeichnungen zurückgehen, übernimmt die Begriffe ‚vertikale‘ bzw. ‚horizontale Übertragung‘ aus der Epidemiologie, um damit die beiden Haupttypen der Übermittlung kultureller Information zu bezeichnen.659 Unter den Sonderformen der horizontalen Übertragung seien hier allein die vorstehend angeführte konzertierte sowie – unter dem Aspekt der durch sie bewirkten Konsequenzen – die dieser vorstehend angeführten konzertierten Form diametral entgegengesetzte magistrale Form (von einem Übermittler zu vielen Empfängern660) erwähnt.661 Letztere, die magistrale Form, kann – im allgemeinen – nicht nur als derjenige Mechanismus gelten, bei dem die kulturelle Übermittlung am leichtesten, schnellsten und effektivsten vonstatten geht; sondern auch handelt es sich dabei – im allgemeinen – um denjenigen Mechanismus, bei dem die Einführung von Neuerungen auf den geringsten Widerstand trifft.662

(2) Überleitung Was die referierten ethnographischen Daten ersichtlich machen, ist zunächst (gemäß anthropogeographischem Muster) die grundlegende Bedeutung, welche Territorien für die traditionelle Lebensweise zentralafrikanischer Pygmäen besaßen und besitzen, daneben dies (gemäß interethnischem Muster), daß jede Vorstellung von einer isolierten Existenz zentralafrikanischer Pygmäen im Schutz des tropischen Regenwaldes, jede Vorstellung von deren Existenz in gleichsam ursprünglicher Abgeschirmtheit und Abgeschiedenheit von der Au___________ Empfänglichkeit für die Übernahme eines bestimmten Verhaltens (für eine Form der kognitiven wie psychischen Prägung) besonders hoch ist. Dies macht den Erwerb von lebensformtypischen Alternativen in späteren Lebensphasen – wenn nicht der Anpassungsdruck extrem ist – äußerst unwahrscheinlich. (Vgl. insgesamt hierfür L. L. CavalliSforza 1986 c: 425; Hewlett / L. L. Cavalli-Sforza 1986: 933; L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza 1993 / 1994: 327; L. L. Cavalli-Sforza 1996 / 1999: 210 und 213; sowie L. L. Cavalli-Sforza / Feldman 1981: 128.) b: Aus vorstehender Perspektive ist deshalb auch nur auf eine Seite eines in Wirklichkeit komplexeren Phänomens Bezug genommen, wenn Mühlmann (1962 a: 279) als Grund für das geringe Tempo kultureller Veränderungen in geographisch entlegenen Räumen das (weitgehende) Fehlen von ‚stimulierenden Außeneinflüssen‘ geltend macht. 659 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 192). 660 Das institutionalisierte Lernen in Schulen – das heißt in Bildungseinrichtungen, welche die zentralafrikanischen Pygmäen nicht kennen (vgl. L. L. Cavalli-Sforza 1986 c: 426 sowie Hewlett / L. L. Cavalli-Sforza 1986: 933) – wäre für die magistrale Form ein wichtiges, konkretes Anschauungsbeispiel. Allgemein zählt die Existenz eines stark stratifizierten Gemeinwesens bzw. die Existenz verschiedener hierarchischer Ebenen – ein bei den zentralafrikanischen Pygmäen wiederum so nicht gegebener soziologischer Tatbestand (vgl. erneut L. L. Cavalli-Sforza 1986 c: 426 sowie Hewlett / L. L. Cavalli-Sforza 1986: 933) – zu den günstigen Bedingungen für eine magistrale Form der Übermittlung kultureller Information. 661 Beide Grundbegriffe (‚konzertiert‘ bzw. ‚magistral‘) wurden von L. L. CavalliSforza geprägt (vgl. ders. 1996 / 1999: 236). 662 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza (1996 / 1999: 196 und 202).

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ßenwelt verfehlt war und ist. Das Lévi-Strauss’sche Kulturverständnis erfährt damit also eine doppelte Bestätigung: angemessen erscheint es einmal in seiner Eigenschaft als eines wesentlich territorial geprägten Kulturverständnisses; und angemessen erscheint es zum anderen in seiner Eigenschaft als eines Kulturverständnisses, das seine „Gegenstände“ nach der Art offener Systeme konzipiert. In den an anderer Stelle detailliert aufgewiesenen Implikationen solchen Kulturverständnisses begründet liegt zugleich dessen vorhin erwähnte (mindestens hypothetische) Plausibilisierungs-, Erklärungs- und Abschätzungsfähigkeit, die es nun noch – unter dem Aspekt der Entwicklungsdynamik – näher zu beleuchten gilt. Vorgegangen werden soll dabei in Anlehnung an die weiter oben eingeführte Typisierung von Gefährdungspotentialen und Gefährdungen nach zeitgenössischen externen Einflüssen bzw. zeitgenössischen externen Eingriffen663.664 Beginnen will ich mit den letzteren.

(3) Die grundsätzlichen Veränderungsfaktoren (a) Externe Eingriffe Am stärksten bedroht wird die traditionelle Lebensweise der zentralafrikanischen Pygmäen durch anhaltende externe Eingriffe, genauer gesagt: durch die anhaltende Zerstörung der Hyläa, oder nochmals anders gefaßt: durch die anhaltende Verringerung der Ausdehnung sowie Veränderung der Beschaffenheit ihres traditionellen Territoriums.665 Einher geht mit diesem Vorgang – wenn geographische Ausweichbewegungen nicht mehr möglich sind – die Aufgabe der wildbeutenden Lebensform und dann im allgemeinen die schrittweise Assimilation bzw. Akkulturation der Betroffenen an ihre jeweiligen, Bodenbau betreibenden Nachbarn666; systemtheoretisch gesehen handelt es sich in diesen Fällen um eine Entwicklung, im Zuge derer den traditionellen Pygmäenkulturen konstitutive Elemente unwiederbringlich verlorengehen. Verantwortlich für die Zerstörung der tropischen Regenwälder und die davon für die traditionellen ___________ 663

Vgl. zu dieser Unterscheidung nochmals oben, Seite 320 ff. bzw. 327 ff. Erinnern mag man sich anläßlich des Rückgriffs auf diese Typisierung auch nochmals an die damit assoziierbare Lévi-Strauss’sche Unterscheidung zwischen ‚schwachen‘ und ‚starken Interaktionen‘ (oben, Seite 283, den Text um die Fußnotennummern 172 bzw. 171). 665 Dabei muß sich die Vernichtung des Regenwaldes nicht schon in jedem Falle vollständig ereignen. Auch nur dessen teilweise Vernichtung kann den Bestand der Fauna in einer Weise schmälern, daß es für die davon betroffenen, traditionell lebenden Pygmäengruppen zum Existenzproblem wird. Vgl. L. L. Cavalli-Sforza (1986 c: 422). 666 Vgl. L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 49 f.) bzw. L. L. Cavalli-Sforza (1986 a: 18). 664

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Pygmäenkulturen ausgehende Bedrohung ist (so paradox dies aufs erste klingen mag) – neben der Öffnung entsprechender Gebiete zu vor allem kommerziellen (holzwirtschaftlichen) Zwecken – das soweit ungebremste Wachstum nichtpygmäischer Populationen außerhalb der Regenwälder667; der schlichte Grund hierfür muß darin gesehen werden, daß die aufgrund dieses Wachstums erforderlich werdende Erschließung neuer Siedlungsräume sich in Richtung (und folglich zu Lasten) der tropischen Regenwaldgebiete vollzieht bzw. daß selbige sich oftmals nur in Richtung (und folglich zu Lasten) der tropischen Regenwaldgebiete vollziehen kann.668

(b) Externe Einflüsse Zumindest ein Gefährdungspotential – um hiermit auf den anderen grundsätzlichen Veränderungsfaktor zu sprechen zu kommen – liegt für die traditionelle Lebensweise der zentralafrikanischen Pygmäen auch in externen Einflüssen. Definiert ist dieser weitere Aspekt wesentlich über die traditionellen Kontakte der Pygmäen mit den ihnen jeweils benachbarten, Bodenbau betreibenden Ethnien. Um gleichwohl der Problematik angemessen zu sein, muß eine Erörterung des Umgangs der Pygmäen mit den Einflüssen, denen sie sich im Kontakt mit besagten, jeweiligen Nachbarn aussetzen, näherhin unterscheiden zwischen dem grundsätzlichen, historisch konstanten Bestehen speziell dieses Kontakts als der für die Pygmäen fast einzigen Form des interkulturellen Kontakts669 (1) und der sich geschichtlich (sei es faktisch, sei es der Möglichkeit nach) wandelnden Beschaffenheit dieser Form ihres interkulturellen Kontakts (2). Ad (1): Die Geschichte liefert in bezeichneter erster Hinsicht keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß das traditionell intensive Interaktionsverhältnis zwischen Pygmäen und Bodenbauern als solches es ist, von dem für die Kulturen der Pygmäen eine Gefahr ausgeht. Vielmehr scheinen die verfügbaren – historischen wie aktuellen – ethnographischen Informationen auch hier eine kulturtheoretische Position Lévi-Strauss’ zu bestätigen (die eine Bestätigung zu___________ 667 Während die Bevölkerungszahlen in den tropischen Regenwäldern – will heißen: auf seiten der (so weit noch ihrer traditionellen Lebensweise anhängenden) zentralafrikanischen Pygmäenkulturen – stagnieren oder sogar eher rückläufig sind. Vgl. hierzu Bailey (1996: 333); vgl. außerdem L. L. Cavalli-Sforza / F. Cavalli-Sforza (1993 / 1994: 336 f.). 668 a: Vgl. Bailey (1996: 333). b: Die jeweilige „Landnahme“ erhält damit im Effekt den Charakter einer ‚Landwegnahme‘ (vgl. Mühlmann 1962 a: 380). 669 Die seit mehreren Generationen über einzelne Feldforscher oder Feldforschungsteams hergestellten Kontakte stehen demgegenüber für jeweils zeitlich befristete Verbindungen.

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gleich des Wirkens der aus seinen Reflexionen rekonstruierbaren Mechanismen – in ihrer bekannten, operationalen Trennung: des passiven, reaktiven, aktiven Moments; des Antagonismus der Kräfte – bedeutete): die Position, daß zwei Kulturen (hier also: Pygmäen und Bodenbauern) jeweils eigene – mithin voneinander verschiedene – originäre Synthesen ausbilden, und dies einesteils trotz, andernteils wegen ihres Interaktionsverhältnisses.670 Aufschlußreich wäre in diesem Zusammenhang auch ein Vergleich zentralafrikanischer Pygmäengruppen untereinander, etwa unter dem Kriterium der jeweils bevorzugt eingesetzten Jagdtechniken (Pfeil & Bogen, Speer, Netz, Armbrust). Der Beitrag Hewletts671 beispielsweise enthält deutliche Hinweise darauf, daß die diesbezüglich unterschiedliche Präferenz (mit ihren weitreichenden ökonomischen und sozialen Implikationen für die betreffende Pygmäenkultur) neben Unterschieden hinsichtlich intrasilvaler Gegebenheiten vor allem dem Interaktionsverhältnis mit den jeweils benachbarten, Bodenbau betreibenden Ethnien – und zwar in der ganzen, diesem Interaktionsverhältnis inhärenten Bandbreite spezifischer Sachzwänge und Gestaltungsfreiräume – geschuldet ist.

Ad (2): Was in bezeichneter zweiter Hinsicht entscheidend wird, ist, daß in dem Maße, wie sich die den Pygmäen jeweils benachbarten Ethnien im Zuge globaler Kulturbeeinflussung selbst verändern, sich dies auch wiederum auf deren traditionelles Interaktionsverhältnis mit den Pygmäen auswirkt. Denkbar erscheint in diesem Zusammenhang nicht nur das allmähliche, fremdinduzierte Affiziertwerden des traditionellen Selbstgefühls der Pygmäen sowie das allmähliche, fremdinduzierte Fraglichwerden ihres eigenen kulturellen Selbstverständnisses; sondern denkbar erscheint in diesem Zusammenhang auch (gemäß intraethnischem Muster) die allmähliche Antastung bzw. das allmähliche Aufbrechen der für die Pygmäenkulturen typischen Mechanismen kultureller Transmission: der sogenannten vertikalen und der sogenannten konzertierten Übertragung. Regelrecht zur Debatte stünden mit diesen Bezugsmerkmalen denkbarer Veränderung konstitutive Bestandteile der besagten Kulturen, genauer heißt das: jene Bestandteile, welche im Laufe ihrer langen Geschichte als Garanten für maßvolle Innovationen fungierten, welche gewissermaßen in langer Generationenfolge stets den passenden Aufenthalt zwischen den kritischen Zuständen systemspezifischer Stagnation und Entropie bzw. Desintegration verbürgten.672 ___________ 670

Interpretationen des Interaktionsverhältnisses zwischen Pygmäen und Bodenbauern als eines symbiotischen (vgl. oben, Seite 383, um Fußnotennummer 641) überstrapazierten die Begrifflichkeit, wo sie die Ausbildung jeweils eigener originärer Synthesen für unmöglich erklärten. 671 Vgl. Hewlett (1996: 225 ff.). 672 L. L. Cavalli-Sforza (1986 c: 425) – um dies hier zu erwähnen – veranschlagt das historische Alter des eigentümlichen interethnischen Musters zentralafrikanischer Pygmäenkulturen auf circa 2000 bis 2500 Jahre (ein Zeitraum, dem eine Kette von achtzig bis hundert Generationen entspricht; vgl. ebd.: 411). – Nur in der Logik der Sache liegt

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Zu sehen hat man das beschriebene Gefährdungspotential – wie gesagt – vor allem in den traditionellen Kontakten der Pygmäen mit den ihnen jeweils benachbarten, Bodenbau betreibenden Ethnien. Ein Gefährdungspotential eigener Art besteht darüber hinaus auch noch in allen (bekannten oder aber denkbaren) nationalstaatlichen Formen der Einflußnahme, welche bewußt auf die Assimilation bzw. Akkulturation der Pygmäen zielen (um nicht zu sagen: welche hierauf drängen).673 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läßt sich kaum mit Zuverlässigkeit sagen, welche Bedeutung diesen Formen der Einflußnahme in den jeweiligen Staaten, in denen Pygmäen leben, auf längere Frist noch wird zugeschrieben werden müssen.674

(4) Quintessenz So unerläßlich und vordringlich die Erhaltung der Hyläa und mithin die Vermeidung territorialer Eingriffe in das traditionelle Gebiet der Pygmäen zweifellos ist675 (wenn denn es sich in dem Sinne verhält, daß man die Erhaltung bzw. Bewahrung traditioneller zentralafrikanischer Pygmäenkulturen als ein erstrebenswertes Ziel begreift)676: Deren Zukunft hängt darüber hinaus – wie die zu___________ es, den so bemessenen Zeitraum auch für das Bestehen des intraethnischen Musters anzunehmen. (Decken würde sich diese Annahme mit L. L. Cavalli-Sforza 1986 a: 20.) 673 a: Was die bekannten Formen betrifft, so sähen es die einzelnen Regierungen bisweilen lieber, wenn sich die Pygmäen entlang der existierenden Straßen niederließen und Landwirtschaft betrieben. Vgl. hierfür etwa L. L. Cavalli-Sforza (1986 c: 422). Siehe außerdem unter diesem Aspekt für die Mbuti auch noch Turnbull (1983: 146 ff.) und (1986: 108). b: Im Sinne einer historischen Abrundung des Bildes eingeordnet werden mag hier zuletzt noch ein Hinweis auf den (aus heutiger Sicht befremdlich anmutenden) Gedanken einer ‚kolonialen Brauchbarmachung‘ der ‚unsteten Pygmäen‘ – so überraschenderweise geäußert von Gusinde (vgl. 1941: 37). Siehe ausführlicher zu diesem Fall: Fischer (1990: 115 f.). 674 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa den in Bahuchet / Maret (Eds.) (2000: 69 ff.) geschilderten Fall der Baka in Kamerun. 675 Ein Umstand, aus dem zugleich die immense Bedeutung ableitbar wird, welche die Arbeit (zumindest) an einer Verlangsamung der Zuwachsraten der außerhalb der Regenwälder ansässigen, nicht-pygmäischen Bevölkerungen erhält. Vgl. Bailey (1996: 333). 676 Bei Turnbull (1986: 123) findet sich betreffs der Mbuti der in präventiver Absicht gefaßte Gedanke an die organisierte Vorbereitung einer nicht-wildbeutenden Lebensform. – Nimmt man im selben Zusammenhang noch zur Kenntnis, daß für Turnbull die Unausweichlichkeit einer Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Mbuti feststeht (vgl. ebd.), so wird dieser Gedanke verständlich. Allerdings stellt sich zugleich die Frage, ob Turnbull nicht mit überzogen (= zu fatal) eingeschätzten Voraussetzungen operiert (ähnlich betreffs der Efe äußert sich Waehle 1986: 405): Gerade die jüngeren, zum Teil bereits erfolgreichen Bemühungen zentralafrikanischer Länder (darunter Kinshasa-Kongos, also ehemals Zaires), in Abstimmung mit Nichtregierungsorganisationen

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letzt angestellten Überlegungen zeigen – auch noch in ganz entscheidendem Maße von zwei weiteren Gesichtspunkten ab: davon, mit welchen externen Einflüssen (seitens hauptsächlich der ihnen jeweils benachbarten Ethnien, seitens zudem ihrer jeweiligen nationalstaatlichen Regierungen) die zentralafrikanischen Pygmäengruppen konfrontiert werden und wie jeweils sie mit diesen Einflüssen konfrontiert werden; sowie davon, für welche Art des Umgangs mit diesen externen Einflüssen sich die betreffenden Pygmäengruppen ihrerseits entscheiden (im Rahmen jener Reaktions- und Aktionsspanne eben, innerhalb derer sich ihnen identitätswahrende Formen des Umgangs mit den entsprechenden Einflüssen bieten). Um gleichwohl im indizierten Sinne zielführend zu sein, bedürften die allseitigen, mannigfachen Tuns- resp. Unterlassensoptionen (die konstruktiven unter ihnen) schließlich auch noch auf allen relevanten Ebenen – lokalen, regionalen, nationalen, internationalen – der Vermittlung und der Koordination.677

bb) Impressionen678: Das deutsche Universitätswesen679 „Die Ethnologie ist keine Spezialität, die durch einen Sondergegenstand definiert wäre: die ‚primitiven‘ Gesellschaften; sie ist eine Denkweise, die sich aufdrängt, wenn der Gegenstand ein ‚anderer‘ ist und uns eine Wandlung unserer selbst abverlangt. Auch werden wir zu Ethnologen der eigenen Gesellschaft, wenn wir ihr gegenüber auf Distanz gehen.“ Maurice Merleau-Ponty, Von Mauss zu Claude Lévi-Strauss

(1) Präsensibilisierung „Eine soziale Welt zu thematisieren, in die man persönlich verstrickt ist, konfrontiert einen unweigerlich – sozusagen in dramatisierter Form – mit einer Reihe grundlegender epistemologischer Probleme, die alle im Zusammenhang mit der Frage des

___________ Naturreservate einzurichten (vgl. Bailey 1996: 316 bzw. 337), müssen hier Erwähnung finden. 677 Siehe hier nochmals oben, Seite 349 f., die Argumentation um die Fußnotennummern 496-498. 678 Neben strengeren Kriterien unterworfenen ‚Modi des Fürwahrhaltens‘ (anbindend an Kant gesprochen; vgl. ders, Logik, postum: IX, 65 f.) dürfen im Feld der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch Impressionen als ein grundsätzlich legitimes Werkzeug gelten: speziell in der Funktion – und in dieser gemäßem Anspruch ja auch nur – Perspektiven zu eröffnen und Diskurse anzustoßen.

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Unterschieds von praktischer und wissenschaftlicher Erkenntnis stehen, nicht zuletzt mit der eigentümlichen Schwierigkeit, sowohl mit der Erfahrung des unmittelbar Beteiligten zu brechen als auch eine um den Preis dieses Bruchs gewonnene Erkenntnis wiederherzustellen. Daß zu große Nähe ebenso wie zu große Ferne wissenschaftliches Erkennen behindert, ist bekannt; ebenso weiß man, wie schwer es fällt, jene Beziehung von abgebrochener und wiederhergestellter Nähe herbeizuführen, die um den Preis langwieriger Arbeit am Objekt und am Subjekt der Forschung alles das zu vereinigen erlaubt, was man nur wissen kann, wenn man und was man nicht wissen kann oder nicht wissen will, weil man Subjekt der Forschung ist. Weniger bekannt dürften die Probleme sein, welche die Schreib- bzw. Darstellungsweise betreffen, die bei der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse auftreten. Dies gilt in besonderem Maße für die Frage der Exemplifikation, der Erläuterung durch Beispiele. Diese gängige rhetorische Strategie des ‚Verständlichmachens‘ – freilich unter Ermunterung des Lesers, aus eigener Erfahrung zu schöpfen und damit heimlich in seine Lektüre unkontrollierte Informationen einfließen zu lassen – hat unausweichlich zur Folge, daß die wissenschaftlichen Konstruktionen erneut auf die Ebene jenes Alltagswissens zurückgeführt werden, gegen das sie einmal erobert werden mußten. [Fußnote an dieser Stelle: „Richtig bewußt wurde mir dieses Problem, als erste Leser mich baten, ‚Beispiele zu nennen‘ zu Analysen, aus denen ich mit Absicht alles Anekdotische getilgt hatte, einschließlich der Informationen, die den sogenannten ‚wohlunterrichteten Kreisen‘ nur allzu bekannt sind und bei denen der Sensationsjournalismus oder 679 -essayismus nichts Eiligeres kennt, als sie zu enthüllen.“] […].

Doch wie sehr man sich auch immer angestrengt haben mag, all das an Formulierungen zu unterlassen, was alltagslogisch als Gerücht, Verleumdung oder üble Nachrede, als Satire oder Pamphlet zu funktionieren droht – und was sich heutzutage gerne als Analyse tarnt, in dem Vergnügen daran, andere zu verletzen bzw. sich selber ins rechte Licht zu rücken, jedoch vor keiner Anekdote, keinem Charakterzug und keinem Wort Halt macht –; wie systematisch auch immer man es wie hier vermieden haben mag, die unzähligen Affären beim Namen zu nennen, die doch jedermann bekannt sind […] – kurzum: alle diese Vorsichtsmaßnahmen werden gewiß kaum den Verdacht ausräumen können, daß es hier um Denunziation geht. Dabei macht sich der Leser in Wirklichkeit selber der Denunziation schuldig: Er ist es, der, indem er ‚zwischen den Zeilen‘ liest, indem er mehr oder minder bewußt die ausgesparten Stellen der Analyse füllt oder indem er einfach, wie es so heißt, ‚an seinen eigenen Fall denkt‘, Sinn und Stellenwert des willentlich zensierten Protokolls der wissenschaftlichen Untersuchung verändert.“680

___________ 679

a: Fertigstellung dieses Gliederungspunktes: Oktober 2005. (Danach nur noch sehr geringfügige Überarbeitungen.) b: Notat am Rande: Eine zeitlich weit zurückliegende, knapp gehaltene Äußerung Lévi-Strauss’ zum französischen Universitätswesen findet sich in Quénétainfrz: 53. 680 a: Bourdieu 1984 / 1988: 31 ff. b: Seinerseits überschrieben hat Bourdieu seine hier zitierten Ausführungen mit dem Motto: „‚Und sie wollen nicht, daß man die Geschichte der Geschichtsforscher schreibt. Sie wollen zwar die Unendlichkeit des historischen Details ausschöpfen. Aber sie selber wollen in dieser Unendlichkeit des historischen Details nicht vorkommen. Sie wollen kein Glied der historischen Reihe sein. Sie gebärden sich so wie Ärzte, die nicht krank werden und nicht sterben wollen.‘ Charles Péguy, ‚L’argent, suite‘“ (Bourdieu 1984 / 1988: 31). c: Siehe daneben noch Bourdieu (1989: 7 f.).

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(2) Virulenz und Brisanz der Optimierung Unter dem deutschen Universitätswesen soll hier und im folgenden eine Lehr- und Forschungszwecken dienende Tradition, eine geschichtlich herausgebildete, über diese Zwecke definierte originäre Synthese verstanden werden. Wenn man sich der Auffassung anschließen will, wonach die Geschichte, was immer sie sonst noch sein mag, auch ein Prozeß der Optimierung ist (im Hinblick auf ein jeweils über Zwecke definiertes Gesamtresultat)681, so erlaubt allein die aktuelle Existenz des deutschen Universitätswesens seine Einstufung als einer zweckrelational bewährten Tradition. Eine solche Auffassung hindert freilich nicht, als Weiteres die Kontingenz jeder Tradition anzuerkennen682, ferner anzuerkennen, daß „Traditionen selber ein konfligierendes und selegierendes Geschehen darstellen“683, daß dementsprechend das Gefüge ihrer konfliktär entstandenen bzw. qua Selektion geschaffenen Objektivationen nicht immer frei ist von fortdauernden, das Gesamtresultat beeinträchtigenden Unstimmigkeiten684. Implizieren würde eine Anerkennung dieser (realitätskonformen) Positionen – in erneuter Übertragung auf die Situation des deutschen Universitätswesens – die Anerkennung einer auch der Optimierung von Forschung und Lehre eigenen Virulenz und Brisanz.

(3) Außenorientierung und Innenorientierung. Erfordernis und Schwierigkeit einer spezifischen Balance Auf jeden Fall deutlich spürbar werden diese zuletzt genannten Problemcharakteristika auf der hochschulpolitischen Ebene, etwa bei einer Vergegenwärtigung des akademischen Meinungsspektrums in der Frage der Nachwuchsrekrutierung – im besonderen dabei in der Frage der Beibehaltung oder (angeregt durch anglo-amerikanische Verhältnisse) der Abschaffung der Habilitation als des traditionellen Weges in die Professur ; desgleichen bei einer Vergegenwärtigung des akademischen Meinungsspektrums in der Frage der fallweisen Durchsetzung oder Verhinderung einer anglo-amerikanischen Konzeption von Studiengängen einschließlich der Übernahme terminologischer Gepflogenheiten zu ihrer Kennzeichnung bzw. zur Kennzeichnung betreffender Abschlüsse. Teile der in diesem Zusammenhang vertretenen Positionen müssen sich den Vorwurf der Rückwärtsgewandtheit wohl oder übel gefallen lassen – schlicht aufgrund einer durch den Lauf der Zeit veränderten Faktenlage. Diesbezüglich Erwähnung zu finden

___________ 681 682 683 684

Vgl. Blumenberg ([1979] 31984: 183). Vgl. B. Waldenfels ([1990] 31998: 23). Ders. (1987 a: 68; keine Hervorhebung im Original). Vgl. wiederum Blumenberg ([1979] 31984: 183).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

hat hier zum einen die mit dem 5. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 2002 eingeführte sogenannte Juniorprofessur. Mit ihr trat neben die traditionelle Habilitation ein neuer Weg zur Professur, der die Hochschullandschaft deutlich veränderte.685 Diesbezüglich Erwähnung zu finden hat hier zum anderen aber auch die Bologna-Deklaration vom 19. Juni 1999 und der durch diese Deklaration bzw. durch die ihr nachfolgenden Konferenzen in Gang gesetzte sogenannte Bologna-Prozeß. Die Bologna-Deklaration setzt sich zum Ziel, in Europa bis zum Jahr 2010 einen gemeinsamen, international wettbewerbsfähigen Hochschulraum zu schaffen. Seit der zweiten Folgekonferenz am 18. und 19. September 2003 in Berlin umfaßt der Zielkatalog die Implementierung von Bachelor- und Master-Studienstrukturen (und damit konsekutiver Studiengänge mit europaweit vergleichbaren, kompatiblen Abschlüssen)686.687 Ein Hinweis aber, der umgekehrt in diesem Zusammenhang dann ebensowenig fehlen darf, ist, daß die Vorgaben der Bologna-Deklaration betreffs ihrer Umsetzung jedem Unterzeichnerstaat Auslegungsspielräume belassen und also von daher die im BolognaProzeß implizierten Veränderungen der Studienstruktur nicht automatisch schon einen vollen Bruch mit der akademischen Tradition der einzelnen Unterzeichnerstaaten bedeuten müssen688. Nationale Auseinandersetzungen über die Reformierung des jeweiligen Hochschulsystems bleiben deshalb nicht nur eine weiterhin gegebene, sondern – vor dem Hintergrund Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen scheint die Behauptung statthaft – auch eine unter allen Umständen zu ergreifende Möglichkeit. Genau diese Möglichkeit ist es jedenfalls, welche den Ansatzpunkt und die Grundlage abgibt für die nun folgende Argumentation.

Eine vom Geist Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen getragene Argumentation würde nicht bestreiten, daß das anglo-amerikanische Modell im Rahmen der in Deutschland689 geführten Auseinandersetzung über die Anpassung des Universitätssystems an die Herausforderungen der Zeit partiell inspirierend wirken, ja daß die Vornahme entsprechender Anleihen690 sich mitunter als konstruktiv erweisen kann. Was allerdings von ihr bestritten würde, ist, daß der als veränderungswürdig angesehene Zustand des deutschen Universitätssystems in jedem Falle ein durch besagte – oder seien es andere – Fremdanleihen behebbares Anpassungsproblem zum Ausdruck bringt. Die Lösung in dem je___________ 685

Eine stabile Rechtsgrundlage für den Fortbestand dieses Modells besteht seit dem 31. Dezember 2004. Siehe für diese und obenstehende Information zur Juniorprofessur: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005), http://www.bmbf.de/de/820. php . 686 Genau genommen rechnet seit dieser Folgekonferenz – ergänzend zu Bachelor und Master – auch noch das Doktorat (als nunmehr dritter prinzipieller Bestandteil) dem Ausbildungszyklus zu. 687 Siehe für diese (und weitere) Hintergrundinformation zum Bologna-Prozeß: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005), http://www.bmbf.de/de/3336.php; für die deutsche Übersetzung der Bologna-Deklaration: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005), http://www.bmbf.de/pub/bologna_deu.pdf . 688 Siehe dafür: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005), http://www. bmbf.de/de/3336.php . 689 Wie europaweit. Siehe den vorangegangenen Untertext. 690 Vgl. BF: 14 / RE: 15 bzw. oben, Seite 299, vor Fußnotennummer 265.

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weiligen Bemühen um eine zeitgemäße Reformierung des deutschen Universitätssystems würde sie dementsprechend auch nicht in einer einseitigen Orientierung an fremden originären Synthesen erkennen; sondern erkennen würde sie sie in dem Versuch, Außenorientierung (die Orientierung an fremden originären Synthesen, etwa dem anglo-amerikanischen Modell) und Innenorientierung (die Orientierung an der eigenen originären Synthese, hier näherhin: die Orientierung an den Ressourcen, die der Fundus des geschichtlich gewachsenen, eigenen Universitätssystems, wie überhaupt der gesamten eigenen Kultur bereithält)691 in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Wobei gleichwohl den Ressourcen, die der eigene Fundus bereithält, eine gewisse Prärogative einzuräumen wäre.692

(4) Von der Außenorientierung zur Innenorientierung. Grundsätzliche Erwiderungen auf bestehende Tendenzen Daß in der in Deutschland geführten jüngeren und anhaltenden Debatte um die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des deutschen Universitätssystems eine unübersehbare sowie unumkehrbare Außenorientierung stattgefunden hat, kann (der Art der Vornahme nach) nicht nur Unterschiedliches bedeuten; sondern es kann dies – in der Entsprechung – auch unterschiedliche Folgen zeitigen. Im Einklang mit den vorstehenden Überlegungen darf hier gelten: Betreffende Außenorientierung vermag, wo sie mit Vorbedacht und Augenmaß betrieben wird, Beiträge zur (aufgrund veränderter historischer Gegebenheiten erforderlich werdenden) Erneuerung – und letzthin damit: zur Erhaltung bzw. Bewahrung, nicht zur Beseitigung – der bestehenden Tradition zu leisten. Wo demgegenüber sie jedoch Vorbedacht und Augenmaß in Engagement und Vollzug vermissen läßt, vermag betreffende Außenorientierung ebensowohl zur Unterhöhlung oder regelrechten Demontage der bestehenden Tradition beizusteuern: indem sie bewirkt, daß eine schleichende Entfremdung eintritt gegenüber den eigenen kulturellen Hervorbringungen; indem sie bewirkt, daß deren Originalität und Wert693 – obwohl vorhanden – nicht mehr in wünschenswerter Klarheit erinnert und erfahren wird; indem sie bewirkt, daß die Achtung gegenüber der eigenen Tradition über ein gerechtfertigtes und wünschbares Maß hinaus absinkt; indem in letzter Konsequenz sie also zu einem allmählichen Distanzaufbau gegenüber dem kulturell Eigenen führt, der so ___________ 691 Vgl. auch hier BF: 14 / RE: 15 bzw. oben, Seite 305, den Text vor Fußnotennummer 293. 692 Vgl. StAII: 68 / AStII: 68 bzw. oben, Seite 305 f., den Text bzw. die Zitationen um die Fußnotennummern 294-297. 693 Vgl. auch hier ebd. / ebd. bzw. oben, Seite 305 f., den Text bzw. die Zitationen um die Fußnotennummern 294-297.

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weit gehen kann, daß dieses zu einem als kulturell fremd Empfundenen, schließlich kulturell Fremden mutiert. Die Wertschätzung gegenüber der eigenen Tradition, von der vorstehend die Rede ist, setzt – um hiermit die bestehende innere Verbindung zu Lévi-Strauss’ kulturtheoretischen Positionen in einer abgewandelten Form zu bekräftigen – sehr wohl anderes als eine „autistische“, ihre Kontexte und Bedingungen nicht ins Bewußtsein hebende Gestimmtheit voraus. Was im Kern von Lévi-Strauss eingefordert wird, ist eine Einstellung, die nicht nur den spezifischen Preis nicht leugnet, den die eigenen Leistungen kosten, sondern die dem Fremden gegenüber auch um diese eigenen Leistungen (als eben solcher) weiß und die deshalb keine Scheu zeigt, sich zu diesen selben zu bekennen; eine Haltung umgekehrt dann aber auch, die, indem sie so verfährt, ohne Überheblichkeit auskommt, weil sie um die analoge Situation wie um den analogen Anspruch jeder alternativen Tradition weiß; und eine Art des Selbstbewußtseins endlich, das in der Erhaltung verschiedener Traditionen das eigentliche Kapital der Zukunft sieht und das nur darum auch neben seinem genuinen Wert seine genuinen Grenzen kennt.

In welche der beiden skizzierten Entwicklungsrichtungen sich das deutsche Universitätssystem längerfristig bewegen wird694, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit zu sagen. Was jedoch in Anlehnung an Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen würde behauptet werden können, ist, daß die Entscheidung in dieser Frage nicht zuletzt daran hängt, mit welcher Konsequenz es neben einer Außenorientierung auch zu einer Innenorientierung kommt. Direkt hierzu mag folgendes zu bedenken gegeben werden: Der Umstand, daß in der geführten Debatte um die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des deutschen Universitätssystems eine unübersehbare sowie unumkehrbare Außenorientierung stattgefunden hat, bedeutet keinesfalls, daß dem so ist, weil entsprechende Möglichkeiten einer Innenorientierung nicht existierten. Wenn gleichwohl letztere – wie es bisweilen scheint – nicht mit der ihr aufgrund einer gewissen Prärogative gemäßen (will heißen: einer durchgängigen, wenigstens um die Zurückdrängung von Unvoreingenommenheiten bemühten) Konsequenz betrieben wird, so könnte der Grund hierfür darin liegen, daß Teilaspekte derselben (der Innenorientierung also) vergleichsweise unangenehmer berühren, oder anders ausgedrückt: daß diesbezüglich an maßgeblichen Stellen des Systems erforderliche Bereitschaftslagen entweder nicht vorhanden oder nur in unzulänglicher Form vorhanden sind. Unstreitig schiene in dem Zusammenhang dies: Eine der Innenorientierung einen gewissen Schwerpunkt zubilligende Argumentation geriete notwendig in eine Sackgasse, würde sie versuchen, das rechte Maß für ihr Vorgehen dadurch zu gewinnen, daß sie sich dabei in einer auf vorregulierende Befangenheiten und mangelnde Bereitschaftslagen Rücksicht nehmenden Weise übt. Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen tendierten in dem Zusammenhang eher in die entgegengesetzte Richtung: Nahe___________ 694

Mit nochmaliger Betonung (vgl. obenstehenden Untertext, Seite 393 f.): Sicher im Rahmen des Bologna-Prozesses, zugleich aber eben auch im Rahmen der damit durchaus belassenen nationalen Gestaltungsfreiräume.

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legen würden sie, die Argumentationsaufgabe darin zu sehen, neben denjenigen Möglichkeiten der Innenorientierung, welche die große Aufmerksamkeit auf sich ziehen695, auch einmal diejenigen Möglichkeiten der Innenorientierung, welche in deren Schatten existieren, zu benennen sowie deren Legitimität, deren Implikationen und deren Angemessenheit aufzuzeigen. Um genau welche Möglichkeiten es sich dabei handelt, soll nachfolgend in Ansätzen skizziert werden.

(5) Wenig beleuchtete Aspekte der Innenorientierung. Die konkreten Bezugnahmen In einer speziellen Hinsicht verfügt das deutsche Universitätssystem (im Gegensatz zu den allermeisten anderen Bereichen der bundesrepublikanischen Gesellschaft) über ein wahrhaft vorneuzeitliches Gepräge: Es schließt die höchste Autoritätsebene innerhalb des Systems – die professorale Ebene – von der Kontrolle aus. (Der Unmißverständlichkeit halber will ich hinzufügen: Primär ist mit einer solchen Behauptung hier und im folgenden abgehoben auf besagte Ebene in ihrem Verhältnis zu den ihr subordinierten Ebenen bzw. – automatisch damit – auf die der hierarchischen Struktur des Universitätssystems im___________ 695 Aktuelles Beispiel solcher im Brennpunkt hochschulpolitischer Aufmerksamkeit befindlichen Innenorientierung bieten weite Teile der durch die sogenannte ‚MittelstraßKommission‘ für das Bundesland Bayern empfohlenen Restrukturierungen. (Vgl. hierzu den entsprechenden Bericht: Expertenkommission Wissenschaftsland Bayern 2020 (2005).) Dem faktisch vorgegebenen Hintergrund der Bologna-Deklaration gemäß beziehen sich die betreffenden Vorschläge unter anderem auf eine Veränderung universitärer Strukturen (Leitungsstrukturen – Stichwort ‚Autonomie‘ –, Instituts- und Fakultätsstrukturen), daneben bzw. dementsprechend aber auch auf die intensivierte Zusammenarbeit einzelner Fächer (Stichwort ‚Inter- und Transdisziplinarität‘) wie auf verstärkte institutionelle Kooperationen; letztere meinen im einzelnen: Kooperationen zwischen einzelnen Fakultäten, Universitäten, Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Universitäten und der Wirtschaft (Stichwort ‚Departments‘, ‚Zentren‘, ‚Schools‘, ‚Campus‘, ‚Cluster‘) sowie nicht zuletzt Kooperationen zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Konzipiert und vorgestellt sind diese vielfältigen Vernetzungsoptionen mit dem Ziel, ein insgesamt leistungsfähigeres, auch differenzierteres Hochschulprofil herauszubilden. (Vgl. in entsprechender Folge dazu dann auch: Bayerische Staatskanzlei 2005 – Pressemitteilung Nr. 323 –, dort insbesondere Punkt 1.1, Seite 2 f. und Punkt 1.4, Seite 4; ferner dort die Liste der zentralen Punkte zum Entwurf des neuen bayerischen Hochschulrechts, ebd.: 7 ff.) Angesichts der bekannten demographischen Problematik einerseits und der bekannten Wissens-Halbwertszeit-Problematik andererseits sieht der Bericht der Kommission zudem in der lebensbegleitenden Neu- und Weiterbildung eine unaufschiebbare sowie auf längere Frist bestehende Herausforderung. Näher und in der Art eines Kommentars sei hier auf die Empfehlungen der genannten Expertenkommission (oder auch auf die angeführte Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei) nicht eingegangen.

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manenten Besonderheiten.696) – Gerechtfertigt wird dieses kulturimmanente, vergleichsweise anachronistische Privileg je nachdem mit dem Verweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre gegenüber politischer oder weltanschaulicher Bindung, mit dem Verweis auf das wissenschaftliche Ethos, mit dem Verweis auf die besonderen Anforderungen und Aufgaben des Metiers, mit dem Verweis auf das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit von Subordinierten697 oder mit dem Verweis auf das Problem der Bewerkstelligung einer „Kontrolle der Kontrolleure“. Nun besteht sicher hinsichtlich der folgenden Punkte kein Zweifel: Kontrolle der höchsten Autoritätsebene wird zur Freiheitsbeschneidung, wo sie in Forschung (Wissensproduktion) und Lehre (Wissensvermittlung) ideologisch eingreift; Kontrolle der höchsten Autoritätsebene kann sich als überregulierend und mithin kontraproduktiv erweisen, wo ein von Verantwortungsbewußtsein getragenes Ethos herrscht und eine positionsadäquate Kompetenz zur Praxis zählt; der Ruf nach Kontrolle der höchsten Autoritätsebene entspringt einem illusionären Wunsch, wo Zumutungen und der entsprechende Verschleiß menschlicher Ressourcen in der Natur der Sache liegen; Kontrolle der höchsten Autoritätsebene ist fehl am Platze, wo Subordinierte sich dem Wagnis, unter Bedingungen freier Bildung ihren Weg zu finden, als nicht gewachsen zeigen.698 Kontrolle der höchsten Autoritätsebene gerät als Kontrolle von Kontrollierenden zum Problem, insofern sie mit einem angemessen hohen Maß an Kompetenz und Unabhängigkeit Merkmale voraussetzt, die nicht ohne weiteres ___________ 696 Es ist zu verhindern (dies zumindest will solche Primärbestimmung bezwecken), daß bezeichneter Aspekt der Kontrolle – bei allen unbestreitbar vorhandenen Überschneidungen – irrtümlicherweise voll verrechnet wird mit einem anderen, bestehenden und (wie auf der Grundlage ausreichender Erfahrungswerte angenommen werden darf) in der Regel gut funktionierenden Mechanismus: der wechselseitigen Kontrolle „aller Wissenschaftler durch alle Wissenschaftler bzw. der wissenschaftlichen Rationalität durch die wissenschaftliche Rationalität“ (Mittelstraß 1994 c: 195). Bezug nimmt letzterwähnte Form der Kontrolle wesentlich auf erzielte Forschungsergebnisse und ihre Genese. – Gegenstand des Interesses, so muß hervorgehoben werden, ist demgegenüber aber gerade der durch solche (letzterwähnte Form der) Kontrolle nicht abgedeckte Bereich. Dessen Existenz eröffnet einmal die Möglichkeit einer eigenständigen Verhandlung des Kontrollaspekts unter oben bezeichneter Primärbestimmung; und sie macht seine Verhandlung zum anderen legitim. 697 Man verstehe darunter: Studenten; Magistranden, Diplomanden, Staatsexamenskandidaten – resp. Bachelor- und Master-Aspiranten; Doktoranden, Habilitanden; Hilfskräfte, Mitarbeiter, Assistenten. 698 a: Gelten darf dies, soll am Humboldtschen Grundsatz der Bildung durch Wissenschaft festgehalten werden, auch in Anbetracht von Kapazitätsproblemen (und also der Probleme der Massenuniversität); vgl. Mittelstraß (1977: 119 f., 121 und 123). Vgl. speziell zum Humboldtschen Bildungsideal angesichts gewandelter Verhältnisse noch ders. (1991: 100 ff.). b: Vgl. in diesem Zusammenhang auch Jaspers (1923: 51 und 58 ff.).

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gegeben sind. – Allerdings sollte dabei (so berechtigt und überhaupt unerläßlich Vorbehalte dieser oder vergleichbarer Art sind) ein anderer Aspekt nicht übersehen werden: Sie erscheinen inakzeptabel und verkehren sich in ihr funktionales Gegenteil, wenn sie in der Absicht vorgetragen werden, die Einführung des Faktors der Kontrolle auf höchster Ebene grundsätzlich (auch also dessen Einführung in qualifizierter Form) zu verhindern. Die diesen Standpunkt plausibilisierenden, ihn stützenden Gedanken gilt es nun im einzelnen auszuführen. Mit vorstehenden Erwägungen zwangsläufig zugespitzt hat sich der Argumentationsgang auf den schwierigen Fall, daß zwei Traditionen aus demselben kulturellen Fundus zueinander in Konkurrenz treten: die innerhalb des deutschen Universitätssystems nicht vorgesehene Kontrolle der höchsten Autoritätsebene auf der einen und die innerhalb anderer Bereiche der deutschen Gesellschaft vorgesehene Kontrolle höchster Autoritätsebenen auf der anderen Seite.699 Gewissermaßen zur Bedingung der Möglichkeit seiner Fortsetzung – so sollte ergänzt werden – hat der Argumentationsgang die Annahme700, daß letztere Option (mit den nötigen Anpassungen) auf das Universitätssystem übertragbar ist. Dem Argumentationsgang liegt zudem die Auffassung zugrunde, daß letztere Option die (von beiden) zeitgemäßere Tradition repräsentiert, will heißen: jene Tradition, welche die heutige Universität (unter anderem) daran hindert, „ihre Vergangenheit zu verlieren und ihre Zukunft zu versäumen“701. – Einen Sinn ergeben die dieser Auffassung verpflichteten Überlegungen des unmittelbar anschließenden Haupttextes freilich nur für Personen unter den etablierten Autoritäten, welche die institutionalisierte partielle Selbstimmunisierung des deutschen Universitätssystems im Zuge ihrer eigenen akademischen Sozialisation nicht über einen Grad hinaus verinnerlicht haben, daß kein Rest des Verunsichertwerdenkönnens und -wollens, an Fähigkeit und Bereitschaft, (neben Eigenbildern) auch Fremdwahrnehmungen Raum zu geben, an Vermögen und Wille zum Selbstzweifel mehr belassen bleibt.702

Systemanpassungshinderliche Probleme stecken nicht ausschließlich dort, wo sie der veranstaltete amtliche (bisweilen auch der öffentliche) Lärm vermuten macht. Ein Universitätssystem, das wirklich ernst machte mit seiner Optimierung, würde – anders als man es bislang kennt – auch einmal darangehen, sich mit dem basalen Problem des Mißbrauchs professoraler Macht gegenüber Subordinierten selbstkritisch, schonungslos und handlungskonsequent auseinanderzusetzen. Hierbei würde sich bzw. würde die Erfahrung zeigen:703 Nicht ___________ 699 Vgl. hierfür erneut meine Klammeranmerkung zum Stichwort ‚Innenorientierung‘: oben, Seite 395, vor Fußnotennummer 691. 700 Ihre Unhaltbarkeit müßte erst aufgewiesen werden. 701 Mittelstraß (1994 b: 28). 702 Das Argument, jede Apologetik setzte sich in einer gewissen Weise immer auch selbst dem Verdacht aus, sollte etablierten Autoritäten nicht weniger als Subordinierten zu denken geben. 703 Keineswegs bedürfte es erst der Absicherung durch empirische Untersuchungen, um Nachstehendes (und daran Anknüpfendes) behaupten zu können. Erst bei darüber hinausreichenden, in die Details gehenden Aussagen müßte auf entsprechende, profes-

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eben immer, wo Freiheit der Forschung und der Lehre reklamiert wird, geht es tatsächlich um besagten Wert, steht wirklich besagter Wert auf dem Spiel. Nicht eben immer, wo das wissenschaftliche Ethos hochgehalten und professorale Urteilsfähigkeit beansprucht wird, finden sich diese Valuten auch eingelöst. Nicht eben immer, wo es zum Verschleiß menschlicher Ressourcen auf subordinierten Ebenen kommt, steht dahinter die Wissenschaft, welche ihren Tribut fordert. Nicht eben immer, wo die Unabsehbarkeit und Risikobehaftetheit von Studien- und Forschungsverläufen in lebensweltlich prekärer Weise kulminiert, erlaubt dies den Schluß auf Sachzwänge oder auf vorhandene Defizite in der Eigenverantwortlichkeit von Subordinierten. Und nicht eben immer, wo eine Kontrolle der Kontrollierenden zum Problem stilisiert wird, liegen praktikable Lösungen in unerreichbarer Ferne. Möglich gemacht und stabilisiert werden die hiermit indirekt angezeigten Schieflagen durch die waltenden Strukturen. Die besondere Schwierigkeit auch nur jedes Ansatzes einer entsprechenden Kritik muß darin gesehen werden, daß der institutionelle Status quo es nicht nur leicht macht, entsprechende Negativbefunde (gerade die flagranten und folgenschweren unter ihnen) herunterzuspielen, sondern daß er – in einem vorgängigen (und somit eigentlich entscheidenden) Sinne – bereits deren adäquater Erfassung entgegensteht.704 Es spricht eine eigene Sprache, daß das System es prinzipiell nicht vorsieht, von Professoren zur rechten Zeit Erklärungen abzuverlangen, die es in Problemfällen erlaubten, von ihnen Rechenschaft zu fordern, sie an ihren eigenen Vorgaben zu messen und im Eventualfall auch von der Maßnahme Gebrauch zu machen, sie zu belangen705.706 Mit dieser Linie zu voller Deckung gelangt, daß Universitäten wohl psychologische Beratungsstellen einrichten und Vertrauensleute nominieren707, indessen keine offiziell etablierten, prononcierten (zweckexklusiven), erkennbar als solche ausgewiesenen, komplikationslos adressierbaren so___________ sionell durchgeführte Evaluierungen (wie sie bis dato nicht existieren) zurückgegriffen werden können. 704 Auf jeden Fall eine Strukturanalogie besteht hier zu dem von Lyotard in ‚Der Widerstreit‘ (vgl. 1983 / [1987] 21989: 17) beschriebenen Ausgangsproblem: Wie läßt sich in Erfahrung bringen, daß bestimmte, zur Diskussion gestellte Umstände wirklich geherrscht haben? 705 Einzig auf solche Kontexte wird hier abgestellt, in denen Erklärungen möglich wären. Nicht sollte man vorschnell behaupten, es gäbe sie nicht, in keiner Weise. 706 Nähme die Unabsehbarkeit und Risikobehaftetheit von Studien- und Forschungsverläufen fallweise nicht auch die etablierten Autoritäten in die Pflicht? Ist es (wissenschaftlich gesehen) sinnvoll, negative Konsequenzen im Zweifelsfall vorzugsweise zu Lasten Subordinierter abzuwälzen? – Nebenbei gesagt diente die Ergreifung entsprechender Maßnahmen schlicht auch der Wahrung der psychischen Hygiene innerhalb des Systems (eines Zustands, der den Respekt vor den etablierten Autoritäten einbegriffe). Auch hierbei handelt es sich ja bekanntlich – horribile dictu – um einen Effizienzfaktor. 707 Wogegen für sich betrachtet noch nichts zu sagen ist.

VII. Der Horizont der Ausmessung

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wie qualifiziert besetzten Beschwerde- und Schlichtungsinstanzen kennen, vor denen Subordinierte die Chance erhielten, sich Gehör zu verschaffen, und die außerdem von Anfang an in dem Geist installiert wären, jedem Subordinierten (weniger als Bittsteller – oder paternal –, denn) „al pari“ zu begegnen708.709 Daß dem so ist, zeigt (und sei es implizite) einen Teil der Rollen an, in denen man Subordinierte710 sieht, in denen man sie zu sehen wünscht und in die man sie zugleich zwingt.711 Zweifellos einhandeln würde man sich mit der Einrichtung entsprechender Anrufungsstellen das Risiko der „Lust und Leidenschaft des Streites selbst“ (von der genau Simmel sprach712). Allem Vermuten nach entbrennen würden Mißhelligkeiten bereits im Hinblick auf eine griffigere Bestimmung dessen, was obenstehend berührte ‚qualifizierte Besetzung‘ besagter Anrufungsstellen heißt. Ihrem Stil nach zumindest nähern könnten sich die insgesamt zu gewärtigenden Auseinandersetzungen jedenfalls einer Art von Prozessen, in denen die streitführenden Parteien sich mit ganzer Hartnäckigkeit und kompromißlosem Eigensinn „verbluten“, einer Art von Prozessen auch, in denen ein Formalismus sich dem Inhalt gegenüber selbständig macht.713 Wäre es aber gesagt – so dürfte dann im Gegenzug mit selbem Recht zu fragen aufgegeben werden –, daß die für den erwogenen Fall zu gewärtigenden Auseinandersetzungen sich unter allen Umständen zur floriden Passion auswachsen? Als ausschlaggebend in dem Punkt erwiese sich letztlich doch die Frage, wie man das betreffende Risiko gewichten und bewerten wollte. Von eben daher erschiene es zum mindesten erlaubt, nochmals zu insistieren: Weshalb sollte es von vornherein als ausgemacht gelten, daß jene negativen Manifestationsformen des Streits die positiven anderen überwiegen: in denen – Tacitus’ eingedenk714 – seine Versachlichung gelingt; in denen man auf konstruktive Bahnen gelangt und neben der Aufdeckung vielleicht doch auch das Abstellen einzelner Mißstände (um die allein es schließlich geht) Schritt um Schritt erwirkt?715

___________ 708

Vgl. hierzu auch Henrich (1988: 21). Im Gegenzug selbstverständlich wäre es dann nur recht und billig, auch zu verlangen, daß der Betreffende (Subordinierte) argumentativ wie charakterlich überzeugte. – Sollte eine derartige Forderung bei der Macht des Arguments vertrauenden, an wissenschaftlichen Idealen orientierten Menschen für Unbehagen sorgen? 710 Die Rede ist von im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt stehenden Erwachsenen. 711 Anders nachgedacht werden dürfte über das Verhältnis zur eigenen „Klientel“ sicher auch nochmals unter der Voraussetzung, daß Universitäten sich im Rahmen des Bologna-Prozesses als Einrichtungen begreifen lernen, die ihr angestammtes Auftragsprofil zu ergänzen haben: um den Aspekt, lebenslanges Lernen ermöglichende Angebote bereitzustellen (vgl. erneut: Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005, http:// www.bmbf.de/de/3336.php). 712 Simmel ([1908] 61983: 201). 713 Vgl. hierfür nochmals Simmel (ebd.). 714 ‚Sine ira et studio‘. 715 In der Diskussion der Frage der Einrichtung entsprechender Anrufungsstellen mag schließlich ein weiterer Punkt nicht gänzlich in den Wind geschlagen werden: Die Alternative zur soeben beschriebenen, institutionell zugelassenen und regulierten Form des Streits (einschließlich deren negativer Manifestationsformen) – anders ausgedrückt 709

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Selten ernsthaft erwogen wird zudem die charakterbildende Funktion der (in beschriebener Form) bestehenden institutionellen Verfassung: Was sie auf sei___________ heißt das: der dahingehend bis dato nicht reformierte institutionelle Status quo –: diese Alternative also existiert ihrerseits keinesfalls risikofrei. Obenstehend spezifiziertes Risiko könnte sich sogar in der Tat als noch harmlos erweisen, verglichen mit den Problemen, die sich im (einmal bewußt angenommenen) Ausnahmefall unter Konditionen eines nicht reformierten Systemzustands einzustellen drohen. Der Gedanke sei hier wie folgt verdeutlicht: Was am traditionellen Systemzustand beunruhigt (oder beunruhigen sollte), ist die auch und gerade bei schweren Konflikten zwischen etablierten Autoritäten und Subordinierten ins negative Extrem tendierende Wahrnehmung ersterer durch letztere. Zu den Bestandteilen der Verhaltensmelange, die etablierten Autoritäten unter dieser (hier stellvertretend einzunehmenden) Perspektive attribuierbar würden, zählen: unvermittelte Irrationalität; lageeigene Unbedarftheit, Hoffart und Selbststilisierung; unbekümmerte Geneigtheit herauszufordern, um zu demütigen; konzertierte Zurückgelehntheit, Unzugänglichkeit und Evasion; Verschleierung von Unrechtstatbeständen; gezielte Falschdarstellung und Kolportierung solcher Falschdarstellung; deplacierte Inschutznahme von Kollegen. Abgesehen davon, daß es übereilt wäre, hinter einer derartigen Wahrnehmung etablierter Autoritäten pauschal die haltlosen Anschuldigungen irrender, labiler, schillernder oder sonstwie verdächtiger Personen zu vermuten, sollte vor allem in dem einen Punkt Klarheit herrschen: Das Risiko des traditionellen Systemzustands liegt genau darin, daß prospektiv offen bleibt, was jeweils eine derartige Wahrnehmung in bis zur Spitze getriebenen Situationen bewirkt. Gewiß dabei ist nur: Die Höhe des betreffenden Risikos entscheidet sich auch über betreffender Subordinierter Temperament. Könnte man sich – so nun die fast gebotene Frage – (neben möglichen anderen Szenarien) den Fall vorstellen, in dem das Maß an auf seiten Subordinierter aufgestautem Haß, (im einzelnen dann je nachdem auch) hingenommener Erniedrigung, erduldeter Verhöhnung, durchlittener Enttäuschung, gediehener Verbitterung, ja echter Verzweiflung eine kritische Schwelle überschritte dergestalt, daß ein hoffnungslos enthemmter Furor vor der Leibesgrenze derer, die auf bezeichnete Weise wahrgenommen würden, nicht mehr einhielte? Angebracht erschiene es vor diesem Hintergrund, Reformvorbehalten mit folgenden Fragen entgegenzutreten: „Bedürften“ Universitäten, um eine Negativattribuierungen genannten Stils entkräftende, ihnen überhaupt vorbeugende Streitregulierung auf den Weg zu bringen, einer so gearteten, vielleicht spektakulären, unter Umständen irreparablen Ausschreitung? Zeichnete sich Exzellenz nicht vielmehr dadurch aus, daß sie eine fatale, die Unantastbarkeit körperlicher Integrität Lügen strafende Erfahrung entbehren könnte, daß sozusagen sie ein entsprechendes Ereignis nicht erst „nötig“ hätte, daß ihr stattdessen allein die Vorstellung davon genügte, um einen angezeigten, der Zeit, ihren Aufgaben und Herausforderungen gemäßen Mentalitätswandel (als des gleichsam notwendigen Auftakts für gewisse institutionelle Anpassungsschritte) einzuleiten? Angemessen – um dies zuletzt zu bemerken – wären entsprechende Veränderungen selbst dann, wenn beide Parteien sich dazu angehalten sähen, ihren Konflikt weniger als Zeichen einer Streit-, denn vielmehr einer Widerstreitsituation (im Sinne Lyotards) zu nehmen. Erzielbar nämlich wäre für diesen Fall zumindest ein „Konsens über den Dissens – über den Widerstreitscharakter dessen, was ein bloßer Streit zu sein schien – “ (W. Welsch [1995] 32000: 322), was bedeutete: letzterer (der Dissens) ließe sich wenigstens als eben solcher artikulieren und anerkennen. Durchaus käme auch dieses Ergebnis einer gewissen Beseitigung bestehenden Unrechts (und mithin einem gewissen Fortschritt an Gerechtigkeit) gleich: Stünde es doch dafür, die Unmöglichkeit einer gerechten Entscheidung auf beiden Seiten eingesehen zu haben. (Vgl. insgesamt hierzu W. Welsch [1995] 32000: 319 ff., einschließlich seines Hinweises auf den vierfachen Sinn des ‚Unerhörten‘ (ebd.: 321 f.).)

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ten Subordinierter der Tendenz nach fördert, ist weniger die Disposition zu Tapferkeit bzw. Unerschrockenheit (Zivilcourage) in indizierten Situationen als vielmehr die Neigung zu „Wohlverhalten“, diplomatischer Gebärde und vorankommensdienlicher Schmiegsamkeit in kontraindizierten Situationen716.717 Wie will ein Universitätssystem zugleich wissenschaftlich und menschlich treffliche Leute hervorbringen718, wenn es auf der einen Seite bestrebt ist, die Ausbildung intellektueller Kompetenzen zu perfektionieren, während es auf der anderen Seite die Ausbildung charakterlicher Kompetenzen, die Schaffung eines an rechten Zielen orientierten, festen sittlichen Habitus719 in einer nicht unbedeutenden Hinsicht hemmt?720 – Sittliches, ein Gemeinwesen tragendes Handeln721 vermag sich allein dort zu realisieren, wo beide Kompetenzformen – sittliche Tugend und Klugheit722 – auf vergleichbarem Niveau zusammenspielen.723 Angeschnitten werden mag zuletzt in diesem Zusammenhang die nicht voll befriedigende, da weder systematisch konzipierte, noch wirklich breit angelegte, noch im letzten und besonderen dann auch vor Konsequenzen nicht zurück___________ 716 Genau jene Art eines Betragens soll damit hinterfragt sein, welche als soziale Kompetenz auszubieten man sich weithin angewöhnt hat. 717 Sprechen könnte man – kaum weniger – auch von einer charakterselegierenden Funktion der (in beschriebener Form) bestehenden institutionellen Verfassung: Zu konsolidieren sucht sie sich nicht selten über die genannten Neigungen, die genannten Dispositionen dagegen hält sie – wenn auch nicht uneigennützig – mehr auf Distanz. 718 Vorzugsweise spricht man heute von Eliten. 719 Vgl. Höffe (1979: 626). 720 a: Zumindest die institutionellen Bedingungen hierfür – so sollte man meinen – wären bereitzustellen. b: W. Schmid ([1998] 62000) hat richtig gesehen, wenn er im Hinblick auf die Befähigung der Individuen zur Eigenständigkeit – als eines Bestandteils der auf Wilhelm von Humboldt zurückgehenden Idee der modernen Universität –, dem Aspekt der „ethischasketische[n] Arbeit des Selbst an sich selbst“ (ebd.: 311) Bedeutung zumißt und an dieser Arbeit gerade nicht nur das epistemische Moment hervorhebt (vgl. ebd.: 311 ff.). – Dementsprechend stünde auch im gegenwärtigen Kontext zu fragen, ob nicht neben der epistemischen Arbeit des Selbst an sich selbst die praktische Arbeit der Charakterbildung – die situationsbedingt sich aussetzende, von Ermutigung und Kritik durch andere begleitete, handelnde Einübung (vgl. ebd: 315) und nur so auch Bewährung des intellektuell Eingesehenen – es wäre, welche als weitere, um nichts weniger universitäre Aufgabe bzw. Herausforderung zu betrachten geboten erschiene, und – entscheidend mehr noch – ob nicht diese als eine vollkommen ebenbürtige Form universitärer Ethik und Asketik zu begreifen man Anlaß hätte. 721 Kommunität ist hier wohl, indes bei weitem nicht nur im Sinne ihrer auf die Universität beschränkten Form aufzufassen. (Aufgrund der extensiven, gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen der Funktion der Universität als eben auch einer Ausbildungsstätte will dies betont werden.) 722 Nach traditioneller philosophischer Lesart: ‚ἀρετὴ ἠθική‘ bzw. ‚virtus moralis‘ und ‚φρόνησις‘ bzw. ‚prudentia‘. Vgl. Höffe (1979: 626 f.). 723 Vgl. ebd.: 627.

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scheuende Informationserhebung und -verwertung: In Fragen der Forschung wie der Lehre, der Beratung und Betreuung, der Prüfung und Begutachtung kümmern sich Universitäten traditionell eher (zu) wenig um die Meinung Subordinierter (denke man hier nun – in vereinfachend-schematisierend gehaltener Alternation – an die Schreihälse oder an die Stillen, Sich-eher-bedeckt-Haltenden; an die Leistungsschwachen oder an die Leistungsstarken; an die notgedrungen oder an die freiwillig, absichtsvoll und wohlüberlegt aus dem System Ausscheidenden724; an die sich innerhalb des Systems leidlich Einrichtenden, eine undankbare Randexistenz Aufrechterhaltenden, auch Scheiternden oder an die innerhalb desselben Unangefochtenen, unaufhaltsam und schließlich durchgreifend Reüssierenden). Dabei dürfte – im Bewußtsein der stets zu machenden, nötigen Abstriche – wohl angenommen werden, daß es sich bei der perspektivisch vielfältigen Information, welche den Universitäten auf solche Weise verlorengeht, kaum um eine schlechterdings unerhebliche, um eine schlechterdings als vernachlässigbar einzustufende Quelle handelt. Rein unter Gesichtspunkten der Systemoptimierung würde man sich wünschen, daß unter den etablierten Autoritäten jene Form der Besonnenheit einkehrt, welche das Phänomen des Mißbrauchs professoraler Macht (in seiner beschriebenen, gegen Subordinierte gerichteten Gestalt) als einen kaum länger hinzunehmenden Effizienzdämmer einsehen läßt. Die Argumentation rein unter Gesichtspunkten der Systemoptimierung konzipiert zu haben725, will vor allem bewirken helfen, daß in der einen Hinsicht Verständnis wächst: Was sich über die angeführten Kritikpunkte entfaltet, bleibt kategorisch geschieden von der unserer Zeit nicht eben selten eigenen Maßlosigkeit und Unbeherrschtheit im Anspruch – präziser heißt das: im individualistischen Anspruch. So verbliebe denn am Ende auch allein die (nur dem Schein nach widersinnige) Frage: Wäre es nicht unter anderem daran, daß man die am Unternehmen Wissenschaft beteiligten Parteien726 in ein zumindest teilweise modifiziertes Verhältnis setzt?

___________ 724 Zu letzteren (allein diesen) anzumerken ist (bezogen auf die Entfaltung deren eigener – intellektueller wie charakterlicher – Anlagen): Nicht bloß mit als sinnvoller empfundenen, sondern auch mit sich als umsetzbar erweisenden Konzeptionen. 725 Dabei nur einer füglich bestehenden Möglichkeit folgend. 726 Gemäß der fokussierten Unterteilung nach etablierten Autoritäten und Subordinierten.

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cc) Explorationen: Die Europäische Union und die Türkei727 „Es kommt darauf an, das klassische Wissen für die Bewältigung der neuen Problemstellungen fruchtbar zu machen, indem wir es erneuern und fortentwickeln.“ Richard Münch, Das Projekt Europa728

(1) Thematische Annäherung an einen kulturellen Metabolismus Daß Kulturen – in dem herausgearbeiteten, weiten Verständnis des Begriffs729 – keine geschlossenen, sondern offene Systeme sind, zeigt sich nicht nur im thematisierten Fall zentralafrikanischer Pygmäenkulturen (bzw. an deren Interaktionsverhältnis mit benachbarten, Bodenbau betreibenden Ethnien), desgleichen im thematisierten Fall der Tradition des deutschen Universitätswesens (bzw. an manchen zu dessen Anpassung an die Herausforderungen der Zeit eingeleiteten oder erwogenen Reformschritten). Es zeigt sich ebenso in all jenen Fällen, in denen es im Gefolge historisch einschneidender Veränderungen zur Auflösung alter und zur Ausbildung neuer kollektiver Identitäten kommt. Aktuellstes Beispiel einer derartige Vorgänge bewirkenden Umwälzung von historischem Ausmaß ist das Ende des Kalten Krieges: Der Vollzug der deutschen Wiedervereinigung nach dem Fall der Berliner Mauer und die Desintegration des sowjetischen Imperiums haben die bis Ende der vergangenen ___________ 727

Fertigstellung dieses Gliederungspunktes: November 2005. (Danach nur noch sehr geringfügige Überarbeitungen.) 728 Münch (1993) selbst bezieht sich mit solcher Rede auf die soziologischen Klassiker „von Marx bis Durkheim, Weber oder Simmel“ (ebd.: 11). – Ich hielte es für legitim, den von ihm in der Debatte über die Zukunft Europas formulierten Standpunkt auch auf einen Denker wie Lévi-Strauss (mit Blick auf dessen kulturtheoretische Positionen) auszudehnen. In diesem Sinne zumindest stelle ich das Motto meinen Überlegungen voran. [Vgl. hier auch nochmals meine Argumentation oben, Seite 358, um Fußnotennummer 525 bzw. Fußnote 525.] 729 Die allgemeine Ausgangs- und Verständigungsbasis bildete – daran gilt es an dieser Stelle zu erinnern – ein Kulturverständnis, welches neben (etwa) der globalen, der nationalen, der regionalen und lokalen auch (etwa) die politische, die religiöse und die ökonomische Dimension des Lebens einschließt (vgl. oben, das erste Lévi-Strauss-Zitat auf Seite 270, einschließlich der dazugehörigen Argumentation; zudem das Tylor-Zitat auf Seite 261 sowie das ihm folgende Lévi-Strauss-Zitat ebd., einschließlich der dazugehörigen Argumentation). Siehe sodann nochmals meine unter anderem darauf aufbauenden Ausführungen zur denkbaren Spannweite des Lévi-Strauss’schen Kulturverständnisses (oben, Seite 373 f., um die Fußnotennummern 602-606). – Der Kulturbegriff, wie er beileibe nicht nur in der öffentlichen, sondern gerade auch in der wissenschaftlichen Diskussion um das Verhältnis von Europäischer Union und Türkei Verwendung findet, ist ein demgegenüber zumeist radikal verkürzter.

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achtziger Jahre gewohnte (Nachweltkriegs-)Weltordnung aufgehoben und damit unter anderem eine Situation geschaffen, die nicht nur die Länder des damaligen Ostblocks in überaus schwieriger und nachhaltiger Weise betraf, sondern in der sich auch die Länder der damaligen Europäischen Union oder ein regional exponiertes Land wie die Türkei vor ungekannte Herausforderungen von historischer Tragweite gestellt sehen mußten730. Für jedes der hier angeführten kollektiven Gebilde hat sich mit dem erfolgten historischen Umbruch die Frage nach der eigenen Identität neu gestellt. Wesentlich die genannten Ereignisse haben die Grundstruktur der bis Ende der vergangenen achtziger Jahre bestehenden Weltordnung verändert. Den Ereignissen vom 11. September 2001 ist demgegenüber keine vergleichbare Wirkung zuzuschreiben.731 Unübersehbar allerdings ist, daß sie zur Verschärfung der historischen Umbruchsituation und der für sie charakteristischen Positionierungsprobleme beigetragen haben.

Mehr als fünfzehn Jahre nach der mit den genannten Ereignissen eingeleiteten Entwicklung nun ist – was speziell die Europäische Union und die Türkei betrifft – eine dahingehend klare Änderung der Situation eingetreten, daß die beiderseitigen Herausforderungen angesichts der Identitätsfrage in keiner Weise mehr als voneinander unabhängig bestehende betrachtet werden können: Seit dem (in seiner Bedeutung als historisch einzustufenden) Treffen der EUAußenminister am 3. Oktober 2005 in Luxemburg verfügen die auf beiden Seiten existenten Herausforderungen vielmehr über eine zuvor so nicht vorhandene Schnittstelle. Manifest wird diese Schnittstelle an der auf besagtem Treffen erfolgten Einigung auf ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union bzw. an dem auf besagtem Treffen ausdrücklich formulierten gemeinsamen Ziel einer Vollmitgliedschaft der Türkei in diesem supranationalen Bund732. Ausgerichtet war die Europäische Union auf einen späteren Beitritt der Türkei (mit von Anfang an keineswegs nur wirtschaftlicher Finalität) zwar schon seit dem am 1. De-

___________ 730 Vgl. für das Europa der an diesen Umbruch anschließenden Jahre Münch (1993: 15), analog für die Türkei Steinbach ([2000] 32003: 75 f.). [Sicher nicht zu Unrecht rekurriert Steinbach in diesem Zusammenhang, was speziell die Türkei betrifft, auf den antiken Begriff der Krisis (κρίσις) (vgl. ebd.: 122). – Siehe für entsprechende Merkmale des von alters her so Bezeichneten B. Waldenfels (1998: 74); für einen begriffsgeschichtlichen Überblick außerdem Koselleck ([1954] [1959] 1973: besonders 197; Verweis darauf auch bei B. Waldenfels: ebd.).] 731 So mit Steinbach (2004: 3). 732 Vgl. hierfür: Europäische Union (2005), http://europa.eu.int/comm/enlargement /docs/pdf/st20002_en05_TR_framedoc.pdf. Dort: Paragraph 2. – Besagter Paragraph des verabschiedeten Verhandlungsrahmens beginnt mit den Worten: „Wie vom europäischen Rat im Dezember 2004 beschlossen, beruhen [die] Verhandlungen auf Artikel 49 des Vertrages über die Europäische Union. Das gemeinsame Ziel der Verhandlungen ist der Beitritt.“ (Keine Hervorhebungen im Original.)

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zember 1964 in Kraft getretenen Assoziierungsabkommen.733 Eine Betrachtung des wechselvollen Verlaufs der diesem Datum folgenden Entwicklung aber zeigt, wie wenig das Luxemburger Mandat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen als das Ergebnis eines Automatismus gewertet werden kann; hierzu die in dem Zusammenhang wichtigsten Daten: Am 14. April 1987 stellte die Türkei einen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union; am 18. Dezember 1989 wurde dieser Antrag von der Kommission der Europäischen Union abschlägig beschieden.734 Erst auf der Tagung des Europäischen Rates in Helsinki am 10. und 11. Dezember 1999 bekam die Türkei – nachdem auch dieses ihr zwei Jahre zuvor verwehrt worden war – den offiziellen Beitrittskandidatenstatus zugesprochen (damals allerdings noch „ohne feste ‚Rendezvous-Klausel‘ und genauen Fahrplan“735).736

(2) Das visierte Ziel der Integration. Eine Klärung von Bedeutsamkeiten im Hinblick auf den europäischen Unifizierungs- und Identitätsbildungsprozeß (a) Das Problem des Ermessensspielraums Um gleichwohl den auf besagtem Luxemburger Treffen verabschiedeten Verhandlungsrahmen hinsichtlich seiner Tragweite abschätzen zu können, genügt es nicht, den Blick ausschließlich auf das nominelle Ziel des Beitritts der Türkei zur Europäischen Union zu richten. Wichtige weitere Bestandteile des auf diesem Treffen verabschiedeten Rahmens sind die die Verhandlungskonditionen betreffenden wie die den Status des formulierten gemeinsamen Ziels tangierenden Spezifikationen: Auch sie müssen, wo die Implikationen und Konsequenzen der Luxemburger Entscheidung interessieren, Erwähnung und Beachtung finden. Der (für maßgeblich erachtete) Inhalt dieser weiteren Spezifikationen sei hier wie folgt wiedergegeben: – Erstens: „Die Verhandlungen sind ein Prozeß mit offenem Ende, dessen Ausgang nicht im vorhinein garantiert werden kann.“737

___________ 733 a: Damals handelte es sich noch um die EWG, also die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. b: Siehe hierfür H. Kramer (1988: 29 ff.) sowie ders. ([2003] 2004: vor allem 15 bzw. 30, daneben 5 und 27); außerdem Steinbach ([2000] 32003: 69 und 124) und Leggewie (2004 a: 11). 734 Vgl. Steinbach ([2000] 32003: 74 und 124); außerdem Dembinski (2001: 11). 735 Leggewie (2004 a: 12). 736 Vgl. Steinbach ([2000] 32003: 75, 83 f. und 125), Dembinski (2001: 11 f.), H. Kramer (2002: 7) sowie Seufert / Kubaseck (2004: 174). 737 Europäische Union (2005), http://europa.eu.int/comm/enlargement/docs/pdf/st 20002_en05_TR_framedoc.pdf. Dort: Paragraph 2 (keine Hervorhebungen im Original).

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– Zweitens: „Unter Berücksichtigung aller Kopenhagener Kriterien738 einschließlich der Aufnahmefähigkeit der Union muß gewährleistet sein, daß die Türkei, falls sie nicht in der Lage ist, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten739, durch eine möglichst starke Bindung vollständig in den europäischen Strukturen verankert wird.“740 – Drittens: „Im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, wie Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit in der Türkei wird die Kommission von sich aus oder auf Antrag von einem Drittel der Mitgliedsstaaten die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen und die Bedingungen für eine spätere Wiederaufnahme vorschlagen. Der Rat wird nach Anhörung der Türkei mit qualifizierter Mehrheit über eine Empfehlung zu der Frage, ob die Verhandlungen ausgesetzt werden sollen, und über die Bedingungen für eine Wiederaufnahme entscheiden.“741 ___________ 738 Auf seiner Tagung in Kopenhagen im Juni 1993 hatte der Europäische Rat Bedingungen beschlossen, von deren Erfüllung der Beitritt neuer Mitglieder abhängig gemacht werden sollte; dabei handelte es sich um die sogenannten Kopenhagener Kriterien. Sie waren bzw. sind für alle Beitrittskandidaten gleich und verlangen – „‚eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten‘; – ‚eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten‘; – ‚daß die einzelnen Beitrittskandidaten die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen übernehmen und sich auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion zu eigen machen können.‘“ Anders als die an zweiter und dritter Stelle genannten galt bzw. gilt es (hält man sich an den Beschluß von Kopenhagen) von dem jeweiligen Kandidaten die an erster Stelle genannten Kriterien – die politischen Kriterien – bereits vor Aufnahme der eigentlichen Beitrittsverhandlungen zu erfüllen. (Vgl. für diese Informationen H. Kramer 2002: 7 f., speziell für die Zitation ders. ebd.: 7.) 739 An dieser Stelle erwähnt werden sollte, daß seit dem Helsinki-Beschluß die Beitrittsvoraussetzung für die Türkei sich nicht mit der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien erschöpft; vgl. hierfür nochmals H. Kramer (2002: 8; keine Hervorhebung im Original): „Der Europäische Rat in Helsinki beschloß […] nicht nur, die seit 1993 geltenden Beitrittskriterien auch auf die Türkei anzuwenden, einschließlich der Erfüllung der politischen Kriterien vor Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Er formulierte darüber hinaus weitere politische Bedingungen für einen türkischen Beitritt, die aus der besonderen politischen Lage der Türkei und der Entwicklung ihrer Beziehungen zur EU resultieren. Sie betreffen den lang andauernden Konflikt zwischen der Türkei und dem EUMitglied Griechenland sowie das Zypernproblem.“ 740 Europäische Union (2005), http://europa.eu.int/comm/enlargement/docs/pdf/st 20002_en05_TR_framedoc.pdf. Dort: Paragraph 2 (keine Hervorhebungen im Original). 741 Ebd.: Paragraph 5 (keine Hervorhebungen im Original).

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Wenn nun es sich so verhält, daß zusätzlich zum formulierten gemeinsamen Beitrittsziel auch diese weiteren Festlegungen integrierende Bestandteile des Luxemburger Beschlusses sind, dann erhebt sich allerdings die Frage: Welche Situation stellt der mit diesem Beschluß insgesamt bestimmend gewordene Rahmen im Hinblick auf den europäischen Unifizierungs- und Identitätsbildungsprozeß her? Im Zusammenhang mit dieser Frage sollte folgendes zur Kenntnis genommen werden: Den historischen Herausforderungen, vor die sich die Europäische Union und die Türkei gestellt sehen, wird allein insofern, als beide Seiten gleichermaßen das Beitrittsziel ins Auge fassen, nichts von ihrer Schwierigkeit genommen. Es gilt dies vor allem in Anbetracht der Gewißheit, daß sowohl die Frage, ob die Türkei die ihr (mit den Kopenhagener Kriterien742) auferlegten Bedingungen erfüllt, als auch die Frage, ob die Europäische Union sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Aufnahme der Türkei in der Lage sieht, alles andere als eindeutig zu beantworten sind, daß also beide Fragen höchst unterschiedlicher Interpretationen fähig sind. Wann etwa wäre man – um die Schwierigkeit aus dieser Perspektive zu beleuchten – seitens der europäischen Verhandlungspartner gewillt, die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Standards, die Lage der Menschenrechte, den Schutz von Minderheiten und die sozioökonomischen Gegebenheiten in der Türkei als wirklich befriedigend oder ausreichend anzusehen? Als befriedigend oder ausreichend, um (nicht nur die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sondern) den tatsächlichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union perfekt zu machen? Deutlich macht diese (in Frageform gehaltene) Exemplifikation: Die Richtung, welche die jeweilige, in jedem Fall erforderliche Auslegung und Abwägung nimmt, entscheidet sich im wesentlichen daran, von welchen Überlegungen, ja grundsätzlicher noch: von welchen Strebens-, Toleranzund Bereitschaftsvoten sie sich leiten läßt. Dahingehende Anhaltspunkte aber – so viel kann festgehalten werden – sind im Beschluß von Luxemburg (wie auch in den Kopenhagener Kriterien, auf die er rekurriert743) nicht selbst enthalten. – Zusammengenommen läßt sich damit feststellen: Der durch den Beschluß von Luxemburg bestimmend gewordene Rahmen formuliert zwar neben dem Ziel einer Integration der Türkei auch zu dessen Erreichung für notwendig erachtete Konditionen; nicht aber liefert er eine Grundlage für den Umgang mit dem bei der Beurteilung von Etappenergebnissen sich eröffnenden Ermessensspielraum; mit anderen Worten: nicht liefert er einen Maßstab, der es möglich machte, darüber zu befinden, ob ein jeweils erreichter Stand der beiderseitigen Entwicklung den Verhandlungsfortgang empfiehlt bzw. ob ein jeweils erreichter Stand der beiderseitigen Entwicklung letztlich hinreicht, um eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union auf seiten aller beteiligten Verhandlungs___________ 742 743

Desgleichen mit den „Zusatzkriterien“ von Helsinki (siehe oben, Fußnote 739). … wie wiederum auch in den „Zusatzkriterien“ von Helsinki …

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

partner744 langfristig ratsam und in deren Sinne wünschenswert erscheinen zu lassen. Das beschriebene Problem (das Fehlen eines Maßstabs im Umgang mit besagtem Ermessensspielraum) gehört also mit zu den durch den Beschluß von Luxemburg geschaffenen Fakten. Soll aber genau dieser Umgang mit besagtem Ermessensspielraum nicht den schwankenden öffentlichen Stimmungslagen oder den745 „opportunistischen Zufälligkeiten eines technokratischen Interessengeschiebes“ überantwortet werden, sondern soll vielmehr es darum gehen, in einem auf seiten aller beteiligen Verhandlungspartner (so weit als möglich) gediehenen Prozeß der Information, der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung einen entsprechenden Maßstab zu erarbeiten, dann läßt sich eine darauf ausgerichtete Aufklärung und Willensbildung nicht umgehen. Der unmittelbar nachfolgende Gliederungspunkt bereitet den Gang dieser Aufklärung und Willensbildung vor.

(b) Das Problem der Standortklärung Strukturell gesehen und jenseits der Diskussion von Machbarkeitsfragen, verweist das Problem des fehlenden Maßstabs im Umgang mit besagtem Ermessensspielraum auf eine (bei allen beteiligten Verhandlungspartnern zu verzeichnende) insuffiziente Standortbestimmung; auch könnte man sagen: auf ein (bei allen beteiligten Verhandlungspartnern zu verzeichnendes) unbewältigtes Grundsatzproblem. Auf seiten der europäischen Verhandlungspartner – um den Blick darauf einzugrenzen – hat dieses Grundsatzproblem seinen entscheidungsfordernden Ausdruck in den Fragen: Was die Verhandlungspartner auf türkischer Seite betrifft, so ist das sich über nachfolgende Fragen Ausdruck verschaffende Grundsatzproblem selbstverständlich nicht ohne jeweiliges Pendant.

– Will die Europäische Union sich mit dem Beitritt der Türkei nur einverleiben, will sie gewissermaßen (um eine Karikatur Duerrs heranzuziehen) „nur dicker werden“746, dabei also selbst bleiben, wie sie ist und allein die Türkei zwingen, sich zu verändern, sich ihr anzugleichen? – Oder will die Europäische Union sich mit dem Beitritt der Türkei auf die Türkei im Sinne einer originären Synthese – aus integrierender Perspektive ___________ 744 Keineswegs gemeint sind damit nur die jeweils politisch Verantwortlichen. Sondern durchaus mitgemeint sind damit die Millionen Menschen, die in den zur Debatte stehenden, sich zusammenschließenden oder aber sich nicht (bzw. sich unter Umständen anderweitig) zusammenschließenden Einheiten leben. 745 … wie einmal Faul (1997: 446) sich ausgedrückt hat … 746 Duerr ([1978] 1984: 208).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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hieße das: auf die Türkei in ihrer geschichtlich gewordenen, kulturellen Eigenheit (und Fremdartigkeit) – einlassen in dem Bewußtsein, daß der Vorgang deren Integration niemals nur einseitige, sondern wechselseitige Veränderungen einleitete, Veränderungen also, die sich auf die Türkei nicht weniger als auf den Gesamtcharakter der dann um die Türkei erweiterten Europäischen Union auswirkten? Es geht also um die Klärung von Einstellungsfragen. Hierzu nun näherhin und im einzelnen: Abgesehen davon, daß die in der ersten Frage sich widerspiegelnde Einstellung geschichtlich gewordene, kulturelle Eigenheit (und Fremdartigkeit) in deren genuinem Wert mißachtet – so sie diesen Wert überhaupt wahrnimmt –, zeugt sie auch von einer manifesten Selbsttäuschung (welche effektiv darin besteht, das Unmögliche zu wollen). Lévi-Strauss’ Konzeption von Kulturen als offener Systeme zumindest führt vor Augen, daß kulturelle Identität, sofern sie Außen-(bzw. Fremd-)Einflüssen ausgesetzt ist, niemals als durchgreifend autonom begriffen werden kann, als eine Größe, der die Macht eignet, gegenüber entsprechenden Außen-(bzw. Fremd-)Einflüssen nach Belieben zu verfügen. Wenn dies aber bereits unter dem Einfluß fremdkultureller Systemelemente nachgewiesen werden kann747, um wieviel mehr muß damit dann für den Fall der visierten Integration einer originären Synthese wie der der Türkei in ihrer Gesamtheit gerechnet werden! – Nun setzt zwar der Umstand, daß den in diesem Sinne Eingestellten ihre Selbsttäuschung häufig genug nicht zu Bewußtsein gelangt, die Wirksamkeit sich daraus ergebender Befangenheit keinesfalls herab. Auf lange Sicht aber produzierte eine entsprechende Einstellung Mißverständnisse und Krisen, von denen nicht nur angenommen werden müßte, daß sie die mögliche Integration scheitern ließen, sondern von denen ebenso angenommen werden müßte, daß sie sich auch noch auf mögliche Alternativen negativ auswirkten. Indirekt verlagert sich damit der Entscheidungsdruck zugunsten der oben an zweiter Stelle gesetzten Einstellungsfrage. In der Konsequenz geht es also um die Prüfung des Sachverhalts: – Inwieweit könnte sich eine nominell integrationswillige Europäische Union mit der Art von Veränderungen, die im Zuge der Integration der Türkei als einer originären Synthese zu gewärtigen wären, einverstanden erklären? Um freilich zur Prüfung dieses Sachverhalts in der Lage zu sein, hätte zuvor eine klärende Auseinandersetzung über bestimmte Vorfragen stattzufinden; die betreffenden Vorfragen lauten: – Worauf eigentlich hat man sich mit einem Unterfangen wie dem der Integration der Türkei eingelassen? Konkreter heißt das: ___________ 747 Vgl. dafür vor allem meine Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.c)cc)(3) (e) dieses dritten Kapitels, oben, Seite 284 ff.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

– Von welcher Art eigentlich wären die Veränderungen, die es im Zuge der Integration der Türkei als einer originären Synthese zu gewärtigen gälte? Daß die Suche einer Antwort auf die voraufgegangene Frage zur Formulierung eben genannter Vorfragen führt, liegt nahe. Darüber hinaus aber sollte nicht übersehen werden, daß in der betreffenden Situation es das AntwortFundament verbreiterte (oder zumindest die Antwort-Gewißheit verstärkte), wenn die erforderlich werdenden Bewertungen und Abwägungen vor dem Hintergrund einer Vorstellung auch von den entsprechenden prospektiven Veränderungen, die aus einer möglichen Nicht-Integration der Türkei resultierten, getroffen würden. Die weitere Vorfrage, bezüglich derer eine klärende Auseinandersetzung stattfinden sollte, lautet deshalb: – Inwieweit bilden neben den prospektiven Veränderungen, die aus einer möglichen Integration der Türkei resultierten, auch noch die prospektiven Veränderungen, die aus einer möglichen Nicht-Integration der Türkei resultierten, den Gegenstand des Kalküls – und von welcher Art wiederum wären diese? Ein dahingehendes, ungehindertes und uneingeschränktes Reflektieren erwiese sich aber nicht nur aus dem Grund der Fundamentverbreiterung (bzw. Gewißheitsverstärkung), sondern auch noch aus einem weiteren positiven Grund – jenem der Vorbeugung – als ein Gebot der Vernunft. Vielleicht sollte zu dessen Plausibilisierung an die Kernbotschaft des mit dem Luxemburger Beschluß verabschiedeten Verhandlungsrahmens akzentuierter erinnert werden: Was die dortigen Verhandlungspartner ins Auge faßten, ist sicher nicht weniger, umgekehrt aber eben auch nicht mehr als ein Ziel. Anders ausgedrückt heißt das: Solange die Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Frage, ob die Türkei tatsächlich der Europäischen Union beitritt, nicht gefallen ist und also die Erreichung des visierten Ziels nicht als garantiert gelten kann, wäre es unklug, würde man sich der Frage nach der gesamten Bandbreite potentieller Veränderungen verschließen. Denn im Eventualfall hätte dies zur Konsequenz, daß man (betreffs erwogener Alternativen) unvorbereitet dazustünde.

Entwickelt werden müßte ein um Aufklärung und Willensbildung bemühter Beitrag so gesehen an den beiden grundsätzlichen, bis auf weiteres gleichermaßen realistischen Szenarien. Es meinte dies zum einen: an den prospektiven Implikationen, die sich ergäben aus dem grundsätzlichen Zustandekommen einer Vollmitgliedschaft der Türkei – womit primär Bezug genommen wäre auf die dann um dieses Land erweiterte Europäische Union; und es meinte dies zum anderen: an den prospektiven Implikationen, die sich ergäben aus dem grundsätzlichen Nicht-Zustandekommen einer Vollmitgliedschaft der Türkei – womit primär in einer doppelten Hinsicht Bezug genommen wäre, nämlich auf die dann nicht um dieses Land erweiterte Europäische Union wie zugleich auf die dann nicht zum Vollmitglied gewordene Türkei.748 – Antworten auf die ge___________ 748 Ich stimme Münkler (2004: 204) prinzipiell zu, wenn er geltend macht, daß neben den ‚Effekten‘ einer Wahl stets auch die ‚Effekte‘ einer Nichtwahl in Betracht gezogen

VII. Der Horizont der Ausmessung

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nannten Vorfragen wären damit freilich noch nicht gegeben. Was im Hinblick auf ein diesbezügliches Vorankommen unabdingbar erschiene, wäre eine intensivere Beschäftigung mit der kulturellen Identität der Türkei, das heißt: letztlich mit entsprechenden weiteren, den obengenannten Vorfragen nochmals vorausliegenden Fragen, gewissermaßen Vor-Vorfragen; die betreffenden Vor-Vorfragen lauten: – Worin eigentlich besteht der Charakter der Türkei als einer originären Synthese? Bzw.: – Was eigentlich macht das kulturell Spezifische aus, das die Türkei im Falle ihrer Integration in die Europäische Union – als eines gewissermaßen neu in den Spielverbund aufzunehmenden, externen Partners749 – wie aber auch im Falle eines alternativen Verlaufs der Entwicklung einbringen könnte oder würde (sodaß daraus jeweils bestimmte Veränderungen resultierten)? Die gesamte Reihe der vorstehenden Fragen schließend, läßt sich somit feststellen: Bedeutungsmäßig liegen die an letzter Stelle erwähnten, auf eine Klärung der kulturellen Identität der Türkei zielenden Fragen allen anderen voraus; bevor auf sie keine hinreichende Antwort gegeben werden kann, ist auch nicht an eine Beantwortung der anderen zu denken. Der Versuch, zu einer Standortklärung beizutragen, ist deshalb im Fortgang in sozusagen umgekehrter Linie aufzunehmen. Mit anderen Worten: Erst am Ende dieses Versuchs wird dann möglicherweise an eine Beantwortung der zunächst als relevant herausgearbeiteten Frage zu denken sein – an eine Beantwortung der Frage, inwieweit alle der beteiligten Verhandlungspartner sich mit den Implikationen einer Integration der Türkei in die Europäische Union würden identifizieren können oder wollen. Für eine im beschriebenen Sinne unternommene, sich auch keineswegs nur auf die Verhandlungspartner in verantwortlicher Position beschränkende Aufklärung und Willensbildung sprechen nicht zuletzt die Herausforderungen in der Zeit nach dem Ende der (wie dann auch immer geführten bzw. verlaufenen) ___________ werden sollten. (Synonym für den Ausdruck ‚Effekte‘ verwendet Münkler den Ausdruck ‚Folgen‘ – so in der Originalfassung seines Artikels –, ferner die Begriffe ‚Kosten‘ und ‚Nutzen‘.) Von keiner geringeren Bedeutung in diesem Zusammenhang allerdings ist, welches spezifische Verständnis von ‚Effekten‘ (von ‚Folgen‘, ‚Kosten‘, ‚Nutzen‘) im Einzelfall für das Kalkül bestimmend wird. Anschließend an meine eingangs gemachte Bemerkung (vgl. oben, Seite 405, Fußnote 729) möchte ich darauf hinweisen, daß LéviStrauss’ kulturtheoretische Positionen mit einer Reduzierung des entsprechenden Verständnisses auf eine bestimmte (ausgesuchte) Dimension (z. B. die sicherheitspolitische) oder auch auf mehrere bestimmte (ausgesuchte) Dimensionen (z. B. die sicherheitspolitische und die ökonomische) nicht vereinbar sind. 749 Vgl. StAII: 404 / AStII: 419 bzw. oben, Seite 292, den Text um Fußnotennummer 237.

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Beitrittsverhandlungen.750 Das Niveau, das eine entsprechende Bemühung bis zum Zeitpunkt der zu fällenden Entscheidung erreichte (sei es nun zugunsten oder zuungunsten eines EU-Beitritts der Türkei), hätte jedenfalls hinsichtlich des Verlaufs der auf diese Entscheidung folgenden Entwicklung den Stellenwert einer Prädisposition: In nicht geringem Maße hinge davon ab, wie man eben jenen Herausforderungen, die sich im Anschluß an die einmal getroffene Entscheidung stellten, zu begegnen sich imstande zeigte; ob auf der dann eingeschlagenen Bahn ein konstruktives Voranschreiten sich als machbar erwiese, inwieweit auch und nicht zuletzt die Integration der dann bestimmend gewordenen Konstellation zu einer wohlkonturierten, in sich gefestigten originären Synthese oder aber – im Falle einer alternativen Entwicklung – zu wohlkonturierten, in sich gefestigten originären Synthesen (einschließlich der Gestaltung der dann einen Bedeutungszuwachs verzeichnenden, zwischen ihnen bestehenden wechselseitigen Beziehungen) zum Erfolg führte. – Obwohl also es sich bei den dieser Entscheidung folgenden Herausforderungen um nurmehr antizipierte, (im Blochschen Sinne) ‚noch-nicht-gewordene‘ Potenzen handelt, wirken sie sich gleichsam schon in der Gegenwart aus. Sie im wesentlichen sind es, aufgrund derer auch der bis auf weiteres noch ausstehende Entscheidungsvorgang ein historisches Gewicht erhält.

(3) Die Türkei als „Brücke“. Perspektiven und Reflexionsangebote angesichts der Unterbestimmtheit der eingeschlagenen Richtung (a) Einleitung und Vorblick Wie der Maßstab im Umgang mit dem erwähnten Ermessensspielraum ausfallen könnte, hängt den Überlegungen des unmittelbar vorangegangenen Gliederungspunktes gemäß letztlich und im wesentlichen davon ab, zu welchem Schluß eine Auseinandersetzung über die Frage nach der kulturellen Identität der Türkei gelangt. Der Versuch einer Antwort auf diese Frage wird also den Auftakt zu den nun folgenden Überlegungen bilden; und er wird darüber hinaus den Fortgang dieser Überlegungen bestimmen, das heißt, er wird als zentraler Bezugspunkt auch noch der mit den anderen der genannten Fragen angeschnittenen Probleme erkennbar und wirksam bleiben. Die betreffende, weichenstellende Antwort auf die Frage, worin die kulturelle Identität der Türkei besteht – zugleich wäre dies eine Antwort auf die Frage nach den von ihr verkörperten Werten –: sie steht, um dies gleich vorweg zu notieren, nicht schlechterdings fest. Durchaus unterschiedliche Antworten auf diese Frage sind denkbar. Ist dies der geltende Hintergrund, so scheint eine ___________ 750

Im Untertext auf Seite 412 war dies bereits angeklungen.

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sinnvolle Erörterung der Frage nach der kulturellen Identität der Türkei aber nur möglich in einer bestimmten Form: in Form begründeter Stellungnahmen zu der Frage, was man für sich als die kulturelle Identität der Türkei ansehen will. Unternommen werden soll im folgenden der Versuch, die in der Debatte häufig Verwendung findende Metapher der ‚Brücke‘ in eben diesem Sinne aufzugreifen. Das bedeutet: Gehen wird es nachfolgend darum, eine Interpretation der Türkei als „Brücke“ zu versuchen und mit dieser verbreiteten Identitätsformel ernst zu machen; es wird also letztlich in diesem Zusammenhang – mit Blick auf die beschriebene, seitens aller Verhandlungspartner erforderliche Standort- bzw. Selbstklärung – darauf ankommen, die Implikationen einer solchen Interpretation abzuschätzen und diese zu verdeutlichen. – Insgesamt dahingestellt bleiben mag dabei, inwieweit das „Brücken“-Experiment, auf das die Türkei mit den kemalistischen Reformen der zwanziger und dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts751 eingestimmt wurde752, (im intra- wie im interkulturellen Kontext) sich schließlich wirklich zu einem erfolgversprechenden Identitätsmodell wandeln kann bzw. sich als ein solches herausstellen wird. Für ausschlaggebend – was die Legitimation zu einer Interpretation der Türkei als „Brücke“ betrifft – wird allein erachtet, was jedenfalls der historische Einschnitt der kemalistischen Reformen für die Türkei neu begründete: eine ihre kulturelle Identität betreffende Disposition zur „Brücke“. Beginnen müssen wird ein entsprechender Beitrag mit einer Vergewisserung der grundlegenden Bedeutungsmomente der ‚Brücken‘-Metapher, die landläufig mehr in einem diffusen Sinne geahnt (oder auch nicht geahnt) denn in einem präzisen Sinne gewußt zu werden scheinen. Da das Wort ‚Brücke‘ in dieser Debatte in einem wie gesagt metaphorischen – also: übertragenen – Sinne Verwendung findet, kann eine Vergewisserung der betreffenden, grundlegenden Bedeutungsmomente nur innerhalb des Kontextes erfolgen, aus dem sie stammen (bzw. von dem aus letztlich sie in andere Kontexte übertragen werden). Folglich legt der Versuch einer Vergewisserung dieser Bedeutungsmomente den investigativen Rückgang auf den ursprünglichen Verwendungszusammenhang des Wortes ‚Brücke‘ nahe; gehen wird es dementsprechend in einem ersten (und für alles weitere die Funktion einer unerläßlichen Vorbereitung besitzenden) Schritt um die Kennzeichnung der Charakteristika der Brücke als eines Bauwerks. Die einschlägigen Überlegungen Simmels liefern in diesem Zusam___________ 751

Vgl. dazu Steinbach (1989: 14 f.) und ders. ([2000] 32003: 30 ff.). Sie markieren den für maßgeblich erachteten Einschnitt. Das bedeutet nicht, daß die historisch weit älteren byzantinischen Einflüsse auf das osmanische Reich etwa geleugnet würden. (Vgl. zu diesem Aspekt vor allem Lesser 1992: 3; außerdem Seufert / Kubaseck 2004: 57 f.) 752

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

menhang den passenden Zugang: Sie setzen die entscheidenden Akzente. [Vgl. hierfür den nächsten Gliederungspunkt (b), Punkt VII.4.c)cc)(3)(b) also dieses dritten Kapitels.] Anders als der Titel ihres Papiers vermuten lassen könnte, macht Noyon die Metaphorik der Brücke nicht zum Gegenstand ihrer Ausführungen.753 Dasselbe darf für Autoren wie Costa754, H. Kramer, Lesser, Martin oder Hunter und deren Beiträge angemerkt werden.755 – Dezidierte Bezugnahmen auf die betreffende Metaphorik in der Vielzahl jener weiteren zur Türkei-Thematik existierenden Arbeiten, die den Brückenbegriff möglicherweise explizit, vor allem aber auch nicht explizit im Titel oder Inhaltsverzeichnis führen, wären mir (einschließlich ihrer unter Umständen darauf aufbauenden Argumentationen) entgangen; mit anderen Worten: in diese Richtung weisende Erörterungen entziehen sich, sollte es sie denn geben, meiner bisherigen Kenntnis.

In einem direkt daran anschließenden Schritt erforderlich werden wird sodann eine Vergewisserung der speziellen Bedeutungsangleichungen und Bedeutungserweiterungen, welche der Begriff der ‚Brücke‘ – ungeachtet seiner grundlegenden, ursprünglichen Bedeutungsmomente – qua Übertragung in den Kontext der Türkei-Debatte erfährt. Die im Zuge dessen vorzunehmenden, unterschiedlichen Formen der Präzisierung (bzw. deren Implikationen letztlich) könnten sich im Hinblick auf die beschriebene, auf seiten der Verhandlungspartner erforderliche Standort- bzw. Selbstklärung als nicht unwesentlich erweisen. Vorangetrieben wird das gesamte Unterfangen unter maßgeblicher Beteiligung Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen. [Vgl. hierfür den übernächsten Gliederungspunkt (c), Punkt VII.4.c)cc)(3)(c) also dieses dritten Kapitels.]

(b) Die Brücke als Bauwerk. Versuch einer phänomenologischen Kennzeichnung ihrer Charakteristika Brücken bezeichnen Formen des Wegebaus. Als solche symbolisieren sie nicht nur die Ausbreitung der Willenssphäre über den Raum, sondern als solche sind sie auch zu leisten.756 Das gegenüber anderen Formen des Wegebaus Aus___________ 753 Vgl. Noyon (1984). – Der Titel ihres Papiers lautet: ‚Bridge over Troubled Regions – Turkey in the Middle East‘. 754 Was diesbezüglich bei Costa (1986: 98) sich findet, ist nicht mehr als ein rudimentärer, noch dazu einseitiger Ansatz. 755 Vgl. Costa (1986), H. Kramer (1988: 281-287), Lesser (1992), Martin (1993), Hunter (1999). – Die Titel der jeweiligen Beiträge lauten: ‚La Turquie: Pont entre l’orient et l’occident‘ (Costa); ‚Die Türkei als Brücke zum Nahen und Mittleren Osten‘ (Kramer); ‚Bridge or Barrier? Turkey and the West after the Cold War‘ (Lesser); ‚Turkey: Ambiguities of a Bridge and a Bulwark‘ (Martin); ‚Bridge or Frontier? Turkey’s Post-Cold War Geopolitical Posture‘ (Hunter). 756 a: Vgl. hierfür Simmel (1909: 2).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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gezeichnete dieser Leistung besteht darin, daß die Brücke weniger den nur passiven Widerstand eines räumlichen Auseinander, als vielmehr den Widerstand einer räumlichen Konfiguration, die sich dem menschlichen Verbindungswillen aktiv entgegenzustellen scheint, überwindet.757 Ein wichtiges Bedeutungsmoment der Brücke darf zum weiteren darin gesehen werden, daß sie (als Wegebau-Werk) nicht nur die als Hindernis empfundene Getrenntheit zweier Ufer überwindet, indem sie sie verbindet, sondern daß sie – indem sie diese Leistung vollbringt – zugleich den Abstand zwischen den verbundenen Ufern meßbar macht.758 In Anbindung an diesen letzteren Aspekt mag man sich außerdem vergegenwärtigen, daß die Brücke den Abstand zwischen den durch sie verbundenen Ufern wohl überwindet, indessen vermindert sie ihn nicht und auch hebt sie ihn nicht auf ; der Abstand zwischen den zu verbindenden Ufern ist für die Konstruktion der Brücke vielmehr konstitutiv. Anders ausgedrückt heißt das: Das Zu-Überbrückende (der Abstand zwischen den sich gegenüberliegenden Ufern) und das Überbrückende (die Brückenkonstruktion) gehören logisch zusammen, beide Momente bzw. Faktoren bedingen einander.

(c) Die Brücke als emblematische Figur. Übergang in den diskussionsrelevanten, kulturtheoretischen Kontext Eine Argumentation, die sich des Brückenbegriffs in metaphorischer Absicht bedient, sollte, wenn sie dabei konsequent sein will, der den eben beschriebenen Bedeutungsmomenten inhärenten Ambiguität Rechnung tragen. „Brücke“ zu sein erforderte dementsprechend, die Differenz der „Ufer“ – wie die zwischen ihnen bestehende Distanz – zu halten, zugleich aber auch: sie (in der Herausforderung des „Brücken“-Schlags) anzunehmen und auszuhalten; im selben Sinne würde dann eine „Brücke“ zu werden implizieren, sich auf die besagten Erfordernisse prospektiv einzustellen. Die damit bereitliegenden Informationen mögen als Ausgangspunkt und Grundlage dienen, um nun den Übergang in den letzthin diskussionsrelevanten, kulturtheoretischen Kontext zu vollziehen – einen Übergang, durch den der Brückenbegriff eine für diesen Kontext spezifische Angleichung und Erweiterung seines konnotativen Feldes erfährt. Zu sorgen gilt es auf der Anfangs___________ b: Strenggenommen erstreckt sich die zu erbringende Leistung – nach der eigentlichen Pionierarbeit des Brückenschlags – auch auf die fortwährend erforderlich werdenden Wartungsarbeiten. 757 Vgl. wieder Simmel (1909: 2). 758 Vgl. schließlich auch für die Feststellung dieser Doppeldeutigkeit Simmel, jedoch ders. ([1908] 51968: 63). (Eine verglichen mit der angegebenen Quelle „unterprägnante“ Fassung des Gesichtspunkts findet man in ders. 1909: 3.)

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

strecke dieses Übergangs sowohl für materiale (1) wie für affiliative (die Zugehörigkeit anzeigende) (2) Konkretisierungen des Bildes der Türkei als einer „Brücke“. Aufgabe der Fortsetzung des Übergangs wird es sein, sich den Implikationen beider Präzisierungsversuche zuzuwenden; Lévi-Strauss’ kulturtheoretischen Positionen kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu (3). Und insofern der Übergang in den kulturtheoretischen Kontext – im ganzen gesehen – dem Zweck der Aufklärung und Willensbildung untersteht, kommt es in dessen letztem Abschnitt darauf an, Angebote (in Form von rückbezüglichen Überlegungen und Fragen) zu formulieren, welche in die Lage versetzen (könnten), angesichts der auf seiten der Verhandlungspartner erforderlichen Selbstklärung (besser) abzuwägen (4). Ad (1): Es entspricht nicht nur dem Selbstverständnis vieler türkischer Staatsangehöriger, daß ihr Land eine „Brücke“ bilde; auch große Teile der außerhalb der Türkei kursierenden, deren funktionellen Status betreffenden Einschätzungen konvergieren mit dieser Auffassung. So tauglich und unverfänglich diese gängige Kennzeichnung auf den ersten Blick erscheint, an der Schwelle in den kulturtheoretischen Kontext wird sie zum Problem, kann ihr Genauigkeitsgrad nicht länger befriedigen; nahezu automatisch wirft sie dort die Frage auf: Eine „Brücke“ zwischen welchen „Ufern“ ist gemeint? – Die (in einem nunmehr material Bezug nehmenden Sinn zu gebende) Antwort darf lauten: Für gewöhnlich verbindet sich mit besagter Kennzeichnung die Vorstellung von der Türkei als einer „Brücke“ zwischen Orient und Okzident. Geht man von hier aus noch einen entscheidenden Schritt weiter und unternimmt den Versuch einer nochmals näheren Bestimmung dessen, was die Begriffe ‚Orient‘ und ‚Okzident‘ klar festzulegen scheinen, so ergeben sich für die Türkei Spezifikationen759 – wie die einer „Brücke“ zwischen Islamismus und Säkularismus bzw. Laizismus (Spezifikation der „Brücke“ unter religiösem Aspekt); Indirekt bestätigt wird die Existenz der entsprechenden „Ufer“ durch Steinbach, wenn er schreibt: „Tatsächlich waren die Kemalisten760 der Überzeugung gewesen, daß es gelingen würde, den Islam aus dem Erscheinungsbild der Türkei zurückzudrängen und ihn ausschließlich in die Sphäre der persönlichen Religiosität zu verbannen. Bereits Ende der vierziger Jahre freilich hatte sich angedeutet, daß dies eine zu rationale, zu europäische Vorstellung von der Türkei war.“761 – Die vielfältigen Erscheinungsvarianten, in denen der Islam aktuell in der Türkei auftritt762, lassen an der unverminderten Triftigkeit dieser Einschätzung wenig Zweifel aufkommen.

___________ 759

Sinngemäß so etwa bei Martin (1993: 129). Bezugszeitraum sind die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts (H.M.S.). 761 Steinbach ([2000] 32003: 98). 762 Vgl. ebd.: 99 f. 760

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– wie die einer „Brücke“ zwischen Agrikulturalismus und Industrialismus bzw. Postindustrialismus (Spezifikation der „Brücke“ unter sozioökonomischem Aspekt); Indirekt bestätigt wird die Existenz der entsprechenden „Ufer“ auch hier durch Steinbach, wenn er schreibt: „Turgut Özals radikale Reformen763 haben die Türkei in wenigen Jahren von einem Agrarland in eine Volkswirtschaft mit einer rasch wachsenden Industrie transformiert, von einem Entwicklungs- in ein Schwellenland.“764 Die andere Seite dieser Entwicklung – mit Steinbach – ist, daß „die Türkei noch immer mit für ein Entwicklungsland typischen Problemen zu kämpfen [hat]. So ist der türkische Staat aufgrund der leeren Kassen immer weniger in der Lage, Sozialleistungen bereitzustellen. Eine Arbeitslosenversicherung ist erst im Entstehen begriffen; unzulänglich funktionierende Sozialversicherungen gibt es für Arbeitnehmer, Staatsbedienstete und Selbständige. Ausgeprägt sind auch noch immer starke Unterschiede bei der Einkommensverteilung. […]. Daneben ist ein starkes Wohlstandsgefälle von West nach Ost zu registrieren. Die Wirtschaftskraft der Türkei liegt überwiegend im westlichen Landesteil. 1995 hat Istanbul 21,2% des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, das ist soviel wie [das durch] die 51 der damals 79 Provinzen am unteren Ende der Liste zusammen [Erbrachte]. Auf die 10 reichsten Provinzen entfallen 59,4% des Bruttoinlandsprodukts, auf die 10 ärmsten […] zusammen 1%. Von den 10 reichsten der damals 79 türkischen Provinzen liegen 7 am Marmarameer und 2 an der Ägäis, also alle im Westen des Landes; hinzu kommt die Hauptstadt Ankara. Andererseits befinden sich alle der 10 ärmsten Provinzen in Ostanatolien.“765

– wie die auch einer „Brücke“ zwischen Autokratie – oder entsprechenden Elementen – und Demokratie (Spezifikation der „Brücke“ unter politischem Aspekt). Indirekt bestätigt wird die Existenz der entsprechenden „Ufer“ auch hier wiederum durch Steinbach, wenn er schreibt: „Mit dem neu gegründeten Nationalstaat766 wurde nicht nur ein Neubeginn der Geschichte der Türken Kleinasiens eingeleitet; vielmehr wurde damit auch ein System staatlicher Ordnung im islamischen Nahen und Mittleren Osten eingeführt, welches im Staatsverständnis der dort lebenden Menschen keinerlei Tradition hatte. […]. Trotz des Bruchs in der Tradition [aber] lassen sich in der Türkischen Republik traditionelle Einstellungen gegenüber Staat und Gesellschaft finden. Sie tragen auch dazu bei, daß die demokratische Staatsform, um die sich die Türken seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemühen, ein anderes Gepräge aufweist als etwa in Westeuropa. Zu diesen Eigentümlichkeiten gehört etwa die beherrschende Stellung des Staates gegenüber den Rechten und Freiheiten des einzelnen Bürgers und den Kräften der Gesellschaft. Der Staat (Devlet) ist zugleich ‚Vater‘, der den einzelnen schützt, wie aber auch eine allgewaltige Einrichtung, deren Berührung man besser meidet. So sind im politischen Denken und Handeln des Türken das Kol-

___________ 763

Bezugszeitraum sind die vergangenen achtziger Jahre (H.M.S.). Steinbach ([2000] 32003: 115). 765 Ebd.: 118 (Einschübe meine). 766 Mit Unterzeichnung des Abkommens von Lausanne am 24. Juli 1923 wurde die Türkei souverän. Zur Republik (mit der Hauptstadt Ankara) wurde die Türkei am 29. Oktober desselben Jahres ausgerufen. Vgl. dafür Steinbach (1989: 13 f.) sowie ders. ([2000] 32003: 28, 30 f. und 124). 764

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

lektiv, die Nation und ihre politische Organisation, der Staat, dem einzelnen und seinen Rechten noch immer übergeordnet.“767

Ad (2): An der Schwelle in den kulturtheoretischen Kontext stellt die Verwendung des Begriffs der ‚Brücke‘ noch vor ein weiteres Problem: Es ist das Problem, daß neben der Frage nach den Bestandteilen der „Brücken“-Konstruktion aus materialer Sicht auch die Frage, was mit der Türkei als einer „Brücke“ in einem affiliativen (die Zugehörigkeit anzeigenden) Sinne geschieht, nach einer Klärung verlangt. Ein Reflektieren auf die diesbezüglich möglichen Konstellationen führt zu folgendem Ergebnis: – Variante eins: Grundsätzlich denkbar ist, daß die Türkei als eine „Brücken“-Einheit in eine größere Nicht-„Brücken“-Einheit768 integriert wird. Gegenwärtig und bis auf weiteres in Frage käme in entsprechender, die Türkei integrierender Rolle die Europäische Union. (Status der Türkei im Falle dieser grundsätzlich denkbaren Entwicklung: Integrand769.) – Variante zwei: Grundsätzlich denkbar aber ist ebenso, daß die Türkei als eine „Brücken“Einheit für sich bestehen bleibt, das heißt als eine Einheit mit „Brücken“Funktion, die dann freilich anderen Nicht-„Brücken“-Einheiten in solcher (und ergo transitiver) Funktion verfügbar wird bzw. die dann freilich von anderen Nicht-„Brücken“-Einheiten in solcher (und ergo transitiver) Funktion nutzbar wird.770 Assoziieren dürfte man mit letzteren Einheiten – bei jeweils unterschiedlichen Verfügbarkeits- bzw. Nutzbarkeitsrichtungen – nicht nur die Europäische Union, sondern als solche gelten dürften etwa auch die Kaukasusstaaten und die USA oder die arabischen Staaten, die Turkstaaten und der Iran. (Status der Türkei im Falle dieser grundsätzlich ebenso denkbaren Entwicklung: Solitär und Intermediär.) – Variante drei: Grundsätzlich denkbar ist darüber hinaus, daß die Türkei als eine „Brükken“-Einheit die Initiative ergreift, um sich und andere, Nicht-„Brücken“Einheiten, zu einer von der Europäischen Union verschiedenen Einheit zu ___________ 767

Steinbach ([2000] 32003: 87 f.; Einschub meiner). Im thematisch eingegrenzten Rahmen der momentanen Diskussion hat die Bezeichnung ‚Nicht-„Brücken“-Einheit‘ ihre Berechtigung. Zu bewerten ist sie – hier und nachfolgend – vor dem Hintergrund der unter Gesichtspunkt (1), Seite 418 ff., vorgenommenen Spezifikationen. 769 Der Deutlichkeit halber: zu integrierendes Kollektiv. 770 Jeweils im Sinne einer „Brücke“ nach … (und damit als Entsprechung auf die untergründig wirkende Frage: „‚Brücke‘ wohin?“). 768

VII. Der Horizont der Ausmessung

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integrieren. (Eine solche Einheit könnte, komplementär zur Europäischen Union, als vorderasiatische Union bezeichnet werden.771) In der Rolle eines zu einer solchen Einheit potentiell integrierbaren Kandidaten rangieren – bei zu staffelnder Plausibilität und Wahrscheinlichkeit – die arabischen Staaten, die Turkstaaten, der Iran. (Status der Türkei im Falle dieser grundsätzlich wiederum ebenso denkbaren Entwicklung: Integrant772.) Ad (3): Interesse beanspruchen auf einer nächsten Stufe die Implikationen der vorstehend vorgenommenen materialen und affiliativen Präzisierungen (die Implikationen also der betreffenden Spezifikationen und Varianten). Aufgenommen werden soll der Versuch ihrer Sichtbarmachung mit einem Vergleich der soeben unterschiedenen Varianten; ein solcher Vergleich ergibt: Im Gegensatz zur zweiten Variante bleibt für den Fall der ersten und der dritten Variante die Türkei als eine „Brücken“-Einheit nicht bzw. nicht mehr für sich selbst bestehen. Ferner ergibt ein solcher Vergleich: Die erste und die dritte Variante – allein diese – stellen im Resultat Fälle kollektiver Einheiten vor, die nicht nur größer wären als die Türkei, sondern die auch oder überhaupt entstünden unter jeweiliger Beteiligung der Türkei, und zwar einer als „Brücken“-Einheit fungierenden Türkei. Entsprechend erhebt sich für den Fall der ersten und der dritten Variante – nur für deren Fall – die Frage nach den Auswirkungen, welche eine Beteiligung der Türkei (in eben ihrer Funktion als „Brücke“) auf den Charakter der jeweils entstehenden größeren kollektiven Einheit nähme. Mit dieser im Raum stehenden Frage, der Frage, über welche Beschaffenheit ein Komplexgebilde verfügte, würde zu seinen integrierenden Bestandteilen die Türkei als eine „Brücken“-Einheit zählen – mit genau dieser Frage ist nun ein Punkt erreicht, von dem an Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen bedeutsam werden. Der bezüglich dieser soeben formulierten Frage erforderliche Klärungsgang sei hiermit aufgenommen. Lévi-Strauss’ Verständnis von Kulturen als offener Systeme zufolge hätte man es sowohl im Fall der ersten Variante (und mithin einer Türkei, die als „Brücken“-Einheit ihre Integration in eine größere Nicht„Brücken“-Einheit – die Europäische Union – erführe) wie auch im Fall der dritten Variante (und mithin einer Türkei, die als „Brücken“-Einheit die Initiative ergriffe, um sich und andere, Nicht-„Brücken“-Einheiten, zu einer von der Europäischen Union verschiedenen773 vorderasiatischen Union zu integrieren) nicht mit mechanistisch, additiv, gleichsam modulhaft vorzustellenden Abläufen ___________ 771 772 773

Terminologisch lehne ich mich hier an an Höffe (2002: 179). Wiederum der Deutlichkeit halber: integrierendes Kollektiv. … und hier wiederum so titulierten …

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

zu tun;774 sondern zu tun hätte man es in diesen Fällen vielmehr mit Vorgängen, bei denen jeweils alle an der Entstehung der betreffenden größeren kollektiven Einheit beteiligten Parteien sich wechselseitig beeinflussen.775 In welcher Form freilich sich dieser wechselseitige Einfluß geltend machte, dies wäre für jede der beiden Varianten gesondert zu bestimmen. Gewählt habe ich für die jeweiligen nun folgenden, genau diesem Zweck dienenden gedanklichen Entfaltungen ein einheitliches Schema. – Klärung für Variante eins: Setzt man voraus (die Prämisse sei hier nochmals eigens betont), daß wirklich eine Integration der Türkei in ihrer Rolle als „Brücke“ angestrebt wäre (bzw. daß zumindest seitens aller Beteiligten ein dahingehender Wille und Anspruch existierte), so müßte einmal angenommen werden, daß der Vorgang die integrierende größere Nicht-„Brücken“-Einheit – die Europäische Union – in genau diesem Sinne umprägte. Mit anderen Worten: Als integrierende Nicht-„Brücken“-Einheit könnte die Europäische Union die „Brükken“-Funktion der Türkei nicht mehr nur eben nutzen776 (und dabei, indem sie so verführe, mehr oder weniger „außen vor“ bleiben), sondern sie würde, sich dabei insgesamt wie in ihren Bestandteilen wandelnd, die „Brücken“Funktion der Türkei automatisch selbst übernehmen; auch könnte man sagen: mit dem Vorgang der Integration der Türkei mutierte die Europäische Union selbst zu einer „Brücken“-Einheit. In einem material Bezug nehmenden Sinne hieße dies: Die Europäische Union selbst würde im Zuge der Integration der Türkei zur „Brücke“ zwischen Orient und Okzident. – Bestimmt ist damit aber erst die eine Seite. Auf der anderen Seite muß gesehen werden, daß die Europäische Union die ursprüngliche, türkische „Brücken“-Konstruktion veränderte. In einem den materialen Bezug fortsetzenden Sinne hieße dies: Wohl würde die Europäische Union zur „Brücke“ zwischen Orient und Okzident; naturgemäß – das heißt: schlicht aufgrund der Tradition und Zusammensetzung ihrer Mitglieder – würde sie dies jedoch bei stärkerer Akzentuierung des okzidentalischen „Pfeilers“; den oben vorgenommenen Spezifikationen folgend würde dies bedeuten: bei stärkerer Akzentuierung des Säkularismus bzw. Laizismus ___________ 774 Erinnern würde eine solche, unzutreffende Vorstellung an das oben erwähnte sogenannte ‚Keksausstecher-Kulturkonzept‘ (vgl. Seite 370, Fußnote 596). Das Äquivalent dazu wäre jeweils ein Komplexgebilde, das sich nach der Art eines Puzzles zusammensetzte. 775 Verweisen will ich unter diesem Aspekt nochmals auf die gesamte Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.c)cc) dieses dritten Kapitels, oben, Seite 272 ff. 776 Wie vor dem Zustand einer Integration der Türkei; wie aber auch im Fall der Türkei als eines künftigen Solitärs und Intermediärs (vgl. Variante zwei) oder im Fall der Türkei als eines künftigen Integranten (vgl. Variante drei).

VII. Der Horizont der Ausmessung

423

(nicht des Islamismus), des Industrialismus bzw. Postindustrialismus (nicht des Agrikulturalismus), der Demokratie (nicht der Autokratie oder entsprechender Elemente). – Klärung für Variante drei (analog Klärung für Variante eins): Setzt man voraus (die Prämisse sei hier nochmals eigens betont), daß wirklich die Türkei in ihrer Rolle als „Brücke“ die Initiative ergriffe, um sich und andere, Nicht-„Brücken“-Einheiten, zu einer von der Europäischen Union verschiedenen Einheit zu integrieren (bzw. daß zumindest man dies seitens aller Beteiligten als Wille und Anspruch verstünde), so müßte einmal angenommen werden, daß der Vorgang das sich neu konstituierende Komplexgebilde – bezeichnet werden mag es wiederum als vorderasiatische Union – in genau diesem Sinne ausprägte. Mit anderen Worten: Die jeweils zu integrierenden Nicht-„Brücken“-Einheiten könnten die „Brücken“-Funktion der Türkei nicht mehr nur eben nutzen777 (und dabei, indem sie so verführen, mehr oder weniger „außen vor“ bleiben), sondern die „Brücken“-Funktion der Türkei würde sich im Zuge der Integration der betreffenden Nicht„Brücken“-Einheiten automatisch auf letztere bzw. auf die im Entstehen begriffene größere Einheit übertragen; auch könnte man sagen: das sich neu konstituierende Komplexgebilde nähme den durch die Türkei vorgegebenen „Brücken“-Charakter seinerseits an. In einem material Bezug nehmenden Sinne hieße dies: Das sich neu konstituierende Komplexgebilde seinerseits würde unter einer initiativ tätigen Türkei zur „Brücke“ zwischen Orient und Okzident. – Bestimmt (in Analogie zu Variante eins) ist damit aber erst die eine Seite. Entsprechend muß auf der anderen Seite gesehen werden, daß das sich neu konstituierende Komplexgebilde (wiederum in Analogie zu Variante eins) die ursprüngliche, türkische „Brücken“-Konstruktion veränderte. In einem den materialen Bezug wiederum fortsetzenden Sinne hieße dies: Wohl würde das sich neu konstituierende Komplexgebilde zur „Brücke“ zwischen Orient und Okzident; naturgemäß – das heißt: schlicht aufgrund der Tradition und Zusammensetzung seiner Mitglieder – würde es dies jedoch bei stärkerer Akzentuierung des orientalischen „Pfeilers“; den oben vorgenommenen Spezifikationen folgend würde dies bedeuten: bei stärkerer Akzentuierung des Islamismus (nicht des Säkularismus bzw. Laizismus), des Agrikulturalismus (nicht des Industrialismus bzw. Postindustrialismus), der Autokratie oder entsprechender Elemente (nicht der Demokratie).

___________ 777

Wie vor dem Zustand ihrer jeweiligen Integration; wie aber auch im Fall der Türkei als eines künftigen Solitärs und Intermediärs (vgl. Variante zwei) oder im Fall der Türkei als eines künftigen Integranden (vgl. Variante eins).

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

424

Tabelle 4 Projektierbare „Brücken“-Varianten (Intermediärvarianten) Spezifische Differenzen bzw. Merkmalsmuster Formalaspekt

Materialaspekt

Variante eins komplexer Intermediär (Um die Türkei erweiterte Europäische Union)

Akzentuierung des okzidentalischen „Pfeilers“: – Säkularismus bzw. Laizismus vor Islamismus – Industrialismus bzw. Postindustrialismus vor Agrikulturalismus – Demokratie vor Autokratie (oder entsprechenden Elementen)

Variante zwei (Türkei)

Akzentuierung des orientalischen und des okzidentalischen „Pfeilers“: – Islamismus und Säkularismus bzw. Laizismus

solitärer Intermediär

– Agrikulturalismus und Industrialismus bzw. Postindustrialismus – Autokratie (oder entsprechende Elemente) und Demokratie Variante drei (Die Türkei als Initiator enthaltende vorderasiatische Union)

komplexer Intermediär

Akzentuierung des orientalischen „Pfeilers“: – Islamismus vor Säkularismus bzw. Laizismus – Agrikulturalismus vor Industrialismus bzw. Postindustrialismus – Autokratie (oder entsprechende Elemente) vor Demokratie

VII. Der Horizont der Ausmessung

425

Stellt man nun – unter Einbeziehung beider vorstehender Klärungsversuche – zwischen allen der oben projektierten Varianten einen erneuten Vergleich an, so zeigt sich, daß letztlich mit jeder einzelnen Variante eine „Brücken“-Lösung (Intermediärlösung) vorläge bzw. daß letztlich alle drei Varianten in „Brükken“-Lösungen (Intermediärlösungen) mündeten. Darüber hinaus läßt ein solcher rückblickender Vergleich sichtbar werden, was diese Varianten als „Brükken“-Lösungen (Intermediärlösungen) voneinander unterschiede, worin ihre spezifischen Differenzen bestünden, was – indirekt damit – ihr jeweiliges Merkmalsmuster ausmachte. (Eine diesbezügliche, komprimierte Aufbereitung bietet die auf der vorigen Seite abgebildete Tabelle.) Zuletzt schließlich ist anhand eines entsprechenden Vergleichs zu erkennen, daß mit der Wahl jedes Intermediärs immer eine Entscheidung zugunsten eines bestimmten Verfügbarkeits- bzw. Nutzbarkeitsprofils (und also zuungunsten jeweils anderer Verfügbarkeits- bzw. Nutzbarkeitsprofile) getroffen würde.778 Ad (4): Der Übergang vom ursprünglichen Verwendungszusammenhang des Brückenbegriffs in den kulturtheoretischen Kontext, in jenen Kontext also, in dem dieser Begriff als Metapher in Erscheinung tritt, wurde auf den zurückliegenden Seiten weitgehend vollzogen. Ergänzt und erst auf diese Weise wirklich zum Abschluß gebracht werden soll dieser Übergang nun noch durch eine Reihe rückbezüglicher Überlegungen und Fragen. Dienen mögen diese dem Zweck, den Vollsinn jener Herausforderung zu ermessen, die besteht, wenn denn es sich so verhält, daß man die Identität der Türkei (als eines Integranden) – und automatisch damit dann auch die Identität einer um die Türkei erweiterten Europäischen Union – in einer „Brücke“ sehen will. Dem Status nach wird es sich dabei jeweils um Angebote handeln. Als solche wollen sie nicht allein Denkanstöße geben, sondern als solche wollen sie außerdem zu einer gewissen Bedächtigkeit und Sorgfalt bei der Gewinnung eines eigenen Standpunkts mahnen – selbst auf die Gefahr hin, daß das Ansinnen in einer von hektischer Betriebsamkeit bestimmten Zeit als unwillkommene Störung empfunden wird. Rekapituliert man die bisherigen Ausführungen zur Metaphorik der ‚Brükke‘, so läßt sich feststellen: Das Eigentümliche und mithin die Herausforderung einer jeden „Brücken“-Konstruktion besteht in der Affirmation, präziser: in der kritisch-respektvollen, nicht allein der leidlichen Anerkennung zweier Traditionsstämme, so entfernt diese faktisch voneinander sind oder erscheinen mögen. Was nach herkömmlichen Denkgewohnheiten zum handfesten Identitätsproblem wird oder als ein solches aufgefaßt wird779, soll im Falle einer „Brük___________ 778

Vgl. mit der Präzisierung von Variante zwei (oben, Seite 420). Lohnend ist hier auch heute noch eine Lektüre der Türkei-bezüglichen Schilderungen und Erwägungen J. Ritters (vgl. ders. 1956: besonders 331-335, die Gliederungspunkte 6., 7. und 8.). (Wie zu Beginn des Beitrags notiert, war sein Verfasser in den Jahren 1953-1955 an der Universität Istanbul tätig.) 779

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

ken“-Konstruktion also regelrecht zum Kennmerkmal einer Identität ausgebildet, dem – mit anderen Worten – soll hier also gerade zu einer neuen, zu einer eigenen Identität, zu dem, was Lévi-Strauss im Begriff der originären Synthese zu fassen versucht, verholfen werden. Beginnen müßte eine zu diesem Zweck erforderliche Umstellung herkömmlicher Denkgewohnheiten mit der Einsicht in den grundlegenden Sachverhalt, daß beide Traditionsstämme, die jeweils für bestimmte Stile (sowie für mit diesen selben auch jeweils inhärente Maßstäbe) stehen, sich nicht befruchten, wenn man danach trachtete, sie in ein statischhierarchisches oder auch in ein dynamisch kompetitives Verhältnis zu setzen; oder wenn man danach trachtete, die zwischen ihnen bestehenden, spezifischen Differenzen sei es zu verwischen, sei es zu verschmelzen. Die Herausforderung einer „Brücken“-Konstruktion anzunehmen, hätte vielmehr zur Voraussetzung, daß keiner der Traditionsstämme als prinzipieller Vorteil oder Nachteil, als prinzipieller Nutzen oder Schaden gegenüber dem jeweils anderen empfunden würde; sondern gegenüber diesem jeweils anderen allein als dies: als gegeben, in dieser Gegebenheit als den (religiösen, sozioökonomischen, politischen) Umständen angemessen und aufgrund dessen für eine „Brücken“-Konstruktion in Frage kommend. Letztlich und eigentlich unter Beweis zu stellen wäre – im Fall eben des Optierens für eine „Brücken“-Konstruktion –, daß es sich bei beiden Traditionsstämmen, obschon sie als je eigene Stile (mit ihren je eigenen Maßstäben) figurieren, um etwas handelt, was dennoch zu einer kulturellen Einheit fände; daß also man es mit Stilen zu tun hat, deren Vertreter einerseits zur Überwindung, andererseits und zugleich aber auch zur Wahrung des betreffenden Abstands, zu einer „Brücken“-Konstruktion eben, in der Lage wären. Erst wenn dies dauerhaft gelänge, wäre man berechtigt, von einer echten Innovation780, von der Begründung einer eigenen Tradition zu sprechen. Der zentrale Wert einer solchen originären Synthese – dasjenige, was folgerichtig eine pontische Kompetenz genannt zu werden verdiente – zeichnete sich wesensmäßig aus durch eine spezifische Vermittlungsroutine sowie, dieser entsprechend, durch eine hohe Fähigkeit nicht nur im Aufbau, sondern auch im Halten und Aushalten einer spezifischen Spannung; durch eine Fähigkeit mit anderen Worten, die sich reifizierte in der Standfestigkeit gegenüber dem (nachvollziehbaren) Bedürfnis nach einem prinzipiellen Abbau derselben, gegenüber auch dem (ebenfalls nachvollziehbaren) Hang zur Nachgiebigkeit zu unkritischen Gunsten eines bestimmten der beiden und – automatisch damit – zu unkritischen Lasten des jeweiligen anderen der beiden Traditionsstämme. Die Ausbildung einer pontischen Kompetenz generierte, so sie denn gelänge, einen Wert, der im Feld der interkulturellen Beziehungen (im Verhältnis zu an___________ 780 Bei terminologisch konsequenter Fortschreibung Lévi-Strauss’ (vgl. oben, Seite 262 bzw. 263 f.) müßte von einer kulturell objektiven Innovation gesprochen werden.

VII. Der Horizont der Ausmessung

427

deren Kulturen also) gar nicht hoch genug taxiert werden könnte. Zugleich bezeichnete die Ausbildung einer solchen Kompetenz – wie gezeigt – aber auch eine nicht zu unterschätzende, eben eine wahre Herausforderung, sofern einfach sie die Gefahr der Akzentüber- bzw. -unterbetonung (der Vereinseitigung) und die Gefahr der Akzentverschleifung (der Einebnung)781 gleichermaßen birgt. Immer steht die Statik – und mithin überhaupt die Konstruktion – der „Brücke“ also unter zwei Aspekten auf dem Spiel. Die vergleichsweise günstigsten Voraussetzungen im Hinblick auf die Ausbildung einer pontischen Kompetenz brächte jene unter den denkbaren „Brükken“-Varianten mit, bei der eine in etwa gleich starke Akzentuierung der beiden „Pfeiler“ – im übertragenen Sinne hieße das: bei der eine weitgehend unterschiedslose Affirmation der beiden Traditionsstämme – vorgesehen wäre. Zweifellos am nächsten käme dieser Bedingung die zweite der oben projektierten „Brücken“- bzw. Intermediärvarianten: die Türkei als solitärer Intermediär. Deutlich stärker strapaziert wäre die „Brücken“-Konstruktion dagegen im Fall der oben projektierten komplexen Intermediäre: sowohl also im Fall einer um die Türkei erweiterten Europäischen Union (Variante eins) wie auch im Fall einer die Türkei als Initiator enthaltenden782 vorderasiatischen Union (Variante drei). Dementsprechend veranschlagt werden müßten die bezeichneten Gefahren der Vereinseitigung und der Einebnung, überhaupt des Verlustes des „Brücken“-Charakters im Fall der zweiten Variante als vergleichsweise geringer; ihre Chancen umgekehrt, die Herausforderung des „Brücken“-Experiments zu bestehen, als vergleichsweise größer. Der besseren Abschätzung des Ausgangs eines „Brücken“-Experiments halber darf aber auch noch ein anderer Aspekt nicht außerhalb der Betrachtung bleiben: Allenfalls Variante zwei – der Türkei also mit ihren bislang zaghaft ergriffenen Versuchen der Ausfaltung einer vorhandenen „Brücken“-Disposition – wäre ein ansatzweises Recht, sich als eine am Stein der Erfahrung geschliffene Option zu bezeichnen, zuzubilligen. Was demgegenüber die erwähnten komplexen Intermediäre – Variante eins und Variante drei – betrifft, so lautete das Urteil klar: Über rein theoretische Konstrukte sind diese bislang nicht hinausgekommen. Angesichts des mit dem Luxemburger Beschluß vom 3. Oktober 2005 eingeleiteten europäischen Unifizierungs- und Identitätsbildungsprozesses sowie unter der hier nochmals betonten Voraussetzung, daß man die Identität der Türkei (als eines Integranden) – und automatisch damit dann auch die Identität einer um die Türkei erweiterten Europäischen Union – in einer „Brücke“ sehen wollte, mögen die nun folgenden Rückfragen angebracht erscheinen: ___________ 781 782

Zumindest der Konturlosigkeit (vgl. Faul 1997: 450). … und hier wiederum so titulierten …

428

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

– Inwieweit wäre die Europäische Union im Zuge einer Integration der Türkei bereit oder in der Lage, bei der Auslegung des eingangs thematisierten Ermessensspielraums auch den schwächer akzentuierten „Pfeiler“, den orientalischen Traditionsstamm zu berücksichtigen? – Inwieweit wäre umgekehrt die türkische Seite bereit oder in der Lage, die durch die Zusammensetzung der Mitglieder bedingte stärkere Akzentuierung des okzidentalischen Traditionsstamms zu akzeptieren? – Inwieweit wären beide Seiten bereit oder in der Lage, am Aufbau sowie am langfristigen Halten und Aushalten einer für den angestrebten komplexen Intermediär spezifischen Spannung mitzuwirken – einer Spannung, die im Vergleich zu der mit einer solitären Intermediärlösung implizierten Spannung deutlich höher eingestuft werden müßte? – Inwieweit ließe sich auf beiden Seiten ein waches Bewußtsein kultivieren, das mit verbürgte, daß die unterschiedlich starke Akzentuierung der beiden Traditionsstämme weder in ein statisch-hierarchisches oder dynamisch-kompetitives Verhältnis, noch in eine Verwischung oder Verschmelzung der bestehenden spezifischen Differenzen umschlüge (daß sozusagen der Abstand zwischen den beiden „Ufern“ gehalten würde)? – Inwieweit wäre man sich auf beiden Seiten über die (jeweils beschriebenen) höheren Gefahren und geringeren Chancen im Vergleich zu einer solitären Intermediärlösung im klaren?783 – Inwieweit wäre man sich auf beiden Seiten ferner darüber im klaren, daß mit der favorisierten Option eines komplexen Intermediärs auf ein rein theoretisches Konstrukt gesetzt würde, für das keinerlei Erfahrungswerte vorliegen – während im Fall der Option für die Türkei als eines solitären Intermediärs immerhin die Möglichkeit bestünde, schwache, jedoch in Ansätzen vorhandene Erfahrungswerte weiter auszubauen? – Inwieweit könnte man sich sicher sein, daß hinter bekräftigten Bereitschaftslagen, eine komplexe Intermediärlösung anzustreben, auch eine ernstgemeinte, eine tatsächliche Bereitschaftshaltung stünde? Oder umgekehrt gefragt: Inwieweit gäbe es Anzeichen, die rekonstruierbar machten, daß bekräftigte Bereitschaftslagen, eine komplexe Intermediärlösung anzustreben, Ausdruck einer nur vorgeblichen Bereitschaftshaltung, im letzten einer Selbsttäuschung wären?784 ___________ 783 Aus Sicht der Türkei behielte diese Frage ihre Relevanz auch für den Fall, daß sie sich letzten Endes gegen einen Beitritt zur Europäischen Union und – alternativ dazu – für die Initiierung einer (hier nochmals so bezeichneten) vorderasiatischen Union entschiede. 784 Gemäß der ersten der beiden auf Seite 410 (bzw. 410 f.) formulierten Fragen.

VII. Der Horizont der Ausmessung

429

Tangiert ist mit beiden der an letzter Stelle vorgetragenen Rückfragen ein Problem, das für die europäischen und für die türkischen Verhandlungspartner gesondert aufgerollt werden kann: – Zunächst zur europäischen Seite: Klares Indiz für eine nur vorgebliche Bereitschaft, sich auf ein „Brücken“Experiment einzulassen, wäre jede auf die Türkei gemünzte Verwendung der ‚Brückenkopf‘-Metapher. Tatsächlich liegen die Metapher der ‚Brücke‘ und die Metapher des ‚Brückenkopfs‘ hinsichtlich ihrer semantischen Implikationen weit auseinander – und daß gerade dies nicht im ersten Moment realisiert werden mag, macht den in der Debatte nicht unüblichen Gebrauch auch eben letzterwähnter Metapher785 so tückisch. Zeigen läßt sich dies, geht man zunächst auf die ursprüngliche, die militärische Bedeutung des ‚Brückenkopf‘-Begriffs zurück: Ein ‚Brückenkopf‘ bezeichnet jene Stellung, die nach dem Übersetzen am feindwärtigen Ufer errungen oder die beim Rückzug mit letzten Verteidigungseinheiten gehalten wird. In der Türkei einen „Brückenkopf“ zu sehen, würde dementsprechend (im kulturtheoretischen Kontext dann) wohl die Absicht erkennen lassen, eine „Brücke“ in den Orient zu schlagen – so aber, daß dabei die Türkei nur in der Rolle eines Mittels erschiene, welches dazu diente, den eigenen Traditionsstamm auch am „gegenüberliegenden Ufer“ zu installieren und diesem dort zur Durchsetzung zu verhelfen. Die Türkei würde unter diesem Betrachtungswinkel funktionalisiert: Was an ihr interessierte, wäre nicht ihr okzidentalischer und ihr orientalischer, sondern was an ihr interessierte, wäre vorzugsweise ihr okzidentalischer Anteil; attraktiv wäre sie bzw. gewollt werden würde sie sozusagen ohne Orient. Entsprechend bestünde die ihr zugewiesene Aufgabe darin, das orientalische Element zurückzudrängen, ja sich geradezu um den Orient zu bringen, um auf diese Weise – als ein gewissermaßen um den Orient bereinigter „Pfeiler“ – den okzidentalischen Traditionsstamm zu verdoppeln. Wie der Gesamtaufbau der bisherigen Ausführungen zeigt, repräsentierte dies weder mit Blick auf die Türkei noch mit Blick auf eine sie integrierende Europäische Union den Sinngehalt der Konstruktion einer „Brücke“: Eine Kultur, die für sich die ‚Brücken‘-Metapher reklamierte, würde die Ausgesetztheit (einschließlich der diesem Phänomen eigenen Spannungen und Risiken) wagen; eine Kultur demgegenüber, die für sich die ‚Brückenkopf‘-Metapher reklamieren zu müssen glaubte, gäbe das gerade Gegenteil zu erkennen: sie scheute genau dieses Wagnis und neigte – letztlich aus einem Mangel an Insich-Stand – zu hypertrophen, das interkulturelle Gleichgewicht gefährdenden Bemächtigungsvorgängen. ___________ 785

Vgl. als nur ein Beispiel für den Gebrauch der ‚Brückenkopf‘-Metapher: Bundesregierung (2005), http://www.bundesregierung.de/Nachrichten–,417.613020/artikel/ Ist-die-Tuerkei-reif-fuer-… htm (05.10.2005).

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

– Von hier aus zur türkischen Seite: Klares Indiz für eine nur vorgebliche Bereitschaft, sich auf ein „Brücken“Experiment einzulassen, wäre jede um der bloßen Aufnahme in die Europäische Union willen begangene Verleugnung der eigenen kulturellen Disposition zur „Brücke“, wäre auch jede willfährige Bedienhilfe für ein verdecktes oder offenes „Brückenkopf“-Denken. Dahingehende Aufweichvorgänge bzw. Entgegenkommensakte verwiesen auf ein Fremdwerden des kulturell Eigenen, auf das – in Fortschreibung der Lévi-Strauss’schen Traditionslinie – Rehabilitationsbemühungen zu richten wären.

(4) Eine „Brücken“-Lösung als das projektierbare Ergebnis der Kursnahme. Ihre Bewertung jenseits der unmittelbaren Interessen der Verhandlungspartner Das auf dem Treffen der EU-Außenminister am 3. Oktober 2005 in Luxemburg vereinbarte gemeinsame Ziel besteht, dies wurde mehrfach herausgestellt, in einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. Ob dieses Ziel auch erreicht wird, steht freilich mit dem Luxemburger Beschluß selbst dahin. Was indessen dieser Beschluß klar ersichtlich macht, ist, daß auf dem eingeschlagenen Weg mit Problemen des Ermessensspielraums wird umgegangen werden müssen. Der zurückliegende, facettierte Versuch einer Interpretation der kulturellen Identität der Türkei als „Brücke“ hat dahingehende Reflexionsangebote bereitgestellt und sollte so – aus entsprechenden Perspektiven eben – zu einem aufgeklärteren Umgang mit besagten Problemen des Ermessensspielraums beisteuern. Was der zurückliegende Interpretationsversuch zugleich leistete, war, daß er Züge des Charakters erahnen lassen konnte, den die Veränderungen einer einmal um die Türkei erweiterten Europäischen Union tragen würden – wenn denn es zu dieser Erweiterung käme und wenn denn zudem davon ausgegangen werden könnte, daß überhaupt alle an diesem Erweiterungsprojekt Beteiligten sich darauf verständigten, eine auf türkischer Seite historisch vorhandene „Brükken“-Disposition positiv anzuerkennen; was wiederum hieße, sie im Zuge der Integration der Türkei zu übernehmen und ihr dann auch zu einem für die Europäische Union verbindlichen Identitätsmodell zu verhelfen786. Ein Kennzeichen des bisherigen Gangs der Aufklärung und Willensbildung war außerdem, daß er – einschließlich der Art, wie dabei auf Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen rekurriert wurde – der Ebene der unmittelbaren In___________ 786 Vgl. in diesem Zusammenhang nochmals oben, Seite 420 (‚Variante eins‘) bzw. Seite 422 f. (‚Klärung für Variante eins‘).

VII. Der Horizont der Ausmessung

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teressen der Verhandlungspartner verhaftet blieb. Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen selbst eröffnen demgegenüber aber auch noch eine andere Option: die Option, die Ebene der unmittelbaren Interessen der Verhandlungspartner hinter sich zu lassen, um auf dem Wege eines solchen Transzensus einen weiteren Horizont zu gewinnen. Möglich machen wird es dieser letzte, gegenüber den vorigen perspektivischen Einstellungen einen qualitativen Unterschied markierende Schritt, eine unter Bedingungen formulierte (und sich insofern legitimerweise noch als Teil des Aufklärungs- und Willensbildungsprozesses begreifende) Bewertung eines projektierbaren Ergebnisses der mit dem Luxemburger Beschluß eingeschlagenen Richtung vorzunehmen. Zu dieser Option nun in direkter Folge. Würde das mit dem Luxemburger Beschluß visierte Ziel tatsächlich erreicht und sich der Vorgang ferner unter den Prämissen der hier angestellten Überlegungen vollziehen, so bedeutete dies, daß die Europäische Union im Zuge der Integration einer als Intermediäreinheit verstandenen Türkei selbst zu einer Intermediäreinheit mutierte. Der vormalige Zustand, in dem eine Europäische Union (selbst keine Intermediäreinheit787) mit einer als „Brücke“ zwischen Orient und Okzident verstandenen Türkei (einer solitären Intermediäreinheit) Beziehungen unterhielte, wiche also einem Zustand, in dem die Europäische Union (selbst keine Intermediäreinheit) und die Türkei (eine solitäre Intermediäreinheit) sich zu einer einzigen, komplexen Intermediäreinheit und „Brücke“ zwischen Orient und Okzident788 wandelten. Vor dem Hintergrund der weiter oben durchgeführten, kritisch-konstruktiven Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen bzw. – präziser genommen – vor dem Hintergrund des im Rahmen dieser Integration herauspräparierten terminalen teleologischen Komplexes789 wäre ein solcher kultureller Metabolismus gleichbedeutend mit einer Absenkung des Niveaus, auf dem man das Faktum kultureller Verschiedenheit790 erhielte, mit einer Verringerung entsprechend auch der menschheitlich verfügbaren responsiven Flexibilität, die daraus vergleichsweise resultierte.791

___________ 787

Vgl. nochmals oben, Seite 420, Fußnote 768. Bei dann gleichwohl stärkerer Akzentuierung des okzidentalischen „Pfeilers“; vgl. wiederholt oben, Seite 422 f. (‚Klärung für Variante eins‘). 789 Siehe oben, meine Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.c)ff) dieses dritten Kapitels, Seite 312 ff.; davor noch meine Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.c) dd) dieses Kapitels, Seite 302 ff. 790 Vgl. oben, das Zitat auf Seite 304. 791 Vgl. oben, Seite 313, den Text um Fußnotennummer 335. 788

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Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation

Völlig ungeachtet der höheren Störanfälligkeit und Bestandsgefährdung eines komplexen Intermediärs gegenüber einem solitären Intermediär792 würden deshalb Lévi-Strauss’ kulturtheoretische Positionen die Einschätzung nahelegen, daß im eintretenden Fall eines Scheiterns entsprechender Beitrittsverhandlungen alles andere als ein Unglück gesehen werden müßte. Denn die Entscheidung für ein getrenntes Fortbestehen beider originärer Synthesen (der Europäischen Union als einer Nicht-„Brücken“-Einheit und der Türkei als einer „Brücken“-Einheit) – so sehr bezüglich ihrer zu befürchten stünde, daß sie auf der Ebene der Verhandlungspartner als ein Verpaßthaben von Gelegenheiten (durch die europäische Seite)793 oder als Ostrazismus (durch die türkische Seite)794 ausgelegt würde – hätte im Übereinklang mit Lévi-Strauss’ kulturtheoretischen Positionen als eine Entscheidung zugunsten eines ‚konservierenden Aufsparens‘795, eines ‚investiven Ansparens‘796 und eines ‚präventiven Ersparens‘797 gelesen zu werden; und zwar näherhin in dem Sinne, daß jede dieser Sparensdimensionen langfristig nicht nur beiden der getrennt fortbestehenden, sondern darüber hinaus auch noch weiteren originären Synthesen zugutekäme. Zudem sollte in diesem Zusammenhang gesehen werden, daß ein getrenntes Fortbestehen zweier originärer Synthesen798 anderes meint als deren isoliertes Fortbestehen: Ausschöpfbar bliebe im Falle des Scheiterns einer europäischen Integration der Türkei (als einer solitären Intermediäreinheit) die Möglichkeit einer fortgesetzten Gestaltung der bereits unterhaltenen wechselseitigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei.799 Unter diesem Aspekt erschiene es angebracht, an folgenden Sachverhalt zu erinnern: „Zollunion, intensiver politischer Dialog, Möglichkeit der Kooperation mit der ESVP800 bei konkreten Maßnahmen und die engen gesellschaftlichen und wirtschaft-

___________ 792 Die Gründe dafür waren beschrieben worden (vgl. oben, Seite 427); hier nochmals die Stichwörter: ‚Problem der Akzentüber- bzw. -unterbetonung‘ (‚Vereinseitigung‘); ‚Problem der Akzentverschleifung‘ (‚Einebnung‘); ‚Problem des theoretischen Konstrukts‘ (‚Fehlen von Erfahrungswerten‘). 793 So vor allem aus ökonomischer und geostrategischer Sicht. Vgl. dafür vor allem Leggewie (2004 a: 17, Tabelle 1) und Große Hüttmann (2005: 41 ff.). 794 Vgl. für die Annahme türkischerseits empfundener Zurücksetzung bzw. Ehrverletzung vor allem Leggewie (2004 b: 203). 795 Vgl. Höffe ([1999] 2002: 421). 796 Dto. 797 Dto. 798 So jedenfalls es dabei bliebe. Ein vorderasiatischer komplexer Intermediär – umgekehrt (vgl. ‚Variante drei‘, Seite 420 f. bzw. ‚Klärung für Variante drei‘, Seite 423) – läge ebensowenig auf der Linie der normativen Implikationen Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen. 799 Was ja mit Paragraph 2 des Verhandlungsrahmens nur konvergierte. Vgl. hierfür nochmals die oben, Seite 408, unter ‚Zweitens‘ angeführte Spezifikation. 800 Abkürzung für: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. (H.M.S.)

VII. Der Horizont der Ausmessung

433

lichen Kontakte bilden zusammen ein Netzwerk, das in dieser Form die EU nur mit wenigen anderen Staaten verbindet.“801

Ausschöpfbar bliebe im Falle des Scheiterns einer europäischen Integration der Türkei (als einer solitären Intermediäreinheit) außerdem die Möglichkeit einer fortgesetzten Gestaltung der bereits unterhaltenen wechselseitigen Beziehungen zwischen beiden genannten sowie noch anderen originären Synthesen. Auch unter diesem Aspekt erschiene es angebracht, an bereits bestehende, netzwerkartige Konstellationen zu erinnern: „Die Türkei ist Mitglied der UNO, der NATO, des Europarates, der OECD, der OSZE, der WEU, aber auch von Zusammenschlüssen wie der Konferenz der islamischen Staaten (OIC) und der Schwarzmeer-Kooperation (BSEC) sowie im Verbund mit dem Iran und Pakistan (ECO).“802

Da – abschließend gesagt – weder die Europäische Union noch die Türkei (seit der historischen Begründung ihrer Disposition zur „Brücke“) je auch nur annähernd vor einem Stagnationsproblem standen803 und die jüngere Geschichte der wechselseitigen Beziehungen zwischen beiden (sowie weiteren) originären Synthesen allen weltpolitischen Veränderungen zum Trotz in doch mannigfacher Hinsicht ein Gestaltungsvermögen aufweist, das einer allseitigen Entwicklung förderlich zu werden verspricht804, stellte sich aus der Perspektive Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen ohnehin die Frage, wie überhaupt ernsthaft man auf jene Idee verfallen konnte, deren Prävalenz nun auf Jahre hin Energie und Potential in nicht weniger als zweifelhafter Weise binden wird.

___________ 801

H. Kramer ([2003] 2004: 27). Leggewie (2004 c: 318). 803 Vgl. oben, Seite 290, den Text um Fußnotennummer 219; et passim. 804 Völlig zu Recht (und zur rechten Zeit) wurde von Höffe (2002: 178) geltend gemacht, daß das geostrategische Interesse die Aufnahme der Türkei nicht rechtfertigen könnte, insofern dafür die NATO zuständig wäre. Analoges hätte aus ökonomischer oder mancherlei sonstiger Hinsicht mit Triftigkeit behauptet werden dürfen. (Was verschiedentlich auch geschah – vgl. etwa H. Kramer [2003] 2004: 5 –, allerdings in Ermangelung eines die unmittelbaren Interessen der Verhandlungspartner übergreifenden Telos, dessen Voraussetzung gerade für die kulturtheoretischen Argumentationen LéviStrauss’ charakteristisch ist.) 802

Epilog. Von Pferden und Katzen „Das Denken Lévi-Strauss’ ist […] in einer so reichen und unvorhersehbaren Weise assoziativ wie das der Gesellschaften, die er untersucht.“ David Maybury-Lewis, Science by Association1

Der unternommene, systematisch angelegte Versuch, die intellektuelle Hinterlassenschaft Lévi-Strauss’ als ein auf die Rehabilitierung des kulturell Fremden gerichtetes Unternehmen vorzustellen2, war einmal Reaktion auf die Herausforderung, sich des Spektrums seines Arbeitsfeldes in Konsequenz anzunehmen3; zum anderen und vor allem aber erwies sich der entwickelte Topos der Rehabilitation auch gleichsam als ein Dach, unter dem es möglich wurde, die Vielschichtigkeit des Denkens Lévi-Strauss’ – jenes Konglomerats aus strukturaler Anthropologie, ‚wildem‘ Denken und Ansätzen zu einer Kulturtheorie, aus Szientismus und Konfessionalismus (resp. Subjektivismus) – als kohärente Vielschichtigkeit zu begreifen. Ausgebaut werden konnte die gewählte Per___________ 1

Vgl. für eine stärkere Akzentuierung Boon (1985: 170). Auch noch gegen Ende dieser Untersuchung muß damit gerechnet werden, daß der Topos einer Rehabilitierung des kulturell Fremden sich Betrachtern darstellt wie ein in der Wissenschaft seit geraumer Zeit Vertrautes, fast schon Triviales, mithin wie etwas, das den Status des Originellen nicht wirklich zu beanspruchen vermag. Nahezu beliebige Forschungsansätze lassen sich – so will es scheinen – unter diesem Nenner vereinen. Die Frage allerdings wäre in diesem Fall zu bedenken zu geben, ob denn das Stehenbleiben bei einem nur hinreichend allgemeinen Begriff (mit der ihm zwangsläufig folgenden Nivellierung) die Herangehensweise ist, vermittels derer den entsprechend subsumierbaren Forschungsansätzen Beurteilungsgerechtigkeit widerfährt. Denn jedenfalls wo von möglichen Unternehmen der Rehabilitation die Rede ist, darf behauptet werden, daß ihre über Relevanz und Aktualität entscheidenden Unterschiede doch gerade unterhalb der Ebene einer allgemeinen Charakteristik der Thematik aufscheinen: dort namentlich, wo es um die Klärung der Gestalten geht, in denen diese Unternehmen sich vollziehen, um die Klärung der Mittel, derer sie sich bedienen und um die Klärung der Implikationen vor allem, die sich mit ihnen verbinden. – Auf die Klärung genau dieser Parameter wurde im Rahmen vorliegender Untersuchung das meiste verwendet, und sie dementsprechend auch sind es (oder sollten es im letzten sein) – anstelle des genannten Topos als lediglich ihres generischen Terms –, die ins Zentrum ernstgemeinter Diskussionen rükken. 3 Wenn auch (als solcher Reaktion) keiner exhaustiven. Siehe dafür bereits den Eröffnungssatz des ‚Prologs‘ meiner Untersuchung (Seite 19). 2

Epilog. Von Pferden und Katzen

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spektive (bzw. genügen ließ sich dem dieser inhärenten Anspruch) von vornherein nur unter der Prämisse einer gerade nicht isolierten, einer gerade nicht nur einzelwissenschaftlichen Betrachtung; und zweifellos entrichtet werden mußte unter besagter Zielstellung weiterer Tribut: der (zumindest streckenweise) eines methodischen Rigorismus.4 Was genau im Ergebnis sich über die durchgesetzte Perspektive erschloß5, waren einmal (und zwangsläufig) spezifische kulturelle sowie zeitgeschichtliche Bedingtheiten, Einseitigkeiten, schließlich ideologische Anteile LéviStrauss’scher Positionierung – alles Phänomene, für die eine gewisse Scheidung der Welt der Darstellung von der Welt des resp. der Dargestellten kennzeichnend bleibt.6 Darlegen ließ sich auf einer entscheidenden weiteren Etappe des mit der durchgesetzten Perspektive eingeschlagenen Weges dann aber auch ein Ver___________ 4

Anmerkung 1: Züge einer gewissen Pression stecken in jeder echten Synthese. Immer lautet insofern zuerst die Frage, wie man sich zum Vorgang der Synthetisierung als solcher stellt: Wer ihre (negativen) Begleiterscheinungen nicht in Kauf zu nehmen gewillt ist, bleibt nur konsequent, wenn er dann auch ihre (positiven) Erträgnisse anzutasten sich nicht anmaßt. Anmerkung 2: In der bisherigen Lévi-Strauss-Forschung wurde der Versuch einer Transparentmachung weitreichender Zusammenhänge zwischen den different erscheinenden Sphären und Momenten Lévi-Strauss’schen Denkens niemals umgesetzt. Als grundsätzlich gerechtfertigt gelten darf er seiner erwiesenen Durchführbarkeit wie auch der vermittels seiner erzielten Resultate wegen; das heißt nicht zuletzt: aufgrund der zahlreichen Erklärungs-, Plausibilisierungs- und Erschließungsoptionen, welche eine im wesentlichen segmentorientiert arbeitende, das Gewahren und Wahren von Differentem höher gewichtende Forschung (so berechtigt und verdienstvoll sie auf ihre Weise ist) gerade nicht zu bieten sich in der Lage sieht. Anmerkung 3: Generiert wird dadurch, daß in der Lévi-Strauss-Forschung sich die bisherigen Bestrebungen (ob nun unbewußt, fakultativ oder qua Bekenntnis) in im wesentlichen segmentorientierten Operationen erschöpften, während es mir darum zu tun war, segmentübergreifende Zusammenhänge aufzudecken, ja letztlich einen großen Zusammenhang zu eruieren, ein fundamentaler Unterschied im Arbeitsstil; und so gesehen induziert wird durch ihn eine Spannung, die dazu veranlassen mag, die möglichen Blickweisen auf das Œuvre Lévi-Strauss’ nicht nur zu überdenken, sondern sie auch hinsichtlich ihrer Relationiertheit zumindest bis auf weiteres neu zu konfigurieren. 5 Im folgenden spreche ich jenseits der auch geleisteten wissenschaftshistorischen Aufarbeitung. Sie betreffend, wäre zu erinnern an die Stichwörter ‚Aspektquartett‘ und ‚Polemik‘ (siehe dafür das erste bzw. vor allem das erste Kapitel); sowie an die durch Lévi-Strauss gebotenen Zweigleisigkeiten bezüglich des eingenommenen methodischen Standpunkts, bezüglich außerdem des Umgangs mit Begriffen wie ‚wildes‘ Denken, ‚Wissenschaft‘ und ‚Chaos‘ (siehe dafür jeweils vor allem das zweite Kapitel). 6 a: Vgl. Gliederungspunkt II., III. und IV. des dritten Kapitels (Seite 237-258). b: Siehe hier auch Fuchs (1991: 311). – Unwillkürlicher Ausdruck ist beschriebenes Kennzeichen noch für einen Stand ethnologischer Forschung, dem in neuerer selbstreflexiver Wendung Autoren wie Bourdieu, Clifford, Crapanzano, Dwyer, Fabian, Geertz, Rabinow, Taussig, Tedlock und Tyler zu begegnen versuchten.

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Epilog. Von Pferden und Katzen

ständnis von Kultur, das am Konzept der Originalität festhält7 – so gleichwohl, daß darunter niemals anderes als der Effekt einer Synthese unter Bedingungen prinzipieller Verflochtenheit firmiert.8 Möglich wurde auf besagter weiterer Etappe des eingeschlagenen Weges sodann und im einzelnen die Aufdeckung eines Zusammenhangs von kommunikations-, system- und spieltheoretischen Ansätzen mit einem konstruktiven Moment wie auch mit teleologisch-normativen Gesichtspunkten9; die Aufdeckung – parallel dazu – eines teleologischnormativ vermittelten Zusammenhangs von Universalismus und Relativismus10. Und es bot sich auf dieser weiteren Etappe ferner die eher unerwartete Möglichkeit11, das kreative Potential des Denkens Lévi-Strauss’ als ein durch den Gang der Zeit nicht nur nicht gemindertes, sondern als ein in der Tat vital bedeutsames Reflexionsangebot zur Geltung zu bringen; genauer: als ein dahingehendes Angebot – einmal –, das in der Vielfalt von Kulturen (als originären Synthesen) nicht nur eine kardinale Bedingung für den Fortbestand jeder einzelnen Kultur erkennt, sondern das darin auch eine kardinale Bedingung erkennt, um der gesamten Menschheit im Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen der Gegenwart ein höchstmögliches Maß an responsiver Flexibilität (als der Voraussetzung wiederum deren Fortbestands) zu bewahren12; als ein dahingehendes Angebot – zudem –, das nicht abstellt auf das „bloße“ Überleben der Menschheit, sondern das in präzisierbarem Sinne abstellt auf deren Überleben in umfassendem und bestmöglichem Sinne13; und als ein dahingehendes Angebot – überdies –, dem nicht kulturelle Selbsterhaltung, Selbsterweiterung und Pleonexie, sondern dem kulturelle Selbsterhaltung, Selbstbegrenzung und Mäßigung zusammengehörende Sinngehalte, ja überhaupt Voraussetzung der Möglichkeit qualifizierten Überlebens sind14.15 – Könnte man ___________ 7

Entgegen Schüttpelz (2005: 410). Das entsprechende, komplexe Verhältnis von Differenz und Konnexion findet sich beleuchtet unter Gliederungspunkt V. des dritten Kapitels (dort im besonderen unter V. 2.c)cc), also auf den Seiten 272-301). Vgl. hier wiederholt auch die komprimierenden Hinweise oben, Seite 371, Fußnote 599 a und b. 9 Vgl. Gliederungspunkt V. und VI. des dritten Kapitels (Seite 258-356). 10 a: Bezug wie unter vorstehender Fußnote. b: Nicht vermag ich einen in diese Richtung weisenden Gedanken auszumachen bei Todorov (1986); desgleichen bei Finkielkraut (1987 / 1989). 11 So zu bewerten, werden als Maßstab die weitverbreiteten wissenschaftlichen Einschätzungen angelegt. 12 Vgl. oben, Seite 313, vor Fußnotennummer 336. 13 Vgl. oben, Seite 314, vor Fußnotennummer 339 bzw. Fußnote 339 a. 14 a: Vgl. Punkt 2, 3 und 4, oben, Seite 375 ff. b: Betont sei an dieser Stelle erneut die nicht zu schließende Kluft zwischen der (ohne Frage bis 1945 dominant gewordenen) Ausrichtung der Arbeiten Mühlmanns auf der einen und der (in vorliegender Untersuchung herauspräparierten) Ausrichtung der Arbeiten Lévi-Strauss’ auf der anderen Seite. (Siehe zum Vergleich nochmals oben, den Un8

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darin eine kulturphilosophische Weiterführung des antiken Motivs einer ‚Sorge um sich‘16 erkennen? Jener nicht um ihrer selbst, sondern um des Zusammenlebens mit anderen willen unternommenen Form der Selbstbefassung?17 So hält die Untersuchung in der Gesamtschau nicht nur Antworten auf die Frage nach spezifischen Beiträgen, welche durch Lévi-Strauss der Forschung beigesteuert wurden, bereit; und auch erschöpft sie sich nicht in Antworten auf die Frage nach spezifischen Beiträgen des Verfassers zur Lévi-Strauss-For___________ tertext auf Seite 314; auch Punkt 4, Seite 376 bzw. Fußnote 614 c, Seite 377; und bereits meine vorblickende Bemerkung im ‚Prolog‘, Seite 30, Fußnote 44.) 15 a: Vgl. insgesamt hierfür – neben Gliederungspunkt V. und VI. des dritten Kapitels (Seite 258-356) – Gliederungspunkt VII. des dritten Kapitels (Seite 356-433). b: Die Konzentration auf die kommunikations-, system- und spieltheoretischen, konstruktiven, auch teleologischen sowie nicht zuletzt normativen Anteile Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen im umfangreichsten und gewichtigsten, dritten Kapitel der Arbeit (vgl. hiermit erneut Punkt 1, oben, Seite 375) entsprach einer Akzentuierung, neben der sicher noch andere möglich wären bzw. gewesen wären. Aus der Perspektive der das Fremde differenztheoretisch-radikalisiert denkenden, dessen unabgeltbaren Anspruch zentral werden lassenden Arbeiten B. Waldenfels’ und Därmanns etwa (siehe Münkler / Ladwig 1998: 18) muß solche Festlegung Defizite implizieren, die sich ohne weiteres auch thematisieren ließen. Allerdings sollte, falls denn dieser Befund zu konkreter Kritik geriete, auch gesehen werden, wem und in welcher Form exakt sie würde gelten können. Primär träfe sie Lévi-Strauss bzw. die von ihm vorgelegten Materialien. Sekundär erst träfe sie die von mir vorgelegte Untersuchung; und dies in der Tat auch nur insofern, als darin Verzicht geübt wurde, allererst und (gemäß Aufgabenstellung) neu lesbar zu machende Lévi-Strauss’sche Materialien mit noch einer konkurrierenden Perspektive (die wiederum als nur eine bestimmte unter anderen, schließlich als eine ihrerseits hinterfragbare würde auftreten können) abzugleichen. – Durchaus mit Mauss (vgl. ders. 1923/24 / [1968] 1990: 48) fühlte ich mich deshalb geneigt, in Erinnerung zu bringen, daß bestimmte Fragen sich erst stellen, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist. Wer ein Buch schreibt, schreibt mit diesem Buch eben dieses; und also nicht zugleich damit auch noch alle denkbaren, weiteren anderen. Die Geschlossenheit der Konzeption gegenüber (jedenfalls performativ) konterkarierenden Erwartungen höher gewichtet zu haben, mag im übrigen einen Wert darstellen, der verbürgt, daß jedem ernsthaften Ansinnen weiterführender Auseinandersetzung der Boden auf fügliche Weise bereitet bleibt. [Diesbezügliche Vermerke bzw. Anhaltspunkte: (1) Faßbar wird die Unterschiedlichkeit der Blickrichtungen gut an der ihnen jeweils zuordenbaren, besonderen Art des Fragens – so beispielsweise jener (von mir zugrundegelegten) nach der Ausbildung und Veränderung von Kulturen statt jener anderen (und also damit nicht deckungsgleichen) nach den Bindekräften innerhalb einer Kultur wie zwischen Kulturen (vgl. für letztere Forschungsfrage nochmals oben, Seite 375 f., Fußnote 611, zweiter Absatz). (2) Daß und inwiefern auch hinsichtlich jener (von mir zugrundegelegten) Frage nach der Ausbildung und Veränderung von Kulturen in der Forschung keine Einhelligkeit herrscht, deren Gang vielmehr zu positionalen Abgrenzungen nötigt, wie dann auch wiederum Relativierungen erwirkt, habe ich in der für die Perspektive vorliegender Untersuchung gebotenen Kürze erkennen lassen (vgl. dafür nochmals oben, Seite 297, Fußnote 260 c).] 16 ‚Epimeleia heautou‘ (‚ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ‘). 17 Siehe hier G. Böhme (1988: 53 ff.); auch W. Schmid (1995 a: 528) und (1995 b: 98 f.); außerdem – mit Blick auf Foucault – W. Schmid ([1991] 21992: 244 ff.).

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schung; sondern darüber hinaus und proportional dazu, wie es sich als machbar erwies, unter konditionaler Übernahme Lévi-Strauss’scher Prämissen dessen Denken fortzuschreiben, verfügen die gewonnenen Einsichten auch über eine nochmals anders beschaffene Form von Eigenständigkeit, kommt ihnen der Status eines vergleichsweise nochmals eher für sich stehenden Beitrags zur Forschung zu. Rückblickend präsentiert sich mir das vorliegende Resultat wie ein denkbar unwahrscheinlicher, da lang der Gefahr der Vereitelung ausgesetzter Zustand: Hinauszusteigen war – in zahllosen, scheinbar unaufhörlich geforderten Anläufen – über den jedenfalls partiellen Blendwerkcharakter des Lévi-Strauss’schen Denkens, auch über die zusätzlich zu den in der Sache gründenden, von LéviStrauss aktiv (man möchte sagen: ohne Not) induzierten Problembestände, wie endlich über das davon ausgehende Empfinden fortschreitender Zumutung.18 Nicht unterschlage ich mithin den auch eigenproduktiven Anteil der zu überwindenden Komplikationen. Die gemachte Erfahrung, daß in der Auseinandersetzung mit Lévi-Strauss selbst der Eingeübte eine bisweilen wahrhaft strukturalanthropologische Herausforderung für sich zu beleben vermag – die Herausforderung, „eine Ordnung hinter dem zu finden, was sich uns als Unordnung zeigt“19; die behagende Vorstellung dazu, das jeweilige Ausmaß des von LéviStrauss erzeugten Durcheinanders reiche hin, daß „eine Katze darin ihre Jungen nicht fände“20: beides in der Verschränkung war wohl im Begriff – gerade in für krisenhaft befundenen Stadien –, die Anstrengungen einer konstruktiven Exploration zu durchkreuzen, ja sich zur gleichsam unguten Gewohnheit auszuwachsen, der es unter aufzubietenden Mühen entgegenzuwirken galt. Was freilich längst als orakelhafte Eleganz des Schreibstils oder als verfängliche literarische Meisterschaft beschrieben wurde21, mitunter zurecht auch in die Nähe eines Benehmens gerückt zu werden verdient, das dem von Pferden gleicht, die nie gesattelt wurden, reproduziert auf eigentümliche Weise gerade dies: die Ambivalenz von Facetten eines ‚wilden‘ Denkens, eben welcher gegenüber ein feineres Gespür zu veranschlagen der akademische Betrieb sich aus schlechtem Brauch schwer tut. Gespeist sah sich der Widerstand gegen die Versuchung, bewährte Lévi-Strauss-Deutungen für ein Abschließendes zu neh___________ 18

Durchaus eignete Letzterwähntem eine obstruktive Note. Festgemacht werden müßte sie an dem Dünkel, daß eben solche Gefühlsregung statthaft sei. 19 MB: 23 / MM: 11. (Siehe auch nochmals oben, Seite 87, vor Fußnotennummer 275.) 20 MIV / dt: 786 / MIV / frz: 598. – Es geschieht mit einer gewissen Berechtigung, wenn ich (neben voraus zitierter Rede) auch dieses Aperçu auf seinen Urheber reflektiere. 21 Ersteres von Leach (1967 / 1973: 19), letzteres von Jettmar (1973: 76); ersteres vor dem Hintergrund einer Lévi-Strauss prinzipiell gewogenen, letzteres vor dem Hintergrund einer ihm prinzipiell weniger gewogenen Einstellung.

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men, gegen die Versuchung auch, einen pedantisch verengten oder aber gourmethaft verkürzten Zugriff auf das Lebenswerk des Franzosen über anderes zu stellen, durch die beständig und still sich meldende, niemals endgültig zurückgeschlagene Ahnung, das, was selbigem inhäriere, sei noch zu anderer Würdigung fähig. So sind es zuletzt die vorgelegten Bemühungen, die ebenso unwillkürlich wie unverhofft zu etwas geraten, was ursprünglich sie nur thematisierten: zur Rehabilitierung eines dem akademisch überwiegenden Befinden nach fremd Gebliebenen, zudem tunlich am Rand zu Belassenden. Eben darin aber erweisen sie sich als ein nicht bloß wissenschaftlich, sondern auch menschlich gesehen fälliger Akt.

Appendices I. Der Fall der Hanunóo oder Die Verzeichnung und Aufbauschung des Banalen [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.a)dd)(4)(c) des zweiten Kapitels, Seite 136 ff.] Conklin-Text (Auszug: Conklin 1962: 131 f.; originalgetreue Übertragung) In a situation where one Hanunoo farmer wishes to draw another’s attention to a particular individual pepper bush Q, he may, of course, attempt to describe some of Q’s unique attributes without naming the plant. Much more often, however, even in the course of a “unique” description, he will resort to the use of one or more of at least eight lexical units each of which might complete , ‘Hey, take a look at this ,’ the frame māluq, qinda pag but at different levels of contrast (allowing for different degrees of desired or required specificity): I

kuwaq

‘entity’ (i.e., something that can be named)

II

bāgay

‘thing’ (not a person, animal, etc.)

III

kāyuh

‘plant’ (not a rock, etc.)

IV

qilamnun

‘herbaceous plant’ (not a woody plant, etc.)

lādaq

‘pepper (plant)’ (not a rice plant, etc.)

VI

lāda. balaynun

‘houseyard pepper (plant)’ (not a wild pepper plant)

VII

lāda. balaynun. mahārat

‘houseyard chili pepper (plant)’ (not a houseyard green pepper plant)

V

I. Der Fall der Hanunóo VIII

lāda. balaynun. mahārat. qūtin-kutiq

441

‘ “cat-penis” houseyard chili pepper (plant)’ (not a member of any of five other terminal houseyard chili pepper taxa such as lāda. balaynun. mahārat. tāhud-manuk, the “cock’s-spur” variety).

Within the domain of Hanunóo plant taxonomy, from level III down, and specifically within the range of lādaq, from level V down, conversations recorded during many similar situations would ultimately provide the lexicographer with fifteen unitary and composite lexemes (including a terminal set of eleven ‘pepper plant’ names) arranged at four levels in the form of a discrete subhierarchy (Fig. 2). Specification below the level of the terminal taxa1 noted in the diagram (Fig. 2: 1-11), and hence outside this system of classification, may be provided only by semantically endocentric constructions describing individual plant variations, on which unanimous accord is rare and unpredictable. In this particular case, folk taxa 15, 14, and 11 happen to correspond rather closely with the scientific taxa Capsicum, C. annuum L., and C. frutescens L., respectively; but the twelve remaining folk taxa involve distinctions not recognized as significant botanical subspecies by taxonomic botanists who have classified the same flora.

___________ 1 ‚Terminales Taxon‘ in der Terminologie des kladistischen Ansatzes, wie ihn nach Hennig etwa Ax vertritt, ist die ausgestorbene, die erloschene Art, die Art also, für die es keine Folgearten gibt (Ax 1988: 27). Im vorliegenden Zusammenhang der Deixis auf ein rezent Gegebenes dagegen meint die verwendete – und von Lévi-Strauss konsequenterweise übernommene – Bezeichnung einfach nur das letzte Glied in einer Reihe zunehmender Präzisierung. (Siehe entsprechend auch die Diagramme 2 bis 5, Seite 443-446.)

442

Appendices

I. Der Fall der Hanunóo

443

444

Appendices

I. Der Fall der Hanunóo

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446

Appendices

I. Der Fall der Hanunóo

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448

Appendices

II. Das Fallbeispiel ‚Linné‘

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II. Das Fallbeispiel ‚Linné‘ [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.b)bb) des zweiten Kapitels, Seite 175 ff.]

Tabelle 1 Prozeßformen organismischer Veränderung. Die heutige Auffassungsweise Wissenschaftliche (biosystematische) Terminologie

Populärwissenschaftliche Darstellung

Ontogenese

„[D]ie Individuen verändern sich im Laufe ihres Lebens, …

Tokogenese

… sie pflanzen sich fort, und die Art ihrer Fortpflanzungsweise hat zur Folge, daß es Arten gibt; …

Anagenese und Cladogenese (bzw. Phylogenese)

… schließlich verändern sich auch diese Arten, und durch ihre Aufspaltung entstehen neue Arten.“1

Appendices

450

Tabelle 2 Schema des Systems der organischen Natur als eines enkaptisch gradierten, hologenetischen Beziehungsgefüges. Die heutige Auffassungsweise (I) Wissenschaftliche (biosystematische) Darstellung

Genetische Raumzeitliche Beziehungs- Phänomene gefüge (Einheiten der lebenden Natur)

Äquivalente raum-zeitlicher Phänomene (Systemeinheiten bzw. Taxa)

Stichprobenbasis

Generalisierungen

Organismus als …

Organismus als …

– Exemplar: Semaphoront (Einzelne „Momentaufnahme“ des Lebenszyklus eines Individuums)2

– Element: Semaphoront (Einzelne signifikante Phase des Lebenszyklus eines Individuums)

Onto– Exemplar: genetisches Individuum Beziehungs(Gesamtheit der „Momentaufgefüge nahmen“ eines Lebenszyklus; Gruppe von Semaphoronten)

– Elementeverbindung: Individuum (Gesamtheit der signifikanten Phasen eines Lebenszyklus; Gruppe von Semaphoronten)

Tokogenetisches (bzw. genealogisches) Beziehungsgefüge

Fortpflanzungsgemeinschaft (Art bzw. Species; Gruppe von Individuen, die miteinander in einem Fortpflanzungszusammenhang stehen)

Art-Taxon

Phylogenetisches Beziehungsgefüge

Abstammungsgemeinschaft (Gruppe von Arten bzw. Species, die miteinander in einem Abstammungszusammenhang stehen, d. h. die die Folgearten einer nur ihnen gemeinsamen, historischen Stammart sind)

Supraspezifisches Taxon

Abstammungsgemeinschaft höherer Ordnung (Gruppe verschiedener Abstammungsgemeinschaften, die wiederum auf eine nur ihnen gemeinsame, historische Stammart zurückgehen)3

Supraspezifisches Taxon höherer Ordnung

II. Das Fallbeispiel ‚Linné‘

451

Tabelle 3 Schema des Systems der organischen Natur als eines enkaptisch gradierten, hologenetischen Beziehungsgefüges. Die heutige Auffassungsweise (II) Wissenschaftliche (biosystematische) Darstellung Raumzeitliche Phänomene (Einheiten der lebenden Natur)

Äquivalente raum-zeitlicher Phänomene (Systemeinheiten bzw. Taxa)

Stichprobenbasis

Generalisierungen

Organismus als …

Organismus als …

Kategorien (Rangstufen)4

– Exemplar: – Element: Semaphoront Semaphoront (Einzelne „Momentaufnahme“ (Einzelne signifikante Phase des Lebenszyklus eines des Lebenszyklus eines Individuums) Individuums) – Exemplar: – Elementeverbindung: Individuum Individuum (Gesamtheit der „Momentauf(Gesamtheit der signifikanten nahmen“ eines Lebenszyklus; Phasen eines Lebenszyklus; Gruppe von Semaphoronten) Gruppe von Semaphoronten) Fortpflanzungsgemeinschaft (Art5 bzw. Species; Gruppe von Individuen, die miteinander in einem Fortpflanzungszusammenhang stehen)

Art-Taxon

Species (Art)

Abstammungsgemeinschaft Supraspezifisches Taxon (Gruppe von Arten bzw. Species, die miteinander in einem Abstammungszusammenhang stehen, d. h. die die Folgearten einer nur ihnen gemeinsamen, historischen Stammart sind)

Genus (Gattung)

Abstammungsgemeinschaft Supraspezifisches Taxon höherer Ordnung höherer Ordnung (Gruppe verschiedener Abstammungsgemeinschaften, die wiederum auf eine nur ihnen gemeinsame, historische Stammart zurückgehen)

Familia (Familie) Ordo (Ordnung) Classis (Klasse) Phylum (Stamm) Regnum (Reich)

Appendices

452

Tabelle 4 Schema des Systems der organischen Natur als eines enkaptisch gradierten, hologenetischen Beziehungsgefüges. Die heutige Auffassungsweise (III) Wissenschaftliche (biosystematische) Darstellung Raum-zeitliche Phänomene (Einheiten der lebenden Natur)

Äquivalente raum-zeitlicher Phänomene (Systemeinheiten bzw. Taxa)

Stichprobenbasis

Generalisierungen

Organismus als

(am Beispiel6 des Schimpansen …)

– Exemplar: Semaphoront (Einzelne „Momentaufnahme“ des Lebenszyklus eines Individuums) – Exemplar: Individuum (Gesamtheit der „Momentaufnahmen“ eines Lebenszyklus; Gruppe von Semaphoronten)

Kategorien (Rangstufen)

(am Beispiel7 der Rose …)

Fortpflanzungsgemeinschaft Pan (Art bzw. Species; Gruppe von troglodytes Individuen, die miteinander in einem Fortpflanzungszusammenhang stehen)

Rosa canina

Species (Art)

Abstammungsgemeinschaft Pan (Gruppe von Arten bzw. Species, die miteinander in einem Abstammungszusammenhang stehen, d. h. die die Folgearten einer nur ihnen gemeinsamen, historischen Stammart sind)

Rosa

Genus (Gattung)

Abstammungsgemeinschaft höherer Ordnung (Gruppe verschiedener Abstammungsgemeinschaften, die wiederum auf eine nur ihnen gemeinsame, historische Stammart zurückgehen)

Rosaceae Rosales Dicotyledoneae Spermatophyta Vegetabilia (Metaphyta) (Eukaryonta)

Familia (Familie)

Hominidae Primates Mammalia Chordata Animalia (Metazoa) (Eukaryonta)

Ordo (Ordnung) Classis (Klasse) Phylum (Stamm) Regnum (Reich) [Unterreich] [Überreich]

II. Das Fallbeispiel ‚Linné‘

453

Anmerkungen (Endnoten): 1

Hennig ([1960] 1982: 13). Das Exemplar bzw. der Semaphoront (gr.: ‚Merkmalsträger‘; siehe Hennig [1960] 1982: 14) ist das dem Systematiker primär Gegebene (vgl. ebd.: 37; außerdem Mayr 1969 / 1975: 134 sowie sinngemäß Mayr / Ashlock [1969] 21991: 86). An ihm und über ihn werden alle systematisch bedeutsamen Informationen „gewonnen“. Den Status von ‚Indizien‘ besitzend (vgl. Ax 1988: 33 sowie Sudhaus / Rehfeld 1992: 44 und 67), bilden diese Informationen die Grundlage für die Konstituierung sämtlicher Systemeinheiten bzw. Taxa. 3 Vgl. hierzu Ax (1988: 36): „[…] Abstammungsgemeinschaften können […] in der Folge sukzedierender Artspaltungen beständig anwachsen und einen beliebig großen Umfang annehmen. So gibt es gute Gründe für die Annahme, daß die Millionen rezenter und fossil überlieferter vielzelliger Tiere eine […] Abstammungsgemeinschaft Metazoa bilden […], – und es gibt eine überzeugende Begründung dafür, daß darüber hinaus alle Pflanzen und Tiere mit einem Zellkern und Chromosomen, mit den Mechanismen der Mitose und Meiose, mit Mitochondrien und anderen gemeinsamen Merkmalen als Eucaryonta auf eine einzige Stammart in der Erdgeschichte zurückgehen.“ 4 Die Vergabe kategorialer Bezeichnungen zur Kennzeichnung von Hierarchieebenen entspricht in der Biologie einer auf Linné zurückgehenden und bis heute gepflegten Tradition. Sie birgt das Problem der Nichtverfügbarkeit eines objektiven Maßstabs, was sich daran äußert, daß Fortpflanzungs- und Abstammungsgemeinschaften bzw. die diesen im System der organischen Natur äquivalenten Taxa keineswegs generell ein identisches (und somit vergleichbares) Hierarchieniveau einnehmen. Die Festlegung des kategorialen Rangs eines Taxons bleibt in jedem Falle das Resultat einer konventionellen Entscheidung und aufgrund dessen unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ohne Relevanz. Hennig beispielsweise hat daraus die Konsequenz gezogen, auf die Angabe des Kategorialrangs zu verzichten; das Plädoyer von Ax geht demgegenüber gar so weit, die Verwendung kategorialer Bezeichnungen ersatzlos zu streichen. (Siehe insgesamt dafür Ax 1984: 251 und ders. 1988: 53-58 sowie Sudhaus / Rehfeld 1992: 12 f.) 5 Im Einzelfall ist der Bezug zu klären. Das Wort ‚Art‘ findet nebeneinander Verwendung für raum-zeitliche Phänomene (Einheiten der lebenden Natur), für deren Äquivalente (Systemeinheiten bzw. Taxa) wie zur formalen Bezeichnung eines kategorialen Rangs. (Siehe dazu Ax 1984: 29 f. und ders. 1988: 54 sowie Sudhaus / Rehfeld 1992: 12.) 6 Entnommen Ax (1988: 47). 7 Entnommen Sudhaus / Rehfeld (1992: 13). 2

Appendices

454

III. Zur Verwendung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘1. Eine Spezifikation von Sprechweisen2 nach Kontexten [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.b) des dritten Kapitels, Seite 260 ff.]

Tabelle 1 Die ‚menschliche Natur‘ als Abgrenzungsbegriff 3 ‚Nichtmenschliche Natur‘ (‚Äußere Natur‘) (belebt / nicht belebt)

‚Menschliche Natur‘ (‚Wesen des Menschen‘ / ‚Humanum‘)

[N]

[N0] ‚biologische Natur‘ (biologische Verfaßtheit des Menschen)

‚kulturelle Natur‘ (kulturelle Verfaßtheit des Menschen)

[N1]

[K1]

III. Zur Verwendung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

455

Tabelle 2 Methodische Zugangsweisen zu den anthropologischen Problemen4 Hominide Anthropologie (Naturwissenschaft)

Untersuchung – der ‚biologischen Natur‘ des Menschen [N1], d. h.: – des Menschen als eines ‚Naturwesens‘; – des Menschen als eines ‚hominiden Wesens‘; – des Menschen als zoologischer Form (Homo) unter anderen zoologischen Formen. [Dabei u. a.: Feststellung der Kultur-(en-)fähigkeit als des der Spezies eigentümlichsten Charakteristikums.]

Humanide Anthropologie (Geisteswissenschaft im weitesten Sinne)

Untersuchung – der ‚kulturellen Natur‘ des Menschen [K1], d. h.: – des Menschen als eines ‚Kulturwesens‘; – des Menschen als eines ‚humaniden Wesens‘; – des Menschen hinsichtlich der Manifestationen seiner Kulturfähigkeit. [Dabei u. a.: Abstrahierung formaler Konstanten aus materialen Varianten.]

456

Appendices

III. Zur Verwendung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

457

Anmerkungen (Endnoten): 1 Da die Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ Äquivokationen bergen, hielte ich es im Einzelfall für erforderlich, um die diesbezüglichen Abgrenzungsverhältnisse ([N] / [N0]; [N1-6] / [K1-6]) zu wissen. Bellour I / dt: 79 / Bellour I / frz: 37 f. ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, daß LéviStrauss selbst die betreffenden Äquivokationen nicht nur nicht expliziert (nicht um deren Transparenz sich sorgt), sondern daß er diese zudem auf bisweilen inkonsistente Weise verwendet, was dem Verständnis seiner Texte wenig förderlich ist. Opfer solcher Inkonsistenz – vermutlich zumindest in Teilen davon – beklagt die Wissenschaft durchaus auch noch in jüngerer Zeit (vgl. hierfür etwa Wernecke 1998: 55). 2 I. e.: Man spricht von Natur [N] und meint … Bzw.: Man spricht von Kultur [K] und meint … 3 Konzeptionell fußt die Abgrenzung einer ‚nichtmenschlichen‘ (‚äußeren‘) von einer ‚menschlichen Natur‘ auf deren relativer Unterschiedlichkeit (Disparatheit) bzw. Unterscheidbarkeit. Keinesfalls impliziert – und postuliert – ist damit schon eine Antithetik. Aufgehoben ist in der Konzeption beider Abgrenzung vielmehr gerade die Annahme eines wechselseitigen Influenz- und Konstitutionsverhältnisses. – Letzteres gilt im übrigen nicht allein für die Abgrenzung von [N] und [N0], sondern ebenso auch für die Abgrenzung von [N1] und [K1]. 4 In Anlehnung an Mühlmann ([1948] [21968] 41986: 21 f.). 5 Vgl. vor allem ebd.: 43-67 [= Lévi-Strauss (1945)]. 6 Vgl. entsprechend ebd.: 37-62. 7 Vgl. ebd.: 99-131 [= Lévi-Strauss (1973 a)]. 8 Vgl. entsprechend ebd.: 103-135. 9 Vgl. erläuternd hierzu Mühlmann (1966 a: 20 f.): „Man hat Jahrhunderte lang den logischen Charakter [des] Unterschiedes von formalen Konstanten und materialen Varianten verkannt und ist infolgedessen der Verführung erlegen, ihn als Gegensatz von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ zu begreifen. (Dabei haben auch naturrechtliche Konzepte vom Altertum bis in die Gegenwart eine Rolle gespielt.) Diese Antithese ist auf verschiedene Weise formuliert worden; Galton z. B. stellte ‚Nature‘ und ‚Nurture‘ alliterierend einander gegenüber, die Vererbungsforscher sahen ‚Erbmasse‘ und ‚Umwelt‘ als antagonistische Kräfte; die Verhaltensforscher stellten erbliche (bzw. angeborene) und erlernte Verhaltensweisen einander gegenüber, und in demselben Sinne ist besonders von amerikanischen Forschern postuliert worden, daß viele Verhaltensweisen des Menschen, die man früher für in seiner ‚Natur‘ begründet gehalten hatte, in Wahrheit ‚kulturell erlernt‘ seien. Die Tatsachen, auf die solche Behauptungen sich stützen, sind unbezweifelbar […], falsch ist aber die antithetische Weise der Formulierung und unhaltbar der ganze zugrunde liegende Vorstellungskomplex ‚Natur versus Kultur‘. Der Mensch, wie jeder Organismus, ‚erlernt‘ und ‚erwirbt‘ – auch kulturell – nichts, was ihm nicht nach seinem erbbiologischen Potential möglich ist. (Problematisch ist dabei nur die spezifische Definition der jeweiligen Anlage, die einem spezifischen Verhalten zugrunde liegt.) Folglich kann ‚Kultur‘ nicht in Antithese zu ‚Natur‘ gestellt werden. Es ist logisch nicht möglich, Begriffe als Faktoren einander entgegenzustellen, von denen der eine im anderen impliziert ist […]. Um es noch einmal zu präzisieren: Nicht die ‚Kulturthese‘ vom menschlichen Verhalten ist an sich falsch, wohl aber diese als Antithese zu einer ‚Naturthese‘. Beide Begriffe, Kultur wie Natur, sind, wenn man sie wissenschaftlich nach dem heutigen Stande der philosophischen, biologischen und kulturwissenschaftlichen Forschung zu erfüllen sucht, disparat. ‚Natur‘ ist wesentlich ‚nur‘ ein Potential, ‚Kultur‘ aber ist Manifestation. Wir könnten daher die Kulturanthropologie auch so definieren, daß wir sagen: Sie sucht zu Aussagen über das Potential zu gelangen mit Hilfe der Manifestationen. Nicht alle ‚natürlichen‘ Verhaltensweisen des Menschen sind kulturell bedingt. Aber umgekehrt gibt es beim Menschen kein kulturelles Verhalten, das im Widerspruch

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Appendices

zu seinem ‚natürlichen‘ Potential gedacht werden könnte.“ (Erste Hervorhebung nicht im Original.) 10 Dabei aufs stärkste variierend, u. U. bis hin zur semantischen Kontradiktion (vgl. Mühlmann 1966 a: 20 f.). 11 [N4] wird hier austauschbar bzw. ist hier gleichbedeutend mit [N]. 12 Innerhalb Südamerikas bezeichnen die in den dortigen indianischen Mythen vorkommenden empirischen Kategorien roh und gekocht einen quasi-transkulturellen kulinarischen Code (neben anderen empirischen Kategorien, die jeweils sich ihrerseits als quasi-transkultureller Code – astronomischer Code, sexueller Code, soziologischer Code etc. – bezeichnen lassen). Je nach Lagerung des Falles könnte besagter Code (wie auch jeder der besagten anderen Codes) selbst wiederum als formale Konstante oder aber als materiale Variante betrachtet werden: als formale Konstante [N5], wenn sich darüber verschiedene Botschaften (verschiedene Mytheninhalte) [K5] Ausdruck verschaffen; als materiale Variante – unter einer Mehrzahl weiterer materialer Varianten (entsprechend weiterer Codes) – [K6], wenn die mythischen Erzählungen darüber jeweils ein und dieselbe Botschaft (ein und denselben Inhalt) [N6] transportieren.

IV. Überlieferter Standpunkt der Mandan und alte Überlieferung der Mandan. Ergänzende Informationen zu Lévi-Strauss’ ethnohistorischem Beispiel [Anhang zu Gliederungspunkt V.2.c)cc)(3)(g) des dritten Kapitels bzw. zu Seite 300 f., Fußnote 272] 1. Übersetzung der von Lévi-Strauss zitierten englischen Version (H.M.S.) „Es wäre besser, ihr ginget flußaufwärts und würdet Euer eigenes Dorf errichten, denn unsere Sitten und Bräuche sind in einer gewissen Weise von den Euren unterschieden. Mit unserer Art zu leben seid Ihr nicht vertraut, und ebenso kennen wir die Eure nicht. Dies könnte zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den jungen Männern führen, und Kriege wären die Folge. Entfernt Euch umgekehrt aber auch nicht zu weit, denn Leute, die in großer Entfernung voneinander leben, verhalten sich zueinander wie Fremde, und Kriege wären für diesen Fall nicht weniger vorherbestimmt. Zieht deshalb gerade so weit nordwärts, bis Ihr den Rauch aus unseren Häusern nicht mehr seht; und eben dort errichtet Euer Dorf. Dann werden wir nah genug beieinander sein, um Freunde zu bleiben und uns zugleich nicht weit genug voneinander entfernt befinden, daß aus uns Feinde würden.“

2. Die Quellenlage Hält man sich an die von Lévi-Strauss bereitgestellte Information, so handelt es sich bei dem auf Seite 285 der ‚Strukturalen Anthropologie II‘ abgedruckten

IV. Standpunkt und Überlieferung der Mandan

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englischsprachigen Textabschnitt1 um ein Zitat aus: ‚Maximilian 1843, S. 368‘2 bzw. aus: ‚Bowers 1965, S. 15‘3. (Vgl. nochmals das dritte Kapitel, Seite 301, Fußnote 272.) Wie demgegenüber eine Überprüfung dieser (von Lévi-Strauss als Belegstellen angeführten) Quellen ergibt, stimmt mit dem abgedruckten englischsprachigen Textabschnitt allein der in ‚Bowers 1965, S. 15‘ eruierbare Bezugstext überein – und dies freilich, wie sich bei näherem Hinsehen zeigt, auch nur in einer bestimmten Hinsicht: Lévi-Strauss nämlich zitiert unter Auslassung einer zumindest nicht gänzlich unwichtigen, weiteren Information. Welche Information dies ist, zeigt die nachstehend vollständige Wiedergabe des entsprechenden Bezugstextes: „It would be better if you went upstream and built your own village, for our customs are somewhat different from yours. Not knowing each other’s ways the young men might have differences and there would be wars. Do not go too far away, for people who live far apart are like strangers and wars break out between them. Travel north only until you cannot see the smoke from our lodges and there build your village. Then we will be close enough to be friends and not far enough away to be enemies. [Crows Heart.]“ (Bowers 1965: 15.)

Die von Lévi-Strauss unterschlagene Information ist – vgl. hierfür erneut das dritte Kapitel, Seite 301, Fußnote 272 – die abschließende Klammerangabe: ‚[Crows Heart.]‘. Dabei handelt es sich, wie man Bowers (1965: 503; dort – im Register – ohne weitere Spezifikation) entnehmen kann, um einen indigenen Informanten. Somit ist klar: Diesem verdankt sich die zitierte Textversion. Eine korrekte Zitationsweise müßte folglich lauten: ‚Crows Heart, zit. nach Bowers (1965: 15).‘ Die andere der beiden von Lévi-Strauss angeführten Quellen – ‚Maximilian 1843, S. 368‘ [eigentlich: ‚Wied 1843, S. 368‘4] – enthält demgegenüber folgenden Bezugstext: „Remove higher up the Missouri: this whole country belongs to us. There are the rivers Little Missouri, Yellow Stone, and Knife River, on the banks of which you can settle, but do not go beyond the latter river, for it is only in this case that we shall re-

___________ 1 Eva Moldenhauer, die Übersetzerin des betreffenden Kapitels, hat den in der ‚Anthropologie Structurale deux‘ abgedruckten englischsprachigen Textabschnitt (vgl. AStII: 299) korrekterweise unmodifiziert, das heißt als englische Version übernommen. 2 Analog in AStII: 299: ‚Maximili[a]n 1843, p. 368‘. 3 Analog in AStII: 299: ‚Bowers 1965, p. 15‘. 4 Im französischen Original zitiert Lévi-Strauss ‚Maximili[a]n‘ [Siehe AStII: 299 (= Text); was im übrigen auch Bowers tut (vgl. ders. 1965: Text und Register).] bzw. ‚MAXIMILIAN, Prince of Wied‘ [Siehe AStII: 431 (= Bibliographie); was sich vermutlich einer Übernahme der Schreibweise Lloyds verdankt (vgl. hierzu meine bibliographischen Angaben unter ‚Wied [1843] 1975‘.]. – Richtig jedoch, nämlich in Übereinstimmung mit den gängigen Zitationsgepflogenheiten, müßte es dort jeweils heißen: ‚Wied‘ bzw. ‚WIED, Maximilian Prince of‘.

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main good friends. If you go too far we shall have disputes, make peace and again disagree, but if you remain on this side there will be constant friendship between us.“ (Wied [1843] 1975: 368.)

Hierzu zu bemerken wäre, daß diese Version, welche die durch Lloyd vorgenommene englische Übersetzung eines ursprünglich deutschen Textes repräsentiert, ihrerseits unvollständig ist; Lloyd nämlich unterschlägt mit seiner Übersetzung den ersten Teilsatz des in der ursprünglich deutschen Fassung Wieds referierten Zitats. – Wie die entsprechende Auslassung lautet, zeigt auch in diesem Falle nur die vollständige Wiedergabe des relevanten Originaltextes: „Unsere jungen Leute lieben die Weiber sehr, die euren auch, zieht daher den Missouri hinauf; diese ganze Gegend gehört uns, dort fließen der Kleine Missouri, der Yellowstone und der Knife River, an welchen ihr euch niederlassen könnt; aber geht nicht jenseits des letzteren, denn in diesem Falle werden wir gute Freunde bleiben. Geht ihr zu weit, so wird man sich streiten, Frieden schließen und wieder uneinig werden; bleibt ihr aber diesseits, so wird immer gute Freundschaft zwischen uns bestehen.“ (Wied [1841] 1978, Bd. 2: 102.)

Die Aufzeichnungen Wieds selbst – um dies noch zu bemerken – entbehren näherer Angaben über einen (historisch vorhandenen) indigenen Informanten.

3. Kommentar a) Formale Aspekte (1) Die Frage, die sich einem in Anbetracht dieser Quellenlage stellt, ist, ob man es bei dem in Bowers (1965) namentlich genannten Informanten (Crows Heart) resp. bei dem in Wied ([1843] 1975) / ([1841] 1978, Bd. 2) namentlich nicht genannten Informanten mit ein und derselben Person zu tun hat (die – wie in diesem Falle anzunehmen wäre – als historische Person zwei verschiedene Versionen vertrat) oder aber mit verschiedenen Personen (die – wie in diesem Falle anzunehmen wäre – zu historisch unterschiedlichen Zeiten eine jeweils eigene Version vertraten). Folgendes darf in diesem Zusammenhang notiert werden: Bowers (1965: 15) spricht von „my Mandan informants“ (keine Hervorhebung im Original) – was soviel bedeutet wie: von Zeitgenossen – und zitiert im selben Kontext dann auch Crows Heart. Nur folgerichtig drängt sich einem deshalb der Gedanke auf, Crows Heart sei ein Zeitgenosse Bowers. – Könnte davon ausgegangen werden, daß diese Annahme zutrifft, so würde das bedeuten, daß dessen (i. e.: Crows Hearts) Version des Mandan-Standpunkts das gewissermaßen jüngste Glied einer langen Überlieferungskette darstellt. Dementsprechend hätte der Umstand dann auch als ein Hinweis darauf gelesen zu werden, daß es sich bei Crows Heart als dem in Bowers namentlich genannten Informanten bzw. bei dem in Wied namentlich nicht

IV. Standpunkt und Überlieferung der Mandan

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genannten Informanten – nunmehr definitiv – um verschiedene Personen handelt (die zu historisch unterschiedlichen Zeiten eine jeweils eigene Version vertraten). Nähere Recherchen in Bowers (1965) bestätigen die KontemporaritätsThese. Etwa erwähnt Bowers eine gemeinsam mit Crows Heart verbrachte Zeit von mehreren Wochen im Sommer des Jahres 1947, während der es zur Aufzeichnung der Biographie seines Informanten kam (vgl. ebd.: VI);5 ein Hinweis findet sich ferner auf Crows Hearts Tod, den Bowers auf ungefähr zwei Jahre danach datiert (vgl. ebd.: V). (2) In seinem Rekurs auf den überlieferten Standpunkt der Mandan verwendet Lévi-Strauss, wenn er sich auch nicht in diesem Sinne erklärt, die in englischer Sprache wiedergegebene Version des soeben genannten indigenen Informanten (vgl. nochmals oben, Seite 459: die Version also von ‚Crows Heart, zit. nach Bowers (1965: 15).‘). Faktisch gesehen wird damit diese Version zur Bezugsschablone seiner Argumentation gemacht. Gezeigt hat die Schilderung der Quellenlage außerdem: Nicht ist diese Version – ein von Lévi-Strauss gleichwohl erzeugter Eindruck – identisch mit dem unter der Angabe ‚Maximilian 1843, S. 368‘ eruierbaren Bezugstext, einem Bezugstext, welcher der zwar einwandfreien, indessen seinerseits unvollständigen Übersetzung eines ursprünglich auf deutsch abgefaßten Textes (siehe oben, Seite 460: Wied [1841] 1978, Bd. 2: 102) ins Englische entspricht (siehe oben, Seite 459 f.: Wied [1843] 1975: 368). Da aus der Perspektive meiner Argumentation6 allein Lévi-Strauss’ tatsächliche Festlegung – will heißen: die in englischer Sprache wiedergegebene Version des indigenen Informanten Crows Heart – Gültigkeit beanspruchen kann, bestand auch lediglich Anlaß, diese Version – und also nicht die englische Version Lloyds – ins Deutsche zu übersetzen (siehe oben, Seite 458, Gliederungspunkt IV.1.). Genau genommen könnte somit auch nicht behauptet werden, es handele sich bei der von mir vorgeschlagenen Übersetzung gewissermaßen um eine Rückübersetzung des bereits bei Wied referierten Mandan-Standpunkts ins Deutsche. Was die Schilderung der Quellenlage ungeachtet dieser Klarstellung leistet, ist, daß sie die Diskrepanz zwischen der von mir vorgeschlagenen deutschen Version und der bei Wied referierten deutschen Version erklärt: Mein Übersetzungsvorschlag kann mit der Version Wieds schon allein aus ___________ 5 Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Crows Heart stammte aus einem von Bowers (1965: VI) so bezeichneten ‚gemischten Mandan-Hidatsa Haushalt‘ – was bedeuten sollte: sein Vater war Hidatsa, seine Mutter Mandan (siehe ebd.: 463). 6 Wie überhaupt aus der Perspektive jedes Lesers der ‚Strukturalen Anthropologie II‘.

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dem Grund niemals zur Deckung gelangen, da er sich auf den durch Crows Heart belegten Mandan-Standpunkt und eben nicht auf den durch Wied referierten Mandan-Standpunkt – in der Form seiner durch Lloyd vorgenommenen Übersetzung ins Englische – bezieht.

b) Inhaltliche Aspekte (1) Zwischen den beiden von Lévi-Strauss angegebenen Quellen des MandanStandpunkts (‚Maximilian 1843, S. 368‘ bzw. ‚Bowers 1965, S. 15‘) besteht, wie sich anhand der ihnen jeweils zuordenbaren Zitationen erkennen läßt (siehe ‚Wied [1843] 1975: 368‘ und ‚Wied [1841] 1978, Bd. 2: 102‘ einerseits bzw. ‚Bowers 1965: 15‘ und Gliederungspunkt IV.1., Seite 458 vorliegender Arbeit andererseits), eine semantische Differenz. Eine knappe Auflistung des in der jeweiligen deutschen Version verwendeten Vokabulars mag diese Differenz veranschaulichen: – Bestandsaufnahme des Vokabulars in der Version, auf die sich LéviStrauss mit der Angabe ‚Maximilian 1843, S. 368‘ bezieht (Auflistung gemäß ‚Wied [1841] 1978, Bd. 2: 102‘): gute Freunde bleiben / sich streiten / Frieden schließen / sich wieder uneinig werden / gute Freundschaft bestehen. – Bestandsaufnahme des Vokabulars in der Version, auf die sich LéviStrauss mit der Angabe ‚Bowers 1965, S. 15‘ bezieht (Auflistung gemäß Gliederungspunkt IV.1., Seite 458 vorliegender Arbeit): Meinungsverschiedenheiten, Kriege die Folge / sich zueinander wie Fremde verhalten, Kriege nicht weniger vorherbestimmt / Freunde bleiben, Feinde werden. Die Auflistung des jeweiligen Vokabulars resümierend, ließe sich feststellen (erstens), daß beide Versionen zusammengenommen unter anderem jenes semantische Assoziationsfeld reproduzieren, welches im wesentlichen schon durch die Spielarten des antiken ‚pólemos‘-Verständnisses abgesteckt war: ‚πόλεμος‘ im Altgriechischen bedeutet ‚Streit‘, ‚Kampf‘, ‚Krieg‘.7 Feststellen ließe sich zugleich (zweitens), daß beide Versionen für sich betrachtet besagtes Assoziationsfeld in jeweils spezifischer Form reproduzieren: Gilt dies für erstgenannte Version im eher moderaten (= weniger stark ___________ 7

a: Vgl. Liddell / Scott [1843] [91940] 1996. b: Durchaus präsent ist das mit dem altgriechischen Terminus aufgeblendete Bedeutungsspektrum auch noch im heutigen Sprachgebrauch, so in den Fremdwörtern ‚Polemik‘ und ‚Polemologie‘.

IV. Standpunkt und Überlieferung der Mandan

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polarisierenden) Sinne, trifft dies auf letztgenannte Version im eher strikten (= stark polarisierenden) Sinne zu. Feststellen ließe sich ferner (drittens), daß beide Versionen in eine systemtheoretische Argumentation sich einfügen, wenn auch nicht behauptet werden kann, daß sie dies – hinsichtlich ihrer Konsequenzen dann – in ein und derselben Form tun: Während die Einschätzung des Verlaufs der kommunikativen Entwicklung zwischen den Mandan und der erwähnten HidatsaGruppe gemäß erstgenannter Version mehr durch graduelle Veränderungen charakterisiert zu sein scheint, spricht diesbezüglich aus letztgenannter Version mehr die Einschätzung eines jeweils qualitativen Umschlagens. Feststellen ließe sich abschließend (viertens), daß Lévi-Strauss seine Argumentation tatsächlich8 an der eher strikten (= stark polarisierenden) Version orientiert, was der strukturalanthropologischen Vorliebe für binäre Schemata (nah / fern, Freund / Feind, Frieden / Krieg) exakt entspricht. – Lévi-Strauss’ Entscheidung reflektiert damit (einmal mehr) einen der Tendenz nach eher bedürfnisgerechten (denn einen wirklich als verwertungsoffen zu bezeichnenden) Umgang mit den herangezogenen ethnographischen Quellen. (2) Auch ein deutlich stilisierendes Moment im Umgang mit dem Quellenmaterial ist bei Lévi-Strauss zu konstatieren. Es erhellt dies angesichts jener Formulierung, die er wählt, um die zitierte Darlegung des Mandan-Standpunkts einzuleiten. Zur erneuten Vergegenwärtigung wiederholt sei an dieser Stelle der relevante Passus (bis auf eine Hervorhebung stimmt er überein mit der Zitation im dritten Kapitel, Seite 301, Fußnote 272): „Die Mandan nannten Minnetaree, ein Wort, das in ihrer Sprache ‚sie haben den Fluß überquert‘ bedeutet, die älteste aus dem Nordosten gekommene HidatsaGruppe, die am Ende der Vorgeschichte am Missouri ankam und die Maiskultur bei ihnen lernte. Doch ihren eigenen Traditionen zufolge wünschten die Mandan nicht, daß dieses Zusammenleben fortdauerte, und sie legten ihren Gästen ihren Standpunkt in folgenden Worten dar: […].“ (StAII: 285; keine Hervorhebung im Original.)

Die Formulierung ‚ihren eigenen Traditionen zufolge‘ rückt die Darlegung des Mandan-Standpunkts in ein Licht, in dem diese (die Darlegung) ausschließlich als das Ergebnis eines weisen Ratschlusses erscheinen kann. Nun mag der Eindruck als solcher bestehen bleiben. Was aber die LéviStrauss’sche Formulierung zu einer problematischen macht, ist, daß der erzeugte Eindruck gewissermaßen nur die „halbe Wahrheit“ wiedergibt; denn verschwiegen (auch könnte man sagen: kaschiert) wird damit, daß in Rede ___________ 8

Und das heißt nicht zuletzt: anders, als es die von ihm in StAII: 285 gemachte Angabe ‚Maximilian 1843, S. 368‘ (welche dispositionell gesehen – will heißen: bezogen auf die Angabe ‚Bowers 1965, S. 15‘ – die immerhin primäre bleibt) vermuten läßt.

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stehender Darlegung der Mandan ein konkreter Anlaß vorauslag. Bezeichnenderweise wird der wiederum nicht in Bowers (1965), sondern nur in Wied ([1841] 1978, Bd. 2) bzw. Wied ([1843] 1975) referiert. Die entsprechende, der deutschen bzw. englischen Quelle Wieds zu entnehmende Information besagt, daß zwischen den Mandan und den Minnetarees (dort jeweils: ‚Mönnitarris‘ bzw. ‚Manitaries‘) bereits ein Zweckbündnis gegen Dritte bestand; und daß sich die Mandan (als die in dem Gebiet länger Ansässigen) zu dessen Auflösung bewogen sahen, da das Land der betreffenden Allianz – aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke – keine ausreichende Lebens- bzw. Ernährungsgrundlage bot. (Vgl. Wied [1841] 1978, Bd. 2: 102 bzw. Wied [1843] 1975: 368.) Erwähnt werden sollte die Überlieferung dieses Sachverhalts, über die sich (mehr als alles andere) der Wunsch bzw. der Wille nach Wendung einer nackten Not artikuliert, weil sie die Darlegung der Mandan in einer doch etwas anderen Weise „kalibriert“ und so (zumindest) den (von Lévi-Strauss herkommenden) Leser vor der unter Umständen eilfertigen Schlußfolgerung bewahrt, der Standpunkt der Mandan entspringe einem existentiell nicht rückgebundenen – und damit trefflich verklärbaren – Wunsch bzw. Willen nach Aufrechterhaltung kultureller Verschiedenheit.9 (3) Der Kritik unterzogen zu werden verdient Lévi-Strauss’ Umgang mit den ethnographischen Quellen aber noch unter einem weiteren Aspekt: In den auf voriger Seite unter Punkt (2) wiederholt zitierten, die Darlegung des Mandan-Standpunkts einleitenden Sätzen, in denen der betreffenden Hidatsa-Gruppe die Rolle des agrikulturellen Schülers zufällt, folgt Lévi-Strauss stillschweigend einer alten Überlieferung der Mandan (vgl. hierfür Bowers 1965: 213). Damit wird von ihm nicht nur die (jedenfalls zu seiner Zeit bestehende) wissenschaftliche Kontroverse hinsichtlich der Frage, ob die betreffende Hidatsa-Gruppe die Praxis des Maisanbaus (bzw. der Landwirtschaft) von den Mandan übernahm oder ob sie bereits über eine solche verfügte (vgl. hierfür erneut Bowers 1965: ebd.), völlig ausgeblendet; sondern auch bzw. mithin läßt Lévi-Strauss den Leser über den wirklichen Status dessen, was er in dieser Frage gleich einem historisch unumstößlichen Faktum präsentiert, im ungewissen. – Die diesbezüglich entscheidende Information, die Lévi-Strauss – in welcher Form auch immer – hätte zur Verfügung stellen müssen, wäre gewesen:10 Das in der eigenen Überlieferung gegenüber der betreffenden Hidatsa-Gruppe konstant aufrechterhalte___________ 9 Vgl. angesichts der Verwendung der Begriffe ‚Wunsch‘ bzw. ‚Wille‘ nochmals meine Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.c)cc)(3)(f) des dritten Kapitels; dort speziell Seite 290, vor Fußnotennummer 215 und Fußnote 215. 10 Nachstehende Bezugnahme nimmt allein Maß an dem durch Bowers (1965) wiedergegebenen Forschungsstand.

V. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen

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ne Lehrer-Selbstbild der Mandan bezeichnet eine – eben der Mandan eigene – Interpretation; es ist zu behandeln wie eine These.

V. Das Gut der Meinungsfreiheit stand nicht auf dem Spiel. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen1 [Anhang zu Gliederungspunkt VII.4.b) des dritten Kapitels bzw. zu Seite 375, Fußnote 610] 1. Eine Entscheidung und ihre Begründung: Reflektieren auf die eigenen Einstellungen, Handlungs- und Verhaltensweisen Die im Titel geführte These ist das Ergebnis knapp zu fassender Gedanken, an deren Ausgang sich Verwunderung befand: Verwunderung darüber, wie es sein konnte, daß die Anfang Februar 2006 durch Karikierungen des Propheten Mohammed unter Muslimen bewirkte Empörung viele Nicht-Muslime unerwartet traf; Verwunderung darüber, wie es möglich war, daß auf seiten journalistischer wie politischer Verantwortungsträger kritische Selbstbesinnung – neben einer Bitte um Verzeihung – auf sich warten ließ, ausblieb, schwerfiel; Verwunderung darüber aber auch und schließlich, wie nicht wenige NichtMuslime dahin kommen mochten, unter dem Eindruck enthemmter Reaktionen in islamischen Ländern sich (vor eben anderen) als die eigentlich in die Defensive Gebrachten anzusehen, darum auch erst trefflich charakterlich-moralische Überlegenheit zu fühlen und die eskalationsauslösenden Handlungsakte – im Verweis auf ein vermeintlich bedrohtes Grundrecht – zu verteidigen. Daß der Anlaß der unter Muslimen bewirkten Empörung in vielen islamischen Ländern zu einem willkommenen Vorwand avancierte, um von anderen, teilweise hausgemachten Problemen abzulenken, daß er Instrumentalisierungen ___________ 1

a: Fertigstellung dieses Essays: Ende Februar 2006. b: Nachfolgende Überlegungen setzen eine Kenntnisnahme der genannten Gegenstände wie auch ein Wissen um die Chronologie ihrer Publikmachung voraus, verzichten also bewußt auf in solcher Richtung reproduzierendes Tätigwerden. Diesbezüglich instandsetzende Information, zumindest weiterleitende Hinweise enthielten im Übergang von der ersten zur zweiten Februarwoche des Jahres 2006 sämtliche renommierten Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Nachrichtenmagazine. [Der ‚mensis Februarius‘ – um die Ironie nur zu bemerken – bezeichnete zu römischer Zeit den Monat der Reinigung, der Sühne. (Entsprechende Belegstellen finden sich etwa in Ziegler / Sontheimer Hg. [1964-1975] 1979: Band 2, Artikel ‚Februarius‘, Spalte 527; auch wird der Februar so beschrieben im Artikel ‚Lupercal. Lupercalia. Luperci. Lupercus‘, ebd.: Band 3, Spalte 782. Vgl. hier außerdem Latte [1960] [21967] 1976: 84 f. – Den freundlichen Fingerzeig auf vorstehende Quellen verdanke ich Peter Roth.)]

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befördern half und einer nicht weniger verantwortungslosen Aufpeitschung aggressiver Grundgestimmtheiten Treibstoff gab, soll hier keinesfalls bestritten, sicher nicht bagatellisiert2 und ebensowenig gutgeheißen werden. Absichtlich aber werden diese Aspekte im folgenden nicht beschäftigen. Voraus lag der getroffenen Wahl des Brennpunkts – der Reflexion auf kulturell Eigenes (in seiner defizitären Prägung) – einmal ein bestimmtes Ursache/Wirkungs-Verständnis einschließlich der Überzeugung einer diesem Verständnis anzupassenden Reihenfolge. Maßgeblich bei der Wahl des Brennpunkts war sodann aber auch die einfache Erfahrungsgewißheit, daß in von Verschärfung bedrohten Konfliktsituationen vorzugsweise der Akt kritischer Selbstreflexion es ist, von dem eine positive Signalwirkung auf die ohne guten Grund Gereizten ausgehen kann.3 Im Sinne dieser doppelten Akzentuation wollen die nun folgenden Ausführungen Impulsgeber sein.

2. Ansatzpunkte der Aufarbeitung a) Folge/Mittel- statt Mittel/Folge-Perspektive. Die angemessene Blickrichtung Die anfängliche Frage, ob oder inwieweit an der Entstehung und Verbreitung der jedenfalls muslimischerseits zum Skandalon geratenen Karikaturen (außer Gedankenlosigkeit) auch Kalkül – eine gezielte Absicht herauszufordern und also Mutwille – beteiligt war, konnte sich durch Recherchen klären lassen. Ausschließen ließ sich der Fall zumindest nicht, und man darf vermuten, daß entsprechend Motivierte über durchaus geeignete Mittel verfügen, um Kritik zu widerstehen oder sich auf Mäßigung zielenden Formen der Einflußnahme zu entziehen. Einen sinnvollen Ansatzpunkt scheint diese Motivlage einem Bemühen um Selbstreflexion also eher nicht zu bieten. Interessieren soll deshalb unter dem Blickwinkel kritischer Aufarbeitung allein die auf seiten vieler Rezipienten konstatierbare augenscheinliche Unfähigkeit, jene eben mit dem zwischenzeitlich weithin beklagten Publikationsgeschehen geschaffenen Probleme in präziser Imagination vorwegzunehmen.4 ___________ 2

Wie wäre dies auch möglich! Von dem an die muslimische Seite herangetragenen Argument, der wahrhaft Religiöse ließe sich nicht provozieren, dürfte man sich solche Wirkung kaum versprechen. Ganz abgesehen davon, daß das Argument eine Einstellung zutage bringt, die sich veritabler Probleme auf bequeme Art entledigen zu können glaubt, stünde allererst zu fragen, ob überhaupt man es seiner Sachhaltigkeit nach teilen muß. 4 Den Rezipienten zuzurechnen sind hier auch und nicht zuletzt Kollegen aus dem publizierenden Metier. 3

V. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen

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Wenn Nicht-Muslime sich außerstande zeigten, die Dimension muslimischer Empörung zu antizipieren, so könnte – um das Augenmerk vorerst darauf zu konzentrieren – der Sachverhalt dem Umstand geschuldet sein, daß kein ausreichender Begriff davon existierte, wie sensitiv der thematisch visierte Bereich wirklich war. Zu tun haben mag dies in einer nicht unwesentlichen Hinsicht damit, daß bei Menschen, denen eine unter gläubigen Muslimen immer noch verbreitete, tiefe Frömmigkeit abhanden kam, vorgestellte Symmetrien der Invektive schlicht nicht mehr verfangen. Weder ein vergleichbarer (etwa christlich-religiöser) Inhalt, noch eine vergleichbare (etwa satirische) Form der Darstellung würden unter einmal hiervon als betroffen Anzunehmenden ein wirklich vergleichbares Maß der Entrüstung hervorrufen können.5 Nicht Inhalt und Form des Affronts bedürften deshalb im Zuge des Versuchs, sich in muslimische Lage zu versetzen, der Umkehrung, sondern das Junktim von Mittel (herausfordernder Beleidigung) und Folge (Entrüstung) hinsichtlich seiner bisherigen methodischen Blickrichtung. In formaler Präzisierung heißt das: Die Mittel/Folge- hätte durch eine Folge/Mittel-Perspektive abgelöst und dementsprechend die Entrüstung als das Alpha der erforderlichen Aufmerksamkeit erkannt, auch anerkannt zu werden. Auf der gedanklich-operativen Ebene würde dies – nunmehr anschaulich ausgedrückt – bedeuten: Unsere eigene Kultur und Gesellschaft wäre im Zustand höchster Erregung vorzustellen; und wesentlich von einem solchen Erregungszustand her gälte es dann der Frage nachzuspüren, welche Art der Provokation dem Sicheinstellen und Gewahrwerden gerade dieser (und keiner geringeren) Empfindungsmodalität hätte vorausgegangen sein müssen. Um mithin – in einer Weise – einen Eindruck davon zu bekommen6, was bei den tatsächlich betroffenen, gläubigen Muslimen auf der Gefühlsebene sich abgespielt hat, müßte eine Antwort auf genau folgende Fragen gefunden werden: Was würden wir – Nicht-Muslime in Deutschland, Dänemark und anderen europäischen Ländern – als impertinent, als gar unerträglich empfinden? Was brächte uns in Harnisch? Wie müßte eine Provokation beschaffen sein, damit – obendrein auch noch – eine übertriebene Reaktion (psychologisierend dann: Empfindlichkeiten) unterstellt zu bekommen wir uns resolut verbäten? ___________ 5 Was selbst die Vertreter der großen christlichen Glaubensgemeinschaften betrifft, so darf eine gewisse Abgeklärtheit (oder muß man sagen: ein entsprechender Gewöhnungseffekt?) festgestellt werden. Die Probe aufs Exempel mache man mit den frühen Liedtexten des Dänen Kim Bendix Petersen, des unter dem Pseudonym ‚King Diamond‘ in Erscheinung tretenden Sängers der Rockgruppe ‚Mercyful Fate‘. (Einen erschöpfenden Eindruck von der Güte dessen einstmaliger gedanklicher „Emanationen“ vermittelte das Stück ‚The Oath‘ auf dem 1984 veröffentlichten Album ‚Don’t Break the Oath‘.) – Ereifern konnten und können sich über die entsprechenden, durch Petersen (übrigens nicht nur textuell) gebotenen Bizarrerien bestenfalls christliche Splittergruppen. 6 Der selbst nur ein annähernder würde sein, auch bleiben können.

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b) Die vergleichsrelevanten Problemlagen. Versuch einer beispielgestützten Sensibilisierung Ein Beispiel, das es mühelos gestattete, sich Antworten auf die soeben aufgeworfenen Fragen vorzustellen – so mühelos, daß jedenfalls auf deren Ausformulierung verzichtet werden könnte –, wäre das der Pornographie. Wenn dieses Beispiel herangezogen wird, dann freilich nicht primär aus solchem Grund, das heißt, weil eben es die Eröffnung eines konkreten Antwortraums ohne Umstände leistet. Sondern nachstehend herangezogen werden soll dieses Beispiel primär deshalb, weil es wie kaum ein anderes als geeignet erscheint, um (über den genannten Zweck hinaus noch) den spezifischen Zweck einer Sensibilisierung für die den gestellten Fragen zugrundeliegenden, vergleichsrelevanten Problemlagen zu erfüllen. In genau dieser letzteren, und nur in dieser letzteren Absicht gilt es den Gedankengang nun fortzusetzen. Pornographie existiert, selbige gibt es in europäischen Ländern: für Menschen, die sie wollen, für Menschen die sie brauchen bzw. für Menschen, die der Auffassung sind, daß sie sie brauchten. Dezidiert nicht – wie man weiß – ist dieses Faktum gleichbedeutend mit einer allgemeinen Verbreitung des entsprechenden Materials.7 Ganz im Gegenteil sogar ist man in unseren Gesellschaften übereingekommen, bestimmte Personengruppen vor eben solchem Material zu schützen: Kinder, Heranwachsende und unter den erwachsenen Mitbürgern jene, deren bestimmter Wille es ist, damit nicht behelligt zu werden. Niemandem würde es in Anbetracht dieser uns selbstverständlich erscheinenden Handhabungspraxis einfallen, das Recht auf Meinungsfreiheit als bedroht oder untergraben anzusehen. Nicht zeugt die Einhaltung betreffender Schutzmaßnahmen, über die unsere Gesellschaften genauestens wachen, auch überhaupt von fehlender Stringenz. Lediglich läßt sie offenbar werden, wie differenziert durchaus unsere Beurteilungen dort ausfallen, wo von uns selbst für qualitativ prekär befundene kulturelle Erzeugnisse tangiert sind.8 Allein daß besagtes Material existiert, ist Indiz für gesicherte Meinungsfreiheit; daß es nicht überall existiert, Indiz für einen qualifizierten Umgang mit dem entsprechenden Grundrecht. So ließe sich aus dem gewählten Beispiel ableiten: (Erstens:) Nicht dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit an sich, sondern nur einem kontextneglektiven Rekurs auf selbes haben unsere Gesellschaften eine entschlossene Absage erteilt. ___________ 7 Allgemeine Verbreitung pornographischer Darstellungen implizierte (um hiermit genau den Punkt anzusteuern, an dem die eigenen Nerven blank lägen): deren Verbreitung auch und gerade in Tageszeitungen. 8 Um einem Mißverständnis vorzubeugen, ist zu betonen, daß der Begriff ‚kulturell‘ hier wie nachfolgend nicht im alltagssprachlich wertenden, sondern allein im wissenschaftlich deskriptiven, wertneutralen Sinne Verwendung findet. [Vgl. dazu erneut meine Argumentation unter Gliederungspunkt V.2.b) des dritten Kapitels; dort insbesondere Seite 260 f.]

V. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen

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(Zweitens:) Überhaupt vermieden haben sie die Entstehung eines öffentlichen Problems auf dem Wege der Nischenbildung. (Und drittens:) Der Weg der Nischenbildung bezeichnet eine ebenso einfache wie wirksame Möglichkeit, um ein öffentliches Problem gar nicht erst aufkommen zu lassen.

c) Diesseits und jenseits der kritischen Schwelle. Die unmittelbaren Feststellungen und Schlußfolgerungen Nähert man sich von dieser Illustration her erneut dem thematisch im Zentrum stehenden Problemereignis (i. e.: der Veröffentlichung von MohammedKarikaturen in europäischen Zeitungen), so ergibt sich – vermittels Übertragung – eine erste und wichtige Feststellung. Diese lautet: Karikierungen Mohammeds sind, gemessen an der Grundrechtsauffassung europäischer Gesellschaften, nicht per se verurteilenswürdig. Sie sind dies zunächst weder im Stadium des gedanklichen Einfalls, noch im Stadium ihrer zeichnerischen Umsetzung, noch auch – jedenfalls nicht grundsätzlich schon – im Stadium ihrer Verbreitung. Was erst eigentlich sie zu einem verurteilenswürdigen Geschehnis macht, gemessen (auch in dieser Hinsicht) an der den europäischen Gesellschaften eigenen Grundrechtsauffassung, ist ein spezifischer Modus ihrer Verbreitung: ihre Verbreitung in Tageszeitungen – und also ihre allgemeine Verbreitung. Denn mißachtet wird auf solche Weise das legitime, religiös motivierte Schutzbedürfnis bestimmter Personengruppen (in diesem Falle muslimischer Mitbürger) vor bestimmten kulturellen Erzeugnissen (besagten Karikaturen eben).9 Im Lichte der vorausgegangenen Illustration ergibt sich – vermittels Übertragung – aber noch eine zweite wichtige Feststellung. Diese lautet: Karikierungen Mohammeds sind in Tageszeitungen erschienen, erfuhren mithin ihre allgemeine Verbreitung, obwohl (zum einen) das diesbezügliche Schutzbedürfnis muslimischer Mitbürger ein in unseren Gesellschaften prinzipiell anerkanntes ist und obwohl (zum anderen) Möglichkeiten der Publikation des betreffenden Materials in Nischen (ausgewiesenen Satirezeitschriften etwa) grundsätzlich existierten – Möglichkeiten der Publikation mit anderen Worten, die dem muslimischerseits bestehenden Schutzbedürfnis in einem vergleichsweise zu___________ 9 Die eigentliche Perfidie einer Veröffentlichung besagter Karikaturen in Tageszeitungen besteht darin, daß es sich bei Tageszeitungen um Presseorgane handelt, welche entsprechende Inhalte prinzipiell nicht vorankündigen – in eben dem Sinne, daß damit grundsätzlich, nämlich publikationsformbedingt (wie etwa bei expliziten Satirezeitschriften) zu rechnen wäre. Im diskutierten Fall genommen war dem Leser somit jede Entscheidungshoheit, genauer gesagt: die Chance, selbst darüber zu bestimmen, ob er über entsprechende Inhalte bewußt in Kenntnis gesetzt oder aber diesbezüglich bewußt in Unkenntnis gelassen werden wollte. Was – als Folge davon – mindestens die muslimische Leserschaft erlebte (erleben, über sich ergehen lassen mußte), war die sprichwörtliche „böse Überraschung“.

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mutbaren Sinne Rechnung getragen hätten, wenn denn tatsächlich von vorneherein und in Ausschließlichkeit von ihnen Gebrauch gemacht worden wäre.10 – Damit mögen nun die entscheidenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Jeder potentielle Versuch einer retrospektiven Verteidigung der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen präsentierte sich vor dem skizzierten Hintergrund mit einem dreifachen Mangel.11 Zu sehen wäre er als Ausdruck einer Verfehlung (eines moralischen Mangels), als Ausdruck einer Inkonsequenz (eines operativen Mangels) und als Ausdruck eines Irrtums (eines rationalen Mangels). Hierzu nun im einzelnen: – Kommentar unter dem Aspekt der Verfehlung (des moralischen Mangels): Der Versuch einer retrospektiven Verteidigung des zur Debatte stehenden Publikationshergangs wäre insofern Ausdruck einer Verfehlung (eines moralischen Mangels), als er sich über das legitime Schutzbedürfnis muslimischer Mitbürger geradewegs hinwegsetzte. Die Verfehlung (der moralische Mangel) bestünde im übrigen auch dann, wenn angenommen werden müßte, daß die Zahl der tatsächlichen muslimischen Leser gering war. Das ausschlaggebende Kriterium liegt hier allein in der jeder Tageszeitungspublikation vorausliegenden Absicht, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Außerdem in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden sollte: Jedem Tageszeitungsbeitrag immaniert eine normative Botschaft; unausgesprochen transportiert wird von ihm die Information, daß seine Ausbreitung vor aller Augen etwas ist, das sein soll. Auf muslimischer Seite schwingt diese rücksichtslose, fast aggressive Note der gewählten Publikationsform (vielleicht nicht bewußt, sicher aber doch untergründig) mit. – Kommentar unter dem Aspekt der Inkonsequenz (des operativen Mangels): Der Versuch einer retrospektiven Verteidigung des zur Debatte stehenden Publikationshergangs wäre insofern Ausdruck einer Inkonsequenz (eines operativen Mangels), als er zu erkennen gäbe, wie wenig letztlich das aus ___________ 10

Grundsätzlich in diesem Zusammenhang und so auch für das angeführte Beispiel der Satirezeitschrift darf gelten: Wer sich in positiv abgemarkte Nischen begibt, sie regelrecht aufsucht, wird dazu nicht gezwungen, hat damit (jedenfalls performativ) für sich eine Entscheidung getroffen, tut dies auf eigenes Risiko. Vollzogen wird ein entsprechender Schritt entweder gerade um der Implikationen willen oder aber trotz, sprich: unter Inkaufnahme derselben. In beiden Fällen ist deshalb – sieht man einmal ab von denkbaren Manifestationen der Einfalt – davon auszugehen, daß der bzw. die Betreffende (und sei dies auch nur indirekt) weiß, worauf er bzw. sie sich einläßt. Stellen sich die Implikationen des vollzogenen Schritts dann je als (im unerwünschten Sinne) erwartungsdiskrepant heraus, mag darüber ein Nachsinnen stattfinden; wundern über den Effekt oder gar zu etwaigen Fremdschuldzuweisungen versteigen aber müßte man sich dann nicht. 11 Es gilt nach wie vor die eingangs – unter Gliederungspunkt V.2.a), Seite 466 – getroffene Klarstellung: Nicht konzentriere ich meine Überlegungen auf die absichtlichen Provokateure.

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vergleichbaren Gründen existierende Schutzbedürfnis bestimmter Personengruppen auch wirklich gleichermaßen gilt. Zumindest zu dem im konventionell intrikaten Bereich der Sexualität veranschlagten Feingespür fehlte hier jede Entsprechung. – Kommentar unter dem Aspekt des Irrtums (des rationalen Mangels): Der Versuch einer retrospektiven Verteidigung des zur Debatte stehenden Publikationshergangs wäre insofern Ausdruck eines Irrtums (eines rationalen Mangels), als sich über ihn eine Verkennung der wahren Herausforderung verkörperte. Bestanden hätte diese nicht so sehr in einer Demonstration des prinzipiellen Ingeltungstehens des Grundrechts auf Meinungsfreiheit – insofern es hierzu keinerlei Anlaß gab –, als vielmehr im rechten Gebrauch desselben. Stellungnahmen von Journalisten und Politikern krankten überwiegend daran, daß sie aufzuzeigen versäumten, wie in concreto dieser (eigentlichen) Herausforderung hätte entsprochen werden können. Bis hin zu prominenter Position wurde viel Mühe aufgewendet, um sich sowohl zur Meinungsfreiheit als auch zur Meinungsverantwortung affirmativ zu stellen12 – und um an just diesem Punkt der Erklärung stehenzubleiben13, statt auch noch den kritischen, aber alles entscheidenden Schritt zu tun, nämlich die Vermittlung zwischen beiden Bedeutungsmomenten zu leisten.14 Die Tragik der Typik solchen Procederes – einer fast kindlich naiven, vor der wahren Aufgabe die Augen verschließenden Deklamation – liegt darin, daß sie den Eindruck des Vorliegens einer dilemmatischen Situation erzeugt, obwohl ihr zu deren Charakterisierung nicht mehr als den Status eines Problems zu beanspruchen zustünde; eines Problems, zu dem (wie man aus der Praxis in anderen Bereichen weiß) eine tatsächliche Lösung existiert: eben das Ergreifen der Möglichkeit der Nischennutzung.

d) Der angerichtete Schaden. Zur Unmöglichkeit seiner exakten Bemessung Eine notwendige Bedingung jedes Tentierens eines verstehenden Nachvollzugs der Dimension muslimischer Empörung ist – dies aufzuzeigen war unternommen worden – die Entwicklung einer Vorstellung von der Beschaffenheit des tangierten Bereichs; bestimmter heißt das: von der Beschaffenheit, die der tangierte Bereich nach der subjektiven Einschätzung der Betroffenen besitzt. Eine hinreichende Voraussetzung, um sich ein angemessenes Bild von der Di___________ 12

Was man erwarten durfte. Was man erwarten konnte. 14 In beschriebenem Sinne beobachtbar nicht zuletzt am Auftritt von EU-Kommissionspräsident Barroso. 13

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mension muslimischer Empörung verschaffen zu können, bietet die Erfüllung besagter Bedingung indessen nicht. Der wichtigste Grund hierfür ist: Als herausfordernde Beleidigung standen die Karikaturen nicht isoliert im Raum. Sie fügten sich ein in eine bestehende, lange Geschichte, in ein gewachsenes, komplexes Gefüge der Humiliation. Mit Blick auf jene, die demgegenüber in anderer Lage sich befanden und befinden, ist prospektiv die Befürchtung erlaubt, daß es ihnen in Situationen, in denen es abermals auf ein kritisches Selbstbewußtsein ankäme, entweder nicht gelingt, eine unverstellte Sicht auf die elementaren Mechanismen des Effekts kulturell gerichteter Humiliation zu gewinnen oder aber nicht gelingt, sich eine unverstellte Sicht auf eben diese zu bewahren. So erscheint es von daher nicht ganz unangebracht, der Ermöglichung resp. Sicherung einer entsprechend aufgeklärten Betrachtungsweise dienende Überlegungen anzustellen. Aufzunehmen sind diese Überlegungen mit einer Vergegenwärtigung des hinsichtlich seiner Relevanz an vorderster Stelle Rangierenden, mit der Vergegenwärtigung einer tief ankernden Einsicht, einer Grundwahrheit, die gleichwohl trivial anmuten mag, wenn sie der Betrachtende auf sich selbst bezieht. Es geht um den Punkt: Ein Mensch mit einer intakten Psyche will nicht beleidigt, will nicht verletzt, will nicht gedemütigt werden – noch dazu ohne guten Grund. Auftretende Verstöße gegen diese Grundeinsicht durch eben entsprechende Beleidigung, Verletzung, Demütigung bewirken deshalb – einfach weil ein Mensch üblicherweise sich gegen sie verwahrt – zunächst einmal und zum mindesten dies: daß der Betroffene sie sich merkt. Auf der Ebene seiner affektiven Natur führt jeder entsprechend beleidigte, verletzte, gedemütigte Mensch Buch, und jedes einschlägige Vorkommnis, auch nur jeder Stich wird darin seinen Eintrag finden. Erinnerungen solcher Art verfügen über keine Verfallszeit, verblassen kaum, bestehen eher gleich Engrammen fort, verbinden sich mit ihresgleichen, werden intra- wie intergenerativ tradiert – auf diese Weise zugleich multipliziert15 –, sind bei fast beliebiger Gelegenheit abrufbar, beliebig fast auch verfügbar. Gerade damit werden Erinnerungen solcher Art samt des ihnen korrelierenden Gemütsgrundmusters aber auch noch in einem wirklich problematischen Sinne unberechenbar, insofern nämlich vorausschauend niemals klar ist, auf welche Bahn endlich sie gelangen. Projiziert auf den Kontext der gegenwärtigen Debatte mag so das Fazit lauten: Der durch die Karikaturen angerichtete Schaden beläßt in einer gleich doppelten Hinsicht im ungewissen: indem zum einen er sich Versuchen distinkter thematischer Separierung, aber auch Versuchen distinkter zeitlicher Isolierung widersetzt16, stattdessen nur als Bestandteil eines auf vielfache Weise ver___________ 15

Es entsteht ein soziales Gedächtnis. Letzteres betreffend könnte man auch sagen: indem er sich einer Definition als Problem modo praeterito widersetzt. 16

V. Zur Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen

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zahnten Geschehens sich zu erkennen gibt; und indem zugleich zum anderen er offen läßt, in welcher Form möglicherweise ein entsprechendes Aggregatproblem sich zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt manifestieren bzw. wozu möglicherweise ein entsprechendes Aggregatproblem zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt sich transformieren wird; will heißen: ob dann – allein die beiden denkbaren Extreme zu benennen – die erzeugten schlechten „Schwingungen“ ihre ungefährliche Sublimation finden oder aber sich in gewaltsamer, unter Umständen ungekannter Aktion und Größenordnung entladen werden. Mag man den vorfindlichen Zustand auch beklagen, zu ändern ist er nicht. Was er in jedem Falle hinterläßt, ist ein wenig gutes Gefühl.

e) Haltung und Gegenstand des Forderns. Äquilibrierungen vor dem Tatbestand der Provokation Eines der wesentlichen Anliegen der bisherigen Argumentation bestand darin, deutlich werden zu lassen, daß zum Problem der adäquaten Vermittlung zwischen Meinungsfreiheit und Meinungsverantwortung, wie es anlaßbedingt in den Fokus trat, eine Lösung existiert. (Gefallen waren die diesbezüglich maßgeblichen Stichwörter mit den Begriffen ‚Nischenbildung‘ und ‚Nischennutzung‘.) Ein weiteres wesentliches Anliegen der bisherigen Argumentation war es, die Wahrnehmung dafür zu stärken, daß diese Lösung sowohl innerhalb des in europäischen Gesellschaften gewohnten Sichthorizonts als auch innerhalb der Reichweite des in diesen gewohnten Handlungsradius liegt. Würden die Vorgänge um die Karikaturenveröffentlichung nach Maßgabe eben gegebener Beschreibung resümiert, so wären sie zu kennzeichnen als Dokumente massiven Vorbeizielens am Verhältnis von Problem und Lösung. Im selben Zusammenhang wäre dann allerdings – den Blick mehr nach vorne gewandt – auch festzustellen: (Erstens:) Solange die herrschende europäische Grundrechtsauffassung darin besteht, daß der Meinungsfreiheit nicht die Meinungsverantwortung zu opfern ist, kann die Problem- und Lösungsblindheit potentieller Regelverletzer diese nicht dazu berechtigen, sich mit ihrem Unvermögen einzurichten; in diesem Falle geriete die Nischenbildung und Nischennutzung zu einer regelrechten Forderung. (Zweitens:) Solange die herrschende europäische Grundrechtsauffassung darin besteht, daß der Meinungsfreiheit nicht die Meinungsverantwortung zu opfern ist, kann die Problem- und Lösungsblindheit potentieller Regelverletzer aber auch die Leidtragenden nicht dazu berechtigen, im Gegenzug mit einer auf die Beseitigung der Nischenlösung als solcher zielenden Überreaktion zu antworten; es wäre deshalb in diesem Falle die Nischenverteidigung, die zu einer nicht weniger starken Forderung geriete. Ein gewisser Unterschied zwischen Regelverletzern und Leidtragenden bliebe allerdings zu machen: Nicht sollte man zuerst bei letzteren an menschliche

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Größe appellieren. Bewahren würde vor einem solchen, vorschnellen Schritt eine vergleichsweise anspruchsvollere Form der Aufmerksamkeit: Nischenbildung, Nischennutzung und Nischenverteidigung gehören als Forderungen zusammen, konstituieren eine Trias. Setzt man sich über diese Implikation europäischer Grundrechtsauffassung aus Gründen der Unkenntnis, der Unbedachtsamkeit oder aus Gründen oberflächlicher Nützlichkeitserwägung hinweg, schlägt sich dies nieder in einer geminderten Glaubwürdigkeit. In interkulturellen, für Mißverständnisse und deren Verstetigung ohnehin anfälligen Kontexten sollte man den Verlust eines so essentiellen Orientierungsstandards – wie freilich umgekehrt auch seinen Gewinn – nicht unterschätzen.

f) Lernen von der Ethnologie. Persönlicher Kontakt mit kulturell Fremden In einer sich globalisierenden, sich technisierenden und medialisierenden Welt, in der die Auseinandersetzung mit dem kulturell Fremden neben einer nie da gewesenen Dynamik auch eine nie da gewesene Unmittelbarkeit erreicht, verändern sich fortwährend und zwangsläufig die Spielräume zumutbaren Handelns und Verhaltens, die Verläufe von Grenzen, bis zu denen man gefahrlos gehen kann. Zumindest in Betracht gezogen werden muß, daß die an der Welle islamischer Hitze sich spiegelnde Überraschung, teilweise Bestürzung vieler Nicht-Muslime ein Hinweis auf Mangellagen ist, die auch im Zusammenhang mit dieser Entwicklung zu sehen sind. Die diesbezüglich naheliegende Annahme ist, daß die Auslotung erwähnter Spielräume und Grenzverläufe mit Werkzeugen geschieht, die den gewandelten Umständen nicht (oder nicht mehr) angemessen sind. Gesucht werden soll deshalb nach einer Antwort auf die Frage, wie ein zeitgemäßes, dem jeweils aktuellsten Stand entsprechendes Bild von diesen Spielräumen und Grenzverläufen entstehen kann oder entstehen könnte. Behilflich sein mag dabei ein Nachdenken über ausgesuchte Parameter derjenigen Situation, in der sich Ethnologen wiederfinden, wenn sie sich ins (zunehmend selten werdende) klassische Feld begeben: Die Auseinandersetzung mit kulturell Fremden findet dort unabgefedert statt, gleichsam von Leibesgrenze zu Leibesgrenze. Kennzeichnend ist auch die gänzliche Unverfügbarkeit von Möglichkeiten des unvermittelten Abtauchens in die Anonymität. Allein schon aus diesen Gründen müßten potentielle Zugriffe auf die eigene Physis und Psyche ausgehalten werden. Sicher nicht zuletzt weil dem so ist, realisieren in solcher Situation Stehende schlagend und klar: Sie könnten es sich nicht leisten, sich danebenzubenehmen; herauszufordern, um danach auszuweichen; Unordnung zu erzeugen und Unruhe zu stiften, ohne dies zu verantworten. Sondern in solcher Situation Stehende lernen: Für ihr Handeln und Verhalten haften sie, mit unter Umständen weit- und weitestreichenden Konsequenzen –

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persönlich. Schärfer erkannt wird in solcher Situation auch überhaupt die Notwendigkeit (um nicht zu sagen: der heilsame Zwang) zu einem gedeihlichen Miteinander. Zumindest stellt sich der Sachverhalt so dar bei längeren Feldforschungsaufenthalten. Daß diese erwähnten, für die klassische Feldforschungssituation typischen Parameter die Einhaltung von Anstandsformen, ja die gesamte Pflege des Forschungsfeldes nicht automatisch – nicht ohne daß dazu auch Ausnahmen denkbar wären – garantieren, muß hier nicht beschäftigen.17 Im allgemeinen wirken sie in diese Richtung, üben sie eine gewisse, dahingehende Pression aus. Was außerdem im allgemeinen sie auf der Ethnologen-Seite positiv bedingen – gewissermaßen indirekt leisten –, ist die Ausbildung eines Gespürs für die jeweils kulturell Fremden. Im weitesten Sinne hat dies zu bedeuten: ein Gespür für deren signifikant andere Weise des Aufenthalts in Raum und Zeit. Im einzelnen kann dies und vor dem speziellen Hintergrund der beschäftigenden Thematik mag dies bedeuten: ein Gespür für die besonderen Belange der jeweils kulturell Fremden, für all das, was ihnen ihrer eigenen (subjektiven) Einschätzung nach lieb, teuer, heilig ist; ein Gespür für das, was ihren Zorn erregt, was ihren Haß erzeugt und was sie unversöhnlich macht. – Im Zuge dieses Vorgangs, des Bemühens um ein trefflicheres Verständnis der jeweils kulturell Fremden mitteln sich für Ethnologen die Spielräume zumutbaren Handelns und Verhaltens, bildet sich deren Bewußtsein für die Verläufe von Grenzen, bis zu denen sie gefahrlos gehen können, erst wesentlich aus.18 Was derart für die Ethnologie gilt, kann und wird sich prinzipiell überall dort ereignen, wo ein Mensch kulturell Fremden mit der Einstellung eines Ethnologen begegnet.19 Es ist nichts Unmögliches. Zur Ausbildung besagten Gespürs, zur Auslotung besagter Spielräume und Grenzverläufe kann und wird es kommen, ein entsprechender Lernprozeß kann und wird stattfinden, wenn man die Begegnung mit kulturell Fremden ohne Vorbehalt sucht, das heißt, wenn man sich zunächst einmal aussetzt, Schutzgewißheiten bewußt distanziert, um etwas zu erfahren; und wenn nicht ein habituell unwirscher, grobschlächtiger ___________ 17 Ein Beispiel prominenter Ausnahme gibt Därmann (2005: 46). Auf seine Weise einprägsam ist hier mit seiner eigenen, unmittelbar dem Feld entstammenden Schilderung auch Heine (1985 / 1987: 64). 18 Von einem unverkürzten Bemühen wäre dabei nur zu sprechen, sofern Ethnologen auch für die nach herkömmlicher Auffassung eher peinlich berührenden Aspekte des selbst im Feld Entdecktseins, Beobachtetwerdens und Erkanntseins anfällig blieben. Erschlossen wurde diese Komplementärseite dem Fach sehr gut durch F. W. Kramer (1987). Siehe vor allem ebd.: 7. 19 Entscheidend mit diesem Generalisierungsschritt beitragen könnte ein Nachdenken, das von bestimmten Parametern der klassischen Feldforschungssituation seinen Ausgang nahm, zur Überwindung „koloniale[r] und postkoloniale[r] Dominanzstrukturen“ (Fuchs 1991: 312).

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Umgang mit sich selbst, vorsätzlich ausscherender Eigensinn oder pathologische Störungen des Charakters dem entgegenstehen.20 Die in Rede stehende Erfahrung – eine Form der ‚gelebten Erfahrung‘21 – als eine wesentliche Bedingung von Erkenntnis anzusetzen, heißt die Unmöglichkeit ihrer rein intellektuellen Kompensation bekräftigen. Was überdies sie auszeichnet, ist, daß sich in ihr beide aristotelischen Erfahrungstypen auf eigentümliche Weise verschränken: der eher aktive der Erprobung bzw. Erforschung (der ἐμπειρία) mit dem klar passiven des Widerfahrnis (des πάθος).22

Von Relevanz ist das Vorgebrachte – hier unterliege man keiner Täuschung – auch und gerade für Karikaturisten wie für Verfasser von Satiren; für Angehörige von Berufsgruppen, zu deren Aufgabenprofil es (sozusagen ex professo) zählt, Menschen „auf die Schippe“ zu nehmen, deren Schwächen und Laster offenzulegen, unter Verwendung von Mitteln wie Übertreibung, Ironie und Spott persönliche Kritik oder Kritik an Zuständen zu üben. Denn was eine ethnologische Einstellung für die Betreffenden, wenn diese sie sich zueigen machten – implizierend den persönlichen Kontakt mit kulturell Fremden –, förderte, wäre die Entstehung eines in interkulturellen Angelegenheiten klarer konturierten Wissens bezüglich des Orts des legitimen Einsatzes ihrer berufsspezifischen Fä___________ 20 a: Vgl. hier aus Edgüs literarischem Zeugnis (1977 / 1987) folgenden Passus: „Ab und zu muß man in die Haut eines anderen schlüpfen. Und man muß eine bestimmte Zeit dabei bleiben. Um die Ereignisse zu beurteilen. Um objektiv sein zu können, insoweit es so etwas wie Objektivität gibt.“ (Ebd.: 90.) [Edgüs ethnologische Einstellung – nebenbei bemerkt – erheischt um so größere Anerkennung, als er sich in eine fremde Situation gestellt sah; nicht hat er sie sich aus freien Stücken gewählt.] b: Daß eine ethnologische Einstellung – konsequent veranschlagt – für den Betreffenden das Risiko, verletzt zu werden, birgt, ist nicht zu verhehlen: „Die Gefahr der Verletzung [besser: des Verletztwerdens; H.M.S.] […] droht vor allem der Orientierung, einschließlich dessen, was einer für seine grundlegenden Voraussetzungen hält, seinen psychischen Verteidigungsmechanismen und seinen Beziehungen zu anderen Menschen, einschließlich seines Prestiges.“ (Wolff 1968: 163.) Siehe hier erneut auch Edgü (1977 / 1987; besonders ebd.: 12-23). Interessanterweise faßt Wolff die Gefahr des Verletztwerdens als einen erkenntniskonstituierenden Faktor. Berücksichtigen möge man im gegenwärtigen Zusammenhang außerdem Wolffs späte Präzisierung seiner methodischen Formel ‚Hingebung-und-Begriff‘ als einer zugleich sokratischen wie sozialen Idee (so in ders. 1985: 123 bzw. 1987: 109); schließlich die dieser Formel bzw. Idee zugeordnete historische Funktion (vgl. 1981: 341), das heißt ihre ‚Beziehung‘ (ebd.) zu ‚unserer Situation‘ (ebd.), zu ‚unserer Krisis‘ (ebd.: 342) ‚seit dem Advent der Atombombe‘ (1976: 18; ähnlich 1981: 341 und 1998: 7). – Weshalb, so darf man füglich fragen, sollte die angesichts entsprechender Menschheitslage von Wolff empfundene Selbstverständlichkeit einer gewandelten Ausrichtung von Forschungsprojekten (vgl. ders. 1981: 344; ähnlich ders. 1998: 116 f.) allein auf eine gewandelte Ausrichtung von Forschungsprojekten beschränkt bleiben? 21 Siehe ursprünglich zum Begriff Lévi-Strauss in EM: 21 / IM: XXVI. 22 Siehe für die (bloße) Unterscheidung beider Erfahrungsbegriffe etwa Bollnow ([1970] 21981: 141 f.), ebenso Hinske (1986: 46 f.); für eine Akzentuierung letzteren Erfahrungsbegriffs insbesondere Kamlah (vor allem ders. 1972: 39 f.), daneben B. Waldenfels (1986: 121 ff.).

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higkeiten. Wer als Karikaturist oder als Verfasser von Satiren um die für ihn entscheidenden Spielräume und Grenzverläufe weiß – und darum auf jeweils aktuellstem Stand weiß –, wird in der konkreten Situation auch eher Bescheid wissen über die Publikationsform, welche die seinen Produktionen gemäße ist, welche dafür in Frage oder aber nicht in Frage kommt. Als auf solche Weise vor „Kategorienfehlern“ besser geschützte Sachwalter könnten die Angehörigen genannter Berufsgruppen dann auch beruhigteren Gewissens darangehen, all jenen, die sich die radikale Beseitigung bestehender Publikationsnischen zum Ziel setzen, die Stirn zu bieten.

3. Von der Freiheit zu entscheiden, wofür man stehen wolle So unzutreffend Huntingtons These vom Kampf der Kulturen23 in mancherlei Hinsicht ist, entschieden wird über den Grad ihrer Bewahrheitung nicht schlechterdings unabhängig von den Einstellungen, Handlungs- und Verhaltensweisen menschlicher Akteure. Im Hinblick auf die Entwicklung des Verhältnisses zur islamischen Welt stelle man sich deshalb von nicht-muslimischer Warte die Frage, welchem Zustand soziokultureller Wirklichkeit letztlich man zur Durchsetzung verhilft, verhelfen will. Der Akt der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen jedenfalls enthielt Formen der Antwort auf genau diese Frage: Nicht allein machte er offenkundig, wie sehr deren Urheber in geradezu verblendeter Weise mit dem Feuer spielen; sondern zudem ließ er augenfällig werden, wie weit noch sie davon entfernt sind, für eben das auch einzustehen, was sie sich so sehr einbilden: nämlich echte Pluralität zu leben.

___________ 23

Siehe Huntington (1993) bzw. (1996 / 1997).

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen Nachfolgender Anhang erfüllt den Zweck, dem Leser neben Passagen aus überwiegend Lévi-Strauss’schen Originaltexten auch Passagen aus Originaltexten anderer Autoren zur Verfügung zu stellen, wenn an diese für gewöhnlich nicht ohne einen gewissen bibliothekarischen Aufwand zu gelangen ist und / oder wenn deren unmittelbare Verfügbarmachung relevant erscheint. – Dienen kann deren (wie aller) Wiedergabe dennoch nur einer bedingten Orientierung. Im Zweifelsfall bleibt die Überprüfung an der jeweiligen Originalpublikation stets gesondert zu erbringen.1

Prolog Betreffend Seite 27: (1) Fußnote 33; Lévi-Strauss (StAI: 115 / StAI: 113) „Malgré toutes ses imperfections, et en dépit de critiques méritées, il semble bien que, faute d’un meilleur terme, celui de ‚primitif‘ ait définitivement pris place dans le vocabulaire ethnologique et sociologique contemporain. Nous étudions donc des sociétés ‚primitives‘.“ (StAI: 113.)

(2) Fußnote 33; Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 22 / Charbonnierfrz: 24) [Charbonnier:] „[…] quelles sont les différences fondamentales de fonctionnement, de structure, que vous relevez entre les sociétés qui font l’objet de votre étude et la société dans laquelle nous vivons, la nôtre?“ [Lévi-Strauss:] „Vous posez la question la plus difficile de celle auxquelles on demande parfois à l’ethnologie de répondre. Si difficile, que je ne suis même pas persuadé que la réponse soit possible. Il se pourrait que nous atteignions là une limite absolue de notre connaissance. Et avant d’essayer de répondre à la question, nous pourrions peut-être nous demander pourquoi c’est une question très difficile. Il me semble que cette question en recouvre une autre, qui est celle de savoir s’il est possible d’ordonner toutes les sociétés humaines par rapport à une notion de progrès, les unes étant plus primitives – puisque ce terme de ‚primitives‘ s’impose à nous par l’usage, du fait que nous n’en avons pas de meilleur – les autres étant celles qu’on pourrait appeler ‚plus civilisées‘.“ (Charbonnierfrz: 24.)

(3) Fußnote 34; Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 35 / Charbonnierfrz: 39) „Bien sûr, derrière ce que nous appelons ‚sociétés primitives‘, il y a toutes sortes de formes d’organisation sociale, et je ne répéterai jamais assez que deux sociétés primi-

___________ 1 Siehe hier auch nochmals den auf Seite 57 ff. abgedruckten Untertext im ersten Kapitel (‚Propädeutik‘); davon im besonderen den letzten Abschnitt auf Seite 60 f.

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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tives peuvent différer autant entre elles, que chacune d’elles diffère de la nôtre.“ (Charbonnierfrz: 39.)

Betreffend Seite 31: (4) Fußnote 47; Lévi-Strauss (MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (58) angeführte Originalzitation.]

(5) Fußnote 50 a; Lévi-Strauss (StAI: 116 / StAI: 114) „Un peuple primitif n’est pas davantage un peuple sans histoire, bien que le déroulement de celle-ci nous échappe souvent.“ (StAI: 114.)

(6) Fußnote 50 a; Lévi-Strauss (StAI: 127 / AStI: 126, WD: 270 f. / PS: 309 f., StAII: 361 / AStII: 375 f. und StAII: 376 / AStII: 390 f.) „Les considérations précédentes ne s’appliquent qu’à l’Amérique tropicale. Mais, si elles sont exactes, elles permettent de dégager des critères d’une validité plus générale, utilisables dans chaque cas pour lequel on avancerait l’hypothèse d’un archaïsme authentique. Il ne nous semble pas douteux qu’on aboutirait alors à la même conclusion, à savoir: que l’archaïsme véritable est l’affaire de l’archéologue et du préhistorien, mais que l’ethnologue, voué à l’étude de sociétés vivantes et actuelles, ne doit pas oublier que, pour être telles, il faut qu’elles aient vécu, duré, et donc changé.“ (AStI: 126.) „[…] il est […] fastidieux qu’inutile d’entasser les arguments pour prouver que toute société est dans l’histoire et qu’elle change: c’est l’évidence même. Mais, en s’acharnant sur une démonstration suprerflue, on risque de méconnaître que les sociétés humaines réagissent de façons très différentes à cette commune condition: certaines l’acceptent de bon ou de mauvais gré et, par la conscience qu’elles en prennent, amplifient ses conséquences (pour elles-mêmes et pour les autres sociétés) dans d’énormes proportions; d’autres (que pour cette raison nous appelons primitives) veulent l’ignorer et tentent, avec une adresse que nous mésestimons, de rendre aussi permanents que possible des états, qu’elles considèrent ‚premiers‘, de leur développement.“ (PS: 310.) „La question n’est pas de savoir si les sociétés dites ‚primitives‘ ont ou n’ont pas une histoire au sens que nous donnons à ce terme. Ces sociétés sont dans la temporalité comme toutes les autres, et au même titre qu’elles, mais à la différence de ce qui se passe parmi nous, elles se refusent à l’histoire, et elles s’efforcent de stériliser dans leur sein tout ce qui pourrait constituer l’ébauche d’un devenir historique. […]. Nos sociétés occidentales sont faites pour changer, c’est le principe de leur structure et de leur organisation. Les sociétés dites ‚primitives‘ nous apparaissent telles, surtout parce qu’elles ont été conçues par leurs membres pour durer.“ (AStII: 375 f.) „[…] en gros (et exception faite de l’Amérique […]), toutes les sociétés humaines ont derrière elles un passé qui est approximativement du même ordre de grandeur. Pour traiter certaines sociétés comme des ‚étapes‘ du développement de certaines autres, il faudrait admettre qu’alors que pour ces dernières il se passait quelque chose, pour celles-là il ne se passait rien – ou fort peu de chose. Et en effet, on parle volontiers des ‚peuples sans histoire‘ (pour dire parfois que ce sont les plus heureux). Cette formule elliptique signifie seulement que leur histoire est et restera inconnue, non qu’elle n’existe pas. Pendant des dizaines et même des centaines de millénaires, là-

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bas aussi, il y a eu des hommes qui ont aimé, haï, souffert, inventé, combattu. En vérité, il n’existe pas de peuples enfants; tous sont adultes, même ceux qui n’ont pas tenu le journal de leur enfance et de leur adolescence. On pourrait sans doute dire que les sociétés humaines ont inégalement utilisé un temps passé qui, pour certaines, aurait même été du temps perdu; que les unes mettaient les bouchées doubles tandis que les autres musaient le long du chemin. On en viendrait ainsi à distinguer entre deux sortes d’histoires: une histoire progressive, acquisitive, qui accumule les trouvailles et les inventions pour construire de grandes civilisations, et une autre histoire, peut-être également active et mettant en œuvre autant de talents, mais où manquerait le don synthétique qui est le privilège de la première. Chaque innovation, au lieu de venir s’ajouter à des innovations antérieures et orientées dans le même sens, s’y dissoudrait dans une sorte de flux ondulant qui ne parviendrait jamais à s’écarter durablement de la direction primitive.“ (AStII: 390 f.)

(7) Fußnote 50 b; Lévi-Strauss (StAI: 116 / AStI: 115) „[…] des indigènes éloignés pendant quelques années de leur tribu ne parviennent plus, au retour, à s’adapter à l’ordre nouveau2.“ (AStI: 115.)

Erstes Kapitel: Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung Betreffend Seite 38: (8) Motto; Lévi-Strauss (Der nackte Mensch, Finale) „Contraire à toute exploitation philosophique qu’on voudrait faire de mes travaux, je me borne à signifier qu’à mon goût, ils ne pourraient, dans la meilleure des hypothèses, contribuer qu’à une abjuration de ce qu’on entend aujourd’hui par philosophie.“ (MIV / frz: 570.)

(9) Fußnote 11; Lévi-Strauss (Tréguerfrz: 172) [Tréguer:] „Est-ce que vous pensez que le structuralisme dont on parle tant aujourd’hui puisse se définir comme une philosophie ou seulement comme une méthode?“ [Lévi-Strauss:] „En aucun cas comme une philosophie mais seulement comme une méthode d’investigation scientifique.“ (Tréguerfrz: 172.)

Betreffend Seite 42: (10) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 23); Lévi-Strauss (MIV MIV / frz: 614)

/ dt:

807 f. /

___________ 2 Fußnotenverweis Lévi-Strauss’ auf W. E. H. Stanner (‚Murinbata kinship and totemism‘, Oceania, vol. 7, no. 2, 1936-1937).

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„[…] si les mythes considérés en eux-mêmes apparaissent comme des récits absurdes, une logique secrète règle les rapports entre toutes ces absurdités: même une pensée qui semble au comble de l’irrationnel baigne ainsi dans une rationalité constituant pour elle une sorte de milieu externe, dès avant que la pensée ne l’intériorise avec l’avènement du savoir scientifique et en devenant elle-même rationnelle. Ce que l’on a appelé ‚progrès de la conscience‘ dans la philosophie et dans l’histoire répond à ce procès d’intériorisation d’une rationalité préexistante sous deux formes: l’une immanente à l’univers, sans laquelle la pensée ne parviendrait pas à rejoindre les choses et aucune science ne serait possible; et, incluse dans cet univers, une pensée objective qui fonctionne de manière autonome et rationnelle avant même de subjectiver cette rationalité ambiante, et de se l’asservir pour la domestiquer.“ (MIV / frz: 614.)

(11) Fußnote 21; Lévi-Strauss (StAII: 35 f. und 38 / AStII: 36 und 39) „Dans la préface de la seconde édition des Règles de la méthode sociologique, Durkheim se défend contre l’accusation d’avoir abusivement séparé le collectif de l’individuel. Cette séparation, dit-il, est nécessaire, mais il n’exclut pas qu’à l’avenir ‚on en vienne à concevoir la possibilité d’une psychologie toute formelle, qui serait une sorte de terrain commun à la psychologie individuelle et à la sociologie … Ce qu’il faudrait – poursuit Durkheim – c’est chercher, par la comparaison des thèmes mythiques, des légendes et des traditions populaires, des langues, de quelle façon les représentations sociales s’appellent et s’excluent, fusionnent les unes dans les autres ou se distinguent …‘. Cette recherche, remarque-t-il en terminant, ressortit plutôt à la logique abstraite. Il est curieux de noter combien proche Lévy-Bruhl eût été de ce programme, s’il n’avait pas d’abord choisi de reléguer les représentations mythiques dans l’antichambre de la logique, et s’il n’avait rendu la séparation irrémédiable lorsqu’il renonça plus tard à la notion de pensée prélogique; mais seulement, pour vider, comme disent les Anglais, le bébé avec l’eau du bain: déniant à la ‚mentalité primitive‘ le caractère cognitif qu’il lui concédait au début, et la rejetant tout entière au sein de l’affectivité.“ (AStII: 35 f.) „Les ethnologues de ma génération sont confondus par la répulsion qu’inspiraient à Frazer des recherches auxquelles il avait consacré sa vie: ‚chronique tragique, écrivait-il, des erreurs de l’homme: folies, vains efforts, temps perdu, espérances frustrées‘. A peine sommes-nous moins surpris d’apprendre, par les Carnets, comment un Lévy-Bruhl considérait les mythes, qui, selon lui, ‚n’ont plus sur nous aucune action … récits … étranges, pour ne pas dire absurdes et incompréhensibles … il nous faut un effort pour y prendre un intérêt …‘ Certes, nous avons acquis une connaissance directe des formes de vie et de pensée exotiques, qui faisait défaut à nos devanciers; mais n’est-ce pas aussi que le surréalisme – c’est-à-dire un développement intérieur à notre société – a transformé notre sensibilité, et que nous lui sommes redevables d’avoir, au cœur de nos études, découvert ou redécouvert un lyrisme et une probité?“ (AStII: 39.)

(12) Fußnote 22; Lévi-Strauss (Daixdt: 90 / Daixfrz: 3 sowie MB: 23 f. / MM: 11) „[…] il n’était pas possible, dis-je, que les hommes aient passé leur temps à raconter des absurdités. J’ai pensé qu[’; H.M.S.] il devait y avoir un ordre et une raison, et c’est dans cet esprit que je me suis attaqué au problème.“ (Daixfrz: 3.) „Since I was a child, I have been bothered by, let’s call it the irrational, and have been trying to find an order behind what is given to us as a disorder. It so happened that I became an anthropologist, as a matter of fact not because I was interested in anthropology, but because I was trying to get out of philosophy. It also so happened

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that in the French academic framework, where anthropology was at the time not taught as a discipline in its own right in the universities, it was possible for somebody trained in philosophy and teaching philosophy to escape to anthropology. I escaped there, and was confronted immediately by one problem – there were lots of rules of marriage all over the world which looked absolutely meaningless, and it was all the more irritating because, if they were meaningless, then there should be different rules for each people, though nevertheless the number of rules could be more or less finite. So, if the same absurdity was found to reappear over and over again, and another kind of absurdity also to reappear, then this was something which was not absolutely absurd; otherwise it would not reappear. Such was my first orientation, to try to find an order behind this apparent disorder. And when after working on the kinship systems and marriage rules, I turned my attention, also by chance and not at all on purpose, toward mythology, the problem was exactly the same.“ (MM: 11.)

(13) Fußnote 22; Lévi-Strauss (Eribondt: 205 / Eribonfrz: 197) „[…] en présence d’un chaos de pratiques sociales ou de représentations religieuses, continuerons-nous à chercher des explications partielles, différentes pour chaque cas considéré? Ou bien essaierons-nous de découvrir un ordre sous-jacent, une structure profonde par l’effet de laquelle on puisse rendre compte de cette diversité apparente, en un mot, vaincre l’incohérence?“ (Eribonfrz: 197.)

(14) Fußnote 24; Lévi-Strauss (MB: 25 / MM: 13) „To speak of rules and to speak of meaning is to speak of the same thing; and if we look at all the intellectual undertakings of mankind, as far as they have been recorded all over the world, the common denominator is always to introduce some kind of order. If this represents a basic need for order in the human mind and since, after all, the human mind is only part of the universe, the need probably exists because there is some order in the universe and the universe is not a chaos.“ (MM: 12 f.)

Betreffend Seite 44: (15) Fußnote 29; Lévi-Strauss (BF: 182 / RE: 162) „Loin de voir dans la structure un pur produit de l’activité mentale, on reconnaîtra que les organes des sens ont déjà une activité structurale et que tout ce qui existe en dehors de nous, les atomes, les molécules, les cellules et les organismes eux-mêmes, possèdent des caractères analogues. […] Quand l’esprit se saisit de données empiriques préalablement traitées par les organes des sens, il continue à travailler structuralement, pour ainsi dire, une matière qu’il reçoit déjà structurée. Il ne pourrait le faire si l’esprit, le corps auquel l’esprit appartient, et les choses que le corps et l’esprit perçoivent, n’étaient partie intégrante d’une seule et même réalité.“ (RE: 162 f.)

(16) Fußnote 29; Lévi-Strauss (BF: 182 ff. / RE: 162 ff.; außerdem BellourII / dt: 217 / BellourII / frz: 422 sowie Pouillondt: 110 / Pouillonfrz: 15; schließlich MIV / dt: 811 / MIV / frz: 616 sowie ebd. / ebd.: passim) „On reproche parfois aux structuralistes de jouer avec des abstractions sans prise sur le réel. J’ai tenté de montrer que loin d’être un amusement pour dilettantes et esthètes, l’analyse structurale ne se met en marche dans l’esprit que parce que son modèle est déjà dans le corps. La perception visuelle repose au départ sur des opposi-

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tions binaires, et les neurologues accepteraient probablement d’étendre cette affirmation à d’autres secteurs de l’activité cérébrale. Par des voies jugées à tort hyperintellectuelles, le structuralisme redécouvre et amène à la conscience des vérités plus profondes que le corps énonce déjà obscurément; il réconcilie le physique et le moral, la nature et l’homme, le monde et l’esprit, et tend vers la seule forme de matérialisme compatible avec les orientations actuelles du savoir scientifique. Rien ne peut être plus loin de Hegel; et même de Descartes, dont nous voudrions surmonter le dualisme tout en restant fidèles à sa foi rationaliste.“ (RE: 165.) „[…] pour autant que la science existe et qu’elle a une certaine importance – non par ses applications dont nous commençons à avoir moins à attendre qu’à redouter, mais parce qu’elle fait comprendre –, elle nous enseigne que l’univers est composé de molécules et d’atomes, approximations sans doute, mais d’arrangements structuraux. Ce que nous nommons désir, production, pulsion, affect, que sais-je encore, n’est que la manière confuse et obscure dont nous ressentons les effets de déséquilibres complexes tardivement apparus avec la vie elle-même, entre ces arrangements structuraux. Dire alors que ‚le fait de la structure est premier‘3 signifiera que la vie, et la pensée qui n’en est qu’une manifestation, relayent, compliquent et développent ces arrangements structuraux qui les sous-tendent. Des particules élémentaires au code génétique, du code génétique au langage et aux opérations de l’entendement, nous sommes confrontés à des structures.“ (BellourII / frz: 422.) „[…] l’analyse structurale ne peut émerger dans l’esprit que parce que son modèle est déjà dans le corps, dans la nature.“ (Pouillonfrz: 15.) „Au contraire d’une philosophie qui confine la dialectique à l’histoire humaine et l’interdit de séjour dans l’ordre naturel, le structuralisme admet volontiers que les idées qu’il formule en termes psychologiques puissent n’être que des approximations tâtonnantes de vérités organiques et même physiques.“ (MIV / frz: 616.)

Betreffend Seite 45: (17) Haupttext; Zitation und Text vor Fußnotennummer 35 (… ‚den‘ oder ‚die Philosophen‘); Lévi-Strauss (MIV: Finale, passim) [Vgl. hierzu etwa die unten, unter den Nummern (21), (22), (37) und (153) angeführten Originalzitationen.]

(18) Fußnote 33; Lévi-Strauss (StAI: 307 / AStI: 311) „Le structuraliste a pour tâche d’identifier et d’isoler les niveaux de réalité qui ont une valeur stratégique du point de vue où il se place […].“ (AStI: 311.)

(19) Fußnote 33; Lévi-Strauss (Eramodt: 273 / Eramoit: 124) „Il lavoro strutturalista consiste nell’ identificare i livelli strutturabili e lavorarci sopra perché solo lì si può progredire.“ (Eramoit: 124.)

(20) Fußnote 34; Lévi-Strauss (StAI: 32 ff. / AStI: 25 ff. sowie 303 ff. / 308 ff.) „Que l’ethnologie tire son originalité de la nature inconsciente des phénomènes collectifs, résultait déjà, bien que de façon encore confuse et équivoque, d’une formule

___________ 3 Lévi-Strauss nimmt hier Bezug auf eine Äußerung in ‚L’homme nu‘ (vgl. MIV / frz: 561). Siehe dazu auch die unten, unter Nummer (45) angeführte Originalzitation.

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de Tylor. Après avoir défini l’ethnologie comme l’étude ‚de la culture ou civilisation‘, il décrivait celle-ci comme un ensemble complexe où se rangent ‚les connaissances, croyances, art, morale, droit, coutumes, et toutes autres aptitudes ou habitudes acquises par l’homme en tant que membre de la société4‘. Or, on sait que, chez la plupart des peuples primitifs, il est très difficile d’obtenir une justification morale, ou une explication rationnelle, d’une coutume ou d’une institution: l’indigène interrogé se contente de répondre que les choses ont toujours été ainsi, que tel fut l’ordre des dieux, ou l’enseignement des ancêtres. Même quand on rencontre des interprétations, celles-ci ont toujours le caractère de rationalisations ou d’élaborations secondaires: il n’y a guère de doute que les raisons inconscientes pour lesquelles on pratique une coutume, on partage une croyance, sont fort éloignées de celles qu’on invoque pour la justifier.“ (AStI: 25.)

Betreffend Seite 46: (21) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 37 (… deren Weigerung und Unfähigkeit); Lévi-Strauss (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 572) „Mais les philosophes se soucient peu des problèmes concrets devant lesquels l’ethnographie elle-même a si longtemps piétiné qu’elle avait pratiquement renoncé à les résoudre, problèmes retrouvés les uns après les autres à chaque tournant de mes analyses, qui en ont fait apparaître des solutions aussi simples qu’inattendues. Incapables par ignorance de reconnaître ces problèmes et de les apprécier, les philosophes ont préféré adopter une attitude dont les mobiles réels sont beaucoup plus troubles que s’ils tenaient au seul manque d’information. Ce que, sans en avoir pleinement conscience, ils me reprochent, c’est que ce surcroît de sens que je fais sortir des mythes n’est pas celui qu’ils auraient souhaité y trouver. Ils refusent de reconnaître et d’admettre que cette grande voix anonyme qui profère un discours venu du fond des âges, issu du tréfonds de l’esprit, puisse les laisser sourds, tant il leur est insupportable que ce discours dise tout autre chose que ce que, d’avance, ils avaient décidé qu’il dirait. A me lire, ils éprouvent une sorte de déception, presque de la rancune, de figurer en tiers dans un dialogue plus riche de sens qu’aucun jusqu’à présent noué avec les mythes, mais qui n’a pas besoin d’eux, et auquel ils n’ont rien à contribuer.“ (MIV / frz: 572.)

(22) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 38); Lévi-Strauss (Ebd.: 748 / Ebd.: 571) „Libre […] au philosophe d’occuper l’étage jugé par eux seul honorable et de s’y barricader, mais qu’ils ne prétendent pas y enfermer tout le monde avec eux et interdire, pour s’attaquer à des problèmes distincts des leurs, d’agir sur la tourelle du microscope, changer le grossissement, et faire ainsi apparaître un objet autre derrière celui dont l’exclusive contemplation les ravit.“ (MIV / frz: 571.)

(23) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 40); Lévi-Strauss (Eribondt: 238 / Eribonfrz: 227) ___________ 4 Fußnotenverweis Lévi-Strauss’ auf E. B. Tylor (‚Primitive Culture‘, Londres, 1871, vol. I, p. 1).

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„[…] je conçois très bien qu’on ait d’autres intérêts que les miens. La description, l’analyse peuvent se faire à plusieurs niveaux que je tiens tous pour légitimes. Ce qui me semble insupportable dans cette querelle du ‚sujet‘, c’est l’intolérance des fidèles d’une tradition philosophique qui remonte à Descartes. Tout commence par le sujet, il n’y a que le sujet, etc. J’ai voulu prendre les choses sous un autre angle, et je n’admets pas qu’on m’en conteste le droit.“ (Eribonfrz: 227.)

Betreffend Seite 47: (24) Fußnote 41; Lévi-Strauss (Eribondt: 150 / Eribonfrz: 143 f.) „Je n’ai jamais prétendu qu’on peut réduire la totalité des expériences humaines à des modèles mathématiques. Jamais ne m’est venue l’idée – qui me paraîtrait extravagante – que tout, dans la vie sociale, soit justiciable de l’analyse structurale. Il me semble au contraire que la vie sociale et la réalité empirique qui l’englobe sont, à l’échelle humaine, du domaine de l’aléatoire (raison pour laquelle je m’incline devant l’histoire qui nous confronte à une contingence irréductible). Je pense simplement que dans cette vaste soupe empirique, si vous me passez l’expression, où le désordre règne, se forment ça et là des îlots d’organisation. Mon histoire personnelle, mes choix scientifiques, ont fait que je m’intéresse à eux plutôt qu’au reste. Je ne nie pas pour autant l’existence d’autres aspects, et l’intérêt légitime que d’autres peuvent y prendre. J’ai choisi pour ma part de me concentrer sur des domaines, même très petits, dans l’étude desquels il est possible d’introduire un peu de rigueur, tout en sachant que ce sont lá des cas privilégiés. Je sais aussi que ce genre d’approche, que je pratique, n’épuise pas la totalité des phénomènes; pas plus qu’un modèle logico-mathématique élaboré, par exemple, pour expliquer une conjoncture météorologique ne rendra compte de l’émotion esthétique provoquée par un coucher de soleil. Si on veut la décrire et l’analyser, il faudra l’aborder sous un autre angle, et recourir à d’autres modes de compréhension.“ (Eribonfrz: 143 f.)

Betreffend Seite 48: (25) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 44); Lévi-Strauss (Eramodt: 262 f. / Eramoit: 121) „[…] Quel che bisogna ‚non‘ fare è immaginarsi che esista un certo livello di osservazione che goda di un privilegio assoluto a spese di tutti gli altri livelli di osservazione. […]. […] il problema è sapere qual è il livello di osservazione più redditizio a un momento dato.“ (Eramoit: 121.)

(26) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 46); Lévi-Strauss (Eramodt: 263 / Eramoit: 121) „Ci si è occupati molto del Soggetto per secoli e per millenni e non è risultato gran che dal punto di vista della conoscenza dell’uomo. Allora dico che bisogna guardare ad altri livelli e che coloro che guardano a questi livelli hanno perfettamente il diritto di farlo […].“ (Eramoit: 121.)

(27) Drittes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 49); Lévi-Strauss (Eramodt: 263 / Eramoit: 121)

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„Io non accuso chi continua ad occuparsi del Soggetto. […]. La scienza progredisce solo dalla giustapposizione e dalla collaborazione di una molteplicià di livelli.“ (Eramoit: 121.)

Betreffend Seite 49: (28) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 51); Lévi-Strauss (MIV / dt: 732 / MIV / frz: 559) „Au long de ces pages, le nous dont l’auteur n’a pas voulu se départir n’était pas seulement ‚de modestie‘. Il traduisait aussi le souci plus profond de ramener le sujet à ce que, dans une telle entreprise, il devait essayer d’être pour autant qu’il ne le soit pas toujours et partout: le lieu insubstantiel offert à une pensée anonyme afin qu’elle s’y déploie, prenne ses distances vis-à-vis d’elle-même, retrouve et réalise ses dispositions véritables et s’organise eu égard aux contraintes inhérentes à sa seule nature.“ (MIV / frz: 559.)

(29) Fußnote 51; Lévi-Strauss (MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (37) angeführte Originalzitation.]

(30) Fußnote 51; Lévi-Strauss (ebd.: 732 / ebd.: 559) „S’il est, en effet, une expérience intime dont vingt années vouées à l’étude des mythes – ces tomes n’embrassant que les huit dernières – ont pénétré celui qui écrit ces lignes, elle réside en ceci que la consistance du moi, souci majeur de toute la philosophie occidentale, ne résiste pas à son application continue au même objet qui l’envahit tout entier et l’imprègne du sentiment vécu de son irréalité. Car ce peu de réalité à quoi il ose encore prétendre est celle d’une singularité, au sens que les astronomes donnent à ce terme: lieu d’un espace, moment d’un temps relatifs l’un par rapport à l’autre, où se sont passés, se passent ou se passeront des événements dont la densité, elle aussi relative par rapport à d’autres événements non moins réels mais plus dispersés, permet approximativement de le circonscrire, pour autant que ce nœud d’événements écoulés, actuels ou probables n’existe pas comme substrat, mais en ceci seulement qu’il s’y passe des choses et bien que ces choses elles-mêmes, qui s’y entrecroisent, surgissent d’innombrables ailleurs et le plus souvent on ne sait d’où …“ (MIV / frz: 559.)

(31) Fußnote 51; Lévi-Strauss (BF: 355 / RE: 327 sowie MIV / dt: 738 / MIV / frz: 563) „S’il est un temps où le moi puisse réapparaître, c’est seulement celui où, ayant achevé son ouvrage qui l’excluait de bout en bout (puisqu’à l’inverse de ce qu’on pourrait croire, il en était moins l’auteur que l’ouvrage lui-même, durant qu’il s’écrivait, ne devenait l’auteur d’un exécutant qui ne vivait plus que par lui), il peut et doit en prendre une vue d’ensemble, comme feront ceux qui le liront sans se trouver dans le cas hasardeux d’avoir été poussés à l’écrire.“ (MIV / frz: 563.)

(32) Fußnote 51; Lévi-Strauss (WD: 286 f. / PS: 329) „Qui commence par s’installer dans les prétendues évidences du moi n’en sort plus. La connaissance des hommes semble parfois plus facile à ceux qui se laissent prendre au piège de l’identité personnelle. Mais ils se ferment ainsi la porte de la connaissance de l’homme […].“ (PS: 329.)

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(33) Fußnote 51; Lévi-Strauss (MB: 15 / MM: 4) „Each of us is a kind of crossroads where things happen. The crossroads is purely passive; something happens there. A different thing, equally valid, happens elsewhere. There is no choice, it is just a matter of chance.“ (MM: 4.)

Betreffend Seite 50: (34) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 55 (… „Nichts liegt da ferner als Hegel […].“); Lévi-Strauss (BF: 184 / RE: 165) [Vgl. hierzu erneut die erste der oben, unter Nummer (16) angeführten Originalzitationen.]

(35) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 58); Lévi-Strauss (MIV / dt: 737 / MIV / frz: 563) „Il ne peut […] s’agir, sous ces nouvelles couleurs, de réintroduire subrepticement le sujet. Nous n’éprouverions nulle indulgence envers cette imposture qui substituerait la main gauche à la main droite, pour rendre par dessous la table à la pire philosophie ce qu’on aurait affirmé lui avoir retiré par dessus […].“ (MIV / frz: 563.)

(36) Fußnote 55; Lévi-Strauss (ebd.: 163 / ebd.: 146) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (77) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 52: (37) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 64 (… „wahre epistemologische Perversion“); Lévi-Strauss (MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614) „[…] on perçoit […] les raisons profondes de cette véritable perversion épistémologique à quoi le renversement de perspective qu’ils prônent entraîne les philosophes: méconnaissant les premiers devoirs de l’homme d’étude, qui sont d’expliquer ce qui peut l’être et de réserver provisoirement le reste, les philosophes se préoccupent surtout d’aménager un refuge où l’identité personnelle, pauvre trésor, soit protégée. Et comme les deux choses sont impossibles à la fois, ils préfèrent un sujet sans rationalité à une rationalité sans sujet.“ (MIV / frz: 614.)

(38) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 65 (… „Umkehrung der Perspektive“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (37) angeführte Originalzitation.]

(39) Fußnote 66; Lévi-Strauss (MIV / dt: 737 / MIV / frz: 563) „[…] cette prise de conscience demeure d’ordre intellectuel, c’est-à-dire qu’elle ne diffère pas substantiellement des réalités auxquelles elle s’applique, qu’elle est ces réalités mêmes accédant à leur propre vérité.“ (MIV / frz: 563.)

(40) Fußnote 66; Lévi-Strauss (MIV / dt: 807 / MIV / frz: 614) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (37) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 53: (41) Fußnote 69; Lévi-Strauss (Eribondt: 238 / Eribonfrz: 227), (ebd. / ebd.) und (Ebd. / Ebd.) [Eribon:] „A l’époque, vous récusiez la philosophie traditionnelle avec plus de vigueur.“ [Lévi-Strauss:] „Parce qu’elle prétendait à l’exclusivité. Il fallait se battre pour lui disputer une place au soleil. Qu’elle consente à n’être qu’une approche parmi d’autres, et le conflit disparaît.“ (Eribonfrz: 227.)

Betreffend Seite 55: (42) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 80 (… „nie etwas anderes gewollt, als ein Werk der Erkenntnis zu leisten, d. h. Bewußtsein zu erlangen.“); Lévi-Strauss (MIV / dt: 737 / MIV / frz: 562) „[…] nous n’avons jamais songé faire autre chose qu’ œuvre de connaissance, c’està-dire prendre conscience.“ (MIV / frz: 562.)

(43) Fußnote 73; Heraklit ([Diels / Kranz] Fragmente: 22 B 53 [44]) „Пόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι, πάντων δὲ βασιλεύς, καὶ τοὺς μὲν θεοὺς ἔδειξε τοὺς δὲ ἀνθρώπους, τοὺς μὲν δούλους ἐποίησε τοὺς δὲ ἐλευθέρους.“ (Heraklit [Diels / Kranz] Fragmente: 22 B 53 [44].)

(44) Fußnote 75; Lévi-Strauss (MI / dt: 25 f. / MI / frz: 20) und (ebd.: 26 / ebd.) „L’analyse mythique n’a pas et ne peut avoir pour objet de montrer comment pensent des hommes.“ (MI / frz: 20.) „Nous ne prétendons donc pas montrer comment les hommes pensent dans les mythes, mais comment les mythes se pensent dans les hommes, et à leur insu.“ (MI / frz: 20.)

(45) Fußnote 78; Lévi-Strauss (MIV / dt: 734 / MIV / frz: 561) „[…] le fait de la structure est premier.“ (MIV / frz: 561.)

Betreffend Seite 56: (46) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 82); Lévi-Strauss (MI / dt: 24 / MI / frz: 18 f.) „L’ethnologue ne se sent pas obligé, comme le philosophe, à prendre pour principe de réflexion les conditions d’exercice de sa propre pensée […].“ (MI / frz: 18 f.)

(47) Fußnote 81; Lévi-Strauss (MI / dt: 25 / MI / frz: 19) „Sans exclure que les sujets parlants, qui produisent et transmettent les mythes, puissent prendre conscience de leur structure et de leur mode d’opération, ce ne saurait être de façon normale, mais partiellement et par intermittence.“ (MI / frz: 19.)

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(48) Fußnote 83; Lévi-Strauss (MIV / dt: 735 / MIV / frz: 561) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (346) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 57: (49) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 88 (… „la conscience du moi“); Frank (1983: 73) „[…] scheint das Denken von Lévi-Strauss wenig Aussicht auf eine Überwindung der Metaphysik und ihres zentralen Operators, des Subjekt-Begriffs, zu bieten, um die es ihm doch augenscheinlich selbst zu tun ist. Schließlich gibt er zu Protokoll, in 20jährigem Mythenstudium habe sich ihm die Erfahrung befestigt, daß la conscience du moi, souci majeur de toute la philosophie occidentale, ne résiste pas à son application continue au même objet qui l’envahit tout entier et l’imprègne du sentiment vécu de son irréalité. Car ce peu de réalité à quoi il ose encore prétendre est celle d’une singularité, au sens que les astronomes donnent à ce terme (IV. 2, 559).“

(50) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 89 (… „la consistance du moi“); Lévi-Strauss (MIV / frz: 559) „S’il est, en effet, une expérience intime dont vingt années vouées à l’étude des mythes – ces tomes n’embrassant que les huit dernières – ont pénétré celui qui écrit ces lignes, elle réside en ceci que la consistance du moi, souci majeur de toute la philosophie occidentale, ne résiste pas à son application continue au même objet qui l’envahit tout entier et l’imprègne du sentiment vécu de son irréalité. Car ce peu de réalité à quoi il ose encore prétendre est celle d’une singularité, au sens que les astronomes donnent à ce terme: […].“ (MIV / frz: 559.)

(51) Fußnote 85 b; Lévi-Strauss (MB: 15 / MM: 3) „I never had, and still do not have, the perception of feeling my personal identity. I appear to myself as the place where something is going on, but there is no ‚I‘, no ‚me‘.“ (MM: 3 f.)

(52) Fußnote 85 c; Lévi-Strauss (BF: 184 f. / RE: 165) [Vgl. hierzu erneut die erste der oben, unter Nummer (16) angeführten Originalzitationen.]

Betreffend Seite 58: (53) Fußnote 101; Lévi-Strauss (BellourII 364 f. bzw. 392)

/ dt:

170 sowie 193 / BellourII

/ frz:

„Les physiciens, les biologistes sont, à une époque déterminée, d’accord sur le plan de référence où il convient de se situer pour travailler utilement. Dans les sciences humaines, ce plan de référence reste au contraire débattu.“ (BellourII / frz: 364 f.) „Des biologistes ou des physiciens peuvent parvenir à un consensus sur le niveau de référence où, à une certaine étape du développement de leur science, il convient de se

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placer, alors que notre niveau de référence est toujours en question. Il n’y a aucun accord entre nous là-dessus. Nous oscillons, si l’on peut dire, comme des ludions, entre les divers niveaux de référence possibles.“ (BellourII / frz: 392)

Betreffend Seite 62: (54) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 120); Lévi-Strauss (Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224) „En même temps, il m’apparaît que chaque problème résolu ou que nous croyons l’être en fait surgir de nouveaux, et ainsi de suite indéfiniment; de sorte que nous nous pénétrons chaque jour davantage de la certitude que notre capacité de penser est et restera toujours inadéquate au réel, que la nature profonde de celui-ci échappe à tout effort de représentation.“ (Eribonfrz: 224.)

(55) Fußnote 121; Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) „C’est Kant qui nous l’a d’abord appris.“ (Eribonfrz: 224.)

(56) Fußnote 121; Lévi-Strauss (MIV / dt: 809 / MIV / frz: 615) „[…] intuition confuse que la coupure entre le monde et l’esprit, la causalité et la finalité, correspondent non à la réalité des choses, mais à une limite vers quoi tend une connaissance dont les moyens intellectuels et spirituels ne seront jamais commensurables à la taille et à l’essence de ses objets.“ (MIV / frz: 615.)

(57) Fußnote 122; Lévi-Strauss (Eribondt: 235 f. / Eribonfrz: 224) „[…] si la connaissance scientifique nous ouvre sur l’immensément grand et l’immensément petit des vues bien plus vertigineuses que ne l’imaginait Pascal, elle nous démontre notre insignifiance.“ (Eribonfrz: 224.)

(58) Fußnote 122; Lévi-Strauss (TT: 411 / TrTr: 478 oder MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621) [Vgl. zu TT: 411 / TrTr: 478 die erste der unten, unter Nummer (374) angeführten Originalzitationen.] „L’opposition fondamentale, génératrice de toutes les autres qui foisonnent dans les mythes et dont ces quatre tomes ont dressé l’inventaire, est celle même qu’énonce Hamlet sous la forme d’une encore trop crédule alternative. Car entre l’être et le nonêtre, il n’appartient pas à l’homme de choisir. Un effort mental consubstantiel à son histoire, et qui ne cessera qu’avec son effacement de la scène de l’univers, lui impose d’assumer les deux évidences contradictoires dont le heurt met sa pensée en branle et, pour neutraliser leur opposition, engendre une série illimitée d’autres distinctions binaires qui, sans jamais résoudre cette antinomie première, ne font, à des échelles de plus en plus réduites, que la reproduire et la perpétuer: réalité de l’être, que l’homme éprouve au plus profond de lui-même comme seule capable de donner raison et sens à ses gestes quotidiens, à sa vie morale et sentimentale, à ses choix politiques, à son engagement dans le monde social et naturel, à ses entreprises pratiques et à ses conquêtes scientifiques; mais en même temps, réalité du non-être dont l’intuition accompagne indissolublement l’autre puisqu’il incombe à l’homme de vivre et lutter, penser et croire, garder surtout courage, sans que jamais le quitte la certitude adverse qu’il n’était pas présent autrefois sur la terre et qu’il ne le sera pas toujours, et qu’avec

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sa disparition inéluctable de la surface d’une planète elle aussi vouée à la mort, ses labeurs, ses peines, ses joies, ses espoirs et ses œuvres deviendront comme s’ils n’avaient pas existé, nulle conscience n’étant plus là pour préserver fût-ce le souvenir de ces mouvements éphémères sauf, par quelques traits vite effacés d’un monde au visage désormais impassible, le constat abrogé qu’ils eurent lieu c’est-à-dire rien.“ (MIV / frz: 621.)

(59) Fußnote 122; Lévi-Strauss (BellourII / dt: 218 / BellourII / frz: 423) „[…] dans les domaines beaucoup plus restreints où nous nous cantonnons, nous aussi ne pouvons prétendre qu’à faire un tout petit peu, chaque fois, reculer la frontière; c’est-à-dire faire entrer dans le cadre d’une interprétation structurale ce qui demeurait en deçà et ainsi de suite, sans qu’il soit possible ou même concevable – me permettrez-vous d’ajouter: heureusement? – que l’entreprise atteigne jamais son terme.“ (BellourII / frz: 423.)

(60) Fußnote 122; Lévi-Strauss (StAII: Kapitel II, 307 f. und 360 / AStII: Chapitre II, 322 und 374 f.; Quénétainfrz: 53; MIII / dt: 546 / MIII / frz: 422; BF: 36 f., 49 f. und Kapitel zweiundzwanzig / RE: 34 f., 45 f. und Chapitre XXII; Spiegel: 94; Benoistdt: 245 ff. / Benoistfrz: 14; Eramodt: 261 f. / Eramoit: 120 f.; Eribondt: 237 und 253 f. / Eribonfrz: 225 f. und 241) „Ce n’est pas l’homme seul qui est respectable, mais la vie sous toutes ses formes.“ (Quénétainfrz: 53.) „Quand ils proclament […] que ‚l’enfer, c’est nous-même‘, les peuples sauvages donnent une leçon de modestie qu’on voudrait croire que nous sommes encore capables d’entendre. En ce siècle où l’homme s’acharne à détruire d’innombrables formes vivantes, après tant de sociétés dont la richesse et la diversité constituaient de temps immémorial le plus clair de son patrimoine, jamais, sans doute, il n’a été plus nécessaire de dire, comme font les mythes, qu’un humanisme bien ordonné ne commence pas par soi-même, mais place le monde avant la vie, la vie avant l’homme, le respect des autres êtres avant l’amour-propre; et que même un séjour d’un ou deux millions d’années sur cette terre, puisque de toute façon il connaîtra un terme, ne saurait servir d’excuse à une espèce quelconque, fût-ce la nôtre, pour se l’approprier comme une chose et s’y conduire sans pudeur ni discrétion.“ (MIII / frz: 422.) „Qu’une plante soit tenue pour un être respectable qu’on ne cueille pas sans motif légitime, et sans avoir au préalable apaisé son esprit par des offrandes; que les animaux qu’on chasse pour se nourrir soient placés, selon l’espèce, sous la protection d’autant de maîtres surnaturels qui punissent les chasseurs coupables d’abus en raison de prélèvements excessifs ou parce qu’ils n’épargnent pas les femelles et les jeunes; que règne, enfin, l’idée que les hommes, les animaux et les plantes disposent d’un capital commun de vie, de sorte que tout abus commis aux dépens d’une espèce se traduit nécessairement, dans la philosophie indigène, par une diminution de l’espérance de vie des hommes eux-mêmes, ce sont là autant de témoignages peutêtre naïfs, mais combien efficaces, d’un humanisme sagement conçu qui ne commence pas par soi-même, mais fait à l’homme une place raisonnable dans la nature au lieu qu’il s’en institue le maître et la saccage, sans même avoir égard aux besoins et aux intérêts les plus évidents de ceux qui viendront après lui.“ (RE: 34 f.)

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Betreffend Seite 63: (61) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 125); Lévi-Strauss (Eribondt: 159 / Eribonfrz: 152) „Que l’esprit a ses contraintes, qu’il les impose à un réel à jamais impénétrable, et qu’il ne le saisit qu’à travers elles.“ (Eribonfrz: 152.)

(62) Fußnote 122; Lévi-Strauss (MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621) und (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (58) angeführte Originalzitation.]

(63) Fußnote 122; Lévi-Strauss (MIV / dt: 817 / MIV / frz: 621 bzw. Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224) [Eribon:] „Terminer une série de livres comme les Mythologiques par ce constat désabusé que, des entreprises des hommes, il ne reste ‚rien‘, c’est presque afficher un credo philosophique. On a voulu voir parfois dans ce ‚rien‘ l’expression de votre philosophie profonde.“ [Lévi-Strauss:] „Je n’ai pas dit cela. J’ai dit que l’homme devait vivre, travailler, penser, garder courage, tout en sachant qu’il ne serait pas toujours présent sur la terre, que cette terre cessera un jour d’exister, et qu’alors, de toutes les œuvres des hommes, il ne restera rien. Ce n’est pas du tout la même chose.“ (Eribonfrz: 223 f.)

Betreffend Seite 65: (64) Haupttext; Begrifflichkeit und Zitation vor Fußnotennummer 140 (… ‚freigelegte‘ „Netz von fundamentalen und gemeinsamen Zwängen“); LéviStrauss (MI / dt: 24 / MI / frz: 19) „A l’hypothèse d’un entendement universel, il [l’ethnologue; H.M.S.] préfère l’observation empirique d’entendements collectifs dont les propriétés, en quelque sorte solidifiées, lui sont rendues manifestes par d’innombrables systèmes concrets de représentations. Et puisque pour lui, homme d’un milieu social, d’une culture, d’une région et d’une période de l’histoire, ces systèmes représentent toute la gamme des variations possibles au sein d’un genre, il choisit ceux dont la divergence lui semble la plus accusée, dans l’espoir que les règles de méthode qui s’imposeront à lui pour traduire ces systèmes dans les termes du sein propre et réciproquement, mettront à nu un réseau de contraintes fondamentales et communes […].“ (MI / frz: 19.)

(65) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 141 (… ‚kategoriales System‘); Ricœur (1969 b / 1973 b: 44 bzw. 1963: 10) „[…] les lois linguistiques désignent un niveau inconscient et en ce sens non-réflexif, non-historique de l’esprit; cet inconscient n’est pas l’inconscient freudien de la pulsion, du désir, dans sa puissance de symbolisation, c’est plutôt un inconscient kantien que freudien, un inconscient catégoriel, combinatoire; c’est un ordre fini ou le finitisme de l’ordre, mais tel qu’il s’ignore. Je dis inconscient kantien, mais par égard seulement pour son organisation, car il s’agit bien plutôt d’un système catégoriel sans référence à un sujet pensant […].“ (Ricœur 1963: 9 f.)

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(66) Haupttext; Text um Fußnotennummer 142 (… im Kantschen Sinne …); Lévi-Strauss (Ricœur et al.dt: 117 / Ricœur et al.frz: 633) „Je me sens également en accord complet avec M. Ricœur quand il définit – sans doute pour la critiquer –, ma position comme ‚un kantisme sans sujet transcendantal‘. Cette déficience lui inspire des réserves, tandis que rien ne me gêne pour accepter sa formule.“ (Ricœur et al.frz: 633.) [Vgl. hierzu auch die unten, unter Nummer (113) angeführte Originalzitation.]

(67) Untertext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 143 (… ‚Die Verallgemeinerung begründet den Vergleich‘ …); Lévi-Strauss (StAI: 35 / AStI: 28) „En ethnologie comme en linguistique, par conséquent, ce n’est pas la comparaison qui fonde la généralisation, mais le contraire.“ (AStI: 28.)

(68) Untertext; Text und Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 145 (… wie an das Allgemeine ‚heranzukommen‘ sei.); Lévi-Strauss (StAI: 35 / AStI: 28) „Comment parvenir à cette structure inconsciente?“ (AStI: 28.)

(69) Fußnote 143 a; Lévi-Strauss (MII / dt: 514 / MII / frz: 401 und Eribondt: 187 / Eribonfrz: 179) „Quant à la méthode comparative, elle ne consiste pas, je l’ai souvent dit, à comparer d’abord et à généraliser ensuite. Contrairement à ce qu’on croit souvent, c’est la généralisation qui fonde et rend possible la comparaison.“ (Eribonfrz: 179.)

(70) Fußnote 143 b; Lévi-Strauss (BF: 67 / RE: 61) „Par des pointages portant sur plusieurs centaines de populations, les ethnologues – surtout américains – ont considérablement enrichi l’inventaire et proposé une liste de traits universels: classes d’âge, sports athlétiques, parures, calendrier, apprentissage de la propreté corporelle, organisation collective, cuisine, travail coopératif, cosmologie, galanterie, danse, art décoratif, etc. Outre la cocasserie du répertoire alphabétique, ces dénominateurs communs ne sont que des catégories vagues et sans signification. Tel qu’il se pose aujourd’hui aux ethnologues, le problème de la culture, donc de la condition humaine, consiste à découvrir des lois d’ordre, sous-jacentes à la diversité observable des croyances et des institutions.“ (RE: 61.)

(71) Fußnote 143 b; Murdock (1945: 124) „Early reports of peoples lacking language or fire, morals or religion, marriage or government, have been proved erroneous in every instance. Nevertheless, even today it is not generally recognized how numerous and diverse are the elements common to all known cultures. The following is a partial list of items, arranged in alphabetical order to emphasize their variety, which occur, so far as the author’s knowledge goes, in every culture known to history or ethnography: age-grading, athletic sports, bodily adornment, calendar, cleanliness training, community organization, cooking, coöperative labor, cosmology, courtship, dancing, decorative art, divination, division of labor, dream interpretation, education, eschatology, ethics, ethnobotany, etiquette, faith healing, family, feasting, fire making, folklore, food taboos, funeral rites, games, gestures, gift giving, government, greetings, hair styles, hospitality, housing, hygiene, incest taboos, inheritance rules, joking, kin-groups, kinship nomenclature, language, law, luck superstitions, magic, marriage, mealtimes, medicine, modesty concerning natural functions, mourning, music, mythology, numerals, obstetrics, penal sanctions,

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personal names, population policy, postnatal care, pregnancy usages, property rights, propitiation of supernatural beings, puberty customs, religious ritual, residence rules, sexual restrictions, soul concepts, status differentiation, surgery, tool making, trade, visiting, weaning, and weather control. Cross-cultural similarities appear even more far-reaching when individual items in such a list are subjected to further analysis. For example, not only does every culture have a language, but all languages are resolvable into identical kinds of components, such as phonemes or conventional sound units, words or meaningful combinations of phonemes, grammar or standard rules for combining words into sentences.“ (Murdock 1945: 123 f.)

Betreffend Seite 66: (72) Untertext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 147 (… ‚induktiven Illusion‘); Lévi-Strauss (StAI: 327 / AStI: 331) „En dépit du développement des études de parenté, il ne faut pas se dissimuler que notre documentation est bien mince. Si l’on néglige l’histoire pour considérer exclusivement le présent, l’univers humain comptait sans doute, encore récemment, 3 à 4000 sociétés distinctes; mais Murdock estime que nous pouvons seulement raisonner sur 250, chiffre encore trop optimiste à mon sens. N’a-t-on donc pas assez travaillé? Ou n’est-ce pas, au contraire, une conséquence de cette illusion inductive déjà dénoncée plus haut? On s’est éparpillé sur trop de cultures, on a cherché à accumuler des informations nombreuses et superficielles, et l’on s’aperçoit finalement que beaucoup sont inutilisables.“ (AStI: 331.)

(73) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 150 (… ‚a priori-Annahmen‘); Scholte (1973: 645) „Th[e] infrastructural brain consists of three universal principles [Direkter Verweis Scholtes auf EStV: 148 / StEP: 98; H.M.S.]: [1] the exigency of the rule as a rule; [2] the notion of reciprocity regarded as the most immediate form of integrating the opposition between the self and others; and finally [3], the synthetic nature of the gift, i.e., that the agreed transfer of a valuable from one individual to another makes these individuals into partners, and adds a new quality to the value transferred. These three principles of the unconscious are the a priori assumptions upon which structural anthropology rests. They are latent in all sociocultural phenomena and every cultural artifact is explainable in terms of them. Communication, economic, and kinship systems are privileged examples […]. However different, each of them requires specific rules to govern their operations; each establishes reciprocal relations between distinct groups or individual persons; and each engenders a meaning, value, or cohesion not previously present. Each of them, in other words, results from and bears witness to the a priori structure of the unconscious brain.“ (Scholte 1973: 645 f.)

(74) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 151 (… ‚a priori-Manifestationen‘); Jenkins (1979: 11); siehe außerdem ebd.: 17 „[…] both [language on the one hand and the cultural configurations or systems of collective representations on the other; H.M.S.] are conceived as a priori manifestations, expressions or results of the action and effectivity of an implicit collective men-

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tal mechanism called ‚the unconscious‘, which forms the locus or origin of the form of their structures and internal modes of organisation. Both are indeed, phenomenal expressions of the same ‚essence‘.“ (Jenkins 1979: 11.) „Lévi-Strauss affirms the necessary a priori existence of a constitutive basis of the symbolic (and ipso facto of ‚culture‘) but the real conditions of existence of this entity are neither demonstrated nor elaborated. The mechanisms of its causation are never clarified.“ (Jenkins 1979: 17.)

(75) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 152 (… ‚absoluten Prinzip‘); Gasché (1973: 64) „[…] [Lévi-Strauss] wird das Prinzip des Tausches außerhalb des Systems ansetzen, um es aber anschließend zum absoluten Prinzip zu erklären: transzendentale Möglichkeitsbedingung des Tauschs und der Zirkulation, die in der symbolischen Natur des Denkens als universelle Konstante des Geistes begründet ist.“ (Gasché 1973: 64.)

(76) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 153 (… ‚absoluten a priori‘); Jaeggi (1970: 45) „[…] ‚Eine Welt von Regeln‘ (Lévi-Strauss), ‚eine Ordnung von Symbolen‘ (Lacan) werden als konstituierend definiert. Alle genetischen historischen Probleme werden so einen großen Teil ihrer Substanz und ihres Interesses zugunsten eines Gesetzes verlieren, das allein als absolutes a priori genommen werden könnte.“ (Jaeggi 1970: 45.)

(77) Fußnote 146; Lévi-Strauss (BF: 163 / RE: 146) „Rien de hégélien dans une telle conception. Les contraintes de l’esprit auxquelles je me réfère sont découvertes par une démarche inductive, au lieu de venir on ne sait d’où par la grâce de quelque philosophe qui, dans le meilleur des cas, n’aura fait qu’un survol rapide, limité à une petite partie du globe et à quelques siècles de l’histoire des idées.“ (RE: 146.)

(78) Fußnote 148; Lévi-Strauss (MIV / dt: 743 / MIV / frz: 567) „Même supposé idéalement intact par une fiction qui ne correspond à rien de réel, tout domaine mythique particulier n’est jamais saisi qu’en devenir et, pour des raisons déjà dites […], il entraîne avec lui et engendre au cours du procès de sa transmission orale des niveaux probabilistes qui, dans la meilleure hypothèse, permettront seulement d’isoler et de délimiter des plages restreintes où les phénomènes sont complètement déterminés. Cet état de choses n’offre rien de décourageant, car il ne diffère pas tellement de celui que connaissent les physiciens adonnés à l’étude des formes les plus stables et les mieux organisées de la matière. Comme l’écrit l’un d’eux: ‚Au début de ce siècle, les physiciens s’employaient surtout à montrer que les cristaux sont des arrangements ordonnés d’atomes, d’ions ou de molécules. Mais, depuis quelque temps, ils insistent davantage sur le fait que cet ordre est limité et que des imperfections existent toujours, dues à la présence d’impuretés et à des irrégularités natives‘ (Henisch […]). La cristallographie n’en existe pas moins, et les chances de l’analyse structurale des mythes ne sont pas compromises, de savoir qu’elle ne peut pleinement s’exercer que sur certains aspects favorables de ses objets.“ (MIV / frz: 567.)

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Betreffend Seite 67: (79) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 156); Lévi-Strauss (WD: 74 / PS: 79) „La vérité est que le principe d’une classification ne se postule jamais: seule l’enquête ethnographique, c’est-à-dire l’expérience, peut le dégager a posteriori.“ (PS: 79.)

(80) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 158 (… „anhand von Versuch und Irrtum vorgegangen“); Lévi-Strauss (LG: 208 / HL: 250) „Dans un domaine si neuf (du moins sous l’angle où je l’abordais) j’ai procédé par essais et par erreurs.“ (HL: 250.)

(81) Fußnote 156; Lévi-Strauss (WD: 49 / PS: 48) „Il y a, sans doute, quelque chose de paradoxal dans l’idée d’une logique dont les termes consistent en bribes et en morceaux, vestiges de procès psychologiques ou historiques, et comme tels, dépourvus de nécessité. Qui dit logique, dit pourtant instauration de relations nécessaires; mais comment de telles relations s’établiraient-elles entre des termes que rien ne destine à remplir cette fonction? Des propositions ne peuvent s’enchaîner de façon rigoureuse que si leurs termes ont été préalablement définis sans équivoque. Dans les pages qui précèdent, ne s’est-on pas assigné l’impossible tâche de découvrir les conditions d’une nécessité a posteriori?“ (PS: 48.)

Betreffend Seite 68: (82) Untertext; Text vor Fußnotennummer 162 (… kritisch-rationalistischen Gebärde und Orientierung am naturwissenschaftlichen Erkenntnisideal); LéviStrauss (MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575) „Ni la philosophie, ni l’art ne peuvent donc se bercer de l’illusion qu’il leur suffit d’accepter le dialogue avec les sciences humaines, souvent d’ailleurs dans une intention de rapine, pour parvenir à se relever. L’un et l’autre, si souvent dédaigneux du savoir scientifique, doivent savoir qu’en interpellant les sciences humaines, on noue le dialogue avec les sciences physiques et naturelles et qu’on leur rend l’hommage, même si c’est provisoirement par personne interposée.“ (MIV / frz: 575.)

(83) Fußnote 163; Lévi-Strauss (ebd.: 753 / ebd.: 574) „[…] une différence fondamentale apparaît, tenant au double fait que les sciences physiques et naturelles travaillent sur les symboles des choses, tandis que les sciences humaines travaillent sur des symboles de choses qui sont elle-mêmes déjà des symboles; et que, dans le premier cas, l’adéquation approximative du symbole au référent est avérée par la ‚prise‘ que le savoir scientifique exerce sur le monde qui nous entoure, alors que l’inefficacité pratique des sciences humaines, en dehors de la quête d’une douteuse sagesse, ne nous permet pas, au moins pour le moment, de préjuger d’une quelconque adéquation des symboles représentants aux symboles représentés.“ (MIV / frz: 574.)

(84) Fußnote 164; Lévi-Strauss (BellourII / dt: 192 f. / BellourII / frz: 392) „C’est pour cela qu’il est tellement agaçant de se voir opposé quelquefois par des spécialistes de la logique ou des sciences naturelles l’argument que nos hypothèses

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ne sont pas comme ils disent falsifiables, au sens où, en biologie comme en physique, on peut montrer qu’une hypothèse est vraie ou fausse. Je crois qu’il s’agit là d’une impossibilité consubstantielle à la nature des choses sur lesquelles nous opérons.“ (BellourII / frz: 392.)

(85) Fußnote 165; Lévi-Strauss (Eribondt: 152 / Eribonfrz: 146) „Je ne crois pas que nos sciences humaines et sociales puissent jamais prétendre au statut de sciences véritables. J’ai tout au plus essayé de faire un petit pas dans cette direction. (Eribonfrz: 146.)

(86) Fußnote 166; Lévi-Strauss (Eribondt: 151 / Eribonfrz: 145) „En se plaçant sur un terrain plus général je crois que les choix imposés entre ‚ceci‘ et ‚cela‘ prouvent surtout que les prétendues ‚sciences sociales‘ ou ‚sciences humaines‘ n’ont de sciences que le nom. Dans les sciences véritables, les niveaux d’observation ne s’excluent pas; ils se complètent. Nous n’avons pas encore atteint cette maturité.“ (Eribonfrz: 145.)

(87) Fußnote 166; Lévi-Strauss (StAII: 29 / AStII: 29) „[…] elle [l’anthropologie sociale; H.M.S.] appartient aux sciences humaines, son nom le proclame assez; mais, si elle se résigne à faire son purgatoire auprès des sciences sociales, s’est qu’elle ne désespère pas de se réveiller parmi les sciences naturelles à l’heure du jugement dernier.“ (AStII: 29.)

Betreffend Seite 69: (88) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 171 (… „der Begriff der sozialen Struktur sich nicht auf die empirische Wirklichkeit, sondern auf die nach jener Wirklichkeit konstruierten Modelle [sprich also: auf die Hypothesen des fallweisen Theorienkonstrukts; H.M.S.] bezieht“); Lévi-Strauss (StAI: 301 / AStI: 305) „Le principe fondamental est que la notion de structure sociale ne se rapporte pas à la réalité empirique, mais aux modèles construits d’après celle-ci.“ (AStI: 305.)

(89) Fußnote 169; Lévi-Strauss (MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (82) angeführte Originalzitation.]

(90) Fußnote 169; Lévi-Strauss (StAII: 346 f. / AStII: 361 f.) „Il n’y a pas d’un côté les sciences exactes et naturelles, d’un autre côté les sciences sociales et humaines. Il y a deux approches, dont une seule est scientifique par son esprit: celle des sciences exactes et naturelles qui étudient le monde, et dont les sciences humaines cherchent à s’inspirer quand elles étudient l’homme en tant qu’il est du monde. L’autre approche, qu’illustrent les sciences sociales, met sans doute en œuvre des techniques empruntées aux sciences exactes et naturelles; mais les rapports qu’elles nouent ainsi avec ces dernières sont extrinsèques, non intrinsèques. Vis-à-vis des sciences exactes et naturelles, les sciences sociales sont en position de clientes, alors que les sciences humaines aspirent à devenir des disciples.“ (AStII: 361 f.)

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Betreffend Seite 70: (91) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 182); Lévi-Strauss (BF: 68 / RE: 62) „Les chapitres qui suivent illustrent cette démarche. On verra ainsi de quelle façon l’ethnologie contemporaine s’applique à découvrir et à formuler de telles lois d’ordre dans plusieurs registres de la pensée et de l’activité humaines. Invariantes à travers les époques et les cultures, elles seules pourront permettre de surmonter l’antinomie apparente entre l’unicité de la condition humaine, et la pluralité apparemment inépuisable des formes sous lesquelles nous l’appréhendons.“ (RE: 62.)

(92) Fußnote 176; Neumann und Morgenstern (1944) in StAI: 302 / AStI: 306 „Comparer von Neumann: ‚Des modèles (tels que les jeux) sont des constructions théoriques qui supposent une définition précise, exhaustive et pas trop compliquée: ils doivent être aussi pareils à la réalité sous tous les rapports qui importent à la recherche en cours. […].‘ (Neumann et Morgenstern, 1944).“ (AStI: 306.)

(93) Fußnote 178; Lévi-Strauss (Eggan / Forde et al.engl: 115 f.) „[…] a model can be very close to concrete reality, or it can be very far from it. In his letter Professor Radcliffe-Brown takes a very nice sample, because a sea shell is an empirical reality which is very close to its model. Unfortunately, in the field of social science, we very rarely meet with this kind of concrete reality, which shows the model in a very apparent way. However, it seems to me that some approximation can be found in the field of linguistics. There are, in a vocabulary, certain categories of terms which are very close to the model; let us say kinship vocabulary or the terms for parts of the body or the terms for the color scheme. Here the model is, in some languages at least, quite apparent, but the fact that it is not apparent for all parts of the vocabulary and that it is necessary to go to a deeper level to reach it does not prove that it does not exist, and it does not prove that the model is an abstraction. It proves that the reality is more hidden in some cases than in other cases. Now I was asked to explain what I call a ‚model‘. For me, a model is exactly what Professor Schapiro stated. The model is not the mathematical formula, and the model is not the result of direct observations. Perhaps the best thing to do would be for me to give a few examples. Even before succeeding in seeing chromosomes, the geneticists were already making maps of chromosomes and genes, and this was a model; and, although no physicist ever saw an atom, nevertheless he was able to build an image which did explain all the properties of the atom and could be verified. Another example: It has been discovered quite recently that crystals have a spiral-like growth, and this can be seen with the electronic microscope, although no actual photograph of any given crystal shows a perfect spiral. All the spirals are incomplete, deformed, but, nevertheless, the spiral itself is the model which may help to explain all its properties. The distinction between the living model and the engineering model is a practical distinction which can be of great use, but, nevertheless, I do not think it goes extremely far. For instance, I agree with Professor Nadel that a small railway is a model. If I see that for the study at hand I do not need cars which are painted or built exactly like actual cars, but I can just use plain wooden squares, then the model will be a simplified one. It will be quite satisfactory if it can explain all the facts I am trying to explain, and it will to some extent be an engineering model, a machine built to specifications.“ (Eggan / Forde et al.engl: 115 f.)

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Betreffend Seite 71: (94) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 186 (… ‚Ordnungsgesetze‘); Lévi-Strauss (BF: 68 / RE: 62) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (91) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 74: (95) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 200 (… ‚als ob‘); LéviStrauss (Eribondt: 236 / Eribonfrz: 225) „[…] même si nous sommes voués à aller d’apparences en apparences, il n’est pas indifférent de savoir qu’il est sage de s’arrêter quelque part, et où. Entre les apparences de surface et la quête épuisante d’un sens derrière le sens qui n’est jamais le bon, une expérience plurimillénaire semble montrer qu’il existe un niveau intermédiaire où les hommes ont avantage à se placer parce qu’ils y trouvent plus de confort moral et intellectuel, s’y sentent mieux ou moins mal qu’ailleurs, sans faire intervenir d’autres considérations qu’hédonistes: ce niveau est celui de la connaissance scientifique, de l’activité intellectuelle et de la création artistique. Eh bien, tenons-nous-y, et ‚faisons comme si‘, assez résolument pour y croire à toutes fins pratiques non sans, de temps à autre et pour ne pas perdre la tête, adresser un signe d’intelligence à un memento mori qui englobe notre univers et nous-mêmes avec lui.“ (Eribonfrz: 225.)

(96) Fußnote 201; Lévi-Strauss (BellourII / dt: 170 / BellourII / frz: 365) „Les seules démonstrations à quoi nous puissions prétendre sont celles qui permettent d’expliquer plus de choses qu’on ne le pouvait auparavant. Cela n’implique pas qu’elles soient vraies, mais seulement qu’elles préparent le chemin à d’autres démonstrations qui viendront plus tard expliquer plus encore, et cela indéfiniment, sans jamais accéder à une vérité acquise définitivement.“ (BellourII / frz: 365.)

Betreffend Seite 75: (97) Fußnote 206; UNESCO (1978: Artikel 1, Punkt 1) „All human beings belong to a single species and are descended from a common stock. They are born equal in dignity and rights and all form an integral part of humanity.“

(98) Fußnote 208 a bzw. b; UNESCO (2001: Part I. UNESCO’s Stand against Discrimination. A historical overview, 10, Punkt 8) „The Declaration on Race and Racial Prejudice, adopted in 1978, summarised in a single normative instrument the results of many years of work. The Declaration was the outcome of a meeting of representatives of Member States and it remains a standard-setting instrument, entrenching the obligations foreseen in the UNESCO Constitution. It states:

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

All human beings belong to a single species and are descended from a common stock. They are born equal in dignity and rights and all form an integral part of humanity.“5

Betreffend Seite 76: (99) Fußnote 210 a; UNESCO 1950 bzw. UNESCO 1969: 30 „Scientists have reached general agreement in recognizing that mankind is one: that all men belong to the same species, homo sapiens. It is further generally agreed among scientists that all men are probably derived form the same common stock; […].“ (In: UNESCO 1969: 30.6)

(100) Fußnote 211; UNESCO 1951: bzw. UNESCO 1969: 38 „Scientists are generally agreed that all men living today belong to a single species, homo sapiens, and are derived form a common stock, even though there is some dispute as to when and how different human groups diverged from this common stock. […].“ (In: UNESCO 1969: 38.7)

Betreffend Seite 77: (101) Fußnote 215; Lévi-Strauss (MI / dt: 19 / MI / frz: 15) „N’oublions pas […] qu’il ne saurait exister pour la science des vérités acquises.“ (MI / frz: 15.)

Betreffend Seite 79: (102) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 229 (… ‚heranzukommen‘); Lévi-Strauss (MIV / dt: 808 / MIV / frz: 614) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (10) angeführte Originalzitation.]

(103) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 230 (… ‚niemals zu erreichende‘); Lévi-Strauss (ebd.: 753 / ebd.: 574) „Les sciences humaines sont sans doute comparables aux sciences physiques et naturelles en ce sens que les unes et les autres n’atteignent jamais les choses, mais les symboles au travers desquels l’esprit les perçoit en fonction des contraintes et des seuils de l’organisation sensorielle.“ (MIV / frz: 574.)

___________ 5

Vollständige Zitation von Punkt 8 (H.M.S.). Der Unmißverständlichkeit halber: Die Bezugnahme gilt Punkt 1 der UNESCO-Erklärung des Jahres 1950. 7 Der Unmißverständlichkeit halber: Die Bezugnahme gilt Punkt 1 der UNESCO-Erklärung des Jahres 1951. 6

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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(104) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 232 (… ‚Wesen‘); Lévi-Strauss (Eribondt: 235 / Eribonfrz: 224) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (54) angeführte Originalzitation.]

(105) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 233); Lévi-Strauss (MIV MIV / frz: 574)

/ dt:

753 /

[Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (103) angeführte Originalzitation.]

(106) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 234 (… ‚letzte Natur‘); Lévi-Strauss (Ebd.: 808 / Ebd.: 614) „[…] le structuralisme propose aux sciences humaines un modèle épistémologique d’une puissance incomparable à ceux dont elles disposaient auparavant. Il découvre en effet, derrière les choses, une unité et une cohérence que ne pouvait révéler la simple description des faits, en quelque sorte mis à plat et éparpillés sans ordre sous le regard de la connaissance. En changeant de niveau d’observation, et en considérant par deçà les faits empiriques les relations qui les unissent, il constate et vérifie que ces relations sont plus simples et mieux intelligibles que les choses entre lesquelles elles s’établissent et dont la nature dernière peut rester insondable, sans que cette opacité provisoire ou définitive soit, comme auparavant, un obstacle à leur interprétation.“ (MIV / frz: 614.)

(107) Fußnote 227; Lévi-Strauss (Eribondt: 158 / Eribonfrz: 152) „[…] au fond, je suis un kantien vulgaire; […].“ (Eribonfrz: 152.)

Betreffend Seite 80: (108) Haupttext; Begriffe bzw. Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 242 (… ‚Wände‘, ‚Höhle‘, ‚Widerspiegelung‘, ‚wahre Gegenstände‘); Lévi-Strauss (MIV / dt: 754 / MIV / frz: 575) „[…] les sciences humaines ne peuvent-elles prétendre qu’à une homologie formelle, non substantielle, avec l’étude du monde physique et de la nature vivante. C’est au moment où elles tendent à se rapprocher davantage de l’idéal du savoir scientifique qu’on comprend le mieux qu’elles préfigurent seulement, sur les parois de la caverne, des opérations qu’il appartiendra à d’autres sciences de valider plus tard, quand elles auront enfin saisi les véritables objets dont nous scrutons les reflets.“ (MIV / frz: 575.)

Betreffend Seite 82: (109) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 244 (… „von Zeit zu Zeit und in privilegierten Fällen das Gefühl, an fundamentale Wahrheiten heranzukommen, den Felsen berührt zu haben“); Lévi-Strauss (BellourI / dt: 82 / BellourI / frz: 41) „Ensuite et surtout, de temps à autre et dans des cas privilégiés, j’ai le sentiment d’approcher des vérités fondamentales, d’avoir touché le roc.“ (BellourI / frz: 41.)

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

(110) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 245 (… ‚letzte Natur‘ (der Dinge)); Lévi-Strauss (MIV / dt: 808 / MIV / frz: 614) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (106) angeführte Originalzitation.]

(111) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 246 (… „vorläufige[n] oder endgültige[n] Opazität“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (106) angeführte Originalzitation.]

(112) Fußnote 243 b; Lévi-Strauss (BF: 184 / RE: 164) „Reconnaître que l’esprit ne peut comprendre le monde que parce qu’il est un produit et une partie de ce monde, n’est pas pécher par mentalisme ou idéalisme. C’est vérifier un peu mieux chaque jour qu’en essayant de connaître le monde, l’esprit accomplit des opérations qui ne diffèrent pas en nature de celles qui se déroulent dans le monde depuis le commencement des temps.“ (RE: 164 f.)

(113) Fußnote 243 b; Ricœur (1969 b / 1973 b: 68 bzw. 1963: 24) „Faute de cette structure d’accueil, que je conçois pour ma part comme articulation mutuelle de la réflexion et de l’herméneutique, la philosophie structuraliste me paraît condamnée à osciller entre plusieurs ébauches de philosophies. On dirait quelquefois un kantisme sans sujet transcendantal, voire un formalisme absolu, qui fonderait la corrélation même de la nature et de la culture.“ (Ricœur 1963: 24.) [Vgl. hierzu auch nochmals die oben, unter Nummer (66) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 84: (114) Untertext; Text vor Fußnotennummer 259 (… Annahme von der künstlichen Begrenzbarkeit der Untersuchungsgegenstände); Lévi-Strauss (Eramodt: 254 / Eramoit: 119) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (117) angeführte Originalzitation.]

(115) Fußnote 257; Lévi-Strauss (EV: 23 / PD: 19 f.) „L’ethnologie n’est-elle pas condamnée à devenir très vite une science sans objet? Celui-ci était traditionnellement fourni par les populations dites ‚primitives‘. Depuis qu’il y a un demi-siècle, Frazer poussait un dramatique cri d’alarme, ces populations ont continué à fondre. Les indigènes australiens étaient 250 000 au début de la colonisation, ils ne sont plus que 40 à 50 000 aujourd’hui, et l’analyse d’enquêtes récentes les montre en proie à la famine et à la démoralisation, menacés jusque dans leurs déserts par le développement des recherches minières, l’installation de bases atomiques et de stations expérimentales de fusées8. Entre 1900 et 1950, près de 90 tribus

___________ 8

Lévi-Strauss fügt an dieser Stelle folgende Fußnote ein: „R. M. Berndt et C. H. Berndt, Social Anthropological Survey of the Warbuton, Blackstone and Rawlinson Ranges. The University of Western Australia (mimeogr.), March 1959. Au recensement de 1961, 80 526 personnes se reconnaissaient qui un, qui deux parents aborigènes. Le chiffre a doublé depuis.“

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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ont disparu au Brésil et, au lieu d’une centaine, 30 à peine restent relativement isolées. Quinze langues se sont perdues en moins de cinquante ans. De multiples exemples attestent le progrès des maladies épidémiques et de carence, le rythme terrifiant d’extinction des populations, parfois en l’espace de quelques années, les modifications irréversibles de la structure démographique et les conséquences qu’elles entraînent sur le plan sociologique et psychologique9. On commence à faire des constatations du même ordre en Nouvelle-Guinée.“ (PD: 19 f.)

(116) Fußnote 258; Lévi-Strauss (ebd.: 39 / ebd.: 39) und (ebd. / ebd.) „Résistons donc aux séductions d’un objectivisme naїf, mais sans méconnaître que, par sa précarité même, notre position d’observateur nous apporte des gages inespérés d’objectivité. C’est dans la mesure où les sociétés dites primitives sont très éloignées de la nôtre, que nous pouvons atteindre en elles ces ‚faits de fonctionnement général‘ dont parlait Mauss, qui ont chance d’être ‚plus universels‘ et d’avoir ‚davantage de réalité‘. Dans ces sociétés – et je cite toujours Mauss – ‚on saisit des hommes, des groupes et des comportements …, on les voit se mouvoir comme en mécanique, on voit des masses et des systèmes‘. Cette observation privilégiée, parce que distante, implique sans doute certaines différences de nature entre ces sociétés et les nôtres: l’astronomie n’exige pas seulement que les corps célestes soient lointains; il faut aussi que le temps ne s’y écoule pas au même rythme, sinon la Terre aurait cessé d’exister, longtemps avant que l’astronomie ne fût née.“ (AStII: 39.).

Betreffend Seite 84 f.: (117) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 260 (… „Randgebiete ab[zu]grenzen, in denen der strukturalistische [besser: der strukturalanthropologische; H.M.S.] Ansatz möglich ist“); Lévi-Strauss (Eramodt: 254 / Eramoit: 119) „[…] uno dei criteri essenziali dell’approccio strutturalista è di scegliere campi d’indagine in cui il numero delle variabili è estremamente limitato o in cui è possibile ridurlo artificialmente. E le società contemporanee sono estremamente complesse. Con questo non voglio dire che non si possa studiare nulla nelle società contemporanee. Si possono isolare spiagge in cui sia possibile l’approccio strutturale. […].“ (Eramoit: 119.)

Betreffend Seite 85: (118) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 268 (… „weder Zuflucht noch Ersatzlösung“); Lévi-Strauss (Eribondt: 213 / Eribonfrz: 203) [Eribon:] „L’un des recours de l’ethnologie pour durer n’est-il pas de se tourner vers des sociétés contemporaines, plus proches de nous, comme les campagnes françaises?“

___________ 9 Fußnotenverweis Lévi-Strauss’ auf D. Ribeiro (‚Convivio e Contaminação‘, Sociologia, XVIII, 1, São Paulo, 1956).

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

[Lévi-Strauss:] „Ces recherches ne sont ni un recours ni une solution de repli. Elles ont leur importance intrinsèque. […].“ (Eribonfrz: 203.)

(119) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 269 (… „ihre ganz eigene Bedeutung“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (118) angeführte Originalzitation.]

(120) Fußnote 261; Lévi-Strauss (Escaffitdt: 278 / Escaffitfrz: 9) „[…] s’il est présomptueux pour un ethnologue qui n’est pas à la fois historien, géographe, économiste, psychologue … de prétendre faire une étude d’ensemble de la société française, il peut, par contre, observer des ‚plages‘, des petits secteurs qui se prêtent à l’analyse ethnologique. Dans ce laboratoire où je vous parle, nous avons une équipe qui depuis bientôt dix ans, se consacre à l’étude monographique d’un village de Bourgogne. Cela apporte des éléments précieux à la connaissance que nous pouvons avoir de la vie rurale française.“ (Escaffitfrz: 9.)

(121) Fußnote 262; Lévi-Strauss (Benoistdt: 239 / Benoistfrz: 14; Eramodt: 272 / Eramoit: 124; Eribondt: 230 / Eribonfrz: 219) „Pour beaucoup de raisons, je crains que le monde d’aujourd’hui, par sa densité, sa complexité, le nombre incroyablement élevé de variables qu’il implique, n’ait cessé d’être pensable, au moins de façon globale.“ (Benoistfrz: 14.)

(122) Fußnote 263; Lévi-Strauss (Eramodt: 272 f. / Eramoit: 124) „Lo strutturalismo non ha mai affermato che tutto è strutturale: alcuni livelli permettono un’analisi strutturale, altri li chiamerei aleatori, in cui tutto avviene per probabilità.“ (Eramoit: 124.)

(123) Fußnote 263; Lévi-Strauss (Eribondt: 149 f. / Eribonfrz: 143 sowie BellourII / dt: 204 / BellourII / frz: 406) „Tout n’est pas structuré, et il n’y a pas nécessairement de la structure partout. La question de principe qu’il faut donc toujours se poser est: à supposer que la structure soit présente, où gît-elle?“ (BellourII / frz: 406.)

(124) Fußnote 266; Lévi-Strauss (StAI: 96 / AStI: 95) und (ebd. / ebd.: 94 f.) „[…] MM. Haudricourt et Granai commettent ici la même erreur que M. Gurvitch: ils s’imaginent que la méthode structurale, appliquée à l’ethnologie, a pour ambition d’atteindre une connaissance totale des sociétés, ce qui serait absurde.“ (AStI: 94 f.)

Betreffend Seite 85 f.: (125) Fußnote 270; Lévi-Strauss (SG: 86 f. / HE: 1230 f.) „Pendant une première phase, l’ethnologie s’est limitée au plus facile en privilégiant pour son étude des petites sociétés dont les rapports de parenté constituent essentiellement l’armature, et qui formulent à usage interne des lois d’ordre très simples, même si ces lois n’offrent qu’un reflet déformé des principes réels qui régissent leur fonctionnement et leur reproduction. Et quand l’ethnologie se risquait à aborder des sociétés plus volumineuses et plus complexes, elle se bornait à considérer des plages

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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relativement abritées, que les bouleversements de l’histoire ont ignorées ou contournées. Le temps est venu pour l’ethnologie de s’attaquer aux turbulences, non dans un esprit de contrition mais, au contraire, pour étendre et développer cette prospection des niveaux d’ordre qu’elle considère toujours comme sa mission.“ (HE: 1230 f.)

Betreffend Seite 86: (126) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 271 (… „über die offenkundige Vielfalt der menschlichen Gesellschaften hinaus zu grundlegenden und gemeinsamen Merkmalen vorzudringen“); Lévi-Strauss (MII / dt: 524 / MII / frz: 408) „[…] en deçà de la diversité apparente des sociétés humaines l’analyse structurale prétend remonter à des propriétés fondamentales et communes […].“ (MII / frz: 408.)

(127) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 272 (… allgemeine Interpretationsprinzipien, die auf einer Metaebene die Identität empirisch verschiedener Objekte verbürgen); Lévi-Strauss (StAI: 35 / AStI: 28) „[…] c’est le même phonème, le même élément, qui garantissent sur ce nouveau plan l’identité profonde d’objets empiriquement différents.“ (AStI: 28.)

(128) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 274 (… im Bereich des Unbewußten.); Lévi-Strauss (StAII: 97 f. / AStII: 100 und StAI: 35 / AStI: 28) „On ne peut davantage attendre de l’analyse structurale qu’elle change la façon dont nous appréhendons les relations sociales telles qu’elles se manifestent concrètement: elle permet seulement de mieux les comprendre. Et si l’on parvient à saisir leur structure, ce ne sera jamais au niveau empirique où elles étaient d’abord apparues, mais à un niveau plus profond et resté jusqu’alors inaperçu: celui des catégories inconscientes, qu’on peut espérer atteindre en rapprochant des domaines qui, à première vue, semblaient n’avoir pas de rapports. Ces domaines incluent d’une part les institutions sociales telles qu’elles fonctionnent dans la pratique, et d’autre part, les diverses manières selon lesquelles, dans leurs mythes, leurs rites et leurs représentations religieuses, les hommes essayent de voiler ou de justifier les contradicitions entre la société réelle où ils vivent et l’image idéale qu’ils s’en font.“ (AStII: 100.) „Si, comme nous le croyons, l’activité inconsciente de l’esprit consiste à imposer des formes à un contenu, et si ces formes sont fondamentalement les mêmes pour tous les esprits, anciens et modernes, primitifs et civilisés […] il faut et il suffit d’atteindre la structure inconsciente, sous-jacente à chaque institution ou à chaque coutume, pour obtenir un principe d’interprétation valide pour d’autres institutions et d’autres coutumes, à condition, naturellement, de pousser assez loin l’analyse.“ (AStI: 28.)

(129) Fußnote 274 b; Lévi-Strauss (StAI: 35 / AStI: 28, ferner ebd.: 45 / ebd.: 40) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (127) angeführte Originalzitation.]

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

Betreffend Seite 86 f.: (130) Fußnote 274 b; Ricœur (1969 b / 1973 b: 44 bzw. 1963: 9) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (65) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 87: (131) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 275 (… „eine Ordnung hinter dem zu finden, was sich uns als Unordnung zeigt“); Lévi-Strauss (MB: 23 / MM: 11) [Vgl. hierzu erneut die zweite der oben, unter Nummer (12) angeführten Originalzitationen.]

(132) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 279); Lévi-Strauss (StAI: 35 / AStI: 28) „Le passage du conscient à l’inconscient s’accompagne d’un progrès du spécial vers le général.“ (AStI: 28.)

(133) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 281 (… „direkten Ausdruck der Struktur des Geistes (und hinter dem Geist zweifellos des Gehirns)“); Lévi-Strauss (ET: 117 / TA: 130) „Il est bien vrai qu’une conséquence – d’ailleurs, non encore clairement énoncée – du structuralisme moderne devrait être de tirer la psychologie associationniste du discrédit oú elle est tombée. L’associationnisme a eu le grand mérite d’esquisser les contours de cette logique élémentaire, qui est comme le plus petit commun dénominateur de toute pensée, et il ne lui a manqué que de reconnaître qu’il s’agissait là d’une logique originelle, expression directe de la structure de l’esprit (et, derrière l’esprit, sans doute, du cerveau), et non pas d’un produit passif de l’action du milieu sur une conscience amorphe.“ (TA: 129 f.)

(134) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 282 (… „physiko-chemischen Bedingungen“); Lévi-Strauss (WD: 284 / PS: 327) „[…] nous croyons que le but dernier des sciences humaines n’est pas de constituer l’homme, mais de le dissoudre. La valeur éminente de l’ethnologie est de correspondre à la première étape d’une démarche qui en comporte d’autres: par delà la diversité empirique des sociétés humaines, l’analyse ethnographique veut atteindre des invariants, dont le présent travail montre qu’ils se situent parfois aux points les plus imprévus. Rousseau […] l’avait pressenti avec sa clairvoyance habituelle: ‚Quand on veut étudier les hommes, il faut regarder près de soi; mais pour étudier l’homme, il faut apprendre à porter la vue au loin; il faut d’abord observer les différences pour découvrir les propriétés.‘ Pourtant, ce ne serait pas assez d’avoir résorbé des humanités particulières dans une humanité générale; cette première entreprise en amorce d’autres, que Rousseau n’aurait pas aussi volontiers admises et qui incombent aux sciences exactes et naturelles: réintégrer la culture dans la nature, et finalement, la vie dans l’ensemble de ses conditions physico-chimiques.“ (PS: 326 f.)

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung Betreffend Seite 93: (135) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 6); Lévi-Strauss (Ebd.: 310 / Ebd.: 357) „Certes, les propriétés accessibles à la pensée sauvage ne sont pas les mêmes que celles qui retiennent l’attention des savants. Selon chaque cas, le monde physique est abordé par des bouts opposés: l’un suprêmement concret, l’autre suprêmement abstrait; et soit sous l’angle des qualités sensibles, soit sous celui des propriétés formelles. Mais que, théoriquement au moins, et si des brusques changements de persprective ne s’étaient pas produits, ces deux cheminements fussent promis à se rejoindre, explique qu’ils aient l’un et l’autre, et indépendamment l’un de l’autre dans le temps et dans l’espace, conduit à deux savoirs distincts bien qu’également positifs: celui dont une théorie du sensible a fourni la base, et qui continue de pourvoir à nos besoins essentiels par le moyen de ces arts de la civilisation: agriculture, élevage, poterie, tissage, conservation et préparation des aliments, etc., dont l’époque néolithique marque l’épanouissement, et celui qui se situe d’emblée sur le plan de l’intelligible, et dont la science contemporaine est issue. Il aura fallu attendre jusqu’au milieu de ce siècle pour que des chemins longtemps séparés se croisent: celui qui accède au monde physique par le détour de la communication, et celui dont on sait depuis peu que, par le détour de la physique, il accède au monde de la communication. Le procès tout entier de la connaissance humaine assume ainsi le caractère d’un système clos. C’est donc rester encore fidèle à l’inspiration de la pensée sauvage que de reconnaître que l’esprit scientifique, sous sa forme la plus moderne, aura contribué, par une rencontre qu’elle seule eût su prévoir, à légitimer ses principes et à la rétablir dans ses droits.“ (PS: 356 f.)

(136) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 7 (… „Rehabilitierung des [‚]primitiven[‘] Denkens“); Lévi-Strauss (Eribondt: 160 / Eribonfrz: 154) [Eribon:] „La Pensée sauvage est peut-être celui de vos livres qui a le plus modifié les manières de voir, au-delà du cercle des spécialistes de l’ethnologie. Votre réhabilitation de la pensée primitive est devenue un morceau de choix de toutes les anthologies de la pensée contemporaine.“ (Eribonfrz: 154).

(137) Fußnote 5; Lévi-Strauss (WD: 308 / PS: 355) „La penséee sauvage est logique, dans le même sens et de la même façon que la nôtre, mais comme l’est seulement la nôtre quand elle s’applique à la connaissance d’un univers auquel elle reconnaît simultanément des propriétés physiques et des propriétés sémantiques. Ce malentendu une fois dissipé, il n’en reste pas moins vrai que, contrairement à l’opinion de Lévy-Bruhl, cette pensée procède par les voies de l’entendement, non de l’affectivité; à l’aide de distinctions et d’oppositions, non par confusion et participation. Bien que le terme ne fût pas encore entré dans l’usage, de nombreux textes de Durkheim et de Mauss montrent qu’ils avaient compris que la pensée dite primitive était une pensée quantifiée.“ (PS: 355.)

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

(138) Fußnote 8; Lévi-Strauss (ebd.: 349) „[…] one of the purposes of this conference is to bring about a kind of rehabilitation of hunting and gathering societies; we cannot consider them as belonging to a semianimal condition of mankind.“ (CP: 349.)

Betreffend Seite 93 f.: (139) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 10 (… „Denken der Wilden“); Lévi-Strauss (WD: 253 / PS: 289) „Sans doute Comte assigne-t-il à une période de l’histoire – âges du fétichisme et du polythéisme – cette ‚pensée sauvage‘ qui n’est pas, pour nous, la pensée des sauvages, ni celle d’une humanité primitive ou archaïque, mais la pensée à l’état sauvage, distincte de la pensée cultivée ou domestiquée en vue d’obtenir un rendement.“ (PS: 289.)

Betreffend Seite 94: (140) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 11 (… „Denken im wilden Zustand“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (139) angeführte Originalzitation.]

(141) Untertext; Text vor Fußnotennummer 12 (… dem Bereich des Sinnlichen verhafteten Denkstil); Ricœur (1969 b / 1973 b: 53 bzw. 1963: 15) „[…] il n’y a pas des sauvages opposés à des civilisés, il n’y a pas de mentalité primitive, pas de pensée des sauvages; il n’y a plus d’exotisme absolu; au-delà de ‚l’illusion totémique‘, il y a seulement une pensée sauvage; et cette pensée n’est même pas antérieure à la logique; elle n’est pas prélogique, mais l’homologue de la pensée logique; homologue au sens fort: ses classifications ramifiées, ses nomenclatures fines sont la pensée classificatrice elle-même, mais opérant, comme dit Lévi-Strauss, à un autre niveau stratégique, celui du sensible.“ (Ricœur: 1963: 15.)

(142) Untertext; Text vor Fußnotennummer 13 (… (in wenn auch unterschiedlicher Form) in allen Kulturen auszumachen seien); Lévi-Strauss (Ricœur et al.dt: 120 / Ricœur et al.frz: 635 f.) „[…] le totémisme relève de la pensée sauvage – j’y ai beaucoup insisté – mais la pensée sauvage déborde énormément les cadres du système religieux et juridique qu’on a voulu, faussement d’ailleurs, isoler sous le nom de totémisme. Par conséquent, quand je signale le ‚vide totémique‘ des grandes civilisations d’Europe et d’Asie, je ne veux pas dire qu’on n’y retrouve pas sous d’autres formes les caractères distinctifs de la pensée sauvage.“ (Ricœur et al.frz: 635 f.)

(143) Untertext; Text vor Fußnotennummer 14 (… einem bestimmten Teil der Menschheit als spezifisch zuzuschreiben wäre); Lévi-Strauss (ebd.: 118 / ebd.: 634)

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

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„[…] ce que j’ai tenté de définir comme ‚pensée sauvage‘ n’est pas attribuable en propre à qui que ce soit, fût-ce à une portion ou un type de civilisation. Elle n’a aucun caractère prédicatif.“ (Ricœur et al.frz: 634.)

(144) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 15 (… „überhaupt keinen prädikativen Charakter“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (143) angeführte Originalzitation.]

(145) Untertext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 18 (… ‚domestizierte Denken‘); Lévi-Strauss (WD: 253 / PS: 289) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (139) angeführte Originalzitation.]

(146) Fußnote 17; Lévi-Strauss (WD: 29 / PS: 26) „D’ailleurs, une forme d’activité subsiste parmi nous qui, sur le plan technique, permet assez bien de concevoir ce que, sur le plan de la spéculation, put être une science que nous préférons appeler ‚première‘ plutôt que primitive: c’est celle communément désignée par le terme de bricolage.“ (PS: 26.)

Betreffend Seite 95: (147) Fußnote 20; Ricœur (1969 b / 1973 b: 53 bzw. 1963: 15) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (141) angeführte Originalzitation.]

(148) Fußnote 21 a; Lévi-Strauss (WD: 27 / PS: 24) „L’homme du néolithique ou de la proto-histoire est donc l’héritier d’une longue tradition scientifique; pourtant, si l’esprit qui l’inspirait ainsi que tous ses devanciers, avait été exactement le même que celui des modernes, comment pourrions-nous comprendre qu’il se soit arrêté, et que plusieurs millénaires de stagnation s’intercalent, comme un palier, entre la révolution néolithique et la science contemporaine? Le paradoxe n’admet qu’une solution: c’est qu’il existe deux modes distincts de pensée scientifique, l’un et l’autre fonction, non pas certes de stades inégaux du développement de l’esprit humain, mais des deux niveaux stratégiques où la nature se laisse attaquer par la connaissance scientifique: l’un approximativement ajusté à celui de la perception et de l’imagination, et l’autre décalé; comme si les rapports nécessaires, qui font l’objet de toute science – qu’elle soit néolithique ou moderne – pouvaient être atteints par deux voies différentes: l’une très proche de l’intuition sensible, l’autre plus éloignée.“ (PS: 24.)

(149) Fußnote 21 a; Ricœur (1969 b / 1973 b: 53 bzw. 1963: 15) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (141) angeführte Originalzitation.]

(150) Fußnote 21 b; Lévi-Strauss (WD: 272 / PS: 312) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (473) angeführte Originalzitation.]

(151) Fußnote 23; Horton (1967: 162) „[…] only where there are alternatives can there be choice […].“ (Horton 1967: 162.)

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Betreffend Seite 101: (152) Fußnote 37; Lévi-Strauss (TT: 43 ff., 51, 412 / TrTr: 54 f., 62 f., 479) „Je me montrais […] rebelle aux nouvelles tendances de la réflexion métaphysique telles qu’elles commençaient à se dessiner. La phénoménologie me heurtait, dans la mesure où elle postule une continuité entre le vécu et le réel. D’accord pour reconnaître que celui-ci enveloppe et explique celui-là, j’avais appris de mes trois maîtresses [le marxisme, la géologie et la psychanalyse; H.M.S.] que le passage entre les deux ordres est discontinu; que pour atteindre le réel il faut d’abord répudier le vécu, quitte à le réintégrer par la suite dans une synthèse objective dépouillée de toute sentimentalité. Quant au mouvement de pensée qui allait s’épanouir dans l’existentialisme, il me semblait être le contraire d’une réflexion légitime en raison de la complaisance qu’il manifeste envers les illusions de la subjectivité. Cette promotion des préoccupations personnelles à la dignité de problèmes philosophiques risque trop d’aboutir à une sorte de métaphysique pour midinette, excusable au titre de procédé didactique, mais fort dangereuse si elle doit permettre de tergiverser avec cette mission dévolue à la philosophie jusqu’à ce que la science soit assez forte pour la remplacer, qui est de comprendre l’être par rapport à lui-même et non point par rapport à moi. Au lieu d’abolir la métaphysique, la phénoménologie et l’existentialisme introduisaient deux méthodes pour lui trouver des alibis.“ (TrTr: 62 f.)

Betreffend Seite 105: (153) Fußnote 55; Lévi-Strauss (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 571 f.) und (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 572) „Il faut en prendre son parti: les mythes ne disent rien qui nous instruise sur l’ordre du monde, la nature du réel, l’origine de l’homme ou sa destinée. On ne peut espérer d’eux nulle complaisance métaphysique; ils ne viendront pas à la rescousse d’idéologies exténuées. En revanche, les mythes nous apprennent beaucoup sur les sociétés dont ils proviennent, ils aident à exposer les ressorts intimes de leur fonctionnement, éclairent la raison d’être de croyances, de coutumes et d’institutions dont l’agencement paraissait incompréhensible de prime abord; enfin et surtout, ils permettent de dégager certains modes d’opération de l’esprit humain, si constants au cours des siècles et si généralement répandus sur d’immenses espaces, qu’on peut les tenir pour fondamentaux et chercher à les retrouver dans d’autres sociétés et dans d’autres domaines de la vie mentale où on ne soupçonnait pas qu’ils intervinssent, et dont, à son tour, la nature se trouvera èclairée. Sous tous ces rapports, loin d’abolir le sens, mon analyse des mythes d’une poignèe de tribus américaines en a extrait davantage de sens qu’il n’y en a dans les platitudes et les lieux communs à quoi se réduisent, depuis quelque deux mille cinq cents ans, les réflexions des philosophes sur la mythologie, celles de Plutarque exceptées.“ (MIV / frz: 571 f.)

Betreffend Seite 108: (154) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 60); Lévi-Strauss (WD: 270 / PS: 309 f.)

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„[…] les unes cherchant, grâce aux institutions qu’elles se donnent, à annuler de façon quasi automatique l’effet que les facteurs historiques pourraient avoir sur leur équilibre et leur continuité; les autres intériorisant résolument le devenir historique pour en faire le moteur de leur développement.“ (PS: 309 f.)

(155) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 61 (… bzw. gesellschaftlichen Entropiezustände); Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 38 ff. / Charbonnierfrz: 44 ff. sowie TT: 411 / TrTr: 478 f.) „[…] les sociétés que nous appelons primitives, jusqu’à un certain point, peuvent être considérées comme des systèmes sans entropie ou à entropie extrèmement faible, fonctionnant à une espèce de zéro absolu de température – non pas la température du physicien, mais la température ‚historique‘; c’est d’ailleurs ce que nous exprimons en disant que ces sociétés n’ont pas d’histoire […]. Les sociétés à histoire, comme la nôtre, ont, je dirais, une température plus haute, ou plus exactement il existe de plus grands écarts entre les températures internes du système, écarts qui sont dus aux différenciations sociales. Il ne faudrait donc pas distinguer des sociétés ‚sans histoire‘ et des sociétés ‚à histoire‘. En fait, toutes les sociétés humaines ont une histoire, également longue pour chacune puisque cette histoire remonte aux origines de l’espèce. Mais, tandis que les sociétés dites primitives baignent dans un fluide historique auquel elles s’efforcent de demeurer imperméables, nos sociétés intériorisent, si l’on peut dire, l’histoire pour en faire le moteur de leur développement.“ (Charbonnierfrz: 44 f.) [Vgl. zu TT: 411 / TrTr: 478 f. die erste der unten, unter Nummer (374) angeführten Originalzitationen.]

(156) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 62 (… Grenzwerte); LéviStrauss (sinngemäß WD: 188, Fußnote / PS: 212, Fußnote; außerdem sinngemäß Eramodt: 258 / Eramoit: 120 sowie Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174) „[…] pour se convaincre que ces deux notions [l’histoire et le système; H.M.S.] n’ont qu’une valeur de limite, il suffit d’enregistrer cette réflexion désabusée d’un des champions d’une ethnologie purement historique: ‚La condition actuelle des clans zandé et de leurs affiliations totémiques n’est compréhensible qu’à la lumière du développement politique de la société zandé, et c’est là une bien faible lueur. Des centaines de milliers de gens d’origine ethnique différente et tous confondus – parfois, l’ethnologue travaillant en Afrique se prend à rêver d’une petite société bien installée sur son île, quelque part en Polynésie ou en Mélanésie.‘ (Evans-Pritchard […])“ (PS: 212*.) [Eramo:] „La storia: l’analisi strutturalista è quasi esclusivamente sincronica per sua natura …“ [Lévi-Strauss:] „Lo è per necessità, ma in modo assolutamente temporaneo e provvisorio. Dovevamo cominciare da lì, il che non vuol dire che noi non possiamo tendere a introdurre la diacronia e bisogna farlo ogni volta che è possibile. Ma oggi i linguisti lavorano diacronicamente. D’altronde Jakobson l’ha detto e ripetuto, ha criticato l’opposizione radicale tra sincronia e diacronia, ha mostrato che in ogni sincronia c’erano elementi diacronici. Solo che bisognava cominciare da lì perché era più semplice.“ (Eramoit: 120.) „Quand je parle de ‚sociétés froides‘ et de ‚sociétés chaudes‘, j’envisage des cas limites. J’ai dit, écrit, répété cent fois qu’aucune société n’est absolument ‚froide‘ ou ‚chaude‘. Ce sont là des notions théoriques dont nous avons besoin pour forger

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nos hypothèses. Les sociétés empiriques se distribuent le long d’un axe dont aucune d’elles n’occupe les pôles.“ (Eribonfrz: 174.)

(157) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 63 (… empirisch unbesetzte Pole); Lévi-Strauss (Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174) [Vgl. hierzu erneut die dritte bzw. letzte der vorstehend, unter Nummer (156) angeführten Originalzitationen.]

(158) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 63 (… empirisch unbesetzte Pole); Lévi-Strauss (sinngemäß Charbonnierdt: 39 / Charbonnierfrz: 45 sowie StAII: 40 / AStII: 40) „En fait, toute société implique les deux aspects. Une société est simultanément une machine, et le travail que fournit cette machine. En tant que machine à vapeur elle fabrique de l’entropie. Mais en tant que nous la considérons comme un moteur, elle fabrique de l’ordre.“ (Charbonnierfrz: 45.) „La portée de cette distinction [entre ‚sociétés froides‘ et ‚sociétés chaudes‘; H.M.S.] est surtout théorique, car il n’existe probablement aucune société concrète qui, dans son ensemble et dans chacune de ses parties, corresponde exactement à l’un ou l’autre type.“ (AStII: 40.)

(159) Fußnote 58; Lévi-Strauss (StAI: 35 f. / AStI: 28 f.) „C’est ici que la méthode ethnologique et la méthode historique se rencontrent. Il est inutile d’invoquer à cette occasion le problème des structures diachroniques, pour lequel les connaissances historiques sont évidemment indispensables. Certains développements de la vie sociale comportent sans doute une structure diachronique; mais l’exemple de la phonologie apprend aux ethnologues que cette étude est plus complexe, et pose d’autres problèmes, que celle des structures synchroniques10 qu’ils commencent à peine à aborder. Cependant, même l’analyse des structures synchroniques implique un recours constant à l’histoire. En montrant des institutions qui se transforment, celle-ci permet seule de dégager la structure sous-jacente à des formulations multiples, et permanente à travers une suc[c]ession d’événements.“ (AStI: 28 f.)

(160) Fußnote 59; Lévi-Strauss (StAII: 40 f. / AStII: 40 f.) „[…] ces sociétés [dites primitives; H.M.S.] qu’on pourrait appeler ‚froides‘, parce que leur milieu interne est proche du zéro de température historique, se distinguent, par leur effectif restreint et leur mode mécanique de fonctionnement, des sociétés ‚chaudes‘, apparues en divers points du monde à la suite de la révolution néolithique, et où des différenciations entre castes et entre classes sont sollicitées sans trêve, pour en extraire du devenir et de l’énergie.“ (AStII: 40.)

Betreffend Seite 109: (161) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 66 (… auch jene Fälle, in denen die Diachronie die Synchronie an Bedeutung überwiege, der strukturalen Ana___________ 10 Fußnotenverweis Lévi-Strauss’ auf R. Jakobson (‚Prinzipien der Historischen Phonologie‘, in: Travaux du Cercle linguistique de Prague, vol. IV).

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lyse zugänglich seien) und Fußnotennummer 67 (… die strukturale Erklärung dort nicht in demselben Maße Aufschluß biete); Ricœur (1969 b / 1973 b: 54, 62 und 66) bzw. (1963: 16, 20 und 23) „Qu’en résulte-t-il pour les rapports entre diachronie et synchronie? Une chose m’a frappé avec les grands symboles de la pensée hébraïque que j’ai pu étudier dans la Symbolique du Mal et avec les mythes – ceux par exemple de création et de chute – édifiés sur la première couche symbolique: ces symboles et ces mythes n’épuisent pas leurs sens dans des arrangements homologues d’arrangements sociaux; je ne dis pas qu’ils ne se prêtent pas à la méthode structurale; je suis même convaincu du contraire; je dis que la méthode structurale n’épuise pas leur sens […].“ (Ricœur 1963: 20.)

(162) Untertext; Zitation vor Fußnotennummer 68 (… „mythische[n] Überlieferungsschatz, an den wir [sprich: die ‚Zivilisierten‘; H.M.S.] angeschlossen sind: das semitische (ägyptische, babylonische, aramäische, hebräische), das proto-hellenische und das indogermanische Traditionsgut“); Ricœur (1969 b / 1973 b: 54) bzw. (1963: 16) „[…] jamais dans ce livre [La Pensée Sauvage; H.M.S.] la question n’est posée de l’unité de la pensée mythique. La généralisation à toute pensée sauvage est tenue pour acquise. Or je me demande si le fond mythique sur lequel nous sommes branchés – fond sémitique (égyptien, babylonien, araméen, hébreu), fond proto-hellénique, fond indo-européen – se prête aussi facilement à la même opération; ou plutôt, j’insiste sur ce point, il s’y prête sûrement, mais s’y prête-t-il sans reste?“ (Ricœur 1963: 15 f.)

(163) Fußnote 65; Lévi-Strauss (ET: 117 / TA: 130), (ebd. / ebd.) und (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (133) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 110: (164) Fußnote 69 a; Ricœur ((1969 b / 1973 b: 54, 55 f., 59 und 65) bzw. (1963: 16 f., 18 f. und 22)) „Or il y a peut-être un autre pôle de la pensée mythique […]. A cet autre pôle de la pensée mythique, dont je donnerai tout à l’heure quelques exemples pris dans le monde hébraïque, l’intelligence structurale est peut-être moins importante, en tout cas moins exclusive, et requiert plus manifestement d’être articulée sur une intelligence herméneutique qui s’applique à interpréter les contenus eux-mêmes, afin d’en prolonger la vie et d’en incorporer l’efficace à la réflexion philosophique. C’est ici que je prendrai pour pierre de touche la question du temps qui a mis en mouvement notre méditation: La Pensée Sauvage tire toutes les conséquences des concepts linguistiques de synchronie et de diachronie, et en dégage une conception d’ensemble des rapports entre structure et événement. La question est de savoir si ce même rapport se retrouve identique sur tout le front de la pensée mythique.“ (Ricœur 1963: 16 f.)

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(165) Fußnote 69 b; Ricœur (1969 b / 1973 b: 54 bzw. 1963: 15 f.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (162) angeführte Originalzitation.]

(166) Fußnote 69 b; Ricœur (ebd.: 65 bzw. ebd.: 22) und (1969 b / 1973 b: 65 bzw. 1963: 22) „Dans cette chaîne de types, ainsi repérés par leurs deux pôles, la temporalité – celle de la tradition et celle de l’interprétations – a une allure différente, selon que la synchronie l’emporte sur la diachronie, ou l’inverse: à une extrémité, celle du type totémique, nous avons une temporalité cassée qui vérifie assez bien la formule de Boas: ‚on dirait que les univers mythologiques sont destinés à être démantelés à peine formés, pour que nouveaux univers naissent de leurs fragments‘ (…). A l’autre extrémité, celle du type kérygmatique, c’est une temporalité réglée par la reprise continuelle du sens dans une tradition interprétante.“ (Ricœur 1963: 22.)

(167) Fußnote 69 b; Ricœur (1969 b / 1973 b: 72 bzw. 1963: 26 f.) „[…] ce n’est que par un souci didactique provisoire que nous avons parlé de priorité de la diachronie sur la synchronie; à vrai dire, il faut réserver les expressions de diachronie et de sychronie au schème explicatif dans lequel la synchronie fait système et où la diachronie fait problème. Je réserverai les mots d’historicité – historicité de la tradition et historicité de l’interprétation – pour toute compréhension qui se sait, implicitement ou explicitement, sur la voie de la compréhension philosophique de soi et de l’être.“ (Ricœur 1963: 26 f.)

Betreffend Seite 110 f.: (168) Fußnote 71; Lévi-Strauss (MIII / dt: 210 / MIII / frz: 164) „La tâche que nous nous assignons […] consiste à prouver que des mythes [provenant des deux hémisphères; H.M.S.] qui ne se ressemblent pas, ou dont les ressemblances paraissent à première vue accidentelles, peuvent néanmoins présenter une structure identique et relever du même groupe de transformations. Il ne s’agit donc pas pour nous de cataloguer des traits communs, mais de montrer qu’en dépit de leurs différences, sinon même à cause d’elles, des mythes que rien n’incite à rapprocher procèdent des mêmes principes et sont engendrés par une seule famille d’opérations.“ (MIII / frz: 164.)

Betreffend Seite 111: (169) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 73); Lévi-Strauss (MIV / dt: 749 / MIV / frz: 571) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (153) angeführte Originalzitation.]

(170) Fußnote 74; Lévi-Strauss (MI / dt: 24 / MI / frz: 18) und (ebd. / ebd.) „[…] il nous suffira d’avoir acquis la conviction que si l’esprit humain apparaît déterminé jusque dans ses mythes, alors a fortiori il doit l’être partout.“ (MI / frz: 18.)

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Betreffend Seite 112: (171) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 78 (… noch fast alles zu tun bleibt, um die Fruchtbarkeit der strukturalen Methode im Bereich der „zivilisierten“ Kulturen zu erweisen); Ricœur ((1969 b / 1973 b: 66) bzw. (1963: 23)) „Le structuralisme est sans doute encore valable (et presque tout reste à faire pour en éprouver la fécondité dans nos aires culturelles […]); […].“ (Ricœur 1963: 23.)

Betreffend Seite 113: (172) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 80 (… „bewußte[.], sehr komplexe[.] und kohärente[.] Klassifikationssysteme“); Lévi-Strauss (WD: 55 / PS: 57) „Nous nous sommes limité à quelques exemples parmi d’autres, qui seraient encore plus nombreux si les préjugés fondés sur la simplicité et la grossièreté ‚primitives‘ n’avaient, dans beaucoup de cas, détourné les ethnologues de s’informer sur des systèmes de classifications conscients, complexes et cohérents, dont l’existence leur eût semblé incompatible avec un très bas niveau économique et technique, d’où ils concluaient trop hâtivement à un niveau intellectuel équivalent. Nous commençons seulement à soupçonner que d’anciennes observations dues à des enquêteurs aussi rares que perspicaces – ainsi Cushing – ne relèvent pas de cas exceptionnels, mais qu’elles dénotent des formes de savoir et de réflexion extrêmement répandues dans les sociétés dites primitives.“ (PS: 57.)

(173) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 82 (… „Formen des Wissens und der Reflexion“) und Text vor Fußnotennummer 83 (… über einen außerordentlich hohen Verbreitungsgrad verfügen.); Lévi-Strauss (WD: 55 / PS: 57) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (172) angeführte Originalzitation.]

(174) Motto; Lévi-Strauss (in einer Diskussion mit Paul Ricœur et al.) „J’admets (et on me l’a déjà reproché du côté de nos collègues des sciences exactes et naturelles) qu’il y a dans les dernières pages de La pensée sauvage un peu de lyrisme de mauvais aloi, enfin, je m’y laisse aller à dire un peu plus qu’il n’aurait fallu; néanmoins, je ne pense pas avoir, à aucun moment, posé une équivalence entre la pensée scientifique moderne et la pensée magique.“ (Ricœur et al.frz: 649.)

(175) Fußnote 81; Lévi-Strauss (WD: 268 und ebd.: Fußnote / PS: 307 und ebd.: Fußnote) „A la différence des autres systèmes de classification qui sont surtout conçus (tels les mythes) ou agis (tels les rites), le totémisme est presque toujours vécu, c’est-à-dire qu’il adhère à des groupes concrets et à des individus concrets, parce qu’il est un système héréditaire de classification*.“ (PS: 307.) „Sans doute, certaines formes de totémisme ne sont pas, à proprement parler, héréditaires; mais même dans ce cas, le système est supporté par des hommes concrets.“ (PS: 307*.)

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Betreffend Seite 114: (176) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 86 (… ‚Wissenschaft vom Konkreten‘); Lévi-Strauss (WD: 11 / PS: 3) ‚LA SCIENCE DU CONCRET‘ (PS: 3.)

(177) Fußnote 85 a; Lévi-Strauss (StAII: 392 / AStII: 407) „On doit donc distinguer avec soin la transmission d’une technique d’une génération à une autre, qui se fait toujours avec une aisance relative grâce à l’observation et à l’entraînement quotidien, et la création ou l’amélioration des techniques au sein de chaque génération. Celles-ci supposent toujours la même puissance imaginative et les mêmes efforts acharnés de la part de certains individus, quelle que soit la technique particulière qu’on ait en vue. Les sociétés que nous appelons primitives ne sont pas moins riches en Pasteur et en Palissy que les autres.“ (AStII: 407.)

(178) Fußnote 85 a; Lévi-Strauss (insbesondere das erste Kapitel von WD / PS sowie ebd.: 182 / ebd.: 206) „La chimie moderne ramène la variété des saveurs et des parfums à cinq éléments diversement combinés: carbone, hydrogène, oxygène, soufre et azote. En dressant des tables de présence et d’absence, en évaluant des dosages et des seuils, elle parvient à rendre compte de différences et de ressemblances entre des qualités qu’elle aurait jadis bannies hors de son domaine parce que ‚secondes‘. Mais ces rapprochements et ces distinctions ne surprennent pas le sentiment esthétique: ils l’enrichissent et l’éclairent plutôt, en fondant des associations qu’il soupçonnait déjà, et dont on comprend mieux pourquoi, et à quelles conditions, un exercice assidu de la seule intuition aurait déjà permis de les découvrir […].“ (PS: 20.) „Dans le premier chapitre de ce livre, nous avons évoqué à plusieurs reprises le rôle de l’imagination esthétique dans l’élaboration des systèmes classificatoires […].“ (PS: 206.)

(179) Fußnote 85 a; Lévi-Strauss (WD: 27 / PS: 23) „Pour transformer une herbe folle en plante cultivée, une bête sauvage en animal domestique, faire apparaître chez l’une ou chez l’autre des propriétés alimentaires ou technologiques qui, à l’origine, étaient complètement absentes ou pouvaient à peine être soupçonnées; pour faire d’une argile instable, prompte à s’effriter, à se pulvériser ou à se fendre, une poterie solide et étanche (mais seulement à la condition d’avoir déterminé, entre une multitude de matières organiques et inorganiques, la plus propre à servir de dégraissant, ainsi que le combustible convenable, la température et le temps de cuisson, le degré d’oxydation efficace); pour élaborer les techniques, souvent longues et complexes, permettant de cultiver sans terre ou bien sans eau, de changer des graines ou racines toxiques en aliments, ou bien encore d’utiliser cette toxicité pour la chasse, la guerre, le rituel, il a fallu, n’en doutons pas, une attitude d’esprit véritablement scientifique, une curiosité assidue et toujours en éveil, un appétit de connaître pour le plaisir de connaître, car une petite fraction seulement des observations et des expériences (dont il faut bien supposer qu’elles étaient inspirées, d’abord et surtout, par le goût du savoir) pouvaient donner des résultats pratiques, et immédiatement utilisables.“ (PS: 23.)

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(180) Fußnote 85 b; Lévi-Strauss (Eribondt: 243 / Eribonfrz: 232) „Dans toute son œuvre, il [i. e.: Rousseau; H.M.S.] cherche l’union du sensible et de l’intelligible, ce que j’essaye moi-même de faire par d’autres voies et en prenant les choses par l’autre bout: par le primat de l’intellect au lieu du sentiment; mais chez lui et chez moi, le besoin d’une réconciliation est le même.“ (Eribonfrz: 232.)

Betreffend Seite 116: (181) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 92 (… „Denkformen, die uns sehr fremd scheinen“); Lévi-Strauss (WD: 21 / PS: 17) „[…] le classement, quel qu’il soit, possédant une vertu propre par rapport à l’absence de classement. Comme l’écrit un théoricien moderne de la taxonomie: ‚Les savants supportent le doute et l’échec, parce qu’ils ne peuvent pas faire autrement. Mais le désordre est la seule chose qu’ils ne peuvent ni ne doivent tolérer. L’objet entier de la science pure est d’amener, à son point le plus haut et le plus conscient, la réduction de ce mode chaotique de percevoir, qui a débuté sur un plan inférieur et vraisemblablement inconscient, avec l’origine même de la vie. Dans certains cas, on pourra se demander si le type d’ordre qui a été élaboré est un caractère objectif des phénomènes, ou un artifice construit par le savant. Cette question se pose sans cesse, en matière de taxonomie animale … Pourtant le postulat fondamental de la science est que la nature elle-même est ordonnée … Dans sa partie théorique, la science se réduit à une mise en ordre, et … s’il est vrai que la systématique consiste en une telle mise en ordre, les termes de systématique et de science théorique pourront être considérés comme synonymes.‘ (Simpson, p. 5.) Or, cette exigence d’ordre est à la base de la pensée que nous appelons primitive, mais seulement pour autant qu’elle est à la base de toute pensée: car c’est sous l’angle des propriétés communes que nous accédons plus facilement aux formes de pensée qui nous semblent très étrangères.“ (PS: 16 f.)

(182) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 93 (… „unter dem Blickwinkel der gemeinsamen Eigenschaften“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (181) angeführte Originalzitation.]

(183) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 94 (… „modernen Theoretikers der Taxonomie“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.: 16) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (181) angeführte Originalzitation.]

(184) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 96); Lévi-Strauss (WD: 21 / PS: 16) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (181) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 116 f.: (185) Fußnote 96 b; Simpson (1961: 5) „Scientists do tolerate uncertainty and frustration, because they must. The one thing that they do not and must not tolerate is disorder. [An dieser Stelle fügt Simpson eine Fußnote

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ein; vgl. für deren Wortlaut die unten, unter Nummer (267) angeführte Originalzitation.] The whole aim of theoretical science is to carry to the highest possible and conscious degree the perceptual reduction of chaos that began in so lowly and (in all probability) unconscious a way with the origin of life. In specific instances it can well be questioned whether the order so achieved is an objective characteristic of the phenomena or is an artifact constructed by the scientist. That question comes up time after time in animal taxonomy, and it will come up repeatedly in various guises in the following pages. Nevertheless, the most basic postulate of science is that nature itself is orderly. In taxonomy as in other sciences the aim is that the ordering of science shall approximate or in some estimable way reflect the order of nature. All theoretical science is ordering and if, as will soon be discussed, systematics is equated with ordering, then systematics is synonymous with theoretical science.“ (Simpson 1961: 5.)

Betreffend Seite 118: (186) Fußnote 100; Lévi-Strauss (WD: 20 f. / PS: 16) „La vraie question n’est pas de savoir si le contact d’un bec de pic guérit les maux de dents, mais s’il est possible, d’un certain point de vue, de faire ‚aller ensemble‘ le bec de pic et la dent de l’homme (congruence dont la formule thérapeutique ne constitue qu’une application hypothétique, parmi d’autres) et, par le moyen de ces groupements de choses et d’êtres, d’introduire un début d’ordre dans l’univers; le classement, quel qu’il soit, possédant une vertu propre par rapport à l’absence de classement.“ (PS: 16.)

(187) Fußnote 102; Lévi-Strauss (WD: 21 / PS: 16) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (181) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 120: (188) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 106 (… „zugleich analytisch und synthetisch“); Lévi-Strauss (WD: 254 / PS: 290) „Les caractères exceptionnels de cette pensée que nous appelons sauvage et que Comte qualifie de spontanée, tiennent surtout à l’ampleur des fins qu’elle s’assigne. Elle prétend être simultanément analytique et synthétique, aller jusqu’à son terme extrême dans l’une et l’autre direction, tout en restant capable d’exercer une médiation entre ces deux pôles.“ (PS: 290.)

(189) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 107 (… Analysen zerlegen die Wirklichkeit, sie implizieren die Konstruktion von Unterschieden und Gegensätzen); Lévi-Strauss (ebd.: 282 / ebd.: 325) „[…] l’ouvrage intitulé Critique de la raison dialectique est le résultat de l’exercice, par l’auteur [i. e.: Sartre; H.M.S.], de sa propre raison analytique: il définit, distingue, classe, et oppose.“ (PS: 325.)

(190) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 108 (… ‚Diskontinuitäten‘); Lévi-Strauss (MIV / dt: 460 und 642 / MIV / frz: 356 und 492)

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„On constate par ce détour que […] dénommer, c’est classer, donc introduire la discontinuité.“ (MIV / frz: 492.)

(191) Fußnote 108; Lévi-Strauss (ET: 22 / TA: 18, WD: 92 / PS: 100, MIV / dt: 601 / MIV / frz: 462 sowie StAII: 80 / AStII: 81) „[…] écarts différentiels […]“ (TA: 18, PS: 100, MIV / frz: 462 sowie AStII: 81.)

Betreffend Seite 121: (192) Haupttext; Begrifflichkeit und Text vor Fußnotennummer 111 (… ‚wolle‘ (oder für denjenigen, der vom Originaltext herkommt, auch: zu sein ‚beabsichtige‘)); Lévi-Strauss (WD: 253 f. / PS: 290) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (188) angeführte Originalzitation.]

(193) Fußnote 110 b; Bulmer (1970: 1083) „[…] from the vantage point of the particular human community, living in a restricted geographical area, and over a restricted period of time, there are very evident discontinuities in nature, that is, in living flora and fauna; and perception of certain of these is vital to human survival, as indeed it is to the survival of other forms of animal life. And these discontinuities occur most frequently and relevantly between forms which zoologists and botanists regard as species, and which for the most part would always have been regarded as species since zoology and botany became sciences, regardless of the theoretical rationales applied.“ (Bulmer 1970: 1083.)

Betreffend Seite 122: (194) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 113 (… ‚äußersten Grenze‘); Lévi-Strauss (WD: 254 / PS: 290) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (188) angeführte Originalzitation.]

(195) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 115); Aristoteles‚ Metaphysik VII 12, 1038 a 15 f. „καὶ οὕτως αἰεὶ βούλεται βαδίζειν ἕως ἂν ἔλθη εἰς τὰ ἀδιάφορα.“ (Aristoteles‚ Metaphysik VII 12, 1038 a 15 f.)

Betreffend Seite 124: (196) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 119 (… ‚totalisierendes‘); Lévi-Strauss (WD: 282 / PS: 324) „La pensée sauvage est totalisante […].“ (PS: 324.)

(197) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 120 (… Ein Problem wird vom ‚wilden‘ Denken nicht separiert, sondern als homolog zu anderen Problemen

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gedacht, zu Problemen, die sich in anderen Bereichen, auch anderen Seinsbereichen, stellen.) und Fußnotennummer 121 (… Dem ‚wilden‘ Denken als dem Ausdruck einer Weltanschauung, die sich einer normativen Totalität verpflichtet fühlt, kommt ein je gegebenes Problem als ein per se in umfassenden Bezügen stehendes vor den Blick; es operationalisiert und traktiert dieses im Bewußtsein seiner selbstverständlichen, allseitigen wie allzeitigen Eingebundenheit; mit ihm zieht es – der Intention nach – immer auch alle anderen in Betracht); Lévi-Strauss (Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194) „Le propre du mythe, c’est, confronté à un problème, de le penser comme l’homologue d’autres problèmes qui se posent sur d’autres plans: cosmologique, physique, moral, juridique, social, etc. Et de rendre compte de tous ensemble.“ (Eribonfrz: 194.)

Betreffend Seite 124 f.: (198) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 122 (… „sich mit keiner Teilantwort zufriedenzugeben“) und Fußnotennummer 123 (… „nach Erklärungen zu streben, die die Gesamtheit der Phänomene umschließen“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) bzw. (Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194) „On pourrait aussi chercher à définir le mythe par opposition à d’autres formes de tradition orale: légende, conte … Mais ces distinctions ne sont jamais nettes. Peutêtre ces formes ne jouent-elles pas exactement le même rôle dans les cultures, mais elles sont produites par le même esprit, et l’analyste ne peut s’interdire de les exploiter ensemble. En quoi consiste cet esprit? Je l’ai dit, à l’opposé de la méthode cartésienne, par un refus de diviser la difficulté, ne jamais accepter de réponse partielle, aspirer à des explications englobant la totalité des phénomènes.“ (Eribonfrz: 193 f.)

Betreffend Seite 125: (199) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 124 (… „daß man, solange man nicht alles versteht, nichts erklären kann“); Lévi-Strauss (MB: 29 / MM: 17) „To say that a way of thinking is disinterested and that it is an intellectual way of thinking does not mean at all that it is equal to scientific thinking. Of course, it remains different in a way, and inferior in another way. It remains different because its aim is to reach by the shortest possible means a general understanding of the universe – and not only a general but a total understanding. That is, it is a way of thinking which must imply that if you don’t understand everything, you don’t explain anything. This is entirely in contradiction to what scientific thinking does, which is to proceed step by step, trying to give explanations for very limited phenomena, and then going on to other kinds of phenomena, and so on. As Descartes had already said, scientific thinking aimed to divide the difficulty into as many parts as were necessary in order to solve it.“ (MM: 17.)

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(200) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 125 (… „wir uns an diese oder jene Naturwissenschaft oder an Recht, Moral, Religion, Kunst [wenden]“); Lévi-Strauss (Eribondt: 164 / Eribonfrz: 157) [Vgl. hierzu die zweite der unten, unter Nummer (204) angeführten Originalzitationen.]

(201) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 126 (… Für eine an der Idee der Ganzheitlichkeit orientierte Weltanschauung bestehen zwischen all diesen Bereichen kontinuierliche Übergänge); Lévi-Strauss (WD: 162 / PS: 182) „Les sociétés que nous appelons primitives ne conçoivent pas qu’il puisse exister un fossé entre les divers niveaux de classification; elles se les représentent comme les étapes, ou les moments, d’une transition continue.“ (PS: 182.)

(202) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 127 (… „nicht im Absoluten“) und Fußnotennummer 128 (… „lediglich ‚positional‘“); Lévi-Strauss (ETö: 313 / PJ: 258) bzw. (Ebd. / Ebd.) „On n’ira pas chercher dans les mythes ou dans les rêves un signifié ‚vrai‘. Les mythes, peut-être aussi les rêves, mettent en œuvre une pluralité de symboles dont aucun pris à part ne signifie quelque chose. Ils n’acquièrent une signification que dans la mesure où s’établissent entre eux des rapports. Leur signification n’existe pas dans l’absolu; elle est seulement ‚de position‘.“ (PJ: 257 f.)

(203) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 129 (… stellungsbedingt); LéviStrauss (WD: 159 / PS: 178) „En effet, tous les niveaux de classification offrent un caractère commun: quel que soit celui que la société considérée met en avant, il faut qu’il autorise – et même qu’il implique – le recours possible à d’autres niveaux, analogues d’un point de vue formel au niveau privilégié, et qui ne diffèrent que par leur position relative au sein d’un système global de référence opérant au moyen d’une paire de contrastes: entre général et spécial d’une part, entre nature et culture d’autre part.“ (PS: 178 f.)

(204) Fußnote 124; Lévi-Strauss (WD: 201 / PS: 228 sowie Eribondt: 164 / Eribonfrz: 157) „Pour une pensée fondée sur l’opération dichotomique, le principe du tout ou rien n’a pas seulement une valeur heuristique, il exprime une propriété de l’être: tout offre un sens, sinon rien n’a de sens.“ (PS: 228.) „[…] une des différences essentielles entre la manière dont nous réfléchissons et la manière dont ces peuples réfléchissent, c’est notre besoin de morceler. Nous avons appris cela de Descartes: diviser la difficulté en autant de parcelles qu’il est requis pour la mieux résoudre. La pensée des peuples dits primitifs récuse ce morcellement. Une explication ne vaut qu’à condition d’être totale. Quand nous cherchons la solution d’un problème particulier, nous nous adressons à telle ou telle discipline scientifique ou bien au droit, à la morale, à la religion, à l’art … Pour les peuples qu’étudient les ethnologues, tous ces domaines sont liés. Aussi chaque expression de la vie collective constitue ce que Mauss appelait un fait social total. Elle met simultanément en cause tous ces aspects.“ (Eribonfrz: 157 f.)

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(205) Fußnote 130; Lévi-Strauss (WD: 251 / PS: 287) „Comme l’ont montré nos exemples, dans tous les cas, un axe (qu’il est commode d’imaginer vertical) supporte la structure. Il unit le général au spécial, l’abstrait au concret; mais, que ce soit dans un sens ou dans l’autre, l’intention classificatrice peut toujours aller jusqu’à son terme. Celui-ci se définit en fonction d’une axiomatique implicite pour qui tout classement procède par paires de contrastes: on s’arrête seulement de classer quand vient le moment où il n’est plus possible d’opposer. A proprement parler par conséquent, le système ignore les échecs. Son dynamisme interne s’amortit au fur et à mesure que la classification progresse le long de son axe, soit dans l’une ou dans l’autre direction. Et quand le système s’immobilise, ce n’est ni en raison d’un obstacle imprévu résultant des propriétés empiriques des êtres ou des choses, ni parce que son mécanisme serait grippé: c’est qu’il a achevé sa course, et pleinement rempli sa fonction.“ (PS: 287.)

(206) Fußnote 131; Lévi-Strauss (WD: 159 / PS: 179) und (ebd. / ebd.) „L’erreur des tenants du totémisme fut de découper arbitrairement un niveau de classification: celui formé par référence aux espèces naturelles, et de lui donner la valeur d’une institution.“ (PS: 179.)

Betreffend Seite 126: (207) Haupttext; Begriffe vor Fußnotennummer 136 (… ‚Umkehrbarkeit‘ bzw. ‚Konvertibilität‘); Lévi-Strauss (ebd.: 93 / ebd.: 101 bzw. MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38, ETö: 298 / PJ: 245, et passim) „Le principe logique est de toujours pouvoir opposer des termes, qu’un appauvrissement préalable de la totalité empirique permet de concevoir comme distincts. Comment opposer est, par rapport à cette exigence première, une question importante, mais dont la considération vient après. Autrement dit, les systèmes de dénomination et de classement, communément appelés totémiques, tirent leur valeur opératoire de leur caractère formel: ce sont des codes, aptes à véhiculer des messages transposables dans les termes d’autres codes, et à exprimer dans leur système propre les messages reçus par le canal de codes différents. L’erreur des ethnologues classiques a été de vouloir réifier cette forme, de la lier à un contenu déterminé, alors qu’elle se présente à l’observateur comme une méthode pour assimiler toute espèce de contenu. Loin d’être une institution autonome, définissable par des caractères intrinsèques, le totémisme ou prétendu tel correspond à certaines modalités arbitrairement isolées d’un système formel, dont la fonction est de garantir la convertibilité idéale des différents niveaux de la réalité sociale.“ (PS: 100 f.) „Max Müller et son école ont eu l’immense mérite de découvrir et de déchiffrer en partie le code astronomique qu’utilisent souvent les mythes. Leur erreur, celle aussi de tous les mythologues de cette époque et d’autres plus récents, fut de vouloir comprendre les mythes au moyen d’un code unique et exclusif, alors qu’il y en a toujours plusieurs à l’œuvre simultanément. Le mythe ne se laisse réduire par aucun code pris en particulier et il ne résulte pas non plus de l’addition de plusieurs. Il faudrait plutôt dire qu’un groupe de mythes constitue par lui-même un code d’une puissance supérieure à chacun de ceux qu’il utilise pour chiffrer des messages multiples. Véritable ‚intercode‘ – si l’on nous passe ce néologisme – il permet la convertibilité réciproque

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de ces messages selon des règles dont le répertoire demeure immanent aux différents systèmes qui, par son opération, laissent émerger une signification globale et distincte des leurs.“ (MIV / frz: 38.) „Aucun langage, astronomique, sexuel ou autre, ne véhicule un ‚meilleur‘ sens. La vérité du mythe, écrivais-je dans Le Cru et le cuit (p. 246 [dt. S. 310; H.M.S.]), n’est pas dans un contenu privilégié: ‚Elle consiste en rapports logiques dépourvus de contenus ou, plus exactement, dont les propriétés invariantes épuisent la valeur opératoire puisque des rapports comparables peuvent s’établir entre un grand nombre de contenus différents.‘ Un code n’est pas plus vrai qu’un autre: l’essence ou, si l’on veut, le message du mythe repose sur la propriété qu’ont tous les codes, en tant que codes, d’être mutuellement convertibles.“ (PJ: 245.)

(208) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 137 (… Weder im einen noch im anderen Falle bezeugt die Verwendung der genannten Codes exklusive Präferenzen); Lévi-Strauss (WD: 159 / PS: 178) „Nous avons déjà établi que les croyances et coutumes hétérogènes, arbitrairement rassemblées sous l’étiquette du totémisme, ne reposent pas sur l’idée d’un rapport substantiel entre un ou plusieurs groupes sociaux et un ou plusieurs domaines naturels. Elles s’apparentent à d’autres croyances et pratiques, directement ou indirectement liées à des schémes classificatoires permettant de saisir l’univers naturel et social sous forme de totalité organisée. Les seules distinctions qu’on puisse introduire entre tous ces schèmes se ramènent à des préférences, qui ne sont jamais exclusives, pour tel ou tel niveau de classification.“ (PS: 178.)

(209) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 138 (… weder im einen noch im anderen Fall steht ihre Verwendung für bevorzugte Inhalte); Lévi-Strauss (MI / dt: 310 / MI / frz: 246 bzw. ETö: 297 f. / PJ: 245) [Vgl. hierzu erneut die dritte bzw. letzte der oben, unter Nummer (207) angeführten Originalzitationen.]

(210) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 139 (… „wahre[n] ‚Intercode‘“); Lévi-Strauss (MIV / dt: 45 / MIV / frz: 38) [Vgl. hierzu erneut die zweite der oben, unter Nummer (207) angeführten Originalzitationen.]

(211) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 140 (… „mehrdimensionalen Logiken“); Lévi-Strauss (WD: 80 / PS: 86) „Il est probable que le nombre, la nature, et la ‚qualité‘ de ces axes logiques ne sont pas les mêmes selon les cultures, et qu’on pourrait classer celles-ci en plus riches et en plus pauvres, d’après les propriétés formelles des systèmes de référence auxquels elles font appel, pour édifier leurs structures de classification. Mais, même les moins douées sous ce rapport opèrent avec des logiques à plusieurs dimensions, dont l’inventaire, l’analyse et l’interprétation exigeraient une richesse d’informations ethnographiques et générales qui font trop souvent défaut.“ (PS: 85 f.)

(212) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 142 (… „lokalen Logiken“); Lévi-Strauss (WD: 188 / PS: 213) „Il n’est pas nécessaire, par conséquent, que la logique du système coïncide en tous points avec l’ensemble des logiques locales qui s’y trouvent insérées. Cette logique

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générale peut être d’un autre ordre; elle se définira alors par le nombre et la nature des axes utilisés, par les règles de transformation permettant de passer de l’un à l’autre, enfin, par l’inertie propre du système, c’est-à-dire sa réceptivité, plus ou moins grande selon les cas, à l’égard des facteurs immotivés. Les classifications prétendues totémiques, les croyances et les pratiques qui s’y rattachent, ne sont qu’un aspect ou qu’un mode de cette activité systématique générale.“ (PS: 213.)

(213) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 143 (… Aspekte bzw. Modi einer allgemeinen systematischen Tätigkeit); Lévi-Strauss (ebd.: 189 / ebd.: 213) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (212) angeführte Originalzitation.]

(214) Fußnote 141; Lévi-Strauss (Eribondt: 203 / Eribonfrz: 194 f.) [Eribon:] „[…] dans les mythes que vous analysez, on est frappé par l’omniprésence de la sexualité et du cortège de violences qui l’accompagne.“ [Lévi-Strauss:] „Cela nous frappe parce que cet aspect tient une grande place dans notre propre système de valeurs et dans notre vie sociale. Notez toutefois qu’un mythe ne traitera jamais un problème relevant de la sexualité en lui-même et pour luimême, isolé de tous les autres. Il s’appliquera à montrer que ce problème est formellement analogue à d’autres problèmes que les hommes se posent au sujet des corps célestes, de l’alternance du jour et de la nuit, de la succession des saisons, de l’organisation sociale, des relations politiques entre groupes voisins … La pensée mythique, confrontée à un problème particulier, le met en parallèle avec d’autres. Elle utilise simultanément plusieurs codes.“ (Eribonfrz: 194 f.)

(215) Fußnote 141; Lévi-Strauss (WD: 163 / PS: 185) „Tous les documents rassemblés aux chapitres I et II se conjuguent avec ces exemples, pour établir la fréquence de taxinomies zoologiques et botaniques qui ne constituent pas des domaines séparés, mais qui font partie intégrante d’une taxinomie globale et dynamique dont la structure parfaitement homogène – puisqu’elle consiste en dichotomies successives – garantit l’unité.“ (PS: 183 und 185.)

Betreffend Seite 127: (216) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 148 (… das zweite der von Descartes im ‚Discours de la Méthode‘ formulierten methodischen Prinzipien: die Regel der Zerlegung (= Analyse).); Descartes (Discours, 1637: 31 bzw. 30). „Die zweite [Vorschrift besagte; H.M.S.], jedes Problem, das ich untersuchen würde, in so viele Teile zu teilen, wie es angeht und wie es nötig ist, um es leichter zu lösen.“ (Descartes, Discours, 1637: 31.) „Le second [précepte était; H.M.S.] de diviser chacune des difficultés que j’examinerais, en autant de parcelles qu’il se pourrait, et qu’il serait requis pour les mieux résoudre.“ (Descartes, Discours, 1637: 30.)

(217) Fußnote 149; Lévi-Strauss (MB: 29 / MM: 17) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (199) angeführte Originalzitation.]

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(218) Fußnote 149; Lévi-Strauss (Eribondt: 202 / Eribonfrz: 194) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (198) angeführte Originalzitation.]

(219) Fußnote 151; Lévi-Strauss (WD: 173 / PS: 195) „La démarche analytique, qui permet de passer des catégories aux éléments et des éléments aux espèces, se prolonge donc par une sorte de démembrement idéal de chaque espèce, qui rétablit progressivement la totalité sur un autre plan. Ce double mouvement de détotalisation et de retotalisation s’effectue aussi sur un plan diachronique […].“ (PS: 195.)

Betreffend Seite 128: (220) Fußnote 152; Lévi-Strauss (MB: 29 f. / MM: 17 und Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195) „So this totalitarian ambition of the savage mind is quite different from the procedures of scientific thinking. Of course, the great difference is that this ambition does not succeed. We are able, through scientific thinking, to achieve mastery over nature – I don’t need to elaborate that point, it is obvious enough – while, of course, myth is unsuccessful in giving man more material power over the environment. However, it gives man, very importantly, the illusion that he can understand the universe and that he does understand the universe. It is, of course, only an illusion.“ (MM: 17.)

Betreffend Seite 129: (221) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 157); Lévi-Strauss (WD: 78 f. / PS: 84) „[…] la plante pousse à côté d’une plante médicinale plus importante; une de ses parties ressemble à une partie du corps humain; l’odeur de la plante est ‚comme il faut‘ (ou le toucher, ou la saveur); la plante colore l’eau ‚comme il faut‘; la plante est associée à un animal (comme sa nourriture, ou par contact, ou par communauté d’habitat); elle a été révélée par les dieux; quelqu’un en a enseigné l’usage; on l’a cueillie près d’un arbre foudroyé; elle guérit une certaine maladie, donc elle est bonne aussi pour une maladie analogue ou affectant le même organe, etc.“ (PS: 84.)

Betreffend Seite 130: (222) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 158 (… „das dem [der] Naturforscher und Geheimwissenschaftler der Antike und des Mittelalters nahesteht“); Lévi-Strauss (WD: 55 / PS: 57) „Jamais et nulle part, le ‚sauvage‘ n’a sans doute été cet être à peine sorti de la condition animale, encore livré à l’empire de ses besoins et de ses instincts, qu’on s’est trop souvent plu à imaginer, et, pas davantage, cette conscience dominée par l’affec-

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tivité et noyée dans la confusion et la participation. Les exemples que nous avons cités, les autres qu’on aurait pu leur joindre, témoignent en faveur d’une pensée rompue à tous les exercices de la spéculation, proche de celle des naturalistes et des hermétiques de l’antiquité et du moyen âge: Galien, Pline, Hermès Trismégiste, Albert le Grand … De ce point de vue, les classifications ‚totémiques‘ sont probablement moins loin qu’il ne semble de l’emblématisme végétal des Grecs et des Romains, s’exprimant par le moyen de couronnes d’olivier, de chêne, de laurier, d’ache, etc.; ou de celui qui se pratiquait encore dans l’Église médiévale où, selon la fête, on jonchait le chœur de foin, de jonc, de lierre, ou de sable.“ (PS: 57 f.)

(223) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 160 (… ‚biologische Entitäten‘) und vor Fußnotennummer 161 (… ‚begriffliche Werkzeuge mit zahlreichen Möglichkeiten‘; Lévi-Strauss (WD: 174 / PS: 196) bzw. (ebd. / ebd.) „On voit donc qu’en aucun cas, l’animal, le ‚totem‘, ou son espèce, ne peut être saisi comme entité biologique; par son double caractère d’organisme – c’est-à-dire de système – et d’émanation d’une espèce – qui est un terme dans un système – l’animal apparaît comme un outil conceptuel aux multiples possibilités, pour détotaliser et pour retotaliser n’importe quel domaine, situé dans la synchronie ou la diachronie, le concret ou l’abstrait, la nature ou la culture.“ (PS: 196.)

(224) Fußnote 161 a; Lévi-Strauss (ebd.: 69 / ebd.: 73) und (ebd. / ebd.) „Il ne suffit pas d’identifier avec précision chaque animal, chaque plante, pierre, corps céleste ou phénomène naturel évoqués dans les mythes et le rituel – tâches multiples auxquelles l’ethnographe est rarement préparé – il faut aussi savoir quel rôle chaque culture leur attribue au sein d’un système de significations.“ (PS: 73.)

(225) Fußnote 162 a; Lévi-Strauss (ET: 22, 116 und 131 / TA: 18, 128 und 145, WD: 128 f., 150 und 161 f. / PS: 143, 168 und 181) „Le monde animal et le monde végétal ne sont pas utilisés seulement parce qu’ils sont là, mais parce qu’ils proposent à l’homme une méthode de pensée.“ (TA: 18.) „Les différences entre les animaux, que l’homme peut extraire de la nature et passer au compte de la culture (soit en les décrivant sous forme d’oppositions et de contrastes, donc en les conceptualisant, soit en prélevant des parties concrètes mais non périssables: plumes, becs, dents – ce qui constitue également une ‚abstraction‘), sont assumées comme emblèmes par des groupes d’hommes, afin de dénaturer leurs propres ressemblances.“ (PS: 143.) „Ce n’est donc pas la même chose, d’introduire une diversité (socialement) constituante au sein d’une seule espèce naturelle: l’espèce humaine, ou de projeter sur le plan social la diversité (naturellement) constituée des espèces végétales et animales. Les sociétés à groupes totémiques et à sections exogamiques ont beau croire qu’elles réussissent à jouer le même jeu, avec des espèces qui sont différentes et avec des femmes qui sont identiques. Elles ne prennent pas garde que, les femmes étant identiques, il dépend vraiment de la volonté sociale de les rendre différentes, tandis que les espèces étant différentes, nul ne peut les rendre identiques, c’est-à-dire toutes passibles du même vouloir: les hommes produisent d’autres hommes, ils ne produisent pas des autruches.“ (PS: 168.)

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Betreffend Seite 131: (226) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 163 (… „die Namen von Tieren, Pflanzen oder gefertigten Gegenständen tragen“); Lévi-Strauss (WD: 78 / PS: 83) „[…] qui portent des noms animaux, végétaux, ou d’objets manufacturés […].“ (PS: 83.)

(227) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 164); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.: 83 f.) „Sont en relation de plaisanterie chez les Luapula les clans suivants: léopard et chèvre, parce que l’un mange l’autre; champignon et termitière, parce que l’un pousse sur l’autre; bouillie et chèvre, parce qu’on préfère manger la bouillie accompagnée de viande; éléphant et argile, parce que jadis les femmes, au lieu de façonner les pots, découpaient dans le sol les empreintes de pieds d’éléphants, et utilisaient ces formes naturelles en guise de récipients; la termitière, et le serpent ou l’herbe, parce que l’herbe y pousse bien et que les serpents s’y cachent; le fer et tous les clans ‚animaux‘, parce qu’il les tue. Des raisonnements du même type permettent de définir une hiérarchie des clans: le léopard est supérieur à la chèvre, le fer aux animaux, et la pluie au fer, car elle le rouille; d’ailleurs, le clan de la pluie est supérieur à tous les autres, car, sans pluie, les animaux mourraient de faim et de soif; il serait impossible de faire de la bouillie (nom de clan), de la poterie (nom de clan), etc.“ (PS: 83 f.)

(228) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 165 (… ‚Logiken des Konkreten‘); Lévi-Strauss (ebd.: 82 / ebd.: 88) „Une autre difficulté tient à la complication naturelle des logiques concrètes, pour qui le fait de la liaison est plus essentiel que la nature des liaisons; sur le plan formel, elles font, si l’on peut dire, flèche de tout bois.“ (PS: 88.)

(229) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 166 (… ‚praktisch-theoretische Logiken‘); Lévi-Strauss (ebd.: 92 / ebd.: 100) „Comme on vient de le voir, les logiques pratico-théoriques qui régissent la vie et la pensée des sociétés appelées primitives sont mues par l’exigence d’écarts différentiels.“ (PS: 100.)

(230) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 167 (… Ihrer logischen Kraft gelingt nicht nur die Ordnung von Krankheiten und Heilmitteln); Lévi-Strauss (ebd.: 192 / ebd.: 217) „La grille ‚spécifique‘ est si peu liée aux catégories sociologiques qu’elle sert parfois, notamment en Amérique, pour ordonner un domaine aussi limité que celui des maladies et des remèdes.“ (PS: 217.)

(231) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 168 (… oder die Organisation soziologischen Materials); Lévi-Strauss (ebd.: 92 / ebd.: 100) „L’exemple théorique que nous avons discuté au chapitre précédent montre comment un système quelconque d’écarts différentiels – dès lors qu’il offre le caractère de système – permet d’organiser une matière sociologique travaillée par l’évolution histo-

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rique et démographique, et qui consiste donc en une série théoriquement illimitée de contenus différents.“ (PS: 100.)

(232) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 169 (… sondern auch die Lösung so unterschiedlicher Aufgaben wie die der Organisation des Raums); LéviStrauss (ebd.: 193 / ebd.: 218 f.) „Les catégories spécifiques et les mythes qui s’y rattachent peuvent aussi servir à organiser l’espace, et on observe donc une extension territoriale et géographique du système classificatoire.“ (PS: 218 f.)

(233) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 170 (… oder der Integration der Geschichte); Lévi-Strauss (ebd.: 281 / ebd.: 323) „Les systèmes classificatoires permettent […] d’intégrer l’histoire; même et surtout, celle qu’on pourrait croire rebelle au système.“ (PS: 323.)

(234) Fußnote 171; Lévi-Strauss (BF: 44 / RE: 41) „[…] si la sélection permet aux espèces vivantes de s’adapter à un milieu naturel ou de mieux résister à ses transformations, quand il s’agit de l’homme, ce milieu cesse d’être naturel au premier chef; il tire ses caractères distinctifs de conditions techniques, économiques, sociales et mentales qui, par l’opération de la culture, créent à chaque groupe humain un environnement particulier.“ (RE: 41.)

Betreffend Seite 132: (235) Fußnote 174; Horton (1967: 50) ‚Part I. From Tradition to Science‘ „The first part of this paper seeks to develop an approach to traditional African thought already sketched in several previous contributions to this journal. My approach to this topic is strongly influenced by the feeling that social anthropologists have often failed to understand traditional religious thought for two main reasons. First, many of them have been unfamiliar with the theoretical thinking of their own culture. This has deprived them of a vital key to understanding. For certain aspects of such thinking are the counterparts of those very features of traditional thought which they have tended to find most puzzling. Secondly, even those familiar with theoretical thinking in their own culture have failed to recognise its African equivalents, simply because they have been blinded by a difference of idiom. Like Consul Hutchinson wandering among the Bubis of Fernando Po, they have taken a language very remote from their own to be no language at all. My approach is also guided by the conviction that an exhaustive exploration of features common to modern Western and traditional African thought should come before the enumeration of differences. By taking things in this order, we shall be less likely to mistake differences of idiom for differences of substance, and more likely to end up identifying those features which really do distinguish one kind of thought from the other.“ (Horton 1967: 50.)

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Betreffend Seite 133: (236) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 175 (… wird von Lévi-Strauss verschiedentlich der Eindruck erzeugt, als sei das ‚wilde‘ Denken aufgrund einer speziell ihm eigenen Arbeitsweise dazu in der Lage, mehreres und vor allem Heterogenes gleichzeitig zu leisten.); Lévi-Strauss (WD: 78 und 79 / PS: 83 und 84 f. oder Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195) „Les difficultés intrinsèques sont d’une autre nature. Elles ne proviennent pas de notre ignorance des caractères objectivement retenus par la pensée indigène, pour établir une connexion entre deux ou plusieurs termes, mais de la nature polyvalente de logiques qui font simultanément appel à plusieurs types formels de liaisons.“ (PS: 83.) „Ces exemples complètent ceux qui précèdent en montrant que de telles logiques travaillent simultanément sur plusieurs axes.“ (PS: 84 f.) [Vgl. zu Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195 erneut die oben, unter Nummer (214) angeführte Originalzitation.]

(237) Fußnote 178; Lévi-Strauss (Eribondt: 203 / Eribonfrz: 195) [Lévi-Strauss:] „[…] La pensée mythique, confrontée à un problème particulier, le met en parallèle avec d’autres. Elle utilise simultanément plusieurs codes.“ [Eribon:] „C’est une explication par problèmes successifs.“ [Lévi-Strauss:] „Sans jamais en résoudre aucun. C’est la similitude qu’offrent entre eux tous ces problèmes qui donne l’illusion qu’on peut les résoudre, dès lors qu’on prend conscience que la difficulté perçue dans un cas ne l’est pas, ou pas au même point dans d’autres. […].“ (Eribonfrz: 195.)

Betreffend Seite 135: (238) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 184); Lévi-Strauss (WD: 58 / PS: 59) „Les classifications indigènes ne sont pas seulement méthodiques et fondées sur un savoir théorique solidement charpenté. Il arrive aussi qu’elles soient comparables, d’un point de vue formel, à celles que la zoologie et la botanique continuent d’utiliser.“ (PS: 59.)

(239) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 188 (… „nicht übertrieben“); Lévi-Strauss (WD: 60 / PS: 62) „Il n’est donc pas excessif de dire, comme le fait l’auteur de ces observations, que la distribution des plantes et des animaux, ainsi que des nourritures et matières premières qui en dérivent, offre une certaine ressemblance avec une classification linnéenne simple. (Thomson, pp. 165-167.)“ (PS: 62 f.)

(240) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 189); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.: 62 f.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (239) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 138: (241) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 198); Lévi-Strauss (WD: 162 / PS: 182) „Les Hanunóo du sud des Philippines divisent l’univers en êtres qui peuvent ou ne peuvent pas être nommés. Les êtres nommés se distinguent en choses, ou bien en personnes et en animaux. Quand un Hanunóo prononce le mot ‚plante‘, il exclut donc que la chose dont il parle soit une pierre ou un objet manufacturé. La classe ‚plante herbacée‘ exclut à son tour d’autres classes de plantes, telle que celle de ‚plante ligneuse‘, etc. Parmi les plantes herbacées, la locution ‚plant de piment‘ est différentielle par rapport à: ‚plant de riz‘, etc. ‚Piment domestique‘ exclut ‚piment sauvage‘, et ‚piment chili domestique‘ exclut ‚piment vert domestique‘; enfin ‚pénis-de-chat‘ précise qu’il s’agit d’un individu ne relevant pas des 5 autres variétés ou taxa, distinguées par la culture indigène au sein du groupe des piments domestiques.“ (PS: 182.)

(242) Fußnote 195; Conklin (1962: 141) und (ebd.: 120) „The work on which most of this paper is based has been supported by the National Science Foundation. A number of students and other friends have offered constructive criticism of an earlier draft of this statement. For especially helpful and more detailed comments I am particularly indepted to Y. R. Chao, David Crabb, Arthur Danto, C. O. Frake, Paul Friedrich, W. H. Goodenough, J. H. Greenberg, Einar Haugen, P. F. Lazarsfeld, F. G. Lounsbury, and Volney Stefflre.“ (Conklin 1962: 141.) „In the course of several years of linguistic and ethnographic field work among the Hanunóo in the Philippines, it became abundantly evident that […]. Had I not modified this procedure, I would have ended up with […].“ (Conklin 1962: 120.)

Betreffend Seite 143: (243) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 212); Lévi-Strauss (WD: 163 / PS: 183) „En effet, les classes recouvrant des catégories linnéennes (plant de piment: Capsicum sp., piment domestique: Capsicum annuum L., piment sauvage: Capsicum frutescens L.) ne se situent, ni au même niveau, ni du même côté du système dichotomique. Surtout, le domaine de la botanique scientifique ne se présente pas isolé de celui de la botanique populaire, telle que la pratiquent le jardinier et la ménagère; et il n’est pas davantage isolé des catégories du philosophe et du logicien. Situé à mi-chemin entre les deux autres, il permet de passer de l’un à l’autre, et de conceptualiser chaque niveau à l’aide d’un code emprunté à un autre niveau.“ (PS: 183.)

Betreffend Seite 145: (244) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 214 (… ‚Arbeitsweise‘) und Zitation vor Fußnotennummer 215 (… „die durch eine Reihe von Dichotomien dargestellt werden [könne]“); Lévi-Strauss (WD: 162 / PS: 182) bzw. (Ebd. / Ebd.)

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„Ce mode opératoire, représentable par une série de dichotomies, a été caractérisé comme suit: […].“ (PS: 182.)

Betreffend Seite 148: (245) Fußnote 224; Wabel (1995: 737) „Gegen die von Zweifel an den Grundlagen von Leben und Sprechen geprägten Versuche künstlich konstruierter Vergewisserung stellt Wittgenstein die im täglichen Umgang mit Sprache bewährte Gewißheit über das, was jeweils gesagt und verstanden wird und in den täglichen Sprachformen gegeben ist. ‚[W]ie selbstverständlich ist doch das Gegebene. […] Dieses Selbstverständliche, das Leben, soll etwas Zufälliges, Nebensächliches sein; dagegen etwas, worüber ich mir normalerweise nie den Kopf zerbreche, das Eigentliche!‘ (TS 213, S. 429).11 Damit kritisiert er die Auffassung, als sei hinter dem, was jemand sagt, noch das zu suchen, was er damit meint, als sei das Verstehen eine eigenartige, in jedem Vorgang sprachlicher Äußerung mitschwingende, von den äußeren Anzeichen der Verständigung zu unterscheidende Größe.“ (Wabel 1995: 737.)

Betreffend Seite 150: (246) Fußnote 230; Koepping (ebd.: 221 und 236) „In this essay I shall firstly point to some aspects in the phenomenology of Husserl which have a direct bearing on the main method used in the field of socio-cultural anthropology which is considered an indispensible tool of the trade: participant observation. It is my contention that the requirement of field-work for modern anthropologists implicitly contains a mental as well as an existential attitude which is proposed by Husserl in his postulate of phenomenological reduction. The curious fact remains that anthropologists have in practice used the method of participant observation since the beginning of this century but have given little thought to its epistemological foundations or its implications for their theories on culture.“ (Koepping 1976: 221.) „If we do not put too much emphasis on Husserl’s understanding of ‚essence‘ we can claim that anthropologists indeed follow the phenomenological procedure, though Husserl never spelled it out as I have above, nor have anthropologists availed themselves of the phenomenological framework.“ (Koepping 1976: 236.)

Betreffend Seite 160: (247) Fußnote 279; Koepping (ebd.: 234) „[…] the emic and the etic categories have to be taken into consideration together: no amount of pure description can replace the ordering process to which we are commit-

___________ 11

‚TS‘ steht hier für (das sogenannte) ‚Big Typescript‘ (H.M.S.).

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ted, but the ordering of pure structures without the content is also meaningless. Content and context have to go together.“ (Koepping 1976: 234.)

Betreffend Seite 161: (248) Fußnote 285; Koepping (1976: 232) „[…] the double bind of cognitive professionalism versus existential involvement […].“ (Koepping 1976: 232.)

(249) Fußnote 286 a; Koepping (1976: 237) „[…] the fragile balance between commitment and detachment, between passionate involvement and hermeneutic reporting. […]“ (Koepping 1976: 237.)

Betreffend Seite 163: (250) Fußnote 292 c; Winch (ebd.: 93) und (ebd.: 102) „Zande notions of witchcraft do not constitute a theoretical system in terms of which Azande try to gain a quasi-scientific understanding of the world. This in its turn suggests that it is the European, obsessed with pressing Zande thought where it would not naturally go – to a contradiction – who is guilty of misunderstanding, not the Zande. The European is in fact committing a category-mistake.“ (Winch 1964: 93.) „It may be true, as MacIntyre says, that the Azande do not have the categories of science and non-science. But Evans-Pritchard’s account shows that they do have a fairly clear working distinction between the technical and the magical. It is neither here nor there that individual Azande may sometimes confuse the categories, for such confusions may take place in any culture. A much more important fact to emphasize is that we do not initially have a category that looks at all like the Zande category of magic. Since it is we who want to understand the Zande category, it appears that the onus is on us to extend our unterstanding so as to make room for the Zande category, rather than to insist on seeing it in terms of our own ready-made distinction between science and non-science.“ (Winch 1964: 102.)

Betreffend Seite 165: (251) Fußnote 300 b; Koepping (1976: 240) „[…] I do not see an unbridgable gap between hermeneutic and phenomenological interpretation and a critical social science: as scientist I cannot support my valuejudgments, as human being I am entitled, even compelled, to make a choice between the ‚struggle of world-views‘.“ (Koepping 1976: 240.)

(252) Fußnote 302 b; Wax (1971: 11) „What is understanding? Understanding, as here used, does not refer to a mysterious empathy between human beings. Nor does it refer to an intuitive or rationalistic as-

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cription of motivations. Instead, it is a social phenomenon – a phenomenon of shared meanings.“ (Wax 1971: 10 f.)

Betreffend Seite 167: (253) Fußnote 307; Koepping (1976: 236) „To do justice to their professional aims, anthropologists should indeed bracket. That is not enough: they also must be interpreters for the natives and for the members of their own life-world. […] This mode of bracketing and interpreting is central to anthropology, and by extension to all social sciences. A constant switching of frames of reference, of levels of reality, occurs in the various contexts as follows: (i) the native gives his interpretation of the world (not ‚raw data‘); (ii) the researcher has to find the ‚typical‘ in diverse native view-points; (iii) the researcher is placed in a typical frame of reference by his job; (iv) the native categorizes the researcher in a specific frame; (v) the native’s point of view is given back to the native; (vi) the native’s view is transmitted to the world of meaning of the researcher’s fellow-citizens. There are logically many more possibilities and permutations for the interplay of different horizons, since the presence of the participant observer clearly changes the reality-horizon of the native society, and the next researcher will get under item (v) a view-point that is possibly mediated by the earlier researcher and by what the native has made of it. A systematic correlation of all possible cognitive shifts would virtually be impossible.“ (Koepping 1976: 236 f.)

Betreffend Seite 173: (254) Motto; Lévi-Strauss (im Gespräch mit Didier Eribon) „Depuis le moment où j’ai commencé à écrire Le Totémisme et La Pensée sauvage jusqu’à la fin des Mythologiques, j’ai vécu entouré de livres de botanique, de zoologie …“ (Eribonfrz: 156.)

(255) Fußnote 321; Lévi-Strauss (ETö: 325 / PJ: 268) „[…] la signification ou le surplus de signification à quoi l’on vise n’appartient pas en propre au nouveau mot, à la nouvelle chaîne ou au nouvel ensemble. La signification résulte de leur mise en rapport avec l’autre mot, l’autre chaîne, l’autre ensemble qu’ils complètent plutôt qu’ils ne le remplacent, afin que ce rapprochement enrichisse, nuance le champ sémantique auquel ils appartiennent au même titre, ou bien précise ses limites.“ (PJ: 267 f.)

Betreffend Seite 174: (256) Fußnote 325; Lévi-Strauss (WD: 161 / PS: 181, außerdem Eribondt: 162 / Eribonfrz: 156)

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„Il est frappant en effet, que, pour expliquer la diversité des espèces, la biologie moderne s’oriente vers des schémas qui ressemblent à ceux de la théorie de la communication. Nous ne pouvons pas nous avancer sur un terrain où les problèmes échappent à la compétence de l’ethnologue. Mais s’il était vrai que, comme des biologistes l’admettent, les quelque 2 millions d’espèces vivantes dussent être interprétées, dans leur diversité anatomique, physiologique et éthologique, en fonction de formules chromosomiques dont chacune se réduirait à une périodicité distinctive dans la distribution de 4 termes sur la chaîne moléculaire, alors nous tiendrions peut-être la raison profonde de la signification privilégiée, reconnue par l’homme à la notion d’espèce. Nous comprendrions comment cette notion peut fournir un mode d’appréhension sensible d’une combinatoire objectivement donnée dans la nature, et que l’activité de l’esprit, et la vie sociale elle-même, ne font que lui emprunter pour l’appliquer à la création de nouvelles taxinomies. De cette fascination exercée toujours et partout sur les hommes par la notion d’espèce et dont le mystère serait ainsi dévoilé, la fascination obscure, exercée par le totémisme sur la pensée des ethnologues, ne constituerait plus qu’un cas particulier.“ (PS: 181.) „Je n’ai, hélas, aucune compétence en matière scientifique. Mais les sciences de la nature traditionnelles – zoologie, botanique, géologie –, m’ont toujours fasciné, comme une terre promise où je n’aurai pas la faveur de pénétrer.“ (Eribonfrz: 156.)

Betreffend Seite 207: (257) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 477 (… ‚prä-evolutionären‘); Simpson (1961: 50) „Linnaeus, Buffon (1707-1788), and some other pre-evolutionary taxonomists […].“ (Simpson 1961: 50.)

Betreffend Seite 214: (258) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 524 (… ‚objektive Realität der Diskontinuitäten des genetischen Codes‘); Lévi-Strauss (MIV / dt: 795 / MIV / frz: 605) „Avec la découverte du code génétique, nous pouvons aujourd’hui mettre une réalité objective derrière cette exigence théorique d’un principe de discontinuité, à l’œuvre dans les travaux de la nature comme dans les constructions de l’esprit, pour restreindre la gamme illimitée des possibles. C’est seulement dans un univers mythique, nous enseignent les récits indigènes […] que les espèces vivantes purent exister en si grand nombre que les écarts distinctifs entre elles étaient rendus indiscernables. Et si les mythes eux-mêmes se plient, pour ce qui les concerne, à une semblable exigence de discontinuité, c’est, en définitive, parce qu’en restituant à l’univers sensible des propriétés qui lui appartenaient déjà, mais dont ils ne pouvaient encore soupçonner le fondement objectif, ils ne faisaient rien d’autre que généraliser les procès d’engendrement de la pensée dévoilés à celle-ci quand elle s’exerce, et qui sont ici et là les mêmes parce que la pensée, et le monde qui l’englobe et qu’elle englobe, sont deux manifestations corrélatives d’une même réalité.“ (MIV / frz: 605.)

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(259) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 525 (… „in den Werken der Natur wie in den Konstruktionen des Geistes wirkt, um die unbegrenzte Skala des Möglichen einzuschränken“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (258) angeführte Originalzitation.]

(260) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 526 (… auch nur unter Vorbehalt zuzustimmen.); Lévi-Strauss (WD: 161 f. / PS: 181) [Vgl. hierzu erneut die erste der oben, unter Nummer (256) angeführten Originalzitationen.]

Betreffend Seite 216: (261) Fußnote 528; Lévi-Strauss (MB: 31 / MM: 19) „[…]. People who are without writing have a fantastically precise knowledge of their environment and all their resources. All these things we have lost, but we did not lose them for nothing; we are now able to drive an automobile without being crushed at each moment, for example, or in the evening to turn on our television or radio. This implies a training of mental capacities which ‚primitive‘ peoples don’t have because they don’t need them. I feel that, with the potential they have, they could have changed the quality of their mind, but it would not be needed for the kind of life and relationship to nature that they have. You cannot develop all the mental capacities belonging to mankind all at once. You can only use a small sector, and this sector is not the same according to the culture. […].“ (MM: 19.)

Betreffend Seite 219: (262) Fußnote 535; Lévi-Strauss (StAI: 129 ff. / AStI: 127 ff.) „Considérons à présent la société prétendue ‚archaїque‘, non par rapport à d’autres, mais dans sa structure interne. Un spectacle singulier nous attend: cette structure abonde en discordances et en contradictions. L’exemple des Nambikwara est particulièrement démonstratif à cet égard, car cette famille linguistique, dispersée sur un territoire grand comme la moitié de la France, offre un des niveaux de culture les plus primitifs qu’on puisse rencontrer aujourd’hui dans le monde. Certaines au moins de ses bandes sont complètement ignorantes de la construction d’habitations permanentes et de la poterie; le tissage et le jardinage sont réduits à leur plus simple expression; et la vie nomade, par groupes de cinq ou six familles temporairement unies sous la conduite d’un chef sans autorité véritable, semble entièrement dominée par les exigences de la collecte des produits sauvages et le souci de ne pas mourir de faim. Or, au lieu de la belle simplicité qu’on pourrait attendre de techniques si rudimentaires et d’une organisation si pauvre, la culture Nambikwara multiplie les énigmes. […] Pour le moment, l’essentiel est d’aider l’ethnologie à se dégager du résidu philosophique que le terme de ‚primitif‘ traîne encore derrière lui. Une véritable société primitive devrait être une société harmonieuse, puisqu’elle serait, en quelque sorte, une société en tête à tête avec soi. Nous avons vu, au contraire, que dans une vaste région du monde, à bien des égards privilégiée pour notre étude, celles qui pourraient

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sembler le plus authentiquement archaїques sont toutes grimaçantes de discordances où se découvre la marque, impossible à méconnaître, de l’événement.“ (AStI: 127 f. et 132.)

Betreffend Seite 222: (263) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 546 (… zusätzliche Interpretation der Lévi-Strauss’schen Argumentation als des Versuchs, ein eigenständiges, alternatives Wissenschaftsparadigma zu etablieren); Lévi-Strauss (WD: 27 / PS: 24) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (148) angeführte Originalzitation.]

(264) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 547 (… stipuliert Lévi-Strauss den Ausdruck ‚bricolage‘, also ‚Bastelei‘); Lévi-Strauss (Ebd.: 29 / Ebd.: 26) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (146) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 223: (265) Fußnote 550 a; Lévi-Strauss (Eribondt: 160 / Eribonfrz: 154) „Je voulais montrer qu’il n’y a pas un fossé entre la pensée des peuples dits primitifs et la nôtre. Quand, dans nos propres sociétés, on notait des croyances ou coutumes étranges et qui heurtaient le sens commun, on les expliquait comme des vestiges ou des survivances de formes de pensée archaïque. Il m’apparaissait au contraire que ces formes de pensée sont toujours présentes, vivantes, parmi nous. Nous leur donnons souvent libre cours. Elles coexistent avec des formes de pensée qui se réclament de la science; elles sont contemporaines au même titre.“ (Eribonfrz: 154.)

Betreffend Seite 224: (266) Untertext; Text vor Fußnotennummer 554 (… die jeweils unterschiedlichen Wahrnehmungszustände einer komplexen Datenmasse); Simpson (1961: 5) „Taxonomy, in any case, is a science that is most explicitly and exclusively devoted to the ordering of complex data, and in this respect it has a special, a particularly aesthetic (as has been said), and (as might be said) almost a superscientific place among the sciences.“ (Simpson 1961: 5.)

(267) Untertext; Text vor Fußnotennummer 555 (… so wird diesem eine den Ordnungsakt ermöglichende Funktion, ein diesbezüglich kreatives Potential zugeschrieben.); Simpson (ebd.: Fußnote) „It is not a real contradiction that the most creative scientists are frequently just those not only willing to accept the existence of disorder but also positively attracted to it.

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The evident reason is that the recognition of disorder is an opportunity and in fact a necessary preliminary for the creative act of ordering.“ (Simpson 1961: 5; Fußnote.) [Vgl. für Simpsons genaue Plazierung dieser Fußnote in seinem Text erneut die oben, unter Nummer (185) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 225: (268) Untertext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 561 (… ‚Gefühl der Ohnmacht‘); Lévi-Strauss (WD: 255 / PS: 292) „L’erreur de Comte, et de la plupart de ses successeurs, fut de croire que l’homme a pu, avec quelque vraisemblance, peupler la nature de volontés comparables à la sienne, sans prêter à ses désirs certains attributs de cette nature en laquelle il se reconnaissait; car s’il avait débuté par le seul sentiment de son impuissance, celui-ci ne lui aurait jamais fourni un principe d’explication.“ (PS: 291 f.)

(269) Fußnote 562 a; Lévi-Strauss (BF: 44 / RE: 41) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (234) angeführte Originalzitation.]

(270) Fußnote 562 b; Horton (1967: 156) „Where the established tenets have an absolute and exclusive validity for those who hold them, any challenge to them is a threat of chaos, of the cosmic abyss, and therefore evokes intense anxiety. With developing awareness of alternatives, the established theoretical tenets come to seem less absolute in their validity, and lose something of their sacredness. At the same time, a challenge to these tenets is no longer a horrific threat of chaos.“ (Horton 1967: 156.)

Betreffend Seite 226: (271) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 565 (… „Inspiration eines neuen Humanismus“); Lévi-Strauss (EM: 23 / IM: XXIX) „La place éminente de l’ethnographie dans les sciences de l’homme, qui explique le rôle qu’elle joue déjà dans certains pays, sous le nom d’anthropologie sociale et culturelle, comme inspiratrice d’un nouvel humanisme, provient de ce qu’elle présente sous une forme expérimentale et concrète ce processus illimité d’objectivation du sujet, qui, pour l’individu, est si difficilement réalisable. Les milliers de sociétés qui existent ou ont existé à la surface de la terre sont humaines, et à ce titre nous y participons de façon subjective: nous aurions pu y naître et pouvons donc chercher à les comprendre comme si nous y étions nés. Mais en même temps, leur ensemble, par rapport à l’une quelconque d’entre elles, atteste la capacité du sujet de s’objectiver dans des proportions pratiquement illimitées, puisque cette société de référence, qui ne constitue qu’une infime fraction du donné, est elle-même toujours exposée à se subdiviser en deux sociétés différentes, dont une irait rejoindre la masse énorme de ce qui, pour l’autre, est et sera toujours objet, et ainsi de suite indéfiniment. Toute société différente de la nôtre est objet, tout groupe de notre propre société, autre que

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celui dont nous relevons, est objet, tout usage de ce groupe même, auquel nous n’adhérons pas, est objet.“ (IM: XXIX.)

Betreffend Seite 229: (272) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 574 (… ‚Die Logik des Konkreten‘); Lévi-Strauss (StAII: 82 / AStII: 83) „[…] l’anthropologie collabore modestement à l’élaboration de cette logique du concret qui semble être un des soucis majeurs de la pensée moderne, et qui nous rapproche, plus qu’elle ne nous éloigne, de formes de pensée en apparence très étrangères à la nôtre. Celles-ci ne peuvent plus être décrites comme prélogiques. Elles sont autrement logiques, mais seulement dans la mesure où la pensée occidentale a été longtemps dominée par une logique trop étroite.“ (AStII: 83.)

(273) Fußnote 573 a; Lévi-Strauss (WD: 29 / PS: 26) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (146) angeführte Originalzitation.]

(274) Fußnote 574; Lévi-Strauss (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (272) angeführte Originalzitation.]

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung Betreffend Seite 240: (275) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 33); Lévi-Strauss (BA: 18 / SB: 18) „Comme la plupart de mes contemporains, je n’évaluais pas en 1935 l’ampleur du cataclysme, celui-là d’origine interne, que, vingt et un ans auparavant, l’Europe avait eu la folie de déclencher avec la Première Guerre mondiale, et qui allait la condamner au déclin. Sa puissance semblait toujours intacte, sa domination morale sur le reste du monde assurée. C’étaient les malheureuses cultures exotiques, menacées par l’expansion occidentale, à la défense desquelles mes collègues ethnologues et moi pensions devoir nous consacrer.“ (SB: 18.)

(276) Fußnote 33 b; Lévi-Strauss (LOu) „Paris, le 26 mars 1968. Lettre ouverte à son Excellence le général Arthur Costa e Silva, Président de la République du Brésil. Monsieur le Président, Des ethnologues français ou étrangers résidant en France prennent la liberté de s’adresser à vous, pour vous exprimer l’émotion profonde et le désespoir qu’ils ressentent

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en apprenant par la presse les conclusions de l’enquête récente incriminant le Service de Protection des Indiens. Sans doute sommes-nous conscients du fait que, depuis le début de l’ère coloniale, de tels crimes furent et continuent d’être la responsabilité de l’humanité entière, et qu’il n’appartient aux ressortissants d’aucun pays de s’ériger en juges privilégiés des actes commis par ceux d’un autre. Chaque fois qu’une fraction de l’humanité se trouve exploitée, opprimée, massacrée par de plus forts et plus puissants qu’elle, c’est l’homme même, et donc chacun de nous en particulier, qu’il convient de mettre en accusation. Cependant, les ethnologues se sentent liés de façon toute spéciale à ces petits groupes indigènes qui, au prix de souffrances indicibles, ont su maintenir jusqu’à nous le haut exemple d’une humanité consciente de sa modestie, respectueuse d’autres formes sociales et d’un équilibre raisonnable avec toutes les manifestations de la nature et de la vie. Par leur attachement tenace à des modes d’existence qui furent ceux de l’humanité pendant des dizaines ou des centaines de millénaires, ces peuples ne nous donnent pas seulement une haute leçon morale. Ils nous offrent par leur sacrifice l’unique chance de connaître notre nature véritable, avant que le tourbillon de la civilisation mécanique qui nous emporte ne l’ait défigurée à jamais. Du fait que de telles sociétés subsistent encore au Brésil, votre pays, Monsieur le Président, n’est pas lié envers elles par un simple devoir de charité. Il est comptable envers l’humanité tout entière du message sacré qu’elles détiennent et qu’aussi longtemps qu’elles n’auront pas librement décidé de changer leur destin, nous devons rester en mesure d’écouter. Le châtiment des coupables, que requiert à juste titre la conscience universelle, ne servirait à rien s’il n’offrait à chacun de nous l’occasion solennelle de rentrer en nous-mêmes et de comprendre qu’à défaut de respecter l’homme dans ses formes de vue les plus humbles, dans les croyances et les usages qui peuvent nous paraître les plus choquants et les plus étrangers, c’est l’humanité elle-même que nous déshonorons et que nous exposons aux plus graves périls. Nous vous prions d’agréer, Monsieur le Président, l’assurance de nos sentiments de haute et déférente considération.“ (LOu.)

(277) Fußnote 33 b; Lévi-Strauss (Eribondt: 232 / Eribonfrz: 221) [Lévi-Strauss:] „[…] permettez-moi de dire que j’interviens souvent dans des affaires sur lesquelles je crois à tort ou à raison être compétent. Mais je n’éprouve pas le besoin de le crier sur les toits.“ [Eribon:] „Par exemple?“ [Lévi-Strauss:] „La défense et la protection des cultures amérindiennes. Je suis allé, l’an dernier, avec une délégation, au cabinet du ministre des Départements d’OutreMer pour parler de la Guyane.“ (Eribonfrz: 221.)

(278) Fußnote 33 c; Geertz (1967: 30 f.) „Like Rousseau, Lévi-Strauss’ search is not after all for men, whom he doesn’t much care for, but for Man, with whom he is enthralled. It is, as much in La Pensée Sauvage as in Tristes Tropiques, the jewel in the lotus he is after. The ‚unshakable basis of human society‘ is not really social at all but psychological – a rational, universal, eternal, and thus (in the great tradition of French moralism) virtuous mind.“ (Geertz 1967: 30 f.)

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(279) Fußnote 33 c; Koepping (1984: 217) „Bastian zeigt sich genauso wie Lévi-Strauss erschrocken über das für beide unabdingbar scheinende Aussterben der sogenannten Primitivkulturen, jedoch ist dieses Erschrecken weniger auf humanistische oder humanitäre Gründe zurückzuführen, oder gar auf eine vielleicht von einer Naturrechtsphilosophie abgeleitete Überzeugung des Rechts auf Gleichheit der Chancen zum Überleben eines jeden spezifischen kulturellen Musters, sondern dieses Erschrecken scheint ganz einfach die Angst eines Briefmarken- oder Schmetterlingssammlers zu sein, noch nicht alle Formen und Farben vorgefunden zu haben, katalogisiert und eingeordnet, auf Papier gebracht zu haben.“ (Koepping 1984: 217.)

Betreffend Seite 241: (280) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 35 (… Argument einer der abendländischen Zivilisation anzulastenden ‚Zerstörung‘ unzähliger Kulturen); LéviStrauss (SB: 18 / BA: 18) „Les choses ont bien changé depuis. Devenue sa propre victime, c’est au tour de la civilisation occidentale de se sentir menacée. Elle a, dans le passé, détruit d’innombrables cultures dont la diversité faisait la richesse de l’humanité. Détentrice pour ce qui la concerne d’une fraction de cette richesse collective, affaiblie par des dangers venus du dehors et du dedans, elle laisse oublier ou se détruire son héritage qui, autant que les autres, valait d’être chéri et respecté.“ (SB: 18.)

Betreffend Seite 249: (281) Abgesetztes Zitat; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 51 (… Aristotelischen ‚zoon logon echon‘); Aristoteles, Politik 1253 a „Nun ist aber einzig der Mensch unter allen animalischen Wesen mit der Sprache begabt.“ (Aristoteles, Politik 1253 a.) „[…] λόγον δὲ μόνον ἄνθρωπος ἔχει τῶν ζῴων […].“ (Aristoteles, Politik 1253 a.)

Betreffend Seite 255: (282) Fußnote 66 b; Lévi-Strauss (TT: 379 f. / TrTr: 444 f.) „L’enquête archéologique ou ethnographique montre que certaines civilisations, contemporaines ou disparues, ont su ou savent encore résoudre mieux que nous des problèmes, bien que nous soyons appliqués à obtenir les mêmes résultats. Pour me limiter à un exemple, c’est seulement depuis quelques années que nous avons appris les principes physiques et physiologiques sur lesquels repose la conception du vêtement et de l’habitation des Eskimo, et comment ces principes, méconnus par nous, leur permettent de vivre dans des conditions climatiques rigoureuses, et non pas l’accoutumance ou une constitution exceptionnelle. Cela est si vrai qu’on a compris en même temps pourquoi les prétendus perfectionnements apportés par les explorateurs

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au costume eskimo se sont révélés plus qu’inopérants: contraires au résultat escompté. La solution indigène était parfaite; pour nous en convaincre, il nous manquait seulement d’avoir pénétré la théorie qui la fonde.“ (TrTr: 444 f.)

(283) Fußnote 66 b; Lévi-Strauss (StAII: 385 / AStII: 399) „L’agriculture sans terre, depuis peu à l’ordre du jour, a été pratiquée pendant plusieurs siècles par certains peuples polynésiens […].“ (AStII: 399.)

(284) Fußnote 66 b; Lévi-Strauss (BF: 396 f. / RE: 367) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (293) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 260: (285) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 79 (… auch unterschiedliche Probleme zuzuordnen.); Lévi-Strauss (BF: 55 / RE: 51) „[…] la notion de culture pose immédiatement deux problèmes qui sont, si j’ose dire, ceux de son emploi au singulier et au pluriel. Si la culture – au singulier et même, éventuellement, avec une majuscule – est l’attribut distinctif de la condition humaine, quels traits universels inclut-elle, et comment définira-t-on sa nature? Mais si, d’autre part, la culture se manifeste seulement sous les formes prodigieusement diverses qu’illustrent, chacune à sa façon, les 4000 ou 5000 sociétés qui existent ou ont existé sur la terre et sur lesquelles nous possédons des informations utiles, ces formes sontelles toutes équivalentes en dépit des apparences, ou sont-elles passibles de jugements de valeur qui, dans l’affirmative, retentiront inévitablement sur le sens de la notion elle-même?“ (RE: 51.)

(286) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 80 (… „die durch Urteilsfähigkeit und Geschmack bereicherte und aufgeklärte Lebensführung“); Lévi-Strauss (Eribondt: 240 / Eribonfrz: 229) „Il ne faut pas confondre deux sens du mot culture. Dans son acception générale, culture désigne l’enrichissement éclairé du jugement et du goût. Dans le langage technique des anthropologues, c’est autre chose; selon la définition classique de Tylor que je peux réciter tant elle est pour nous essentielle, ‚les connaissances, croyances, art, morale, droit, coutumes, et toutes autres aptitudes ou habitudes acquises par l’homme en tant que membre de la société‘. Dans la culture prise au second sens, tout est objet d’étude: les productions qu’au premier sens du terme on jugera les plus basses comme les plus nobles.“ (Eribonfrz: 229.)

Betreffend Seite 261: (287) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 84); Lévi-Strauss (Eribondt: 240 / Eribonfrz: 229) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (286) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 262: (288) Fußnote 86; Lévi-Strauss (BellourI / dt: 79 / BellourI / frz: 37 f.) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (507) angeführte Originalzitation.]

(289) Fußnote 87; Lévi-Strauss (BF: 396 ff. / RE: 366 ff.) „Qu’est-ce au juste qu’un créateur? Faut-il prendre ce terme dans un sens objectif ou subjectif? Le créateur est-il celui qui, de manière absolue, innove, ou celui qui éprouve de la joie à créer pour son compte, même si ce qu’il fait, d’autres l’ont fait avant ou le font aussi bien que lui?“ (RE: 366.)

Betreffend Seite 263 f.: (290) Haupttext; Textverbund vor den Fußnotennummern 92 und 93 (… Kreativität im erstgenannten (‚objektiven‘) Sinne …; … Kreativität im zweitgenannten (‚subjektiven‘) Sinne …); Lévi-Strauss (BF: 396-398 / RE: 366-368) „En voulant faire de nos enfants des créateurs, souhaitons-nous seulement que, comme le sauvage ou le paysan des âges pré-industriels, il sache faire par lui-même ce que son voisin fait aussi, mais dans le respect de normes fixées une fois pour toutes, ou lui demandons-nous quelque chose de plus? On réserverait alors le nom de création à ce qui, sur le plan matériel ou spirituel, représente une innovation véritable. Les grands novateurs sont, certes, nécessaires à la vie et à l’évolution des sociétés: outre qu’un tel talent pourrait – mais nous n’en savons rien – avoir des bases génétiques (excluant qu’il existe à l’état latent chez tout le monde), on doit aussi s’interroger sur la viabilité d’une société qui voudrait que tous ses membres fussent des novateurs. Il apparaît fort douteux qu’une telle société puisse se reproduire et moins encore progresser, car elle s’emploierait d’une manière permanente à dissiper son acquis.“ (RE: 367.)

Betreffend Seite 264: (291) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 95); Lévi-Strauss (BF: 397 / RE: 367) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (290) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 265: (292) Fußnote 96; Lévi-Strauss (BF: 398 / RE: 368) „Il me souvient de l’exaltation de deux jeunes Américaines au cours d’un séjour en France, à la campagne, quand il leur fut révélé que la vanille est une gousse, et qu’à partir d’un œuf on peut faire soi-même une mayonnaise. Pour elles, ces substances et leurs saveurs respectives relevaient jusqu’alors d’un répertoire anonyme, formé de sachets et de boîtes au contenu desquels elles attribuaient, à quelques dosages

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près, une même uniformité d’origine. Soudain des connexions insoupçonnées s’établissaient dans leur univers mental, elles se sentaient réintégrées dans un devenir historique. En accomplissant d’humbles gestes, elles prenaient part à une création.“ (RE: 368.)

Betreffend Seite 265 f.: (293) Fußnote 97; Lévi-Strauss (BF: 396 f. / RE: 367) „Qu’on ne parle pas là d’une imitation instinctive: les plus humbles techniques des prétendus primitifs font appel à des opérations manuelles et intellectuelles d’une grande complexité qu’il faut avoir comprises et apprises, et qui, chaque fois qu’on les exécute, réclament de l’intelligence, de l’initiative et du goût. N’importe quel arbre n’est pas propre à faire un bois d’arc, ni même n’importe quelle partie de l’arbre; l’exposition du tronc, le moment de l’année ou du mois où on l’abat, ne sont pas indifférents non plus. Les gestes accomplis pour dégrossir, façonner et polir le bois, préparer la fibre destinée à la corde et aux ligatures, enrouler et arrêter celles-ci, tout cela suppose de l’expérience, du flair, du jugement. A ces tâches, l’homme se consacre tout entier, il y investit son savoir, son adresse, sa personnalité; de même pour la potière ou la tisserande. Les différences avec l’ouvrage du voisin peuvent être minimes, indiscernables à l’œil non exercé. Le praticien les remarque, et elles inspirent à leur auteur une légitime fierté.“ (RE: 367.)

Betreffend Seite 266: (294) Fußnote 98; Lévi-Strauss (TT: 168 f. / TrTr: 203) „L’ensemble des coutumes d’un peuple est toujours marqué par un style; elles forment des systèmes. Je suis persuadé que ces systèmes n’existent pas en nombre illimité, et que les sociétés humaines comme les individus – dans leurs jeux, leurs rêves ou leurs délires – ne créent jamais de façon absolue, mais se bornent à choisir certaines combinaisons dans un répertoire idéal qu’il serait possible de reconstituer. En faisant l’inventaire de toutes les coutumes observées, de toutes celles imaginées dans les mythes, celles aussi évoquées dans les jeux des enfants et des adultes, les rêves des individus sains ou malades et les conduites psycho-pathologiques, on parviendrait à dresser une sorte de tableau périodique comme celui des éléments chimiques, où toutes les coutumes réelles ou simplement possibles apparaîtraient groupées en familles, et où nous n’aurions plus qu’à reconnaître celles que les sociétés ont effectivement adoptées.“ (TrTr: 203.)

Betreffend Seite 269: (295) Haupttext; Begrifflichkeit und Text vor Fußnotennummer 105 (… ‚theoretische Problem der Tragweite und Gültigkeit des Kulturbegriffs‘ (so der LéviStrauss’sche Ausdruck)); Lévi-Strauss (StAI: 320 / AStI: 325)

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„Cette collaboration [entre l’ethnologue et le démographe; H.M.S.] peut aider à clarifier un autre problème, celui-là théorique. Il s’agit de la portée et de la validité de la notion de culture, qui a donné lieu à de vives discussions entre ethnologues anglais et américains au cours de ces dernières années. En s’attachant surtout à l’étude de la culture, les ethnologues d’outre-Atlantique n’ont-ils fait – comme l’a écrit RadcliffeBrown – que ‚réifier une abstraction‘? Pour le maître anglais, ‚l’idée de culture européenne est une abstraction, au même titre que celle de culture propre à telle ou telle tribu africaine‘. Rien n’existe que des êtres humains, liés les uns aux autres par une série illimitée de relations sociales […]. ‚Fausse querelle‘, répond Lowie […]. Pas si fausse, cependant, puisque le débat renaît périodiquement. […]. Nous appelons culture tout ensemble ethnographique qui, du point de vue de l’enquête, présente, par rapport à d’autres, des écarts significatifs. Si l’on cherche à déterminer des écarts significatifs entre l’Amérique du Nord et l’Europe, on les traitera comme des cultures différentes; mais, à supposer que l’intérêt se porte sur des écarts significatifs entre – disons – Paris et Marseille, ces deux ensembles urbains pourront être provisoirement constitués comme deux unités culturelles. L’objet dernier des recherches structurales étant les constantes liées à de tels écarts, on voit que la notion de culture peut correspondre à une réalité objective, tout en restant fonction du type de recherche envisagé. Une même collection d’individus, pourvu qu’elle soit objectivement donnée dans le temps et dans l’espace, relève simultanément de plusieurs systèmes de culture: universel, continental, national, provincial, local, etc.; et familial, professionnel, confessionnel, politique, etc. Dans la pratique, pourtant, ce nominalisme ne saurait être poussé jusqu’à son terme. En fait, le terme de culture est employé pour regrouper un ensemble d’écarts significatifs dont l’expérience prouve que les limites coïncident approximativement. Que cette coïncidence ne soit jamais absolue, et qu’elle ne se produise jamais à tous les niveaux à la fois, ne doit pas nous interdire d’utiliser la notion de culture; elle est fondamentale en ethnologie […].“ (AStI: 325 f.)

(296) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 107 (… Radcliffe-Browns Vorwurf der Reifizierung einer Abstraktion); Lévi-Strauss (StAI: 320 / AStI: 325) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

(297) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 108); Lévi-Strauss (StAI: 320 / AStI: 325) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

(298) Fußnote 106; Lévi-Strauss (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 270: (299) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 109); Lévi-Strauss (StAI: 321 / AStI: 325) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

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(300) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 110 (… ‚Nominalismus‘) und Text vor Fußnotennummer 111 (… in der Praxis nicht bis zum Extrem getrieben werden dürfe); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) bzw. (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

(301) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 112); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

(302) Drittes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 113); Lévi-Strauss (StAI: 321 / AStI: 325) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 271: (303) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 116 (… „niemals absolut“) und Fußnotennummer 117 (… „nicht abhalten, den Begriff Kultur zu verwenden“); Lévi-Strauss (StAI: 321 / AStI: 325) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (295) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 272: (304) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 118); Lévi-Strauss (StAII: 373 / AStII: 387) „Nous avons suggéré [cf. pp. 379-380; H.M.S.] que chaque société peut, de son propre point de vue, répartir les cultures en trois catégories: celles qui sont ses contemporaines mais situées en un autre lieu du globe; celles qui se sont manifestées approximativement dans le même espace, mais l’ont précédée dans le temps; celles, enfin, qui ont existé à la fois dans un temps antérieur au sien et dans un espace différent de celui où elle se place.“ (AStII: 387.)

(305) Untertext; Begriff und Zitation vor Fußnotennummer 120 (… ‚Gesellschaft‘ „insbesondere die Beziehungen der Menschen untereinander“) und Fußnotennummer 121 (… ‚Kultur‘ „innerhalb einer gegebenen Form der Zivilisation die Gesamtheit der Beziehungen des Menschen zur Welt“); Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 40 / Charbonnierfrz: 46) bzw. (Ebd.: 39 / Ebd.: 45) „[…] la culture désignant l’ensemble des relations que, dans une forme de civilisation donnée, les hommes entretiennent avec le monde, et la société désignant plus particulièrement les rapports que les hommes entretiennent entre eux.“ (Charbonnierfrz: 45 f.)

(306) Fußnote 119; Lévi-Strauss (ebd.: 367 / ebd.: 382) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (311) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 273: (307) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 125); Lévi-Strauss (MIV 711 / MIV / frz: 543)

/ dt:

„A partir du moment où les hommes ont pénétré sans le savoir en Amérique par les terres émergées qui comblaient le détroit de Bering, ils se sont méthodiquement employés à occuper toute l’étendue du Nouveau Monde, et quelques siècles ont probablement suffi à des bandes capables de marcher plusieurs dizaines de kilomètres par jour, même en tenant compte d’arrêts prolongés pendant des mois ou des années, pour se répartir à des distances plus ou moins considérables les unes des autres, depuis l’Alaska jusqu’à la Terre de Feu.“ (MIV / frz: 543.)

(308) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 126 (… Hypothese); LéviStrauss (EV: 81 / PD: 73) „Au cours des années précédentes, on avait pu repérer et isoler des schèmes mythiques récurrents dans des régions pourtant éloignées des deux Amériques. Sans doute l’ancienne mythographie n’était-elle pas restée aveugle à des ressemblances de ce genre: on sait depuis longtemps qu’il existe des mythes dont la diffusion est panaméricaine, d’autres qui surgissent mystérieusement sous des formes presque identiques aux quatre coins du Nouveau Monde. Mais, en général, on se borne à constater ces ressemblances et, pour en rendre compte, on invoque des phénomènes de diffusion et des emprunts dont la réalité est incontestable dans son principe, sans que l’ignorance où nous sommes des mouvements de population qui ont pu se produire à l’époque précolombienne leur donne une valeur autre que conjecturale.“ (PD: 73.)

(309) Fußnote 123; Lévi-Strauss (Daixdt: 100 / Daixfrz: 7) „Evidemment, cette façon que j’ai de prendre l’Amérique comme un grand laboratoire implique qu’à tout moment de l’histoire vécue de ces groupes, il y ait eu des contacts avec d’autres groupes s’étendant de proche en proche à l’ensemble du continent. L’idée contre laquelle je me rebelle, c’est que chaque population, chaque village puisse constituer un monde clos. Ça n’est jamais un monde clos, car chaque peuple est toujours conscient, averti de la présence à ses frontières d’autres peuples. Il a vis-àvis de ces autres peuples une intense curiosité.“ (Daixfrz: 6 f.)

Betreffend Seite 273 f.: (310) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 127); Lévi-Strauss (MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544) „Au moment où la découverte et la colonisation des deux Amériques allaient, en quelque sorte, foudroyer puis anéantir le devenir historique propre du continent, de tels mouvements de population se produisaient encore et, pendant les premiers siècles, l’arrivée des Blancs les a, selon des cas, prévenus, infléchis ou précipités. En Amérique du Sud, notamment chez les Tupi, ils ont continué par intermittence jusqu’au XXe siècle, et des observateurs qualifiés en furent témoins. Reconnaissons tout cela. Il n’en reste pas moins vrai, en vertu de nos remarques précédentes, qu’observées à un instant quelconque de leur histoire, les deux Amériques, bien qu’aux neuf dixièmes vides (l’Amérique centrale, le Mexique et la zone andine exceptés),

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ont constitué un monde plein. Non pas, sans doute, au sens qu’une démographie devenue étouffante donne à ce terme, mais en tenant compte que de très petits groupes humains, auxquels une technologie rudimentaire impose d’exploiter d’énormes espaces pour la chasse, la collecte, le ramassage et même pour les besoins d’une agriculture itinérante, peuvent les occuper de manière effective en les parcourant sans trêve, même si cette occupation ressemble davantage à la façon dont une quantité infime de gaz se dilate et disperse ses molécules dans le volume entier du ballon où on l’a mise, qu’à l’entassement des individus les uns sur les autres dans des ensembles immobiliers. Malgré leur faible population, les groupes dits primitifs savent exercer activement leur influence sur toute l’étendue d’un territoire, et jusqu’aux limites extrêmes où l’équilibre des forces fait prévaloir celle d’autres groupes. Il en résulte qu’au lieu de concevoir le Nouveau Monde des temps précolombiens comme un espace pratiquement vide au sein duquel, à des centaines de kilomètres les uns des autres, s’éparpillaient des petits noyaux humains isolés, il conviendrait plutôt de se le représenter comme un agrégat compact de grosses cellules peu denses, mais peuplées chacune de façon diffuse dans tout son volume, et dont les parois jointives acquièrent de ce fait une rigidité relative.“ (MIV / frz: 544.)

Betreffend Seite 274: (311) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 128 (… „nordamerikanischen und südamerikanischen Kulturen viele Jahrtausende lang fast völlig von der übrigen Welt abgeschnitten“); Lévi-Strauss (StAII: 368 / AStII: 382) „Sans doute les hommes ont-ils élaboré des cultures différentes en raison de l’éloignement géographique, des propriétés particulières du milieu, et de l’ignorance où ils étaient du reste de l’humanité; mais cela ne serait rigoureusement vrai que si chaque culture ou chaque société était née et s’était développée en isolation de toutes les autres. Or cela n’est jamais le cas, sauf peut-être dans des exemples exceptionnels comme celui des Tasmaniens (et là encore, pour une période limitée). Les sociétés humaines ne sont jamais seules; quand elles semblent le plus séparées, c’est encore sous forme de groupes ou de paquets. Ainsi, il n’est pas exagéré de supposer que les cultures nord-américaines et sud-américaines ont été coupées de presque tout contact avec le reste du monde pendant plusieurs dizaines de milliers d’années. Mais ce gros fragment d’humanité détachée consistait en une multitude de sociétés, grandes et petites, qui avaient entre elles des contacts fort étroits.“ (AStII: 382.)

(312) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 129); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (311) angeführte Originalzitation.]

(313) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 130 (… Existenz kleiner isolierter Völkergruppen zur Zeit der ersten ethnologischen Forschungen); Lévi-Strauss (Daixdt: 92 / Daixfrz: 4) „Quand on a commencé l’étude ethnologique de l’Amérique, elle offrait le spectacle de petites populations isolées, mais rien ne serait plus faux que de croire qu’il en était de même avant l’impact de la colonisation: toutes sortes de mouvements, de contacts et de brassages ont dû se produire.“ (Daixfrz: 4.)

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(314) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 131 (… „Entdeckung und Kolonisierung der beiden Amerika“) und Fußnotennummer 132 (… „dem Kontinent eigentümliche historische Werden“); Lévi-Strauss (MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544) bzw. (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (310) angeführte Originalzitation.]

(315) Drittes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 133); Lévi-Strauss (Daixdt: 100 / Daixfrz: 6) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (309) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 275: (316) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 136 (… „menschlichen Gesellschaften […] niemals voneinander isoliert“); Lévi-Strauss (StAII: 368 / AStII: 382) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (311) angeführte Originalzitation.]

(317) Fußnote 134; Lévi-Strauss (StAII: 367 f. / AStII: 382) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (311) angeführte Originalzitation.]

(318) Fußnote 138; Lévi-Strauss (StAI: 404 / AStI: 414) „[…] l’expansion de la civilisation occidentale, le développement des moyens de communication, la fréquence des déplacements qui caractérisent le monde moderne ont mis l’espèce humaine en mouvement. Il n’y a aujourd’hui pratiquement plus de cultures isolées […].“ (AStI: 414.)

Betreffend Seite 276: (319) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 139); Lévi-Strauss (StAII: 364 / AStII: 378) „Si cette originalité existe – et la chose n’est pas douteuse – elle tient à des circonstances géographiques, historiques et sociologiques, non à des aptitudes distinctes liées à la constitution anatomique ou physiologique des noirs, des jaunes ou des blancs.“ (AStII: 378.)

(320) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 140 (… „durch keine UrsacheWirkung-Relation mit jener anderen zusammen, die biologisch zwischen bestimmten feststellbaren Aspekten der menschlichen Gruppierungen vorhanden ist“); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) „[…] cette diversité intellectuelle, esthétique, sociologique, n’est unie par aucune relation de cause à effet à celle qui existe, sur le plan biologique, entre certains aspects observables des groupements humains […].“ (AStII: 378.)

(321) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 141 (… „ein natürliches Phänomen“) und Fußnotennummer 142 (… „das von den direkten oder indirek-

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ten Beziehungen der Gesellschaften untereinander herrühr[e]“); Lévi-Strauss (StAII: 368 / AStII: 382) bzw. (Ebd. / Ebd.) „Et pourtant, il semble que la diversité des cultures soit rarement apparue aux hommes pour ce qu’elle est: un phénomène naturel, résultant des rapports directs ou indirects entre les sociétés […].“ (AStII: 382.)

(322) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 143); Lévi-Strauss (Ebd. / Ebd.) „Par conséquent, la diversité des cultures humaines ne doit pas nous inviter à une observation morcelante ou morcelée. Elle est moins fonction de l’isolement des groupes que des relations qui les unissent.“ (AStII: 382.)

Betreffend Seite 278: (323) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 148 (… sondern vielmehr der Ebene der Spieltheorie); Lévi-Strauss (StAI: 324 / AStI: 329) „S’il est permis d’espérer que l’anthropologie sociale, la science économique et la linguistique s’associeront un jour, pour fonder une discipline commune qui sera la science de la communication, reconnaissons néanmoins que celle-ci consistera surtout en règles. Ces règles sont indépendantes de la nature des partenaires (individus ou groupes) dont elles commandent le jeu. Comme le dit von Neumann […]: ‚Le jeu consiste dans l’ensemble des règles qui le décrivent.‘ On pourra aussi introduire d’autres notions: partie, coup, choix et stratégie12.“ (AStI: 329.)

(324) Fußnote 145; Lévi-Strauss (MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544) und (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (310) angeführte Originalzitation.]

(325) Fußnote 145; Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(326) Fußnote 146 a; Lévi-Strauss (BF: 162 / RE: 145 f.), (ebd. / ebd.: 146), (ebd. / ebd.) und (ebd. / ebd.) „Chaque culture constitue en traits distinctifs quelques aspects seulement de son milieu naturel, mais nul ne peut prédire lesquels ni à quelles fins. De plus, les matériaux bruts que le milieu naturel offre à l’observation et à la réflexion sont à la fois si riches et si divers que, de toutes ces possibilités, l’esprit n’est capable d’appréhender qu’une fraction. Il s’en sert pour élaborer un système parmi une infinité d’autres également concevables; rien ne prédestine l’un quelconque d’entre eux à un sort privilégié. On se heurte donc, d’entrée de jeu, à un arbitraire d’où résultent des difficultés que l’expérience seule peut trancher. Pourtant, si arbitraire qu’apparaisse le choix des éléments, ceux-ci s’organisent en système et les rapports qui les unissent forment des touts cohérents.“ (RE: 145 f.)

___________ 12 Lévi-Strauss fügt an dieser Stelle folgende Fußnote ein: „Nous avons essayé de le faire ailleurs. Cf. Race et Histoire, Paris, Unesco, 1952.“

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(327) Fußnote 146 b; Lévi-Strauss (MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (346) angeführte Originalzitation.]

(328) Fußnote 146 b; Lévi-Strauss (ebd.: 708 / ebd.: 541) „Du fait que le système global que nous nous sommes employé à restituer est clos, cela revient exactement au même de l’explorer du centre vers la périphérie, ou de la surface vers l’intérieur: de toute façon, sa courbure intrinsèque garantit qu’il sera parcouru dans sa totalité. Dans une situation de ce genre, on ne saurait préciser si l’on descend ou remonte le cours du temps.“ (MIV / frz: 541 f.)

Betreffend Seite 279: (329) Fußnote 150; Lévi-Strauss (DC: 1202) „Voilà la substance d’un travail où je m’efforçai de traiter gravement un sujet grave, et dont on a pu dire qu’il abordait pour la première fois au fond le problème de la diversité des cultures13. Je n’ai pas la naïveté de croire que je l’ai résolu; tout le premier, je reconnais la fragilité de certaines hypothèses, le caractère risqué de l’argumentation, l’absence, trop souvent, de base expérimentale.“ (DC: 1202.)

(330) Fußnote 153 a; Lévi-Strauss (MIV / dt: 712 / MIV / frz: 544 („Wenn wir die Dinge … “) – ebd.: 714 / ebd.: 546 („ … und fortzuschwemmen.“)) „En regardant les choses sous cet angle, il devient concevable que toute création originale en un lieu se répercute par contact direct dans les autres lieux, et qu’une dislocation survenant en un point du système entraîne de proche en proche sa complète réorganisation. La physique des métaux aide à comprendre comment un jeu très faible entre les molécules d’un corps rigide suffit pour que se modifie l’arrangement général sans que l’aspect et les propriétés externes du corps lui-même changent, quand une tension dépassant un certain seuil s’exerce en un point déterminé. Pendant ce temps, il se peut néanmoins que ce corps soit impliqué du dehors dans toutes sortes de procès chimiques ou mécaniques qui modifient sa forme, sa consistance, sa couleur, ses propriétés et les usages auxquels il se prête, mais les deux types de phénomènes ne sont pas du même ordre de grandeur, et ils ne se déroulent pas sur le même plan. Il est grand temps, pour l’ethnologie, de se délivrer de l’illusion créée de toutes pièces par les fonctionnalistes, qui prennent les limites pratiques où les enferme le genre d’études qu’ils préconisent pour des propriétés absolues des objets auxquels ils les appliquent. Ce n’est pas une raison parce qu’un ethnologue se cantonne pendant un ou deux ans dans une petite unité sociale, bande ou village, et s’efforce de la saisir comme totalité, pour croire qu’à d’autres niveaux que celui où la nécessité ou l’opportunité le placent, cette unité ne se dissout pas à des degrés divers dans des ensembles qui restent le plus souvent insoupçonnés. A tout le moins, deux niveaux discrets d’activité doivent être distingués dans la vie des peuples sans écriture. D’une part, ce que nous appellerons le champ des interactions fortes et qui sont celles auxquelles, pour cette raison, on a surtout prêté attention: elles consistent dans les migrations, les épidémies, les révolutions et les guerres, et se font sentir par intermit-

___________ 13 Fußnotenverweis Lévi-Strauss’ auf Georges Balandier (‚Le hasard et les civilisations‘, Cahiers du Sud, no. 319, 1953, p. 505 in fine).

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tence, sous forme de secousses profondes dont les effets sont amples et durables. Mais à côté d’elles, on a trop négligé le champ des interactions faibles qui se produisent à une fréquence beaucoup plus rapide et avec une périodicité très courte, sous la forme des rencontres amicales ou hostiles, des visites et des mariages. Ce sont elles qui maintiennent le champ en agitation permanente. Ce frémissement de la surface sociale fait qu’à chaque instant, des vibrations locales de faible amplitude et douées d’une basse énergie se répercutent de proche en proche jusqu’aux extrémités du champ, indépendamment des changements démographiques, politiques ou économiques qui surviennent moins souvent, agissent plus lentement et à un niveau plus profond […]. Il n’est donc pas contradictoire de reconnaître que chaque population américaine a vécu pour son propre compte une histoire très compliquée, et qu’elle a cherché constamment à neutraliser ces avatars, en remaniant ses mythes dans une mesure compatible avec les contraintes des moules traditionnels auxquels ils devaient toujours s’adapter. Une histoire déjà amortie par ce travail interne réagit au dehors sur des productions similaires, des ajustements s’opèrent ou des oppositions nouvelles s’engendrent, transférant sur d’autres plans le bilan perpétuel des similarités et des contrastes. A l’occasion des rencontres intertribales, des mariages, des transactions commerciales ou des captures guerrières, toutes ces rectifications se déclenchent en chaîne et se propagent à contre-courant, beaucoup plus rapidement que les grands accidents qui scellent le destin des peuples. A peine ébranlé en un point, le système cherche son équilibre en réagissant dans sa totalité, et il le retrouve par le moyen d’une mythologie qui peut être causalement liée à l’histoire en chacune de ses parties mais qui, prise dans son ensemble, résiste à son cours, et réajuste constamment sa propre grille pour qu’elle offre la moindre résistance au torrent des événements qui, l’expérience le prouve, est rarement assez fort pour la défoncer et l’emporter dans son flux.“ (MIV / frz: 544-546.)

(331) Fußnote 153 b; Lévi-Strauss (MIV / dt: 713 / MIV / frz: 544 f.) und (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (330) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 280: (332) Fußnote 157; Lévi-Strauss (Pouillondt: 108 / Pouillonfrz: 15) „[…] les mythes ne se transmettent pas comme des biens matériels dont l’échange ne modifie pas la forme; en passant d’une société à l’autre, les mythes s’infléchissent au voisinage d’infrastructures techno-économiques dont en quelque sorte ils subissent l’attraction et dont il faut tenir compte pour comprendre les écarts différentiels qui se manifestent dans des versions d’un même mythe appartenant à des sociétés voisines ou éloignées.“ (Pouillonfrz: 15.)

Betreffend Seite 281: (333) Motto; Lévi-Strauss (Der Weg der Masken) „Qu’on le sache ou qu’on l’ignore, on ne chemine jamais seul sur le sentier de la création.“ (VMII: 124.)

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(334) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 159); Lévi-Strauss (Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207) [Vgl. hierzu die erste der unten, unter Nummer (412) angeführten Originalzitationen.]

Betreffend Seite 282: (335) Fußnote 164; Lévi-Strauss (StAI: 321 / AStI: 326 sowie StAII: 367 / AStII: 381 f.) „Une société est faite d’individus et de groupes qui communiquent entre eux. Cependant, la présence ou l’absence de communication ne saurait être définie de manière absolue. La communication ne cesse pas aux frontières de la société. Plutôt que de frontières rigides, il s’agit de seuils […].“ (AStI: 326.)

(336) Fußnote 167; Lévi-Strauss (BF: 31 / RE: 30) „La richesse d’une culture, ou du déroulement d’une de ses phases, n’existe pas à titre de propriété intrinsèque […].“ (RE: 30.)

(337) Fußnote 168; Lévi-Strauss (Eribondt: 222 / Eribonfrz: 212) [Eribon:] „En 1988, une société peut-elle être mono-culturelle, étant donné les brassages de populations, les migrations, l’immigration …“ [Lévi-Strauss:] „Mono-culturel ne veut rien dire, parce qu’il n’y a jamais eu de société qui soit telle. Toutes les cultures résultent de brassages, d’emprunts, de mélanges, qui n’ont cessé de se produire, bien que sur des rythmes différents, depuis l’origine des temps. Toutes pluri-culturelles par leur mode de formation, les sociétés ont élaboré chacune au cours des siècles une synthèse original. A cette synthèse, qui constitue leur culture à un moment donné, elles tiennent plus ou moins rigidement. Qu’il y ait aujourd’hui une culture japonaise, une culture américaine, même compte tenu de différences internes, qui peut le nier? Il n’y a pas de pays qui soit plus le produit d’un mélange que les États-Unis, et pourtant, une American way of life existe, à quoi tous les habitants du pays sont attachés quelle que soit leur origine ethnique.“ (Eribonfrz: 212.)

Betreffend Seite 283: (338) Fußnote 174; Lévi-Strauss (Daixdt: 93 f. / Daixfrz: 4, EV: 83 f. / PD: 75 f. sowie Eribondt: 194 / Eribonfrz: 187) „[…] dans cette région de l’Amérique du Nord, des tribus différentes par le dialecte ou même par la langue et la culture et parfois hostiles réussissaient néanmoins à se rassembler pendant plusieurs jours ou semaines dans de grandes foires intertribales. On y échangeait les produits de l’intérieur contre ceux de la côte, ceux du Sud contre ceux du Nord; on y négociait les esclaves capturés à la guerre, mais aussi les transactions matrimoniales.“ (Daixfrz: 4.) „Le cours inférieur du fleuve Columbia n’était pas seulement célèbre pour ses sites de pêche que fréquentaient les tribus les plus diverses au moment de la remontée des

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saumons. Les tribus chinook établies sur les deux rives organisaient des foires et marchés dont le plus important se tenait dans la région des Dalles, là où le fleuve commence la traversée de la chaîne montagneuse des Cascades: lieu de rencontre commode pour les peuples de la côte et de l’intérieur. Là s’échangeaient des peaux, des fourrures, de l’huile et de la farine de poisson, de la viande séchée, des vanneries, des vêtements, des coquillages, des esclaves et des chevaux. Tous ces produits, apportés de distances parfois considérables, changeaient de mains pour repartir dans de nouvelles directions, et souvent vers des marchés secondaires où s’opéraient d’autres transactions. Comment une organisation aussi complexe, où les exigences du commerce international imposaient des relations pacifiques entre les groupes (sauf ceux, plus éloignés, où des expéditions guerrières allaient capturer les esclaves que les conquérants eux-mêmes, ou des peuples jouant le rôle d’intermédiaires, venaient mettre sur le marché), n’aurait-elle pas profondément retenti sur les représentations mythiques?“ (PD: 75 f.) „Partant de mythes qui font de l’invention ou de la découverte de la cuisson des aliments le critère du passage de la nature à la culture, poussé par la logique interne des mythes et me déplaçant de proche en proche, je devais aboutir à des mythes pour lesquels la ligne de démarcation entre la culture et la nature ne passe plus entre le cru et le cuit, mais entre l’acceptation ou le refus des échanges économiques, c’est-à-dire l’acceptation ou le refus d’une vie sociale dépassant les frontières du groupe. Les foires, les marchés, où des peuples même ennemis se rencontrent périodiquement pour échanger des nourritures et des produits de leur industrie, réalisent une forme élaborée de la vie sociale, comparable (et comparée par les intéressés) à cette transformation première qu’une culture solitaire impose à la nature en faisant cuire ses aliments.“ (Eribonfrz: 186 f.)

Betreffend Seite 283 f.: (339) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 170 (… ‚schriftlosen Völker‘), Fußnotennummer 171 (… ‚starken Interaktionen‘) und Fußnotennummer 172 (… ‚schwachen Interaktionen‘), Zitation vor Fußnotennummer 173 (… „bestehen in Migrationen, Epidemien, Revolutionen und Kriegen und machen sich zeitweilig in Form von tiefen Erschütterungen bemerkbar, deren Auswirkungen weitreichend und dauerhaft sind“), Text vor Fußnotennummer 174 (… Ebene der intertribalen Kontakte (in Form von Handelsgeschäften, Besuchen, Heiraten etc.)), Zitation vor Fußnotennummer 175 (… „in einer weit schnelleren Frequenz und mit einer sehr kurzen Periodizität“), Begriff vor Fußnotennummer 176 (… ‚Schwingungen‘), Zitation vor Fußnotennummer 177 (… „das Feld in dauernder Bewegung halten“) und Text vor Fußnotennummer 178 (… eher unmerklichen und graduellen, genau darin aber alles andere als vernachlässigbaren Wandel); Lévi-Strauss (MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545) bzw. (ebd.: 713 f. / ebd.: 545) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (330) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 284: (340) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 179 (… ‚Ereignissen‘); LéviStrauss (BF: 161 / RE: 145) „Il n’existe pas de principe général, de démarche déductive permettant d’anticiper les événements contingents dont est faite l’histoire de chaque société, les caractères particuliers du milieu qui l’environne, les significations imprévisibles qu’elle choisit de donner à tel ou tel événement de son histoire, tel ou tel aspect de son habitat, parmi tous ceux qu’elle aurait bien aussi pu retenir pour leur conférer un sens.“ (RE: 145.)

(341) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 181 (… ‚Übergang‘) und Zitation vor Fußnotennummer 182 (… „von einer Gesellschaft zur anderen“); LéviStrauss (MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562) bzw. (Ebd. / Ebd.) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (346) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 284 f.: (342) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 183 (… „ihre Nachbarn einen ihrer Mythen erzählen hören“) und Fußnotennummer 184 (… „dialektischen Beziehungen zwischen zwei Mythen benachbarter Stämme“), Begriff vor Fußnotennummer 185 (… ‚Bearbeitungen‘) und Zitation vor Fußnotennummer 186 (… „so lange“) und Fußnotennummer 187 (… „bis er ihr eigener wird“); LéviStrauss (BF: 169 / RE: 151) „J’ai simplement esquissé les rapports dialectiques entre deux mythes de tribus voisines, et cette esquisse pourrait être enrichie et précisée. Elle suffira, cependant, pour démontrer que des règles existent, permettant de transformer un mythe dans un autre, et que ces règles compliquées sont néanmoins cohérentes. D’où viennent-elles donc? Nous ne les inventons pas au cours de l’analyse. Mieux vaudrait dire qu’elles se dégagent des mythes. Quand l’analyste parvient à les formuler, elles émergent à la surface, comme manifestations visibles de lois qui gouvernent l’esprit de gens d’une tribu entendant des voisins raconter un de leurs mythes. Ils l’emprunteront peut-être, mais non sans le déformer par l’effet d’opérations mentales dont ils ne sont pas les maîtres. Ils adopteront le mythe pour ne pas se sentir en état d’infériorité, tout en le remaniant consciemment ou inconsciemment jusqu’à ce qu’il devienne le leur. Ces remaniements ne se font pas au hasard. L’inventaire de la mythologie américaine que je poursuis depuis tant d’années montre que des mythes, en apparence très différents, résultent d’un procès de transformation qui obéit à certaines règles de symétrie et d’inversion: les mythes se reflètent les uns les autres selon des axes dont on pourra dresser la liste. Pour rendre compte du phénomène, on est donc obligé de postuler que les opérations mentales obéissent à des lois, dans le sens où l’on parle de lois du monde physique.“ (RE: 151 f.)

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Betreffend Seite 285: (343) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 188 (… „die aus der Beziehung zu einer besonderen Umwelt herrühren“), Begriff vor Fußnotennummer 191 (… ‚mentale‘) und Zitation vor Fußnotennummer 192 (… „die sich stetig und konstant manifestieren, unabhängig von Unterschieden zwischen den Umweltformen“); Lévi-Strauss (BF: 179 / RE: 160) „Tous ces exemples illustrent la façon dont s’articulent les deux déterminismes dont j’ai parlé. L’un impose à la pensée mythique des contraintes résultant du rapport à un milieu particulier; l’autre traduit des exigences mentales qui se manifestent avec constance, indépendamment des différences entre les milieux.“ (RE: 160.)

(344) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 189 (… ‚externer Determinismus‘) und Fußnotennummer 193 (… ‚interner Determinismus‘); LéviStrauss (Daixdt: 96 / Daixfrz: 4) bzw. (Daixdt: 97 / Daixfrz: 4) „[…] un aspect du travail […] c’est de voir comment un motif mythologique se retrouve dans une population voisine dont l’infrastructure est différente, en subissant des transformations qui répondent à un double déterminisme: le déterminisme externe des conditions de vie – il faudra que le motif soit compatible d’une façon ou de l’autre avec le genre d’existence des populations en question – mais, en même temps, qu’il soit cohérent avec le déterminisme interne du mythe, cohérent, par rapport au prototype emprunté à une autre population. La manière dont le motif se transforme dans la deuxième population entraîne sur d’autres plans des transformations homologues qui affectent le récit mythique tout entier.“ (Daixfrz: 4.)

(345) Haupttext; Begriffe vor Fußnotennummer 196 (…‚Infrastruktur‘ / ‚Infrastrukturen‘ und ‚Geist‘); Lévi-Strauss (WD: 154 f. / PS: 173 f.) „Sans mettre en cause l’incontestable primat des infrastructures, nous croyons qu’entre praxis et pratiques s’intercale toujours un médiateur, qui est le schème conceptuel par l’opération duquel une matière et une forme, dépourvues l’une et l’autre d’existence indépendante, s’accomplissent comme structures, c’est-à-dire comme êtres à la fois empiriques et intelligibles. C’est à cette théorie des superstructures, à peine esquissée par Marx, que nous souhaitons contribuer, réservant à l’histoire – assistée par la démographie, la technologie, la géographie historique et l’ethnographie – le soin de développer l’étude des infrastructures proprement dites, qui ne peut être principalement la nôtre, parce que l’ethnologie est d’abord une psychologie. Par conséquent, tout ce que nous prétendons avoir démontré jusqu’à présent est que la dialectique des superstructures consiste, comme celle du langage, à poser des unités constitutives, qui ne peuvent jouer ce rôle qu’à la condition d’être définies de façon non équivoque, c’est-à-dire en les contrastant par paires, pour ensuite, au moyen de ces unités constitutives, élaborer un système, lequel jouera enfin le rôle d’opérateur synthétique entre l’idée et le fait, transformant ce dernier en signe. L’esprit va ainsi de la diversité empirique à la simplicité conceptuelle, puis de la simplicité conceptuelle à la synthèse signifiante.“ (PS: 173 f.)

(346) Fußnote 194; Lévi-Strauss (MIV / dt: 736 / MIV / frz: 562) „On aperçoit ainsi en quoi l’effacement du sujet représente une nécessité d’ordre, pourrait-on dire, méthodologique: il obéit au scrupule de ne rien expliquer du mythe

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que par le mythe et d’exclure, en conséquence, le point de vue de l’arbitre inspectant le mythe par le dehors, et enclin de ce fait à lui trouver des causes extrinsèques. Il faut, au contraire, se pénétrer de la conviction que derrière tout système mythique se profilent, comme facteurs prépondérants qui le déterminent, d’autres systèmes mythiques: ce sont eux qui parlent en lui et se font écho les uns aux autres, sinon à l’infini, au moins jusqu’au moment insaisissable où, voici quelques centaines de milliers d’années et peut-être dira-t-on un jour davantage, l’humanité débutante proféra ses premiers mythes. Cela ne signifie pas qu’à chaque stade de ce développement complexe, le mythe ne s’infléchisse pas, en passant d’une société à l’autre, au voisinage des infrastructures techno-économiques différentes et dont il subit chaque fois l’attraction. Il lui faut s’engrener sur leurs rouages, et nous avons montré à maintes reprises que, pour comprendre les écarts différentiels qui se manifestent dans des versions du même mythe appartenant à des sociétés voisines ou éloignées, il convenait de rendre à l’infrastructure ses droits. Chaque version du mythe trahit donc l’influence d’un double déterminisme: l’un la relie à une succession de versions antérieures ou à un ensemble de versions étrangères, l’autre agit de façon en quelque sorte transversale, par des contraintes d’origine infrastructurelle qui imposent la modification de tel ou tel élément, d’où résulte que le système se réorganise pour accommoder ces différences à des nécessités d’ordre externe.“ (MIV / frz: 561 f.)

Betreffend Seite 285 f.: (347) Fußnote 196; Lévi-Strauss (Pouillondt: 108 / Pouillonfrz: 15) „Chaque version trahit donc l’influence d’un double déterminisme: celui qui la relie aux autres versions, antérieures ou étrangères, et c’est pourquoi j’ai pu dire que derrière tout mythe, c’est toujours un autre mythe qu’on trouve; celui qu’exercent des contraintes infrastructurelles. Mais le second ne contredit pas le premier et n’est pas moins ‚structural‘. Ces contraintes, en effet, jouent non pas selon une causalité mécanique, mais en obligeant le mythe à se réorganiser, à transformer ses relations internes […].“ (Pouillonfrz: 15.)

Betreffend Seite 286: (348) Fußnote 196; Lévi-Strauss (WD: 154 / PS: 173) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (345) angeführte Originalzitation.]

(349) Fußnote 196; Lévi-Strauss (BellourII / dt: 165 f. / BellourII / frz: 359) „Quant à la question du déterminisme, je ne pense pas que Marx lui-même ait jamais conçu un déterminisme rigoureux que aille dans un seul sens: il est clair que quand je me réfère aux infrastructures il s’agit surtout pour moi de souligner qu’il n’y a rien dans la pensée de l’homme qui ne soit pensée du monde, en entendant par monde le monde physique et le monde social pris ensemble.“ (BellourII / frz: 359.)

(350) Fußnote 196; Lévi-Strauss (BF: 164 / RE: 147) „Il résulte des considérations qui précèdent que deux types de déterminisme sont simultanément à l’œuvre dans la vie des sociétés. On ne saurait donc s’étonner que, de

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natures différentes, chacun paraisse arbitraire du point de vue de l’autre. Derrière chaque édifice idéologique, des édifices plus anciens se profilent. Ils continuent de répercuter des échos dont l’origine remonte jusqu’à ce moment idéal où, voici des centaines de milliers d’années et probablement davantage, une humanité balbutiante conçut et proféra ses premiers mythes. Et il est aussi vrai qu’à chaque stade de ce développement complexe, les conditions techniques et économiques prévalentes en un lieu et à un moment déterminés exercent sur l’idéologie un pouvoir d’attraction; elles la gauchissent et la déforment de plusieurs façons. Même si toutes les manières dont l’esprit humain fonctionne dans des sociétés différentes – et, pour chacune, à des moments différents de son histoire – supposent un équipement commun, cette machinerie mentale ne fonctionne pas à vide. Ses rouages s’enclenchent avec d’autres rouages; l’observation ne révèle jamais la part qui revient à chacun, nous constatons seulement les effets de leur interaction.“ (RE: 147.)

(351) Fußnote 196; Lévi-Strauss (ebd.: 163 / ebd.: 146) „Ce que nous observons et devons essayer de décrire, ce sont plutôt des tentatives pour réaliser une sorte de compromis entre, d’une part, certaines orientations historiques et certaines propriétés du milieu, d’autre part des exigences mentales qui, à chaque époque, prolongent celles de même nature qui les ont précédées dans le temps. En s’ajustant l’un à l’autre, ces deux ordres de réalités se fondent et constituent alors un ensemble signifiant.“ (RE: 146.)

(352) Fußnote 196; Lévi-Strauss (ebd.: 179 / ebd.: 160) „Cette articulation réciproque serait difficilement compréhensible si les rapports que l’homme entretient avec le milieu, d’une part, et les contraintes inhérentes au foncionnement de l’esprit, d’autre part, relevaient d’ordres irréductiblement séparés.“ (RE: 160.)

(353) Fußnote 197 a; Lévi-Strauss (Eribondt: 164 ff. / Eribonfrz: 158 ff.) [Eribon:] „Celle [notion; H.M.S.] de ‚transformation‘ tient une place capitale dans vos analyses de La Pensée sauvage, comme ce sera le cas également pour les Mythologiques. A qui l’aviez-vous empruntée? Aux logiciens?“ [Lévi-Strauss:] „Ni aux logiciens ni aux linguistes. Elle me vient d’un ouvrage qui a joué pour moi un rôle décisif et que j’ai lu pendant la guerre aux États-Unis: On Growth and Form, en deux volumes, de D’Arcy Wentworth Thompson, paru pour la première fois en 1917. L’auteur, naturaliste écossais (j’ai écrit ‚anglais‘ par inadvertance dans L’Homme nu), interprétait comme des transformations les différences visibles entre les espèces ou organes animaux ou végétaux au sein d’un même genre. Ce fut une illumination, d’autant que j’allais vite m’apercevoir que cette façon de voir s’inscrivait dans une longue tradition: derrière Thompson, il y avait la botanique de Goethe, et derrière Goethe, Albert Dürer avec son Traité de la proportion du corps humain.“ (Eribonfrz: 158 f.)

(354) Fußnote 197 b; Lévi-Strauss (EV: 221 / PD: 211) „[…] au sens anthropologique du terme, la structure se définit comme un ensemble, formé des rapports entre les éléments d’un système et de leurs transformations. En isolant une population de ses voisines qui soulèvent pourtant des problèmes du même type, Kelly pose la notion de structure sans celle de transformation qui lui est pourtant inhérente.“ (PD: 211.)

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(355) Fußnote 197 b; Lévi-Strauss (Eribondt: 165 / Eribonfrz: 159; ferner WM: 16 / VMI: 34, WM: 84 / VMII: 30 und WM: 130 ff. / VMII: 116 ff.; zuletzt VMTE: 153) „Or, la notion de transformation est inhérente à l’analyse structurale. Je dirais même que toutes les erreurs, tous les abus commis sur ou avec la notion de structure proviennent du fait que leurs auteurs n’ont pas compris qu’il est impossible de la concevoir séparée de la notion de transformation. La structure ne se réduit pas au système: ensemble composé d’éléments et des relations qui les unissent. Pour qu’on puisse parler de structure, il faut qu’entre les éléments et les relations de plusieurs ensembles apparaissent des rapports invariants, tels qu’on puisse passer d’un ensemble à l’autre au moyen d’une transformation.“ (Eribonfrz: 159.) „A toutes ces interrogations, je suis resté incapable de répondre avant d’avoir compris que, pas plus que les mythes, les masques ne peuvent s’interpréter en eux-mêmes et par eux-mêmes, comme des objets séparés. Envisagé au point de vue sémantique, un mythe n’acquiert un sens qu’une fois replacé dans le groupe de ses transformations; de même, un type de masque, considéré du seul point de vue plastique, réplique à d’autres types dont il transforme le galbe et les couleurs en assumant son individualité.“ (VMI: 34.) „Récapitulons, en effet. […]. La preuve est ainsi faite que des êtres en apparence aussi différents que le swaihwé salish et la dzonokwa kwakiutl, que nul n’aurait songé à comparer, ne sont pas interprétables chacun pour son compte et considérés à l’état isolé. Ce sont les pièces d’un système au sein duquel ils se transforment mutuellement. Comme il est vrai des mythes, les masques, avec les mythes qui fondent leur origine et les rites où ils comparaissent, ne deviennent intelligibles qu’à travers les rapports qui les unissent.“ (VMII: 29 f.) „Il serait donc illusoire de s’imaginer, comme tant d’ethnologues et d’historiens de l’art le font encore aujourd’hui, qu’un masque et, de façon plus générale, une sculpture ou un tableau, puissent être interprétés chacun pour son compte, par ce qu’ils représentent ou par l’usage esthétique ou rituel auquel on les destine. Nous avons vu qu’au contraire, un masque n’existe pas en soi; il suppose, toujours présents à ses côtés, d’autres masques réels ou possibles qu’on aurait pu choisir pour les lui substituer. En discutant un problème particulier, nous espérons avoir montré qu’un masque n’est pas d’abord ce qu’il représente mais ce qu’il transforme, c’est-à-dire choisit de ne pas représenter. Comme un mythe, un masque nie autant qu’il affirme; il n’est pas fait seulement de ce qu’il dit ou croit dire, mais de ce qu’il exclut. […] Une des notions les plus pernicieuses que nous ait léguée le fonctionnalisme, et qui tient encore tant d’ethnologues sous son empire, est celle de peuplades isolées, fermées sur elles-mêmes, vivant chacune pour son compte propre une expérience particulière d’ordre esthétique, mythique ou rituel. On méconnaît ainsi qu’avant l’ère coloniale et l’action destructrice à distance que, même dans les régions les mieux protégées, le monde occidental a exercée par ses germes pathogènes et ses produits exportés, ces populations plus nombreuses étaient davantage aussi au coude à coude. A quelques exceptions près, rien de ce qui se passait chez l’une n’était ignoré de ses voisines, et les modalités selon lesquelles chacune s’expliquait et se représentait l’univers étaient élaborées dans un dialogue ininterrompu et véhément.“ (VMII: 116 ff.) „Au praticien de l’analyse structurale, on pose presque toujours la même question: comment, dans la réalité, s’opèrent les transformations mythiques?“ (VM-TE: 153.)

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Betreffend Seite 286 f.: (356) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 198); Lévi-Strauss (BF: 162 / RE: 145 f.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (326) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 287: (357) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 199 (… „vor allem eine empirische Wissenschaft“); Lévi-Strauss (Ebd.: 161 / Ebd.: 145) „L’anthropologie est avant tout une science empirique.“ (RE: 145.)

(358) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 200); Lévi-Strauss (Ebd.: 161 f. / Ebd.) „Chaque culture représente une occurrence unique à laquelle il faut consacrer la plus minutieuse attention pour pouvoir d’abord la décrire, essayer de la comprendre ensuite. Seul cet examen révèle quels sont les faits, et les critères, variables d’une culture à l’autre, en vertu desquels chacune choisit certaines espèces animales ou végétales, certaines substances minérales, certains corps célestes et autres phénomènes naturels, pour les doter d’une signification et mettre en forme logique un ensemble fini d’éléments. L’étude empirique conditionne l’accès à la structure. Car, à supposer que des éléments identiques aient été retenus ici et là, l’expérience prouve que ce put être pour des raisons différentes, et qu’inversement, des éléments différents remplissent parfois la même fonction.“ (RE: 145.)

(359) Drittes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 201); Lévi-Strauss (MI 229 / MI / frz: 181)

/ dt:

„On ne peut jamais postuler l’interprétation: elle doit résulter des mythes eux-mêmes, ou du contexte ethnographique; et, dans toute la mesure du possible, des deux à la fois.“ (MI / frz: 181.)

(360) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 202 (… ‚a posteriori‘); LéviStrauss (WD: 74 / PS: 79 sowie BF: 162 / RE: 146) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (79) angeführte Originalzitation.]

(361) Viertes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 204); Lévi-Strauss (BF: 162 / RE: 146) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (326) angeführte Originalzitation.]

(362) Fußnote 204; Lévi-Strauss (StAII: 214 / AStII: 223) und (ebd. / ebd.) „Le présent travail constitue à sa manière une expérience, puisqu’il est limité à un cas, et que les éléments isolés par l’analyse y figurent dans plusieurs séries de variations concomitantes. Si cette expérience a pu contribuer à montrer que le champ de la pensée mythique est, lui aussi, fermement structuré, elle aura atteint son but.“ (AStII: 223.)

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Betreffend Seite 288: (363) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 205); Lévi-Strauss (Eribondt: 183 / Eribonfrz: 176) „Dans le présent, rien ne permet de prévoir ce qui, entre tant de possibles concevables et d’autres totalement inconcevables, se produira.“ (Eribonfrz: 176.)

(364) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 206 (… „einzig die Erfahrung beheben kann“); Lévi-Strauss (BF: 162 / RE: 146) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (326) angeführte Originalzitation.]

(365) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 207); Lévi-Strauss (Eribondt: 183 / Eribonfrz: 176) „Les événements sont imprévisibles tant qu’ils ne se sont pas produits. Mais quand ils ont eu lieu, on peut essayer de comprendre, d’expliquer. On peut lier les événements les uns aux autres et saisir rétrospectivement la logique de cet enchaînement.“ (Eribonfrz: 176.)

(366) Fußnote 205; Lévi-Strauss (BF: 161 / RE: 145) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (340) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 289: (367) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 210 (… Regulierung des Durchlässigkeits-(Empfänglichkeits-/ Ansprechbarkeits-)grades); Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(368) Fußnote 213; Lévi-Strauss (MIV / dt: 713 / MIV / frz: 545) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (330) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 290: (369) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 215 (… ‚Wunsch‘); LéviStrauss (StAII: 368 / AStII: 382) „Et, à côté des différences dues à l’isolement, il y a celles, tout aussi importantes, dues à la proximité: désir de s’opposer, de se distinguer, d’être soi.“ (AStII: 382.)

(370) Erstes abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 216); Lévi-Strauss (Ebd.: 368 / Ebd.: 382) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (369) angeführte Originalzitation.]

(371) Zweites abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 218); Lévi-Strauss (Ebd.: 366 / Ebd.: 381)

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„Il y a simultanément à l’œuvre dans les sociétés humaines des forces travaillant dans des directions opposées: les unes tendant au maintien, et même à l’accentuation des particularismes; les autres agissant dans le sens de la convergence et de l’affinité.“ (AStII: 381.)

(372) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 219 (… Stagnation); LéviStrauss (ebd.: 400 / ebd.: 415 sowie Eribondt: 215 / Eribonfrz: 205) „Il n’y a donc pas de société cumulative en soi et par soi. L’histoire cumulative n’est pas la propriété de certaines races ou de certaines cultures qui se distingueraient ainsi des autres. Elle résulte de leur conduite plutôt que de leur nature. Elle exprime une certaine modalité d’existence des cultures qui n’est autre que leur manière d’être ensemble. En ce sens, on peut dire que l’histoire cumulative est la forme d’histoire caractéristique de ces superorganismes sociaux que constituent les groupes de sociétés, tandis que l’histoire stationnaire – si elle existait vraiment – serait la marque de ce genre de vie inférieur qui est celui des sociétés solitaires.“ (AStII: 415.) „[…] le relativisme culturel, qui est une des bases de la réflexion ethnologique, au moins dans ma génération et dans la précédente (car certains le contestent aujourd’hui), affirme qu’aucun critère ne permet de juger dans l’absolu une culture supérieure à une autre. J’ai tenté de déplacer le centre de gravité du problème. Si à certaines époques et en certains lieux, des cultures ‚bougent‘ tandis que d’autres ‚ne bougent pas‘, ce n’est pas, disais-je, en raison d’une supériorité des premières, mais du fait que des circonstances historiques ou géographiques ont induit une collaboration entre des cultures non pas inégales (rien ne permet de les décréter telles), mais différentes. Elles se mettent en mouvement en s’empruntant ou en cherchant à s’opposer les unes aux autres. Elles se fécondent ou se stimulent mutuellement. Tandis qu’en d’autres périodes ou en d’autres lieux, des cultures qui restent isolées comme des mondes clos connaissent une vie stationnaire.“ (Eribonfrz: 205.)

(373) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 220 (… ‚Entropie‘); LéviStrauss (Eribondt: 217 / Eribonfrz: 206) [Eribon:] „Ce qui a le plus choqué dans ‚Race et culture‘, c’est peut-être cette idée que vous avanciez, selon laquelle les cultures veulent s’opposer les unes aux autres.“ [Lévi-Strauss:] „A la fin de Race et histoire, je soulignais un paradoxe. C’est la différence des cultures qui rend leur rencontre féconde. Or ce jeu en commun entraîne leur uniformisation progressive: les bénéfices que les cultures retirent de ces contacts proviennent largement de leurs écarts qualitatifs; mais, au cours de ces échanges, ces écarts diminuent jusqu’à s’abolir. N’est-ce pas ce à quoi nous assistons aujourd’hui? Soit dit en passant, cette idée que, dans leur évolution, les cultures tendent vers une entropie croissante qui résulte de leur mélange – présentée dans un texte devenu, disiez-vous il y a un moment, un classique de l’antiracisme14 (je m’en réjouis) – vient en droite ligne de Gobineau, dénoncé par ailleurs comme un père du racisme. Ce qui montre bien le désordre qui règne actuellement dans les esprits.“15 (Eribonfrz: 206 f.)

(374) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 220 (… ‚Entropie‘); LéviStrauss (TT: 411 / TrTr: 478 sowie Charbonnierdt: 40 / Charbonnierfrz: 46) „Le monde a commencé sans l’homme et il s’achèvera sans lui. Les institutions, les mœurs et les coutumes, que j’aurai passé ma vie à inventorier et à comprendre, sont

___________ 14 15

Vgl. für Eribons diesbezügliche Einschätzung Eribondt: 215 / Eribonfrz: 205. Näher zu Gobineau äußert sich Lévi-Strauss in Eribondt: 234 f. / Eribonfrz: 223.

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une efflorescence passagère d’une création par rapport à laquelle elles ne possèdent aucun sens, sinon peut-être celui de permettre à l’humanité d’y jouer son rôle. Loin que ce rôle lui marque une place indépendante et que l’effort de l’homme – même condamné – soit de s’opposer vainement à une déchéance universelle, il apparaît luimême comme une machine, peut-être plus perfectionnée que les autres, travaillant à la désagrégation d’un ordre originel et précipitant une matière puissamment organisée vers une inertie toujours plus grande et qui sera un jour définitive. Depuis qu’il a commencé à respirer et à se nourrir jusqu’à l’invention des engins atomiques et thermonucléaires, en passant par la découverte du feu – et sauf quand il se reproduit luimême –, l’homme n’a rien fait d’autre qu’allègrement dissocier des milliards de structures pour les réduire à un état où elles ne sont plus susceptibles d’intégration. Sans doute a-t-il construit des villes et cultivé des champs; mais, quand on y songe, ces objets sont eux-mêmes des machines destinées à produire de l’inertie à un rythme et dans une proportion infiniment plus élevés que la quantité d’organisation qu’ils impliquent. Quant aux créations de l’esprit humain, leur sens n’existe que par rapport à lui, et elles se confondront au désordre dès qu’il aura disparu. Si bien que la civilisation, prise dans son ensemble, peut être décrite comme un mécanisme prodigieusement complexe où nous serions tentés de voir la chance qu’a notre univers de survivre, si sa fonction n’était de fabriquer ce que les physiciens appellent entropie, c’est-à-dire de l’inertie. Chaque parole échangée, chaque ligne imprimée établissent une communication entre les deux interlocuteurs, rendant étale un niveau qui se caractérisait auparavant par un écart d’information, donc une organisation plus grande. Plutôt qu’anthropologie, il faudrait écrire ‚entropologie‘ le nom d’une discipline vouée à étudier dans ses manifestations les plus hautes ce processus de désintégration.“ (TrTr: 478 f.) „Il n’en est pas moins frappant que Gobineau, – qui le premier a aperçu cet élément d’entropie, ce désordre qui est un facteur concomitant du progrès, et qui caractérise essentiellement la société […].“ (Charbonnierfrz: 46.) [Vgl. zu Charbonnierdt: 40 / Charbonnierfrz: 46 außerdem nochmals die vorstehend, unter Nummer (373) angeführte Originalzitation.]

(375) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 221 (… ‚Desintegration‘); Lévi-Strauss (TT: 411 / TrTr: 479) [Vgl. hierzu erneut die erste der vorstehend, unter Nummer (374) angeführten Originalzitationen.]

(376) Fußnote 215; Lévi-Strauss (ebd. / ebd.) „Beaucoup de coutumes sont nées, non de quelque nécessité interne ou accident favorable, mais de la seule volonté de ne pas demeurer en reste, par rapport à un groupe voisin qui soumettait à des normes précises un domaine de pensée ou d’activité où l’on n’avait pas songé soi-même à édicter des règles.“ (AStII: 382.)

(377) Fußnote 215; Lévi-Strauss (ebd.: 286 / ebd.: 300) „En fin de compte, si les coutumes de peuples voisins manifestent des rapports de symétrie, il n’en faut pas seulement chercher la cause dans quelques lois mystérieuses de la nature ou de l’esprit. Cette perfection géométrique résume aussi, au mode présent, des efforts plus ou moins conscients mais innombrables, accumulés par l’histoire et qui visent tous le même but: atteindre un seuil, sans doute le plus profitable aux sociétés humaines, où s’instaure un juste équilibre entre leur unité et leur diversité; et qui maintient la balance égale entre la communication, favorable aux illuminations réciproques, et l’absence de communication, elle aussi salutaire, puisque

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les fleurs fragiles de la différence ont besoin de pénombre pour subsister.“ (AStII: 300.)

(378) Fußnote 216; Lévi-Strauss (DC: 1190) „Les hommes ne subissent pas seulement leur différenciation en groupes culturels; ils ne la traînent pas à contrecœur, vestige historique pesant comme un boulet: ils la créent aussi par l’effort de chaque groupe d’affirmer son originalité et son individualité en opposition aux groupes voisins […].“ (DC: 1190.)

(379) Fußnote 216; Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(380) Fußnote 216; Lévi-Strauss (WM: 131 / VMII: 117 f.) „Des styles contemporains ne s’ignorent pas mutuellement. Même chez les peuples dits primitifs, une certaine familiarité se noue à l’occasion des guerres suivies de pillage, des cérémonies intertribales, des mariages, des marchés, des échanges commerciaux occasionnels. L’originalité de chaque style n’exclut donc pas les emprunts; elle s’explique plutôt par un désir conscient ou inconscient de s’affirmer différent, de choisir parmi tous les possibles certains que l’art des peuples voisins a refusés.“ (VMII: 117 f.)

(381) Fußnote 217; Lévi-Strauss (StAII: 269 / AStII: 283) „En 1929-1933 […], période durant laquelle Bowers fit ses enquêtes, les vieux informateurs Mandan et Hidatsa différaient encore de manière substantielle selon leur groupe ou village d’origine: les mythes, les traditions légendaires, les règles de transmission des charges et offices n’étaient pas les mêmes. Et pourtant, en dépit de ces divergences qui concordent avec l’archéologie pour attester l’influence toujours active d’un passé historique très complexe et lesté de facteurs hétérogènes, tout se passe comme si, sur le plan des croyances et des pratiques, les Mandan et les Hidatsa avaient réussi à organiser leurs différences en système. On croirait presque que chaque tribu, pour ce qui la concerne et sans ignorer l’effort correspondant de l’autre, s’est appliquée à préserver et à cultiver les oppositions, et à combiner des forces antagonistes pour former un ensemble équilibré.“ (AStII: 283.)

Betreffend Seite 291-292: (382) Haupttext; (Lévi-Strauss’ hierfür einschlägige Überlegungen … – … gestuften und komplexen Argumentation.); Lévi-Strauss ( [entspricht insgesamt] StAII: 403 ff. / AStII: 418 ff.) „[…]. En prenant les termes dans le sens que nous leur avons donné, on a vu que tout progrès culturel est fonction d’une coalition entre les cultures. Cette coalition consiste dans la mise en commun (consciente ou inconsciente, volontaire ou involontaire, intentionnelle ou accidentelle, cherchée ou contrainte) des chances que chaque culture rencontre dans son développement historique; enfin, nous avons admis que cette coalition est d’autant plus féconde qu’elle s’établit entre des cultures plus diversifiées. Cela posé, il semble bien que nous nous trouvions en face de conditions contradictoires. Car ce jeu en commun, dont résulte tout progrès, doit entraîner comme conséquence, à échéance plus ou moins brève, une homogénéisation des ressources de

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chaque joueur. Et si la diversité est une condition initiale, il faut reconnaître que les chances de gain deviennent d’autant plus faibles que la partie doit se prolonger. A cette conséquence inéluctable il n’existe, semble-t-il, que deux remèdes. L’un consiste, pour chaque joueur, à provoquer dans son jeu des écarts différentiels; la chose est possible puisque chaque société (le ‚joueur‘ de notre modèle théorique) se compose d’une coalition des groupes: confessionnels, professionnels et économiques, et que la mise sociale est faite des mises de tous ces constituants. Les inégalités sociales sont l’exemple le plus frappant de cette solution. Les grandes révolutions que nous avons choisies comme illustration: néolithique et industrielle, se sont accompagnées, non seulement d’une diversification du corps social comme l’avait bien vu Spencer, mais aussi de l’instauration de statuts différentiels entre les groupes, surtout au point de vue économique. On a remarqué depuis longtemps que les découvertes néolithiques avaient rapidement entraîné une différenciation sociale, avec la naissance dans l’Orient ancien des grandes concentrations urbaines, l’apparition des États, des castes et des classes. La même observation s’applique à la révolution industrielle, conditionnée par l’apparition d’un prolétariat et aboutissant à des formes nouvelles et plus poussées d’exploitation du travail humain. Jusqu’à présent, on avait tendance à traiter ces transformations sociales comme la conséquence des transformations techniques, à établir entre celles-ci et celles-là un rapport de cause à effet. Si notre interprétation est exacte, la relation de causalité (avec la succession temporelle qu’elle implique) doit être abandonnée – comme la science moderne tend d’ailleurs généralement à le faire – au profit d’une corrélation fonctionnelle entre les deux phénomènes. Remarquons au passage que la reconnaissance du fait que le progrès technique ait eu, pour corrélatif historique, le développement de l’exploitation de l’homme par l’homme, peut nous inciter à une certaine discrétion dans les manifestations d’orgueil que nous inspire si volontiers le premier nommé de ces deux phénomènes. Le deuxième remède est, dans une large mesure, conditionné par le premier: il consiste à introduire de gré ou de force dans la coalition de nouveaux partenaires, externes cette fois, dont les ‚mises‘ soient très différentes de celles qui caractérisent l’association initiale. Cette solution a également été essayée, et si le terme de capitalisme permet, en gros, d’identifier la première, ceux d’impérialisme ou de colonialisme aideront à illustrer la seconde. L’expansion coloniale du XIXe siècle a largement permis à l’Europe industrielle de renouveler (et non certes à son profit exclusif) un élan qui, sans l’introduction des peuples asservis dans le circuit, aurait risqué de s’épuiser beaucoup plus rapidement. On voit que, dans les deux cas, le remède revient à élargir la coalition, soit par diversification interne, soit par admission de nouveaux partenaires; en fin de compte, il s’agit toujours d’augmenter le nombre des joueurs, c’est-à-dire de revenir à la complexité et à la diversité de la situation initiale. Mais on voit aussi que ces solutions ne peuvent que ralentir provisoirement le processus. Il ne peut y avoir exploitation qu’au sein d’une coalition: entre les deux groupes, dominant et dominé, existent des contacts et se produisent des échanges. A leur tour, et malgré la relation unilatérale qui les unit en apparance, ils doivent, consciemment ou inconsciemment, mettre en commun leurs mises, et, progressivement, les différences qui les opposent tendent à diminuer. Les améliorations sociales d’une part, l’accession graduelle des peuples colonisés à l’indépendance de l’autre, nous font assister au déroulement de ce phénomène; et bien qu’il y ait encore beaucoup de chemin à parcourir dans ces deux directions, nous savons que les choses iront inévitablement dans ce sens. Peut-être, en vérité, faut-il interpréter comme une troisième solution l’apparition dans le monde de régimes politiques et sociaux antagonistes; on peut concevoir qu’une diversification, se renouvelant chaque fois sur un autre plan, permette de maintenir indéfiniment, à

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travers des formes variables et qui ne cesseront jamais de surprendre les hommes, cet état de déséquilibre dont dépend la survie biologique et culturelle de l’humanité. Quoi qu’il en soit, il est difficile de se représenter autrement que comme contradictoire un processus que l’on peut résumer de la façon suivante: pour progresser, il faut que les hommes collaborent; et au cours de cette collaboration, ils voient graduellement s’identifier les apports dont la diversité initiale était précisément ce qui rendait leur collaboration féconde et nécessaire.“ (AStII: 418 ff.)

Betreffend Seite 291: (383) Fußnote 232 b; Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 41 / Charbonnierfrz: 47) und (ebd. / ebd.) „Le grand problème de la civilisation a donc été de maintenir un écart. Nous avons vu cet écart s’établir avec l’esclavage, puis avec le servage, ensuite par la formation d’un prolétariat. Mais, comme la lutte ouvrière tend, dans une certaine mesure, à égaliser le niveau, notre société a dû partir à la décourverte de nouveaux écarts différentiels, avec le colonialisme, avec les politiques dites impérialistes, c’est-à-dire chercher constamment, au sein même de la société, ou par l’assujettissment de peuples conquis, à réaliser un écart entre un groupe dominant et un groupe dominé; mais cet écart est toujours provisoire, comme dans une machine à vapeur qui tend à l’immobilité, parce que la source froide se réchauffe et que la source chaude voit sa température s’abaisser. Les écarts différentiels tendent donc à s’égaliser et chaque fois, il a fallu créer de nouveaux écarts différentiels: quand cela est devenu plus difficile au sein même du groupe social, en réalisant des combinaisons plus complexes, comme celles dont ont donné l’exemple les empires coloniaux.“ (Charbonnierfrz: 47 f.)

Betreffend Seite 292: (384) Fußnote 236; Lévi-Strauss (Tréguerfrz: 187 f.) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (417) angeführte Originalzitation.]

(385) Fußnote 239; Lévi-Strauss (StAII: 404 / AStII: 419) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (382) angeführte Originalzitation.]

(386) Fußnote 239; Lévi-Strauss (Charbonnierdt: 41 / Charbonnierfrz: 47) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (383) angeführte Originalzitation.]

(387) Fußnote 240; Lévi-Strauss (StAII: 404 / AStII: 419) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (382) angeführte Originalzitation.]

(388) Fußnote 241; Lévi-Strauss (TT: 31 / TrTr: 38 f.) „Il n’y a plus rien à faire: la civilisation n’est plus cette fleur fragile qu’on préservait, qu’on développait à grand-peine dans quelques coins abrités d’un terroir riche en espèces rustiques, menaçantes sans doute par leur vivacité, mais qui permettaient aussi de varier et de revigorer les semis. L’humanité s’installe dans la monoculture;

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elle s’apprête à produire la civilisation en masse, comme la betterave. Son ordinaire ne comportera plus que ce plat.“ (TrTr: 38 f.)

(389) Fußnote 242; Lévi-Strauss (StAII: 405 / AStII: 420) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (382) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 293: (390) Fußnote 244; Lévi-Strauss (StAI: 324 / AStI: 329) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (323) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 294: (391) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 247 (… aufgenommen) und Fußnotennummer 248 (… ausgeschlossen); Lévi-Strauss (StAII: 386 / AStII: 401) bzw. (ebd. / ebd.) „[…] ce ne sont pas tellement ces apports morcelés qui doivent retenir l’attention, car ils risqueraient de nous donner l’idée, doublement fausse, d’une civilisation mondiale composée comme un habit d’Arlequin. On a trop fait état de toutes les priorités: phénicienne pour l’écriture; chinoise pour le papier, la poudre à canon, la boussole; indienne pour le verre et l’acier … Ces éléments sont moins importants que la façon dont chaque culture les groupe, les retient ou les exclut. Et ce qui fait l’originalité de chacune d’elles réside plutôt dans sa façon particulière de résoudre des problèmes, de mettre en perspective des valeurs, qui sont approximativement les mêmes pour tous les hommes: car tous les hommes sans exception possèdent un langage, des techniques, un art, des connaissances positives, des croyances religieuses, une organisation sociale, économique et politique. Or ce dosage n’est jamais exactement le même pour chaque culture, et de plus en plus, l’ethnologie moderne s’attache à déceler les origines secrètes de ces options plutôt qu’à dresser un inventaire de traits séparés.“ (AStII: 401.)

(392) Fußnote 249; Lévi-Strauss (ebd.: 380 / ebd.: 394 f.) „Que cette histoire cumulative ne soit pas le privilège d’une civilisation ou d’une période de l’histoire, l’exemple de l’Amérique le montre de manière convaincante. Cet immense continent voit arriver l’homme, sans doute par petits groupes de nomades passant le détroit de Behring à la faveur des dernières glaciations, à une date que les connaissances archéologiques actuelles situent provisoirement aux alentours du 20e millénaire. Pendant cette période, ces hommes réussissent une des plus étonnantes démonstrations d’histoire cumulative qui soit au monde: explorant de fond en comble les ressources d’un milieu naturel nouveau, y domestiquant (à côté de certaines espèces animales) les espèces végétales les plus variées pour leur nourriture, leurs remèdes et leurs poisons, et – fait inégalé ailleurs – promouvant des substances vénéneuses comme le manioc au rôle d’aliment de base, ou d’autres à celui de stimulant ou d’anesthésique; collectionnant certains poisons ou stupéfiants en fonction des espèces animales sur lesquelles chacun d’eux exerce une action élective; poussant enfin certaines industries comme le tissage, la céramique et le travail des métaux précieux au plus haut point de perfection. Pour apprécier cette œuvre immense, il suf-

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fit de mesurer la contribution de l’Amérique aux civilisations de l’Ancien Monde. En premier lieu, la pomme de terre, le caoutchouc, le tabac et la coca (base de l’anesthésie moderne) qui, à des titres sans doute divers, constituent quatre piliers de la culture occidentale; le maïs et l’arachide qui devaient révolutionner l’économie africaine avant peut-être de se généraliser dans le régime alimentaire de l’Europe; ensuite le cacao, la vanille, la tomate, l’ananas, le piment, plusieurs espèces de haricots, de cotons et de cucurbitacées. Enfin, le zéro, base de l’arithmétique et, indirectement, des mathématiques modernes, était connu et utilisé par les Maya au moins un demimillénaire avant sa découverte par les savants indiens de qui l’Europe l’a reçu par l’intermédiaire des Arabes. Pour cette raison peut-être, leur calendrier était, à époque égale, plus exact que celui de l’Ancien Monde. La question de savoir si le régime politique des Inca était socialiste ou totalitaire a déjà fait couler beaucoup d’encre. Il relevait de toute façon des formules les plus modernes, et était en avance de plusieurs siècles sur les phénomènes européens du même type. L’attention renouvelée dont le curare a fait récemment l’objet rappellerait, s’il en était besoin, que les connaissances scientifiques des indigènes américains, qui s’appliquent à tant de substances végétales non employées dans le reste du monde, peuvent encore fournir à celui-ci d’importantes contributions.“ (AStII: 394 f.)

Betreffend Seite 295: (393) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 252 (… Prozeß der Einordnung); Lévi-Strauss (StAII: 386 / AStII: 401) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (391) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 296: (394) Haupttext; Text und Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 255 (… Erarbeitung einer ‚originären Synthese‘); Lévi-Strauss (Eribondt: 222 / Eribonfrz: 212) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (337) angeführte Originalzitation.]

(395) Fußnote 255; Lévi-Strauss (StAII: 401 / AStII: 416) „[…] D’un côté, nous avons des traits, des acquisitions isolées dont l’importance est facile à évaluer et qui offrent aussi un caractère limité. Que le tabac soit venu d’Amérique est un fait, mais après tout, et malgré toute la bonne volonté déployée à cette fin par les institutions internationales, nous ne pouvons nous sentir fondre de gratitude envers les Indiens américains chaque fois que nous fumons une cigarette. Le tabac est une adjonction exquise à l’art de vivre, comme d’autres sont utiles (ainsi le caoutchouc); nous leur devons des plaisirs et des commodités supplémentaires, mais si elles n’étaient pas là, les racines de notre civilisations n’en seraient pas ébranlées; et, en cas de besoin sérieux, nous aurions su les retrouver ou mettre autre chose à la place. Au pôle opposé (avec, bien entendu, toute une série de formes intermédiaires), il y a les contributions offrant un caractère de système, c’est-à-dire correspondant à la façon propre dont chaque société a choisi d’exprimer et de satisfaire l’ensemble des

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aspirations humaines. L’originalité et la nature irremplaçable de ces styles de vie, ou comme disent les Anglosaxons de ces patterns, n’est pas niable, mais ils représentent autant de choix exclusifs et on aperçoit mal comment une civilisation pourrait espérer profiter du style de vie d’une autre, à moins de renoncer à être elle-même. En effet, les tentatives de compromis ne sont susceptibles d’aboutir qu’à deux résultats: soit une désorganisation et un effondrement du système d’un des groupes; soit une synthèse originale, mais qui, alors, consiste en l’émergence d’un troisième système lequel devient irréductible par rapport aux deux autres.“ (AStII: 415 f.)

(396) Fußnote 256; Lévi-Strauss (StAII: 386 / AStII: 401) bzw. (StAII: ebd. / AStII: ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (391) angeführte Originalzitation.]

(397) Fußnote 256; Lévi-Strauss (DC: 1194) „[…] une civilisation ne consiste pas dans un empilage de traits de culture: elle se définit par une structure, c’est-à-dire par la manière dont les divers traits qu’elle a retenus entre tous les possibles, sont agencés entre eux, et ces structures sont, en raison de leur nature qualitative, incommensurables.“ (DC: 1194.)

Betreffend Seite 297: (398) Fußnote 258; Lévi-Strauss (DC: 1212) „Une civilisation ne se définit pas par un critère, mais par plusieurs, et surtout par le système dans lequel ils sont eux-mêmes organisés.“ (DC: 1212.)

(399) Fußnote 259; Lévi-Strauss (DC: 1194) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (397) angeführte Originalzitation.]

(400) Fußnote 259; Lévi-Strauss (BF: 54 / RE: 50) „Depuis ses débuts au commencement du XIXe siècle jusqu’à la première moitié du XXe, la réflexion ethnologique s’est largement consacrée à découvrir comment concilier l’unité postulée de son objet avec la diversité, et souvent l’incomparabilité de ses manifestations particulières. Il fallut pour cela que la notion de civilisation, connotant un ensemble d’aptitudes générales, universelles et transmissibles, cédât la place à celle de culture, prise dans une nouvelle acception, car elle dénote alors autant de styles de vie particuliers, non transmissibles, saisissables sous forme de productions concrètes – techniques, mœurs, coutumes, institutions, croyances – plutôt que de capacités virtuelles, et correspondant à des valeurs observables au lieu de vérités ou supposées telles.“ (RE: 50.)

(401) Fußnote 259; Lévi-Strauss (CJ: 9) „[…] les cultures sont par nature incommensurables.“ (CJ: 9.)

Betreffend Seite 298: (402) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 262); Lévi-Strauss (BF: 42 / RE: 39)

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„Pour développer des différences, pour que les seuils permettant de distinguer une culture de ses voisines deviennent suffisamment tranchés, les conditions sont grosso modo les mêmes que celles qui favorisent la différenciation biologique entre les populations: isolement relatif pendant un temps prolongé, échanges limités, qu’ils soient d’ordre culturel ou génétique.“ (RE: 39.)

(403) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 264 (… Leben im Stillstand führen); Lévi-Strauss (Eribondt: 215 / Eribonfrz: 205) [Vgl. hierzu erneut die zweite der oben, unter Nummer (372) angeführten Originalzitationen.]

(404) Fußnote 261; Lévi-Strauss (Eribondt: 222 f. / Eribonfrz: 212) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (337) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 299: (405) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 265 (… ‚Anleihen‘) und Text vor Fußnotennummer 266 (… zu machen.); Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) bzw. (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(406) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 268 (… ‚gewisse Undurchlässigkeit‘); Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(407) Fußnote 266; Lévi-Strauss (StAII: 400 / AStII: 415) „L’exclusive fatalité, l’unique tare qui puissent affliger un groupe humain et l’empêcher de réaliser pleinement sa nature, c’est d’être seul.“ (AStII: 415.)

Betreffend Seite 300: (408) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 269); Lévi-Strauss (StAII: 406 / AStII: 421) „L’humanité est constamment aux prises avec deux processus contradictoires dont l’un tend à instaurer l’unification, tandis que l’autre vise à maintenir ou à rétablir la diversification.“ (AStII: 421.)

(409) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 270 (… Widersprüchlichkeit); Lévi-Strauss (ebd.: 405 / ebd.: 420) „Mais, même si cette contradiction est insoluble, le devoir sacré de l’humanité est d’en conserver les deux termes également présents à l’esprit, de ne jamais perdre de vue l’un au profit exclusif de l’autre; de se garder, sans doute, d’un particularisme aveugle qui tendrait à réserver le privilège de l’humanité à une race, une culture ou une société; mais aussi de ne jamais oublier qu’aucune fraction de l’humanité ne dispose de formules applicables à l’ensemble, et qu’une humanité confondue dans un

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genre de vie unique est inconcevable, parce que ce serait une humanité ossifiée.“ (AStII: 420.)

(410) Fußnote 272; Lévi-Strauss (StAII: 286 / AStII: 300) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (377) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 300 f.: (411) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 273 (… „zwei verschiedene[n] Arten, sich zu schaffen“); Lévi-Strauss (StAII: 406 / AStII: 421) „La position de chaque époque ou de chaque culture dans le système, l’orientation selon laquelle elle s’y trouve engagée, sont telles qu’un seul des deux processus lui paraît avoir un sens, l’autre semblant être la négation du premier. Mais dire, comme on pourrait y être enclin, que l’humanité se défait en même temps qu’elle se fait, procéderait encore d’une vision incomplète. Car, sur deux plans et à deux niveaux opposés, il s’agit bien de deux manières différentes de se faire.“ (AStII: 421.)

(412) Fußnote 272; Lévi-Strauss (Eribondt: 218 / Eribonfrz: 207 (außerdem MB: 32 / MM: 20)) „Chaque culture se développe grâce à ses échanges avec d’autres cultures. Mais il faut que chacune y mette une certaine résistance, sinon, très vite, elle n’aurait plus rien qui lui appartienne en propre à échanger. L’absence et l’excès de communication ont l’un et l’autre leur danger.“ (Eribonfrz: 207.) „As a matter of fact, differences are extremely fecund. It is only through difference that progress has been made. What threatens us right now is probably what we may call over-communication – that is, the tendency to know exactly in one point of the world what is going on in all other parts of the world. In order for a culture to be really itself and to produce something, the culture and its members must be convinced of their originality and even, to some extent, of their superiority over the others; it is only under conditions of under-communication that it can produce anything. We are now threatened with the prospect of our being only consumers, able to consume anything from any point in the world and from every culture, but of losing all originality.“ (MM: 20.)

Betreffend Seite 301: (413) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 275 (… „ein gewisses Optimum an Verschiedenheit“); Lévi-Strauss (StAII: 367 / AStII: 381) „Quand on étudie de tels faits – et d’autres domaines de la civilisation, comme les institutions sociales, l’art, la religion, en fourniraient aisément de semblables – on en vient à se demander si les sociétés humaines ne se définissent pas, eu égard à leurs relations mutuelles, par un certain optimum de diversité au delà duquel elles ne sauraient aller, mais en dessous duquel elles ne peuvent non plus descendre sans danger. Cet optimum varierait en fonction du nombre des sociétés, de leur importance numérique, de leur éloignement géographique et des moyens de communication (matériels et intellectuels) dont elles se servent. En effet, le problème de la diversité ne se pose

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pas seulement au sujet de cultures envisagées dans leurs rapports réciproques; il existe aussi au sein de chaque société, dans tous les groupes qui la constituent: castes, classes, milieux professionnels ou confessionnels, etc., développent certaines différences auxquelles chacun attache une extrême importance. On peut se demander si cette diversification interne ne tend pas à s’accroître lorsque la société devient, sous d’autres rapports, plus volumineuse et plus homogène […].“ (AStII: 381.)

(414) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 276 (… „eine anhaltende Bedingung für die Entwicklung der Menschheit“); Lévi-Strauss (KA: 15 / CA: 17) „[…] l’effondrement de la base matérielle des dernières civilisations primitives fait, de l’expérience intime, un de nos derniers moyens d’investigation, à défaut des armes, des outils, des objets disparus; tandis que la civilisation occidentale, devenant chaque jour plus complexe, et s’étendant à l’ensemble de la Terre habitée, manifeste peut-être déjà, dans son sein, ces écarts différentiels que l’anthropologie a pour fonction d’étudier, mais qu’elle ne pouvait naguère atteindre qu’en comparant entre elles des civilisations distinctes et éloignées. Là est sans doute la fonction permanente de l’anthropologie. Car s’il existe, comme elle l’a toujours affirmé, un certain ‚optimum de diversité‘ où elle voit une condition permanente du développement de l’humanité, on pourra être assuré que les écarts entre les sociétés et entre les groupes ne s’effaceront jamais que pour se reconstituer sur d’autres plans.“ (CA: 17.)

(415) Fußnote 272; Lévi-Strauss (StAII: 285 / AStII: 299) „[…] n’est-il pas toujours vrai, même chez nous, que le bon voisinage exige des partenaires qu’ils deviennent pareils jusqu’à un certain point en restant différents? La philosophie indigène avait conscience de cette nécessité dialectique, bien qu’elle la formulât en termes d’histoire plutôt que de structure. Les Mandan appelaient Minnetaree, mot qui signifie dans leur langue ‚ils ont traversé la rivière‘, le plus ancien groupe Hidatsa venu du nord-est, qui arriva sur le Missouri à la fin des temps préhistoriques et qui apprit la culture du maïs auprès d’eux. Mais, selon leurs propres traditions, les Mandan ne souhaitèrent pas que cette cohabitation se prolongeât, et ils exposèrent à leurs hôtes leur point de vue en ces termes: ‚It would be better if you went upstream and built your own village, for our customs are somewhat different from yours. Not knowing each other’s ways the young men might have differences and there would be wars. Do not go too far away, for people who live far apart are like strangers and wars break out between them. Travel north only until you cannot see the smoke from our lodges and there build your village. Then we will be close enough to be friends and not far enough away to be enemies‘ (Maximilien 1843, p. 368; Bowers 1965, p. 15). Cette haute leçon de philosophie politique, répétée presque dans les mêmes termes à un siècle d’intervalle, définit en termes de géographie et d’histoire la configuration structurale qui devait résulter de sa mise en pratique, et que notre analyse rétrospective a simplement retrouvée. Aux êtres qu’elle unit tout en les opposant, la symétrie n’offre-t-elle pas le moyen le plus élégant et le plus simple de s’apparaître semblables et différents, proches et lointains, amis bien qu’ennemis d’une certaine façon, et ennemis tout en demeurant des amis?“ (AStII: 299 f.)

(416) Fußnote 274; Lévi-Strauss (DC: 1201) „Je conclus donc en reconnaissant le caractère insoluble de l’antinomie du progrès: ‚pour progresser, il faut que les hommes collaborent; et au cours de cette collaborati-

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on, ils voient graduellement s’identifier les apports dont la diversité initiale était précisément ce qui rendait leur collaboration féconde et nécessaire‘(4816).“

(417) Fußnote 275; Lévi-Strauss (KA: 15 / CA: 17, Tréguerfrz: 187 f. sowie BF: 14 / RE: 15) [Vgl. zu KA: 15 / CA: 17 erneut die oben, unter Nummer (414) angeführte Originalzitation.] „[…] il n’est pas inconcevable […] qu’il existe dans l’humanité un optimum de diversité qui doit toujours se maintenir à peu près égal à lui-même, bien que par des moyens différents et que les différences qui ont jadis existé entre les peuples parce qu’ils étaient géographiquement très éloignés les uns des autres, doivent se reproduire dans la société future, même si elle relève d’une civilisation très homogène, par des coupures non plus verticales mais horizontales entre les générations ou entre les groupes fonctionnels au sein de la société.“ (Tréguerfrz: 187 f.) [Vgl. zu BF: 14 / RE: 15 die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 303: (418) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 285 (… „hinter uns, um uns und vor uns“); Lévi-Strauss (Ebd.: 407 / Ebd.: 422) „La nécessité de préserver la diversité des cultures, dans un monde menacé par la monotonie et l’uniformité, n’a certes pas échappé aux institutions internationales. Elles doivent comprendre aussi qu’il ne suffira pas, pour atteindre ce but, de choyer des traditions locales et d’accorder un répit aux temps révolus. C’est le fait de la diversité qui doit être sauvé, non le contenu historique que chaque époque lui a donné et qu’aucune ne saurait perpétuer au delà d’elle-même. Il faut donc écouter le blé qui lève, encourager les potentialités secrètes, éveiller toutes les vocations à vivre ensemble que l’histoire tient en réserve; il faut aussi être prêt à envisager sans surprise, sans répugnance et sans révolte ce que toutes ces nouvelles formes sociales d’expression ne pourront manquer d’offrir d’inusité. La tolérance n’est pas une position contemplative, dispensant les indulgences à ce qui fut ou à ce qui est. C’est une attitude dynamique qui consiste à prévoir, à comprendre et à promouvoir ce qui veut être. La diversité des cultures humaines est derrière nous, autour de nous et devant nous. La seule exigence que nous puissions faire valoir à son endroit (créatrice pour chaque individu des devoirs correspondants) est qu’elle se réalise sous des formes dont chacune soit une contribution à la plus grande générosité des autres.“ (AStII: 421 f.)

(419) Fußnote 281; Lévi-Strauss (BF: 50 f. / RE: 46 f. sowie ebd.: 51 f. / ebd.: 47 f.) „Au cours de cet exposé, j’ai souligné à plusieurs reprises que la fusion progressive de populations jusqu’alors séparées par la distance géographique, ainsi que par des barrières linguistiques et culturelles, marquait la fin d’un monde qui fut celui des hommes pendant des centaines de millénaires, quand ils vivaient en petits groupes

___________ 16 Die Seitenzahl bezieht sich auf RH. Sie entspricht RG: 78 f. bzw. StAII: 405 / AStII: 420. [Vgl. auch nochmals oben, Nummer (382).]

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durablement séparés les uns des autres et qui évoluaient chacun de façon différente, tant sur le plan biologique que sur le plan culturel. Les bouleversements déclenchés par la civilisation industrielle en expansion, la rapidité accrue des moyens de transport et de communication ont abattu ces barrières. En même temps ont disparu les chances qu’elles offraient pour que s’élaborent et soient mises à l’épreuve de nouvelles combinaisons génétiques et des expériences culturelles. Or, on ne peut se dissimuler qu’en dépit de son urgente nécessité pratique et des fins morales élevées qu’elle s’assigne, la lutte contre toutes les formes de discrimination participe de ce même mouvement qui entraîne l’humanité vers une civilisation mondiale, destructrice de ces vieux particularismes auxquels revient l’honneur d’avoir créé les valeurs esthétiques et spirituelles qui donnent son prix à la vie, et que nous recueillons précieusement dans les bibliothèques et dans les musées parce que nous nous sentons de moins en moins capables de les produire.“ (RE: 46 f.) „Les grandes époques créatrices furent celles où la communication était devenue suffisante pour que des partenaires éloignés se stimulent, sans être cependant assez fréquente et rapide pour que les obstacles, indispensables entre les individus comme entre les groupes, s’amenuisent au point que des échanges trop faciles égalisent et confondent leur diversité.“ (RE: 47 f.)

(420) Fußnote 282; Lévi-Strauss (ebd.: 48 / ebd.: 45) „Aujourd’hui, les généticiens s’interrogent avec anxiété sur les risques que les conditions démographiques actuelles font courir à cette rétroaction positive entre évolution organique et évolution culturelle dont j’ai donné des exemples, et qui a permis à l’humanité de s’assurer la première place parmi les espèces vivantes. Les populations s’agrandissent, mais elles diminuent en nombre. Cependant, le développement de l’assistance mutuelle au sein de chaque population, les progrès de la médecine, la prolongation de la vie humaine, la faculté toujours plus grande reconnue à chaque membre du groupe de se reproduire comme il l’entend, augmentent le nombre des mutations nocives et leur offrent les moyens de se perpétuer, en même temps que la suppression des barrières entre petits groupes exclut la possibilité d’expériences évolutives susceptibles d’assurer à l’espèce la chance de nouveaux départs.“ (RE: 45.)

(421) Fußnote 283; Lévi-Strauss (ebd.: 52 / ebd.: 48) „L’humanité se trouve donc exposée à un double péril, dont l’ethnologue et le biologiste mesurent pareillement la menace. Convaincus que l’évolution culturelle et l’évolution organique sont solidaires, ils savent que le retour au passé est impossible, certes, mais aussi que la voie où les hommes sont présentement engagés accumule des tensions telles que les haines raciales offrent une bien pauvre image du régime d’intolérance exacerbée qui risque de s’instaurer demain, sans même que les différences ethniques doivent lui servir de prétexte. Pour circonvenir ces périls, ceux d’aujourd’hui et ceux, plus redoutables encore, d’un proche avenir, il faut nous persuader que leurs causes sont beaucoup plus profondes que celles simplement imputables à l’ignorance et aux préjugés: nous ne pouvons mettre notre espérance que dans un changement du cours de l’histoire, plus malaisé encore à obtenir qu’un progrès dans celui des idées.“ (RE: 48.)

(422) Fußnote 284; Lévi-Strauss (StAII: 366 / AStII: 380) „[…] la diversité des cultures humaines est, en fait dans le présent, en fait et aussi en droit dans le passé, beaucoup plus grande et plus riche que tout ce que nous sommes destinés à en connaître jamais.“ (AStII: 380.)

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Betreffend Seite 304: (423) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 288); Lévi-Strauss (StAII: 406 / AStII: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(424) Fußnote 286; Lévi-Strauss (sinngemäß StAII: 406 / AStII: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(425) Fußnote 286; Lévi-Strauss (MB: 32 / MM: 20 sowie BF: 51 / RE: 47) „We can easily now conceive of a time when there will be only one culture and one civilization on the entire surface of the earth.“ (MM: 20.) [Vgl. zu MB: 32 / MM: 20 erneut auch die zweite der oben, unter Nummer (412) angeführten Originalzitationen.] [Vgl. zu BF: 51 / RE: 47 die unten, unter Nummer (459) angeführte Originalzitation.]

(426) Fußnote 287; Lévi-Strauss (Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207) „Que conclure de tout cela, sinon qu’il est souhaitable que les cultures se maintiennent diverses, ou qu’elles se renouvellent dans la diversité? Seulement – et c’est ce que signalait le second texte [= ‚Race et culture‘; H.M.S.] – il faut consentir à en payer le prix: à savoir, que des cultures attachées chacune à un style de vie, à un système de valeurs, veillent sur leurs particularismes; et que cette disposition est saine, nullement – comme on voudrait nous le faire croire – pathologique.“ (Eribonfrz: 207.)

(427) Fußnote 288; Lévi-Strauss (StAII: 402 / AStII: 417) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (434) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 305: (428) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 289); Lévi-Strauss (IDdt: 9 / IDfrz: 11) „Il nous est […] apparu que pour poser le problème de l’identité sur un terrain plus solide, il convenait d’adopter une double démarche: d’une part, s’interroger sur la façon dont, au sein de notre propre civilisation, des disciplines diverses formulent et tentent de résoudre chacune pour son compte le problème de l’identité, en leur demandant de définir ce que chacune entend par là de son point de vue particulier: tel fut le rôle dévolu à nos invités, auxquels je renouvelle l’expression de notre gratitude. D’autre part, à ces conceptions de l’identité, peut-être très différentes (on n’en savait rien au début), des anthropologues reçurent pour mission de confronter celles que des sociétés exotiques s’en font. Or, une convergence curieuse allait se dégager de cette comparaison. En dépit de leur éloignement dans l’espace et de leurs contenus culturels profondément hétérogènes, aucune des sociétés constituant un échantillon fortuit ne semble tenir pour acquise une identité substantielle: elles la morcellent en une multitude d’éléments dont, pour chaque culture bien qu’en termes différents, la synthèse pose un problème. En ce qui concerne notre civilisation et l’état actuel des connaissances dans les branches très diverses: mathématiques, biologie, linguistique, psychologie, philosophie, etc., là

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aussi on a constaté que le contenu de la notion d’identité est mis en doute, et fait même parfois l’objet d’une très sévère critique. […] A supposer que l’identité ait elle aussi ses relations d’incertitude, la foi que nous mettons encore en elle pourrait n’être que le reflet d’un état de civilisation dont la durée aura été limitée à quelques siècles. Mais alors, la fameuse crise de l’identité dont on nous rebat les oreilles acquerrait une tout autre signification. Elle apparaîtrait comme un indice attendrissant et puéril que nos petites personnes approchent du point où chacune doit renoncer à se prendre pour l’essentiel: fonction instable et non réalité substantielle, lieu et moment, pareillement éphémères, de concours, d’échanges et de conflits auxquels participent seules, et dans une mesure chaque fois infinitésimale, les forces de la nature et de l’histoire suprêmement indifférentes à notre autisme.“ (IDfrz: 10 f.)

(429) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 292 (… ‚Wertsysteme‘); LéviStrauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(430) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 293 (… im Rückgriff auf jene Ressourcen, die der eigene Fundus bereithält, erfolgt.); Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(431) Fußnote 290; Lévi-Strauss (BF: 54 / RE: 50) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (400) angeführte Originalzitation.]

(432) Fußnote 292; Lévi-Strauss (Eribondt: 217 und 223 / Eribonfrz: 207 und 212) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (426) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 305 f.: (433) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 294 (… ‚Pflicht‘) und Zitation vor Fußnotennummer 295 (… „eines jeden Volkes“), Fußnotennummer 296 (… „seine Vergangenheit zu bewahren“) und Fußnotennummer 297 (… „[k]eines darf sie versinken lassen, bevor es sich nicht ihrer Originalität und ihres Werts voll bewußt geworden ist und sie im Gedächtnis verzeichnet hat“); Lévi-Strauss (StAII: 68 / AStII: 68) „[…] sauvegarder son passé est une responsabilité de chaque peuple, non seulement vis-à-vis de lui-même, mais envers l’humanité tout entière. Aucun ne doit le laisser périr avant d’avoir pris pleinement conscience de son originalité et de sa valeur, et avant d’en avoir fixé la mémoire. Cela est vrai en général, mais davantage encore dans le cas de ces peuples qui se trouvent dans la situation privilégiée de vivre encore leur passé au moment même où, pour eux, un avenir différent se dessine.“ (AStII: 68.)

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Betreffend Seite 306: (434) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 298 (… trägt jede Kultur dadurch zur Erhaltung der Verschiedenheit der Kulturen (und in diesem Sinne: zur „Weltzivilisation“) bei, daß sie ihre Originalität bewahrt.); Lévi-Strauss (StAII: 402 / AStII: 417) „Nous avons […] cherché à montrer que la véritable contribution des cultures ne consiste pas dans la liste de leurs inventions particulières, mais dans l’écart différentiel qu’elles offrent entre elles. Le sentiment de gratitude et d’humilité que chaque membre d’une culture donnée peut et doit éprouver envers toutes les autres ne saurait se fonder que sur une seule conviction: c’est que les autres cultures sont différentes de la sienne, de la façon la plus variée; et cela même si la nature dernière de ces différences lui échappe ou si, malgré tous ses efforts, il n’arrive que très imparfaitement à la pénétrer. D’autre part, nous avons considéré la notion de civilisation mondiale comme une sorte de concept limite, ou comme une manière abrégée de désigner un processus complexe. Car si notre démonstration est valide, il n’y a pas, il ne peut y avoir une civilisation mondiale au sens absolu que l’on donne souvent à ce terme, puisque la civilisation implique la coexistence de cultures offrant entre elles le maximum de diversité [.] et consiste même en cette coexistence. La civilisation mondiale ne saurait être autre chose que la coalition, à l’échelle mondiale, de cultures préservant chacune son originalité.“ (AStII: 417.)

(435) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 299 (… ‚internationalen Institutionen‘); Lévi-Strauss (ebd.: 405 / ebd.: 420) „A cet égard, les institutions internationales ont devant elles une tâche immense, et elles portent de lourdes responsabilités. Les unes et les autres sont plus complexes qu’on ne pense. Car la mission des institutions internationales est double; elle consiste pour une part dans une liquidation, et pour une autre part dans un éveil. Elles doivent d’abord assister l’humanité, et rendre aussi peu douloureuse et dangereuse que possible la résorption de ces diversités mortes, résidus sans valeur de modes de collaboration dont la présence à l’état de vestiges putréfiés constitue un risque permanent d’infection pour le corps international. Elles doivent élaguer, amputer s’il est besoin, et faciliter la naissance d’autres formes d’adaptation. Mais, en même temps, elles doivent être passionnément attentives au fait que, pour posséder la même valeur fonctionnelle que les précédents, ces nouveaux modes ne peuvent les reproduire ou être conçus sur le même patron sans se réduire à des solutions de plus en plus insipides et finalement inefficaces. Il faut qu’elles sachent, au contraire, que l’humanité est riche de possibilités imprévues dont chacune, quand elle apparaîtra, frappera toujours les hommes de stupeur; que le progrès n’est pas fait à l’image confortable de cette ‚similitude améliorée‘ où nous nous cherchons un paresseux repos, mais qu’il est tout plein d’aventures, de ruptures et de scandales.“ (AStII: 420 f.)

(436) Fußnote 300; Lévi-Strauss (DC: 1189 und 1190; Benoistdt: 236 / Benoistfrz: 1; BF: 12 und 42 / RE: 13 und 39 sowie Eribondt: 128 und 214 / Eribonfrz: 122 und 204) „[…] l’éditeur m’avait accordé 50 pages pour présenter ma petite philosophie de l’histoire à l’usage des fonctionnaires internationaux. J’ai donc été obligé de conden-

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ser à l’extrême, et je ne vois pas comment je pourrais rappeler les éléments de ma démonstration sous une forme plus abrégée que celle de l’original.“ (DC: 1190.) [Eribon:] „En 1952, avec le texte intitulé Race et histoire, vous aviez quitté la perspective purement ethnologique pour vous situer à un niveau que l’on peut appeler ‚politique‘, qui touchait, en tout cas, directement aux problèmes contemporains.“ [Lévi-Strauss:] „Il s’agissait d’une commande. Je ne crois pas que j’aurais écrit cet opuscule de mon propre mouvement.“ [Eribon:] „Comment cette commande a-t-elle été passée?“ [Lévi-Strauss:] „L’UNESCO a demandé à divers auteurs d’écrire une série de plaquettes sur la question raciale: une à Leiris, une à moi …“ (Eribonfrz: 204.)

(437) Fußnote 301; Lévi-Strauss (StAII: 401 f. / AStII: 416 f.) „[…] s’il existe des cultures concrètes, que l’on peut situer dans le temps et dans l’espace, et dont on peut dire qu’elles ont ‚contribué‘ et continuent de le faire, qu’estce que cette ‚civilisation mondiale‘ supposée bénéficiaire de toutes ces contributions? Ce n’est pas une civilisation distincte de toutes les autres, jouissant d’un même coefficient de réalité. Quand nous parlons de civilisation mondiale, nous ne désignons pas une époque de l’histoire, ou un groupe d’hommes: nous évoquons une notion abstraite, à laquelle nous prêtons une valeur soit morale, soit logique: morale s’il s’agit d’un but que nous proposons aux sociétés existantes; logique si nous entendons grouper sous un même vocable les éléments communs que l’analyse permet de dégager entre les différentes cultures. Dans les deux cas, il ne faut pas se dissimuler que la notion de civilisation mondiale est fort pauvre, schématique, et que son contenu intellectuel et affectif n’offre pas une grande densité.“ (AStII: 416 f.)

Betreffend Seite 306 f.: (438) Fußnote 301; Lévi-Strauss (ebd.: 402 / ebd.: 417), (ebd. / ebd.) und (ebd. / ebd.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (434) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 307: (439) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 302 (… ‚dynamische Haltung‘); Lévi-Strauss (StAII: 407 / AStII: 422) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(440) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 305 (… „voller Überraschungen, Brüche und Skandale“); Lévi-Strauss (StAII: 406 / AStII: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (435) angeführte Originalzitation.]

(441) Fußnote 301; Lévi-Strauss (ebd.: 371 / ebd.: 385) „Les grandes déclarations des droits de l’homme ont, elles aussi, cette force et cette faiblesse d’énoncer un idéal trop souvent oublieux du fait que l’homme ne réalise pas sa nature dans une humanité abstraite, mais dans des cultures traditionnelles dont les

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changements les plus révolutionnaires laissent subsister des pans entiers, et s’expliquent eux-mêmes en fonction d’une situation strictement définie dans le temps et dans l’espace.“ (AStII: 385.)

(442) Fußnote 303; Lévi-Strauss (ebd.: 407 / ebd.: 422) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(443) Fußnote 303; Lévi-Strauss (Ebd.: 406 / Ebd.: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(444) Fußnote 304 a; Lévi-Strauss (ebd.: 406 / ebd.: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(445) Fußnote 304 a; Lévi-Strauss (ebd.: 405 f. / ebd.: 420 f.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (435) angeführte Originalzitation.]

(446) Fußnote 306; Lévi-Strauss (ebd.: 406 / ebd.: 421) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(447) Fußnote 306; Lévi-Strauss (Ebd.: 406 f. / Ebd.: 422) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (418) angeführte Originalzitation.]

(448) Fußnote 306; Lévi-Strauss (BF: 48 / RE: 44) [Vgl. hierzu die unten, unter Nummer (478) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 308: (449) Fußnote 307; Lévi-Strauss (StAII: 405 / AStII: 420) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (435) angeführte Originalzitation.]

(450) Fußnote 308; Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15 sowie Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207) [Vgl. zu BF: 14 / RE: 15 die unten, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.] [Vgl. zu Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207 erneut die oben, unter Nummer (426) angeführte Originalzitation.]

(451) Fußnote 311; Lévi-Strauss (StAII: 369 f. / AStII: 384) „L’humanité cesse aux frontières de la tribu, du groupe linguistique, parfois même du village; à tel point qu’un grand nombre de populations dites primitives se désignent elles-mêmes d’un nom qui signifie les ‚hommes‘ (ou parfois – dirons-nous avec plus de discrétion? – les ‚bons‘, les ‚excellents‘, les ‚complets‘), impliquant ainsi que les autres tribus, groupes ou villages ne participent pas des vertus ou même de la nature humaines, mais sont tout au plus composés de ‚mauvais‘, de ‚méchants‘, de ‚singes de terre‘ ou d’‚œufs de pou‘. On va souvent jusqu’à priver l’étranger de ce dernier degré de réalité en en faisant un ‚fantôme‘ ou une ‚apparition‘.“ (AStII: 384.)

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Betreffend Seite 309: (452) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 313 (… ‚normal‘) und Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 314 (… ‚sogar legitim‘) und Fußnotennummer 315 (… ‚jedenfalls unvermeidlich‘); Lévi-Strauss (BF: 13 / RE: 15) „[…] je m’insurgeais contre l’abus de langage par lequel, de plus en plus, on en vient à confondre le racisme défini au sens strict et des attitudes normales, légitimes même, et en tout cas inévitables. Le racisme est une doctrine qui prétend voir dans les caractères intellectuels et moraux attribués à un ensemble d’individus, de quelque façon qu’on le définisse, l’effet nécessaire d’un commun patrimoine génétique. On ne saurait ranger sous la même rubrique, ou imputer automatiquement au même préjugé l’attitude d’individus ou de groupes que leur fidélité à certaines valeurs rend partiellement ou totalment insensibles à d’autres valeurs. Il n’est nullement coupable de placer une manière de vivre et de penser au-dessus de toutes les autres, et d’éprouver peu d’attirance envers tels ou tels dont le genre de vie, respectable en lui-même, s’éloigne par trop de celui auquel on est traditionnellement attaché. Cette incommunicabilité relative n’autorise certes pas à opprimer ou détruire les valeurs qu’on rejette ou leurs représentants, mais, maintenue dans ces limites, elle n’a rien de révoltant. Elle peut même représenter le prix à payer pour que les systèmes de valeurs de chaque famille spirituelle ou de chaque communauté se conservent, et trouvent dans leur propre fonds les ressources nécessaires à leur renouvellement. Si, comme je l’écrivais dans Race et histoire, il existe entre les sociétés humaines un certain optimum de diversité au-delà duquel elles ne sauraient aller, mais en dessous duquel elles ne peuvent non plus descendre sans danger, on doit reconnaître que cette diversité résulte pour une grande part du désir de chaque culture de s’opposer à celles qui l’environnent, de se distinguer d’elles, en un mot d’être soi; elles ne s’ignorent pas, s’empruntent à l’occasion, mais, pour ne pas périr, il faut que, sous d’autres rapports, persiste entre elles une certaine imperméabilité.“ (RE: 15.)

(453) Haupttext; Begriff vor Fußnotennummer 316 (… ‚gesunde‘) und Begriff bzw. Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 317 (… keineswegs ‚pathologische‘); Lévi-Strauss (Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (426) angeführte Originalzitation.]

(454) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 320); Lévi-Strauss (BF: 14 / RE: 15) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(455) Fußnote 311; Lévi-Strauss (BF: 27 / RE: 26) „Mais on connaît aussi une autre attitude, complémentaire de la précédente plutôt qu’elle ne la contredit, et selon laquelle l’étranger jouit du prestige de l’exotisme et incarne la chance, offert par sa présence, d’élargir les liens sociaux. En visite dans une famille, on le choisit pour donner un nom au nouveau-né, et les alliances matrimoniales aussi auront d’autant plus de prix qu’elles seront conclues avec des groupes éloignés.“ (RE: 26.)

(456) Fußnote 312; Lévi-Strauss (StAII: 369 / AStII: 383 sowie BF: 53 / RE: 49) bzw. (StAII: 369 / AStII: 383) „[…] l’Antiquité confondait-elle tout ce qui ne participait pas de la culture grecque (puis gréco-romaine) sous le même nom de barbare; la civilisation occidentale a en-

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suite utilisé le terme de sauvage dans le même sens. Or, derrière ces épithètes se dissimule un même jugement: il est probable que le mot barbare se réfère étymologiquement à la confusion et à l’inarticulation du chant des oiseaux, opposées à la valeur signifiante du langage humain; et sauvage, qui veut dire ‚de la forêt‘, évoque aussi un genre de vie animal, par opposition à la culture humaine. Dans les deux cas, on refuse d’admettre le fait même de la diversité culturelle; on préfère rejeter hors de la culture, dans la nature, tout ce qui ne se conforme pas à la norme sous laquelle on vit.“ (AStII: 383.)

(457) Fußnote 312; Lévi-Strauss (Eribondt: 217 / Eribonfrz: 207) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (426) angeführte Originalzitation.]

(458) Fußnote 318; Lévi-Strauss (MB: 32 / MM: 20) [Vgl. hierzu erneut die zweite der oben, unter Nummer (412) angeführten Originalzitationen.]

Betreffend Seite 310: (459) Abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 321); Lévi-Strauss (BF: 51 / RE: 47) „Sans doute nous berçons-nous du rêve que l’égalité et la fraternité régneront un jour entre les hommes, sans que soit compromise leur diversité. Mais si l’humanité ne se résigne pas à devenir la consommatrice stérile des seules valeurs qu’elle a su créer dans le passé, capable seulement de donner le jour à des ouvrages bâtards, à des inventions grossières et puériles, elle devra réapprendre que toute création véritable implique une certaine surdité à l’appel d’autres valeurs, pouvant aller jusqu’à leur refus sinon même à leur négation. Car on ne peut, à la fois, se fondre dans la jouissance de l’autre, s’identifier à lui, et se maintenir différent. Pleinement réussie, la communication intégrale avec l’autre condamne, à plus ou moins brève échéance, l’originalité da sa et de ma création.“ (RE: 47.)

(460) Fußnote 320 b; Lévi-Strauss (BF: 13 / RE: 15) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (452) angeführte Originalzitation.]

(461) Fußnote 320 b; Lévi-Strauss (Eribondt: 218 f. / Eribonfrz: 208) „[…] qu’est-ce que le racisme? Une doctrine précise, qu’on peut résumer en quatre points. Un: une corrélation existe entre le patrimoine génétique d’une part, les aptitudes intellectuelles et les dispositions morales d’autre part. Deux: ce patrimoine, dont dépendent ces aptitudes et ces dispositions, est commun à tous les membres de certains groupements humains. Trois: ces groupements appelés ‚races‘ peuvent être hiérarchisés en fonction de la qualité de leur patrimoine génétique. Quatre: ces différences autorisent les ‚races‘ dites supérieures à commander, exploiter les autres, éventuellement à les détruire. Théorie et pratique indéfendables pour nombre de raisons qu’après d’autres auteurs ou en même temps qu’eux, j’ai énoncées dans ‚Race et culture‘ avec autant de vigueur que dans Race et histoire. Le problème des rapports entre cultures se situe sur un autre plan.“ (Eribonfrz: 208 f.)

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Betreffend Seite 312: (462) Fußnote 327; Lévi-Strauss (Eribondt: 222 / Eribonfrz: 211 f.) „On observe des phénomènes inquiétants, mais qui – sauf quand on tue un Arabe parce qu’il est arabe, ce qu’on devrait châtier sur l’heure et sans pitié – ne relèvent pas du racisme au sens fort du terme. Il y a et il y aura toujours des communautés portées à sympathiser avec celles dont les valeurs et le genre de vie ne heurtent pas les leurs propres; moins avec d’autres. Ce qui n’empêche que même avec celles-ci, les rapports peuvent et doivent rester sereins. Si mon travail requiert le silence et qu’une communauté ethnique s’accommode du bruit ou même s’y complaît, je ne la blâmerai pas et n’incriminerai pas son patrimoine génétique. Je préférerai toutefois ne pas vivre trop près, et apprécierai peu que sous ce méchant prétexte, on cherche à me culpabiliser.“ (Eribonfrz: 211 f.)

Betreffend Seite 313: (463) Fußnote 336; Lévi-Strauss (Escaffitdt: 282 / Escaffitfr: 9) „Le spectacle de cette extraordinaire diversité, de cette grande richesse qu’a constitué l’éventail des cultures me fait essentiellement craindre que ne s’abolissent trop vite et trop brutalement entre les hommes ces différences où se trouvait leur fécondité intellectuelle, esthétique et morale. Au fond, toutes les grandes civilisations sont des civilisations de carrefour qui ont su marier en elles des influences d’origines diverses. Si cette diversité devait disparaître dans un monde qui deviendrait homogène, uniforme, on pourrait craindre que l’humanité entre dans une période qui n’aurait plus guère de rapport avec tout ce à quoi nous sommes traditionnellement attachés.“ (Escaffitfr: 9.)

(464) Fußnote 336; Lévi-Strauss (BF: 51 / RE: 47) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (459) angeführte Originalzitation.]

(465) Fußnote 336; Winch (1964: 106) „What we may learn by studying other cultures are not merely possibilities of different ways of doing things, other techniques. More importantly we may learn different possibilities of making sense of human life, different ideas about the possible importance that the carrying out of certain activities may take on for a man, trying to contemplate the sense of his life as a whole.“ (Winch 1964: 106.)

(466) Fußnote 337 a; E. U. v. Weizsäcker / Lovins / Lovins ([1995] 101997: 255); außerdem Sponsel / Bailey / Headland (1996: 16); auch Leakey / Lewin (1995 / 1996: 152 ff.) „Die Artenvielfalt kann als Versicherung gegen unvorhersehbare klimatisch oder anders verursachte Veränderungen der Biosphäre aufgefaßt werden. Auch Dummheiten menschlicher Eingriffe in die Natur sind oft von der phantastischen biologischen Vielfalt abgefedert oder wiedergutgemacht worden.“ (E. U. v. Weizsäcker / Lovins / Lovins [1995] 101997: 255.) „The reduction of biodiversity not only impoverishes life on this unique planet but reduces the possibilities for future evolution […].“ (Sponsel / Bailey / Headland 1996: 16.)

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Betreffend Seite 314: (467) Fußnote 338; Lévi-Strauss (BF: 43; 48-51 / RE: 40; 45-47) „Il y aura bientôt vingt ans que, dans une plaquette écrite à la demande de l’Unesco, je faisais appel à la notion de coalition pour expliquer que des cultures isolées ne pouvaient espérer créer à elles seules les conditions d’une histoire vraiment cumulative. Il faut pour cela, disais-je, que des cultures diverses combinent volontairement ou involontairement leurs mises respectives et se donnent ainsi une meilleure chance de réaliser, au grand jeu de l’histoire, les séries longues qui permettent à celle-ci de progresser. Les généticiens proposent actuellement des vues assez voisines sur l’évolution biologique, quand ils montrent qu’un génome constitue en réalité un système dans lequel certains gènes jouent un rôle régulateur et d’autres exercent une action concertée sur un seul caractère, ou le contraire, si plusieurs caractères se trouvent dépendre d’un même gène. Ce qui est vrai au niveau du génome individuel l’est aussi à celui d’une population, qui doit toujours être telle, par la combinaison qui s’opère en son sein de plusieurs patrimoines génétiques où l’on aurait naguère reconnu un type racial, qu’un équilibre optimal s’établisse et améliore ses chances de survie. En ce sens, on peut dire que la recombinaison génétique joue, dans l’histoire des populations, un rôle comparable à celui que la recombinaison culturelle joue dans l’évolution des formes de vie, des techniques, des connaissances et des croyances par le partage desquelles se distinguent les sociétés.“ (RE: 39 f.)

(468) Fußnote 339 c; Lévi-Strauss (DC: 1190) „Loin que diversité et progrès soient incompatibles, c’est la diversité elle-même qui doit être traitée comme un fait de progrès.“ (DC: 1190.)

(469) Fußnote 340; Lévi-Strauss (MB: 32 / MM: 20 sowie Escaffitdt: 282 / Escaffitfrz: 9) [Vgl. zu MB: 32 / MM: 20 erneut die zweite der oben, unter Nummer (412) angeführten Originalzitationen.] [Vgl. zu Escaffitdt: 282 / Escaffitfrz: 9 erneut die oben, unter Nummer (463) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 317: (470) Motto; Lévi-Strauss (Traurige Tropen) „Les zélateurs du progrès s’exposent à méconnaître, par le peu de cas qu’ils en font, les immenses richesses accumulées par l’humanité de part et d’autre de l’étroit sillon sur lequel ils gardent les yeux fixés; en sous-estimant l’importance d’efforts passés, ils déprécient tous ceux qu’il nous reste à accomplir.“ (TrTr: 454.)

Betreffend Seite 318: (471) Fußnote 355; Sponsel / Bailey / Headland (1996: 19) „Although many indigenous societies like the Yanomami in Brazil […] and the Agta of the Philippines […] are threatened with extinction, others have avoided ethnocide,

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experienced a population rebound after initial depopulation with Western contact, accepted Western culture selectively, and maintained their ethnic identity and territorial integrity. It is a myth that all indigenous peoples are inevitably destined to extinction (Bodley […]). The Kayapó in Brazil, Shuar in Ecuador, Ye´kuana in Venezuela, and the Kuna in Panama are among those that have thus far been successful at maintaining control over their forest lands and their ethnic integrity and identity […].“ (Sponsel / Bailey / Headland 1996: 19.)

Betreffend Seite 322: (472) Fußnote 368 b; Lévi-Strauss (StAII: 361 f. / AStII: 376) „Nos sociétés occidentales sont faites pour changer, c’est le principe de leur structure et de leur organisation. Les sociétés dites ‚primitives‘ nous apparaissent telles, surtout parce qu’elles ont été conçues par leurs membres pour durer. Leur ouverture sur l’extérieur est très réduite, et ce que nous appellerions chez nous ‚l’esprit de clocher‘ les domine. L’étranger, fût-il proche voisin, est tenu pour sale et grossier; on va souvent jusqu’à lui dénier la qualité d’homme. Mais, inversement, la structure sociale interne a une trame plus serrée, un décor plus riche que dans des civilisations complexes. Rien n’y est laissé au hasard, et le double principe qu’il faut une place pour chaque chose, et que chaque chose doit être à sa place, imprègne toute la vie morale et sociale. Il explique aussi comment des sociétés de très bas niveau techno-économique peuvent éprouver un sentiment de bien-être et de plénitude, et que chacune d’elles estime offrir à ses membres la seule vie qui vaille la peine d’être vécue. Elles leur procurent ainsi, peut-être, plus de bonheur. Mais parce que ce bonheur se veut complet, chaque forme est inévitablement séparée des autres, et elle est fixée en droit sinon toujours en fait.“ (AStII: 376.)

Betreffend Seite 323: (473) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 371 (… im Sinne weitgehend nachahmender Wiederholung.); Lévi-Strauss (WD: 272 / PS: 312 f.) „Il nous est sans doute difficile […] de ne pas juger défavorablement une attitude qui contredit de façon flagrante ce besoin avide de changement qui est propre à notre civilisation. Pourtant, la fidélité têtue à un passé conçu comme modèle intemporel, plutôt que comme une étape du devenir, ne trahit nulle carence morale ou intellectuelle: elle exprime un parti adopté consciemment ou inconsciemment, et dont le caractère systématique est attesté, dans le monde entier, par cette justification inlassablement répétée de chaque technique, de chaque règle, et de chaque coutume, au moyen d’un argument unique: les ancêtres nous l’ont appris. Comme pour nous dans d’autres domaines jusqu’à une époque récente, l’ancienneté et la continuité sont les fondements de la légitimité. Mais cette ancienneté est posée dans l’absolu, puisqu’elle remonte à l’origine du monde, et cette continuité n’admet ni orientation, ni degrés. L’histoire mythique offre donc le paradoxe d’être simultanément disjointe et conjointe par rapport au présent. Disjointe, puisque les premiers ancêtres étaient d’une autre nature que les hommes contemporains: ceux-là furent des créateurs, ceux-ci sont des

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copistes; et conjointe puisque, depuis l’apparition des ancêtres, il ne s’est rien passé sinon des événements dont la récurrence efface périodiquement la particularité.“ (PS: 312 f.)

(474) Fußnote 370; Lévi-Strauss (Eribondt: 181 / Eribonfrz: 174; daneben Eramodt: 259 / Eramoit: 120; außerdem SG: 69 / HE: 1218) „[…] je n’établis pas une distinction objective entre des types différents de sociétés. Je me réfère à l’attitude subjective que les sociétés humaines adoptent vis-à-vis de leur propre histoire. Quand nous parlons de société ‚primitive‘, nous mettons des guillemets pour qu’on sache que le terme est impropre et nous est imposé par l’usage. Et pourtant, en un sens, il convient: les sociétés que nous appelons ‚primitives‘ ne le sont en aucune façon, mais elles se voudraient telles. Elles se rêvent primitives, car leur idéal serait de rester dans l’état où les dieux ou les ancêtres les ont créées à l’origine des temps. Bien entendu, elles se font illusion et n’échappent pas plus à l’histoire que les autres. Mais cette histoire dont elles se méfient, qu’elles n’aiment pas, elles la subissent. Tandis que les sociétés chaudes – ainsi la nôtre – ont vis-à-vis de l’histoire une attitude radicalement différente.“ (Eribonfrz: 174 f.) „Tutte le società sono impegnate nella storia, ma le nostre vi sono impegnate volontariamente e coscientemente e cercano di fare della storia il motore del proprio progresso e del proprio cambiamento; mentre altre società, quelle studiate dagli etnologi, che certo sono nella storia come tutte le altre e che hanno un passato altrettanto antico, non hanno però lo stesso atteggiamento rispetto alla storia. Non l’assumono, anzi cercano di fare come se la storia non esistesse benché esista.“ (Eramoit: 120.) „Si on peut leur appliquer les mêmes méthodes, y saisir des faits du même ordre, les placer dans la même perspective, quelle différence de nature subsiste entre les sociétés lointaines qu’étudient, seuls ou presque, les ethnologues, et celles toutes proches, dont les ethnologues et les historiens découvrent qu’ils peuvent avec profit les étudier ensemble? J’ai jadis proposé de les distinguer en respectivement ‚froides‘ et ‚chaudes‘ – distinction qui a entraîné toutes sortes de malentendus. Car je ne prétendais pas définir des catégories réelles, mais seulement, dans un but heuristique, deux états qui, pour paraphraser Rousseau, ‚n’existent pas, qui n’ont pas existé, n’existeront jamais, et dont il est pourtant nécessaire d’avoir des notions justes‘, en l’occurrence pour comprendre que des sociétés qui semblent relever de types irréductibles, diffèrent moins les unes des autres par des caractères objectifs que par l’image subjective qu’elles se font d’elles-mêmes. Toutes les sociétés sont historiques au même titre, mais certaines l’admettent franchement, tandis que d’autres y répugnent et préfèrent l’ignorer. Si donc on peut à bon droit ranger les sociétés sur une échelle idéale en fonction, non de leur degré d’historicité qui est pareil pour toutes, mais de la manière dont elles le ressentent, il importe de repérer et d’analyser les cas limites: dans quelles conditions et sous quelles formes la pensée collective et les individus s’ouvrent-ils à l’histoire? Quand et comment, au lieu de la regarder comme un désordre et une menace, voient-ils en elle un outil pour agir sur le présent et le transformer?“ (HE: 1218.)

(475) Fußnote 371; Lévi-Strauss (WD: 272 f. / PS: 312 f.) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (473) angeführte Originalzitation.]

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Betreffend Seite 327: (476) Untertext; abgesetztes Zitat (Fußnotennummer 387); Lévi-Strauss (Eribondt: 254 / Eribonfrz: 241) „[…] à mon sens, l’homme doit se persuader qu’il occupe une place infime dans la création, que la richesse de celle-ci le déborde, et qu’aucune de ses inventions esthétiques ne rivalisera jamais avec celles qu’offrent un minéral, un insecte ou une fleur. Un oiseau, un scarabée, un papillon, invitent à la même contemplation fervente que nous réservons au Tintoret ou à Rembrandt; mais notre œil a perdu sa fraîcheur, nous ne savons plus regarder.“ (Eribonfrz: 241.)

(477) Fußnote 387; Lévi-Strauss (TT: 412 f. / TrTr: 479 f. sowie StAII: 313 ff. / AStII: 328 ff.) „Pas plus que l’individu n’est seul dans le groupe et que chaque société n’est seule parmi les autres, l’homme n’est seul dans l’univers. Lorsque l’arc-en-ciel des cultures humaines aura fini de s’abîmer dans le vide creusé par notre fureur; tant que nous serons là et qu’il existera un monde – cette arche ténue qui nous relie à l’inaccessible demeurera, montrant la voie inverse de celle de notre esclavage et dont, à défaut de la parcourir, la contemplation procure à l’homme l’unique faveur qu’il sache mériter: suspendre la marche, retenir l’impulsion qui l’astreint à obturer l’une après l’autre les fissures ouvertes au mur de la nécessité et à parachever son œuvre en même temps qu’il clôt sa prison; cette faveur que toute société convoite, quels que soient ses croyances, son régime politique et son niveau de civilisation; où elle place son loisir, son plaisir, son repos et sa liberté; chance, vitale pour la vie, de se déprendre et qui consiste – adieu sauvages! adieu voyages! – pendant les brefs intervalles où notre espèce supporte d’interrompre son labeur de ruche, à saisir l’essence de ce qu’elle fut et continue d’être, en deçà de la pensée et au delà de la société: dans la contemplation d’un minéral plus beau que toutes nos œuvres; dans le parfum, plus savant que nos livres, respiré au creux d’un lis; ou dans le clin d’œil alourdi de patience, de sérénité et de pardon réciproque, qu’une entente involontaire permet parfois d’échanger avec un chat.“ (TrTr: 479 f.) „‚Témoins de notre temps‘ [Le Figaro littéraire, jeudi 25 novembre 1965. M. Jean Prasteau avait demandé à diverses personnes de citer les faits, découvertes, inventions, livres, tableaux datant des vingt dernières années, dont elles enfermeraient le témoignage, ou la chose elle-même, dans les vingt-cinq cases d’un coffre qui serait enfoui quelque part dans Paris, à l’intention des archéologues de l’an 3000.]“ „Monsieur, Je mettrai dans votre coffre des documents relatifs aux dernières sociétés ‚primitives‘ en voie de disparition, des exemplaires d’espèces végétales et animales proches d’être anéanties par l’homme, des échantillons d’air et d’eau non encore pollués par les déchets industriels, des notices et illustrations sur des sites bientôt saccagés par des installations civiles ou militaires. Vingt-cinq cases ne suffiront certes pas! Mais, en décidant ce qui, de la production littéraire et artistique, des vingt dernières années, mérite de survivre un millénaire, on se tromperait à coup sûr. Et il serait présomptueux et vain de signaler à l’attention de nos lointains successeurs des théories et des appareils scientifiques qu’ils jugeront périmés.

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Mieux vaut donc leur laisser quelques témoignages sur tant de choses que, par notre malfaisance et celle de nos continuateurs, ils n’auront plus le droit de connaître: la pureté des éléments, la diversité des êtres, la grâce de la nature, et la décence des hommes.“ (AStII: 337.)

(478) Fußnote 388; Lévi-Strauss (BF: 47 f. / RE: 43 f.) sowie (BF: 52 / RE: 48) „Rien n’indique que les préjugés raciaux diminuent, et tout laisse à penser qu’après de brèves accalmies locales, ils resurgissent ailleurs avec une intensité accrue. D’où le besoin ressenti par l’Unesco de reprendre périodiquement un combat dont l’issue apparaît pour le moins incertaine. Mais sommes-nous tellement sûrs que la forme raciale prise par l’intolérance résulte, au premier chef, des idées fausses que telle ou telle population entretiendrait sur la dépendance de l’évolution culturelle par rapport à l’évolution organique? Ces idées ne fournissent-elles pas simplement une couverture idéologique à des oppositions plus réelles, fondées sur la volonté d’asservissement et sur des rapports de force? Ce fut certainement le cas dans la passé; mais, même en supposant que ces rapports de force s’atténuent, les différences raciales ne continueraient-elles pas à servir de prétexte à la difficulté croissante de vivre ensemble, inconsciemment ressentie par une humanité en proie à l’explosion démographique et qui – tels ces vers de farine qui s’empoisonnent à distance par les toxines qu’ils sécrètent, bien avant que leur densité n’excède les resources alimentaires dont ils disposent dans le sac qui les enferme – se mettrait à se haïr elle-même, parce qu’une prescience secrète l’avertit qu’elle devient trop nombreuse pour que chacun de ses membres puisse librement jouir de ces biens essentiels que sont l’espace libre, l’eau pure, l’air non pollué? Les préjugés raciaux ont atteint leur plus grande intensité visà-vis de groupes humains réduits par d’autres à un territoire trop étriqué, à une portion trop congrue des biens naturels pour que leur dignité n’en soit pas atteinte, à leurs propres yeux comme à ceux de leurs puissants voisins. Mais l’humanité moderne, dans son ensemble, ne tend-elle pas à s’exproprier elle-même, et sur une planète devenue trop petite, ne reconstitue-t-elle pas à ses dépens une situation comparable avec celle que certains de ses représentants infligèrent aux malheureuses tribus américaines ou océaniennes? Qu’en serait-il, enfin, de la lutte idéologique contre les préjugés raciaux, s’il s’avérait que toujours et partout, comme le suggèrent certaines expériences conduites par les psychologues, il suffit de répartir des sujets d’origine quelconque en équipes, et de placer celles-ci dans une situation compétitive, pour que se développent en chacune un sentiment de partialité et d’injustice vis-à-vis de ses rivales? Des communautés minoritaires qu’on voit aujourd’hui apparaître en plusieurs points du monde, tels les hippies, ne se distinguent pas du gros de la population par la race, mais seulement par le genre de vie, la moralité, la coiffure et le costume; les sentiments de répulsion, d’hostilité parfois, qu’elles inspirent au plus grand nombre sont-ils substantiellement différents des haines raciales, et ferions-nous donc accomplir aux gens un véritable progrès si nous nous contentions de dissiper les préjugés spéciaux sur lesquels ces haines seules, entendues au sens strict, peuvent être dites reposer? Dans toutes ces hypothèses, la contribution que l’ethnologue peut apporter à la solution du problème racial se révélerait dérisoire, et il n’est pas certain que celle qu’on irait demander aux psychologues et aux éducateurs se montrerait plus féconde, tant il est vrai que, comme nous l’enseigne l’exemple des peuples dits primitifs, la tolérance réciproque suppose réalisées deux conditions que les sociétés contemporaines sont plus éloignées que jamais de connaître: d’une part, une égalité relative, de l’autre, une distance physique suffisante.“ (RE: 43 f.)

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[Vgl. zu BF: 52 / RE: 48 erneut die oben, unter Nummer (421) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 334: (479) Haupttext; Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 423 (… ‚ethnischen Stolz‘); Bailey (1996: 328) „Another reason to decentralize planning and management of protected areas is to take advantage of ethnic pride. Because people identify with their area of forest, if they retain control over it – if the traditional land tenure system is reinforced – they are apt to protect it.“ (Bailey 1996: 328.)

(480) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 424 (… und zugleich damit das Gefühl der Verantwortlichkeit für den Schutz des eigenen Territoriums zu heben vermag); Bailey (ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (479) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 337: (481) Fußnote 437; Lévi-Strauss (Spiegel: 97) [Spiegel:] „Sie haben […] gesagt, daß es zur Verminderung von Intoleranz nicht ausreichend sei, Ideen zu verändern. Man müßte auch die natürlichen Bedingungen in den Beziehungen zwischen den modernen Menschen und der Natur verändern.“ [Lévi-Strauss:] „Ich habe nicht gesagt, daß man sie verändern müßte, ich habe gesagt, daß sie sich ändern müßten, was nicht ganz dasselbe ist. […].“ (Spiegel: 97.)

Betreffend Seite 345: (482) Fußnote 470; Lévi-Strauss (TT: 381 / TrTr: 446 f.) „On découvre […] qu’aucune société n’est foncièrement bonne; mais aucune n’est absolument mauvaise. Toutes offrent certains avantages à leurs membres, compte tenu d’un résidu d’iniquité dont l’importance paraît approximativement constante et qui correspond peut-être à une inertie spécifique qui s’oppose, sur le plan de la vie sociale, aux efforts d’organisation.“ (TrTr: 446 f.)

(483) Fußnote 473 b; Lévi-Strauss (BA: 16 / SB: 16) „En ceux qui, parmi ces Indiens, nous apparaissent les plus démunis, il faut […] voir, non les témoins de genres de vie archaïques miraculeusement préservés pendant des millénaires, mais les derniers réchappés de ce cataclysme que furent pour leurs ancêtres la découverte et les envahissements qui suivirent. Qu’on imagine, toutes proportions gardées, des groupes de survivants éparpillés après une catastrophe atomique à l’échelle planétaire, ou bien après la chute d’une météorite comme celle qui, dit-on, provoqua l’extinction des dinosaures. L’admirable est qu’avec un effectif ré-

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duit au vingtième, au cinquantième ou au centième, ces Indiens aient su recréer des sociétés viables, et même, pourrait-on dire, réinventé l’état de société. Car, bien que fragiles, leurs sociétés étaient en équilibre. Équilibre démographique d’abord. Conscientes ou non, des règles de mariage et diverses pratiques pré- ou post-natales que nous qualifierions de superstitions, avaient pour résultat de maintenir la population à un chiffre au-dessous duquel elle s’éteindrait – au-dessus, la sagesse conduirait le groupe à se scinder. Équilibre écologique ensuite, grâce à une philosophie naturelle qui subordonne l’exploitation par l’homme des ressources végétales et animales au respect d’un pacte conclu avec les puissances surnaturelles.“ (SB: 15 f.)

Betreffend Seite 346: (484) Fußnote 477 a; Lévi-Strauss (BF: 34 f. / RE: 33) „Si odieux que nous soit devenu l’infanticide, il ne diffère pas fondamentalement, comme méthode de contrôle des naissances, du taux élevé de mortalité infantile qui a prévalu dans les ‚grosses‘ sociétés et prévaut encore dans certaines, et des méthodes contraceptives dont l’emploi nous semble aujourd’hui nécessaire pour épargner à des millions ou à des milliards d’individus, exposés à naître sur une planète surpeuplée, un sort non moins lamentable que celui que leur évite une précoce élimination.“ (RE: 33.)

(485) Fußnote 477 a; Lévi-Strauss (TT: 382 f. / TrTr: 447 f.) „Prenons le cas de l’anthropophagie qui, de toutes les pratiques sauvages, est sans doute celle qui nous inspire le plus d’horreur et de dégoût. On devra d’abord en dissocier les formes proprement alimentaires, c’est-à-dire celles où l’appétit pour la chair humaine s’explique par la carence d’autre nourriture animale, comme c’était le cas dans certaines îles polynésiennes. De telles fringales, nulle société n’est moralement protégée; la famine peut entraîner les hommes à manger n’importe quoi: l’exemple récent des camps d’extermination le prouve. Restent alors les formes d’anthropophagie qu’on peut appeler positives, celles qui relèvent d’une cause mystique, magique ou religieuse: ainsi l’ingestion d’une parcelle du corps d’un ascendant ou d’un fragment d’un cadavre ennemi, pour permettre l’incorporation de ses vertus ou encore la neutralisation de son pouvoir; outre que de tels rites s’accomplissent le plus souvent de manière fort discrète, portant sur de menues quantités de matière organique pulvérisée ou mêlée à d’autres aliments, on reconnaîtra, même quand elles revêtent des formes plus franches, que la condamnation morale de telles coutumes implique soit une croyance dans la résurrection corporelle qui serait compromise par la destruction matérielle du cadavre, soit l’affirmation d’un lien entre l’âme et le corps et le dualisme correspondant, c’est-à-dire des convictions qui sont de même nature que celles au nom desquelles la consommation rituelle est pratiquée, et que nous n’avons pas de raison de leur préférer. D’autant plus que la désinvolture vis-à-vis de la mémoire du défunt, dont nous pourrions faire grief au cannibalisme, n’est certainement pas plus grande, bien au contraire, que celle que nous tolérons dans les amphithéâtres de dissection. Mais surtout, nous devons nous persuader que certains usages qui nous sont propres, considérés par un observateur relevant d’une société différente, lui apparaîtraient de même nature que cette anthropophagie qui nous semble étrangère à la notion de civilisation. Je pense à nos coutumes judiciaires et pénitentiaires. A les étudier du dehors,

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on serait tenté d’opposer deux types de sociétés: celles qui pratiquent l’anthropophagie, c’est-à-dire qui voient dans l’absorption de certains individus détenteurs de forces redoutables le seul moyen de neutraliser celles-ci, et même de les mettre à profit; et celles qui, comme la nôtre, adoptent ce qu’on pourrait appeler l’anthropémie (du grec émein, vomir); placées devant le même problème, elles ont choisi la solution inverse, consistant à expulser ces êtres redoutables hors du corps social en les tenant temporairement ou définitivement isolés, sans contact avec l’humanité, dans des établissements destinés à cet usage. A la plupart des sociétés que nous appelons primitives, cette coutume inspirerait une horreur profonde; elle nous marquerait à leurs yeux de la même barbarie que nous serions tentés de leur imputer en raison de leurs coutumes symétriques.“ (TrTr: 447 f.)

Betreffend Seite 347: (486) Haupttext; Text und Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 483 (… Kennzeichnung ‚Romer’s Rule‘); Kottak (1990: 723) „Compatible and successful projects avoid what I call the fallacy of overinnovation and are instead applications of Romer’s Rule, taken from the paleontologist A. S. Romer (1960), who used it to explain the evolutionary emergence of land-dwelling vertebrates, as follows. The ancestors of terrestrial vertebrates were animals that lived in pools of water that disappeared during seasonal droughts. During the Devonian period, legs gradually evolved out of fins, not to permit animals to live full time on the land, but to enable them to get back to the water as pools dried up. A feature that proved essential to land life originated to maintain an aquatic existence. Systems theorists, paleobiologists, and social scientists alike have used Romer’s Rule to predict and explain change. The general lesson is that the goal of stability is the main impetus for change. Evolution occurs incrementally as gradually changing systems keep on attempting to maintain themselves (as they gradually change). Because development is, after all, simply another term for (planned) socioeconomic evolution, Romer’s Rule is applicable. To apply it to development is certainly not to oppose change (as some planners have argued with me that it is). After all, the emergence of legs, which prompted Romer’s Rule, was certainly a highly significant innovation and was to provide vertebrates with multiple paths of diversification and development. The application of Romer’s Rule to ‚economic development‘ suggests that people are unlikely to cooperate with projects that require major changes in their daily lives, especially ones that interfere too much with customary subsistence pursuits. Applying the rule, we can infer that development ‚beneficiaries‘ usually wish to change just enough to maintain what they have. Although people do want certain changes, their motives to modify their behavior are provided by their traditional culture and the small concerns of everyday existence. Their behavioral values are not abstract ‚planners’ values,‘ such as ‚learning a better way,‘ ‚progressing,‘ ‚increasing technical know-how,‘ ‚improving efficiency,‘ or ‚adopting modern techniques.‘ Rather, they have down-to-earth and specific objectives, such as maintaining yields in a rice field, amassing resources for a ceremony, getting a child through school, or paying taxes. The goals and values of subsistence cultivators differ from those of people who produce for cash, just as they differ from those of development planners. These value systems must be taken into account during planning.

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Following Romer’s Rule, realistic and workable projects promote change but not overinnovation. Implicit in all the successful projects I examined was the goal of changing so as to maintain – preserving systems while making them work better. The successful projects respected, or at least did not work in opposition to, local cultural patterns. They either had an appropriate social design for innovation at the outset, or they developed one during implementation. Most of the successful projects incorporated indigenous cultural practices and social structures.“ (Kottak 1990: 723 f.)

(487) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 484 (… den Hauptantrieb für Wandel bilden.); Kottak (ebd.) [Vgl. hierzu erneut die vorstehend, unter Nummer (486) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 348: (488) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 485 (… nicht befähigt waren diese Tiere deshalb schon zu einer vollen Existenz an Land.); Romer ([1933] 41959: 94) „Why land life? – The most primitive of known amphibians were, as we have said, inhabitants of fresh-water pools and streams in Carboniferous and Devonian times. Alongside them lived representatives of the ancestral crossopterygians, forms similar to them in food habits and in many structural features and differing mainly in the lesser developments of the paired limbs. Why should the amphibians have developed these limbs and become potential land dwellers? Not to breathe air, for that could be done by merely coming to the surface of the pool. Not because they were driven out in search of food, for they were fish-eating types for which there was little food to be had on land. Not to escape enemies, for they were among the largest animals of the streams and pools of that day. The development of limbs and the consequent ability to live on land seem, paradoxically, to have been adaptations for remaining in the water, and true land life seems to have been, so to speak, only the result of a happy accident. Let us consider the situation of these two types – lobe-finned fishes and amphibians living in the streams and pools of the late Paleozoic. As long as the water supply was adequate, the crossopterygian was probably the better off of the two, for he was obviously the better swimmer; legs were in the way. The Devonian, the period in which the amphibians originated, was a time of seasonal droughts. At times the streams would cease to flow, and the water in the remaining pools into which the fish and ancestral amphibians were crowded must have been foul and stagnant. Even so, the lobe-finned fish, since he possessed lungs, was at no disadvantage, for a short time at any rate, for he could come to the surface and breathe air as well as the amphibians. If, however, crowded conditions continued for a period of time, the local food supplies would be exhausted, and the situation would be a desperate one. Still worse, the water might dry up completely. Under such circumstances the crossopterygian would be helpless and must die. But the amphibian, with his newly-developed land limbs, could crawl out of the shrunken or dried-up pool, walk up or down the stream bed or overland, and reach another pool where he might take up his aquatic existence again. Land limbs were developed to reach the water, not to leave it.“ (Romer [1933] 41959: 93 f.)

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(489) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 486 (… sondern daß dieses Merkmal unmittelbar wesentlich dazu diente, eine phylogenetisch ältere Lebensform – die aquatische – weiterhin aufrechtzuerhalten.); Romer (ebd.: 327) „How and why man’s arboreal ancestors left the trees for the ground has been often discussed. Did they descend voluntarily, seeking advantages to be found in life on the ground? Or were they driven out onto the earth by competition with primate cousins? A third alternative is suggested by geological evidence indicating that in middle Tertiary times grasslands increased greatly at the expense of forest areas; ancestral men may have been forced to become ground dwellers because the forest, so to speak, disappeared from under them. A fourth idea is one not unrelated to the last, suggested by the conditions thought to be present in the Miocene landscape of East Africa. Even if Proconsul was primarily a tree dweller, he could not have traveled far without crossing open plains. He may have evolved potentialities as a ground walker so that he could live successfully in the trees (a seeming paradox, parallel to that which we have already cited in the case of the tetrapod ancestors, namely, that they became able to walk on legs so that they could stay in the water).“ (Romer [1933] 4 1959: 327.)

(490) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 487 (… jeweils gerade so weit stattfindet, wie dies nötig ist, um dem eigentlichen Ziel der Konservierung zu dienen); Kottak (1990: 724) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (486) angeführte Originalzitation.]

(491) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 488 (… den im einzelnen vorhandenen indigenen („primitiven“) kulturellen Praktiken und Sozialstrukturen, aber auch den Motiven und Bedürfnissen der im einzelnen betroffenen indigenen („primitiven“) Bevölkerung weitestmöglich Rechnung zu tragen.); Kottak (ebd.: 723 f. und 730) „Change should respond to locally perceived needs rather than to abstract goals.“ (Kottak 1990: 730.)

(492) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 489 (… Es wird in den darin liegenden Potentialen (positiv) die Chance zur Lösung der bestehenden Probleme wie aber (negativ) zugleich auch der Rahmen, innerhalb dessen man deren jeweilige Lösung zu finden hat – da die Betroffenen erfahrungsgemäß nur eine innerhalb desselben sich abzeichnende tolerieren resp. unterstützen –, gesehen.); Bailey (1996: 322) „As Kottak points out, people do want changes, but their traditional culture provides the motives to modify their behavior and the boundaries within which they are likely to accept change.“ (Bailey 1996: 322.)

Betreffend Seite 349: (493) Haupttext; Text vor Fußnotennummer 491 (… das Aktivwerden der jeweils betroffenen indigenen („primitiven“) Bevölkerung selbst.); Bailey (1996: 322 f.)

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„Recognition of the need to understand and work within local sociocultural systems leads to a commitment to provide the means by which local people can be empowered to protect the biodiversity of their lands for themselves. True empowerment of people happens when the members of a community have the opportunity to define their goals and the means to seek solutions to the underlying issues […]. Empowerment of local people in and around protected areas offers the challenge of responsible and ethical use of power for the common good – the good of the people themselves and, by virtue of effective conservation of the world’s diversity, of the world at large. Empowerment is a methodology that seeks to commit new life to communities that more often than not are marginalized and without the means of attaining either a lifestyle beyond bare subsistence or control over their own resources. Empowerment is a strategy to activate change from the bottom up rather than the top down and an approach calling for full participation of local people in the management of their communities within a framework of sustainable biological diversity.“ (Bailey 1996: 322 f.)

(494) Untertext; Text vor Fußnotennummer 493 (… befriedigt eine solche Strategie auf der Lokalebene keineswegs nur unter qualitativen Gesichtspunkten (also unter Gesichtspunkten der Lebensqualität für die Betroffenen); sie zahlt sich – buchstäblich – auch in quantitativen Parametern (im engeren Sinne: rationalistisch-ökonomisch) aus.); Kottak (1990: 723) „An issue that frequently emerges when culture and development are discussed is the relationship between cultural factors and the measurement and evaluation of project success. Sometimes a contrast is posed between quantitative evaluation in financial terms and qualitative evaluation of cultural impact: A positive effect on GNP may be accompanied by an adverse effect on the ‚quality of life.‘ However, the rivalry between economic goals and cultural well-being need not be as severe as is often supposed. In my comparative study the average economic rate of return for culturally compatible projects (19%) was much higher than that of incompatible ones (less than 9%). In other words, attention to culture also pays off economically. (Parenthetically, I should mention that sociocultural compatibility was coded independently of economic rate of return, so as to avoid the possible tendency to identify projects as culturally incompatible once they were known to be economic failures. Only after the sociocultural coding was done were the rates of return, which were listed on separate data sheets, examined.)“ (Kottak: 1990: 723.)

Betreffend Seite 352: (495) Untertext; Text vor Fußnotennummer 504 (… die jedoch bis in den Titel hinein von Retroversion und Melancholie kündet); Lévi-Strauss (BA: 16 / SB: 16) „De ce genre de vie que, depuis un ou deux siècles, ils [les Indiens; H.M.S.] avaient réussi à maintenir presque intact, un nouveau cataclysme les dépossède sous nos yeux, causé par le développement des communications et l’explosion démographique dont ils subissent la répercussion à l’échelon local, quand des hordes d’aventuriers envahissent les derniers territoires où ils avaient trouvé refuge. Comment mes vieilles photographies ne m’inspireraient-elles pas un sentiment de vide et de tristesse? Elles me donnent la conscience aiguë que cette seconde dépossession sera cette fois défini-

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tive, par le contraste entre un passé que j’ai eu encore le bonheur de connaître, et un présent dont des témoignages navrants me parviennent, envoyés par des correspondants parfois inconnus.“ (SB: 16.)

Betreffend Seite 360: (496) Haupttext; Text und Begrifflichkeit vor Fußnotennummer 530 (… Ausdruck der ‚territorialen Falle‘); Agnew / Corbridge ((1995), vor allem die Seiten 78-100) „The objective of this chapter is to identify and describe the geographical assumptions that have led international relations theory into the ‚territorial trap‘.“ (Agnew / Corbridge 1995: 79.)

Betreffend Seite 366: (497) Fußnote 565; Boon (1985: 169) „Lévi-Strauss developed his method explicitly against functionalist notions of societies as ideally stable isolates […].“ (Boon 1985: 169.) [Vgl. hier außerdem nochmals oben, die unter Nummer (330) angeführte Originalzitation sowie die vierte bzw. vorletzte der unter Nummer (355) angeführten Originalzitationen.]

Betreffend Seite 375: (498) Fußnote 611; Glean O’Callaghan / Guillaumin (1974: 206) „Une des questions cruciales est de savoir qui demande une ‚distance physique sufffisante‘17, à quelle époque dans l’histoire elle surgit et dans quels contextes économiques, sociaux et politiques. Ceci mettrait en lumière les inconséquences que contient une telle demande et répondrait à une question qui reste insoluble d’après le texte de Lévi-Strauss: pourquoi certains groupes, partageant les mêmes caractéristiques physiques et en grande partie la même culture de base, peuvent cependant, dans certaines circonstances, demander la séparation dans une région et co-exister dans une autre. Pour Lévi-Strauss le problème serait celui d’un ‚territoire trop étriqué‘18 et du racisme. En Afrique du Sud il ne s’agit pas de ‚territoire trop étriqué‘ mais de contrôle économique et politique des blancs. Ce n’est pas par hasard qu’on encourage l’immigration blanche en même temps qu’on renforce le programme de contrôle des naissances pour les Africains. […].“ (Glean O’Callaghan / Guillaumin 1974: 206.)

___________ 17

Glean O’Callaghan / Guillaumin rekurrieren hier auf RE: 44. [Vgl. dazu oben, Nummer (478).] 18 Glean O’Callaghan / Guillaumin rekurrieren hier wiederum auf RE: 44. [Vgl. dazu erneut oben, Nummer (478).]

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Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

Betreffend Seite 376: (499) Fußnote 614 b; Lévi-Strauss (Eribondt: 237 / Eribonfrz: 226) [Eribon:] „Comprenez-vous que l’on vous ait parfois taxé d’ ‚antihumanisme‘?“ [Lévi-Strauss:] „Je vous répondrai qu’un humanisme bien ordonné ne commence pas par soi-même. En isolant l’homme du reste de la création, l’humanisme occidental l’a privé d’un glacis protecteur. A partir du moment où l’homme ne connaît plus de limite à son pouvoir, il en vient à se détruire lui-même. Voir les camps d’extermination et sur un autre plan, de façon insidieuse mais avec des conséquences tragiques cette fois pour l’humanité tout entière, la pollution.“ (Eribonfrz: 225 f.)

Betreffend Seite 378: (500) Fußnote 619; Lévi-Strauss (BF: 44 / RE: 41) [Vgl. hierzu erneut die oben, unter Nummer (234) angeführte Originalzitation.]

Betreffend Seite 380: (501) Motto; Turnbull (Wayward Servants) [Vgl. hierzu die unmittelbar folgende Originalzitation.]

Betreffend Seite 382: (502) Fußnote 636 b; Turnbull (1965: 252 ff.) „We have shown earlier how the Mbuti frequently sing and shout to the forest, addressing it as ‚father‘ or ‚mother.‘ They also sometimes address it as ‚friend,‘ or even ‚lover.‘ They are perfectly well able to explain this, for they say that ‚the forest is everything‘ (ndura nde bokbu), and if pressed begin to enumerate the totality of their experience. Primarily, however, they refer to the forest as mother or father, according to context. On the hunt the men address it as father, the women as mother. A man receiving a sudden unexpected favor, as he sees it (coming across a cache of highly prized mushrooms), is apt to address the forest as mother. A woman who is having a hard time finding the leaves or saplings she wants will, getting into a tangle of undergrowth, almost certainly start addressing the forest as father and accuse it of being far too severe and strict. The terms are so widely and frequently used that I have no means of saying which is the more prevalent. If anything, I would hazard a guess that ‚mother‘ is used more often than ‚father.‘ […]. The extent to which the Mbuti personify the forest is seen when in explanation they say that the forest gives them not only food and shelter, warmth and clothing, but also affection (ndura pisasu bendu, pisasu isa, pisasu ngombe; ndura ekondisu). The intimacy of the relationship between the individual Mbuti and his forest godhead is

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

595

most plainly seen in the incident described more fully in The Forest People19 (Chapter 15), where a youth was found dancing all by himself in the moonlight, singing a wordless song as he danced. When questioned as to why he was dancing alone, he answered, ‚I am not dancing alone, I am dancing with the forest, dancing with the moon.‘20 This was not an isolated instance […]. The perennial certainty of economic sufficiency, the general lack of crisis in their lives, all lead the Mbuti to the conviction that the forest, regarded as the source […] of their whole existence, is benevolent, and that the natural course of life is good. […].“ (Turnbull 1965: 252 ff.)

Betreffend Seite 416: (503) Fußnote 754; Costa (1986: 98) „Reste que cette politique de ‚pont‘ a ses limites: par définition, un pont ne peut faire communiquer que deux mondes qui souhaitent se rencontrer; qu’il y ait crise ou forte tension, et il est sacrifié en premier.“ (Costa 1986: 98.)

Epilog. Von Pferden und Katzen Betreffend Seite 434: (504) Motto; Maybury-Lewis (Science by Association) „[…] Lévi-Strauss’s thought is as richly and unpredictably associative as that of the societies he discusses.“ (Maybury-Lewis 1968: 138.)

(505) Fußnote 1; Boon (1985: 170) „His [Lévi-Strauss’s; H.M.S.] works have been declared harder to pin down than the myths they analyse.“ (Boon 1985: 170.)

Betreffend Seite 438: (506) Haupttext; Zitation vor Fußnotennummer 20 (… „eine Katze darin ihre Jungen nicht fände“); Lévi-Strauss (MIV / dt: 786 / MIV / frz: 598) „[…] de même qu’en dépit de leur conception différente, un roman et un recueil d’essais appartiennent tous deux au genre littéraire, la mythologie explicite et la mythologie implicite constituent deux modes distincts d’une réalité identique: dans les deux cas, en effet, on a affaire à des systèmes de représentations. L’erreur des théori-

___________ 19

Verweis Turnbulls auf eine seiner früheren Publikationen (‚The Forest People‘. New York: Simon & Schuster, 1961); Anmerkung H.M.S. 20 Fußnote Turnbulls an dieser Stelle: „Kanga me bi akilé: me bi na ndura, me bi na songé.“

596

Zitierte bzw. zu zitierende Originaltextstellen

ciens contemporains du rituel provient de ce qu’ils ne distinguent pas, ou ne distinguent qu’occasionnellement, ces deux modes d’existence de la mythologie. Au lieu, donc, de traiter ensemble les problèmes posés par les représentations mythiques, explicites ou implicites, et de faire des rites l’objet d’une étude séparée, ils placent la coupure entre la mythologie explicite d’une part, à laquelle ils réservent arbitrairement le nom de mythologie, et d’autre part les gloses ou exégèses du rituel qui sont cependant de l’ordre du mythe, mais qu’ils réunissent et confondent avec les rites proprement dits. Mêlant inextricablement les deux ordres, il leur reste entre les mains un objet hybride dont on peut dire n’importe quoi, qu’il est verbal et non verbal, qu’il remplit une fonction cognitive et une fonction affective ou conative, etc. En prétendant, au départ, donner du rituel une définition spécifique qui le distingue de la mythologie, on commence par laisser dans le premier toutes sortes d’éléments qui appartiennent en fait à la seconde, on mélange tout, et on se retrouve en fin de compte dans une confusion telle qu’une chatte n’y reconnaîtrait pas ses petits.“ (MIV / frz: 598.)

Appendices Betreffend Seite 457: (507) Endnote 1; Lévi-Strauss (BellourI / dt: 79 / BellourI / frz: 37 f.) „Toute l’entreprise [sous le titre ‚Mythologiques‘; H.M.S.] est un effort pour comprendre la façon dont les Indiens des deux Amériques pensent le passage de la nature à la culture, qui est le problème fondamental de l’ethnologie, et celui même de toute philosophie de l’homme. Dans les Structures élémentaires de la parenté, j’avais eu tendance à considérer que l’opposition nature-culture relevait de l’ordre des choses et exprimait une propriété du réel. J’ai pas mal évolué depuis sous l’influence des progrès de la psychologie animale et de la tendance à faire intervenir dans les sciences de la nature des notions d’ordre culturel: par exemple celle d’information génétique en biologie ou la théorie des jeux en physique. Aujourd’hui l’opposition natureculture me semble moins refléter une propriété du réel qu’une antinomie de l’esprit humain: l’opposition n’est pas objective, ce sont les hommes qui ont besoin de la formuler. Elle constitue peut-être une condition préalable pour la naissance de la culture. Il m’a semblé comprendre que, chez les Indiens sud-américains, cette opposition était surtout exprimée par le rapport du cru et du cuit qui a fourni l’argument du premier volume. […].“ (BellourI / frz: 37 f.)

Betreffend Seite 476: (508) Fußnote 21; Lévi-Strauss (EM: 21 / IM: XXVI) „[…] expérience vécue.“ (IM: XXVI.)

Nachweise der Motti Prolog – Seite 19: Ludwig Wittgenstein (1953: 278 [67]).1

Erstes Kapitel: Propädeutik. Die Lévi-Strauss’sche Forschung als Universalienforschung – Seite 38: Claude Lévi-Strauss, MIV / dt: 747 / MIV / frz: 570.

Zweites Kapitel: Das Humanum in unterschiedlichen Kontexten. Übergang zur Frage der Motivation Lévi-Strauss’scher Universalienforschung – Seite 113: Claude Lévi-Strauss, Ricœur et al.dt: 137 / Ricœur et al.frz: 649. – Seite 136: Michael Oppitz ([1975] 21993: 147). – Seite 173: Claude Lévi-Strauss, Eribondt: 162 / Eribonfrz: 156.

___________ 1

Die Zahl in eckiger Klammer gibt die Nummer auf der betreffenden Seite an.

Nachweise der Motti

598

Drittes Kapitel: Das Unternehmen der Rehabilitation. Die Valenz des Lévi-Strauss’schen Humanismus in kritisch-projektiver Ausmessung – Seite 231: Gregory Bateson (1941 / 1981: 117).2 – Seite 272: Klaus-Peter Koepping (1984: 219).3 – Seite 281: Claude Lévi-Strauss, WM: 131 / VMII: 124. – Seite 317: Claude Lévi-Strauss, TT: 388 f. / TrTr: 454. – Seite 373: Hans Blumenberg ([1979] 31984: 183). – Seite 380: Colin M. Turnbull (1965: 252). – Seite 391: Maurice Merleau-Ponty ([1959] [1960] 1986: 20). – Seite 405: Richard Münch (1993: 14).

Epilog. Von Pferden und Katzen – Seite 434: David Maybury-Lewis (1968: 138).

___________ 2 3

Im Original Kursivierung von ‚Verbindung lockeren und strengen Denkens‘. Im Original Kursivierung von ‚Einmaligkeit‘ und von ‚Lévi-Strauss‘.

Abriß I. Thesen und Orientierungsmarken zur allgemeinen Einordnung des Vorhabens 1.

Das wissenschaftliche Werk Lévi-Strauss’, das heute als so gut wie abgeschlossen gelten kann, ist alles andere als homogen. Entgegen seiner häufig zu beobachtenden Verkürzung auf dessen gewichtigsten Teil, den Strukturalismus – oder, um genauer zu sein, die strukturale Anthropologie – zeichnet es sich aus durch eine große Breite und Vielfalt. Erwähnt werden mögen hier neben den thematischen Schriften zur strukturalen Anthropologie (dazu rechnet die gesamte Mythenforschung) im besonderen die Schriften ‚Traurige Tropen‘ und ‚Das wilde Denken‘.

2.

Im Umgang mit den Lévi-Strauss’schen Materialien scheinen grundsätzlich zwei wissenschaftliche Vorgehensweisen legitim und denkbar: Richten kann sich das Interesse entweder auf bestimmte, ausgesuchte Bereiche bzw. Aspekte bzw. Momente innerhalb des Lévi-Strauss’schen Werks; oder aber das Interesse kann sich darauf richten herauszufinden, ob und welche die betreffenden Bereiche bzw. Aspekte bzw. Momente übergreifenden Zusammenhänge bestehen – selbst wenn die betreffenden Bereiche bzw. Aspekte bzw. Momente aus herkömmlicher Sicht (auch könnte man sagen: selbst wenn diese vordergründig) als unterschiedlich, als nicht zusammengehörig und teilweise sogar als widersprüchlich empfunden werden.

3.

Während die bisherige Lévi-Strauss-Forschung im wesentlichen der erstgenannten Vorgehensweise entsprach und also im wesentlichen segmentorientiert betrieben wurde, unternimmt vorliegende Arbeit den Versuch, die Anwendbarkeit zweitgenannter Vorgehensweise auf die Lévi-Strauss’schen Materialien zu erproben und auszuloten.

4.

Inhaltlich gesehen verbindet sich mit dieser Vorgehensweise der Versuch, die intellektuelle Hinterlassenschaft Lévi-Strauss’ als ein insgesamt auf die Rehabilitierung des kulturell Fremden gerichtetes Unternehmen vorzustellen. Näherhin gekennzeichnet ist damit eine Lesart, die es gestattet aufzuzeigen, daß und wie strukturale Anthropologie, ‚wildes‘ Denken und Ansätze zu einer Kulturtheorie, daß und wie Szientismus und Konfessionalismus resp. Subjektivismus im Denken Lévi-Strauss’ zusammenhängen.

600

Abriß

Genannter Topos einer Rehabilitierung des kulturell Fremden figuriert somit gleichsam als Schlüssel für die Transparentmachung entsprechender Konnexionen. 5.

Unter fachlichen Gesichtspunkten führt skizzierter Versuch zu einer relativen (im Sinne von projektbezogenen) Integration philosophischer, kulturwissenschaftlicher, sozialwissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Perspektiven. Die Untersuchung besitzt inter- bzw. transdisziplinären Charakter.

6.

Skizzierter Versuch vollzieht sich nicht nur in Form einer gegenwärtigen Maßstäben genügenden wissenschaftshistorischen Aufarbeitung, sondern er vollzieht sich darüber hinaus auch noch in der Absicht, Lévi-Strauss vor dem Hintergrund des heute bestehenden menschheitlichen Problemdrucks und der heute bestehenden menschheitlichen Herausforderungen zu aktualisieren und weiterzudenken.

II. Die konkrete Durchführung des Vorhabens anbelangende Thesen und Orientierungsmarken 1. Nicht nur im Mittelpunkt Lévi-Strauss’scher Forschung, sondern auch im Mittelpunkt der landläufigen wissenschaftlichen Wahrnehmung LéviStrauss’scher Forschung steht – dies war eingangs dieses Abrisses unter Punkt I.1 bereits angeklungen – die strukturale Anthropologie. 2. Vorliegende Untersuchung erkennt diese schlicht gegebene Akzentlage an; und sie entspricht ihr, indem sie eine kritische Aufarbeitung der strukturalen Anthropologie (unter methodologischen, ontologischen, epistemologischen und methodischen Aspekten) an ihren Anfang stellt. Unternommen wird diese Aufarbeitung allerdings schon im Bewußtsein und im Hinblick auf die ihr folgende, weitere Auseinandersetzung. [Siehe dafür das erste Kapitel der Untersuchung.] 3. Beschrieben werden kann die strukturale Anthropologie methodisch gesehen als ein Beitrag zur Universalienforschung. Einen Beitrag zur Universalienforschung leistet Lévi-Strauss aber nicht nur mit der strukturalen Anthropologie. Diesbezüglich ausmachen läßt sich in seinen Texten neben einem methodischen Strukturstandpunkt (Stichwort ‚Strukturale Anthropologie‘) auch ein methodischer Subjektstandpunkt (Stichwort ‚Das wilde Denken‘). Auch letzterer Standpunkt also wird von Lévi-Strauss – mit dem Unterschied: es geschieht dies nicht explizit – bezogen in der Absicht, zu allgemeinmenschlich gültigen Aussagen zu gelangen. [Siehe dafür das erste und das zweite Kapitel der Untersuchung.]

II. Die konkrete Durchführung des Vorhabens

601

4. Im Rahmen der verfügbaren Primärtexte stehen methodischer Strukturstandpunkt und methodischer Subjektstandpunkt in einem polemischen Verhältnis, welches erst von Lévi-Strauss’ Intention einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens her seine implizite Auflösung erfährt. Das aber bedeutet: Unter der Zielstellung einer Rehabilitierung des „primitiven“ Denkens mutieren beide der angeführten methodischen Standpunkte gewissermaßen zu Rehabilitationsverfahren. [Siehe dafür das zweite Kapitel der Untersuchung.] 5. Was unter dieser Zielstellung mit beiden methodischen Standpunkten resp. Rehabilitationsverfahren zentrale Bedeutung erhält, ist der Vergleich zwischen sogenannten primitiven und sogenannten zivilisierten Denkformen. Innerhalb der Auseinandersetzung speziell mit dem methodischen Subjektstandpunkt als einem Rehabilitationsverfahren führt dies – bedingt durch die Lévi-Strauss’schen Materialien – zu einer Debatte von im Schwerpunkt ethnobiologischen, biohistorischen und biosystematischen Fragestellungen. Den Schlußpunkt der Auseinandersetzung mit methodischem Struktur- und methodischem Subjektstandpunkt bildet deren jeweilige Evaluation als Rehabilitationsverfahren. [Siehe dafür das zweite Kapitel der Untersuchung.] 6. Ihre inhaltliche Fortsetzung erfährt die Evaluation beider methodischer Standpunkte als Rehabilitationsverfahren durch Bemühungen um eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn, dem Zweck und der Bedeutung, aber auch nach den geistesgeschichtlichen, kulturgeschichtlichen sowie gesellschaftlichen Voraussetzungen der von Lévi-Strauss angezielten Rehabilitierung „primitiven“ Denkens. Was genau mit diesem Schritt sich in der Konsequenz ereignet, ist nichts Geringeres als eine Verlagerung des Interessenschwerpunktes: Denn infolge der mit ihm einhergehenden Schärfung des Problembewußtseins (hinsichtlich der soweit erfolgten Thematisierung von Rehabilitation) rücken „primitive“ Denkformen aus dem Fokus der Betrachtung und rücken konkrete Menschen als „Träger“ resp. Repräsentanten entsprechender Denkformen sowie – implizite damit – „primitive“ Lebensformen, Traditionen und Kulturen in den Fokus der Betrachtung. [Siehe dafür das dritte Kapitel der Untersuchung.] 7. Eine weitere Fortsetzung im Sinne einer rückwirkenden Neubewertung der bisherigen Resultate erfährt die Rehabilitationsthematik sodann durch Einbeziehung Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen. Dabei handelt es sich um von konstruktiven Momenten wie auch von teleologisch-normativen Gesichtspunkten durchsetzte kommunikations-, system- und spieltheoretische Ansätze, die es jedoch über den Zwischenschritt diverser interpretativer Maßnahmen erst zu einem anwendbaren Modell zu integrieren gilt. [Siehe dafür das dritte Kapitel der Untersuchung.]

602

Abriß

8. Neben einer rückwirkenden Neubewertung der bisherigen Sichtweisen von Rehabilitation ermöglicht die modellhafte Integration Lévi-Strauss’ kulturtheoretischer Positionen schließlich weiterführende Erwägungen, Festlegungen und Fragen prinzipieller Art. Und sie erlaubt darüber hinaus Stellungnahmen zu vielfältigen Themen und Problemen der Zeit, Applikationen auf kasueller Ebene – auch und gerade jenseits der durch Lévi-Strauss bereitgestellten Textgrundlagen. Die Reihe der entsprechenden, fallbezogenen Anwendungen umfaßt Reflexionen über die gegenwärtige Situation zentralafrikanischer Pygmäenkulturen, über Perspektiven des deutschen Universitätssystems, über das zu gestaltende Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der Türkei wie zuletzt über die kaum rundweg als abgetan zu betrachtende Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen. [Siehe dafür das dritte Kapitel der Untersuchung und Gliederungspunkt V. der Appendices.]

III. Zentrale Ergebnisse des durchgeführten Vorhabens 1. Das Denken Lévi-Strauss’ steht in seinem Kern für ein vital bedeutsames Reflexionsangebot – für ein Reflexionsangebot, das in der Vielfalt von Kulturen (als originären Synthesen) nicht nur eine kardinale Bedingung für den Fortbestand jeder einzelnen Kultur erkennt, sondern das darin auch eine kardinale Bedingung erkennt, um der gesamten Menschheit im Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen der Gegenwart ein höchstmögliches Maß an responsiver Flexibilität (als der Voraussetzung wiederum deren Fortbestands) zu bewahren. Ferner steht das Denken Lévi-Strauss’ für ein Reflexionsangebot, das nicht abstellt auf das „bloße“ Überleben der Menschheit, sondern das in präzisierbarem Sinne abstellt auf deren Überleben in umfassendem und bestmöglichem Sinne. Und es steht überdies für ein Reflexionsangebot, dem nicht kulturelle Selbsterhaltung, Selbsterweiterung und Pleonexie, sondern dem kulturelle Selbsterhaltung, Selbstbegrenzung und Mäßigung zusammengehörende Sinngehalte, ja überhaupt Voraussetzung der Möglichkeit qualifizierten Überlebens sind. 2. Was in der Konsequenz von Lévi-Strauss eingefordert wird, ist eine Einstellung, die nicht nur den spezifischen Preis nicht leugnet, den die eigenen Leistungen kosten, sondern die dem kulturell Fremden gegenüber auch um diese eigenen Leistungen (als eben solcher) weiß und die deshalb keine Scheu zeigt, sich zu diesen selben zu bekennen; eine Haltung genau im Gegenzug dann aber auch, die, indem sie so verfährt, ohne Überheblichkeit auskommt, weil sie um die analoge Situation wie um den analogen Anspruch jeder alternativen Tradition weiß; und eine Art des Selbstbewußtseins endlich, das in der Erhaltung verschiedener Traditionen das eigentli-

III. Zentrale Ergebnisse des durchgeführten Vorhabens

603

che Kapital der Zukunft sieht und das nur darum auch neben seinem genuinen Wert seine genuinen Grenzen kennt. 3. Das Denken Lévi-Strauss’ gleicht aus solcher Perspektive einer kulturphilosophischen Weiterführung des antiken Motivs einer ‚Sorge um sich‘ (‚Epimeleia heautou‘ / ‚ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ‘), jener also nicht um ihrer selbst, sondern um des Zusammenlebens mit anderen willen unternommenen Form der Selbstbefassung.

Bibliographie I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen) 1. Chronologischer Schlüssel zu den verwendeten Lévi-Strauss’schen Publikationen1 1944

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1944/45

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1948

La vie familiale et sociale des Indiens Nambikwara. Paris: Société des Américanistes, 1948. [Vgl. IN.]

___________ 1 An jeweils erster Stelle stehen die Originalveröffentlichungen. Die auf diese zeitlich gefolgten Abdrucke bzw. Auflagen bzw. Ausgaben finden sich dann nicht aufgeführt, wenn sie mit ersteren text- oder seitenidentisch sind. – Analoges gilt für die im jeweiligen Textanschluß verzeichneten Übersetzungen.

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen)

605

1949 a

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___________ 2

Die Aufnahme dieses Textes in die ‚Strukturale Anthropologie II‘ bezeichnet für mich eine (Lévi-Strauss geschuldete) editorische „Panne“. Ich sehe nicht, wie er mit gleichnamiger ethnologischer Methode direkt in Verbindung zu bringen wäre.

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen)

607

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Paroles données. Paris: Plon, 1984. [Vgl. PD.] dt. 1985 Eingelöste Versprechen. Wortmeldungen aus dreißig Jahren. München: Fink, 1985. (Übersetzung von Rainer Rochlitz.) [Vgl. EV.]

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La potière jalouse. Paris: Plon, 1985. [Vgl. PJ.] dt. 1987 Die eifersüchtige Töpferin. Nördlingen: Greno, 1987. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. ETö.]

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La place de la culture japonaise dans le monde. In: Revue d’estéthique. 18, 1990, 9-21. (Zuerst veröffentlicht auf japanisch in der Zeitschrift Chûo kôron. Tokyo, Mai 1988.) [Vgl. CJ.]

1991

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Saudades do Brasil. Paris: Plon, 1994. [Vgl. SB.] dt. 1995 Brasilianisches Album. Paris: Plon, 1995. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. BA.]

2. Alphabetische Auflistung entsprechender Siglen und Abkürzungen Arndt / Raddatzdt

Widersprüchliche Kulturen. Gespräch mit Olaf Arndt und Frank Raddatz. In: Spuren in Kunst und Gesellschaft. Nr. 17, 1986, 5 f. [Vgl. 1986.]

AStI

Anthropologie structurale. Paris: Plon, 1958. [Vgl. 1958.]

AStII

Anthropologie structurale deux. Paris: Plon, 1973. [Vgl. 1973 b.]

BA

Brasilianisches Album. München; Wien: Hanser, 1995. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. 1994 / dt. 1995.]

BellourI / dt

Wie arbeitet der menschliche Geist? Ein Gespräch mit Raymond Bellour. In: Reif, Adelbert (Hg.): Antworten der Struk-

616

Bibliographie turalisten: Roland Barthes, Michel Foucault, François Jacob, Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss u. a. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1973, 75-88. (Übersetzung von Britta ReifWillenthal.) [Vgl. 1967 / dt. 1973.]

BellourI / frz

Bellour, Raymond: Entretien avec Claude Lévi-Strauss. In: Les Lettres françaises. No. 1165, 12 janvier 1967; 1, 3-5, 7. [Vgl. 1967.]

BellourII / dt

Mythos und Bedeutung II. Ein Gespräch mit Raymond Bellour. In: Siehe unten, MyBe, 162-218. (Übersetzung von Peter Aschner.) [Vgl. 1978 b / dt. 1980.]

BellourII / frz

Bellour, Raymond: Deuxième entretien avec Claude LéviStrauss. In: Bellour, Raymond. Le livre des autres. Entretiens. 10/18. Paris: Union Générale d’Éditions, 1978, 355-423. [Vgl. 1978 b.]

Benoistdt

Von der Irrationalität der Geschichte. Ein Gespräch mit JeanMarie Benoist. In: Siehe unten, MyBe, 236-251. (Übersetzung von Peter Aschner.) [Vgl. 1979 b / dt. 1980.]

Benoistfrz

Benoist, Jean-Marie: Entretien avec Claude Lévi-Strauss. In: Le Monde. 21-22 janvier 1979, 1 und 14. [Vgl. 1979 b.]

BF

Der Blick aus der Ferne. München: Fink, 1985. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen und Joseph Vogl.) [Vgl. 1983 a / dt. 1985.]

CA

La crise moderne de l’anthropologie. In: Le Courrier. Paris: UNESCO, 1961, 12-17. [Vgl. 1961 c.]

Charbonnierdt

„Primitive“ und „Zivilisierte“. Nach Gesprächen aufgezeichnet von Georges Charbonnier. Zürich: Arche, 1972. (Übersetzung von Alfred Kuoni und Katrin Reinhart.) [Vgl. 1961 a / dt. 1972.]

Charbonnierfrz

Charbonnier, Georges: Entretiens avec Claude Lévi-Strauss. Paris: Plon-Julliard, 1961. [Vgl. 1961 a.]

ChN

The Social and Psychological Aspects of Chieftainship in a Primitive Tribe: The Nambikuara of North-western Mato Grosso. In: Transactions of the New York Academy of Sciences. Series 2, vol. 7, no. 1, 16-32. [Vgl. 1944.]

CJ

La place de la culture japonaise dans le monde. In: Revue d’estéthique. 18, 1990, 9-21. [Vgl. 1990.]

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen)

617

CP

The Concept of Primitiveness. In: Lee, Richard B. / De Vore, Irven (Eds.): Man the Hunter. With the Assistance of Jill Nash-Mitchell. New York: Aldine, 1968, 349-352. [Vgl. 1968 d.]

Daixdt

Die Bedeutung der amerikanischen Mythen. Ein Gespräch mit Pierre Daix. In: Reif, Adelbert (Hg.): Antworten der Strukturalisten: Roland Barthes, Michel Foucault, François Jacob, Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss u. a. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1973, 89-104. (Übersetzung von Britta Reif-Willenthal.) [Vgl. 1971 e / dt. 1973.]

Daixfrz

Daix, Pierre: Entretiens avec Claude Lévi-Strauss. In: Les Lettres françaises. No. 1405, 13 octobre 1971 bzw. no. 1406, 20 octobre 1971, 3-4 bzw. 6-7. [Vgl. 1971 e.]

DC

Diogène couché. In: Les Temps Modernes. 10e année, no. 110, mars 1955, 1187-1220. [Vgl. 1955 b.]

Eggan / Forde et al.engl

Problems of Process: Results, I. (Eine Diskussion auf dem ‚International Symposium on Anthropology‘ der ‚Wenner-Gren Foundation for Anthropological Research‘ mit Fred Eggan, William C. Boyd, S. L. Washburn, Clyde Kluckhohn, George P. Murdock, Jules Henry, Harry Hoijer, Edward A. Kennard, André Martinet, Claude Lévi-Strauss, Margaret Mead, Gordon R. Willey, Wendell C. Bennett, A. L. Kroeber, S. F. Nadel, Meyer Schapiro, J. O. Brew, Joseph H. Greenberg, Alfonso Caso, Ralph Linton, Leslie A. White, Robert Redfield, Daryll Forde, Julian H. Steward, Oscar Lewis, Ralph Beals und John Howland Rowe; Vorsitzende: Fred Eggan und Daryll Forde.) In: Tax, Sol; Eiseley, Loren C.; Rouse, Irving; Voegelin, Carl F. (Eds.): An Appraisal of Anthropology Today. Chicago: University Press, 1953, 104-124. [Vgl. 1953 b.]

EM

Einleitung in das Werk von Marcel Mauss. In: Mauss, Marcel: Soziologie und Anthropologie. Mit einer Einleitung von Claude Lévi-Strauss. München: Hanser, 1974, 7-43. (Übersetzung von Henning Ritter.) [Vgl. 1950 / dt. 1974.]

Eramodt

Die strukturalistische Tätigkeit. Ein Gespräch mit Marco d’Eramo. In: Siehe unten, MyBe, 252-274. (Übersetzung von Max Looser.) [Vgl. 1979 d / dt. 1980.]

Eramoit

Nel corso di una vita. Claude Lévi-Strauss. Intervista a cura di Marco d’Eramo. In: Mondoperaio. N. 2, febbraio 1979, 118124. [Vgl. 1979 d.]

618

Bibliographie

Eribondt

Lévi-Strauss, Claude / Eribon, Didier: Das Nahe und das Ferne. Eine Autobiographie in Gesprächen. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1989. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. 1988 / dt. 1989.]

Eribonfrz

Lévi-Strauss, Claude / Eribon, Didier: De près et de loin. Paris: Éditions Odile Jacob, 1988. [Vgl. 1988.]

Escaffitdt

Die religiöse Dimension der Gesellschaften. Ein Gespräch mit Jean-Claude Escaffit. In: Siehe unten, MyBe, 275-283. (Übersetzung von Peter Aschner.) [Vgl. 1979 c / dt. 1980.]

Escaffitfrz

Escaffit, Jean Claude: Interview avec Claude Lévi-Strauss. In: La Croix. 24 janvier 1979, 9. [Vgl. 1979 c.]

EStV

Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1981. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1949 a / dt. 1981.]

ET

Das Ende des Totemismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1965. (Übersetzung von Hans Naumann.) [Vgl. 1962 a / dt. 1965.]

ETö

Die eifersüchtige Töpferin. Nördlingen: Greno, 1987. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. 1985 / dt. 1987.]

EV

Eingelöste Versprechen. Wortmeldungen aus dreißig Jahren. München: Fink, 1985. (Übersetzung von Rainer Rochlitz.) [Vgl. 1984 / dt. 1985.]

HE

Histoire et ethnologie. In: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations. 38e année, no. 6, 1983. (Der Text stellt einen Vortrag dar, den Claude Lévi-Strauss auf der 5. Konferenz über Marc Bloch am 2. Juni 1983 an der Pariser Sorbonne hielt.) [Vgl. 1983 b.]

HL

Histoire de Lynx. Paris: Plon, 1991. [Vgl. 1991.]

IDdt

Vorwort. In: Benoist, Jean-Marie (Hg.): Identität. Ein interdisziplinäres Seminar unter Leitung von Claude Lévi-Strauss. Stuttgart: Klett-Cotta, 1980, 7-9. (Übersetzung von Gottfried Pfeffer.) [Vgl. 1977 / dt. 1980.]

IDfrz

Avant-propos. In: Benoist, Jean-Marie (Ed.): L’Identité. Séminaire interdisciplinaire dirigé par Claude Lévi-Strauss, professeur au Collège de France, 1974-1975. [Enthält auch zusammen mit der jeweiligen ‚Discussion‘ die Beiträge von: Christopher Crocker, Les réflexions du soi (The Mirrored Self); Paul Henri Stahl, Soi-même et les autres. Quelques exemples balkaniques; Michel Izard, A propos de l’identité eth-

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen)

619

nique.] Paris: Éditions Grasset et Fasquelle, 1977, 9-11. [Vgl. 1977.] IM

Introduction à l’œuvre de Marcel Mauss. In: Mauss, Marcel: Sociologie et anthropologie. Précédé d’une introduction à l’œuvre de Marcel Mauss par Claude Lévi-Strauss. Paris: Presses Universitaires de France, 1950, IX-LII. [Vgl. 1950.]

IN

La vie familiale et sociale des Indiens Nambikwara. Paris: Société des Américanistes, 1948. [Vgl. 1948.]

KA

Die moderne Krise der Anthropologie. In: UNESCO-Kurier. 2. Jahrgang, Nr. 11, 1961, 10-15. [Vgl. 1961 c / dt. 1961.]

LG

Die Luchsgeschichte. Zwillingsmythologie in der Neuen Welt. München; Wien: Hanser, 1993. (Übersetzung von Hans-Horst Henschen.) [Vgl. 1991 / dt. 1993.]

LOu

Lettre ouverte à son Excellence le général Arthur Costa e Silva, Président de la République du Brésil. Paris, le 26 mars 1968. In: Backès-Clément, Cathérine: Claude Lévi-Strauss ou la structure et le malheur. Choix de textes de Claude LéviStrauss comportant un inédit. Paris: Seghers, 1970, 170 f. [Vgl. 1968 a.]

MI / dt

Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1971. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1964 a / dt. 1971.]

MI / frz

Mythologiques I. Le cru et le cuit. Paris: Plon, 1964. [Vgl. 1964 a.]

MII / dt

Mythologica II. Vom Honig zur Asche. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1972. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1966 a / dt. 1972.]

MII / frz

Mythologiques II. Du miel aux cendres. Paris: Plon, 1966. [Vgl. 1966 a.]

MIII / dt

Mythologica III. Der Ursprung der Tischsitten. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1968 b / dt. 1973.]

MIII / frz

Mythologiques III. L’origine des manières de table. Paris: Plon, 1968. [Vgl. 1968 b.]

MIV / dt

Mythologica IV. Der nackte Mensch. 2 Teilbände.3 Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1975. (Übersetzung von Eva Molden-

___________ 3

Erster Teilband: Seite 1-406; zweiter Teilband: Seite 407-885.

620

Bibliographie hauer.) [Vgl. 1971 a / dt. 1975.]

MIV / frz

Mythologiques IV. L’Homme nu. Paris: Plon, 1971. [Vgl. 1971 a.]

MB

Mythos und Bedeutung. Fünf Radiovorträge von Claude LéviStrauss. In: Siehe unten, MyBe, 9-67. (Übersetzung von Brigitte Luchesi.) [Vgl. 1978 a / dt. 1980.]

MM

Myth and Meaning. London; Henley: Routledge & Kegan Paul, 1978. [Vgl. 1978 a.]

MS

Pensée mythique et pensée scientifique. In: Izard, Michel (Éd.): Claude Lévi-Strauss. Paris: L’Herne, 2004, 40-42. [Vgl. 1993 a / frz. 2004.]

MyBe

Mythos und Bedeutung. Vorträge. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980. [Eine neben der Übersetzung der englischen Originalversion (siehe oben, MB bzw. MM) um zusätzliche Texte (vgl. 1963 / dt. 1980; 1967 / dt. 1980; 1971 d / dt. 1980; 1971 e / dt. 1980; 1978 b / dt. 1980; 1971 f / dt. 1980; 1979 b / dt. 1980; 1979 d / dt. 1980; 1979 c / dt. 1980) erweiterte Ausgabe.4] [Vgl. 1980 / dt. 1980.]

PD

Paroles données. Paris: Plon, 1984. [Vgl. 1984.]

PJ

La potière jalouse. Paris: Plon, 1985. [Vgl. 1985.]

Pouillondt

Der Mensch, bekleidet durch den Mythos. Ein Gespräch mit Jean Pouillon. In: Reif, Adelbert (Hg.): Antworten der Strukturalisten: Roland Barthes, Michel Foucault, François Jacob, Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss u. a. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1973, 105-110. (Übersetzung von Britta Reif-Willenthal.) [Vgl. 1971 d / dt. 1973.]

Pouillonfrz

Pouillon, Jean: Entretiens avec Claude Lévi-Strauss. In: Les Nouvelles Littéraires. No. 2297, 01 octobre 1971, 14-15. [Vgl. 1971 d.]

PS

La pensée sauvage. Paris: Plon, 1962. [Vgl. 1962 b.]

___________ 4 Der vom Verlag für den gesamten (!) Band gewählte Titel (‚Mythos und Bedeutung. Vorträge‘) ist folglich – angesichts jener bereits separat existierenden, analog lautenden englischsprachigen Publikation (‚Myth and Meaning‘; vgl. oben: MM) – nicht nur irreführend; für den größeren Umfang des aufgenommenen Materials muß er sogar – aufgrund der suggerierten Textgattung (‚Vorträge‘) – als regelrecht falsch bezeichnet und daher insgesamt in seiner Wahl als mißglückt angesehen werden.

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen)

621

Quénétainfrz

Valons nous mieux que les sauvages? (Interview mit Tanneguy de Quénétain.) In: Réalités. Janvier, 1965, 50-53. [Vgl. 1965.]

RE

Le regard éloigné. Paris: Plon, 1983. [Vgl. 1983 a.]

RG

Rasse und Geschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1972. (Übersetzung von Traugott König.) [Vgl. 1952 a / dt. 1972.]

RH

Race et histoire. Paris: UNESCO, 1952. [Vgl. 1952 a.]

Ricœur et al.dt

Das wilde Denken. Zur wissenschaftlichen Methode des Strukturalismus. (Eine Diskussion mit Paul Ricœur, Claude Lévi-Strauss, Marc Gaboriau, Michel Dufrenne, Jean-Pierre Faye, Kostas Axelos, Jean Lautman, Jean Cuisinier, Pierre Adot und Jean Conilh.) In: Reif, Adelbert (Hg.): Antworten der Strukturalisten: Roland Barthes, Michel Foucault, François Jacob, Roman Jakobson, Claude Lévi-Strauss u. a. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1973, 111-142. (Übersetzung von Britta Reif-Willenthal.) [Vgl. 1963 / dt. 1973.]

Ricœur et al.frz

Réponses à quelques questions. In: Esprit. 31e année, no. 322, novembre 1963, 628-653. [Vgl. 1963.]

SB

Saudades do Brasil. Paris: Plon, 1994. [Vgl. 1994.]

SG

Stillstand und Geschichte. Plädoyer für eine Ethnologie der Turbulenzen. In: Raulff, Ulrich (Hg.): Vom Umschreiben der Geschichte. Neue historische Perspektiven. Berlin: Wagenbach, 1986, 68-87. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1983 b / dt. 1986.]

Spiegeldt

„Der Humanismus bedroht den Menschen.“ Ein Spiegel-Gespräch mit Dieter Brumm, Karla Fohrbeck, Gustave Stern und Wolfgang Gust. In: Der Spiegel. 25. Jahrgang, Nr. 53, 27. Dezember 1971, 93-97. [Vgl. 1971 f.]

StAI

Strukturale Anthropologie I. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1967. (Übersetzung von Hans Naumann.) [Vgl. 1958 / dt. 1967.]

StAII

Strukturale Anthropologie II. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1975. (Übersetzung von Eva Moldenhauer, Hanns Henning Ritter (Kap. II und V) und Traugott König (Kap. XVIII).) [Vgl. 1973 b / dt. 1975.]

StEP

Les structures élémentaires de la parenté. Édition revue et corrigée. La Haye-Paris: Mouton, 1967. [Vgl. 1949 a / frz. 1967.]

Bibliographie

622 TA

Le totémisme aujourd’hui. Paris: Presses Universitaires de France, 1962. [Vgl. 1962 a.]

TC

Nous sommes tous des cannibales. In: Izard, Michel (Éd.): Claude Lévi-Strauss. Paris: L’Herne, 2004, 34-36. [Vgl. 1993 b / frz. 2004.]

Tréguerfrz

Texte inédit. Texte de l’émission de Michel Tréguer consacrée à Lévi-Strauss, dans la série ‚Un Certain Regard‘. Hiver 1968. In: Backès-Clément, Cathérine: Claude Lévi-Strauss ou la structure et le malheur. Paris: Seghers, 1970, 172-188. [Vgl. 1968 e.]

TrTr

Tristes Tropiques. Édition revue et corrigée. Paris: Plon, 1973. [Vgl. 1955 a / frz. 1973.]

TT

Traurige Tropen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1955 a / dt. 1978.]

VMI

La voie des masques. Tome I. Genève: Éditions d’Art Albert Skira, 1975. [Vgl. 1975 b.]

VMII

La voie des masques. Tome II. Genève: Éditions d’Art Albert Skira, 1975. [Vgl. 1975 b.]

VM-TE

La voie des masques. Édition revue, augmentée et rallongée de trois excursions. Paris: Plon, 1979. [Vgl. 1979 a.]

WD

Das wilde Denken. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1968. (Übersetzung von Hans Naumann.) [Vgl. 1962 b / dt. 1968.]

WM

Der Weg der Masken. Frankfurt am Main: Insel, 1977. (Übersetzung von Eva Moldenhauer.) [Vgl. 1975 b / dt. 1977.]

3. Auflistung entsprechender Siglen und Abkürzungen nach Textgattungen (chronologisch5) Monographie: – IN – StEP / EStV – RH / RG – TrTr / TT

___________ 5

Innerhalb der jeweiligen Rubrik.

I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen) – TA / ET – PS / WD – MI-IV / frz / MI-IV / dt – VMI bzw. VMII / WM – VM-TE – PJ / ETö – HL / LG Aufsatzsammlung: – AStI / StAI – AStII / StAII – RE / BF Aufsatz: – ChN – IM / EM – DC – CA / KA – CP – IDfrz / IDdt – HE / SG – CJ – MS – TC Vortrag bzw. Vorlesung: – MM / MB – PD / EV Gespräch bzw. Interview bzw. Diskussion: – Eggan / Forde et al.engl – Charbonnierfrz / Charbonnierdt – Ricœur et al.frz / Ricœur et al.dt – Quénétainfrz – BellourI / frz / BellourI / dt – Tréguerfrz – Pouillonfrz / Pouillondt

623

Bibliographie

624 – Daixfrz / Daixdt – Spiegeldt – BellourII / frz / BellourII / dt – Benoistfrz / Benoistdt – Escaffitfrz / Escaffitdt – Eramoit / Eramodt – Arndt / Raddatzdt – Eribonfrz / Eribondt Brief: – LOu Bildband: – SB / BA Editorische Kompilation: – MyBe

II. Allgemeines Literaturverzeichnis Adorno, Theodor W. ([1966] 81994): Negative Dialektik. Achte Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994. [= Gesammelte Schriften Band 6.] Agnew, John / Corbridge, Stuart (1995): Mastering Space. Hegemony, Territory and International Political Economy. London; New York: Routledge, 1995. Amborn, Hermann (1994): Ethik in der Ethnologie: Die Verantwortung der Wissenschaft. In: Muth / Seithel (Hg.) (1994), 193-211. Angehrn, Emil (1996): Die Überwindung des Chaos. Zur Philosophie des Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996. Arens, Werner / Braun, Hans-Martin (2004): Die Indianer Nordamerikas. Geschichte, Kultur, Religion. München: Beck, 2004. Aristoteles: Metaphysik. Zweiter Halbband: Bücher VII (Z) - XIV (N). In der Übersetzung von Hermann Bonitz. Neu bearbeitet, mit Einleitung und Kommentar herausgegeben von Horst Seidl. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Christ. Griechisch-deutsch. Hamburg: Meiner, 1980. – Politik. Übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes. Mit einer Einleitung von Günther Bien. Vierte Auflage. Hamburg: Meiner, 1981.6

___________ 6

Siehe auch unten: Dreizehnter (1970).

II. Allgemeines Literaturverzeichnis

625

Arndt / Raddatzdt: [Siehe die gesonderten Auflistungen unter: I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen); oben, die Seiten 604 ff.] Augé, Marc (1989): L’autre proche. In: Segalen (Éd.) (1989), 19-33. Ax, Peter (1984): Das phylogenetische System. Systematisierung der lebenden Natur aufgrund ihrer Phylogenese. Stuttgart; New York: Fischer, 1984. – (1988): Systematik in der Biologie. Darstellung der stammesgeschichtlichen Ordnung in der lebenden Natur. Stuttgart: Fischer, 1988. Baer, Gerhard / Centlivres, Pierre (Éds.) (1983): L’ethnologie dans le dialogue interculturel – Ethnologie im Dialog. 5e Colloque de la Société suisse des sciences humaines / 5. Kolloquium der Schweizerischen Geisteswissenschaftlichen Gesellschaft (1980). Fribourg: Éditions Universitaires, 1983. Bahuchet, Serge (1997): Texte. In: Descamps (1997), 115-129. Bahuchet, Serge / Maret, Pierre de (Éds.) (2000): Les Peuples des Forêts Tropicales Aujourd’hui. Volume III. Région Afrique Centrale. Bruxelles: Centre d’Anthropolo-gie Culturelle, 2000. Bahuchet, Serge / Thomas, Jacqueline M. C. (1986): Linguistique et Histoire des Pygmées de l’Ouest du Bassin Congolais. In: Rottland / Vossen (Hg.) (1986), Band 2, 73-103. Bailey, Robert C. (1996): Promoting Biodiversity and Empowering Local People in Central African Forests. In: Sponsel / Headland / Bailey (Eds.) (1996), 316-341. Balibar, Etienne (1988 / [1989] 1990): Gibt es einen „Neo-Rassismus“? In: Balibar / Wallerstein (1988 / [1990] 21992), 23-38. [Originalfassung: Y a-t-il un „néo-racisme“? (Originalbeitrag zur französischen Ausgabe mit Immanuel Wallerstein; ein Auszug davon erschien in der Zeitschrift ‚Lignes‘, No. 2, 1988.) – Erste deutsche Übersetzung unter dem Titel ‚Gibt es einen ‘neuen Rassismus’?‘ in: Das Argument 175 (Mai / Juni 1989), übersetzt von Frieder Otto Wolf.] Balibar, Etienne / Wallerstein, Immanuel (1988 / [1990] 21992): Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Übersetzt von Michael Haupt und Ilse Utz. Zweite Auflage. Hamburg; Berlin: Argument, 1992. [Originalausgabe: Race, Nation, Classe. Les identités ambiguës. Paris: Éditions La Découverte, 1988.] Barber, Benjamin R. (1995 / [1996] 2001): Coca-Cola und Heiliger Krieg. (Jihad vs. McWorld). Der grundlegende Konflikt unserer Zeit. Übersetzt aus dem Englischen von Günter Seib. Ergänzte Neuauflage. Bern; München; Wien: Scherz, 2001. [Originalausgabe: Jihad vs. McWorld. How Globalism and Tribalism are Reshaping the World. New York: Random House, 1995.] Bargatzky, Thomas (1992): „Naturvölker“ und Umweltschutz – ein modernes Mißverständnis. In: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft. 47. Jahrgang, 1992, 876-886. – (1993): Die Ethnologie und der Begriff der kulturellen Fremde. In: Wierlacher (Hg.) (1993), 219-234. – (1997): Ethnologie. Eine Einführung in die Wissenschaft von den urproduktiven Gesellschaften. Hamburg: Buske, 1997. Barley, Nigel (1983): Symbolic Structures. An Exploration of the Culture of the Dowayos. Cambridge: Cambridge University Press, 1983.

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Bibliographie

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___________ 7 Auch aus der Perspektive der Lévi-Strauss-Forschung darf diese Studie für verdienstvoll gehalten werden. Tragen doch von ihrem Verfasser der wissenschaftlichen Öffentlichkeit verfügbar gemachte Briefwechsel Nimuendajús dazu bei, die Materialgrundlage für eine Einschätzung der Feldarbeit Claude Lévi-Strauss’ um bislang weitgehend unbekannte, jedoch erwägenswerte Hintergrundinformationen aufzustocken. Vgl. hierfür insbesondere den Briefwechsel Nimuendajús mit Baldus ebd.: 185 bzw. 189 ff.

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___________ 9

Gegenüber dem englischen Text (ders. 1996) erweiterte Fassung.

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___________ 10 In der Literatur ist es üblich, sich auf die erste Auflage mit dem Buchstaben A und auf die zweite Auflage mit dem Buchstaben B (mit den auch jeweils entsprechenden Seitenzahlen) zu beziehen. Zusätzlich wurde von mir – im Text nachgestellt – immer noch

II. Allgemeines Literaturverzeichnis

645

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___________ auf die entsprechende Bandangabe und Seitenzahl der Akademie-Textausgabe verwiesen. (Vgl. für diese Zitierweise auch Kaulbach [1969] 21982: 105, Fußnote 146.) 11 Es gilt die Anmerkung unter vorstehender Fußnote.

646

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___________ 12

Vgl. hier auch Eribondt: 214 / Eribonfrz: 204.

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Auch bekannt als ‚Pariser Manuskripte‘.

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___________ 14 Waltraud Bumann, Alwin Diemer, Lutz Geldsetzer, Rudolf Heinz, Norbert Henrichs, Gert König, Alois von der Stein. (Vgl. ebd.: 150.)

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___________ 15 Wer sich als Wissenschaftler berufen fühlt, gegen Mühlmann prinzipielle Vorbehalte geltend zu machen (aufgrund bestimmter – sei es hinsichtlich ihrer Interpretation umstrittener, sei es hinsichtlich ihrer Interpretation unstreitiger – Äußerungen oder Passagen aus seinen bis 1945 publizierten Schriften), verfährt meiner Einschätzung nach zu einfach. Den Interessierten verweise ich in diesem Zusammenhang auf die Untersuchung Fischers (1990; dort im besonderen auf die Seiten 39-42), daneben auf den Beitrag Schwidetzkys (1987), auf den Nekrolog vor allem E. W. Müllers (1989) sowie auf das in der Problematik allgemein Stellung beziehende Papier von Jaspers ([1946] 1947) (dort im besonderen auf die Seiten 222 und 223).

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___________ 22

Die in ders. (1980) abgedruckte Version von ‚Der Großindustrielle‘ (1980a) ist – verglichen mit der deutschen Erstfassung (1930a) – unvollständig; sie wurde um die beiden letzten Textabschnitte gekürzt.

II. Allgemeines Literaturverzeichnis

667

Tréguerfrz: [Siehe die gesonderten Auflistungen unter: I. Spezielles Literaturverzeichnis (Lévi-Strauss’sche Publikationen); oben, die Seiten 604 ff.] Troll, Wilhelm / Meister, Anneliese (1952): Wesen und Aufgabe der Biosystematik in ontologischer Beleuchtung. In: Philosophisches Jahrbuch. 61. Jahrgang, 1952, 105131. Turnbull, Colin M. (1965): Wayward Servants. The Two Worlds of the African Pygmies. New York: Natural History Press, 1965. – (1983): The Mbuti Pygmies. Change and Adaptation. New York: Holt, Rinehart and Winston, 1983. – (1986): Survival Factors among Mbuti and Other Hunters of the Equatorial African Rain Forest. In: L. L. Cavalli-Sforza (Ed.) (1986), 103-123. Tylor, Edward Burnett ([1871] 51913): Primitive Culture. Researches into the Development of Mythology, Philosophy, Religion, Language, Art, and Custom. Fifth Edition. In Two Volumes. Volume 1. London: Murray, 1913. Uchitelle, Louis (1994): Gillette’s World View: One Blade Fits All. In: The New York Times, 03. Januar 1994, C3. UNESCO (1950): Statement on Race. Paris, 1950. – (1951): Statement on the Nature of Race and Race Differences. Paris, 1951. – (1964): Proposals on the Biological Aspects of Race. Moscow, 1964. – (1967): Statement on Race and Racial Prejudice. Paris, 1967. – (1969): Four statements on the Race Question. Paris, 1969. – (1978): Declaration on Race and Racial Prejudice. Paris, 1978. – (2001): UNESCO against Racism. World Conference against Racism, Racial Discrimination, Xenophobia and Related Intolerance. (Durban, South Africa, 31 August - 7 September 2001.). Paris, 2001. Vaihinger, Hans ([1911] 21913): Die Philosophie des Als ob. System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus. Mit einem Anhang über Kant und Nietzsche. Zweite, durchgesehene Auflage. Berlin: Reuther & Reichard, 1913. Vansina, Jan (1986): Do Pygmies Have a History? In: Rottland / Vossen (Hg.) (1986), Band 1, 431-445. Veblen, Thorstein Bunde ([1914] 1964): The Instinct of Workmanship and The State of the Industrial Arts. Reprint. With an Introduction by Dr. Joseph Dorfman. New York: Augustus M. Kelley, 1964. [Originalausgabe: (Derselbe Titel.) New York: Macmillan, 1914.] Verbeek, Bernhard (1990): Die Anthropologie der Umweltzerstörung. Die Evolution und der Schatten der Zukunft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990. Vorstand des Landesverbandes Nordrhein-Westfälischer Geschichtslehrer (Hg.) (1956): Europäisch-asiatischer Dialog. Vorträge der Tagung in Bottrop vom 25. bis 28. Oktober 1955. Düsseldorf: Schwann, 1956.

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II. Allgemeines Literaturverzeichnis

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670

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___________ 23 Es handelt sich bei ‚Surrender and Catch‘ (1976) um eine gegenüber ‚Hingebung und Begriff‘ (1968) weit umfänglichere Publikation (410 Seiten gegenüber 194 Seiten). Auch erweisen sich die zahlreichen Überschneidungen im Gliederungsteil bei genauer Lektüre als mehr oder weniger stark modifizierte Übersetzungen.

II. Allgemeines Literaturverzeichnis

671

Yalman, Nur (1967 / 1973): „Das Rohe : das Gekochte :: Natur : Kultur“. Beobachtungen zu Le Cru et le Cuit. In: Leach (Hg.) (1967 / 1973), 109-131. [Originalfassung: ‚The Raw: the Cooked :: Nature : Culture‘ – Observations on Le Cru et le cuit. In: Leach (Ed.) (1967), 71-89.] Ziegler, Konrat / Sontheimer, Walther (Hg.) ([1964-1975] 1979): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden. Auf der Grundlage von Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearbeitet und herausgegeben von Konrat Ziegler und Walther Sontheimer. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1975. [Unveränderter Nachdruck der 19641975 im Alfred Druckenmüller Verlag (Artemis), München, erschienenen Bände.] Zimmermann, Walter (1953): Evolution. Die Geschichte ihrer Probleme und Erkenntnisse. Freiburg (Breisgau); München: Alber, 1953. Zinser, Hartmut (Hg.) (1988): Religionswissenschaft. Eine Einführung. Berlin: Reimer, 1988. Znaniecki, Florian (1940): The Social Role of the Man of Knowledge. New York: Columbia University Press, 1940. Zweig, Stefan (1925): Die Monotonisierung der Welt. In: Ders. (1988), 7-15. – (1988): Die Monotonisierung der Welt. Aufsätze und Vorträge. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Volker Michels. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988.

Register Seitenzahlen ohne Index verweisen auf Namen, Stichwörter oder Sachverhalte im Haupttext. Seitenzahlen mit den nachgestellten Indizes M bzw. Z bzw. U bzw. F bzw. E dagegen verweisen auf Namen, Stichwörter oder Sachverhalte in Motti bzw. Zitaten bzw. Untertexten bzw. Fußnotentexten bzw. Endnotentexten1. In Eckklammern gesetzte Seitenzahlen signalisieren sinngemäße Bezugnahmen. Aufgrund der übermäßigen Häufigkeit von Nennungen ist Claude Lévi-Strauss in das Namenverzeichnis nicht aufgenommen. (Auch erstreckt sich die Maßnahme auf jene Namen, welche von mir zur Kennzeichnung Lévi-Strauss’scher Gesprächs- bzw. Interview- bzw. Diskussionsbeiträge festgelegt wurden.2) Ausgenommen von der Erfassung bleiben zudem alle im Rahmen oben angeführter Originaltextstellen vorkommende Namen, Stichwörter oder Sachverhalte.3 Bereits im Inhaltsverzeichnis gegebene Hinweise werden im Namen- und Sachverzeichnis nicht mehr berücksichtigt. Besserer Übersichtlichkeit halber enthält das Sachverzeichnis einige (als solche jeweils gekennzeichnete) Themenblöcke.4

I. Namenverzeichnis 1. Autoren Adorno, Th. W. 267U, 267F Agnew, J. 360, 360F, 366F Allier, R. 229U Amborn, H. 353F Angehrn, E. 83F, 110F, 118F, 121-123F, 127F, 128, 129F, 132-134, 132-134F, 212 f.F, 213U, 217F, 222-225F, 224U, 332F

Ankermann, B. 296F Arens, W. 329F Aristoteles 24, [83F], [122], 122F, [140Z], [177F], [249Z], 249F, [476U] Ashlock, P. D. 140F, 144F, 204F, 453E Augé, M. 32F Ax, P. 176-180F, 182-188F, 189 f.U, 190-193F, 196 f.F, 199F, 201, 202F,

___________ 1 Letzteres zutreffend nur auf Gliederungspunkt II. der Appendices (dort Seite 453) und Gliederungspunkt III. der Appendices (dort Seite 457 f.). 2 Vgl. dafür besonders oben, Rubrik ‚Spezielles Literaturverzeichnis‘ (Unterpunkt 3., Seite 622 ff.), die dort unter der Textgattung ‚Gespräch bzw. Interview bzw. Diskussion‘ (Seite 623 f.) stehende Liste von Namen (im Sinne von Abkürzungen). 3 Betreffend also die Seiten 478-596. 4 In der Benennung und Reihenfolge: Biosystematik; Europäische Union und Türkei; Fall der Hanunóo; Mohammed-Karikaturen; Pygmäen; Universitätswesen, deutsches.

I. Namenverzeichnis 205F, 207, 210F, 441F, 453E Bahuchet, S. 381F, 384F, 390F Bailey, R. C. 313F, 318F, 330U, 330334F, 348-350F, 382F, 388F, 390 f.F Baldus, H. 633F Balibar, E. 314F, 377, 377F Barber, B. R. 26F, 321F Bargatzky, Th. 22F, 26F, 28F, 149F, 325F, 327 f.F, 331 f.F, 353F, 381F, 383F Barley, N. 58F, 218, 218 f.F Barnes, J. A. 107F Barnett, H. G. 268F Baron, W. 135F, 193F, 199 f.F, 208F, 210 f.F Bates, M. 204Z Bateson, G. 231M, 330, 330F Bayerische Staatskanzlei 397F Beavin, J. H. 309F Beck, U. 30F, 321F, 325F, 360-362F, 366 f.F, 367 f., 370F Beck-Gernsheim, E. 28F Beer, B. 149F Benjamin, W. 125F Benoist, J.-M. 297F, 304F Berg, E. 161F Berger, P. L. 247F Bergson, H. [40F/Z] Bertalanffy, L. v. 307F Bird-David, N. 382F Birnbacher, D. 63F Blankenburg, W. 36F Bloch, E. 295F, [414] Bloch, K. 212F Blok, A. 273F Blumenberg, H. 20F, 43F, 128F, 131, 131F, 225F, 332F, 373M, 378F, 393F Bodley, J. H. 26F, 318F Böhme, G. 437F Bohannan, L. [s. Bowen, …] Bollnow, O. F. 54F, 476F Bolten, J. 164F

673

Bonß, W. 362F Boon, J. 366F, 434F Borges, J. L. 123F Boulding, K. E. 326F Bourdieu, P. 392F, 435F Bowen, E. S. 164F Bowers, A. W. 301F/Z, 459-461, 459Z, 459F, 459F/Z, 461F, 462Z, 463F/Z, 464, 464F Braun, H.-M. 329F Breidenbach, J. 30F, 32F, 314F, 316F, 338 f., 338 f.F, 342, 342 f.F, 344, 345 f.F, 367, 367 f.F, 370F Brocker, M. 35F Bubner, R. 35F Bulmer, R. 121F Bumann, W. [179 f.F], [210F], 653F Bundesministerium (der Bundesrepublik Deutschland) für Bildung und Forschung 394F, 401F Bundesregierung (der Bundesrepublik Deutschland) 429F Buxbaum, F. 207F Caillois, R. 279F Carrier, M. 43F Cassirer, E. 115F Cavalli-Sforza, F. 255F, 335F, 381-388F Cavalli-Sforza, L. L. 255F, 307F, 335F, 381-390F, 386U Charbonnier, G. 108F, 323F Chatwin, B. 255F Christiansen, K. 381F, 385F Clarke, S. 107F Clausewitz, C. v. 95F, 234F, 241 f., [241], 242F Clifford, J. 161F, 435F Conklin, H. C. 136 f., 136F, 137U, 138F, 139-149, 141U, 146F, 164U, 166-172, [166], 168U, 170U, 440, 442 Coon, C. S. 385F Corbridge, S. 360, 360F, 366F Costa, H. da 416U, 416F

674

Register

Crapanzano, V. 435F Cunnison, I. G. 131 Cuvier, G. de 187F Därmann, I. 152F, 161F, 256F, 297F, 325F, 347F, 354F, 376F, 437F, 475F Dahlberg, I. 180F Darwin, Ch. 207F/Z Dauer, A. M. 329F Delatte, A. 130F Deleuze, G. 237F, 362, 371F Dembinski, M. 407F Derrida, J. 40F, 256F, 297F, 354F, 362 Descamps, B. 384F Descartes, R. [40F], 42, [44 f.], 46Z, [96], 127, [126-128], 127F, [127F], 250F, [327] Devereux, G. 220, 220F Diemer, A. 114F, [179 f.F], [210F], 653F Dilthey, W. 157F, 166F, 354F Dingler, H. 192F Dobzhansky, Th. 78F Dörner, D. 350F, 363F Drechsel, P. 30F, 358F, 362F, 366-368, 366 f.F, 372 Dreizehnter, A. 624F Duala-M’bedy, M. 256F, 329F Dürer, A. 286F Duerr, H. P. 35F, 47F, 57F, 59F, 80F, 82F, 127F, 160F, 410, 410F Dungs, G. F. 167F, [633F] Durkheim, E. 405F/Z Dwyer, K. 435F Edgü, F. 476F Eliade, M. 87F Elwert, G. 325F, 347F Engelmann, P. 236F Eribon, D. 46F, 93, 93F, 133F, 282F Essertier, D. 229U EU (Europäische Union) 406-408F Evans-Pritchard, E. E. 229U, 230F, 254F/Z

Expertenkommission Wissenschaftsland Bayern 2020 397F Fabian, J. 161F, 435F Faul, E. 410F, 427F Feldman, M. W. 385 f.F Festinger, L. 51F Feyerabend, P. K. 76F, 175F, 254 f.F, 255 f., 345F Fink-Eitel, H. 38F Finkielkraut, A. 75F, 310F, 354F, 436F Fischer, H. 34F, 149 f.F, 162F, 390F, 654F Fleck, L. 59U, 162F Forster, G. 380F Foucault, M. 123F, [123F], 134F, 437F Frank, M. 39, 39F, 40F, 44F, 49 f., 50 f.F, 54 f.F, 56 f., 57-60U, 57-60F, 84F, 123F, 134F Frankl, V. E. 77U, 77F Frazer, Sir J. G. 226 Freud, S. [86F], 125F, [125F] Frey, D. 51F Friedmann, F. G. 76F, 165 f.F, 665F Friedrichs, J. 30F, 358F Frobenius, L. 296F Fromm, E. 326F Fuchs, M. 161F, 435F, 475F Gadamer, H.-G. 156F, 164F, 166F, 215F Gallas, H. 69F Galton, Sir F. 457E Galtung, J. 47F Gardner, H. 222F Gasché, R. 66, 66F Gaska, A. 51F Gatzemeier, M. 43F Geertz, C. 114F, 169F, 240F, 350F, 352F, 354F, 370F, [422F], 435F Geldsetzer, L. [179 f.F], [210F], 653F Gemoll, W. 43F, 181F Giddens, A. 362F Glaser, B. G. 161 f.F, 167F

I. Namenverzeichnis Glean O’Callaghan, M. 375F Godelier, M. 94F, 130F, 380F, 381-383F Gölz, B. 30F, 358F, 362F, 366-368, 366 f.F, 372 Goethe, J. W. v. 187F, 286F Goodenough, W. H. 160F Goodman, N. 310F, 311F/Z Goody, J. 113F, 222F, 224F Graebner, F. 296F Granai, G. 108F Green, G. M. 348F Große Hüttmann, M. 432F Guattari, F. 362, 371F Guillaumin, N. (/ C.) 375F Gusinde, M. 380F, 390F Haag, K. H. 43, 43F, 63-65F, 83F Habermas, J. 171 f.F, 344F Hackett, L. W. 204Z Hallpike, Ch. R. 119, 119F, 132F, 146F, 227, 227F, 307F, 309F Hamzeh’ee, M. R. F. 334F Hannerz, U. 27F Hansen, K. P. 29F, 256F, 260F, 270F, 361F, 367 f.F, 368, 371F, 373F Harris, M. 160F Hartmann, M. 193F Hartmann, N. 156F Haudricourt, A. G. 108F Hayes, E. N. 107F Hayes, T. 107F Headland, Th. N. 313F, 318F, 330U, 330-333F Hegel, G. W. F. [50], 50Z, 52F Heidegger, M. 346F, 354F Heine, B. 138F, 475F Heinrich, K. 225F Heinz, R. [179 f.F], [210F], 653F Helbling, J. 331F Held, K. 364F Hennig, W. 176F, 180-183F, 181, 191F, 193 f.F, 196F, 198 f.F, 203F, 207F, 212F, 441F, 453E

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Henrich, D. 401F Henrichs, N. [179 f.F], [210F], 653F Heraklit 55U, 55F Herder, J. G. v. [364], 364, 364F, [364F] Hesiod 224U/Z Hewlett, B. S. 381-386F, 389U, 389F Heisenberg, W. K. 159F/Z Heitmeyer, W. 376F Hinske, N. 217F, 250F, 476F Hirschman, A. O. 24F Höffe, O. 30F, 73 f.F, 80F, 255F, 318F, 358F, 360 f.F, 403F, 421F, 432 f.F Hoffmann, G.-R. 255F Hogrebe, W. 225F Holenstein, E. 36 f.F, 104F, 224F, 258F, 289F, 311F, 321F, 335F, 344-346F, 346, 354F, 357F, 360 f.F, 364F Honneth, A. 40F, 236 f.U, 237F Horstmann, A. 166F Horton, R. 95F, 132F, 225F Hübner, K. 230F, 328F/Z Humboldt, A. v. 329F Humboldt, W. v. [398F], 403F Hunter, Sh. 416U, 416F Huntington, S. P. 297F, 477, 477F Hunyadi, M. 62 f.F Husserl, E. 35F, [40F], 45F, 47, 150 f., 150F, 250F, 250F/Z, [250F/Z], 354F, 364, 364F, [364F] Ibn Khaldun, ’A. 60U Jackson, D. de A. 309F Jaeggi, U. 65U, 65 f.F, 66, 107F, 223F Jahn, I. 174F, 209F, 212F Jakobson, R. 68F Jamme, Ch. 32F, 91F, 93F, 112F, 164F, 166F, 328F Jaspers, K. 22F, 54F, 71F, 73F, 75F, 77U, 77F, 203F, 309F, 326F, 398F, 654F Jenkins, A. 66, 66F, 107F Jerusalem, W. 20F Jettmar, K. 336F, 438F

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Register

Kämpf, H. 166F, 325F Kamlah, W. 476F Kant, I. 41F/Z, [49F], 62-65, 62F/Z, [63], 64Z, [65], 65F, [66F], 73, 73-75F, [73F], 77F, [78], 79 f., [79F/Z], [80], [82], [82F], 82F, [82F/Z], [86F/Z], 166F, 203U, 203F, 210F, 342F, 343U, 344F, 391F Kaulbach, F. 645F, [645F] Keck, F. 57F, 222F Kekulé von Stradonitz, F. A. 114F/Z Keller, A. 121, 121F Kelly, R. G. 286F, 286F/Z Kent, S. 382F Kesselring, S. 362F Kimmerle, H. 255F Klaus, G. 180F Kleiner, M. S. 361F Kluxen, W. 35F Knorr-Cetina, K. D. 149F König, G. [179 f.F], [210F], 653F König, R. 163F Koepping, K.-P. 35F, 56F, 150F, 160 f.F, 165F, 167F, 240F, 272M, 343F Kogge, W. 166F Kohl, K.-H. 21F, 26F, 28F, 31F, 84F, 110F, 149F, 172F, 219F, 240F, 261F, 263F, 280F, 305F, 309F, 317 f.F, 322F, 327F, 331 f.F, 381F, 383F Kondylis, P. 46F, 52 f., 52 f.F, [53U], 78F, 88, [89 f.], 89F, 96, 96 f.F, 98U, 246F Konersmann, R. 25F Koselleck, R. 406F Kottak, C. Ph. 347-349F Krader, L. 327F Kramer, F. W. 150F, 341F, 475F Kramer, H. 407 f.F, 416U, 416F, 433F Kroeber, A. L. 267F/Z Kröber, G. 180F Krohn, W. 289F Kubaseck, Ch. 407F, 415F Küppers, G. 289F

Ladwig, B. 437F Lamarck, J. B. A. P. de 207F/Z Lamnek, S. 162F Lang, H. 149F Langanke, M. 176F La Piere, R. T. 244F Latte, K. 465F Laum, B. 326F Lazari-Pawłowska, I. 236F Leach, E. R. 70U, 70F, 82F, 87F, 93U, 93F, 107F, 438F Leakey, R. 313F Leggewie, C. 407F, 432 f.F Leiber, Th. 43F Leighton, A. H. 129 Leighton, D. C. 129 Leiris, M. 159F, 294F, 299F, 346F, 381F, 383F, [649F] Lenk, H. 307F Lepenies, W. 40F, 250F Leroy, O. 229U Lesser, I. O. 415 f.F, 416U Levinas, E. 297F, 354F Lévy-Bruhl, L. 42F, 93, 93F/Z, 99, 226, 229U, 229F, 237F Lewin, R. 313F Liddell, H. G. 297F, 462F Lindig, W. H. 167F, 329F, 334F Linné, C. v. [135Z], 135U, 140F/Z, [143Z], 147F, [147F], 174-177, [174-178], 174F, 179, [204], 205208, [206 f.], 206F, [209 f.], 209Z, 209F, 210, [211U], 212, 212U, [213 f.], 214, 214F, [215], 216, [217], 218, 453E Lipp, W. 340F Lloyd, H. E. 301F, 459F, 460-462 Lovins, A. B. 313F, 321F, 325F Lovins, L. H. 313F, 321F, 325F Luckmann, Th. 247F Lueken, G.-L. 35F Luhmann, N. 132F, 225F Lyotard, J.-F. 223F, 362, 400F, 402F

I. Namenverzeichnis Maier, H. 158F Mainzer, K. 43F, 66F Malinowski, B. 339, 339F Mannheim, K. 160F Marc-Lipiansky, M. 107F Maret, P. de 390F Martens, E. 251, 251F Martin, L. 416U, 416F, 418F Martius, C. F. Ph. v. 369F, 369F/Z Marx, K. 40, [40F], 40F, [285F], 286F/Z, 295F, 326U, 326 f.F, [326F], 405F/Z Maturana, H. R. 362 Mauss, M. 84F, 325 f.F, 346 f.F, [347F], 372U, 376F, 391M, 437F Maximilian 301F/Z, 459Z, 459F/Z, 461 f.Z, 463F/Z Maybury-Lewis, D. 172F, 314F, 318F, 335, 335F, 434M Mayr, E. 135F, 140, 140F, 144F, 176F, 178F, 180 f.F, 186 f.F, 195-199F, 202208F, 204, 210F, 214F, 453E McNeely, J. A. 331 f.F Mead, M. 344F Meister, A. 189F, 208F, 211 f.F Merleau-Ponty, M. 391M Meyer-Abich, K.-M. 81F Michaelis, W. 43F, 70F, 104 f.F Michel, U. 150F, 314U, [314F] Miegel, M. 326F, 343F Mitglieder des Philosophischen Instituts der Universität Düsseldorf, die 179 f.F, 210F, [653F] Mitscherlich, A. 128F Mittelstraß, J. 24F, 43F, 339F, 398 f.F Mittelstraß-Kommission, sogenannte [s. unter: Expertenkommission …] Mohr, H. 115F Montaigne, M. de 345F Morgenstern, O. 70F, 291F Mühlmann, W. E. 24F, 26 f.F, 30 f.F, [30F], 75F, 77 f.F, 95F, 115F, 130F, 142, 142F, 149-152, 149 f.U, 149167F, 155-160, 161U, 162, [163F],

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164-166, 171 f.F, 207F, 216F, 218F, 226-230F, 227, 229 f.U, 255F, 264F, 267F, 275F, 282F, 297F, 314U, 314F, 317 f.F, 320F, 322-324F, 323U, 326F, 329 f.F, 333-337F, 335, 342F, 344F, 349, 349 f.F, 358F, 365 f.F, 368-371F, 369U, 372U, 377F, 380 f.F, 383 f.F, 386F, 388F, 436F, 457 f.E, 654F, 665F Müller, E. W. 149F, 151F, 160F, 331F, 654F Müller, K. E. 269F, 296 f.F Müller, M. 125F Müller, S. 327F Müller-Wille, S. 176, [176F], 199F, 203F, 205F Münch, R. 405M, 405 f.F Münchner Gesellschaft für Dialektische Philosophie 106F Münkler, H. 257 f.F, 412 f.F, 437F Murdock, G. P. 65F Nederveen Pieterse, J. P. 26F, 30F, 283F, 367, 367F Neumann, J. v. 70F, 291F Nietzsche, F. 63F, 188F, 306F, 310F, 310F/Z Nimuendajú Unkel, C. 167F, 334F, 633F Noyon, J. 416U, 416F Nutini, H. G. 70F Obermeier, O.-P. 271F, 281 f.F, 287F Oeser, E. 208F Ogburn, W. F. 267F/Z, 371F Ong, W. 321 f.F Oppitz, M. 36F, 44F, 69U, 69F, 71F, 82 f.F, 107F, 136M, 286F Otto, R. 342F Pace, D. 240F Parmenides [62F] Pascal, B. 62F/Z Paslack, R. 289F Passarge, S. 106F, 255F

678 Paton, H. J. 74F Péguy, Ch. 392F/Z Peirce, Ch. S. 19F Pelto, P. J. 160F Pelto, G. H. 160F Perroux, F. 326F Peuckert, R. 305F Pike, K. L. 153F, 160F Platon [83F], [187F], 187F/Z, [206] Plutarch 105F/Z Polanyi, M. 103F Pothast, U. 249, 249F, 333F, 342, 342 f.F Pouillon, J. 125F Powdermaker, H. 162F Prauss, G. 79 f.F Preuß, K. Th. 153F Pütz, P. 22F Putnam, H. 34F Putnam, P. 385F Rabinow, P. 435F Radcliffe-Brown, A. R. 269 f., 269F, [269F/Z] Radin, P. 229F Reckwitz, A. 286F Redfield, R. 385F Rehfeld, K. 176F, 179F, 182-189F, 192198F, 200 f.F, 453E Reichenbach, H. 114F Reimann, Ht. 362F Remane, A. 135F, 176, [176F], 181F, 183F, 187F, 193F, 199F, 201, 201203F, 205F, 207, 208-212F Rescher, N. 111F Ricœur, P. 65, 65F, 81 f.F, 86F, 94 f.F, 107F, 109, [109], 109 f.U, 109 f.F, 112, 112F Ritter, H. 334F Ritter, H. H. 40F, 215F Ritter, J. 425F Ritzer, G. 26F Romer, A. Sh. 347 f., [347-349], 348F,

Register [350F] Rosa, H. 323F, 346F Rossi, I. 107F Rost, F. 326F Roth, G. 77F Roth, P. 465F Rousseau, J.-J. 40, [40F], 40F, 114F, [114F/Z] Rudolph, W. 36F, 267, 267 f.F, 268U Ruijter, A. de 66 f., 67F, 70F, 84F, 87F, 107F Russell, B. 322F Sartre, J.-P. 93F, 93F/Z Saussure, F. de 40F/Z, [71F] Schäfer, L. 63F Schebesta, P. 380F Schelling, F. W. J. v. 106F, 106F/Z Schimper, A. F. W. 135F Schiwy, G. 94F, 107F Schmid, W. 266F, 403F, 437F Schmidt, A. 40F Schmidt, B. 30F, 358F, 362F, 366-368, 366 f.F, 369F, 372 Schmidt, S. J. 27F, 362, 362F Schmied-Kowarzik, W. 87F Schmied-Kowarzik, Wd. 78F, 80 f.F, 83F, 87F, 106 f.F, 151F Schnädelbach, H. 41F, 230F, 251, 251F Scholte, B. 41F, 66, 66F, 107F, 158F Schopenhauer, A. 130F/Z Schröter, M. 106F Schüttpelz, E. 256F, 376F, 436F Schütz, A. 150F, 160F, 234F, 253, 253F Schulz, W. 86F Schumpeter, J. A. 326F Schwemmer, O. 24F, 59F, 68F, 69U, 69F, [69F], 78F, 104F, 115F, 234F, 250F, 253F, 263F, 278 f.F, 341, 341F, 359F Schwidetzky, I. 654F Scott, R. 297F, 462F Seufert, G. 407F, 415F Siewing, R. 209F

I. Namenverzeichnis Simmel, G. 250F, 311F, 326F, 401U, 401F, 405F/Z, 415, 416 f.F Simpson, G. G. 114F, 116-120, 116118F, [117-119], [118F], 122, [122F], [128F], 131, [136], 173, 174F, [179F], 181F, 184F, 205, 205-207F, 212F, 213 f., 221, [221F], 224U, 224 f.F Smith, P. 112F Sontheimer, W. 465F Sorokin, P. A. 229U Spinoza, B. de 63F Sponsel, L. E. 313F, 318F, 330U, 330333F Stachowiak, H. 82F Stagl, J. 34F, 37F, 149F, 153F, 156F, 159F Stanner, W. E. H. 31F Starck, D. 191F Stegmüller, W. 149F Stehr, N. 318F, 320, 320F, 324, 324F Stein, A. v. d. [179 f.F], [210F], 653F Steinbach, U. 406 f.F, 415F, 418 f.U, 418-420F Sternberg, L. 229U Stierle, K. 91F, 222F Storch, V. 174 f.F, 178F, 180 f.F, 207F, 211F Strasser, H. 361F Strauss, A. L. 161 f.F, 167F Strehler, H. M. 312F, 326F, 333F, 346F, 375F Ströker, E. 151F, 158, [158F], 203F, 213F Stützel, Th. 135F, 140F, 176F, 187 f.F, 193F, 203F, 206 f.F, 208, 209F Sudhaus, W. 176F, 179F, 182-189F, 192-198F, 200 f.F, 453E Sussman, L. K. 348F Sussman, R. W. 348F Tacitus, P. C. 401U Tanizaki, J. 326F Taussig, M. 435F

679

Tedlock, D. 435F Tempels, P. 147F Tenbruck, F. H. 230F Thiel, J. F. 20F, 149F, 383 f.F Thilenius, G. 153F Thomas, J. M. C. 384F Thompson, D’ A. W. 286F Thomson, D. F. 135, 177, 217F Thorndike, E. L. 130F Thurnwald, R. 31F, 153F, 164F, 218F, 229U, 275F, 297F, 372U Tibi, B. 60F, 311F Todorov, T. 436F Toynbee, A. 282F/Z Traven, B. 333F Troll, W. 189F, 208F, 211 f.F Tschohl, P. 268F Turnbull, C. M. 138F, 255F, 380M, 381384F, 390F Tyler, S. A. 435F Tylor, E. B. 261 f., [261 f.], 261F, 263, 266 f., [405F] Uchitelle, L. 321F UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) 75-77U, 75-78F Vaihinger, H. 80F, 212F Vansina, J. 382F Veblen, Th. B. 20F Verbeek, B. 356F Vierkandt, A. 229U Wabel, Th. 148F Waehle, E. 390F Wagner, B. 311F Waldenfels, B. 25F, 32F, 34F, 41F, 56F, 146F, 148 f.F, 152F, 166F, 248F, 297F, 313 f.F, 325F, 355F, 361 f.F, 376F, 393F, 406F, 437F, 476F Waldmann, P. 290F, 302F, 312F Walitschke, M. 86F, 108F

Register

680 Walter, H. 210F, 212F Watt, I. 222F, 224F Watzlawick, P. 309F Wax, R. H. 162F, 165F Weber, M. 165, 405F/Z Weberling, F. 135F, 140F, 176F, 187 f.F, 193F, 203F, 206 f.F, 208, 209F Weber-Schäfer, P. 166F Weiss, P. A. 307F Weizsäcker, E. U. v. 313F, 321F, 325F Welsch, U. 174 f.F, 178F, 180 f.F, 207F, 211F Welsch, W. 19F, 25F, 60F, 114F, 310F, 346F, 355 f.F, 361 f.F, 362, 371F, 373F, 402F Welter, R. 250F Wernecke, J. 36F, 70F, 457E White, L. A. 267F/Z Wied, M. P. of / zu 459Z, 459F/Z, 460462, 462Z, 464

Wierlacher, A. 283F Wiese, Ch. 166F Wilber, K. 344F Wiley, E. O. 183F Wimmer, A. 364F Winch, P. 163F, 313F Wittgenstein, L. 19M, 362 Wolff, K. H. 163F, 352F, 476F Yalman, N. 55F Zeien, A. M. 321F Ziegler, K. 465F Zimmermann, W. 135F, 176, [176F], 191F, 193F Znaniecki, F. 81F Zukrigl, I. 30F, 32F, 314F, 316F, 338 f., 338 f.F, 342, 342 f.F, 344, 345 f.F, 367, 367 f.F, 370F Zweig, S. 326F

2. Sonstige Personen, Ethnika, Organisationen, Institutionen Agta 318F/Z Aka 381, 381F, 384 f.F, [602] Akademiker in Amerika, die besten 220Z Amerikanerinnen, zwei junge 265F/Z Amnesty International 361U Andamaneninseln, Ethnien der [338] Athene 328F/Z Azande 255Z Baka 381, 381F, 384F, 390F, [602] Bantu [146 f.F/Z] Barroso, J. M. D.5 471F BSEC (Black Sea Economic Coopera-

tion) 433Z Buschmänner, africanische 106F/Z Buschmann-Kulturen 255F Costa e Silva, A. da6 [240F] Crows Heart (Informant) 459Z, 460462, 461Z, 461F Dajak 163F/Z Deutsche und Türken 59F Dowayos 218, 218Z, 219F Drogenkartelle 361U ECO (Economic Cooperation Organi-

___________ 5

Präsident der Europäischen Kommission seit dem 22. November 2004. * 03. Oktober 1902, † 17. Dezember 1969. Präsident Brasiliens während der Militärdiktatur (Amtszeit: 15. März 1967 - 31. August 1969). 6

I. Namenverzeichnis zation)7 433Z Efe 381, 381F, 384F, 390F, [602] Erasmus 361U Eskimo 255F Etoro 286F/Z EU (Europäische Union); Europäische Union 361U, 374, 405F, 406 f., [406], 406 f.U, 406F/Z, [408Z], 408F/Z, [408F/Z], 409-413, 412U, [414], 420425, 427-433, 428F, [430], 433Z, 602 EU-Kommission 407U, [408Z], [471F] Europäischer Rat 406F/Z, 407U, [408Z], 408F, 408F/Z, [433Z] EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) 407F Fischer in Polynesien, die unwissenden 220Z Galater 330F/Z GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) 361U Greenpeace 361U Guaraní 334F Hanunóo 136, [137], 138-145, 138Z, [139], [143-145], 147 f., [147], [147F], 151, [167], 168-172, 168U, [169-172], 170U, 440Z, [441 f.Z] Henschen, H.-H. 60F Hidatsa 301F/Z, 461F, 461F/Z, 463, 463Z, 464 Hinterwäldler aus Kentucky, die grobschlächtigen 220Z Hirten 334F Ik 138F Indianer 84F/Z Indianische Ethnien (Indianer) [55],

681

[55F/Z], [56F], [56F/Z], 84, 84F, [105F/Z], [129], [219F], [273 f.Z], [284 f.], [284 f.Z], [301F], [301F/Z], [318F], [318F/Z], [333 f.F], [369F/Z] Jäger und Sammler 29F, 334F, 385F/Z Karawaniers 334F Katholische Kirche 361U, 374 Kayapó 318F Kemalisten 418U/Z King Diamond [s. unter: Petersen …] König, T. 290F Kuna 318F !Kung-San 29F Luapula 131, 131Z Mandan 301F, 301F/Z, 460-465, 460Z, 461F, 461F/Z, 463Z Maronen, sog. 369F/Z Mbuti 138F, 255F, 380M, 381, 381 f.F, 384F, 390F, [602] Médecins sans frontières 361U Melanesier 163F/Z Melanesier, die 218F/Z Mercyful Fate 467F Minnetarre 301F, 464, [464Z] Mohammed (Prophet) 465, 469, [469 f.], [477] Moldenhauer, E. 459F Montenegriner 163F/Z, [163F/Z] Mundugumor 344F Nambikwara 219F NATO (North Atlantic Treaty Organisation) 361U, 433Z, 433F Naumann, H. 95F, 116 f.F, 126F, 131F, 141U, 143F, 270F

___________ 7

1985 von Iran, Pakistan und der Türkei gegründet in der Absicht, eine Art Freihandelszone zu schaffen. (Mitgliedstaaten: Afghanistan, Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Kirgisien, Pakistan, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan, Usbekistan.)

Register

682 Navaho 129 Neger 153F/Z Negritos 381 Nichtregierungsorganisationen (NonGovernmental Organisations / NGO’s) [361U], 390F

OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) 433Z Özal, T. 419U/Z OIC (Organization of the Islamic Conference) 433Z Olympische Spiele 361U OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) 433Z Paulus 330F/Z Petersen, K. B. 467F polynesische Ethnien, bestimmte 255F Pygmäen [s. unter: Aka] – [s. a. unter: Baka] – [s. a. unter: Efe] – [s. a. unter: Mbuti] RAF (Rote Armee Fraktion) 257F/Z, [258F] Reif-Willenthal, B. 82F

Scientific Community [24], 54F, 58F, [76F/Z], [116Z], 138F, 221, 367, [398F/Z] Scientology 251F Shuar 318F Terrororganisationen 361U TNU’s (Transnationale Unternehmen) 361U Türken [s. unter: Deutsche …] UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation) 306F, 363 UNO (United Nations Organisation) 361U, 433Z Vogl, J. 60F Weisen in Polynesien, die großen 220Z Westeuropäer, moderner 162Z WEU (Westeuropäische Union) 433Z Yanomani 318F/Z Ye´kuana 318F Zigeuner (europäische und orientalische) 334F

Sammler [s. unter: Jäger …]

II. Sachverzeichnis Ablehnung (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Taubheit …] Ähnlichkeit // wildes-Denken-Kontext [s. unter: Kontiguität …] ästhetisches Vermögen // wildes-DenkenKontext [s. unter: Einbildungskraft …] Affinität (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 290Z – [s. a. unter: Konvergenz …] Allgemeinmenschliches (Stagl); Allge-

meinmenschliches // strukturalanthropologischer Kontext und Rehabilitation-„primiti-

34Z, 37, 70, 83, 86, 225 f., 228 – [s. a. unter: Invarianten …] – [s. a. unter: Strukturen …] – [s. a. unter: Universalien …] Alternative, Begriff der (H.M.S.) // kulturtheoretischer Kontext 378 Altersversorgung, bessere Weisen der ven“-Denkens-Kontext

II. Sachverzeichnis (Feyerabend) // kulturtheoretischer Kontext 255Z Altruismus // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 312F Ameliorierungsabsicht (bezogen auf Lévi-Strauss-Forschung) // strukturalanthropologischer Kontext 39, [40], 105 „American way of life“ (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 298F/Z Amphiktyonien // kulturtheoretischer Kontext 369U Analogisierung von biologischer und kultureller Perspektive (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [313 f.], 313F – [s. a. unter: Evolution …] Anbiederung (Lévi-Strauss / „Primitive“) // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 258 Angebotsvielfalt auf der Welt insgesamt // kulturtheoretischer Kontext 325U Anleihen (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 282F/Z, 299Z, 394 Anspruchsniveau (in sogenannten Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext 322 Anstand // kulturtheoretischer Kontext 343U – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Anstandsformen] Anthropologie, hominide und humanide // anthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext [455 f.], [457 f.E] – „negative“ vs. „positive“ // kulturtheoretischer Kontext [355 f.] anthropologische Forschungsmethoden / Variation eines bestimmten Themas // anthropologischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext 36, [53F/Z], 89 Antinomiethematik // strukturalanthropologischer Kontext [70 ff.], 78U Apperzeption, transzendentale (Kant) // strukturalanthropologischer Kontext 82F – reine // strukturalanthropologischer Kontext 57F

683

a priori; Apriorische, das // strukturalanthropologischer Kontext 64, 64Z Aprioris; „Aprioris“ // strukturalanthropologischer Kontext 63, 65U, 66F a priori-Standpunkt (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 66, 72 Aspektquartett (epistemologischer, methodischer, methodologischer, ontologischer Aspekt) // entwickeltes Instrumentarium zur Untersuchung Lévi-Strauss’ anthropologischer Forschung [38 f.], 83, [106], [107F], 435F, [600] – Schwerpunktargumentationen, diesbezügliche (materialbedingt) / nicht buchstäbliche und konzise Abarbeitung // strukturalanthropologischer Kontext 38 Assimilation bzw. Akkulturation („primitiver“ Kulturen) // kulturtheoretischer Kontext 329, [330F] – [s. a. unter: Pygmäen / Assimilation …] Assimilation, ethnische / Mechanismen // kulturtheoretischer Kontext 369 f.U „Assimilation“ von „Kulturimporten“ (durch Lokalkulturen) // kulturtheoretischer Kontext [320 ff.], 321, 323, [325 f.U] Attraktivität, Steigerung der (LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [s. unter: Dignitäts- und damit …] Ausgetauschtes // kulturtheoretischer Kontext 299 – [s. a. unter: Eingetauschtes …] – [s. a. unter: Einsätze …] Austausch; austauschen // kulturtheoretischer Kontext 273, 280F, 281Z, 291, 293F, 294, 296, 298 f., 303F/Z, 313, 315 f. Austauschmöglichkeiten, begrenzte (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 298Z Austauschprozesse // kulturtheoretischer Kon-

684

Register

text 278, 284, 295 Austauschresultate // kulturtheoretischer Kontext 295 Authentizität // kulturtheoretischer Kontext 35, 132, 258, 352 – Terminus // kulturtheoretischer Kontext 297F Autopoiesis // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext [289], [367Z]

Basis bzw. Unterbau/Überbau-Thematik (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext 285F, [286F/Z] – [s. a. unter: Determinismus, externer …; sowie unter: Determinismus, interner …] Bastelei (Lévi-Strauss) // wildes-DenkenKontext [s. unter: bricolage …] Bedeutsamkeit / Inflationierung und ergo Egalisierung / Neigung des wilden Denkens // wildes-Denken-Kontext 125 Bedeutungsgenerierung, menschliche / Unerschöpflichkeit // kulturtheoretischer Kontext 296 Bedeutungslosigkeit, menschliche (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 62 f.F, [62F/Z] Begabungsproblem, sogenanntes (bei „Primitiven“) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 227F Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens, These von der (LéviStrauss) // strukturalanthropologischer Kontext [61 f.], 65, 73, 76U Beherrschung von als unterlegen ausgemachten fremden Kulturen (Mühlmann) // kulturtheoretischer Kontext 314U Behutsamkeit und Toleranz im wertenden Umgang mit fremdkulturellen Denkgewohnheiten // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 217 Bereitschaftslagen, Nutzung vorhande-

ner (durch Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [256U] Bereitschaftsmuster und Wertpräferenzen, herkömmliche (Bezugspunkt Lévi-Strauss’) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 256 Bescheidenheit bei der Modellierung des eigenen (kulturellen) Selbstbilds // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 217 Bevölkerungswachstum // kulturtheoretischer Kontext [330U], [330F] Bewältigung, originäre Synthesen als Instrumentarien einer jeweiligen // kulturtheoretischer Kontext 378 Bewertungen (Auf-, Ab- oder Entwertung) im interkulturellen Kommunikationsprozeß // kulturtheoretischer Kontext [308 ff.] Bewertungsvorgänge, hypertrophierte // kulturtheoretischer Kontext 312 Bewußtsein (Lévi-Strauss); Bewußtsein // strukturalanthropologischer Kontext 42Z, 45, 45F, 46Z, 50, 55Z, [57U], 87F, [90F] Bewußtseinsrationalität (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: Rationalität, subjektive …] bindungsstiftende und -erhaltende bzw. bindungsschwächende und -lösende Kräfte // kulturtheoretischer Kontext 375F, [437F] Biosystematik [Themenblock] // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext, wildesDenken-Kontext und kulturtheoretischer Kontext

– Abstammungsgemeinschaft, geschlossene (Monophylum) 185-188, [189], [187F], 190U/Z, [190U], [191193], 196, [197], [199U], [199F], [201], 201 f.Z, [450-452], [453E] – Abwärtsklassifikation (Mayr) / Identifikation (Mayr) 140Z, [140Z],

II. Sachverzeichnis 140F/Z, 144F, [144F], [199U], [199F] – Anagenese; anagenetisch 184 f., 185F, 188, 188F, 449 – apomorph; Apomorphie(-n) 186F, 188F – Art (Begriff) / Äquivokationen [453E] – [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Fortpflanzungsgemeinschaft(-en) …] – Artabgrenzungen, divergente (konzeptbedingt) 206 – Artkonstanz, Gedanke der 206 – Artkonzept, biologisches 205 f., 205F, [211 f.F], 215 – typologisches bzw. essentialistisches 205 f., 205F, [215] – Artspaltung(-en) 184, [184-188], 186 f., [189U/Z], 191, [449Z], 453E/Z – autapomorph; Autapomorphie(-n) 186F, 188F, 200F, 202U/Z – Beschaffenheit der zu ordnenden Gegenstände / Ordnungsmöglichkeiten 213U – Bestimmungsschlüssel 140F/Z, [140F/Z], 200U, 200F/Z, 211 – Bestimmungsverfahren, gewöhnliches [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Abwärtsklassifikation …] – Cladogenese; cladogenetisch 184 f., 188, 188F, [200F/Z], 449 – Deszendenztheorie [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Evolutionstheorie …] – enkaptisch gradierte Ordnung (Troll / Meister) 189, [189F] – Evolution 184, 187, 197, 211U, 212F – Evolutionstheorie; Deszendenztheorie 184 f., 207, 207F/Z, [211F/Z] – Exemplar(-e) 140, 140Z, 144, 193 f., 196, 198, 199F, 200U, 208, 450-452, 453E

685

– Folgeart(-en) 184-187, 186F, 196 f., 441F, 450-452 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Stammart(-en)] – Forschungsstrategie, Biosystematik als rationelle 203 – fortpflanzen; Fortpflanzung [181F], 182 f., 183F, 191, [195F], 202F, [204Z], 207F/Z, 263Z, 449Z, [449Z] – Fortpflanzungsgemeinschaft(-en) (Art(-en) bzw. Species) 183 f., 183 f.F, 183F/Z, 185-188, 189 f.U/Z, 190 f.U, 191-198, 195F, 195F/Z, 199U, 201, 201 f.U/Z, 202F, 203 f., 204Z, 205F, 206-208, 209F, 206 f.F/Z, 222F, 336F, 449Z, 450-452, 453E – funktionslose Topoi (bestimmte biosystematische Leistungen innerhalb sogenannter Primitivkulturen / Abschätzung) 216 f. – Gedächtniß (Nietzsche) / Freisetzung des Begriffs aus exklusiv bewußtseinstheoretischen (und damit anthropologischen) Kontexten 188F/Z – Heterobathmie 188F – hologenetisch (Zimmermann) 193 – homolog; Homologie(-n) 197, [198], [198F/Z], 211F/Z – Individualzyklus 191 f., 191F/Z, 194, [196], [450-452] – Individuen; Individuum 182-184, 182Z, 188, 189U/Z, 193-196, 194F, 199U, 205F, 207F/Z, 263Z, 449Z, 450452 – Indizien 196, 198 f., [199F], 453E – invalide Systemeinheiten 194 – Klassifikation; klassifizieren; Klassifizierung; etc. 135Z, 135U, 136M, [140Z], 140F/Z, [140F/Z], 144F, 174F, 177-179, 177F, 179-181F, 179F/Z, 210, [211U], 212, 212 f.U, 217, 221 – Konvergenz(-en) 197, [198F], 198F/Z – Linné-Bild der Forschung 176

686

Register

– Linnésches Ordnungsmodell / fehlender Strukturzusammenhang [209-211], [211 f.U] – Makrotaxonomie (Mayr); makrotaxonomisch 204, 207, 209 f., 212U, 213 f. – Merkmale, ancestrale (Mayr) 186 – diagnostische 200U, 200 f.F, 208, [210] – konstitutive 185 f., 190U, [199F], 200U, 200F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Neuheit(-en) …] – Merkmalsgrundmuster 187, [187], [187F], [189U/Z], [200F/Z], [201 f.Z] – Merkmalsvergleich, morphologischer 194 – Metamorphose; metamorphotisch 182Z, [182F], 191, 191F/Z, [191F/Z], 194F – Mikrotaxonomie (Mayr); mikrotaxonomisch 204-206, 210 f.F, 214 f. – Mutation 184, 191 – Natürliches System vs. künstliches System / System vs. Klassifikation [177 f.] – naturwissenschaftliche vs. metaphysische Erklärung [180], [180F] – Neuheit(-en), evolutive / evolvierte (= Merkmal(-e)) 184-187, 186F, 189 f.U/Z, 196 f., 200F, 201 f.Z, 202F – Ontogenese [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Verwandtschaft / ontogenetische Beziehungen …] – Phäne, polymorphe 206F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Polymorphismus] – Phänotypen 181, 183, 198F/Z – Phylogenese [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Verwandtschaft / phylogenetische Beziehungen …] – phylogenetischer Gedanke; Gedanke der Abstammung / Funktion einer

– – – – –









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– –

transzendentalen Idee; eines regulativen Prinzips (im Sinne Kants) / innerhalb der modernen Biosystematik (bzw. innerhalb des von ihr erarbeiteten Systems der organischen Natur) 203U plesiomorph; Plesiomorphie(-n) 186F, 188F, 200F Polymorphismus 206, [206F], 210F, 214 prä-evolutionär (Simpson) 207 Principium divisionis (heutiger Biosystematik) 192, [202], 213 prognostischer (rekonstruktiver) Wert (der Biosystematik) 202, [209 f.] Semaphoront(-en) 182, 182Z, 188, 191, 191F/Z, 193-196, 194F, 199U, 207, 450-452, 453E – Etymologie 194, 194F, 453E Species [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Fortpflanzungsgemeinschaft(-en) …] Stammart(-en) 184-188, 186 f.F, 190 f.U, 196 f., 201 f.U/Z, 202F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Folgeart(-en)] Strukturzusammenhang, fehlender [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Linnésches Ordnungsmodell …] Symplesiomorphien 197F Synapomorphien 197F System der organischen Natur in der modernen Biosystematik / Periodensystem der Chemie / Analogie [203F] – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: phylogenetischer Gedanke …] System / Struktur [180], 180F Systematifikation; systematisieren; Systematisierung; etc. 179, 179F/Z, 180F, 188, 210, [211U], 213U, 213U/Z, 221

II. Sachverzeichnis – Systematik, phylogenetische 175, 176F, 181F, [200F/Z] – Taxa (taxa); Taxon (taxon) 138Z, 138 f.F, 141U, 141F, 144, 147, 147F, 168U, 193, 193F, 197-200F, 199 f.U, 201, 201Z, 204, 206, 208, 209F/Z, 211 f.U, 441Z, 441F, 442-446, 448, 450-452, 453E – Tokogenese [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Verwandtschaft / tokogenetische Beziehungen …] – Typen; Typus 187F, 187F/Z, 206Z, [207F] – Verallgemeinerungseinheiten 193, 200, 210 – Verwandtschaft 181, [192], 196F/Z, [198], [200], 205 – genealogische Beziehungen 181F – genetische 205 – ontogenetische Beziehungen (ontogenetisches Beziehungsgefüge etc.) 181-184, 188, 191 f., 191F/Z, 194-196, 198, 200, 211F, [449], 450 – phylogenetische Beziehungen (phylogenetisches Beziehungsgefüge etc.) 181, 183, 185, 188, 189U, 191 f., 191U, 194, 196-198, 199F, 200, [449], 450 – tokogenetische Beziehungen (tokogenetisches Beziehungsgefüge etc.) 181-185, 181F, 188, 191 f., 194-196, 198, 199F, 200, 203, 211 f.F, [449], 450 – Zwillingsarten 195, 195 f.F, 199F, 206, 210F, 214 Blickrichtung, methodische / Umkehrung (H.M.S.) // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [239], [245 f.] Bottom-up- vs. Top-down-Verfahren (Bailey) // kulturtheoretischer Kontext [350F]

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Brandrodungsfeldbau // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Schwendbau vs. …] bricolage (Lévi-Strauss) // wildes-DenkenKontext 94F, 222, 222F, 228 cartesisches Denken (Lévi-Strauss) // wildes-Denken-Kontext [s. Denken, cartesisches …] – [s. a. unter: Denktypen, unterschiedliche …] cartesische Vorrangverhältnisse, spezifische / Umwertung (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 45 Chaos; chaotisch // diverse Kontexte 42 f.F/Z, 43F, 121, 122F, 179, [222], 224 f.U, 224U/Z, 225F/Z, 272M, 435F Chaosreduktion, Systematik im Sinne maximaler // wildes-Denken-Kontext [116Z], [117], [117F/Z], 118, [122], [128], [128F], [172], [221Z], [221F/Z] Chaostheorie // strukturalanthropologischer Kontext 43F Coca Cola // kulturtheoretischer Kontext 321, 322F, 324, 326U Colluvies gentium (v. Martius) // kulturtheoretischer Kontext 369U, 369F/Z Container, Kulturen als // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Kulturen / Container-Konzept …] cultural lag (Ogburn) // kulturtheoretischer Kontext 371F Defensor (Lévi-Strauss) // Konfessionalismus-Kontext [s. unter: Engagement …] Denken, cartesisches vs. wildes (LéviStrauss) // wildes-Denken-Kontext [127 f.] – domestiziertes (Lévi-Strauss) vs. wildes (Lévi-Strauss) // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext [93 ff.U] Denkformen menschlicher Kulturen // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

[s. unter: Hiat …] – [s. a. unter: mythologische und ratio-

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Register

nale Elemente …] Denktypen, unterschiedliche (wildes Denken vs. cartesisches Denken) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext und wildes-Denken-Kontext [93 ff.U], 128 – Vorrangverhältnisse, unterschiedliche (analytischer vs. synthetischer Aspekt) // wildes-Denken-Kontext 127 Desintegration (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Entropie …] deskriptive mit präskriptiven Aussagen / Vermischung (Michaelis) // strukturalanthropologischer Kontext 70U/Z Determinationsformen; Determinationstypen // strukturalanthropologischer Kontext 43, 43F, 48F Determinismus, externer (was aus jeweils spezifischen ökologischen, technischen und ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen als Zwang erwächst) (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext 285, [285], [285 f.F], [287], 295F – interner (mentale Zwänge) (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext 285, [285], [285 f.F], [287] diachron; Diachronie; diachronisch // diverse Kontexte [s. unter: synchron …] Dignitäts- und damit Akzeptanzsteigerung // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 249, [254U] dirigistische Eingriffe // kulturtheoretischer Kontext 356 Diskontinuitäten (Lévi-Strauss); Diskontinuitäten // wildes-Denken-Kontext 120 f., 131F, 214 Dissonanz, kognitive (aufgrund der Argumentation Lévi-Strauss’ beim Leser induzierte) // strukturalanthropologischer Kontext 51 f., [100] Diversifikationsgrad des Kulturbestands

der Menschheit im ganzen // kulturtheo325U – einzelner Kulturbestände // kulturtheoretischer Kontext [321], [325U] domestiziertes Denken (Lévi-Strauss) // retischer Kontext

Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

[s. unter: Denken, domestiziertes …] Dualismus, philosophischer // strukturalanthropologischer Kontext 57F Durchlässigkeits-(Empfänglichkeits-/ Ansprechbarkeits-)grad für fremdkulturelle Systemelemente / Regulierung // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 289, 294, [298-300], [308], [316], [377] – Frage des richtigen Zeitpunkts // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext

300

Eigenes, kulturell fremdgewordenes // kulturtheoretischer Kontext 32, [378 f.] – [s. a. unter: Fremdgewordene …] – [s. a. unter: Fremdwerden …] Einbildungskraft, ästhetische (LéviStrauss); Vermögen, ästhetisches // wildes-Denken-Kontext 114F Eingetauschtes // kulturtheoretischer Kontext 296 Einmischung, externe vs. Zurückhaltung und Vorsicht, externe // kulturtheoretischer Kontext [343U] – in innere Angelegenheiten // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext und kulturtheoretischer Kontext [257 f.], [350] Einsätze, ausgetauschte // kulturtheoretischer Kontext 295, [299] „Einsätze“ (Lévi-Strauss); Einsätze; Einsatz; Spieleinsätze; Spieleinsatz // kulturtheoretischer Kontext 291-296, 293F, 295F, 298 f., 379F Elitediskussion // kulturtheoretischer Kontext 356 Engagement als Defensor (Lévi-Strauss)

II. Sachverzeichnis // Konfessionalismus-Kontext [240], 246 Entfremdung // kulturtheoretischer Kontext [322], 326U, 326F – [s. a. unter: Universitätswesen, deutsches / Entfremdung] Entropie (Lévi-Strauss); Entropie; entropisch // kulturtheoretischer Kontext [108], 290, 296, 299, 301F, 305, 347, 377, 379F, 389 Epimeleia heautou (ἐπιμέλεια ἑαυτοῦ) / Sorge um sich // kulturphilosophischer Kontext 437, 437F, 603 epistemologischer Aspekt (betreffend die anthropologische Forschung Lévi-Strauss’) // anthropologischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext

[38 f.], [67], [70], [78], [80], [83], [106], [107F], [600] – [s. a. unter: Aspektquartett …] Epochengrenzen, Ziehen von // kulturtheoretischer Kontext 358 Erfahrungen, praktische // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Vorstellungen …] Erinnerung // kulturtheoretischer Kontext 305, 347, 379F – um jetziger und kommender Zustände willen // kulturtheoretischer Kontext 352 Erkenntnisdefinition, neopragmatische // strukturalanthropologischer Kontext 82 Erkenntnisideal // strukturalanthropologischer Kontext 81F/Z – Flexibilität, aktive // strukturalanthropologischer Kontext 81F – naturwissenschaftliches // strukturalanthropologischer Kontext 68U Erklärung und / bzw. Überprüfung // strukturalanthropologischer Kontext 68-70U, 70F Erschütterung des zur Usance Gewordenen / Fähigkeit, sie zuzulassen // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 216

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Ethik, quasi „ökologische“ (Hunyadi) (bezogen auf Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 62F ethnozentrisch, Ethnozentrismus // kulturtheoretischer Kontext 36F/Z, 154Z, 155, 158F, [215 f.], [222 f.] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / ethnozentrische …] Ethos (ἦθος ) // wildes-Denken-Kontext 115F Etikett, europäisches (Mühlmann); Etikett, europäisches // kulturtheoretischer Kontext [220], 227Z, [228], [251], [256U] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / Etiketten …] Europäische Union und Türkei [Themenblock] // diverse Kontexte – Agrikulturalismus 419, 423 f. – Aufklärung und Willensbildung 410, 412 f., 418, 430, [431] – Autokratie 419, 423 f. – Bereitschaft, nur vorgebliche / Indiz, klares 429 f. – Brücke / Bedeutungsmomente 415-417 – „Brücken“-Einheit vs. Nicht-„Brükken“-Einheit [420-423], [432] – „Brücken“-Konstruktion [417], 420, 422 f., 425-427, [429] – Akzentüber- bzw. unterbetonung, Gefahr der 427, 432F – Akzentverschleifung, Gefahr der 427, 432F – Brücken-Metapher vs. BrückenkopfMetapher [429 f.] – Brücke(-n) / Symbolfunktion [416], [417 ff.] – „Brücken“-Varianten, projektierbare 424 – Demokratie 408Z, [408F/Z], [409], 419, [419U/Z], 423 f. – Einstellungsfragen (als Verbund aus Frage, Vorfragen, Vor-Vorfragen),

690

Register

Klärung von [411-413] – Ereignisse vom 11. September 2001 406U – Ermessensspielraum / Fehlen eines Maßstabs im Umgang mit [409 f.], 410, [414], [428], [430] – Helsinki / Beschluß [407U], 408F, [408F/Z] – „Zusatzkriterien“ [408F/Z], 409F – Identität der Türkei, kulturelle / Klärung darauf zielender Fragen / Bedingung für die Klärung anderer Fragen [413-415] – Identitätsformel der Türkei als „Brücke“, verbreitete 415 – Industrialismus bzw. Postindustrialismus 419, 423 f. – Innovation, echte (objektive / im Sinne Lévi-Strauss’) 426, [426F] – Integrand 420, 423F, 425, 427 – Integrant 421, 422F – Integration 409, 411-414, 421-423, 422 f.F, 428, 430-433 – Intermediärvarianten [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: „Brükken“-Varianten …] – Islamismus 418, 423 f. – Kalter Krieg / Ende / Frage nach der eigenen Identität 405 f. – Kopenhagen / Beschluß 408F – Kriterien 408 f., 408F – Krisis (κρίσις) 406F – Laizismus 418, 422-424 – Luxemburg / Beschluß [406 f.], 409 f., 412U, 427, 430 f. – Menschenrechte 408Z, 408F/Z, 409 – Metaphorik der „Brücke“ / affiliative Konkretisierungen 418, [420 f.] – Ambiguität [417] – materiale Konkretisierungen 418, [418-420] – Ostrazismus 432 – pontische Kompetenz 426 f.

– Problem des theoretischen Konstrukts (Fehlen von Erfahrungswerten) [427 f.], 432F – Prozeß der Information, der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung 410 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Aufklärung …] – Säkularismus 418, 422-424 – Selbsterweiterung, fatale Formen der [410], [429 f.] – [s. a. außerhalb dieses Themenblocks unter: Selbsterweiterung …] – Sparensdimensionen (konservierendes Aufsparen, investives Ansparen, präventives Ersparen) (Höffe) 432 – Standortbestimmung, insuffiziente (bei allen beteiligten Verhandlungspartnern) 410 – Strebens-, Toleranz- und Bereitschaftsvoten 409 – Tradition; traditionell 419U/Z, 422 f., 426 – Traditionsstämme (beide / zwei) 425-428, [429] – Traditionsstamm, okzidentalischer 428 f., [429] – orientalischer 428, [429] – Türkei / „Brücke“ zwischen Orient und Okzident 418, 422 f., 431 – Spezifikation unter politischem Aspekt 419 – Spezifikation unter religiösem Aspekt 418 – Spezifikation unter sozioökonomischem Aspekt 419 – Türkei / Disposition zur Brücke 415, [427], [430], 433 – Verpaßthaben von Gelegenheiten 432 – Willensbildung [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Aufklärung …]

II. Sachverzeichnis – Zukunft 405F Evolution, Beziehungen zwischen biologischer und kultureller (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext [298Z], 298F – [s. a. unter: Analogisierung …] Evolutionismus-Kritik (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

219F evolutionistisches Argument, naturalistisches Argument / Kombination (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 82F exhaustive Auseinandersetzung mit der intellektuellen Hinterlassenschaft Lévi-Strauss’ / kein dahingehender Anspruch (vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise

[19], [434], [434F] existentialistisch (Derrida, bezugnehmend auf Lévi-Strauss’sches Urteil) // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kontext 41F/Z Existenzphilosophie // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kontext 54F Experimente, kulturevolutive // kulturtheoretischer Kontext 314

Faktum der Verschiedenheit (LéviStrauss); Faktum kultureller Verschiedenheit // kulturtheoretischer Kontext 259, 304Z, 315, 335, 351-353, 375, 379, 431 Fall der Hanunóo [Themenblock] // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext, wildesDenken-Kontext und kulturtheoretischer Kontext

– Andersverstehen vs. Besserverstehen [166F] – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Verstehen …] – Aufarbeitung unter dem Blickwinkel der Erkenntniskritik [148 ff.] – Ausgewogenheit 160, 160F

691

– Autosuggestionsurteile 158 – Balancehalten [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: existentielles Engagement …] – Besserverstehen [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Andersverstehen …] – Bezugsquelle (Lévi-Strauss’) 137, 139, 170 – Bindung, doppelte [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: existentielles Engagement …] – Bindung vs. Befangenheit [161 f.U] – Details; Detail, vollwichtigstes (Mühlmann) 142Z – Diversifizierung bzw. Multiplizierung der Phänomensicht jenseits der Enge des indigenen Blickwinkels 164 – Eindimensionalität, relative (der Phänomensicht) 164 – „Eingeborenenliteratur“ (Mühlmann) 155Z – Einklammerung von (an Fremdphänomene herangetragenen) „Geltungen“ / nicht deren Leugnung 156 – emic approach (Pike) 153, 159 – Emic / etic-Debatte 160F, [160F], [160F/Z] – Empirie, literarische bzw. textuelle / Umgang, fehlerhafter 171 – empirische Erkenntnisse / Generierung 151, [157], [159 f.] – Epoché (Mühlmann); Epoché 151, 155-158, 161U, 167 – Bereitschaft zur 154 f., [155 f.] – Erkenntniskritik [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Aufarbeitung …] – ethnographische Annäherung 154, 156 – ethnozentrische Einstellung / Ausgangslage (Mühlmann) 154Z

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Register

– [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: ethnozentrisch …] etic approach (Pike) 159 f., 164 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Emic …] Etiketten, suggestive (Mühlmann) 162 – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Etikett …] Evidenzgefühl 158 existentielles Engagement (affektive Grundlage ethnologischer Arbeitsweise) vs. intellektuelle Distanzierung (kognitive Grundlage ethnologischer Arbeitsweise) / Balancehalten [161U], [167] Fallgruben (Mühlmann) der Ethnologie 162 faschistisches Gedankengut / Vorwurf bzw. Unterstellung (Mühlmann betreffend) [150U] – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Nationalsozialismus …] Fiktion (Mühlmann) 160F Forschungsphasen (Datenerhebung und -aufbereitung, Datenauswertung und -weiterverwertung) [165], [167 f.] Fremderkenntnis / Selbsterkenntnis 159Z Fremdes als relativ vs. radikal Fremdes [152U] fremd-ethnologische Arbeitsweise 148, [148F], 166 fremdintentional; Fremdintentionalität 153, 156, 158 Fremdrepräsentation, ethnographische [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Konstruktionsanteil …] Fremdverstehen, transkulturelles / Erfahrung des Scheiterns 166

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– [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Verstehen …] Gemeintes / im primären vs. im sekundären Ausdruck [170] Gestaltung(-en) (Mühlmann) 152154, 152Z, 152F, 163 f. Gewährsleute / direkter Kontakt / Conklin 167 grounded theory (Glaser / Strauss) 162F grundlagentheoretische Diskussion zwischen Ethnologen und Philosophen, gemeinsame (Wd. SchmiedKowarzik) 151Z Hausrat, eigener ethnographischer (Mühlmann) 162 Hermeneutik 164, 166F – interkulturelle 164F, [165F] hermeneutische Methode [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: phänomenologische Methode …; sowie unter: phänomenologisch-hermeneutischer Ansatz] hermeneutische Spirale (Bolten) 164F hypothetische Typen; hypothetischer Typus (Mühlmann) [153], 156, 157Z, [157-160], [157F/Z] Indizien 167 intentionale Analyse (Mühlmann) 153, [154], [156F], 163, 169 intentionale Daten (Mühlmann) 154, 165, 167, 172 intentionale Geltungen (Mühlmann) 153, 154U, 155 f., 158 Interpretation / keine die „letzte“ (Mühlmann) 164F/Z, 169 Konstruktionsanteil ethnographischer Fremdrepräsentation (im Sinne durchaus auch eines Asymmetrieanteils) 160F Kulturhorizont, eigener / Emanzipation von dessen „Selbstverständlich-

II. Sachverzeichnis keiten“ (Mühlmann) [154 f.Z], 158Z – lebensweltlicher Umgang mit den Kulturträgern (Mühlmann); lebensweltlicher Umgang mit den Kulturträgern 154 f., 155Z – leibhaftige Berührung und Auseinandersetzung (mit den Kulturträgern) 155 – Manipulation (Lévi-Strauss / an den Erträgnissen Conklins) [s. außerhalb dieses Themenblocks unter: Manipulation …] – Mystifizierungen (Mühlmann) des Fremdethnischen 162 – Phänomenologie, transzendentale 150 f. – phänomenologische Analyse(-n) 154, 156F, 163 – interpretatives Moment als methodisches Konstitutivum 154 – phänomenologische Methode / hermeneutische Methode / Verschränkung [148], [154], 164, 165F – phänomenologische Reduktion(-en) 151, 153-155, [154U], [156], [158], 161, [161Z] – phänomenologisch-hermeneutischer Ansatz 148 f., 163, 166, 169 – Philosophie / Differenzierung gewisser Problemschichten 146F – Prinzip der wechselseitigen Erhellung (Dilthey, Mühlmann); Prinzip der wechselseitigen Erhellung 154, 156, [157Z], 157F, 158, 160, 167 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: wechselseitige Erhellung …] – Projektionen, Gefahr inadäquater [145 f.], 146F – prozessuale Konstituiertheit / Subjekt und Objekt 160 – und Relativität / Subjekt 161U – Quellen, ethnographische (der Hanu-



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nóo) 170-172 – textuelle (Conklins) 171 f. Realismus, naiver (Mühlmann) 167F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Fiktion …] Selbstidentifikation (Lindig), buchstäbliche 167F Selbstzeugnisse, indigene 168, [168] – (indigene) (Mühlmann), schriftlich verfügbare 155Z Sinnverleihungen, sekundäre (Mühlmann) 162 Sprachmodus des (außerwissenschaftlichen) Alltags vs. Sprachmodus des Szientismus [156] Subjekt-Objekt-Relation (Mühlmann) 158, 161Z – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: prozessuale Konstituiertheit / Subjekt …] Superioritätskomplex (Mühlmann) 153F Suspendierung des Definitivitätsanspruchs 156 Szientismus [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Sprachmodus …] Tatsache, positivistischer Begriff der (Habermas) 171F teilnehmende Beobachtung 159F theoretisch-spekulative Dimension / Selbstläufer, kaum mehr rückkoppelbare 172 Umbauten an dem von Conklin zur Verfügung gestellten ethnographischen Material (von Lévi-Strauss vorgenommene) / Elaboriertheitsgrad, hoher 147 unendlicher Prozeß (Mühlmann) [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: wechselseitige Erhellung …] Verseltsamungen (Mühlmann) des Fremdethnischen 162 Verstehen, amplifiziertes [164]

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Register

– emphatisches 165F – (innerhalb unterschiedlicher Bezugsrahmen) (Wolff) [163F/Z] – psychologisches [165], [165F] – Raum für Distanz, für Ambivalenz 166 – soziales Phänomen, Phänomen geteilter Bedeutungen (Wax) 165F – soziologisches [165], [165F] – Vorraum (Mühlmann) 166Z – vs. Ausschalten des Fremden qua Aneignung, Assimilation [166] – vs. moralische Billigung [164U] – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Besserverstehen …] – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Fremdverstehen …] – verstehende Methode (Mühlmann) 163 – Verstehensanspruch / Problem 166 – Verstehensgewißheit, Verlust bewährter / Vergewisserung, künstlich konstruierte 148F – Verstehensgrenzen / bezogen auf sich selbst [166F] – Problem der 166F – Vorverständnis 156, 158, 161U – wechselseitige Erhellung / unendlicher Prozeß (Mühlmann) 164F/Z – Weltliteratur (Mühlmann) 155F/Z Fascinans (Otto; Mühlmann), Waren des Westens als // kulturtheoretischer Kontext 342F Fehlschluß, naturalistischer // strukturalanthropologischer Kontext 63F Feindseligkeit (Simmel) // kulturtheoretischer Kontext 311F/Z Flexibilität, responsive // kulturtheoretischer Kontext 313, 315, 379, 431, 436, 602 Fortschrittseiferer (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 317M Fortschrittsproblematik (bei Lévi-

Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 314F Fragwürdigkeit, prinzipielle (einer Verfahrenskonzeption und -durchführung) // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 227 Fremderhaltung, kulturelle // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Selbst- und Fremderhaltung …] – [s. a. unter: Rehabilitation als …] Fremdes, differenztheoretisch-radikalisiert aufgefaßtes // kulturtheoretischer Kontext 297F, [437F] – Heimsuchung und Infragestellung durch // kulturtheoretischer Kontext 297F fremd-ethnologische Arbeitsweise // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Fall der Hanunóo / fremd-ethnologische …] Fremdgewordene, das (kulturell Eigenes als) // kulturtheoretischer Kontext [32], 378 – [s. a. unter: Eigenes …] Fremdverstehen / Grundzüge einer Theorie (Schütz) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 253 Fremdwerden des kulturell Eigenen // kulturtheoretischer Kontext [395 f.], 430 – [s. a. unter: Eigenes …] Führung fremder Kulturen (Mühlmann) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Beherrschung …] Fürsprache; Fürsprecher (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 257 f., 258F Funktionalismus // kulturtheoretischer Kontext 149F/Z, 366, 369U funktionslose Topoi // wildes-Denken-Kontext, Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kon-

[s. unter: Biosystematik / funktionslose …] Fusionierung (originärer Synthesen) (im Sinne eines Integrationsvorgangs) // kulturtheoretischer Kontext 379 – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Integrand] text und kulturtheoretischer Kontext

II. Sachverzeichnis – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Integrant] – [s. a. unter Europäische Union und Türkei / Integration] Gabe, interkulturelle Konzeption der (von pazifischen Völkern entwickelte) // kulturtheoretischer Kontext 346F, [372U], [376F] Gabentausch // kulturtheoretischer Kontext 325F Gedächtnis // philosophischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Biosystematik / Gedächtniß …] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Gedächtnis …] Gefühl (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext und wildes-Denken-Kontext

114F, 114F/Z – [s. a. unter: Primat …] Geisteskrankheiten / Behandlung von, bessere Weisen der (Feyerabend) // kulturtheoretischer Kontext 255Z Genozid (potentieller) (bezogen auf die Zukunft sogenannter Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext 327F Geschichtsbegriff (bei Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 323U Geschlossenheit der Konzeption (vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 437F Glaubensgemeinschaft, religiöse // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Traditionen bzw. …] Gleichgewicht, richtiges (im Kräftefeld kultureller Dynamik) // kulturtheoretischer Kontext 300, [300F], [302], [429] „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (bezogen auf kulturelle Wirklichkeit) // kulturtheoretischer Kontext 357F Globalisierung // kulturtheoretischer Kontext 26, 318, 318Z, [318F], 320 f.Z, 321, 358, [358F], 366, [374]

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– Dimensionen der // kulturtheoretischer Kontext [318Z] – ökonomische Dimension der // kulturtheoretischer Kontext 321 – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Welt …] Globalisierungsschub, früherer // kulturtheoretischer Kontext 318F Glücksbilanz (Mühlmann); Glücksbilanz // kulturtheoretischer Kontext 322, 322F, 322F/Z Götter; göttlich; Gott; Gottheit // kulturtheoretischer Kontext [121], [129Z], 328F/Z, 330F/Z, 332F Grenze (kybernetischer Begriff der) // kulturtheoretischer Kontext 289, 294, [295], [297], 298, [299 f.], 300, 302 f., [305], 308, 316, [367Z], 377 – ambivalenter Charakter der // kulturtheoretischer Kontext 302, 308 Grundrechte // kulturtheoretischer Kontext 375F, [465 ff.] Güterumlauf, zeremonieller / Formen bzw. Systeme // kulturtheoretischer Kontext 369U Handlungsbedarf, aktueller (wissenschaftlicher wie außerwissenschaftlicher) / (vorliegende Arbeit als) Versuch, Lévi-Strauss in daran orientierter Form weiterzudenken // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 32, [600], [602] – [s. a. unter: wissenschaftshistorische Aufarbeitung …] Handwerk // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Traditionen bzw. …] Hanunóo // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext, wildes-Denken-Kontext und kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Fall der Hanunóo] Heilverfahren // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [s. unter: Schamanen-

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Register

Komplex …] Hermeneutik; hermeneutisch // diverse Kontexte 41F, 46F/Z, 54F/Z, 58F, 69U, 81F, 89, 110F, 148, 154, 164, 164166F, 235, 258F – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / Hermeneutik] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / hermeneutische Methode …] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / hermeneutische Spirale …] Heteronomie, Stempel der (Mühlmann) // kulturtheoretischer Kontext 342 Hiat zwischen „primitiven“ und „zivilisierten“ Denkformen, kategorischer / Schließung // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [226], 228 Hochschulwesen // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Traditionen bzw. …] – [s. a. unter: Universitätswesen, deutsches] Holismus // wildes-Denken-Kontext 127F Hominisation // Rassenfrage-Kontext 75U – [s. a. unter: Monophylie …] – [s. a. unter: Quietismus …] homo faber // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 255, 255F Homogenisierung bzw. Monotonisierung der Welt, These von der // kulturtheoretischer Kontext 326F – [s. a. unter: Vielfalt, depotenzierte] – [s. a. unter: Vielfalt zweiten Grades] homo inventor // kulturtheoretischer Kontext 268U homo oeconomicus // kulturtheoretischer Kontext 325F Honneth / Lévi-Strauss-Interpretation / vom Rehabilitationstopos divergierender hermeneutischer Ansatz // Konfessionalismus-Kontext [s. unter: romantischer Impuls …] Honoratioren // kulturtheoretischer Kontext 343U

Humanismus; humanistisch 75-77U, 216, 226Z, 246, 356 – rosaroter // Hominisationsfrage-Kontext [77U] – sich emanzipierender // Hominisationsfrage-Kontext 77U – [s. a. unter: Wissenschaft und Humanismus …] Hybridzustand zwischen Modell und Theorie (betreffend Lévi-Strauss’sche Positionen) // kulturtheoretischer Kontext 278 Hyläa (A. v. Humboldt); Hyläa // kulturtheoretischer Kontext 329, 331U, 384F, 387, 390 – [s. a. unter: Regenwald …] Ich (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 49F, 49F/Z, 56F – (Kant) // strukturalanthropologischer Kontext 49F – rein funktionales vs. empirisches // strukturalanthropologischer Kontext [49F] Idee der Menschheit (Kant) // Hominisationsfrage-Kontext 75U, [77U], 78U Ideologie(-n); ideologisch // diverse Kontexte 46F/Z, 76F, 111Z, 254F/Z, 398, 435 Imagesubstitution // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 256U „Indigenisierung“ // kulturtheoretischer Kontext 353 Individuierungspotential (wechselseitiger kultureller Beziehungen) // kulturtheoretischer Kontext 277, [282F/Z] Indizien // diverse Kontexte 83, 132, 369F/Z – [s. a. unter: Biosystematik / Indizien] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / Indizien] induktives vs. deduktives Verfahren (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext [65 f.U], [66F/Z] Information // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Wissen, allgemein …]

II. Sachverzeichnis – [s. a. unter: Wissen und Information …] Infrastruktur / Infrastrukturen und Geist (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext

[s. unter: Determinismus, externer …; und unter: Determinismus, interner …] inkommensurabel; Inkommensurabilität // kulturtheoretischer Kontext 35F, 35F/Z, 297F, 354F/Z Innovation(-en); innovativ; innovatorisch // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kontext und kulturtheoretischer Kontext 54U, 347 f., 379F – [s. a. unter: Pygmäen / Innovation] – [s. a. unter: Pygmäen / Innovationen …] Innovation (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 264 Innovationen, objektive (sinngemäß mit Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 264-267, 266F – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Innovation …] „Innovationen“ (Rudolph) // kulturtheoretischer Kontext 267Z Innovationen, subjektive (sinngemäß mit Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 264 f., 267 Innovationsschübe, unverhältnismäßige // kulturtheoretischer Kontext 377 Innovatoren, objektive (sinngemäß mit Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [264Z], 266 – subjektive (sinngemäß mit LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext [265 f.F/Z], 266 Inspiration (Lévi-Strauss) // wildes-DenkenKontext 114F Institution (Blumenberg, Jerusalem, Veblen) // strukturalanthropologischer Kontext 20F

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Institutionen, internationale (LéviStrauss); Institutionen, internationale 306-308, 308F, [332 f.U], 348, [350], [350F], 354F, 356, [361], [361U], [391] Integration // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Fusionierung …] intellektuelles Sich-Austoben (LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [147 f.], 254F Interaktionen, schwache (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 283, 319F, 387F – starke (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 283, 319F, 387F inter- bzw. / und transkulturelle Phänomene // kulturtheoretischer Kontext 362 f., 368F, 373 Interdependenzsystem, globales // kulturtheoretischer Kontext 317 f., 333 Interdisziplinarität (bzw. Transdisziplinarität (Mittelstraß)) (bezogen auf die Anlage vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 24, [435], [600 f.] Inter- und Transkulturalitätskonzeptionen // kulturtheoretischer Kontext 362, 364 Intuition (Lévi-Strauss) // wildes-DenkenKontext 114F Invarianten // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext 65, 65U, [74], 86, 104, 297F – [s. a. unter: Allgemeinmenschliches …] – [s. a. unter: Strukturen …] – [s. a. unter: Universalien …] „Inventar“ (kulturelles); Kulturinventar // kulturtheoretischer Kontext 265, 266F/Z, 321, 321 f.F Invertierung gewohnheitsmäßiger Perspektivik // kulturtheoretischer Kontext 354, [354F] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen

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Register

/ Blickrichtung …] Isolation; isoliert; Isoliertheit; Isolierung // kulturtheoretischer Kontext 273276, 274-276Z, 275F, 275F/Z, 282, 286F/Z, 289F/Z, 298Z, 299F/Z, 329, [366Z], 367Z, 368, 370Z, 371, 383F, 386, 432 Junktim von Differenz und Konnexion // kulturtheoretischer Kontext 371F, [436F] – von Mittel und Zweck // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext 234, 239 Kalamitäten, konstruktionsbedingt induzierte (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 228 Kalkül, rationalistisch-ökonomisches // kulturtheoretischer Kontext [314] – utilitaristisches // kulturtheoretischer Kontext 314 Kalligraphie in humanistischer Absicht // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 216 „kalte“ / „warme“ Gesellschaften (LéviStrauss) // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext 108, 108Z, 323U, [323U/Z] Kantianismus ohne transzendentales Subjekt (Ricœur) // strukturalanthropologischer Kontext 82F/Z Karikaturenstreit, sogenannter // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Mohammed-Karikaturen …] Kategorien-Fehler (Winch) // kulturtheoretischer Kontext 163F Kategorienfehler, anfänglich notwendiger / konstitutiver (Hogrebe) // ChaosKontext 225F Keksausstecher-Kulturkonzept (Geertz) // kulturtheoretischer Kontext 370F, 422F Klassifikationssysteme, bewußte, sehr komplexe und kohärente (Lévi-

Strauss) // wildes-Denken-Kontext 113Z, [113], [113 f.F], 173, 220, [221223] Koalition (Lévi-Strauss); Koalition // kulturtheoretischer Kontext 291, 299F, 314, 376F kollektiv; Kollektiv(-e); kollektive Einheit(-en) etc.; Kollektivität // kulturtheoretischer Kontext 153U, 311F/Z, 373, 405 f., 419 f.U/Z, 420 f.F, 421 f. Komfort / physische, spirituelle, ästhetische, moralische Aspekte / nachgeordnete Phänomene // kulturtheoretischer Kontext 313F Kommunikation // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kontext und kulturtheoretischer Kon-

54F/Z, [59F], [292], 300F/Z, 301F, [302], 303F/Z, 309F/Z, [463] Kommunikationssprozeß, interkultureller // kulturtheoretischer Kontext 308 kommunikationstheoretisch; Kommunikationstheorie // kulturtheoretischer Kontext 248F, [272 ff.], 297F, 313F, 375, 436, 437F, 601 – [s. a. unter: kulturtheoretische Argumentationen … / kommunikations-, system- und spieltheoretische …] Kommunikator // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext 248 f. komplexitätsgerechte Strategien, Entwicklung von (mit Blick auf die Erhaltung sogenannter Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext 349 Komplexitätsreduktion (evolutionsgeschichtlich) / Komplexitätsproduktion (individualgeschichtlich) // wildesDenken-Kontext 115U konditionaler Charakter der Argumentation (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 32, [32F], [324], [328], [337], [341], [348], [390], [394 f.], [396], [425], [438] text

II. Sachverzeichnis Konfessionalismus (resp. Subjektivismus) (bei Lévi-Strauss) // Topos-der-Rehabilitation-Kontext 21 f., [240], 240F, 246, 434, 599 Konjektur (in der Sache liegender Bestandteil des Charakters vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 23, [236] Konkrete, das / Metapher (Lévi-Strauss) // wildes-Denken-Kontext 115U Konservierung, quasi museale (sogenannter Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext [352] konstruktives Moment / Anteile // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: kulturtheoretische Argumentationen … / konstruktives …] Konsumgüter, weltweite Ausbreitung „westlicher“ / Versuchung (davon auf sogenannte Primitivkulturen ausgehende) // kulturtheoretischer Kontext 321, [322] Kontiguität oder Ähnlichkeit // wildes-Denken-Kontext 122, 139F Kontraposition (betreffend das Verhältnis der von Lévi-Strauss eingenommenen unterschiedlichen methodischen Standpunkte) // anthropologischer Kontext 90, [91 f.], [96-103], [225 f.] Konvergenz (Lévi-Strauss); Konvergenz // kulturtheoretischer Kontext 290Z, 298 f. Konvergenzproblematik // kulturtheoretischer Kontext 298 Konvergenzprozeß // kulturtheoretischer Kontext 295 Konvergenztendenzen // kulturtheoretischer Kontext 290, 298 Konvergenzthese // kulturtheoretischer Kontext 326F Konvertibilität (Lévi-Strauss) // wildesDenken-Kontext 126 Koordination (administrative) // kulturtheoretischer Kontext 350, 391

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kreativ; Kreativität (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 262-264, [266], 267 „kriminelle“ Elemente / Behandlung, bessere Weisen der (Feyerabend) // kulturtheoretischer Kontext 255Z krimineller intellektueller Akt // kulturtheoretischer Kontext 336U kritisch-rationalistische Methodik // strukturalanthropologischer Kontext 75U Krypto-Rassismus // kulturtheoretischer Kontext 376 Kugeln, Kulturen als (Herder) // kulturtheoretischer Kontext 364, [364F] Kula // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Güterumlauf …] Kultur (Begriff) / Äquivokationen // kulturtheoretischer Kontext und anthropologischer Kontext 260F, [454-456], [457 f.E] kultureller Relativismus; Kulturrelativismus // anthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext 35 f.F, 297F, [376] Kulturen als geschlossene, isolierte, statische, homogene, äquilibrierte Gebilde // kulturtheoretischer Kontext 368, 371 – als offene, interagierende und interdependente, dynamische, heterogene, Antagonismen beinhaltende und (diese intra- wie interkulturell) austragende Systeme // kulturtheoretischer Kontext 371 Kulturen / Container-Konzept (Beck; B. Schmidt; Drechsel / B. Schmidt / Gölz) // kulturtheoretischer Kontext [366-369], [366 f.Z], [366F], [370U], [371], [372U] Kulturinventar // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: „Inventar“ …] Kulturmosaik (Breidenbach / Zukrigl) // kulturtheoretischer Kontext 370Z Kultursysteme (Lévi-Strauss); Kultur-

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system(-e) // kulturtheoretischer Kontext 270Z, [270Z], 271, 284F, 294, 296, 363, 373 kulturtheoretische Argumentationen / Beiträge / Position(-en) / Reflexionen (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 21, 30F, [32], [268F], [297F], 310F, 328U, 337, 347, 351 f., 354, 354F, 356 f., 358F, 359, 363, 365 f., 368, 368F, 370, [371], 373 f., 374U, [375], 377 f., 388, 394, 394U, 396, [396U], 405F, 413F, 416, 418, 421, 430-433, 432 f.F, [436], 437F, 601 f. kulturtheoretische Argumentationen etc. / kommunikations-, system- und spieltheoretische Ansätze etc. // kulturtheoretischer Kontext 297F, 313F, 375, 436, 437F, 601 – konstruktives Moment etc. // kulturtheoretischer Kontext 270, 373, 375, 436, 437F, 601 – teleologische und normative Anteile etc. // kulturtheoretischer Kontext [302 ff.], [312 ff.], 375, 436, 437F, 601 Kulturtheorie, keine dezidierte (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext [22], 259, [434], [599], [601] Kulturverständnis, territoriales; territorial definiertes / geprägtes / grundiertes // kulturtheoretischer Kontext [271], [327 ff.], 359 f., [362], 364 f., 367 f., [373], 387 Kybernetik; kybernetisch // kulturtheoretischer Kontext 287, 287F, 289 – [s. a. unter: Rehabilitationsverständnis, „kybernetisches“] labyrinthische Argumentation (LéviStrauss) // strukturalanthropologischer Kontext 45 Langzeitbeobachtungen (betreffend die zeitgenössischen externen Ein-

flüsse auf sogenannte Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext 324U Lebensform, humanistische // Hominisationsfrage-Kontext 77U Lebensräume, intakte (sogenannter Primitivkulturen) // kulturtheoretischer Kontext 334 Lebenswelt (Simmel, Husserl); Lebenswelt // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 250, 250F, 250F/Z Leitkultur (Tibi), Begriff der sogenannten // kulturtheoretischer Kontext 311U Letztbegründung; Letztbegründungsintention (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 87, [109F] Lévi-Strauss-Forschung / Natur des verfügbaren Materials / nicht beliebige Stellbarkeit von Problemen (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 26F – segmentorientierter vs. an der Aufdeckung segmentübergreifender Zusammenhänge interessierter Arbeitsstil // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise [19 ff.], [435F], [599] Lévi-Strauss-Interpretation / vom Rehabilitationstopos divergierender hermeneutischer Ansatz // Konfessionalismus-Kontext [s. unter: romantischer Impuls …] Lévi-Strauss und Mühlmann / Diskrepanz, entscheidende (jenseits auch der Parallelität deren Denkbahnen) // kulturtheoretischer Kontext [30F], [314U], [377F], [436F] Limesbegriff (Schütz) // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext [s. unter: Sinn …] Literalität // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [s. unter: Oralität …] Liturgie (Bargatzky) // kulturtheoretischer Kontext 328F

II. Sachverzeichnis Logiken, praktisch-theoretische (LéviStrauss) // wildes-Denken-Kontext 131, [131F] Macht / Begrenzung // kulturtheoretischer Kontext 375 Mäßigung // kulturtheoretischer Kontext 376, 436, 602 Märkte (rationalistischer Ökonomie) // kulturtheoretischer Kontext 321F/Z – und Messen, intertribale (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 283F, [363] Manipulation (durch Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

136, 216 – [s. a. unter: Natur des Menschen …] Medien (Kommunikationsmittel) // kulturtheoretischer Kontext [273], [303], [338], [338Z], 339, [340 f.], [362], [362U] – (Verkehrsmittel) // kulturtheoretischer Kontext [115F], [273], [303] – virtuelle // kulturtheoretischer Kontext 27, [339], [362], [362U] Meinungslandschaft „zivilisierter“ Kulturen, Versuch einer qualifizierten Einflußnahme auf die Gestaltung der (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 243 Melancholie (Lévi-Strauss) // Traurige-Tropen-Kontext [s. unter: Retroversion; …] Menschenbild, „pessimistisches“ vs. „optimistisches“ (implizit bei LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext [355 f.] Menschenrechte // kulturtheoretischer Kontext [346], 346Z, [346F], [361] – europäisch-amerikanische // kulturtheoretischer Kontext 346F/Z – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Menschenrechte] Menschheitsfragen, große / metaphysischer Ausgang // Hominisationsfrage-Kon-

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text [74-78U] Merbok // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Güterumlauf, zeremonieller …] Metaphysik; metaphysisch // diverse Kontexte 44F, 62F, 64, 64F/Z, 75U, 77U, 80, 111Z, 121F/Z, [122], [122F], 160F, 180F, 230F – [s. a. unter: Menschheitsfragen …] metaphysisch (Derrida, bezugnehmend auf Lévi-Strauss’sches Urteil) // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kontext

41F/Z Metaphysikkonzeption, negative (Haag) // strukturalanthropologischer Kontext 83F Methoden, analytisch-wissenschaftstheoretische vs. hermeneutische / strukturale Anthropologie / Vermittlung // strukturalanthropologischer Kontext [69U] Methodenpluralismus, Bekenntnis zum (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 51, 100U, 100F – (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise [25] methodischer Aspekt (betreffend die anthropologische Forschung LéviStrauss’) // anthropologischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext [39], [56F], [65 f.U], [67-70U], 83, [88-90], [96-103], [600] – [s. a. unter: Aspektquartett …] methodologischer Aspekt (betreffend die anthropologische Forschung Lévi-Strauss’) // anthropologischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext [39], [47 f.], [50 f.], [56F/Z], [83], [600] – [s. a. unter: Aspektquartett …] Metökenwesen // kulturtheoretischer Kontext 369U Migrationshintergrund, globaler // kulturtheoretischer Kontext 310F Mißverstehen fremder Denkformen / prinzipielle Quelle, eine // wildes-Den-

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ken-Kontext 132F Mittel, kein Inkrement an Information zuzulassen (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 221 Modell-Begriff // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: Erkenntnisdefinition …] Modell, biologisches // kulturtheoretischer Kontext 278, [278], 289 – falsifikationistisches // strukturalanthropologischer Kontext 67U, [68F/Z] – physikalisches // kulturtheoretischer Kontext [279F] Modi des Fürwahrhaltens (Kant) // Hominisationsfrage-Kontext 77U – [s. a. unter: Universitätswesen, deutsches / Modi …] Mohammed-Karikaturen [Themenblock] // diverse Kontexte

– Anstandsformen 475 – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Anstand] – aussetzen, sich [475] – Blickrichtung, methodische / Umkehrung 467 – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Invertierung …] – Einstellung eines Ethnologen 475, [476], [476F] – Empfindlichkeiten 467 – Erfahrung, gelebte (Lévi-Strauss) 476U, [476F] – Erfahrungstypen, aristotelische 476U – Februar (mensis Februarius) 465F – Frömmigkeit 467 – Gedächtnis, soziales 472F – Gefühl, wenig gutes 473 – Gemütsgrundmuster 472 – Gespür für jeweils kulturell Fremde 475, [475] – Glaubwürdigkeit / Verlust vs. Gewinn [474]

– Größe, menschliche 473 f. – Grundrecht auf Meinungsfreiheit / kontextneglektiver Rekurs auf selbes 468 – Haften, persönliches [474 f.] – Hingebung-und-Begriff (Wolff) / methodische Formel 476F – Humiliation, Geschichte / gewachsenes, komplexes Gefüge der 472 – Junktim von Mittel und Zweck 467 – „Kategorienfehler“ 477 – Leibesgrenze 474 – Mangel, dreifacher 470 – moralischer (Verfehlung) 470 – operativer (Inkonsequenz) 470 – rationaler (Irrtum) 470 f. – Meinungsfreiheit, Grundrecht auf [465], 468, [468], 471 – Indiz für gesicherte 468 – Indiz für qualifizierten Umgang mit derselben [468] – und Meinungsverantwortung, Vermittlung zwischen 471, 473 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Grundrecht auf …] – Nischenbildung 469, 473 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Trias …] – Nischennutzung 471, 473 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Trias …] – Nischenverteidigung 473 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Trias …] – persönlicher Kontakt mit kulturell Fremden 476 – Pluralität, echte / leben 477 – Pornographie 468, [468], [468F] – Pressefreiheit [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Meinungsfreiheit …] – Prestige 476F/Z – Publikationsform [469F], 470, 477

II. Sachverzeichnis – Schutzbedürfnis 469-471 – Schutzgewißheiten, bewußte Distanzierung von [475] – Spielräume zumutbaren Handelns und Verhaltens 474 f. – Stirn, die / bieten 477 – Trias / Nischenbildung, Nischennutzung und Nischenverteidigung 474 – Überlegenheit, charakterlich-moralische 465 – Verletztwerden / Gefahr / erkenntniskonstituierender Faktor 476F – vergleichbar 467, 471 – verstehender Nachvollzug der Dimension muslimischer Empörung / Tentieren 471 – Verteidigung, retrospektive (des Publikationshergangs) [465], 470 f. – Welt, sich globalisierende, sich technisierende und medialisierende 474 – Zukunft 473 Monokultur (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 292F/Z monokulturell (Eribon, Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 282F/Z – [s. a. unter: plurikulturell …] Monophylie vs. Polyphylie // Hominisationsfrage-Kontext [75U], [77 f.F] Monotonisierung // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Homogenisierung …] Morbus hermeneuticus (Schnädelbach) // philosophische-Relevanz-Lévi-Strauss’-Kontext 41F Mühlmann und Lévi-Strauss / Diskrepanz, entscheidende // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Lévi-Strauss und Mühlmann …] Mythen; mythisch; Mythos // diverse Kontexte 28F, 42Z, 43F, [44], 55 f.F/Z, 87F/Z, 105F, 109 f.U, 109U/Z, 110, 110 f.F, 110 f.F/Z, 111Z, [111], 113F, 113F/Z, 125, 125F/Z, 130F/Z, 131F,

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133Z, 222F/Z, 224F, 225F/Z, [225F/Z], 266F/Z, 278-280F, 278F/Z, 280, 284 f., [284], 284Z, 287Z, 287F/Z, 327, 327 f.F/Z, 332F, 373M, 378F/Z, 381F, 456, 458E, [458E] Mythenanalyse (strukturale) // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext 55F, 109U, [110], [111Z], [278F] Mythenerzähler // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext 55, 56F, [284Z] Mythenforschung // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext

67F, 105F, 109U, 112, 279 f., 283, 288 f., 296F, 363, 368, 599 Mythenkorpus // kulturtheoretischer Kontext 285 Mythenversion(-en) // kulturtheoretischer Kontext 285, 286F, 287 Mythologie // strukturalanthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext [42], [49], [55F], [67], 86, 105 f.F/Z, 106F, [173M], [225F/Z], [256F], 278 f.F, 287F, [380F] mythologische und rationale Elemente / Denkformen menschlicher Kulturen stets und überall eine Mischung // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

223 f.F Nachsteuerung (Dörner); Nachsteuerungen // kulturtheoretischer Kontext 363, 363F naive Art der Vergleichung (Gadamer) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

[s. unter: Vergleichung …] Nationalstaaten // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Traditionen bzw. …] Nationalsozialismus / Mühlmann / Verstrickung // kulturtheoretischer Kontext [30F], [150U], [314U], [377F], [436F], [654F]

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Natur (Begriff) / Äquivokationen // anthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext [454-456], [457 f.E] naturalistisches Argument (LéviStrauss) // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: evolutionistisches Argument …] Naturbeherrschung // wildes-Denken-Kontext [s. unter: Prothetik] Natur des Menschen, affektive (Manipulierbarkeit) vs. rationale (Einsichtsfähigkeit) (implizite Referenzpunkte Lévi-Strauss’scher Argumentation) // kulturtheoretischer Kontext [355 f.] Natur und Kultur / kein antithetisches Verhältnis // kulturtheoretischer Kontext und anthropologischer Kontext [262F], 457 f.E Naturwissenschaften / Vorbild- und Maßstabcharakter (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 68U naturwissenschaftliches Erkenntnisideal // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: Erkenntnisideal, naturwissenschaftliches] naturwissenschaftlich-reduktionistischer Kern der strukturalen Analyse // strukturalanthropologischer Kontext und Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

87, [252] Negation (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Taubheit …] Neostrukturalismus (Frank) // strukturalanthropologischer Kontext 39, 54F/Z, 58U, 58F Neugierde // kulturtheoretischer Kontext 273 Neukombinationen bzw. -ansätze, kulturelle / Chance // kulturtheoretischer Kontext 314 Nimbus der Wissenschaftlichkeit (Martens / Schnädelbach) // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext 251Z – [s. a. unter: Wissenschaftlichkeit …] Nomadismus, Formen des eigentlichen //

kulturtheoretischer Kontext 334F nominalistische Auffassung; nominalistischer Standpunkt // strukturalanthropologischer Kontext 82 f.F Nominalaspekt; Nominalismus (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 269 f., [373] normativ // diverse Kontexte 32, 81F, 124, 155, 171, 259, [305], 308, 314U, 314F, 315, 375, 432F, 436, 437F, 470, 601 – [s. a. unter: kulturtheoretische Argumentationen … / teleologische und normative …] Nutella // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 254U

öffentlichkeitswirksames Aufpolieren von Forschungsergebnissen (LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 253, 254F „Öko-Heilige“ / Stilisierung sogenannter Primitivkulturen // kulturtheoretischer Kontext 345F Ökologie [s. unter: Pygmäen / Ökologie] ökologische Fehlanpassung // kulturtheoretischer Kontext 331F ökologische Frage // kulturtheoretischer Kontext 376F ökologisches Bewußtsein // kulturtheoretischer Kontext 332U ökologisches Fehlverhalten // kulturtheoretischer Kontext 330 Ökonomieprinzip (betreffend das Problem Eigenständigkeit versus Zusammenschluß originärer Synthesen) // kulturtheoretischer Kontext 379 ökonomisch // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Globalisierung, ökonomische Dimension …] – [s. a. unter: homo oeconomicus] – [s. a. unter: rationalistisch-ökonomisch]

II. Sachverzeichnis ontisch // strukturalanthropologischer Kontext 43, 43F, 57F, 87F Ontologie, zeitgemäße // kulturtheoretischer Kontext 371F ontologischer Aspekt (betreffend die anthropologische Forschung LéviStrauss’) // anthropologischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext [38 f.], [42], [43F/Z], [43F], [80 f.F/Z], [83], [83F], [106], [107F], [600] – [s. a. unter: Aspektquartett …] Opportunismus (bezogen auf LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [256] „Optimum an Verschiedenheit“, „ein gewisses“ (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 301Z Oralität und Literalität // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 255F, [256F] originäre Synthese (Lévi-Strauss); originäre Synthese(-n) // kulturtheoretischer Kontext 296, 297F, 300, 302 f., 311, 313, 315 f., 348, 354F, 365, 371F, 373, 375, 375F, 377-379, 379F, 389, 389F, 393, 395, 410-414, 426, 432 f., 436, [436], 602 – umfassender Art; aber auch begrenzter Art // kulturtheoretischer Kontext 378 – Wandel in der Zeit // kulturtheoretischer Kontext 377 – [s. a. unter: Bewältigung …] – [s. a. unter: pattern …] – [s. a. unter: Schöpfung, originale …] – [s. a. unter: Traditionen bzw. …] Originalität // kulturtheoretischer Kontext 276, 296F, 305 f., 309F/Z, 314, 321F, 347, 377, 379F, 395 – Konzept der // kulturtheoretischer Kontext 436

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text 290Z, 302 Partikularisierung / Problematik // kulturtheoretischer Kontext 299 Partikularisierungstendenzen // kulturtheoretischer Kontext 290 Parzellendenken, überkommenes / überspannte Anspruchs- und Erwartungshaltungen (betreffend vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 26, [26F] Paternalismus; paternalistisch // kulturtheoretischer Kontext 343, 343U pattern (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 296F – [s. a. unter: originäre Synthese (Lévi-Strauss) …] – [s. a. unter: Schöpfung, originale (Lévi-Strauss) …] Perspektivenwechsel (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext der LéviStrauss-Forschung und Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 231 Phänomenbereiche, spezifische / strukturale Anthropologie // strukturalanthropologischer Kontext 86 Phänomenologie // philosophischer Kontext [s. unter: Fall der Hanunóo / Phänomenologie, transzendentale] phänomenologisch // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Fall der Hanunóo / phänomenologische Analyse(-n)] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / phänomenologische Methode …] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / phänomenologische Reduktion(-en)] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / phänomenologisch-hermeneutischer Ansatz] phänomenologisch (Derrida, bezugnehmend auf Lévi-Strauss’sches Urteil) // strukturalanthropologischer (Polemik-)Kon-

Partikularismen (Lévi-Strauss); Partikularisierung // kulturtheoretischer Kon-

text 41F/Z Pleonexie // kulturtheoretischer Kontext 436,

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602 plurikulturell (Lévi-Strauss); plurikulturelle Entstehungsweise (von Kulturen bzw. Gesellschaften) (Lévi-Strauss); plurikultureller Entstehungscharakter (von Kulturen bzw. Gesellschaften) // kulturtheoretischer Kontext 283F/Z, 299F, [313], 379F Polemik(-en); polemisch; Polemische, das; Polemisieren // diverse Kontexte 52, 52Z, 53 f.F/Z, 55U, 89, 89F/Z, 92 f., 9699, 97F, 98U, 100 f.U, 100F, 101, 435F, [462], 462F, [462F], 601 – [s. a. unter: These vom polemischen Charakter …] Polyphylie // Hominisationsfrage-Kontext [s. unter: Monophylie …] polyvalent; Polyvalenz // wildes-DenkenKontext 130, 130F, 133Z Popularisatoreneffekte // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [s. unter: Strategiekomplex … / Popularisatoreneffekte] Potential, kreatives (des Denkens LéviStrauss’) // kulturtheoretischer Kontext 436 Potlatsch // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Güterumlauf …] Präferenzen, keine exklusiven inhaltlichen / wildes Denken // wildes-DenkenKontext [126], [221 f.] prä-logische Mentalität der Primitiven (Lévy-Bruhl) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 93F/Z, [229U], 237F Präskription; präskriptiv // diverse Kontexte 32, 57U, 70U/Z, 104U/Z, 109F, 146F, 303 f., 315 präskriptive Reifikation (Michaelis) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

104U – [s. a. unter: deskriptive …] „Pragmatismus“ (bezogen auf LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Den-

kens-Kontext [256] praktisch-theoretische Logiken (LéviStrauss) // wildes-Denken-Kontext [s. unter: Logiken …] Preis (zu entrichtender) (Lévi-Strauss); Preis (zu entrichtender) // kulturtheoretischer Kontext 308F, [311], 375F, 396U, 602 Prestige / Rekurs auf diesen Wert bei Lévi-Strauss // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [248], [251 f.] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Prestige] Prestigevorteile, wissenschaftliche (UNESCO / illegitime Inanspruchnahme) // Hominisationsfrage-Kontext 76U Primat des Intellekts vor dem des Gefühls (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext und wildes-Denken-Kontext 114F/Z „Primitive“, „Zivilisierte“ / terminologische Unterscheidung // kulturtheoretischer Kontext 26, [26 ff.] „primitives“ Denken (Lévi-Strauss) / Warencharakter // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [254U] Primitivkulturen, sogenannte / Erhaltung bzw. Bewahrung als intakte Gebilde; Größen; Qualitäten // kulturtheoretischer Kontext [316], [324], [327-329], [333], [341], [352], [354F] – keine intakten Gebilde; Größen; Qualitäten // kulturtheoretischer Kontext [319], [334] – Merkmale // kulturtheoretischer Kontext 28F – Potentiale (als vollwichtige Beiträge zu einer lebenswert bleibenden Zukunft auf diesem Globus) // kulturtheoretischer Kontext 350 – unspektakulärer Charakter deren Verschwindens // kulturtheoretischer Kontext 336U

II. Sachverzeichnis – Wandel in der Zeit // kulturtheoretischer Kontext 31, [31F], [31F/Z], 340, [347 ff.] – [s. a. unter: originäre Synthese … / Wandel …] – [s. a. unter: Überlieferungskonstanz …] Prinzip der Kokonstitution und der Koevolution (Obermeier); Prinzip der Kokonstitution und der Koevolution // kulturtheoretischer Kontext 282Z, 303, 312, 353 Probleme höherer Ordnung // kulturtheoretischer Kontext 306, 350F, 356, 363 Prothetik // wildes-Denken-Kontext 128 Protoordnung // wildes-Denken-Kontext 118 Protostudien (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 23U Proxenie // kulturtheoretischer Kontext 369U Pygmäen [Themenblock] // diverse Kontexte

– Assimilation bzw. Akkulturation (an jeweilige, Bodenbau betreibende Nachbarn) 387, 390 – [s. a. außerhalb dieses Themenblocks unter: Assimilation bzw. …] – Behandlung, oftmals despektierliche (durch Bodenbauern) 385F – Bevölkerungsentwicklung; Bevölkerungswachstum [388], [388F], [390F] – Enkulturation 385F – Fission und Fusion, Dynamik von 381F – Horden, sogenannte [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Stamm …] – Information, kulturelle / Typen interner Übermittlung [385], [386U], [386F], [389] – Innovation 385 – Innovationen, Garanten für maßvol-

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le 389 – Interaktionsverhältnis, symbiotisches (mit Bodenbauern) 383, 389F – Konservativismus, kultureller [385], 385F – Lebensform, wildbeutende / „Einübung“ in [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Enkulturation] – (Merkmals-)Muster, anthropogeographisches 382 f., 386 – interethnisches 383-385, 386, 389F – intraethnisches 385 f., 389, 390F – Naturreservate 391F – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Reservationen …] – Neuerungen, Einführung von [385], 386U – Ökologie 382 – Prägung, kognitive wie psychische [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Enkulturation] – Rasse (Verwendung des Begriffs) 381F, [381F/Z] – Regenwald, tropischer / Anpassung (unter diversen Aspekten) [382 f.] – Ressourcenvielfalt als Resultat langewährender Präsenz der Pygmäen 382F – spirituelle und emotionale Bindung der Pygmäen [382] – Zerstörung [387 f.], [387F], [390F] – Regierungen, jeweilige nationalstaatliche [390], [390F], 391 – Rückzugsgebiete (Mühlmann) 383U, 383F – Schulen, institutionalisiertes Lernen in 386F – Selbstgefühl, traditionelles 389 – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Selbstge-

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fühl …] – Selbstverständnis, eigenes kulturelles 389 – Sprache 381F, 384, 384F – Stamm vs. Horden, sogenannte [381F], [381F/Z] – Symbiose [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Interaktionsverhältnis …] – Tauschgeschäfte 384 – traditionell; traditionellerweise 382 f., 385-390, 387 f.F – Transmissionsmechanismen, kulturelle (vertikaler, horizontaler, konzertierter, magistraler Typ) (L. L. Cavalli-Sforza) [s. innerhalb dieses Themenblocks unter: Information …] – Verdrängungsprozeß, historisch weit zurückliegender, ethnischer / These 383U – Waldzustandsverständnis, anthropogenes 382F – [s. außerhalb dieses Themenblocks auch unter: Regenwald … / Waldzustandsverständnis …] – Zukunft 390 Quietismus (im Umgang mit der Diversität fragmentarisch und fallibel bleibender wissenschaftlicher Ergebnisse) // Hominisationsfrage-Kontext 78U Rasse [s. unter: Pygmäen / Rasse …] Rassen (Lévi-Strauss); Rassismus (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 310F, 310F/Z Rassenfrage // Hominisationsfrage-Kontext und kulturtheoretischer Kontext 75U, 77U, 78F, 376F – UNESCO / Fehlkonstruktionen // Hominisationsfrage-Kontext 77U Rassismus (Lévi-Strauss) // kulturtheoreti-

scher Kontext [s. unter: Rassen …] – [s. a. unter: Krypto-Rassismus] Rassismus; rassistisch // HominisationsfrageKontext 74 f.U, 76U „rationale Diskussion“ (Feyerabend) // kulturtheoretischer Kontext 255Z rationalistisch-ökonomisch // kulturtheoretischer Kontext [204], 314, [314F], [325U], [325 f.F], 326F, 349U, [432 f.F] Rationalität, mehrere Ebenen bzw. Formen der (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 42 – kosmische // strukturalanthropologischer Kontext 42 – objektive // strukturalanthropologischer Kontext [42Z], 43-45, [44], [43-45F/Z], 50, 55, 57F – ohne Subjekt (Lévi-Strauss); ohne Subjekt // strukturalanthropologischer Kontext 50, 52F, 52F/Z – präexistente (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 42Z, 42 f.F/Z, 44 – seinsgebundene // strukturalanthropologischer Kontext 82 – subjektive; Bewußtseinsrationalität // strukturalanthropologischer Kontext [42Z], 44, [44 f.], [45F/Z], 50, 57F, 61, [61F] Raumauffassung, parataktische (Bargatzky); Raumauffassung, parataktische // kulturtheoretischer Kontext 327, 327F/Z – [s. a. unter: Ware, veräußerbare …] Regenwald (/ -wälder) (tropische(-r)); Regenwaldgebiet(-e) (tropische(-s)); Regenwaldzone(-n) (tropische) // kulturtheoretischer Kontext 329, 329 f.F, 330 f.U – Beschädigung und Dezimierung // kulturtheoretischer Kontext [329 f.], 330 f.U – indigener Anteil // kulturtheoretischer Kontext 331U

II. Sachverzeichnis – vergleichsweise komplexe Ursachennatur // kulturtheoretischer Kontext 330U, [330U], [330F] – Waldzustandsverständnis, anthropogenes // kulturtheoretischer Kontext 332U – [s. a. unter: Pygmäen / Waldzustandsverständnis …] – [s. a. unter: Hyläa (A. v. Humboldt) …] – [s. a. unter: Pygmäen / Regenwald, tropischer …] Regulierung // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Durchlässigkeits-(Empfänglichkeits-/ Ansprechbarkeits-)grad …] Rehabilitation als Funktion der Fremdund Selbsterhaltung // kulturtheoretischer Kontext 355 – als Interdependenzgeschehen // kulturtheoretischer Kontext [352 ff.], 355 Rehabilitation; Rehabilitierung / Begriff (Lévi-Strauss betreffend) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 93F, [93F] Rehabilitationsbemühungen (LéviStrauss’) als gegenwarts- und zukunftsgerichtetes Unternehmen // kulturtheoretischer Kontext 352 Rehabilitationsgeschehen vs. Pathetik / moralisches Gefälle // kulturtheoretischer Kontext [355] Rehabilitationsstrategie (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext und kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Strategie (Lévi-Strauss) …] – [s. a. unter: Strategiekomplex …] Rehabilitationsthematik als Dach, unter dem es möglich wird / wurde, die Vielschichtigkeit des Lévi-Strauss’schen Denkens als kohärente Vielschichtigkeit zu begreifen (betreffend die Konzeption vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Ar-

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beitsweise [21 f.], [434], [599 f.] Rehabilitationsverständnis, „kybernetisches“ // kulturtheoretischer Kontext 353 Relationalität; Relativität / Verbindlichkeit // kulturtheoretischer Kontext 355U Relativismus // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Universalismus …] – kultureller // anthropologischer Kontext und kulturtheoretischer Kontext [s. unter: kultureller Relativismus …] Reservationen; Reservationssysteme, künstliche // kulturtheoretischer Kontext 328 f., [329 f.U], 329F – [s. a. unter: Pygmäen / Naturreservate] Respektsbekundung, von höherer Ebene geäußerte Kritik als Ausdruck eigentlicher // kulturtheoretischer Kontext 350 Responsivität (B. Waldenfels) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 248 – [s. a. unter: Flexibilität …] Retroversion; Melancholie (LéviStrauss) // Traurige-Tropen-Kontext 352U Reziprozität // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Gabentausch] Rhizom (Deleuze / Guattari) / Bild // kulturtheoretischer Kontext 371F Rigorismus, methodischer (bezogen auf vorliegende Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 435 romantischer Impuls (Honneth) / LéviStrauss-Interpretation / vom Rehabilitationstopos divergierender hermeneutischer Ansatz // KonfessionalismusKontext [236U] Romer’s Rule (Kottak); Romer-Regel // kulturtheoretischer Kontext 347-349, 350F

Schamanen-Komplex (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

255F „Schattenseiten“ und „Sonnenseiten“ sogenannter primitiver vs. sogenann-

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Register

ter zivilisierter Lebensformen // kulturtheoretischer Kontext [344-346] Schöpfung (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 281M, [303F/Z], 310Z – originale (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 296F – [s. a. unter: originäre Synthese (Lévi-Strauss) …] – [s. a. unter: pattern (LéviStrauss) …] Schöpfungsakt (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 265F/Z Schöpfungsakte, individuelle (sinngemäß mit Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 263 f. – [s. a. unter: Wertschöpfung(-en), eigene …] Schriftsinn, außereuropäischer // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

255F Schulen / Umgang mit lebensformgebundenem „primitivem“ Wissen // kulturtheoretischer Kontext [339] – [s. a. unter: Pygmäen / Schulen …] Schwachpunkt Lévi-Strauss’scher Argumentation // kulturtheoretischer Kontext [297F], 375F, [437F] Schwendbau // kulturtheoretischer Kontext 331U, 331F – vs. Brandrodungsfeldbau // kulturtheoretischer Kontext [331F] Selbstbegrenzung // kulturtheoretischer Kontext 376, 436, 602 Selbstbild (kulturelles) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [s. unter: Bescheidenheit …] Selbsterhaltung // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Selbst- und Fremderhaltung …] – [s. a. unter: Mäßigung] – [s. a. unter: Selbstbegrenzung] – [s. a. unter: Selbsterweiterung …] Selbsterkenntnis // kulturtheoretischer Kontext

[s. unter: Fall der Hanunóo / Fremderkenntnis …] Selbsterweiterung, fatale Formen der // kulturtheoretischer Kontext 376, [436], [602] – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Selbsterweiterung …] Selbstgefühl, ethnisches (Mühlmann); Selbstgefühl, ethnisches // kulturtheoretischer Kontext 324, 333 f., 333F – [s. a. unter: Pygmäen / Selbstgefühl …] Selbstreflexion, „zivilisierte“ / Steigerung // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 217 Selbstsorge // kulturphilosophischer Kontext [s. unter: Epimeleia heautou …] Selbst- und Fremderhaltung, kulturelle / Interdependenzgeschehen // kulturtheoretischer Kontext [312], [319F], [375], 376, [436], [602] – [s. a. unter: Rehabilitation als …] Selbstzerstörung / Mensch (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 376F/Z selektierende Einflußnahme / Formen // kulturtheoretischer Kontext [288 f.] Selektivität (als Bedingung von Produktivität) // kulturtheoretischer Kontext 310F semiologische Regel, feste (Oppitz) // kulturtheoretischer Kontext 136M semiotischer Faktor // kulturtheoretischer Kontext 295 Sicherheit, humanistisch-metaphysisches Bedürfnis nach // Hominisationsfrage-Kontext 77U Simpson-Zitat // wildes-Denken-Kontext [116] Sinn, fremder gemeinter / auch bei optimaler Deutung ein Limesbegriff (Schütz) // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext 253Z „Sonnenseiten“ sogenannter primitiver

II. Sachverzeichnis vs. sogenannter zivilisierter Lebensformen // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: „Schattenseiten“ und …] Sorge um sich // kulturphilosophischer Kontext [s. unter: Epimeleia heautou …] Spechtschnabel und Menschenzahn, Arrangement von (ethnographisches Fallbeispiel) (Lévi-Strauss) // wildesDenken-Kontext 117, [118F/Z], [128F] Spieleinsätze // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: „Einsätze“ (Lévi-Strauss) …] spieltheoretisch; Spieltheorie // kulturtheoretischer Kontext 278, 291, [291 ff.], 297F, 313F, 375, 379F, 436, 437F, 601 Spürensvoten (Pothast) // kulturtheoretischer Kontext 343Z, [343Z] staats- bzw. nationenübergreifende Zusammenschlüsse // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Traditionen bzw. …] Stagnation(-en) // kulturtheoretischer Kontext 290, 298 f., 301F, 305, 313, 313F, 315, 347, 377, 379F, 389, [433] Stolz, ethnischer (Bailey) // kulturtheoretischer Kontext 334 Strategie (Begriff) // wildes-vs.-domestiziertes-Denken-Kontext 95U Strategie; strategisch // diverse Kontexte [19], 24, 95U, 98 f., [172], [203], [321 f.], [325U], 348 f., 349U, 392Z, [432 f.F] Strategie (Lévi-Strauss); strategisch (Lévi-Strauss); strategische Vorgehensweise (Lévi-Strauss) // diverse Kontexte [50], 53F, 95U, [98 f.], 216, [220], 223, 224U, 233, [238F], 239, [241], 249, 252, [252 f.], [254F], 256U, 257 f., 258F, 278, 351, [355 f.], [601] Strategiekomplex (bei Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

242 f., 251, 253 f. – Popularisatoreneffekte // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext 243

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strategisch (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 45F/Z strukturalistische Position / einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext und Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext [21 f.], [88], 92, [98 f.], [226], [238], [238F], [252], [254F], [599-601] Strukturen // strukturalanthropologischer Kontext und Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-

44F/Z, 65U, 65F/Z, 71, 81F/Z, 85F/Z, 86, [87], 252 – [s. a. unter: Allgemeinmenschliches …] – [s. a. unter: Invarianten …] – [s. a. unter: Universalien …] Subject (Kant) 49F/Z Subjekt (Lévi-Strauss); Subjekt // strukturalanthropologischer Kontext 45, 46Z, 4850Z, 49 f., 49F, 50F/Z, 52F/Z, 54F/Z, 55 f., 56 f.F, 56F/Z – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / prozessuale Konstituiertheit …] – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / Subjekt-Objekt-Relation …] Subjekt / Reflexionsinstanz // strukturalanthropologischer Kontext 56 – transzendentales // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: Kantianismus …] Subjektbegriff // strukturalanthropologischer Kontext 90F – Autorschaft, verschiedene Formen der // strukturalanthropologischer Kontext 55, [55] Subjekt- bzw. Bewußtseinsphilosophie (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 46, [47], 88 subjekt- bzw. bewußtseinsphilosophische Position / einzelwissenschaftlich-methodisches Pendant (LéviStrauss) // strukturalanthropologischer Kontext

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Register

Kontext und Rehabilitation-„primitiven“-Den-

[21 f.], 88, 92, [98 f.], 100 f., 100 f.U, [225 f.], [238], [238F], [252 f.], [599-601] – als Rehabilitationsstrategie mehrgleisiges Verfahren // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [222] Subjektkonzeption // strukturalanthropologischer Kontext 56F Symbole (Lévi-Strauss); Symbole // strukturalanthropologischer Kontext 68F/Z, 79Z, 79 f., 80F symbolisch // wildes-Denken-Kontext [s. unter: Weltorientierung, symbolische …] synchron / diachron; Synchronie / Diachronie; synchronisch / diachronisch // diverse Kontexte 75U, 107-109, 109 f.U, 110F/Z, 130, [177-179], 323U, 357 f. Synthese, originäre (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: originäre Synthese (Lévi-Strauss) …] Systematik im Sinne maximaler Chaosreduktion // wildes-Denken-Kontext [s. unter: Chaosreduktion …] Systembegriff (bei Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 278F, [279F] systemtheoretisch; Systemtheorie // kulturtheoretischer Kontext 278 f., 281, [281 ff.], 289, 291, 294 f., 297F, 298, 301F, 309F, 313F, 316, 319, 319F, 320, 351 f., 354-356, 366, 369, 375, 387, 436, 437F, 463, 601 System/Umwelt-Differenzierung // kulturtheoretischer Kontext 281, 284 Szientismus (bei Lévi-Strauss) // Toposder-Rehabilitation-Kontext 21 f., 434, 599 kens-Kontext

Tabuzonen, inventarisierte Abschirmarbeiten an // Hominisationsfrage-Kontext 75U Tand, plumper und läppischer (Lévi-

Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Werke …] Taubheit gegenüber dem Reiz anderer Werte / Ablehnung / Negation (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 310Z Tauschakte // kulturtheoretischer Kontext 296 Tauschgeschäfte [s. unter: Pygmäen / Tauschgeschäfte] Tauschgut; -objekt // kulturtheoretischer Kontext 296F, 299 Tauschlogik, kapitalistische // kulturtheoretischer Kontext 325U Tauschverkehr // kulturtheoretischer Kontext 296 Tauschwert(-e) // kulturtheoretischer Kontext 328F/Z Taxonomie, globale und dynamische (Lévi-Strauss) // wildes-Denken-Kontext 138F/Z Technologisierungsgrad des Wortes // kulturtheoretischer Kontext 321F teleologisch // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext und kulturtheoretischer Kontext

[223], 235, [238], 243, 245, 259, 314U, 314F, 315, 339, 351, 375 f., 431, 436, 437F, 601 – [s. a. unter: kulturtheoretische Argumentationen … / teleologische …] Territorien (als essentielle Aktions- und Artikulationsfelder) // kulturtheoretischer Kontext 327 f. – [s. a. unter: Kulturverständnis, territoriales …] Tertium (comparationis) // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext [34-37], 107 f., [109], 109U, 110, 120, [173], 220 f. – [s. a. unter: Vergleich; vergleichbar …] These vom polemischen Charakter des Denkens (Kondylis) // strukturalanthro-

II. Sachverzeichnis pologischer Kontext 52, 89, [89F/Z], 96 These, zentrale und Anspruch (vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise [22U] Toleranz // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 24, [46Z], 47, [47] – // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 312 – // kulturtheoretischer Kontext im weiten Sinne [29], 217, 376, [409] – [s. a. unter: Behutsamkeit …] Toleranz (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 307F, 307F/Z totalisierend (Lévi-Strauss); totalisierend / wildes Denken // wildes-DenkenKontext 124, 127 Totalität, synthetisierende / wildes Denken / Primat // wildes-Denken-Kontext [124 f.], 127, [127], [127F/Z], [139] Totemismus, totemistisch [87Z], 110F/Z, 113F/Z, 125F/Z, 133Z, [173Z], 221-223 Tradition(-en); traditionell; „traditionell“ // kulturtheoretischer Kontext 28F, 30, [109U/Z], 175F/Z, 250, 255F, 277, 301F/Z, 307F/Z, 309Z, [313F], [321F], 324, 329, 331U, 331 f.F, 334, [342], 343, 348, 373, 376, 378, [378], 463Z, 601 f. – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Tradition …] – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Traditionsstämme …] – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Traditionsstamm …] – [s. a. unter: Pygmäen / traditionell …] – [s. a. unter: Universitätswesen, deutsches / Tradition(-en) …] Traditionen als konfligierendes und selegierendes Geschehen (Waldenfels) // kulturtheoretischer Kontext 393Z Traditionen bzw. Kollektive (z. B. Formen des Hochschulwesens, des

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Handwerks, der religiösen Glaubensgemeinschaft, Nationalstaaten, staats- bzw. nationenübergreifende Zusammenschlüsse) // kulturtheoretischer Kontext 373 f. Traditionen, Erhaltung verschiedener / eigentliches Kapital der Zukunft // kulturtheoretischer Kontext 396U, 602 f. traditionsgemäß lieb und wert (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 313F – [s. a. unter: Komfort …] Tragfähigkeit von Traditionen, Frage der // kulturtheoretischer Kontext 378 transaktionale Beziehungen zwischen Philosophie, neuzeitlicher Wissenschaft und Lebenswelt // Rehabilitation„primitiven“-Denkens-Kontext 250 Transdisziplinarität (Mittelstraß) (bezogen auf die Anlage vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise [s. unter: Interdisziplinarität …] Transformation (Lévi-Strauss); Transformation // kulturtheoretischer Kontext 286, 286F, 336, 369 transparent; Transparenz // diverse Kontexte [22], 37, 53U, 59U, 73, 137, 138U, 139, 167, 232, [351], [435F], 457E, [600] transzendent vs. transzendental // strukturalanthropologischer Kontext [79 f.] Trivium des immer schon Gewußten (als Ergebnis dogmatischer Einstellung) // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext 215 Tsunami-Katastrophe (vom 26. Dezember 2004) // kulturtheoretischer Kontext [338] Türkei // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Europäische Union und Türkei] Turbulenzen (als Herausforderung gegenwärtiger und künftiger ethnologischer Forschung) (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 86F/Z

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Überheblichkeit // kulturtheoretischer Kontext 396U, 602 Überleben der Menschheit // kulturtheoretischer Kontext 259, [313], 315, [356], [436], [602] – biologisches // kulturtheoretischer Kontext 314F – bloßes (Waldenfels); „bloßes“ // kulturtheoretischer Kontext 314F, 436, 602 – (einer Gesellschaft bzw. Kultur) // kulturtheoretischer Kontext [243 f.], [264Z], [267], [300F/Z], [313], [315], [327], [332F/Z], [338], [354F], [356], [436], [602] – im wirklich umfassenden und bestmöglichen Sinne // kulturtheoretischer Kontext 314, [436], [602] – qualifiziertes [436], [602] überlegen; Überlegenheit // kulturtheoretischer Kontext 131Z, [131Z], 219F, 309 f.F/Z, [310F/Z], 322F/Z, [426], [428] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Überlegenheit …] Überlegenheit über andere (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 309F/Z Überlieferungskonstanz, hohe (sogenannter Primitivkulturen) (Mühlmann) // kulturtheoretischer Kontext 31, [323], 323F, 340 Überprüfung // strukturalanthropologischer Kontext [s. unter: Erklärung und / bzw. …] Überreaktion (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 52 Übersetzungsproblematik // philologischer Kontext und Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise [57-61U] Überwertigkeit des Rationalen (innerhalb unserer Kultur, Epoche) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 249, 251, 254

– relativ abmarkbare andere Aspekte des Humanums // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 251, 255F Umwelt // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 281, 282Z, 285Z, 288F/Z, 289Z – natürliche // kultur- und systemtheoretischer Kontext 286Z, 331 f.F – [s. a. unter: System/Umwelt-Differenzierung] Umweltbedingungen // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 289Z, 332F Umweltbegriff // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 281 f., 285F Umweltformen, Unterschiede zwischen den (Lévi-Strauss) // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 285Z Umweltprägung // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 282Z Umweltverwiesenheit // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 282 Umweltschutz // kulturtheoretischer Kontext [332U], 332F, [332F], 361 Unansprechbarkeit, relative (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 309Z Undurchlässigkeit, gewisse (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext [278F], 289F/Z, 299 UNESCO / Fehlkonstruktionen // Hominisationsfrage-Kontext [s. unter: Rassenfrage / UNESCO …] Universalien // strukturalanthropologischer Kontext und Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext 35, 36F/Z, 64, 65U, [67], 71 f., [72], [74], 80F, [80F/Z], 81F/Z, 83, 104, [104] – [s. a. unter: Allgemeinmenschliches …] – [s. a. unter: Invarianten …] – [s. a. unter: Strukturen …] Universaliendebatte // strukturalanthropologischer Kontext 83 Universalienforschung (Lévi-Strauss’-

II. Sachverzeichnis sche) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens226, 235, 238, 297F, 600 Universalienfrage // strukturalanthropologischer Kontext 65U, 80F, 82F, 83, 116F Universalienlehren, traditionelle // strukturalanthropologischer Kontext 104 Universalismus und Relativismus, teleologisch-normativ vermittelter Zusammenhang von // kulturtheoretischer Kontext 436 Universitätswesen, deutsches [Themenblock] // diverse Kontexte – Anforderungen und Aufgaben, besondere (des Metiers) 398, [400] – anglo-amerikanisches Modell [393], 394 f. – Ausbildungsstätte, Funktion der Universität als eben auch einer 403F – Autoritäten, etablierte 399U, 399 f.F, 402F, 404, 404F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Subordinierte] – Beratungsstellen, psychologische 400 – Beschwerde- und Schlichtungsinstanzen (keine offiziell etablierten, prononcierten (zweckexklusiven), erkennbar als solche ausgewiesenen, komplikationslos adressierbaren sowie qualifiziert besetzten) 400 f. – Bildungsideal, Humboldtsches 398F, [398F], [403F] – Bologna-Deklaration / -Prozeß 394U, 394F, 396 f.F, 401F – Charakterbildung [403], 403 f.F – institutionelle Bedingungen 403F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: institutionelle Verfassung …] – Denunziation (Bourdieu) 392Z – Eliten 403F – Entfremdung, schleichende (gegenKontext und kulturtheoretischer Kontext

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über der eigenen Tradition) 395 – Ethnologie (als Denkweise) (Merleau-Ponty) 391M – Ethos, wissenschaftliches 398, 400 – Freiheit von Forschung und Lehre (gegenüber politischer und weltanschaulicher Bindung) 398, 400 – Gerechtigkeit, gewisser Fortschritt an 402F – Habilitation, traditionelle 393, 394U – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Juniorprofessur] – Informationserhebung (bei Subordinierten) und -verwertung (nicht voll befriedigende, da weder systematisch konzipierte, noch wirklich breit angelegte, noch im letzten und besonderen dann auch vor Konsequenzen nicht zurückscheuende) 403 f. – institutionelle Verfassung, bestehende / charakterbildende Funktion 402 – charakterselegierende Funktion 403F – Juniorprofessur 394U, 394F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Habilitation …] – Konflikte zwischen etablierten Autoritäten und Subordinierten, schwere 402F – „Kontrolle der Kontrolleure“ (Problem der Bewerkstelligung einer) 398, [400] – lebenslanges Lernen 401F – Macht des Arguments 401F – Mißbrauch professoraler Macht gegenüber Subordinierten / Problem, basales 399 – Effizienzdämmer 404 – Mißstände, Abstellen einzelner (um die allein es schließlich geht) 401U – Modi des Fürwahrhaltens (Kant) 391F – Neigung zu „Wohlverhalten“, diplo-

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matischer Gebärde und vorankommensdienlicher Schmiegsamkeit (Tendenz auf seiten Subordinierter) 403 – Optimierung, Geschichte als auch ein Prozeß der (bezogen auf die eigene, geschichtlich herausgebildete Tradition) 393 – professorale Ebene / Kontrolle (im Sinne des Kontrolliertwerdens) 397, [397-399] – Reformierung, zeitgemäße (Bemühen um) [394U], 395 – Reformvorbehalte [399], 402F – Risiko des traditionellen Systemzustands 402F – Selbstimmunisierung, institutionalisierte partielle 399U – Streit (Simmel); Streit 401U, 401U/Z, 401F, 402F/Z – Streitregulierung, vorbeugende 402F – Streitsituation 402F – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Widerstreitsituation …] – Subordinierte 398 f., [398F], 399402F, 401, 403 f., 404F – Eigenverantwortlichkeit 398, 400 – [s. innerhalb dieses Themenblocks auch unter: Autoritäten …] – Tradition(-en); traditionell 393, 393Z, 394U, 395, 396U, 399U, 402F, 404 – Unerhörtes (W. Welsch) 402F – Vertrauensleute 400 – Widerstreitsituation (im Sinne Lyotards) [400F], 402F – Zukunft 396U, 399U/Z Unterbau/Überbau-Thematik (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext und strukturalanthropologischer Kontext [s. un-

ter: Basis …] Unternehmensmentalität, „westliche“; Unternehmensstrategen, „westliche“; Unternehmensstrategie („westliche“) // kulturtheoretischer Kontext 321 f., [321Z], [321F], 325U Verantwortung (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext 308F verdrängt; Verdrängung(-en); Verdrängungsprozeß(/-prozesse); Verdrängungsvorgänge // kulturtheoretischer Kontext 321 f., 325U, 338-340, 338Z, 357 – [s. a. unter: Pygmäen / Verdrängungsprozeß …] Vereinbarkeit von Einheit und Vielheit, Frage nach der // anthropologischer Kontext 35, [70] Verfremdung, vereinnahmende vs. distanzierende (bezogen auf „zivilisierte“ Bewertungen des Denkens in „primitiven“ Ethnien) // wildes-DenkenKontext [132] Vergangenheit / Rückweg unmöglich (Lévi-Strauss); Vergangenheit / Rückweg unmöglich // kulturtheoretischer Kontext 303F/Z, 316F Vergleich(-e); vergleichbar; Vergleichbarkeit; Vergleichsbasis; Vergleichsmaßstab; Vergleichspunkt(-e); Vergleichsschemata // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 107, 109, 112, 117, 120, 173-177, 213-215, 217222, 224 f.U, 226 f., 227Z, 601 – [s. a. unter: Tertium (comparationis)] Vergleich; vergleichen; vergleichend // strukturalanthropologischer Kontext 65 f.U, 65F/Z, 110F/Z vergleichbar // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 271, 359 Vergleich(-e); vergleichbar; Vergleichen; vergleichend; Vergleichseinheiten; vergleichsweise // kulturtheoreti-

II. Sachverzeichnis 144, 148F, 219, 322, 325U, [345 f.], 345F, 349, [355F/Z], [376F], 378, 385, 385F, 389U, 394U, 398, 421, [424], 425, 427 f., 431 – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / vergleichbar] Vergleiche, interkulturelle / Frage, was dabei legitimerweise womit verglichen werden kann // Rehabilitation-„prischer Kontext

mitiven“-Denkens-Kontext und kulturtheoretischer Kontext 219, [219], [345F] Vergleichen, das (H. Putnam) // anthropologischer Kontext 34F/Z Vergleichung, naive Art der (Gadamer) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext [103-225], 215 Vernunft // Rehabilitation-„primitiven“-DenkensKontext und kulturtheoretischer Kontext

230F/Z, 412U – (Kant; mit Kant) // strukturalanthropologischer Kontext 73 f., 73Z, 73 f.F/Z, [83F] – fallible // strukturalanthropologischer Kontext [79F] Vernünftigkeit (Pothast); Vernünftigkeit // kulturtheoretischer Kontext 333F Verschiedenheit der Kulturen als Deskription und als Präskription / Postulat (Lévi-Strauss) // kulturtheoretischer Kontext [303 f.] Verschwinden (anderer Kulturen bzw. Wertsysteme) // kulturtheoretischer Kontext [312] – („primitiver“ Kulturen) // kulturtheoretischer Kontext [26], [26F], [30], [324Z], [335-339], 336, 336U, 338, [338Z], 352, [352] – [s. a. unter: Zerstörung …] Verstandestätigkeit, bewußte (reflexive, diskursive) (Lévi-Strauss) // wildesDenken-Kontext 113, [225] verstehen; Verstehen // diverse Kontexte 81F, [110F], [110F/Z], [148F], 172, [224 f.U], 237U/Z, 249Z, 287 f.Z,

717

307F/Z – [s. a. unter: Fall der Hanunóo / Verstehen …] – [s. a. unter: Fremdverstehen …] – [s. a. unter: Mißverstehen …] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / verstehender Nachvollzug …] Versuch und Irrtum (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext 67Z, 67U Verteidigung (Clausewitz) // Konfessionalismus-Kontext 242Z, [242F] – Zweck // Konfessionalismus-Kontext 242Z Verteidigung (sogenannter Primitivkulturen) (Lévi-Strauss); Verteidigung (sogenannter Primitivkulturen) // Konfessionalismus-Kontext 240 f.Z, 241 f., [257] – Zweck // Konfessionalismus-Kontext 241, [241 f.] Verteidigungsstrategien // Konfessionalismus-Kontext 241 Vielfalt, depotenzierte // kulturtheoretischer Kontext 326U Vielfalt kultureller Phänomene / Vielzahl von Werkzeugen zu deren Erfassung // kulturtheoretischer Kontext 358 – Einsatz vielfältiger Werkzeuge zu deren Erfassung // kulturtheoretischer Kontext 358 Vielfalt zweiten Grades // kulturtheoretischer Kontext 326U Vita, humanistische // HominisationsfrageKontext 75U Vorstellungen keine praktischen Erfahrungen // kulturtheoretischer Kontext [341] Waldzustandsverständnis, anthropogenes // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Regenwald … / Waldzustandsverständnis …] – [s. a. unter: Pygmäen / Waldzustandsverständnis …]

Register

718 Wandel // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: originäre Synthese … / Wandel …] – [s. a. unter: Primitivkulturen, sogenannte / Wandel …] Ware, veräußerbare / Raum // kulturtheoretischer Kontext 328F/Z – [s. a. unter: „primitives“ Denken …] „warme“ Gesellschaften (Lévi-Strauss) // strukturalanthropologischer Kontext und kul-

turtheoretischer Kontext [s. unter: „kalte“ / „warme“ Gesellschaften …]

wechselseitige Beziehungen / Gestaltung / einzelne Kulturen / unterschiedliche Aufgaben // kulturtheoretischer Kontext 317 – Gestaltbarkeit bzw. Gestaltung durch Einsatz des Instruments der Grenze // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kon-

[289], [303], 316, 377, [379F] – Gestaltbarkeit bzw. Gestaltung durch Kontaktaufnahmen (resp. deren Unterlassung) // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext [288 f.], 316, 377, [379F] – Gestaltbarkeit bzw. Gestaltung durch Modi der Extensität, Intensität, Frequenz // kultur- im Sinne von systemtheoretischer Kontext 289, [303], [316], [377], [379F] – [s. a. unter: Individuierungspotential …] text

Welt der Darstellung / Welt des resp. der Dargestellten / Scheidung, gewisse (Lévi-Strauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext und kulturtheoretischer Kontext

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Weltorientierung, motorische // wildesDenken-Kontext 115F – sensorische // wildes-Denken-Kontext 115U, 115F

– symbolische // wildes-Denken-Kontext 115U Weltzivilisation (Lévi-Strauss); „Weltzivilisation“ // kulturtheoretischer Kontext 306, 306F, 306F/Z Werke, bastardhafte (Lévi-Strauss); Tand, plumper und läppischer (LéviStrauss) // kulturtheoretischer Kontext 310Z Wert(-e) (kulturelle(-r)) (Lévi-Strauss); Wert(-e) (kulturelle(-r)) // kulturtheoretischer Kontext 304 f., 305 f.F/Z, 306Z, 308, 309 f.Z, 322F/Z, 326U, 334, 337, 340, 353, 395, 396U, 400, 408Z, 411, 414, 426, 603 Wertgefälle / Ausschluß // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: Alternative …] Wertpräferenzen, kultur- und epochenspezifisch angenommene (LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 252, [253-256], [351] – [s. a. unter: Bereitschaftsmuster …] Wertschätzung für die eigenen Traditionen / gegenüber der eigenen Tradition // kulturtheoretischer Kontext 324, [334], [379], 396U Wertschöpfung(-en), eigene // kulturtheoretischer Kontext 312, 347, 377, 379F Wertsysteme (Kulturen als) (LéviStrauss); Wertsysteme (Kulturen als) // kulturtheoretischer Kontext 305, 312 f., 313F, 316 Wertvorstellungen, kulturspezifische und „zeitgeist“-abhängige // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 248, [248 f.] Wille (zu kultureller Eigenständigkeit) (Lévi-Strauss); Wille (zu kultureller Eigenständigkeit) // kulturtheoretischer Kontext 290F, [333Z], [464], [464F] – [s. a. unter: Wunsch …] Wirtschaftsformen, unterschiedliche // kulturtheoretischer Kontext [325 f.F], 326F

II. Sachverzeichnis Wissen, allgemein und frei verfügbares (in Informationsform) // kulturtheoretischer Kontext 339 – lebensformgebundenes „primitives“ // kulturtheoretischer Kontext 339 – praktisch-pädagogische Komponente // kulturtheoretischer Kontext [322F], 339 – situative Komponente // kulturtheoretischer Kontext 339 – teleologische Komponente // kulturtheoretischer Kontext 339 – theoretische Komponente // kulturtheoretischer Kontext [339] – und Information, unzulässige Gleichsetzung von // kulturtheoretischer Kontext 339 Wissenschaft / multiplexe Verfaßtheit // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext

223, [227Z] – und Humanismus / Allianzbildung // Hominisationsfrage-Kontext 76U Wissenschaftlichkeit // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 113, 175, 216, 220, 222, 226-228, [228], 250, 250F, 251Z, 252 f., 253 f.U, 256U, 351 wissenschaftshistorische Aufarbeitung (als ein Gegenstand (u. a.) vorliegender Arbeit) // Kontext wissenschaftlicher Arbeitsweise 29, 32, [53-55U], [92 f.], [229 f.U], [267 f.U], [356-372], 435F, 600 – [s. a. unter: Handlungsbedarf …] Wissenschaftsorientierung, gesamtkulturell verankerte // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 250 Wissenschaftsparadigma, alternatives (Versuch einer Etablierung) (LéviStrauss) // Rehabilitation-„primitiven“-Denkens-Kontext 222 Wissenskonservierung, institutionelle und kommunikationstechnologische

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// kulturtheoretischer Kontext [338], [340], 341 Wunsch (nach kultureller Eigenständigkeit / Unterscheidbarkeit) (LéviStrauss); Wunsch (nach kultureller Eigenständigkeit / Unterscheidbarkeit) // kulturtheoretischer Kontext 290, 300, [333Z], [464], [464F] – [s. a. unter: Wille …]

Zerstörung (anderer Kulturen bzw. Wertsysteme) // kulturtheoretischer Kontext 311 f., [316] – („primitiver Kulturen) // kulturtheoretischer Kontext [26], [26F], [30], 241, 243, [244U], 272M, [316], [327F], [352] – [s. a. unter: Pygmäen / Regenwald, tropischer / Zerstörung] – [s. a. unter: Regenwald / Beschädigung …] – [s. a. unter: Verschwinden …] „Zigeunerproblem“ (Schwemmer) (Rekurs auf diesen Ausdruck zur Kennzeichnung einer Schwierigkeit auch vorliegender Arbeit) // Inter- bzw. Transdisziplinaritäts-Kontext 24F „Zitierzirkel“ (wissenschaftliche) // kulturtheoretischer Kontext 367, 368U „Zivilisierte“ // kulturtheoretischer Kontext [s. unter: „Primitive“ …] Zukunft // diverse Kontexte 31, 77U, [303], 315, 324U, 327F, 336F, 340 f., [352], 374, 396U, 603 – lebenswert bleibende (auf diesem Globus) // kulturtheoretischer Kontext 350 – [s. a. unter: Europäische Union und Türkei / Zukunft] – [s. a. unter: Mohammed-Karikaturen / Zukunft] – [s. a. unter: Pygmäen / Zukunft] – [s. a. unter: Universitätswesen, deutsches / Zukunft]

720 Zurechnungsfrage (an den Grenzen des Rationalen) // Rehabilitation-„primitiven“Denkens-Kontext 230F Zwänge; Zwang // kulturtheoretischer Kon-

Register [s. unter: Determinismus, externer …] – [s. a. unter: Determinismus, interner …] text