Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht : Eine empirische Untersuchung zum fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen [1. Aufl. 2020] 978-3-658-28690-3, 978-3-658-28691-0

Jolanda Vogler zeigt typische Entscheidungsmuster von Sportlehrpersonen in kritischen Situationen des Sportunterrichts a

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Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht : Eine empirische Untersuchung zum fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen [1. Aufl. 2020]
 978-3-658-28690-3, 978-3-658-28691-0

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Einleitung (Jolanda Vogler)....Pages 1-18
Theoretische Einordnung (Jolanda Vogler)....Pages 19-107
Präzisierung der Fragestellungen (Jolanda Vogler)....Pages 109-113
Methodik (Jolanda Vogler)....Pages 115-180
Resultate (Jolanda Vogler)....Pages 181-311
Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse (Jolanda Vogler)....Pages 313-348
Back Matter ....Pages 349-390

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Jolanda Jolanda Vogler Vogler

Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht Eine empirische Untersuchung zum fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen

Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht

Jolanda Vogler

Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht Eine empirische Untersuchung zum fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen

Jolanda Vogler Muttenz, Schweiz Dissertation Universität Basel, 2019 Korrektorat: Julia Schwegler-Wieland, CH-6060 Sarnen Gestaltung und Satz: von Ah Druck AG, CH-6060 Sarnen

ISBN 978-3-658-28690-3 ISBN 978-3-658-28691-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung Die vorliegende Dissertationsschrift ist im Rahmen des vom Bundesamt für Sport mitfinanzierten Forschungsprojekts Fachdidaktische Kompe­ tenzen von Sportlehrpersonen entstanden, welche an der PH FHNW unter der Leitung von Prof. Dr. Roland Messmer durchgeführt und am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Basel eingereicht wurde. An dieser Stelle möchte ich meinen speziellen Dank an Prof. Dr. Roland Messmer aussprechen, der mir stets mit konstruktiven und kreativen Inputs in vielen Bereichen zur Seite stand sowie auch in zahlreichen fachlichen und forschungsmethodischen Diskussionen. Von seinem grossen fachlich-methodischen Wissen konnte ich dadurch bestens profitieren. Darüber hinaus möchte ich mich bei ihm auch für das entgegengebrachte Vertrauen in meine Arbeitsweise und den Forschungsprozess sowie für die wohlwollend kritischen und sehr konstruktiven Hinweise bedanken. Ein weiterer besonderer Dank geht an Prof. Dr. André Gogoll, welcher mir ebenfalls in fachlichen sowie inhaltlichen und forschungsmethodischen Angelegenheiten jederzeit hilfreiche Unterstützung bot. Die wohlwollend und kritisch aufgeworfenen Fragen und Anmerkungen halfen mir stets, meine Forschungsarbeit zu verbessern. Ein herzliches Dankeschön geht auch an Prof. Dr. Uwe Pühse für seine Bereitschaft, sich als Gutachter und Fachperson aus der Sportpädagogik dieser Dissertationsschrift zur Verfügung zu stellen. Besonders bedanken möchte ich mich ebenfalls bei meiner Arbeitskollegin Katja Schönfeld, welche mir fachlich und persönlich stets unterstützend zur Seite stand und wertvolle Rückmeldungen zu meiner Arbeit gegeben hat. Auch möchte ich mich für das Mitdenken und die kritischen Anmerkungen im sportpädagogisch-fachdidaktischen Kolloquium an der Universität Basel bei Dr. Sonja Büchel, Dr. Jonas Steiger, Prof. Dr. Elke Gramespa­cher, Carolin Bischlager, Matthias Wittwer, Anna Siffert und Felix Kruse bedanken. Ein weiterer Dank geht an den Dissertationenfonds der Universität Basel und der Basler Studienstiftung, welche einen Beitrag an die Druckkosten geleistet haben.

VI

Danksagung

Darüber hinaus gilt mein Dank auch allen anderen Personen, die mir während der Promotionszeit mit guten Diskussionen und Anregungen geholfen haben, meine Arbeit stets konstruktiv zu reflektieren und zu verbessern. Ebenfalls bedanke ich mich herzlich bei meinem gesamten Team der Professur Sport und Sportdidaktik an der PH FHNW für seine kollegiale Unterstützung und die zahlreichen motivierenden Gespräche. Ein abschliessender Dank geht an meine Familie und insbesondere an meine Eltern – denen ich diese Arbeit widme –, welche mir auch in schwierigen Zeiten unterstützend zur Seite standen. Jolanda Vogler, Lungern

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung

1

1.1 1.1.1

Ausgangslage und Forschungslücke Das PCK 1.0 als Vorprojekt

2 9

1.2

Identifizierung der Forschungsfragen

11

1.3

Aufbau der Arbeit

15

2. Theoretische Einordnung 2.1 2.2 2.2.1

Internationaler Diskurs der Lehrerbildungsforschung im 20. Jahrhundert

19 19

Professionen und Professionalisierung Kompetenzen, Kompetenzprofile und Standards in der Lehrerbildung Weitere Bestimmungsansätze von Professionalität Professionswissen – Überblick vergangener und gegenwärtiger Studien

29 34

2.3 2.3.1 2.3.2

Experten- und Novizenforschung – ein Überblick Definitorische Abgrenzung der Begriffe Bisherige Arbeiten zur Experten- und Novizenforschung

51 51 53

2.4

2.4.3 2.4.4 2.4.5

Experten- und Novizenforschung – Situationsspezifische Determinanten Unterrichtliches Handeln als Akt der Ungewissheit Situationsspezifische Anforderungen – Erfahrung, Einstellung und Bewertung von Situationen Kommunikation in der Situation Professionelle Wahrnehmung und Reflexionsfähigkeit Die Entscheidungsfindung von Lehrpersonen

65 68 71 74

2.5 2.5.1

Repräsentationen von Wissen und Können Ausgangslage der Diskussion um Wissen und Können

81 81

2.2.2 2.2.3

2.4.1 2.4.2

23

45

61 61

VIII

2.5.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7

Inhaltsverzeichnis

Verschiedene Ausdifferenzierungen von Wissen und Können Neuere Heuristiken zum Erwerb des PCK Das pedagogical content knowledge bei COACTIV Das pedagogical content knowledge bei Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015) Das pedagogical content knowledge bei Santagata und Yeh (2015) Das pedagogical content knowledge – Modellierungen im Sport Synopse und Identifikation von Forschungslücken

84 97 97 99 100 102 105

3. Präzisierung der Fragestellungen

109

4. Methodik

115

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

115 115 123

4.1.4

Instrumentenentwicklung PCK 1.0 Erhebungsinstrument PCK 1.0 Stichprobe (PCK 1.0 und PCK 2.0) Spezifikum 1: Die Vignettenbefragung als Forschungsgrundlage Spezifikum 2: Fallarbeit / Narrative Inquiry als Methode

4.2 Auswertungsmethode des PCK 2.0 4.2.1 Begründung der Methode 4.2.2 Ausgangslage für die dokumentarische Methode 4.2.2.1 Bedingungen für die dokumentarische Methode 4.2.2.2 Dokumentarische Methode in ihren Grundzügen 4.2.2.3 Die Wissensbestände innerhalb der dokumentarischen Methode 4.2.2.4 Die komparative Analyse in der dokumentarischen Methode 4.2.3 Die Analyseschritte der dokumentarischen Methode 4.2.3.1 Die formulierende Interpretation 4.2.3.2 Die reflektierende Interpretation 4.2.3.3 Die Diskursbeschreibung

125 130 149 149 154 154 158 161 164 168 170 171 174

Inhaltsverzeichnis IX

4.2.3.4 Die Typenbildung 4.3

175

Erwartungen und Herausforderungen des Projekts PCK 2.0 178

5. Resultate

181

5.1

Vorbereitung der Auswertung

181

5.2

Die praktische Umsetzung der formulierenden Interpretation 182

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3

Die praktische Umsetzung der reflektierenden Interpretation – Gegenhorizonte Gedankliche Auseinandersetzungen Verbale Massnahmen Antizipierte Handlungen

190 192 207 219

5.4 Die praktische Umsetzung der Diskursbeschreibung 5.4.1 Die Diskursbeschreibung bei den gedanklichen Auseinandersetzungen 5.4.2 Die Diskursbeschreibung bei den verbalen Massnahmen 5.4.3 Die Diskursbeschreibung bei den antizipierten Handlungen

232

5.5 Die Typenbildung im sinngenetischen Kontext 5.5.1 Entscheidungsmuster 1: Die fächervergleichende Konstruktion 5.5.2 Entscheidungsmuster 2: Empathie für Schüler*innen zeigen 5.5.3 Entscheidungsmuster 3: Situation auflösen oder ertragen 5.5.4 Entscheidungsmuster 4: Der Anreizimpuls 5.5.5 Entscheidungsmuster 5: Disziplinarische Massnahmen

261

5.6 Die Typenbildung im soziogenetischen Kontext 5.6.1 Entscheidungsmuster 1: Die fächervergleichende Konstruktion 5.6.2 Entscheidungsmuster 2: Empathie für Schüler*innen zeigen 5.6.3 Entscheidungsmuster 3: Situation auflösen oder ertragen 5.6.4 Entscheidungsmuster 4: Der Anreizimpuls

232 243 251

263 269 279 286 293 298 299 300 300 307

X

Inhaltsverzeichnis

5.6.5

Entscheidungsmuster 5: Disziplinarische Massnahmen

5.7

Unterstützende Resultate aus einer studentischen Arbeit 309

6. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3

Einordnung und Zusammenfassung der generierten Resultate Entscheidungsmuster in Abhängigkeit von Situationen und Kontexten Entscheidungsmuster in Abhängigkeit von Ausbildungsstrukturen und Berufsbiografien Implikationen für die Praxis und weitere Forschungstätigkeiten

6.2 Methodenreflexion 6.3 6.4

308

313 313 316 323 330 335

Fazit und Ausblick für die Fachdidaktik Sport als Disziplin und Praxis

342

Ausblick für die Professionsforschung

345

Literaturverzeichnis

349

Anhang

365

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ergebnisse der bisherigen Expertisenforschung. Modifiziert nach Krauss (2011, S. 176)

54

Tabelle 2: Dimensionen und Kompetenzen des PCK-Teilprojekts 1

117

Tabelle 3: Dimensionen und Faktoren revidiert für PCK 1.0

122

Tabelle 4: Stichprobenumfang PCK 1.0 und PCK 2.0

124

Tabelle 5: Männliche und weibliche Teilnehmer

125

Tabelle 6: Manual für das Orientierungsmuster: «Gedankliche Auseinandersetzungen»

187

Tabelle 7: Manual für das Orientierungsmuster: «Verbale Massnahmen»

189

Tabelle 8: Manual für das Orientierungsmuster: «Antizipierte Handlungen»

190

Tabelle 9: Die als Resultate generierten Entscheidungsmuster des Projekts PCK 2.0

315

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die sieben Wissensbereiche, modifiziert nach Shulman (1987) 3 Abbildung 2: Konzepte des «Lehrerwissens» 86 (Neuweg, 2011, S. 453) Abbildung 3: Bereiche des Lehrerwissens, modifiziert 87 nach Neuweg (2011) Abbildung 4: Explizitheit und Implizitheit, modifiziert 91 nach Susteck (2015, S. 257) Abbildung 5: Das Kompetenzmodell von COACTIV mit Spezifikationen für das Professionswissen (Kunter et al., 2011, S. 32). 98 Abbildung 6: Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785) 99 Abbildung 7: Überarbeitetes Modell der Lehrerkompetenz 101 (Santagata & Yeh, 2015) Abbildung 8: Vignette 20 (vgl. Instrument im Anhang A) 118 Abbildung 9: Erfahrungen in einer Klassenraumsituation (modifiziert nach Connelly & Clandinin, 1988, S. 6) 133 Abbildung 10: 3-D-Modell narrativer didaktischer Texte (Messmer, 2011a, S. 77; Messmer, 2011b, S. 84) 142 Abbildung 11: Wissensbestände der dokumentarischen Methode 162 Abbildung 12: Die drei Orientierungsmuster in der formulierenden Textinterpretation 182 183 Abbildung 13: Antwort von Proband*in 174 zur Vignette 20 Abbildung 14: Übersicht der Zuordnungen (Gegenhorizonte) zum Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen» 192 Abbildung 15: Ausdifferenzierung der impliziten Normen 193 und Regeln Abbildung 16: Ausdifferenzierungen der Begründungen 194 über die Unterrichtsgestaltung Abbildung 17: Ausdifferenzierungen der Unterrichtsplanung 199

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 18: Ausdifferenzierungen der Unterrichtsauswertung Abbildung 19: Ausdifferenzierungen des Handelns der Lehrpersonen Abbildung 20: Ausdifferenzierungen des Schüler*innenhandelns Abbildung 21: Übersicht der Zuordnungen zum Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen» Abbildung 22: Ausdifferenzierungen der Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktion Abbildung 23: Ausdifferenzierungen der (impliziten) Normen und Annahmen Abbildung 24: Ausdifferenzierung der Lehrpersonen-Intervention Abbildung 25: Übersicht der Zuordnungen zum Orientierungsmuster «Antizipierte Handlungen» Abbildung 26: Ausdifferenzierungen der Antworten zur Änderung des Prozesses Abbildung 27: Einordnung des Orientierungsmusters «Gedankliche Auseinandersetzungen» in die Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785) Abbildung 28: Einordnung des Orientierungsmusters «Verbale Massnahmen» in die Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785) Abbildung 29: Einordnung des Orientierungsmusters «Antizipierte Handlungen» in die Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785) Abbildung 30: Übersicht über die (Anzahl) der Regeländerungen, ausdifferenziert nach Kohorten Abbildung 31: Übersicht über die Ausdifferenzierungen für den Typus 1: Die fächervergleichende Konstruktion Abbildung 32: Übersicht der Ausdifferenzierungen des Typus 2: Empathie für Schüler*innen zeigen Abbildung 33: Verteilungen der Antworten im Typus 2

202 204 206 207 208 211 212 219 222

234

244

251 254 263 269 271

Abbildungsverzeichnis XV

Abbildung 34: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung: Motivieren / loben / ermutigen Abbildung 35: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung: Antizipieren / einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen Abbildung 36: Übersicht der Ausdifferenzierungen für den Typus 3: Situation auflösen oder ertragen Abbildung 37: Verteilungen der Antworten zum Typus 3 Abbildung 38: Verteilungen der Antworten zum Typus 3 (Anzahl Nennungen) Abbildung 39: Verteilungen der Antworten zur Vignette 6 Abbildung 40: Übersicht über die Ausdifferenzierungen zum Typus 5: Der Anreizimpuls Abbildung 41: Verteilungen der Antworten im Bereich der positiven Bekräftigung und zum Anreizimpuls Abbildung 42: Verteilungen der Antworten im Bereich der positiven Bekräftigung und zum Anreizimpuls (Vignette 5 ohne Nennungen) Abbildung 43: Übersicht über die Ausdifferenzierungen zum Typus 6: Disziplinarische Massnahmen Abbildung 44: Verteilung der Antworten zum Typus 5 Abbildung 45: Verteilung der Antworten zum Typus 3, ausdifferenziert nach Kohorten Abbildung 46: Verteilungen der Antworten zum Typus 3, ausdifferenziert nach Kohorten Abbildung 47: Verteilung der Antworten zur Unterscheidung Prozess beibehalten und Prozess ändern des Typus 3 Abbildung 48: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung des Typus 3 Abbildung 49: Verteilungen der Antworten zum Typus 4: Anreizimpuls Abbildung 50: Verteilung der Nennungen zu disziplinarischen Massnahmen über die Kohorten hinweg

272

274 280 281 281 284 286 290

292 293 297 301 302

303 305 307 308

1. Einleitung Storytelling has played an important role in all cultures. Our current social context, however, emphasizes science and tech­ nology, relegating storytelling to a relatively low status as form of communication (Coles, 1989; Postman, 1989). Certainly in teacher education, sharing stories has not been considered a serious strategy for developing knowledge, skills or dispositions in preservice students. (zit. n. McLean, 1993, S. 265) Dieses Zitat von McLean soll einen Eckpfeiler dieser vorliegenden Forschungsarbeit darstellen und verweist zugleich auf einen Diskurs, welcher bereits seit einigen Jahren in der Diskussion um die Fallarbeit als Forschungszugang besteht. Storytelling als Synonym des deutschen Begriffs des Geschichtenerzählens scheint in vielen Kulturen seine eigene Bedeutung zu haben. Durch die Tradition des Geschichtenerzählens in Form von Märchen und Sagen werden in vielen Ländern auf der ganzen Erde seit Jahrhunderten Bräuche, Sitten und Überzeugungen weitergegeben und nehmen dadurch in der Tradierung einer Kultur einen hohen Stellenwert ein. Auch für den Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel sind Geschichten mehr als lediglich Erzählungen über eine Darstellung. Für ihn werden anhand von Geschichten auch historische Abhandlungen und Inhalte sichtbar (Bichsel, 1997). Er beschreibt in einem seiner Werke, wenn wir eine Geschichte über etwas Erlebtes erzählen, dann benennt man das Erlebte einerseits als Geschichte, aber auch die Tatsache, dass wir unser Erlebtes erzählen, ist ebenso eine Geschichte. Diese Geschichte wird wiederum zu Geschichte, weil es nur eine Momentaufnahme von dem ist, was wir erlebt haben. Wenn er sich mit Geschichten befasst, dann schreibt er, dass er sich nicht direkt mit der Wahrheit, sondern mit verschiedenen Möglichkeiten der Wahrheit beschäftigt. Was Peter Bichsel damit sagen will, ist, dass jede erzählte Geschichte für den jeweiligen Erzähler einen eigenen subjektiven Wahrheitsgehalt behält, was nicht heisst, dass die Geschichte vollumfänglich wahr sein muss. Dabei betont er ebenfalls, dass Sprache (mündlich oder schriftlich) nie wiederge© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_1

2 Einleitung

ben kann, was sie in der Realität ist, sondern sie kann die Realität nur beschreiben (Bichsel, 1997, S. 12 – 13). Im oben erwähnten Zitat verweist McLean darauf, dass die Arbeit mit Geschichten noch immer einen eher niedrigen Status in der Forschung erhält. Obwohl und vielleicht gerade deshalb werden auch in dieser Forschungsarbeit Geschichten als Ausgangslage genommen. Denn jede Lehrperson – unabhängig in welchem Fach – nimmt ihren Unterricht anders wahr, beschreibt und interpretiert das Geschehen und die wahrgenommene Geschichte auf eigene Art und Weise. Auch wenn verschiedene Fachlehrpersonen desselben Fachs eine Beschreibung eines Unterrichts erzählt oder beschrieben bekommen, werden all diese Lehrpersonen diejenige Geschichte individuell interpretieren, andere Schwerpunkte setzen und deren Gehalt anders beurteilen.1 In diesen subjektiven Interpretationen der Lehrpersonen stecken derweil ganz viele persönliche Überzeugungen, Werthaltungen, implizite und explizite Wissensanteile, welche durchaus für eine empirische Bildungsforschung von Bedeutung sein können, wenn es darum geht, zu erfassen, über welche Fertigkeiten und Fähigkeiten Lehrpersonen in einem spezifischen Bereich verfügen. 1.1  Ausgangslage und Forschungslücke PCK als bestimmende Grösse Theoretisch lehnt sich das gesamte PCK-Sport-Projekt (PCK = pedagogical content knowledge) und im Spezifischen das hier vorgelegte Forschungsvorhaben des PCK 2.0 in den Grundzügen an die 1987 erschienene Schrift von Lee S. Shulman (1987)2 an. Bedeutend an Shulmans Theorie ist, dass das Lehrer-Professionswissen nicht nur ein spezifisches Wissen darstellt, sondern ein Konglomerat aus verschiedenen Wissensarten ist. Einerseits spricht Shulman bereits in den 80er-Jahren vom Inhaltswissen, dem Wissen der eigentlichen Ma1 2

Auch wenn sich diese Personen in einem konjunktiven Erfahrungsraum wiederfinden (vgl. Kap. 4.2.2.3). Begrifflich kann pedagogical content knowledge – wie dies einige Autor*innen schrei­ ben (Rutsch, Seidenfuss, Vogel, Dörfler & Rehm, 2017, S. 488) – im Deutschen mit fachdidaktisches Wissen übersetzt werden.

Einleitung 3

terie, die unterrichtet werden soll (content knowledge, kurz CK), und andererseits spricht er vom pädagogischen Fachwissen, dem «Wie» des Unterrichtens (pedagogical content knowledge, kurz PCK), welches eine entscheidende Rolle innerhalb des Professionswissens einnimmt. In diesem 1987 erschienenen Artikel «Knowledge and Teaching: Foundations of the New Reform» hat Shulman insgesamt sieben Wissensarten von Lehrpersonen ausdifferenziert. Einerseits sind das diese zwei bereits genannten Wissensbereiche, das CK und das PCK. Weiter unterscheidet er aber auch zwischen dem curricularen Wissen (CUK), also dem Wissen um die Lehrpläne, und den vier später durch Shulman erweiterten Wissensbereichen des allgemeinen pädagogischen Wissens (GPK), des Wissens über die Lernenden (KL), des Wissens über Bildungssysteme (KEC) und des Wissens über Grenzen von Bildung (KEE). Wobei auch Baumert und Kunter (2006) schreiben, dass sich langfristig vor allem die Unterscheidung in allgemeines pädagogisches Wissen (GPK), fachdidak­ tisches Wissen (PCK) und Fachwissen (CK) durchgesetzt hat (vgl. Kunter, 2006; Lipowsky, 2006; Blömeke, Kaiser & Lehmann, 2010) (vgl. Abb. 1). Auch die Autorinnen um Voss et al. beschreiben zusammenfassend, dass vor allem auch das fachdidaktische Wissen in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit in der Forschung erhalten habe (Voss, Kunina-HaAbbildung 1

benicht, Hoehne & Kunter, 2015). CK

KEC

KEE

PCK

CUK

GPK

KL

content knowledge

knowledge of educational context

knowlegde of educational ends, purposes and values

pedagogical content knowledge

curriculum knowledge

general pedagogical knowledge

knowledge of learners

Abbildung 1: Die sieben Wissensbereiche, modifiziert nach Shulman (1987).

Nach Shulman (1986, 1987) ist das fachdidaktische Wissen ein Wissen, welches für eine erfolgreiche Initiierung und Aufrechterhaltung von Lernprozessen notwendig ist (vgl. Vogler, Messmer, Wibowo, Heemsoth & Meier, 2018). Deshalb betont auch Hashweh, die berufliche Entwicklung an der Konzeption des PCK zu orientieren (Hashweh, 2013, S. 115). Dabei sind Untersuchungen zum fachdidaktischen Wissen und Können meistens auf die Mathematik oder allgemein die naturwissenschaftlichen Fächer begrenzt (Blömeke, Kaiser & Lehmann, 2010; Kunter, Kleickmann,

4 Einleitung

Klusmann & Richter, 2011; Blömeke, Hsieh, Kaiser & Schmidt, 2014; Herzmann & König, 2016; Rutsch et al., 2017). So gibt es im Gegensatz zu den naturwissenschaftlichen Fächern nur eine geringe Anzahl an Arbeiten, die den Kompetenzbereich des PCK im Sportunterricht zu kategorisieren und zu fassen versuchen (Ayvazo & Ward, 2011; Baumgartner, 2013; Baumgartner, 2017b; Kehne, Seifert & Schaper, 2013; Meier, 2015; Messmer & Brea, 2015; Ward & Ayvazo, 2016; Heemsoth, 2016; Vogler, Messmer & Allemann, 2017). Deshalb wird in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf das pedagogical content knowledge (PCK) von Sportlehrpersonen gelegt, da sich auch in anderen Fachdidaktiken das PCK als relevante Grösse durchgesetzt hat (Baumert & Kunter, 2006; Krauss, 2011; Neuweg, 2011). Zudem wird beschrieben, dass die fachdidaktische Kompetenz einen kognitiv herausfordernden Unterricht und «eine adaptive Unterstützung der Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] […] begünstigt, und vor allem, dass fachdidaktische Kompetenz den Leistungsfortschritt von Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] vorhersagt» (Neuweg, 2011). Situations- und kontextspezifisches Wissen Lange Zeit ging man insbesondere in einer tertiären und akademisch ausgerichteten Ausbildung davon aus, dass ein möglichst umfangreiches deklaratives Wissen in der Praxis (in der Situation) seine performative Wirkung zeigen wird. Bereits in den 80er-Jahren wurde in der Professionsforschung in den USA darauf hingewiesen, dass die Performanz der Handlungen von Lehrpersonen im Unterricht massgeblich auch von einem stillen Wissen (tacit knowledge) (vgl. Kap. 2.5) resp. einem «Können» abhängig ist. Dieses Wissen unterscheidet sich strukturell und inhaltlich von einem deklarativen Wissen, das in der Lehrer*innenausbildung hauptsächlich vermittelt wird. Rutsch et al. (2017) versuchen in dieser Diskussion ebenfalls hervorzuheben, dass mit diesem Terminus um «Wissen und Können» explizi­ te sowie auch implizite Wissensbestandteile zusammengefasst werden. Wobei sie auch beschreiben, dass es schwierig zu sein scheint, implizite Wissensinhalte zu erfassen. Die Autor*innen begründen die explizi-

Einleitung 5

ten und impliziten Wissensanteile des fachdidaktischen Wissens damit, dass dieses Wissen nicht lediglich theo­retisch erworben wird, sondern eben auch aus praktischen Erfahrungen, welche nicht mehr immer explizierbar seien (Rutsch et al., 2017, S. 488). Bei Fenstermacher (1994) werden diese zwei Wissensanteile in das theo­ retisch-formale Wissen und das praktische Wissen und Können eingeteilt. Das theoretisch-formale Wissen meint vorrangig das fachge­ bundene Wissen von Lehrpersonen, umfasst jedoch auch Teile des fachdidaktischen und des allgemeinen pädagogischen Wis­ sens von Lehrpersonen. Unter praktischem Wissen und Können wird das erfahrungsbasierte Wissen von Lehrkräften verstanden, welches sich auf konkrete Problemstellungen sowie spezifische Kontexte, beispielsweise bestimmte Unterrichtssituationen, be­ zieht. Praktisches Wissen und Können bildet die Grundlage für promptes professionelles Handeln im Unterricht und liegt in der Regel als impliziter Wissensinhalt vor. (Rutsch et al., 2017, S. 489) Wie diesbezüglich auch Neuweg (Neuweg, 2011) schreibt, muss das Wissen (implizit und explizit) nicht im Kopf der Lehrperson auffindbar sein, denn es könne einerseits situativ abhängig sein und andererseits auch erst in der Situation zum Vorschein gebracht werden. Dieses Wissen löse sich «bei genügend Erfahrung in Mustererkennung auf» (Neuweg, 2011, S. 462). Lehrpersonen sind dabei in ihrem täglichen Agieren gezwungen, in kritischen Unterrichtssi­tuationen (syn. Critical Incidents = kritisches Ereig­ nis3) unter Zeitdruck (Bromme, 1992) situationsadäquat zu reagieren und sich für eine Lösungsvariante zu entscheiden. Diese kritischen Situationen beinhalten ein Ungewissheitsmoment und sind konstitutiv für unter3

Das Lösen von kritischen Situationen ist ein konstitutives Merkmal von professionellem unterrichtlichem Handeln. Der Begriff wird nach Klumpp und Miethling (1998) weder in einem positiven noch negativen Sinne verwendet. Kritische Situationen (Critical Inci­ dents) meint alle jene Situationen, welche für das unterrichtliche Handeln als herausfordernd (von Seiten der Schüler*innen und der Lehrer*innen) betrachtet werden.

6 Einleitung

richtliche Si­tuationen, wie dies auch Paseka, Schratz und Schrittesser (2011) beschreiben. Auch von Neuweg werden kritische Situationen als unstrukturiert beschrieben. «Für diese [kritischen Situationen] ist kennzeichnend, dass es kein objektiv definierbares Set von Tatsachen und Faktoren gibt, dass die Problemstellung, die zulässigen Handlungen und das Ziel der Aktivität vollständig bestimmt» (Neuweg, 2004, S. 297). Die Schüler*innen erwarten auf ihre Fragen und auf ihr Problem eine unmittelbare Lösung der Lehrperson – wie auch die kritische Situation selbst nach einer Lösung verlangt. Die Sportlehrpersonen können nicht mehr in aller Ruhe das Problem reflektieren und einen Tag später eine Antwort geben. Sie müssen in der Situation innert weniger Sekunden an Ort und Stelle handeln, denn häufig hängt der weitere Verlauf der Stunde von dieser Lösung ab. Diese Ungewissheit stellt vor allem auch für Berufseinsteiger mit wenig Berufserfahrung eine grosse Herausforderung dar, in einer solchen Situation adäquat zu agieren. Auch in meinen Fachdidaktikkursen (an der PH FHNW) erkundigen sich Studierende häufig nach den richtigen Lösungen in kritischen Situationen des Sportunterrichts. Fachdidaktiker verweisen indes nicht nur auf eine möglich richtige Lösung – auf ein sogenanntes Rezeptbuch –, sie stellen sogar zumeist infrage, ob es eine richtige Lösung für kritische Situationen gibt. Sie nennen stattdessen eine Palette an unterschiedlichen Lösungsvarianten, welche in solchen Situationen eingebracht werden können. Im Sinne der «Knowledgeable Teacher Hypothesis» (Kunter et al., 2013, S. 806) wird deshalb erwartet, dass angehende Lehrpersonen eine andere Art und Weise besitzen, mit kritischen Unterrichtssituationen umzugehen als erfahrene Lehrpersonen. Denn die Hypothese geht davon aus, dass Wissen und Kompetenz von Lehrpersonen für die Wirksamkeit von Unterricht entscheidende Faktoren sind. Auch wenn andere Hypothesen weitere Einflussgrössen geltend machen, zeigt sich dieser Aspekt für die Ausbildung als entscheidende Grösse, weil nur dieser direkt beeinflusst werden kann. In den beschriebenen kritischen Situationen wurde ebenfalls festgestellt, dass es von höchster Bedeutung ist, dass Lehrpersonen zahlreiche und

Einleitung 7

unterschiedliche Lösungsvarianten bereithalten können (Bogner, Littig & Menz, 2014b; Shavelson, 2010). Jede Situation ist anders. Jede Klasse ist anders und auch der Inhalt der Lektion kann differieren. Die Fähigkeit, möglichst zahlreiche und unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für solch kritische Situationen bereitzuhalten, hängt damit von der professionellen Kompetenz von Sportlehrpersonen ab. Messmer und Brea beschreiben dies noch etwas genauer: «Die Qualität des professionellen Handelns äussert sich demnach nicht (nur) in der Reflexivität über das Handeln, sondern auch über die Entscheidungen selbst» (Messmer & Brea, 2015, S. 83). Situationale Erfassung von fachdidaktischem Wissen In diesem gegenwärtigen Diskurs zur Erfassung von fachdidaktischem Wissen wird zudem eine kontextualisierte und situative Erhebung dieser professionellen Kompetenzen nahegelegt (Blömeke, Gustafsson & Shavelson, 2015a; Blömeke & Kaiser, 2017; Rutsch et al., 2017). «Gemeint sind forschungsmethodische Ansätze, die konkrete Unterrichtssituationen als Testaufgaben verwenden und so einen festen Bezugsrahmen für die Erfassung von professionellem Wissen und Können schaffen» (Rutsch et al., 2017, S. 490). Die Autor*innen beschreiben auch, dass mithilfe solch kontextualisierter Ansätze die Resultate aus den klassischen Testverfahren ergänzt werden können (vgl. auch Blömeke, König, Suhl, Hoth & Döhrmann, 2015b). Gerade die Autor*innen um Blömeke et al. (2015b) kritisieren an den bisherigen (klassischen) Herangehensweisen, dass zwar die professionelle Kompetenz mit einer Vorabdefinition der Testentwickler reliabel erfasst wird, doch dabei werde zu wenig Beachtung auf die Komplexität von Unterricht gelegt und die Erhebung erfolge weitgehend kontextfrei (Blömeke et al., 2015b, S. 310). Santagata und Yeh (2015) nehmen diese Diskussion auf und weisen auf die zentrale Rolle der Wahrnehmung von Lehrpersonen in der jeweilig spezifischen Situation hin. Diese wiederum würde gleichzeitig die Lehrerkompetenzen entwickeln und verbessern. Während bei Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) das PCK eher als ein linearer Kompetenzbegriff begriffen wird, definieren Santagata und Yeh (2015) das fachdidaktische Wissen als Schnittmenge von Wissen, Überzeugungen und Unterrichts­ praxis in einem zyklisch-wechselseitig angelegten Modell zwischen

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Lehrpersonen und Schüler*innen. Dabei stehen die Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsfähigkeit von Lehrpersonen im Mittelpunkt des überlappenden Raums einer Situation. Narrative Arbeit als Grundlage der Erfassung von Wissen Traditionally it has been assumed that there is a clear distinction between the worlds of research and the worlds of policy and practice, that there are «two communities». On the one hand there is the world of research, based on explicit, systematic work aimed at the growth of theoretical knowledge. Practice and policy on the other hand are seen as taking place in the «real world», a world based on different forms of knowledge – for example, on tacit knowledge and practical wisdom. (Furlong & Oancea, 2005, S. 5) Dieses Zitat von Furlong und Oancea (2005) deutet auf eine Tendenz hin, welche zehn Jahre später in unseren Forschungen auf einen Diskurs hinweist. Praxis und Theorie in der Lehrer*innenausbildung werden längst nicht mehr nur als ein Nebeneinander verstanden. Vielmehr wird versucht, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen und umgekehrt. Mit der Arbeit von narrativen Texten in Form von Textvignetten und deren gezielten wissenschaftlichen Untersuchungen wird diesem Theorie-Praxis-Dilemma (vgl. Eingangszitat von McLean) in solcher Weise begegnet, dass diese praxisnahen Fälle und Interpretationen in einem wissenschaftlichen Kontext fassbar und vergleichbar gemacht werden. Die Arbeit mit Fällen hat in einigen anderen Berufen bereits eine längere Tradition (beispielsweise Jurisprudenz, Medizin, aber auch in der Psychotherapie). Über Narrationen können erlebte Erfahrungen den Alltag abbilden und ein Problem lösen – Narrationen können aber gleichzeitig auch auf Probleme hindeuten, die aus dem Handeln im Alltag entstanden sind (Messmer, 2011a, S. 52). Die Arbeit mit Fällen schlägt deshalb die Brücke zur situationalen Erfassung des fachdidaktischen Wissens, welches im Folgenden anhand konkreter Situationen aus dem Sportunterricht erfasst wird (PCK 1.0 und PCK 2.0).

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Es lässt sich festhalten, dass es in dieser Forschungsarbeit um die Form und den Gegenstand des Wissens geht, welche Sportlehrpersonen bei Entscheidungen (in kritischen Situationen) im Unterricht fokussieren. Diese Entscheidungen haben sich im Professionsdiskurs der letzten Jahre in der Praxis des Unterrichtens als wesentliche Situationen herausgestellt, wo professionelle Kompetenzen angewendet werden können und müssen. Diese Erkenntnisse zeigen sich seit der Jahrhundertwende auch im deutschsprachigen Professionsdiskurs, indem zahlreiche Untersuchungen zur professionellen Kompetenz von Lehrpersonen – und hier insbesondere zum fachdidaktischen Wissen – Bezug auf unterschiedliche Formen des Wissens nehmen. Bei diesem Diskurs und bei dieser Problemstellung setzt die hier vorliegende Untersuchung PCK 2.0 an und will damit auch implizit die Ausbildung von Sportlehrpersonen zu verbessern helfen.  Im nächsten Unterkapitel wird das Projekt PCK 1.0 in seinen Grundzügen und den hauptsächlichen Zielen beschrieben, welches die Datengrundlage für das vorliegende Forschungsprojekt PCK 2.0 liefert. 1.1.1  Das PCK 1.0 als Vorprojekt Wie in der Einleitung dargelegt, wurden im Professions- und Professionalisierungsdiskurs von Lehrpersonen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Kompetenzbereiche ausdifferenziert, die es in deren Ausbildung jeweils zu beachten, zu entwickeln und zu verbessern gilt. Nebst Bereichen wie dem pädagogischen Wissen und dem Fach- und Organisationswissen scheint sich der auf Shulman zurückgehende Kompetenzbereich des PCK in vielen Fachdidaktiken als relevante Grösse durchgesetzt zu haben (Baumert & Kunter, 2006). Wie bereits erwähnt, existieren für die Sportdidaktik im Vergleich zu anderen Fachdidaktiken bisher nur sehr wenig Untersuchungen, die den Kompetenzbereich des PCK definieren und kategorisieren. Deshalb verfolgte das Projekt PCK 1.0 folgende zwei grundlegende Zielsetzungen.

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1.) Einerseits wurde nach Kriterien und Dimensionen von fachdidaktischem Wissen und Können gesucht, welche für angehende Fachlehrpersonen im Fach Sport relevant und für ihre Berufspraxis von Bedeutung sind. Dafür mussten einerseits ein Modell und ein Instrument entwickelt werden, um das fachdidaktische Wissen und Können von angehenden und erfahrenen Sportlehrpersonen empirisch zu erfassen. 2.) Andererseits sollte mithilfe dieses Instruments das fachdidaktische Wissen und Können während der Ausbildungszeit und in der Berufseinführung mit dem Wissen und Können von erfahrenen Lehrpersonen verglichen werden. Hierbei wurde danach gefragt, welche dieser im Instrument konzipierten Kriterien und Dimensionen sich während der Ausbildung verändern und welche nicht. Implizit wurde damit untersucht, ob sich Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Sportlehrerausbildung machen lassen (Messmer & Brea, 2015). Dabei wurde das in 1.) konzipierte Instrument mit 15 (resp. 16 4) ge5 schriebenen Kurzgeschichten – sogenannten Textvignetten  – den Proband*innen mit unterschiedlichem sportunterrichtlichem Vorwissen vorgelegt. Die Proband*innen wurden gebeten, nebst allgemeinen soziobiografischen Fragen Antworten zu den in den Textvignetten kritischen Situationen zu verfassen. Diese kurzen und prägnanten situationsspezifischen Unterrichtsgeschichten beschreiben eine kritische Situation im Sportunterricht, die nach einer situationsangepassten Lösung verlangen. Am Ende jeder Unterrichtsgeschichte wurden die Proband*innen mit einem Satz dazu angehalten, möglichst viele unterschiedliche Lösungsvarianten aufzuschreiben, was sie in der jeweiligen Situation als Sportlehrer*innen tun würden (die genaue Modellierung des Instruments und die Stichprobenauswahl werden in Kapitel 4.1 beschrieben). Aufgrund der Komplexität des fachdidaktischen Wissens und der bisherigen Ausführungen konnte mit dem Projekt PCK 1.0 das fachdidak-

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Studierende an der PH FHNW hatten aufgrund der Anbindung an eine Abschlussarbeit 16 Textvignetten zu kommentieren, alle anderen Proband*innen mussten 15 Text­ vignetten beantworten. Diese Unterrichtsgeschichten wurden in Form von Textvignetten dargestellt. Siehe hierzu die genauen Erläuterungen in Kapitel 4.1.3.

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tische Wissen und Können6 von Sportlehrpersonen situationsadäquat und kontextualisiert erfasst werden. Damit konnte die in 2.) erwähnte Zielsetzung bearbeitet werden. Dies führte zur grundlegenden Idee des Forschungsprojekts PCK 2.0. Aufgrund dieser Datengrundlage, deren quantitative Ergebnisse im Ger­ man Journal of Sport Science 2017 publiziert wurden (Vogler et al., 2017), konnte man erkennen, dass einige grundlegende Unterschiede im Antwortverhalten der Proband*innen existieren, doch man konnte aufgrund des Auswertungsdesigns nicht erkennen, wie sich die Antworten der einzelnen Proband*innen und Probandengruppen im Detail voneinander unterscheiden. Deshalb wird in diesem vorliegenden explorativ angelegten Projekt PCK 2.0 versucht, zu verstehen, welche Lösungsmöglichkeiten die Proband*innen in den unterschiedlichen Situationen des Sportunterrichts bereithalten, um die ihnen aufgezwungenen kritischen Situation zu lösen. Im nächsten Kapitel wird deshalb ein Versuch unternommen, zu diesem Diskurs einige Forschungsfragen zu formulieren. 1.2  Identifizierung der Forschungsfragen Vor dem Hintergrund dieser beschriebenen Ausgangslage, Forschungslücke und Problemstellung werden hier vorerst einige allgemeine Fragen für die weitere Bearbeitung dieses Themenbereichs aufgeworfen: – Wie entscheiden Sportlehrpersonen in kritischen Situationen des Unterrichts? – Welche Strategien entwickeln Sportlehrpersonen bei Entscheidungen im Unterricht? – Über welche subjektiven und objektiven Vorstellungen von «richtigen» Entscheidungen im Unterricht verfügen Sportlehrpersonen? – Welche Reaktionsmuster im Umgang mit Entscheidungen in kritischen Situationen lassen sich bei Sportlehrpersonen erkennen? Durch die zunehmende Komplexität dieser Fragen wird aber auch die Richtung dieser Forschungsarbeit umgrenzt. Für diese vorliegende Arbeit wird deshalb die unterrichtende Lehrperson ins Zentrum der Untersu6

Können im Sinne des Handelns nach Neuweg (Neuweg, 2011) (vgl. Kap. 2.5).

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chung gestellt. Es soll darum gehen, wie Lehrpersonen sich zu bestimmten Unterrichtsgeschichten äussern und welche Lösungsvorschläge sie jeweils in den unterschiedlichen Situationen bereithalten und wie sich diese Lösungsvorschläge oder Lösungsmuster identifizieren lassen. Es ist festzuhalten, dass das Handeln in dieser Situation äusserst ungewiss ist und nach mehr als nur deklarativem Wissen auf Seiten der Lehrperson verlangt. Wie in der Ausgangslage beschrieben, erfordert dieses Wissen, welches erforderlich ist, um in kritischen Situationen möglichst zahlreiche Lösungsansätze oder Muster von Lösungen bereitzuhalten, eine professionelle Ausbildung (vgl. Kap. 2.2). Einordnung der Forschungsarbeit in den Professionsdiskurs Der Lehrerberuf wird aus zahlreichen Gründen noch nicht sehr lange als eigenständige Profession angesehen, weshalb in jüngster Zeit versucht wurde, die Lehrerprofession zu charakterisieren und zu bestimmen. Nach Terhart (2011) müssen gewisse Kompetenzen und Ansätze vorhanden sein, durch die sich eine Profession und das dazugehörige professionelle Handeln auszeichnen. Ein Versuch, den Charakter der Lehrerprofessionalität festzuhalten, wird mit den drei Bestimmungsansätzen von Terhart (2011) unternommen. Im Folgenden werden diese drei Bestimmungsansätze beschrieben. Bestimmungsansätze nach Terhart (2011) 1. Strukturtheoretischer Bestimmungsansatz Dieser Ansatz geht davon aus, dass Lehrpersonen zahlreichen komplexen, sich widersprechenden Aufgaben ausgesetzt sind (Antinomien). Terhart äussert einige der folgenden Beispiele für diese antinomischen Aufgaben: Beispielsweise sind Lehrpersonen gefordert, eine enge Beziehung zu den Schüler*innen aufzubauen, die aber gleichsam durch eine gewisse Distanz charakterisiert sein soll. Des Weiteren müssen Lehrpersonen auf individuelle Voraussetzungen und Fähigkeiten der Schüler*innenschaft achtgeben, doch zugleich sind Lehrpersonen gezwungen, allgemeine und curriculare Inhalte einzuhalten. Und letztlich ist es die Aufgabe der Schule, die Schüler*innen zu selbstständigen In-

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dividuen zu erziehen. Doch auch diese Forderung ist kritisch vor dem Hintergrund des gesamten Schulsystems zu bewerten, in das sich alle Schüler*innen einzuordnen haben – welche wiederum die Selbstständigkeit in ihren Grundzügen einschränkt (Terhart, 2011, S. 206 – 207). Dazu schreiben Bonnet & Hericks, dass sich das Wissen dieses Ansatzes (wie auch des berufsbiografischen Ansatzes, der weiter unten diskutiert wird) einerseits aus expliziten Wissensbeständen speist, beispielsweise in «Form unterrichtsmethodischen Wissens in der Bearbeitung beruflicher Entwicklungsaufgaben» (Bonnet & Hericks, 2019, S. 101). Andererseits komme auch der «Explizierung impliziter Wissensbestände» eine wichtige Bedeutung zu, weshalb sie den Wechsel von «reflection in action», «reflection on action» und «knowledge in action» nach Schön (1983) als «Fähigkeit, eigene Wissensbestände und ihr Verhältnis zu beruflichen Anforderungen zu explizieren, als zentrales Element pädagogischer Professionalität» sehen (Bonnet & Hericks, 2019, S. 102). 2. Kompetenztheoretischer Bestimmungsansatz Bei diesem Bestimmungsansatz von Professionalität geht es bei Terhart darum, dass eine möglichst genaue Aufgabenbeschreibung für die verschiedenen Lehrerberufe im Sinne von Kompetenzbereichen und Wissensdimensionen für die Bewältigung der Aufgaben als Lehrperson angegeben wird. Dabei verweist Terhart darauf, dass die Bestimmung dieser Kompetenzbereiche und Wissensdimensionen aufgrund theoretisch-analytischer Grundlagen und aufgrund empirischer Forschungsergebnisse gemacht wird. Im Zuge der empirischen Arbeit werden auch Wissen, Überzeugungen, Einstellungen und Handlungsroutinen der Lehrpersonen mit erhoben (Terhart, 2011, S. 207). Professionell ist ein Lehrer dann, wenn er in den verschiedenen Anforderungsbereichen (Unterrichten und Erziehen, Diagnos­ tizieren, Beurteilen und Beraten, individuelle Weiterbildung und kollegiale Schulentwicklung; Selbststeuerungsfähigkeit im Um­ gang mit beruflichen Belastungen etc.) über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt, die anhand der Bezeichnung «professionelle Handlungs­ kompetenzen» zusammengefasst werden. (Terhart, 2011, S. 207)

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Dabei schreibt Terhart, dass der Grad der Professionalität unterschiedlich erreicht werden kann (Terhart, 2011, S. 207). Eine weitere Anmerkung des Autors ist, dass das Lehrerhandeln dabei grundsätzlich von situativen Begebenheiten geprägt ist und dass es deshalb nie gänzlich standardisiert werden kann. Der Zusammenhang zwischen dem Unterrichten der Lehrperson und dem Lernen der Schüler*innen sei sogar ungewiss und offen. Dies einerseits anerkennend stellt der kompetenztheoretische Ansatz zur Lehrerprofessionalität andererseits jedoch (1) die empirische Erforschbarkeit des komplexen unterrichtlichen Ge­ schehens, (2) die nicht zuletzt auf dieser Forschungsbasis erfol­ gende Erlernbarkeit eines erfolgreichen Lehrerhandelns und (3) den zwar nie deterministisch-kausalen, aber doch optimierba­ ren Lernerbezug von Lehrerkompetenzen in den Mittelpunkt. In­ sofern können Grade von Professionalität (als Ausdrucksformen bzw. Stufen beruflicher Kompetenz) unterschieden werden. Diesem Konzept von Lehrerprofessionalität ist insofern die Idee der Steigerbarkeit inhärent. (Terhart, 2011, S. 207 – 208) 3. Berufsbiografischer Bestimmungsansatz Bei diesem Bestimmungsansatz werden die persönlichen biografischen Entwicklungen der handelnden Lehrpersonen ins Zentrum gesetzt (Terhart, 2011). Die berufsbiographische Zugangsweise versteht Professiona­ lität zuallererst als ein berufsbiographisches Entwicklungspro­ blem. Die Prozesse des allmählichen Kompetenzaufbaus und der Kompetenzentwicklung, die Übernahme eines beruflichen Habitus durch Berufsneulinge, die Kontinuität und Brüchigkeit der beruflichen Entwicklung über die gesamte Spanne der be­ ruflichen Lebenszeit, die Verknüpfung von privatem Lebenslauf und beruflicher Karriere und ähnliche Themen stehen im Mit­ telpunkt. Dadurch kommt eine stärker individualisierte, breiter kontextuierte und zugleich lebensgeschichtlich-dynamische

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Sichtweise in die Vorstellung von Lehrerprofessionalität hinein. (Terhart, 2011, S. 208) Innerhalb dieses Ansatzes fänden kontinuierliche Entwicklungs- und Anpassungsprozesse statt, wie der Autor schreibt. Der Autor steht dafür ein, dass Professionalität sich sogar berufsbiografisch entwickeln soll und dass dieser Ansatz ähnlich zum kompetenztheoretischen Ansatz auch von der Entwicklung der Expertise handelt (Terhart, 2011, S. 208). So ist für Terhart (2011) die berufsbiografische Perspektive der dritte Ansatz zur Bestimmung von Professionalität. Dieser Ansatz sei von allen dreien der dynamischste Ansatz, weil er Beruf und Privatleben und dadurch auch die persönliche Entwicklung am besten miteinander verbinde. Versucht man die vorliegende Forschungsarbeit in einen dieser Bestimmungsansätze einzuordnen, so fällt auf, dass mit dieser Arbeit zwei unterschiedliche Ansätze thematisiert werden. Einerseits lässt sich das Projekt PCK 2.0 in einen «strukturtheoretischen Ansatz» einordnen, und andererseits lässt sie sich auch anhand des «berufsbiografischen Ansatzes» beschreiben. In der abschliessenden Diskussion (vgl. Kap. 6.) werden diese Ansätze nochmals aufgenommen und vor dem Hintergrund der Fragestellung und der Resultate diskutiert und begründet. Im nächsten Kapitel wird der Aufbau, vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, beschrieben und aufskizziert, was die Leser in den einzelnen Kapiteln erwarten dürfen. 1.3  Aufbau der Arbeit Das nachfolgende zweite Kapitel baut auf der in der Einleitung aufskizzierten Zielsetzung und der darin beschriebenen Forschungslücke auf. Einerseits geht es zu Beginn darum, die Arbeit in einen geschichtlichen und internationalen Diskurs einzuordnen. Die Schwerpunkte der geschichtlichen Entwicklung im Bereich der Forschung zum Lehrerberuf haben seit dem letzten Jahrhundert immer wieder die Vorzeichen geändert. Eine eher lehrer*innenzentrierte Forschung löste sich abermals von

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eher schüler*innenzentrierter Forschung ab und umgekehrt. Dies gilt es aufzuzeigen und dient zugleich als Klärung für das Verständnis und die Einordnung dieser Arbeit (vgl. Kap. 2.1.). Daran anschliessend geht es im nächsten Kapitel (vgl. Kap. 2.2) darum, was unter Kompetenz und unter Kompetenzprofilen verstanden wird und wie sich diese Begriffe vom Standardbegriff in der Lehrerbildung abgrenzen lassen. In einem nächsten Teil werden unterschiedliche Bestimmungsansätze professioneller Kompetenz von Lehrpersonen einander gegenübergestellt und diskutiert. Dabei gilt es die Bestimmungsansätze – nebst diesen von Terhart (2011) (vgl. Kap. 1.2) – aufzuzeigen und die in der Einleitung angedeutete Einordnung zu vertiefen. Abschliessend und als Abrundung dieses ersten Kapitels werden einige vergangene und gegenwärtige Studien zum Professionswissen beschrieben, welche unabdingbar für das Verständnis dieser Arbeit sind. Im Zuge der Professionsforschung werden auch häufig Bezüge zur Experten- und Novizenforschung aufgezeigt. In der Einleitung wurde angemerkt, dass davon ausgegangen wird, dass im Sinne der «Knowledgeable Teacher Hypothesis» (Kunter et al., 2013, S. 806) Lehrerkompetenzen grundsätzlich erlernbar sind und sich diese deshalb auch in unterschiedlicher Ausprägung zwischen Experten und Novizen aufzeigen lassen. Darum wird in einem nächsten Kapitel (vgl. Kap. 2.3) auf die begriffliche und definitorische Unterscheidung der beiden Lehrpersonengruppen eingegangen. In einem zweiten Teil werden auch hier vergangene Forschungsergebnisse ins Zentrum gestellt. Die kontext- und situationsspezifische Aufarbeitung der Lösungsmuster von Sportlehrpersonen in kritischen Situationen wird gemäss den aufskizzierten Fragestellungen in Kap. 1.2 ins Zentrum dieser Arbeit gesetzt. Deshalb werden in einem nächsten Kapitel (vgl. Kap. 2.4) die situationsspezifischen Determinanten einer Unterrichtssituation thematisiert. Dabei wird dem Lehrpersonenhandeln als ein Akt der Ungewissheit (vgl. Kap. 2.4.1) ein erstes Augenmerk geschenkt. Lehrpersonenhandeln scheint immer von der jeweilig gegebenen Situation abhängig zu sein, und deshalb scheint ein allgemeines Rezeptwissen über das Handeln in spezifischen

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Situationen unwirksam zu sein, zumal ein solches Rezeptbuch niemals vollständig sein könnte. Es wird vermutet, dass sich die Entscheidungen von Lehrpersonen anhand sogenannter Entscheidungsmuster in Anlehnung an die «Mustererkennung» nach Neuweg (Neuweg, 2011, S. 462) in Bezug auf spezifische Situationen definieren lassen. Wie in solchen kritischen Situationen agiert wird, hängt auch von der Erfahrung, der Einstellung und der Bewertung der jeweiligen Situation ab, wie dies in Kap. 2.4.2 genauer thematisiert wird. In solchen kritischen Situationen scheint auch der verbalen Kommunikation (vgl. Kap. 2.4.3) ein grosser Stellenwert zuzukommen. Wie eine Situation von Rezipient*innen wahrgenommen und verarbeitet wird, hängt von deren Wahrnehmung ab. Dabei spielt auch die verbale Kommunikation in der entsprechenden Situation eine Rolle. Mitunter spielt hier auch die Reflexion der Lehrperson zur gegebenen Situation eine Rolle, welche wiederum die Wahrnehmung (vgl. Kap. 2.4.4) der betreffenden Situation beeinflusst. All diese Determinanten scheinen einen wichtigen Einfluss darauf zu haben, wie sich Lehrpersonen in kritischen Situationen entscheiden (vgl. Kap. 4.2.5). Wie sich eine Lehrperson in einer konkreten Situation entscheidet, hängt unbestritten auch von ihrem Wissen ab (vgl. Kap. 2.5). Wie in der Einleitung erwähnt, bedient sich die Lehrperson in spezifischen Situationen vorwiegend ihres fachdidaktischen und teilweise auch ihres Fachwissens. Wie dieses fachdidaktische Wissen aufgebaut ist und durch welche anderen Wissensarten es konzipiert ist, dem soll in diesem Kapitel genauer nachgegangen werden. Wie bereits in der Einleitung angedeutet wurde, spielt hier das explizite und implizite Wissen eine Rolle. Darüber hinaus wurde in der Einleitung erläutert, dass sich diese Arbeit in einem Schnittpunkt zwischen einem strukturtheoretischen Ansatz und einem biografischen Ansatz einordnet, weil davon ausgegangen wird, dass sich Novizen und Experten auch aufgrund ihrer Erfahrung und demzufolge aufgrund des biografischen Wissens unterscheiden, welches erst durch die Ausübung und die Erprobung in der Praxis gefestigt wird. In einem nächsten Kapitel (vgl. Kap. 2.6) werden aktuelle Heuristiken zum Erwerb des fachdidaktischen Wissens dargestellt und diskutiert. Diese

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Modelle fungieren ebenfalls als Ausgangslage zur Diskussion über das fachdidaktische Wissen von Lehrpersonen und Sportlehrpersonen im Spezifischen. Dabei wird deutlich, dass aktuelle Tendenzen und Forschungsergebnisse, auch in anderen Fachdidaktiken, zunehmend den situativen und kontextuellen Aspekt von Unterricht thematisieren, was das Design dieser Arbeit unterstützt (vgl. Kap. 2.7). Anschliessend an diese theoretische Einordnung werden die in der Einleitung aufgeworfenen Leitfragen präzisiert und genauer ausdifferenziert (vgl. Kap. 3.). Mithilfe der genauen theoretischen Ausarbeitung kann diese empirisch-qualitative Arbeit anhand zweier spezifischer Fragestellungen konkretisiert und deren Richtung eindeutig definiert werden. Im 4. Kapitel wird, vor dem Hintergrund der in Kapitel 3 konzipierten Fragestellungen, detailliert auf die Forschungsmethode Bezug genommen. In einem ersten Teil werden die Hintergründe zur Instrumentenerstellung des Projekts PCK 1.0 mit der Erklärung der Stichprobe beschrieben. Dabei erhalten zwei spezifische Themen einen Fokus. Einerseits wird die Erhebungsmethode der Vignettenbefragung thematisiert und andererseits das zur Auswertungsmethode überleitende Kapitel der Fallarbeit (Narrative Inquiry), welches versucht, den Rahmen dieser vorliegenden Arbeit zu definieren. In einem zweiten Teil wird die Auswertungsmethode (Dokumentarische Methode) des Datenmaterials in ihren Grundzügen und Spezifikation beschrieben und erläutert. Beim daran anschliessenden Kapitel der Resultate (vgl. Kap. 5) wird die Hinführung zu den Resultaten beschrieben und diese werden dargestellt. Mit der anknüpfenden Diskussion (vgl. Kap. 6) werden die Resultate und die Methode bezogen auf die Fragestellungen diskutiert und vor dem Hintergrund der theoretischen Aufarbeitung kritisch beleuchtet. Die Arbeit wird mit einem kurzen Fazit (vgl. Kap. 6.3) und einem Ausblick (vgl. Kap. 6.4) über weitere Forschungsmöglichkeiten abgerundet.

2. Theoretische Einordnung In der Einleitung wurde beschrieben, dass es professionelle Kompetenzen von Sportlehrpersonen braucht, um in einer kritischen Situation möglichst zahlreiche und unterschiedliche Lösungen bereitzuhalten, damit die Lehrperson möglichst adäquat auf eine kritische Situation reagieren kann. Dass das Lernen der Schüler*innen massgeblich von professionellen Kompetenzen der Lehrpersonen abhängig ist, war lange Zeit nicht ganz klar, wie im nächsten Unterkapitel ein geschichtlicher Exkurs der Lehrerprofessionsforschung (vgl. Kap. 2.1) aufzeigt. In einem weiteren Verlauf wurde gar darüber diskutiert, ab wann ein Beruf überhaupt eine Professionalisierung (vgl. Kap. 2.2) verlangt. In der Professionalisierungsdebatte geht es grundsätzlich darum, was überhaupt eine «gute Lehrperson» ausmacht und welche Professionalisierungsgrundsätze dieser Diskussion zugrunde liegen. In jüngster Zeit machen sich darüber zahlreiche Autor*innen Gedanken. Im Folgenden wird versucht, einige der für diese vorliegende Arbeit wichtigen Ansätze und Gedankengänge zusammenzufassen und darzulegen, womit aber kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. 2.1 Internationaler Diskurs der Lehrerbildungsforschung im 20. Jahrhundert Professionsforschung bis zu den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts Krauss (2011) beschreibt die Entwicklung zwischen dem Anfang des Jahrhunderts bis in die 1960er-Jahre anhand des Begriffs des Persön­ lichkeits-Paradigmas. Zu dieser Zeit wurde vor allem versucht, «Unterschiede in der pädagogischen Wirkung (z. B. des Lernerfolgs) durch gemessene Personenmerkmale zu erklären» (2011, S. 171). Dieses Paradigma werde heute aber nur bedingt als fruchtbar bezeichnet, da – wenn überhaupt –­ lediglich schwache Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen der Lehrperson und dem Lernerfolg der Schüler*innen bestehen würden. Die in den 70er-Jahren in den USA eröffnete Diskussion um Professionskompetenzen in der Lehrerbildung (vgl. Hoyle, 1982; Blase, 1985; Scarth, 1987; Shulman, 1996; Berliner, 1992; Wyss, 2013; Blömeke et al., 2015a u. a. m.) scheint auch in der laufenden Dekade, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_2

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gemessen an der Anzahl von Forschungs­beiträgen, keinesfalls an Inte­ res­se verloren zu haben. Im Zuge dieses Professionalisierungsdiskurses wurden in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Kompetenzbereiche ausdifferenziert, die es ganz allgemein in der Lehrerausbildung zu beachten und zu entwickeln gilt. Lehrerinnen und Lehrer wurden im 19. Jahrhundert sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Lehrerseminaren ausgebil­ det. Erst in den 1960er- und 1970er-Jahren blühte der schulpä­ dagogische Diskurs auf; die Schulpädagogik schälte sich als Teil­ disziplin der Erziehungswissenschaft heraus. Diese Entwicklung ist an die Akademisierung der Lehrerbildung geknüpft. (Esslin­ ger-Hinz & Sliwka, 2011, S. 13) Darauf folgten ein reger und intensiver wissenschaftstheoretischer Diskurs und eine Neuausrichtung der Schulpädagogik hin zu einer empirischen Forschung (Esslinger-Hinz & Sliwka, 2011, S. 13). Krauss beschreibt, dass sich die Schwerpunkte im deutschsprachigen Raum ab dann durch einen stetigen Wechsel beschreiben lassen. Ab den 60er-Jahren steht das Prozess-Produkt-Paradigma im Zentrum. Der Untersuchungsgegenstand wechselte nun von der Lehrperson hin zu dessen Verhalten im Unterricht. Nicht nur mehr die Lehrperson steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern auch die Inhalte des Unterrichts. Nach Pichts diagnostizierter Bildungskatastrophe in Deutschland (Harenberg, 1965) wurden vermehrt Konzepte zur «Lernzielorientierung, zur Operationalisierung, Kategorisierung, Dimensionierung und Evaluation in Deutschland entwickelt» (Esslinger-Hinz & Sliwka, 2011, S. 13 – 14). «Die Methodik des Prozess-Produkt-Paradigmas besteht aus der empirischen Erfassung bestimmter Aspekte des Unterrichts» (2011, S. 171). Beispielsweise wird danach gefragt, welche und wie viele Fragen der Lehrperson die Schüler*innen aufnehmen und verarbeiten können. Es geht in diesem Ansatz vor allem darum, Aspekte von lern- und leistungsrelevantem Unterrichtshandeln von Lehrpersonen zu identifizieren (Krauss, 2011, S. 171).

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Das Prozess-Produkt-Paradigma wurde durch das daran anschlies­ sende Prozess-Mediations-Produkt-Paradigma, unter dem Einfluss der sogenannten kognitiven Wende in der Psychologie, erweitert. Dieses Paradigma setzt nun die individuelle Informationsverarbeitung der Schüler*innen vermehrt ins Zentrum der Arbeit. Es wurde erkannt, dass nebst den lern- und leistungsrelevanten Aspekten der Lehrperson auch individuelle Verarbeitungsprozesse der Schüler*innen deren Lernleistung beeinflussen (Krauss, 2011, S. 171). Professionsforschung in den 80er- bis 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts In den 80er-Jahren wurden dann vermehrt wieder Bildungstheorien konzipiert und der erziehende Unterricht schien neu entdeckt zu sein (Esslinger-Hinz & Sliwka, 2011). Vermehrt rückt wieder die Lehrperson selbst ins Augenmerk der Analyse. Wie ebenfalls im Persönlichkeitsparadigma wird auch hier im sogenannten Expertenparadigma nach der «guten Lehrperson» gefragt, wobei diesmal nicht Persönlichkeitszüge der Lehrperson im Zentrum stehen, sondern vielmehr das eigentliche Wissen und Können der Lehrperson ins Zentrum gerückt wird (Krauss, 2011, S. 172). Parallel zu dieser Bewegung in Deutschland wächst auch im angloamerikanischen Raum das Verlangen nach einer Professionalisierung des Lehrerberufs und damit einhergehend deren begriffliche und inhaltliche Bestimmungen. Hier scheint sich der auf Shulman (1986, 1987) zurückgehende Kompetenzbereich des PCK in vielen Fachdidaktiken als relevante Grösse etabliert zu haben (vgl. Kap. 1.1) (Baumert & Kunter, 2006; Krauss, 2011) und man bedient sich fortwährend deren Grundzüge als Grundlage verschiedenster Diskussionen. Während in vielen Professionen das fachspezifische PCK leider häufig vernachlässigt wurde (Hashweh, 2013), stellte man die eigentliche Konzeptualisierung des PCK nach Shulman (1986, 1987) als eine Unterkategorie des Inhaltswissens nicht infrage: «While the topic-specifity of PCK was neglected by some researchers, the conceptualization of PCK as a subcategory of teacher content knowledge (as a subject matter knowledge for teaching) was accepted» (Hashweh, 2013, S. 116). In Anlehnung an Shulman (1986) kann unter diesem fachdidaktischen Wissen ein Wissen verstanden werden, welches für eine erfolgreiche Initiierung und Aufrechterhaltung von Lern-

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prozessen notwendig ist (vgl. Kap. 1.1). Seine Theorien widersetzen sich gegenüber dem in den 80er-Jahren laufenden Trend in den USA, welche die Fachinhalte in der Lehrerausbildung betonen und ins Zentrum setzen. Auch wenn zahlreiche Autor*innen zu dieser Zeit das Zitat von G. B. Shaw als Grundlage ihrer Arbeiten heranziehen, scheint das Zitat vielmehr ein unüberlegter Streich eines irischen Autors zu sein: «He who can, does. He who cannot, teaches» (zit. n. Shulman, 1991) 7. Dennoch schien das etwas abschätzige Zitat die Gemeinschaft zur Diskussion über die Lehrerausbildung anzukurbeln. Wenn von Professionalisierung gesprochen wird, dann wird der Begriff zu dieser Zeit in den USA aus zwei Blickwinkeln betrachtet. Einerseits wird damit eine Verbesserung des «Status» gemeint, andererseits aber auch eine Verbesserung der Fähigkeiten einer Lehrperson. Beide Betrachtungsweisen müssen sich nicht ganz ausschliessen (Hoyle, 1991, S. 136). Auch in Deutschland zeigen Schierz und Miethling im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts auf eine Änderung des Forschungsinteresses: … im Zuge der mit den PISA-Debatten einsetzenden Schulstruk­ tur- und Unterrichtsreformen sowie aufgrund eines curricularen Transformationsdrucks, der aus den dynamischen Veränderun­ gen und Ausdifferenzierungen des Sports, den Ungleichhei­ ten der Sportpartizipation von Kindern und Jugendlichen so­ wie der einsetzenden Heterogenitätsdynamik innerhalb der Schüler*innenschaft [Hervorhebung J. V.] resultierte. (Schierz & Miethling, 2017, S. 51) Krauss bezeichnet insgesamt diese beschriebenen Paradigmenwechsel in der Professionsforschung nicht als Brüche, sondern eher als «Akzentverschiebungen und Weiterentwicklungen» (2011, S. 172) dieser Perspektiven. Vor dem Hintergrund dieses kurzen historischen Beschriebs liegt der Schwerpunkt dieser vorliegenden Arbeit in der Weiterführung des sogenannten Expertenparadigmas und dementsprechend auf den Kompetenzen, Kompetenzprofilen und Standards in der Lehrerbildung, welche auch im Bereich der Sportlehrerexpertise Einzug gefunden hat. 7

Man findet diesen Ausspruch in «Maximen für Revolutionäre», einem Anhang zu G. B. Shaws Stück «Mensch und Übermensch» (zit. n. Shulman, 1991).

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Diese erwähnten Inhalte des Expertenparadigmas scheinen geradezu zum Thema der Professionalisierung ganz allgemein und zur Professionalisierung des Lehrerberufs überzuleiten. Deshalb werden im folgenden Kapitel die mit dem Expertenparadigma verbundene Professionsforschung und deren Inhalte genauer beschrieben. 2.2  Professionen und Professionalisierung In dieser vorliegenden Forschungsarbeit geht es um professionelle Fähigkeiten von Sportlehrpersonen und auch darum, wie sich diese professionellen Fähigkeiten in kritischen Situationen zeigen. Der Lehrerberuf gilt jedoch noch nicht sehr lange als eigenständige Profession (Lundgreen, 2011; Schierz & Miethling, 2017), wie die weiteren Ausführungen aufzeigen sollen. Deshalb gilt es in diesem Kapitel, die Begrifflichkeiten um das Professionelle, die Professionen und die Professionalisierung zu klären, wieso der Lehrerberuf trotzdem als eine eigenständige Profession im wissenschaftlichen Diskurs wahrgenommen wird. Nobody expects to walk in off the street, no matter how technical able he or she is to fly a Cessna, and fly a 747. No matter how many medical books he may have read, nobody expects to walk in off the street and do brain surgery. But somehow it’s fashio­ nable to think you can walk in to a classroom of 32 kids – many of whom aren’t sure why they are there – and teach them. That’s wrong and insulting the teachers. (Brandt, R. S., 1986, S. 5) Auch andere Autoren sprechen hier auf die Tatsache an, dass die Profession des Lehrerberufs eben lange Zeit nicht als Profession angesehen wurde. Terhart beschreibt ganz allgemein, dass die Klientele (Schüler*innen) der Lehrpersonen noch immer einen niedrigeren Status geniesst als beispielsweise diejenige von Ärzten und Anwälten. Dabei sei auch entscheidend, dass durch die Öffentlichkeit – die Schule – via Schulgesetz und dementsprechend aufgrund der Schulpflicht die Klientele den Lehrpersonen aufgedrängt wird, weshalb sie ihre Marktposition auch nicht erkämpfen müssen (Lundgreen, 2011; Terhart, 2011). Schüler*innen werden Schulklassen und Lehrpersonen zugewiesen. Da-

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raus ergibt sich eine weitere Schwierigkeit, welche Terhart (Terhart, 2011) wie folgt beschreibt: Die Arbeit wird nicht an einzelnen Klienten, sondern praktisch ausschließlich an administrativ zusammengestellten Gruppen, an Schulklassen also, verrichtet, so dass ein tatsächlich indi­ vidualisierter Umgang mit den (immer zu vielen) Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] über weite Strecken gar nicht möglich ist. Schließlich ist nicht ganz klar, was eigentlich das gesellschaftlich und individuell hochgradig bedeutsame, existenzielle Problem ist, das vom Lehrerberuf bearbeitet wird: kulturelle und / oder wirtschaftliche Verluste der Gesellschaft ohne Schule und Un­ terricht oder eher fehlende Bildung und drohende Dummheit der Einzelnen – oder alles zugleich? Kurzum: Für das klassische Professionen-Konzept ist der Lehrerberuf immer ein Rätsel ge­ blieben. (Terhart, 2011, S. 205) Auch Terhart beschreibt damit, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich die Lehrpersonenausbildung als Profession heute vorwiegend durchzusetzen vermag. Deshalb beschreiben Helsper und Tippelt, dass Pädagogen (welche sich als Profession verstehen) sich einen Kernfundus an Wissen aneignen müssen, damit sie «der starken Ausdifferenzierung und Entstrukturierung des pädagogischen Feldes» gewachsen sind (Helsper & Tippelt, 2011, S. 284). Professionalisierung ist derjenige Begriff, den man üblicher­ weise zur Bezeichnung eines Prozesses verwendet, in dessen Verlauf ein Beruf in zunehmendem Maße den Kriterien einer Profession entspricht. Professionelle Entwicklung dagegen ist derjenige Begriff, den man zur Bezeichnung desjenigen Prozes­ ses benutzt, durch den ein Praktiker die für effektive professi­ onelle Praxis notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwirbt oder verbessert. (Hoyle, 1991, S. 135)

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Damit meint auch Hoyle (1991), dass die Professionalisierung eines Berufs eine professionelle Entwicklung der Praktiker voraussetzt. Für Hoyle ist eine Profession deshalb «… ein Beruf, der eine wichtige soziale Funktion ausübt. Die konkrete Ausübung dieser Funktion erfordert spezielle Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten werden in Situationen angewandt, die nicht zur Gänze der Routine unterliegen, in denen vielmehr neue Probleme bewältigt werden müssen» (Hoyle, 1991, S. 136). Um den Anforderungen zu genügen, in einer solch spezifischen Situation professionell handeln zu können, sei ein Rezeptwissen zwar hilfreich, aber längst nicht ausreichend. Vielmehr beschreibt Hoyle einen Wissenskorpus, den der Praktiker haben muss, auf den er in solch konkreten Situationen systematisch zurückgreifen könne. Deshalb steht er dafür ein, dass es für diese Art der Wissensaneignung eine spezifische und längere Entwicklungsphase der Hochschulbildung braucht (higher education and training) (Hoyle, 1991, S. 136). Den Professionen gemeinsam sind die ethischen Werte und der Kodex für die Professionsmitglieder, welche während einer Einsozialisation in Form von Ausbildung in der Weite der Profession übernommen wird. Es gibt aber noch weitere Autor*innen, die sich des Professionsbegriffs annehmen. Nach Lundgreen (2011) werden ursprünglich all jene Berufsgruppen als Profession bezeichnet, welche eine entscheidende, herausgehobene Stellung im Arbeitsmarkt einnehmen. Gemäss dem Autor sind dies freie Berufe, z. B. Ärzte und Juristen, sowie Personen, welche mit einer Funktion als leitende Angestellte eine Stelle in der Privatwirtschaft besetzen, und höhere Beamte im öffentlichen Dienst, in Anlehnung an die angloamerikanische Tradition (Lundgreen, 2011, S. 9; Hoyle, 1991). Terhart (Terhart, 2011) beschreibt den Begriff der Professionalität indes ganz allgemein in Anlehnung an den Expertenbegriff (vgl. Kap. 2.3). Dabei werden Professionen dadurch gekennzeichnet, dass ihr Gegenstand komplexe (beispielsweise kritische Situationen im Unterricht; Hervorhebung J. V.) und riskante Problemlagen seien, für die es eine anspruchsvolle Ausbildung und eine «berufliche»8 Einsozialisation brauche, welche 8

An den pädagogischen Hochschulen wird dies mit den Berufspraktikas umgesetzt. Im ersten Anstellungsjahr erhalten die Berufsanfänger in den meisten Schulen Mentor*innen, welche eine wichtige Stütze in organisatorischen und inhaltlichen Bereichen ist, was der beruflichen Einso­zialisation dient.

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mit einem einschlägigen Wissensfundament für die auszuführenden Aufgaben aufzubauen ist, damit sich spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten ausbilden können. Terhart (2011) bezieht sich in seinen Beschreibungen auf die Ausführungen von Evetts «a period of tertiary education and vocational training and experience» (Evetts, 2003, S. 397): Im Kern sind Professionen wissensbasierte Berufe, die übli­ cherweise an ein Studium sowie ein berufsbezogenes Training und entsprechende Erfahrungsbildung anschliessen. … Pro­ fessionelle gehen extensiv mit Risikolagen um, mit Risikoein­ schätzung und – auf der Basis von Expertenwissen – befähigen sie Kunden und Klienten dazu, mit Unsicherheiten umzugehen. … Professionen befassen sich mit Geburt, Überleben, körperli­ cher und seelischer Gesundheit, Konfliktlösungen und sozialer Ordnung, mit Finanzen und Krediten, mit Bildung, Lernen und Sozialisa­tion, Konstruktion und Architektur, militärischen Unter­ nehmungen, Friedensmis­sionen und Sicherheit, Unterhaltung und Freizeit, mit Religion und unseren Bezügen zur spirituellen Welt. (Evetts, 2003, S. 397) Auch Paseka, Schratz und Schrittesser (Paseka, Schratz & Schrittesser, 2011) beschreiben, dass sich Professionen mit lebenspraktischen und krisenhaften Problemen ihres Klientels beschäftigen. Dabei präzisieren sie, dass Professionen sich massgeblich mit den gesellschaftlichen Bereichen der Gerechtigkeit, der Gesundheit oder der Erziehung beschäftigen. Charakteristisch dabei sei, dass sich Professionen mit nicht routinierten Abläufen und nicht klar vorgegebenen Gesetzmässigkeiten beschäftigen. Vielmehr sei es den Professionen vorbehalten, sich mit ungewissen und sich verändernden Schwierigkeiten auseinanderzusetzen. Dies bedinge ein fallorientiertes Vorgehen bei der Findung von Lösungen (Paseka et al., 2011, S. 22). Die Autor*innen betonen zudem die Wichtigkeit von Theorie und Hintergrundwissen, die es für die Lösung eines solchen Falles brauche, um ihn zu diagnostizieren und einordnen zu können (2011, S. 22). Ein weiteres Kennzeichen von Profession sei die «widersprüchliche Einheit von Rollenhandeln und Handeln als ganze Person» (2011, S. 22). Die Autor*innen beschreiben, dass es für das Verständnis

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des Problems Empathie für die Klient*innen braucht, gleichzeitig sollen die Professionellen gegenüber ihrem Gegenüber die Distanz wahren und ihre persönliche Betroffenheit zurückhalten können im Sinne einer klaren Rollenzuteilung (Košinàr, 2014; Paseka et al., 2011, S. 22; Wolters, 2015) (vgl. Konzept der Antinomien in Kap. 1.2 und Kap. 4.1.4). Für die Bewältigung dieser Aufgaben brauche es einerseits, so Paseka et al. (2011), subjektive Fähigkeiten und die Bereitschaft, die Ungewissheiten (vgl. Kap. 2.4.1), die kritische Situationen mit sich bringen, zu ertragen und aktiv damit zu arbeiten, was zugleich von den Autor*innen als ein konstitutives Moment eines professionellen Handelns bezeichnet wird. Andererseits brauche es für die Lösung solcher kritischen Momente auch einen sozialen Raum, sogenannte «Professional Communities», in dem innerhalb eines kollegialen Settings die kritischen Begebenheiten diskutiert und aus einer distanzierten Perspektive reflektiert werden können (Paseka et al., 2011, S. 23). Auch Hoyle (1991) schreibt, dass es in solchen nicht routinierten Situationen von Bedeutung sei, dass die professionell Handelnden die Freiheit haben, eigene Entscheidungen zu treffen, in angemessener Weise in einer Situation zu handeln. Darüber hinaus beschreibt der Autor auch, dass die professionelle Praxis geprägt ist von einer starken Spezialisierung im jeweiligen Feld. Dies bedinge ebenfalls ein hohes Mass an Verantwortung und Autonomie des Handelns, welches von der Öffentlichkeit zugesprochen werden sollte. «Lange Ausbildung, Verantwortlichkeit und Klientenzentriertheit werden notwendigerweise durch hohes Prestige und hohe Bezahlungen belohnt» (Hoyle, 1991, S. 136). Im Zuge der Diskussion um Professionen und Professionalität führen die Autor*innen Paseka, Schratz und Schittesser (2011) den Begriff der «doppelten Professionalisierung» als Voraussetzung für die Bewältigung der Anforderungen ein. Einerseits sei damit die Einübung in den wissenschaftlichen Diskurs gemeint und andererseits die konkrete Anwendung der professionellen Handlung in der Praxis. Dabei seien eben auch die Begründung und die Reflexion der jeweils getroffenen Entscheidung wichtig. Dieser Diskurs soll dann mitunter wieder in die Ausbildung von Theorie und Praxis der Profession einfliessen (Paseka et al., 2011, S. 23).

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Paseka et al. (2011) plädieren deshalb dafür, dass für eine Professionalisierung subjektive Kompetenzen entwickelt werden müssen, und andererseits aber auch dafür, dass zugleich Strukturen geschaffen werden müssen, in denen diese Professionalisierung angewendet und umgesetzt werden kann. «Professionalität wird im vorliegenden Ansatz als Ausdruck professionalisierten Handelns betrachtet. Ihm wird vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Sphären die Aufgabe zugedacht, in krisenfälligen gesellschaftlich hochsignifikanten Bereichen für die Bewältigung potenzieller oder realer individueller oder kollektiver Krisen zu sorgen» (Paseka et al., 2011, S. 8). Zur Legitimation des Bestehens von pädagogischen [Hervorhebung J. V] Professionen unterstreichen Helsper und Tippelt deshalb das Argument von Paseka et al. (2011), dass die gesellschaftliche Modernisierung höhere Ansprüche an einzelne Individuen stelle, welches wiederum damit einhergeht, dass Krisen in verschiedenen Bereichen schwieriger vom Einzelnen zu lösen sind. So seien Professionen in der heutigen Gesellschaft ein strukturelles Erfordernis (Helsper & Tippelt, 2011, S. 271). Aus diesen ganzen Beschreibungen lassen sich einige Merkmale für eine Profession beschreiben und zusammenfassen, welche sich auch auf den Lehrerberuf übertragen lassen. 1. Keine Situation des unterrichtlichen Agierens scheint gleich einer anderen zu sein, weshalb im Lehrerberuf mit nicht routinierten Abläufen umgegangen werden muss. 2. Das Element der Ungewissheit des Handelns scheint dabei zentral zu sein, welches nicht durch ein Rezeptbuchwissen zu lösen ist und welches schlichtweg von den Akteuren ertragen werden muss. 3. Diese Elemente führen zu der Tatsache, dass professionelles Handeln auch im Lehrerberuf sehr individuell geschehen kann, was durchaus ein hohes Mass an Verantwortung nach sich zieht – was auch von der Öffentlichkeit zugesprochen werden sollte.

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4. Dabei kann die Begründung und die Reflexion des eigenen Handelns als Grundlage des Agierens aufgefasst werden. (Was eine Schaffung von Strukturen in der Berufspraxis nach sich zieht, welche Platz für solche Begründungen und Reflexionen bieten können.) (vgl. Kap. 4.1.4) Diese konstitutiven Merkmale, welche aus der Ausarbeitung der Theorie hervorgehen, bedingen spezifische Kompetenzen, welche innerhalb der Lehrerprofession gebraucht werden, um den in diesem Kapitel beschriebenen Ansprüchen zu genügen. Das nächste Kapitel soll deshalb einige dieser spezifischen Kompetenzen genauer beschreiben. 2.2.1 Kompetenzen, Kompetenzprofile und Standards in der Lehrerbildung Die Diskussion bezüglich der Kompetenzen in der Lehrerbildung war zwar immer allgegenwärtig, doch erst durch die Gründung der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in den 60er-Jahren wurde sie auch zum bildungspolitischen Thema (Leibfried & Martens, 2008). Hierbei haben auch die Sozial- und Bildungspolitik vermehrt an Interesse gewonnen. «Qualität und Standards erziehungswissenschaftlicher Forschung sind nicht nur Gegenstand wissenschaftstheoretischer oder disziplinpolitischer Debatten, sondern auch Objekt der Interessen grosser international-globaler Agenturen der Wissenschaftspolitik und -steuerung» (Keiner, 2015, S. 13). Durch den «Spillover-Effekt» (Leibfried & Martens, 2008, S. 12) von PISA werden nicht nur die Schüler*innenleistungen ins Zentrum des Interesses gerückt, sondern zunehmend werden auch Bildungsziele, Standards und Kompetenzen von Lehrpersonen diskutiert. Auch Messmer und Brea (2015) schreiben, dass die Fachbegriffe Kompetenzen und Standards durch die OECD und deren internationale Vergleichsuntersuchung PISA an Wichtigkeit gewonnen haben. «Um Schule und Unterricht zu verstehen, reicht es daher nicht aus, Schul- und Unterrichtsforschung zu betreiben – auch die Lehrerinnen und Lehrer selbst sowie ihre Ausbildung müssen sich einer wissenschaftlichen Prüfung unterziehen» (Cramer, 2012, S. 11). Wird im Zuge von PISA von Qualität und Standards gesprochen, so scheint sich deshalb das allgemeine Interesse von der

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Messung von Schüler*innenkompetenzen hin zur Messung von Kompetenzen und Standards in der Lehrer*innenbildung zu bewegen. Geht es um Kompetenzmessung, so scheint es sinnvoll, die Begrifflichkeiten um Kompetenzen, Kompetenzprofile und Standards zu definieren, um sie allenfalls von anderen und weiteren Begriffen zu trennen. Kompetenzen Gemäss Weinert sind Kompetenzen «… die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können» (Weinert, 2001, S. 27). Es scheint, als ob bei Weinert Kompetenzen bereits bei jeder Person vorhanden seien, sie jedoch unterschiedlich ausgeprägt sind. Er beschreibt den Kompetenzbegriff aber relativ offen, unabhängig von einem bestimmten Handlungsfeld. Unklar dabei ist, ob sich Weinert an dieser Stelle lediglich auf Schüler*innen- oder auch auf Lehrer*innenkompetenzen bezieht. Oser hingegen wagt sich bereits etwas konkreter an die Definition einer professionellen Kompetenz: Eine professionelle Kompetenz ist die Fähigkeit, in einer be­ ruflich relevanten Lage richtig und erfolgreich zu handeln. … Sie sind mehr als Skills und auch mehr als maschinelle Muster, sie sind auch mehr als Techniken; vielmehr sind sie komplexe und adaptionsbedürftige Handlungsbündel, die nicht ohne dif­ ferenziertes Wissen und die entsprechende Reflexion zur An­ wendung kommen können. … Diese Kompetenz [ist] komplex (sie besteht aus vielen Teilkompetenzen); sie muss flexibel und überlegt, aber auch mit einem bestimmten Maß an Ungewiss­ heit, Spontaneität und Risikobereitschaft umgesetzt werden. (Oser, 2013b, S. 7) Oser (2013a) spricht dabei nicht von einer einzelnen speziellen Kompetenz, sondern er beschreibt eine Zusammenfügung von unterschiedlichen Fähigkeiten, welche in vorhersehbaren oder unvorhersehbaren

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Situationen eingesetzt werden können. Gemäss Oser kommt eine professionelle Kompetenz flexibel zum Vorschein, welche zum einen durch Spontaneität und Risikobereitschaft, zum anderen auch überlegt umgesetzt wird. Während Oser dabei nicht mehr nur von einer einzigen Kompetenz, sondern von einem Handlungsbündel spricht, gebrauchen Baumert und Kunter (2006) den Begriff der vernetzten Wissensbasis im Zuge der Beschreibung von Kompetenz. Diese vernetzte Wissensbasis ist gemäss den Autor*innen eine notwendige Voraussetzung, um auch im Lehrerberuf erfolgreich zu sein (vgl. Shulman, 1986, 1987; Baumert & Kunter, 2006). Dabei gilt das professionelle Wissen als ein zentraler Aspekt der professionellen Lehrerkompetenz. Währenddessen sich die genannten Autor*innen einig darüber sind, dass sich die professionelle Lehrerkompetenz aus einem Puzzle von mehrdimensionalen Kompetenzen zusammensetzt, wird ihr Kompetenzbegriff zum einen eher durch Wissen, zum anderen eher durch Können charakterisiert.9 Auch Reusser (2014) greift bei seiner Definition von Kompetenz den Wissensterminus mit auf, den er durch Können und andere Begriffe erweitert: Fachwissen und Kompetenz, Wissen und Können bilden … kei­ ne Gegensätze. Kompetenzen beziehen sich nicht, wie absurde Zerrbilder des Begriffs der Kompetenzorientierung dies glau­ ben machen möchten, auf inhaltsfreie kognitive Dispositionen, sondern auf wissensbasierte Fähigkeiten in fachkulturellen und lebensweltlichen Domänen. Der Kern jeden fachlichen Kompe­ tenzaufbaus ist die anspruchsvolle Kultur- und Wissensbildung. (Reusser, 2014, S. 327) Gemäss Reusser kommt demnach das komplexe Gebilde der Kompetenz erst zum Vorschein, wenn es im speziellen und spezifischen Fachrahmen verlangt wird sowie auch in spezifischen Situationen. Bei der Kompetenzorientierung insgesamt geht es aber auch ganz allgemein «um fachliche Bildung, in deren Kontext auch fachübergreifende – methodi9

Auch Oser, Bauder, Salzmann und Heinzer (2013) nehmen in ihrem erschienenen Buch mit dem Titel «Ohne Kompetenz keine Qualität» Bezug zu genau dieser Thematik über Standards und Kompetenzen bei Lehrpersonen.

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sche, soziale und personale – Kompetenzen kultiviert werden sollen» (Reusser, 2014, S. 326). Auch bei der Begriffsbildung nach Paseka & Hinzke (2014a, S. 46) lässt sich erkennen, dass spezifische Kompetenzen dort verlangt werden, wo es keine einfache Standardlösungen mehr gibt. Professionalisiertes pädagogisches Handeln von Lehrpersonen zeichnet sich dadurch aus, dass diese für gesellschaftlich re­ levante Aufgabenfelder zuständig sind, für die es keine Stan­ dardlösungen gibt. Daher benötigen sie eine wissenschaftlich fundierte Wissensbasis und die Fähigkeit, trotz vielfältiger Un­ gewissheiten mit den jeweiligen Besonderheiten von Einzelfäl­ len umgehen zu können. (Paseka & Hinzke, 2014a, S. 46) Kompetenzprofile Die verschiedenen Definitionen um den Kompetenzbegriff lassen erkennen, dass von ganz unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten gesprochen wird, wenn es darum geht, wie Lehrpersonen unterrichten sollen und über welches Wissen und Können sie verfügen müssen. Wenn es um mehrere Fertigkeiten, um ein sogenanntes Bündel von Kompetenzen geht, dann sprechen Oser und seine Mitautoren vom Begriff des Kompetenzbündels oder von Kompetenzprofilen (Oser, Curcio & Düggeli, 2007, S. 14). Denn nach Oser und den Mitautoren sind verschiedene Kompetenzen nicht eindeutig voneinander trennbar, was es deshalb schwierig macht, Kompetenzen einzeln zu erfassen (Oser spricht hier auch von Einzelkompetenzen). Deshalb werden sie im «alltäglichen Unterricht meist im Verbund eingesetzt» (Oser et al., 2007, S. 14). Standards Wenn ein Kompetenzbündel fassbar und demzufolge auch messbar gemacht wird, dann wird nicht mehr nur von Kompetenzprofilen gesprochen, sondern von Standards. Die Autoren erklären diesen Sachverhalt mit folgendem Beispiel: Die Lehrperson hat den Auftrag, «Gruppenunterricht [zu] planen, durch[zu]führen und die Resultate in den weiteren Unterricht [zu] integrieren». Dieses Kompetenzbündel verlangt nach unterschiedlichen Einzelkompetenzen der Lehrperson. Einerseits muss die

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Lehrperson einen klaren Gruppenauftrag erteilen können, dann muss sie auch noch die Gruppen bilden können, während des Auftrags die Schüler*innen unterstützen und viele weitere Einzelkompetenzen mehr (Oser et al., 2007). Sobald eine solche beschriebene Einzelkompetenz oder ein Kompetenzbündel messbar ist, sprechen die Autoren von Standards. «Es geht dann um den Anspruch der Messung einer bestimmten Qualitätsausprägung, also darum, wie gut oder eben weniger gut eine Lehrperson beispielsweise Gruppenunterricht planen, durchführen und die Resultate in den weiteren Unterricht integrieren kann» (Oser et al., 2007). Gemäss Oser sind Wissensbestände, welche notwendigerweise angeeignet werden müssen und parallel dazu einem handlungsorientierten Gütemassstab standhalten, zugleich auch Standards (2007). Nur Experten verfügen über Standards, und insofern ein Laie ohne jegliche Voraussetzung das Gleiche in gleich guter Weise tun kann wie ein Professioneller, kann man nicht von Standards sprechen. Standards sind einerseits durch Leistungs- und Qua­ litätsniveaus geprägt, andererseits können sie auch Richtschnur für eine Ausbildung und deren Evaluation werden. (Oser, 1997, S. 27 – 28) Aber welche Standards und Kompetenzen muss die Lehrerausbildung liefern, damit von Professionswissen gesprochen werden kann? Aufgrund dieser Frage fordern auch Bräutigam, Blotzheim und Swoboda (2004, S. 213 – 214) eine «Legitimations- und Begründungsbasis in Form von wissenschaftlichem Wissen» für die Lehrerausbildung und folglich für das Lehrerhandeln. Aber auch diese Autoren bestätigen, dass es keine direkten Rezepturen und praktischen Handlungsanleitungen gibt. Alles geschehe auf den Grundlagen eines theoretisch geordneten Wissens- und Begründungsbestandes. Deshalb soll sich die angehende Lehrperson zuerst das Wissen aneignen, um sich erst später in der Praxis darauf beziehen zu können. Ganz offensichtlich erfordert dies ein Handlungsvermögen, das berufswissenschaftliche Wissen erst im richtigen Zeitpunkt zu aktivieren und in «reflexiven Prozessen zur Begründung

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des berufspraktischen Handelns verwenden zu können» (Bräutigam, Blotzheim & Swoboda, 2004, S. 214). Terhart (2002) hingegen spricht der Wirkungskette des Lehrer*innenSchüler*innenhandelns eher ein Handeln auf der Basis von gesundem Menschenverstand und Konventionen zu, wobei eine empirische und systemische Prüfung nicht vorliege und deshalb die Wirkungskette über die Dauer nicht geprüft sei (zit. n. Schwippert, 2015, S. 8). Die Autoren um Bräutigam et al. (2004) stellen jedoch eher die theoretische Wissenskomponente ins Zentrum: Was der Lehrer tut und tun muss, geschieht unter Berufung auf diesen theoretischen geordneten Wissens- und Begründungs­ bestand. Erst wenn er über dieses Wissen verfügt, kann er sich darauf berufen. Dies erfordert die Fähigkeit, berufswissen­ schaftliches Wissen zu aktivieren und in reflexiven Prozessen zur Begründung des berufspraktischen Handelns verwenden zu können. (Bräutigam et al., 2004, S. 214) Aus den bisherigen Beschreibungen lässt sich zusammenfassen, dass aufgrund der Professionalisierung des Lehrerberufs explizite Kompetenzen in spezifischen Situationen des unterrichtlichen Handelns (in kritischen Situationen) verlangt werden. Kompetenzen werden jedoch als Bündel von einzelnen Fertigkeiten und Fähigkeiten verstanden, die sich wiederum aus unterschiedlichem Wissen zusammensetzen. Aus welchen Anteilen dieses Wissen zusammengesetzt ist, wird aber erst im Kapitel 2.5 zum Thema gemacht. Vorerst werden im Spezifischen die professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen und deren Bestimmungsansätze ins Zentrum der Ausarbeitung gestellt, um die spezifischen Anforderungen an den Lehrerberuf sichtbar zu machen. 2.2.2  Weitere Bestimmungsansätze von Professionalität Da es Professionsforschung in unterschiedlichen Berufsfeldern gibt, wie bereits eingehend erläutert, wird nebst dem Professionskonzept

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von Terhart (vgl. Einleitung) noch ein weiterer Bestimmungsansatz der Lehrer*innenprofession aufgenommen und beschrieben. Für Terhart (2011) steht im Professionsdiskurs fest, dass bereits schon etwas länger nach Ansätzen gesucht wird, um den «professionellen Charakter von pädagogischen Berufen bzw. im engeren Sinne: von Lehrerarbeit aus den Eigenarten dieser Arbeit selbst zu bestimmen» (2011, S. 205 – 206). Während Terhart aktuell drei verschiedene Ansätze zur Bestimmung von Professionalität im Lehrerberuf definiert, gebrauchen Paseka, Schratz und Schrittesser (2011) ein fünfdimensionales Konzept. Diesem Konzept gegenüber beschreiben auch Bonnet und Hericks (2019) vier unterschiedliche Wissensmerkmale von professionellem Handeln. Beide Ansätze werden im folgenden Abschnitt beschrieben. 1.) Das fünfdimensionale Konzept von Professionalität Die Autor*innen beschreiben im Folgenden pragmatisch ein fünfdimensionales Konzept von Professionalität bei Lehrpersonen. Das fünfdimensionale Konzept nach Paseka et al. (2011) beschreibt die praktische Implementierung der professionellen Bestimmungsansätze nach Terhart (2011). Deshalb kann das fünfdimensionale Konzept als praktische Umsetzung (inhaltlich) von Professionswissen verstanden werden, wohingegen Terharts (2011) Ansatz eher als eine allgemeine Einordnung und Herkunftsbeschreibung (wissenschaftstheoretische Einordnung) von Lehrerprofession zu begreifen ist. Diese Ansätze lassen sich zwar nicht aufeinander beziehen, jedoch können die fünf Dimensionen nach Paseka et al. (2011) auch anhand der drei Bestimmungsansätze von Profession nach Terhart (2011) diskutiert werden. Reflexions- und Diskursfähigkeit: Das Teilen von Wissen und Können Diese Dimension beschreibt, dass kompetente Lehrpersonen imstande sein sollen, ihr eigenes Handeln stets zu reflektieren, zu hinterfragen und sich somit vom eigentlichen Unterricht, der eigenen Handlung und dem Praxisfeld zu distanzieren. Diese Fähigkeit verlange unterschiedliches Wissen und eine (selbst)kritische Haltung, was die Autor*innen als wesentlichen Aspekt von Professionalität bezeichnen, was durchaus mit dem Konzept von Schöns (1983) professionellem Handeln einhergeht

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(Paseka et al., 2011, S. 27). Felder, die mit einer Distanz betrachtet werden können, sind: die Fachwissenschaft, die Fachdidaktik, die pädagogischen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Schule und an die Profession selbst. Die Autor*innen begründen, dass es erst durch eine Distanzierungsfähigkeit gegenüber diesen Feldern möglich sei, Strategien zur Selbstbeobachtung des eigenen Unterrichts zu entwickeln. Erst mit einer solchen Distanzierung könne es der professionellen Lehrperson gelingen, Ausnahmefälle und allgemeine Fälle zu erkennen und diese reflexiv zu beurteilen (Paseka et al., 2011, S. 27). Die Reflexion läuft dabei zeitgleich im Handlungsfluss ab (die Autor*innen nennen dies «reflection in action» in Anlehnung an Schön (1983) oder aber in Form der Ergebnissicherung, wenn die Lehrperson eine Lektion Revue passieren lässt («reflection on action» [1983]). Daraus ergeben sich wieder neue Erkenntnisse, die im weiteren Verlauf erneut in das künftige Handeln mit einfliessen. Dieser Vorgang scheint ein Vordenken für die nächsten Situationen zu sein, mit dem Ziel, bei zukünftigen Ereignissen noch mehr Handlungsalternativen bereitzuhalten als ohne die bewusste Reflexion des vorangehenden Unterrichts. Den Autor*innen wichtig zu sein scheint auch, dass erst durch die Reflexionsfähigkeit Lehrpersonen imstande sind, einen Fachdiskurs unter Kollegen führen zu können, was sie als «Diskursfähigkeit» beschreiben. Ein solcher Diskurs lässt sich aber auch nur mit einer der Profession angepassten Sprache, der sogenannten «Fachsprache», führen. Diese Diskursfähigkeit, von dem die Autor*innen schreiben, sei nur möglich aufgrund einer Fachsprache, welche erst ermöglicht, differenziert über ein Problem zu sprechen. Die Fachsprache schütze die Lehrpersonen ebenfalls massgeblich vor «Laien» und der «Laienkritik», welche glauben, dass sie die Dimension der Erziehung, des Unterrichtens und der Vermittlung ebenfalls beherrschen, da sie aus dem biografischen Hintergrund heraus die Sache der Erziehung und Vermittlung am eigenen Leib miterlebt hätten (Paseka et al., 2011, S. 27 – 28). «Die Fähigkeiten, sich selbst und sein Umfeld kritisch und distanziert zu betrachten, Selbstkritik zu entwickeln und sich in den Diskurs einzubringen bzw. ihn zu gestalten, sind somit Kennzeichen professionellen Handelns im Lehrerberuf» (Paseka et al., 2011, S. 28). Diskursfähigkeit wird von Lehrpersonen auch auf

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unterschiedlichen Ebenen verlangt. Einerseits in der Kommunikation mit den Lernenden, dann im Austausch mit den Lehrerkolleg*innen oder aber auch durch eine allfällige Inanspruchnahme von Supervisionsfachkräften, des Weiteren in der Diskussion mit Vorgesetzten und im Speziellen mit Schulleiter*innen, aber auch in der Beratung mit den Erziehungsberechtigten oder in der Öffentlichkeit als Teil des Professionsdiskurses. «Eine (selbst-)kritische Reflexion, die eigene Erfahrung ebenso nutzt wie wissenschaftliche Erkenntnisse, und der Austausch im beruflichen Diskurs bilden – gemeinsam mit den anderen Dimensionen – den Kern pädagogischer Professionalität» (Paseka et al., 2011, S. 28). Auch beim strukturtheoretischen Ansatz nach Terhart (vgl. Kap. 1.2) sind Lehrpersonen implizit gezwungen, zu beurteilen (zu reflektieren), welchen Fokus sie in der Situation setzen. Während bei Paseka et al. (2011) diese Reflexion explizit gefordert wird, läuft sie im Konzept von Terhart (2011) eher implizit ab. Professionsbewusstsein: Sich als Expert*in wahrnehmen Hauptpunkt des Professionsbewusstseins ist der Umstand, dass Lehrpersonen nicht nur zur Selbstreflexion fähig sind und somit auf der persönlichen Ebene zu verharren, sondern dass Lehrpersonen auch innerhalb eines gesamten Systems zur Reflexion fähig sind. Diesen Bereich nennen die Autor*innen «das Professionsbewusstsein» (Paseka et al., 2011, S. 29). Inhalt des Professionsbewusstseins sei die Fähigkeit, die eigene Person von der Rolle / der Rollenaufgabe zu unterscheiden. Die Unterscheidung dieser zwei Rollen sei wichtig für die Ausbildung eines professionellen Habitus. Der professionelle Habitus erfordere es demnach, diffuse An­ teile in der Beziehung zu den Klientinnen und Klienten aufrecht­ zuerhalten – um etwa den jeweiligen «Fall» in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können, jedoch nur in der Funktion der professionellen Rolle zu handeln. Der Begriff «Professionsbe­ wusstsein» bezieht sich auf diese Fähigkeit. Sie soll Professio­ nelle daran hindern, im wahrsten Sinne des Wortes aus der Rolle zu fallen, wenn im Rahmen des Arbeitsbündnisses diffuse

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Anteile der Klientenbeziehung aktiviert werden müssen. (Pase­ ka et al., 2011, S. 29) Ein weiteres Element des Professionsbewusstseins ist die Fähigkeit, professionelle Autonomie in Anspruch zu nehmen. Das heisst, dass lediglich aufgrund des Wohls der Klient*innen (Schüler*innen) gehandelt wird. Dazu dürfen auch autonome Entscheidungen gefällt werden, dabei kann der Professionelle aber auch eigenständig Hilfe von Berufskolleg*innen in Anspruch nehmen. Professionsbewusstsein heisst in diesem Sinne, zu erkennen, wann Fremdhilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen sind und gegebenenfalls auch in Kooperation mit Berufskolleg*innen oder mit anderen Professionen in Kontakt zu treten ist. Des Weiteren heisst Professionsbewusstsein auch, dass die eigene Profession wahrgenommen wird und von anderen Professionen und (sozialen) Berufen abgegrenzt werden kann. Die Autor*innen plädieren aber dafür, dass die Lehrpersonen sich auch gleichzeitig als Teil einer regionalen, nationalen und internationalen Bildungslandschaft verstehen. Das heisst, dass Lehrpersonen auch gegenüber Veränderungen offen sein müssen, um sich bestmöglich (auch) auf die strukturellen und institutionellen Veränderungen anpassen zu können. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der stetigen Weiterbildung. Die angesprochenen gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen verlangen überdies auch Anpassungen der (sozialen) Professionen. «In Kooperation mit anderen Lehrpersonen setzen sie sich mit neuen Modellen ihrer beruflichen Tätigkeit auseinander und gestalten die institutionellen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit mit» (Paseka et al., 2011, S. 30). Um einen solchen professionellen Habitus – wie ihn die Autor*innen nennen – herauszubilden, brauche es eben mehr als nur individuelle Lernprozesse, sondern eben auch den Austausch im kollegialen Berufs-Setting. Dies als konkretes Beispiel, um den berufsbiografischen Ansatz nach Terhart (2011) praktisch zu implementieren. An dieser Stelle sollte aber noch kurz der Begriff des Habitus genauer erläutert werden. Helsper (2018) differenziert vier unterschiedliche Habitusformen. Einerseits wird der primär-familiäre Herkunftshabitus von einem individuell-biografischen Habitus, welcher milieuspezifisch ver-

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ankert ist, unterschieden. Der Zweitgenannte wird als «Ergebnis der lebensgeschichtlichen ‹Durchquerung› und ‹losen Kopplung› verschiedener Milieubezüge» (Helsper, 2018, S. 120) beschrieben. Daneben unterscheidet der Autor die zwei Teilhabitusformen des Schülerhabitus und des Lehrerhabitus. Wichtig für Helsper scheint die Erkenntnis, dass für die (angehenden) Lehrpersonen nicht nur der primär-familiäre Herkunftshabitus wichtig ist, sondern auch «der postadoleszente und dem jungen Erwachsenenalter zugehörige, individuell erworbene Habitus» (2018, S. 122), sowie der damit einhergehende biografisch erworbene Habitus mit der milieuspezifischen Einbindung. Die beiden Teilhabitus, welche Lehrpersonen implementieren, beschreibt Helsper wie folgt: … Schülerhabitus als Ausdruck der schul- und bildungsbezoge­ nen Orientierungen und Praxen, die schon im familiären Raum der antizipatorischen schulischen Sozia­lisation (Nittel, 1992) er­ worben und während der Schulzeit in Auseinandersetzung mit der Schule fortgeschrieben und erzeugt werden. Und zum zwei­ ten der Lehrerhabitus, als Ausdruck der Orientierungen, der fach­ lichen und pädagogischen Praxen der jeweiligen Lehrertätigkeit, wie sie über berufsbiographische Phasen im Kontext konkreter Schulkulturen entfaltet werden. (Helsper, 2018, S. 122 – 123) Hierbei schreiben Paseka et al. (2011), dass die Herausbildung eines professionellen Lehrerhabitus auch institutioneller Begebenheiten bedürfe, damit sich die Lehrerprofession herausbilden und weiterentwickeln könne unter den bereits genannten Bedingungen (Paseka et al., 2011, S 30). Ein professioneller Habitus ist auch wichtig für das Selbstbewusstsein der Sportlehrerprofession. Was hier Paseka et al. (2011) aus dem Verständnis des Inhalts fordern, findet man bei Terhart (2011) unter dem berufsbiografischen Bestimmungsansatz von Professionalität. Kooperation und Kollegialität: Die Produktivität von Zusammenarbeit Kooperationsfähigkeit wird in Zeiten zunehmender Komplexität zu einer relevanten Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern, um den anspruchsvoller werdenden Anforderungen an Schule und Unterricht professionell zu begegnen. Je mehr autonome

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Theoretische Einordnung

Entscheidungen den Schulen zugestanden werden, desto mehr Kooperationsleistung ist innerhalb der Schule gefordert. (Pase­ ka et al., 2011, S. 31) Für die Autor*innen scheint die Kooperationsfähigkeit und die damit einhergehende Kollegialität eines der wichtigsten Medien und unverzichtbar zu sein, damit mehrere Individuen zusammen etwas Grosses bewirken können. Diese Zusammenarbeit sei innerhalb einer Profession «das Verbindungsglied zwischen Einzelaktivitäten der Lehrerinnen und Lehrer im Klassenzimmer und den Bemühungen um die Entwicklung der gesamten Schule» (Paseka et al., 2011, S. 31). Wobei hier Theorie und Praxis stark auseinanderklaffen. Auch wenn in der Theorie die stetige Kooperation gefordert wird, so sei sie in der Praxis gar nicht allzu oft gesehen, wie die Autor*innen schreiben. Vielleicht liege es auch daran, dass jede Lehrperson ihr eigenes individuelles Klassenzimmer habe, was die Kooperation mit den anderen Lehrpersonen nicht begünstige. Die Schule müsse deshalb für sogenannte «Professional Communities» sorgen, in denen die Lehrpersonen sich miteinander austauschen können. Solche «Professionelle Lerngemeinschaften» bedingen aber auch Raum- und Zeitgefässe, in denen sich die genannten Professionellen treffen und austauschen würden (Paseka et al., 2011, S. 32 – 33). Im besten Fall wird dann gelegentlich die Betrachtung der für Einzelne gerade relevanten Sachthemen in eine Selbst-Be­ trachtung der «Community» übergehen und es wird zunehmend jene Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstdistanz entstehen, die als ein zentrales Merkmal von Professionalität gilt: Es ist dieses Merkmal der Selbstdistanz, das es den handelnden Personen ermöglicht, aus der unmittelbaren Intensität der Situation aus­ zusteigen und diese (und damit sich selbst) mit einem unvor­ eingenommenen Blick wahrnehmen und verstehen zu können. (Paseka et al., 2011, S. 33) Differenzfähigkeit: Der Umgang mit grossen und kleinen Unterschieden Im täglichen Unterrichtsgeschehen sind Lehrpersonen ganz unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt. Die Autor*innen fügen einige Beispie-

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le an: Was die einen Schüler*innen interessiert, interessiert die anderen überhaupt nicht. Was die einen bei Schuleintritt können, müssen die anderen in den ersten Jahren erst einmal mühsam lernen und einüben. Diese Heterogenität des Klientels bedarf deshalb auch einer angepassten Differenzfähigkeit auf Seiten der Lehrer*innen. Differenzfähigkeit meint Differenzen in mehreren Dimensionen zu denken: zum einen Differenzen zwischen verschiedenen Gruppen (z. B. zwischen Kindern mit unterschiedlichen Erst­ sprachen), zum zweiten Differenzen innerhalb der Gruppen, die sich aus der Verwobenheit mit anderen Differenzkategorien ergeben, zum dritten aber auch das «Unabgeschlossene und Uneinheitlich des Einen in den Blick zu nehmen» (Rendtorff & Moser, 1999, S. 36), also die individuellen Besonderheiten, die je nach Kontext variieren können. (Paseka et al., 2011, S. 34) Deshalb würden differenzfähige Lehrer*innen auch nicht von Idealbild­ schüler*innen ausgehen, sondern würden alle Schüler*innen als Individuen anerkennen und diese auch individuell fördern. Dieser Anspruch an Lehrpersonen erfordere aber auch einiges an Wissen, wie man mit unterschiedlichen «Lern-, Kommunikations- und Integrationsschwierigkeiten umgeht, und die Fähigkeit – wo sinnvoll und notwendig –, differenzierende Unterrichtsmassnahmen anzubieten und selbstorganisierte Lernwege zu gehen oder inhaltliche Schwerpunkte zu setzen» (Paseka et al., 2011, S. 34). Die Autor*innen nennen aber auch den Anspruch an die Lehrpersonen, zu erkennen, wo differenziert werden muss, wo nicht und wo es allenfalls gar nicht erwünscht wird. Professionelle haben dafür genügend Einfühlungsvermögen, um abschätzen zu können, was ihr Klientel braucht, und können Differenzen auch mal ausharren und stehen lassen. Dies bedarf aber auch guter Kenntnisse des einzelnen Individuums oder einer gesamten Schüler*innengruppe über die Grenzen der Institution oder das Wissen um das eigene Können. «In der Umsetzung dieses Anspruchs wird deutlich, wie die einzelnen Domänen mehrper­ spektivisch ineinander verwoben sind, denn ohne reflexive Haltung, Kooperationsbereitschaft und Diskursfähigkeit kann dieser hohe Anspruch nicht erfüllt werden» (Paseka et al., 2011, S. 35 – 36).

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Theoretische Einordnung

Dieser Ansatz der Differenzfähigkeit kann dem strukturtheoretischen Konzept nach Terhart (2011) (vgl. Kap. 1.2) zugeordnet werden, wenn es um die praktische Implementation des professionellen Lehrer*innenhandelns geht. Beim strukturtheoretischen wie auch bei diesem Ansatz nach Paseka et al. (2011) wird vom Umgehen mit Gegensätzlichkeiten gesprochen, was ein konstitutives Element der Lehrerprofession zu sein scheint. Personal Mastery: Die Kraft individueller Könnerschaft In diesem Ansatz reicht es nicht nur aus, über das Wissen («know what») innerhalb der Profession zu verfügen, sondern das spezifische Wissen soll auch angewendet werden (Können =­«know how») (Paseka et al., 2011, S. 36). Wissen ohne Anwendung bleibt träge, blosses (Re-) Agieren macht blind für übergeordnete Zusammenhänge. Auch die Be­ gründungsverpflichtung (know why) ist ein wesentlicher Aspekt von Professionalität, aus der Notwendigkeit heraus, fallorien­ tiert auf Basis von theoretischen Erkenntnissen zu arbeiten (vgl. Oevermann, 1996). Wie Wissen und Können miteinander ver­ knüpft und systemisch wirksam werden, hängt von «Personal Mastery» ab. (Paseka et al., 2011, S. 36) Diese Personal Mastery oder auf Deutsch die persönliche Meisterschaft beinhaltet die Fähigkeit, Professionswissen erfolgreich umzusetzen, aber auch den entsprechenden Umgang mit sich selbst. Dazu gehört es, die eigene Persönlichkeit als Lernaufgabe zu verstehen, aus Fehlern zu lernen und Neues zu (er)finden. Die individuelle Könnerschaft ergibt sich daher auch nicht aus einer – mechanisch gedachten – «guten Ausbildung». Sie ist vielmehr das Resultat eines individuellen Bildungsprozesses, innerhalb dessen der Wille wirksam ist, einen eigenen Weg zu finden, um in unterschiedlichen Situationen die Bildungsprozesse der Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] wirksam zu verbessern. Soll pädagogisches Wissen nicht «träges Wissen» bleiben, sondern in Können überführt werden, muss es einen jeweils spezifischen

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Aneignungsprozess bei den Lehrerinnen und Lehrern durchlau­ fen. (Paseka et al., 2011, S. 36) «Peter Senge beschreibt ‹Personal Mastery› als eine der Kerndisziplinen für den Aufbau einer lernenden Organisation» (Paseka et al., 2011, S. 36), weshalb dieser letzte Punkt eigentlich an den Anfang dieses inhaltlichen Bestimmungsansatzes von Professionalität gehören würde. 2.) Bestimmungsansatz professioneller Wissensmerkmale nach Bonnet und Hericks Bonnet und Hericks (2019) versuchen, Professionalität anhand von vier Wissensmerkmalen zu beschreiben, wobei sie sich hier auf Professionalität im Bereich der Sprachwissenschaft beziehen. Die grundsätzlichen Inhalte lassen sich aber mehrheitlich auch im Sportunterricht anwenden. Explizites Wissen als handlungsleitend Professionalität kann sich durch das explizite Wissen als handlungsleitendes Wissen zeigen: Gemäss den Autoren ist es das explizite Wissen, welches handlungsleitend ist. Wenn es handlungsleitend ist, dann ist diese Art von Wissen zugleich im Habitus verankert. Dieses Wissen ist darüber hinaus fallbezogen verfügbar. Eine Lehrperson zeigt dann explizites Wissen, wenn sie auf die im Studium erworbenen Spracherwerbstheorien zurückgreift. Übertragen auf den Sport könnte man dieses Wissen bei Sportlehrpersonen dann vorfinden, wenn diese in einer Situation auf gelernte Inhalte oder Modelle aus dem Studium zurückgreifen. Professionalität als nicht funktionales Wissen Professionalität kann sich durch das explizite Wissen als nicht funktionales Wissen zeigen: Nach dieser Bestimmung wird das explizite Wissen aber zugleich als nicht funktional und nicht angemessen zurückgewiesen, da es immer auch im Widerspruch zum wissenschaftlichen Wissen steht. In Bezug auf den professionellen Bestimmungsansatz von Professionalität nach Terhart (2011) könnte man dieses Element am Rande in das Antinomienkonzept, das strukturtheoretische Konzept, einordnen (vgl.

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Theoretische Einordnung

Kap. 1.2). Es wird angenommen, dass dieses fortwährende Einordnen in praktisches und funktionales Wissen ebenfalls eine Art Differenzierungsfähigkeit von Lehrpersonen braucht. Implizite Reflexionen als handlungsleitend Professionalität kann sich durch wahrgenommene Normen als handlungsleitend zeigen: «Die Aneignung wahrgenommener Normen kann dabei im Rahmen impliziter Reflexionen geschehen, in welchen die Lehrperson eine Differenz zu ihrem Habitus artikuliert, aber dennoch ‹gegen› diesen handelt» (Bonnet & Hericks, 2019, S. 120). So können trotz einem verinnerlichten Habitus die wahrgenommenen Normen des Unterrichts handlungsleitend sein. Die Relativierung wahrgenommener Normen Professionelles Wissen kann durch wahrgenommene Normen zurückgewiesen werden: Gleichzeitig können die unter Punkt drei genannten wahrgenommenen Normen zurückgewiesen werden, da sie als unangemessen eingeschätzt werden (Bonnet & Hericks, 2019, S. 120 –121). Zusammenfassende Betrachtung Terhart (vgl. Kap. 1.2) beurteilt seine drei ausformulierten Bestimmungsansätze alle als «mehr oder weniger» professionell, da letztlich nicht gesagt werden kann, was als professionell oder nicht professionell bzw. als entwickelte oder weniger entwickelte Profession gelten mag. Darüber bestehen bei allen Ansätzen unterschiedliche Vorstellungen (Terhart, 2011, S. 216), was wohl auch auf die anderen beiden in diesem Kapitel beschriebenen Bestimmungsansätze von Professionalität zutreffen mag. Unabhängig von diesen unterschiedlichen Bestimmungsansätzen von Professionalität geht es letztlich immer darum, wie die Ausbildung innerhalb dieser Berufsprofession überhaupt aussehen muss und welche Inhalte gelehrt und gelernt werden sollen vor dem Hintergrund solcher Bestimmungsansätze. Das nächste Kapitel soll deshalb einen Überblick über vergangene und gegenwärtige Studien im Bereich des Professionswissens geben.

Theoretische Einordnung

2.2.3

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Professionswissen – Überblick vergangener und gegenwärtiger Studien

Zu Beginn des 2. Kapitels in der theoretischen Einordnung wurde aufskizziert, dass in den vergangenen Jahren in der Bildungsforschung das Augenmerk weg von der Messung von Kompetenzen auf Schüler*innenseite hin zur Kompetenzbetrachtung auf Seiten der Lehrpersonen rückte. Mit den ersten internationalen sogenannten Large-Scale-Studien wie TIMSS (seit 1995), PISA (seit 2000) und IGLU (seit 2006) wird die Lehrperson vermehrt in den Fokus des einerseits wissenschaftlichen und andererseits auch gesellschaftlichen Interesses gestellt. Einige Studien thematisieren und untersuchen damit die Genese (z. B. TEDS, LEK, PaLea, OBSERVE) und andere die Wirkung (z. B. COACTIV) von professionellen Kompetenzen. Daneben gibt es die Projekte wie FALKO und EKoL, welche den methodischen Einsatz von Text-, Videound Comicvignetten in Bezug auf fachspezifische Lehrerkompetenzen untersuchen. Diese Studien belegen auch in verschiedenen Fachbereichen positive Wirkungen professioneller Kompetenzen für schulische Lehr-LernProzesse und Schüler*innenleistungen. Während also in verschiedenen Fachbereichen empirische Befunde zu den Effekten von Lehrerkompetenzen auf die Unterrichtsgestaltung und den Lernerfolg von Schüler*innen vorliegen, fehlen diese für den Fachbereich Sport weitgehend. Leider lassen sich sowohl für den europäischen als auch für den angelsächsischen Raum nur wenig Forschungsbemühungen zur professionellen Kompetenz von (Sport-)Lehrpersonen finden (Heemsoth, 2016; Iserbyt, Ward & Li, 2017) (vgl. Kap. 2.6.4). Insbesondere fehlt es bisher an validen Wissenstests bzw. Instrumenten zur Erfassung professioneller Kompetenzen oder professionellen Handelns von Lehrpersonen im Fach Sport. Im Folgenden werden trotzdem einige (nicht abschliessende) Studien erwähnt, die sich mit der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen ganz allgemein auseinandergesetzt haben. TEDS-M In der internationalen Vergleichsstudie TEDS-M 2008 stand die übergeordnete Zielsetzung im Zentrum, ob angehende Mathematik-Lehrpersonen über ausreichende professionelle Kompetenzen verfügen oder nicht

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Theoretische Einordnung

(Oser, Biedermann, Brühwiler & Steinmann, 2015). In der Schweiz wurde TEDS-M durch einen Quasi-Längsschnitt ergänzt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen bei den künftigen Primarlehrpersonen auf einen Leistungsanstieg im Bereich des mathematikdidaktischen Wissens (PCK) hin, jedoch nicht im Fachwissen (CK). «Für die Sekundarstufe I sind sowohl in Mathematik (CK) als auch in Mathematikdidaktik (PCK) signifikante Leistungsdifferenzen zugunsten der Studierendenkohorte bei Studienende zu finden» (Brühwiler, Ramseier & Steinmann, 2015). Die motivationale Orientierung von Lehrpersonen erweist sich als signifikanter Prädiktor von hohem fachlichem und fachdidaktischem Wissen (Affolter, Hollenstein & Brühwiler, 2015). Ob sich die Resultate auf den Fachbereich Sport über die fachdidaktische Kompetenz übertragen lassen, bleibt an dieser Stelle jedoch offen. LEK In dieser Untersuchung geht es darum, wie sich pädagogisches Professionswissen im Verlauf der universitären Lehrerausbildung entwickelt. Im Rahmen des Projekts werden unterschiedliche Fragestellungen bearbeitet: «Welchen Einfluss haben individuelle Lernvoraussetzungen auf das pädagogische Professionswissen zu Beginn und im Verlauf des Lehramtsstudiums? Welchen Einfluss haben Lerngelegenheiten in der universitären Lehrerausbildung und ihre Nutzung durch die Studierenden auf das päda­ gogische Professionswissen?» (König & Seifert, 2012, S. 15). Die Resultate zeigen unter anderem, dass Lehramtsstudierende in Deutschland im vierten Semester über mehr pädagogisches Professionswissen verfügen als noch in ihrem ersten Semester. Studierende mit besserer Abiturnote weisen einen etwas umfangreicheren Wissenserwerb auf als Studierende mit einer schlechteren Abiturnote. Ebenfalls das Erteilen von Nachhilfeunterricht an einigen Universitäten führte zu günstigen Lernvoraussetzungen für die Entwicklung von pädagogischem Professionswissen. Da in dieser Untersuchung die allgemein pädagogische Wissenskomponente im Fokus liegt, lassen sich auch diese Ergebnisse nicht kongruent auf das Professionswissen im Sportunterricht übertragen (König & Seifert, 2012).

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PaLea Auch PaLea untersucht die professionsbezogene Entwicklung von angehenden Lehrpersonen bereits von Studienbeginn an bis hin zum Berufseinstieg. Die Untersuchung geht der Frage nach, welche Auswirkungen der Bologna-Prozess auf die berufsbezogene Entwicklung der Studierenden hat (Bauer et al., 2010, S. 34). Im Panel erfragt werden Bereiche wie das Professionelle Wissen, Werthaltungen und Überzeugungen, motivationale Orientierungen, überfachliche Kompetenzen, Nutzung von Lerngelegenheiten im Studium und Wahrnehmung der Qualität und in­ dividuelle Hintergrundmerkmale und Lernvoraussetzungen (Bauer et al., 2010, S. 48). Da in dieser Untersuchung lediglich Novizen (Studienbeginner und Studienabschliessende) befragt wurden, kann keine Aussage über die Entwicklung durch die Berufserfahrung gemacht werden. Das professionelle Wissen wurde über folgende zwei Inhaltsbereiche und Variablen erfasst: 1. Objektive Daten: Zensuren, erworbene Credit Points, 2. Subjektive Einschätzungen der Studierenden: Eigener Leistungsstand, Vergleich des eigenen Leistungsstandes mit anderen Studierenden. Aufgrund der inhaltlichen Definition der berufsbezogenen Kompetenzen und des fachdidaktischen Wissens wird bei PaLea ersichtlich, dass die Resultate gemäss der Definition in dieser vorliegenden Arbeit (und deshalb auch in Bezug auf das Fach Sport) unzulänglich gedeutet werden müssen. OBSERVE (Observe I, II und III) Bei diesem Projekt geht es um die Struktur und Entwicklung von professioneller Unterrichtswahrnehmung bei Lehramtsstudierenden. «Anlass des Projekts sind aktuell diskutierte Anforderungen an die Lehrerbildung, welche sich vor dem Hintergrund der Neuausrichtung (Modularisierung) der universitären Lehrerbildung stellen (Baumert & Kunter, 2006)» (Seidel, Bloomberg & Stürmer, 2010, S. 296). Im Zentrum dieses Forschungsprojekts stand die Frage, welche Kompetenzen Lehrpersonen entwickeln sollen, damit sie die beruflichen Anforderungen profes­sionell bewältigen können. Die Resultate deuten darauf hin, dass die professionelle Unterrichtswahrnehmung sich in drei Aspekte differenzieren lässt: Beschrei-

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Theoretische Einordnung

ben, Erklären, Vorhersagen. Für das Projektteam stellt die Konzipierung eines Instruments zur Erfassung der professionellen Wahrnehmung einen wesentlichen Bestandteil von Lehrer*innenexpertise dar (Seidel et al., 2010, S. 296). Die professionelle Wahrnehmung wird zwar als ein Teilbereich der fachdidaktischen Kompetenz aufgefasst, jedoch bildet sich darin nicht das gesamte Ausmass der fachdidaktischen Kompetenz ab, weshalb sich auch diese Resultate nicht passgenau auf die vorliegende Arbeit übertragen lassen. COACTIV COACTIV basiert auf der PISA-Studie und untersucht das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen von Mathematiklehrpersonen auf der Sekundarstufe. Genauer gesagt wird die «Genese, Struktur und Handlungsrelevanz professioneller Kompetenz von Lehrkräften» untersucht (Kunter et al., 2011, S. 7). Im Kompetenzmodell von COACTIV hat das professionelle Wis­ sen der Lehrkräfte eine zentrale Funktion. Denn wir gehen davon aus, dass eine angemessene Situationsanalyse, schnelle und dennoch angemessene Entscheidungen zwischen Handlungs­ alternativen und die Reflexion der Tätigkeit nur bei ausreichen­ dem Wissen über unterrichtsrelevante Konzepte und Strategien möglich sind. (Kunter et al., 2011, S. 346) Dabei wurden das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen explizit voneinander unterschieden. Insgesamt wird aus der COACTIV-Untersuchung deutlich, dass sich Lehrpersonen bezogen auf ihr Inhaltswissen (CK) deutlich unterscheiden. Diese Unterschiede werden den unterschiedlichen Ausbildungsgängen zugeschrieben. So verfügen Gymnasiallehrpersonen beispielsweise über höheres Fachwissen und fachdidaktisches Wissen. Die Autor*innen schreiben, dass sich dieser Unterschied des Wissens im praktischen Handeln der Lehrpersonen erkennen lasse: «Lehrkräfte mit hohem fachdidaktischem Wissen zeigten ein höheres Aufgabenpotenzial und stärkere Unterstützung der Schüler*innen [Hervorhebung J. V.], was sich in klaren Leistungsvorteilen dieser so unterrichteten Klassen niederschlug» (Kun-

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ter et al., 2011, S. 347). Für das Fachwissen lässt sich dieser Effekt aber nicht in vergleichbarem Umfang nachweisen. Die Autor*innen vermuten, dass allenfalls ein fundiertes fachliches Inhaltswissen (CK) «eine notwendige Bedingung für den Erwerb von fachdidaktischem Wissen, aber keine hinreichende Bedingung für hohe Unterrichtsqualität ist» (Kunter et al., 2011, S. 347). Es stellt sich aber auch hier die Frage, ob bezüglich des Sportunterrichts Gleiches gilt. FALKO Beim Projekt FALKO geht es um die fachspezifischen Lehrerkompetenzen in den Fächern Deutsch, Englisch, Latein, Physik, Musik und evangelische Religion. Wie die Autor*innen schreiben, geht es um die Erhebung von Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen. Das pädagogische Wissen, respektive die pädagogische Professio­ nalität, wurde anhand von 80 Textvignetten erhoben. Im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung wurde damit aber nicht das fachdidaktische Wissen, sondern das allgemein-pädagogische Wissen erhoben (Krauss et al., 2017). Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Untersuchung sind wohl, dass gymnasiale Lehrpersonen über mehr Fachwissen verfügen als Nichtgymnasiallehrkräfte. Diese Unterscheidung lässt sich auch bei den Studierenden erkennen. Studierende, welche im Gymnasial-Lehramt studieren, verzeichnen ein höheres Fachwissen als Studierende anderer Zielstufen. Beim fachdidaktischen Wissen scheint jedoch die Berufserfahrung ausschlaggebend zu sein. Hier weisen erfahrene Lehrpersonen grösseres fachdidaktisches Wissen aus als Studierende. Dies würde wiederum die Aussage untermauern, dass sich fachdidaktisches und fachspezifisches Wissen allenfalls doch getrennt voneinander erheben lässt (Lindl & Krauss, 2017). EKoL EKoL steht für Effektive Kompetenzdiagnose in der Lehrerbildung. Die Untersuchung ist auf die Determinanten und die «Entwicklung professio­ neller Kompetenzen angehender Lehrkräfte in beiden Ausbildungsphasen (Studium und Vorbereitungsdienst) ausgerichtet» (Krauss, 2018, S. 7). Denn auch in dieser Untersuchung beschreiben die Autor*innen,

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Theoretische Einordnung

dass das fachdidaktische Wissen und Können nebst einem ausreichenden Mass an Fachwissen als äusserst wichtig für die Unterrichtsqualität und die Leistungsentwicklung von Schüler*innen betrachtet wird (Rutsch, Schmitt & Dörfler, 2018, S. 75). Hierzu wurde in den Fächern Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und Technik versucht, Professionalisierungsprozesse in der Lehrerbildung empirisch, anhand von Text-, Bild- und Comicvignetten, zu erfassen. Die Arbeit mit unterschiedlichen Vignettenformaten stellt das Zentrum dieser Untersuchung dar. Das Ziel war es, «Unterrichtsvignetten zur Erfassung professioneller Kompetenzen einzusetzen und darüber hinaus der Frage nachzugehen, ob sich dieser Ansatz domänenübergreifend unter der Verwendung eines geschlossenen Antwortformats als geeignet erweist» (Franz, 2018, S. 180). Die Resultate plädieren durchwegs für einen Einsatz von Text-, Video- und Comicvignetten zur situativen Erhebung des fachspezifischen Wissens und Könnens, was durchaus auf die vorliegende Arbeit im Fach Sport übertragen werden kann. Diese (nicht abschliessende) Zusammenstellung der Studien zum pädagogischen Wissen und vor allem zum fachdidaktischen Wissen von Lehrpersonen verweisen auf die komplexen Inhalte der Wissensfacette PCK in der Unterrichtsforschung hin. Jedoch sind keine Studien bekannt, die den Fachbereich Sport separat erfasst haben oder deren Instrumente, Designs und Resultate sich massgeblich auf den Fachbereich Sport übertragen lassen. Deshalb scheint es eine gegebene Notwendigkeit zu sein, das Wissenskonglomerat PCK exklusiv für das Fach Sport zu erfassen, um die beschriebenen Resultate aus den oben dargelegten Studien zumindest für den situationsspezifischen Anteil des PCK zu erfassen. Dieses Kapitel zeigt deshalb deutlich auf, dass im Bereich des fachdidaktischen Wissens von Sportlehrpersonen eine unzureichende Anzahl an Forschungsergebnissen besteht, was damit die Forschungsnotwendigkeit klar aufzeigt.10

10

Weitere Forschungsbemühungen, das PCK konkret im Sport zu erfassen, werden im Kapitel 2.6 dargestellt.

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Zahlreichen solcher beschriebenen Studien ist jedoch gemeinsam, dass sie sich auf die Erfassung professioneller Kompetenzen von Studierenden im Vergleich zu Experten fokussieren, um allenfalls Rückschlüsse auf die Ausbildung oder die in der Ausbildung angesprochenen Themen zu erhalten. Die Wirkungskette beginnt bei der Ausbildung, führt hin zu den Studierenden selbst, um letztlich auch die Schüler*innenleistungen stetig und in valider Weise zu verbessern. Um zu zeigen, dass Unterschiede zwischen Studierenden (Novizen) und erfahrenen Lehrpersonen (Experten) bestehen, und um daraufhin auch die Notwendigkeit dieses Untersuchungsbereichs zu erfassen, werden im nächsten Kapitel die aktuellen Resultate zur Unterscheidung von Novizen und Experten thematisiert. 2.3 Experten- und Novizenforschung – ein Überblick 2.3.1 Definitorische Abgrenzung der Begriffe In den folgenden Kapiteln wird versucht, aufzuzeigen, wodurch sich eine Expertenlehrperson auszeichnet und wie sie sich von einer Novizenlehrperson unterscheidet. Im Zuge der Professionsforschung in der Lehrerbildung scheint ebenfalls nicht ganz klar zu sein, wie die Begrifflichkeiten der Expertise und der Expertisenforschung verwendet werden sollen. Beim Versuch einer Begriffsdefinition, was im Allgemeinen unter Experten verstanden wird, lassen sich ganz unterschiedliche Definitionen finden. Innerhalb der Theorie des Experten­interviews wird ein Experte wie folgt definiert: Im Begriff des Experten steckt die lateinische Sprachwurzel «expertus: erprobt, bewährt». Dieses «expertus» leitet sich von einem Verb her, das es nur in der Passivform gibt, nämlich «ex­ periri: prüfen, ausprobieren». In Lexika werden Experten ge­ wöhnlich als Sachverständige, Fachleute, Kenner charakteri­ siert. Der Experte ist jemand, so heisst es in der Encyclopedia Britannica, der sachkundig ist und über Spezialwissen verfügt. (Bogner, Littig & Menz, 2014a, S. 9)

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Die dem Experten zugrunde liegende Expertise und deren Expertisenforschung kann wie folgt beschrieben werden: «Expertise bedeutet auf Englisch so viel wie ‹Sachkenntnis›, ‹Kompetenz› oder ‹Geschick›» (Mieg, H. A., 2008, S. 3266). Auch wenn sich hier Mieg bei der Begriffsdefinition auf den Kontext der psychologischen Expertisenforschung bezieht, scheint sich seine Definition ebenfalls auf die Lehrerexpertise zu übertragen. Hauptakteure der Expertisenforschung sind demnach professionell handelnde (vgl. begriffliche Definition in Kap. 2.2) Expertenlehrpersonen. Rainer Bromme (1992) verweist hinsichtlich dieses Terminus des Experten darauf, dass ein Experte eine Person bezeichnet, welche berufliche Aufgaben ausführt, die nur durch eine lange Ausbildung und durch praktische Erfahrung erfolgreich 11 gemeistert werden. Bogner, Littig und Menz beschreiben das Expertenwissen wie folgt: «Das Besondere am Expertenwissen besteht nicht nur in dessen besonderer Reflexivität, Kohärenz oder Gewissheit, sondern auch insbesondere darin, dass dieses Wissen in besonderer Weise praxiswirksam und damit orientierungs- und handlungsleitend für andere Akteure wird» (Bogner, Littig & Menz, 2014b, S. 13 – 14). Hierbei schreiben die Autor*innen auch, dass ein Experte sich im Gegensatz zum Spezialisten nicht nur durch ein besonders ausgebildetes fachspezifisches Wissen auszeichnet, sondern auch durch die Fähigkeit, verschiedene Wissensbestände miteinander zu verbinden und diese zu reflektieren (Bogner, Littig & Menz, 2014b). Bezogen auf Experten im Umfeld der Schule und des Unterrichtens konkretisiert Bromme, dass damit zwei unterschiedliche Arten von Experten gemeint sein können. Einerseits sind Lehrpersonen-Experten von den Studienbeginnern oder Studienanfängern zu differenzieren, welche sich durch ihr breiteres und fundierteres Wissen und Können von dem eines Laien (oder hier Studienbeginners) abgrenzen lassen. Andererseits werden in der Professionsforschung auch Unterscheidungen vorgenommen zwischen Experten in einem bestimmten schulisch-pädagogischen Kontext und anderen Mitgliedern derselben Berufsgruppe. Hier grenzt sich ein Experte durch besonderes Wissen und Können in einem bestimmten

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Erfolgreich heisst in diesem Kontext, dass die berufliche Aufgabe ausgeführt werden kann; in Anlehnung an Krauss (2011).

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Bereich von den Nichtexperten ab, welche in einem anderen Bereich ein spezifisches Expertenwissen vorweisen können (Bromme, 1992, S. 7 – 8). In dieser vorliegenden Arbeit werden als Experten die erfahrenen Lehrpersonen beschrieben, währenddessen die Studierenden als Novizen bezeichnet werden. Auf der Basis dieser begrifflichen Unterscheidung werden im folgenden Kapitel einige Forschungsresultate zur Unterscheidung des Wissens und Könnens von Experten und Novizen dargestellt. 2.3.2  Bisherige Arbeiten zur Experten- und Novizenforschung Es gibt einige Studien und damit auch eine Vielzahl Autor*innen, welche den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Experten- und Novizenforschung im Allgemeinen, aber ebenfalls auf die Lehrerbildung legen. Im Folgenden wird eine Zusammenfassung der Forschungsschwerpunkte und Resultate gegeben. Allgemeine Unterscheidungen von Experten und Novizen Experten organisieren ihr Wissen explizit so, wie es für die Lösung von praktischen Problemen gebraucht wird. Und es gibt nicht nur eine Form des Expertenwissens – einfach deshalb, weil mit dem ursprünglich gleichen Wissensbestand verschiedene Typen von Problemen gelöst werden müssen. Die Frage nach den besonderen Merkmalen des Expertenwissens ist also theoretisch und empirisch weit offen. Allein durch den Verweis auf andere Schemata im Wissen der Experten gegen­ über dem Wissen der Anfänger ist sie nicht befriedigend zu be­ antworten. (Bromme, 1992, S. 22) Für Bromme liegt der entscheidende Unterschied zwischen einem Experten und einem Nichtexperten im Inhalt und in der Struktur des Wissens von diesen (Bromme, 1992, S. 26). Bromme schreibt, dass Experten und Beginner (bei Studien über das Wissen von erfahrenen und angehenden

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Medizinern) zwar ähnliche Schemata12 haben, jedoch seien die Experten in den Beschreibungen einer Problemanalyse gegenüber Beginnern sehr viel detaillierter und differenzierter. Hier formuliert er auch die These, dass Schachwissen keinesfalls unstrukturiert und ein Zusammenfügen von einzelnen Spielzügen ist, sondern dass die professionelle Spielweise eben viel komplexer sei. So gebe es typische Schachkonstellationen und differenzierte Bewertungshierarchien für bestimmte Spielzüge. Wer über das Wissen dieser internen Struktur des Schachspielens verfüge, könne das zu speichernde Schachwissen und auch die Zeit für die Suche nach geeigneten Spielzügen begrenzen (Bromme, 1992, S. 17). Das heisst, dass Experten im Allgemeinen über sehr viel mehr Detailwissen verfügen als die Novizen, und dieses Wissen sei auch gemäss einer Hierarchie geordnet. Bromme bezeichnet dies als «Detail / Hierarchie-Modell». Dieses Modell setze auch «einen klar gegliederten und hierarchischen Aufbau des anzueignenden Wissens voraus» (Bromme, 1992, S. 27). «Die Struktur des medizinischen Wissens müsste dann etwa so aussehen: Beginnend mit den allgemeinen Krankheits­begriffen an der Spitze einer Hierarchie gibt es eine zunehmende Detaillierung und eine klare Zuordnung von Symptomen, Befunden und Krankheitsbildern» (Bromme, 1992, S. 27). Bei Novizen des Faches sei diese «Detail / Hierarchie» (noch) nicht in dieser Art und Weise ausgeprägt vorhanden. Krauss fasst in seinem Artikel (2011, S. 176) über «das Experten-Paradigma in der Forschung zum Lehrerberuf» die bisherigen Forschungsschwerpunkte und Hauptergebnisse in einem historischen Überblick tabellarisch zusammen:

Tabelle 1: Ergebnisse der bisherigen Expertisenforschung. Modifiziert nach Krauss (2011, S. 176). Merkmal

Beispielhafte Evidenz

Allgemein Experten übertreffen Novizen nur im ­jeweiligen Bereich. 12

de Groot (1966), Chase und Simon (1973)

Hiermit ist die Art und Weise des verfügbaren Wissens gemeint.

Theoretische Einordnung

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Problemlösung Experten sind schneller.

de Groot (1978)

Experten sind genauer.

Johnson (1988)

Strategieunterschiede Experten lösen Probleme vorwärtsgerichtet, Novizen arbeiten vom Ziel her rückwärts (Physik).

Larkin et al. (1980)

Experten bevorzugen eine Breitensuche, Novizen eine Tiefensuche (beim Programmieren).

Anderson, Farrell & Sauers (1984)

Gedächtnis und Repräsentation Experten sortieren Aufgaben nach anderen Merkmalen als Novizen.

Chi, Feltovich und Glaser (1981)

Konzepte sind bei Experten anders und dichter verknüpft als bei Novizen.

Schvandeveldt et al. (1985)

Experten haben ein besseres episodisches ­Gedächtnis für Probleme und Lösungen.

Chase und Simon (1973)

Die Reihenfolge reproduzierter Gedächtnis­ inhalte (recall order) ist bei Experten eine andere als bei Novizen.

Reitman (1976)

Metakognition und Lernen Die Selbstüberwachung (self-monitoring) von Experten ist akkurater.

Simon und Simon (1978)

Einteilung von Ressourcen (z. B. Zeit) ist bei Experten besser.

Dörner und Schölkopf (1991)

Die Einschätzung von Aufgabenschwierigkeiten ist bei Experten genauer.

Chi, Glaser und Rees (1982)

Wahrnehmung und Chunking Experten nehmen umfangreiche bedeutungshaltige Muster wahr.

Chase und Simon (1973), Egan und Schwartz (1979)

Die Tabelle 1 zeigt auf, dass die Experten-Novizen-Forschung schon sehr früh (bereits in den 60er-Jahren) zum Thema gemacht wurde. Die zahlreichen Untersuchungen und Ergebnisse, welche hier zusammenfassend dargestellt werden, weisen darüber hinaus auf eine äusserst differenzierte Experten-Novizen-Forschung im Rückblick der Professionsforschung hin.

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Wahrnehmung von Unterrichtssituationen In einer Untersuchung von Bromme wurden den Proband*innen (angehende und erfahrene Lehrpersonen) Bilder von Schüler*innengruppen bei der Arbeit gezeigt. Die Bilder wurden den Proband*innen nur gerade eine Sekunde lang gezeigt, worauf die Anweisung kam, dass sie das Gesehene beschreiben sollten. Die Beschreibungen aller Proband*innen waren sehr exakt. Die angehenden Lehrpersonen gaben eher für den Unterricht unwesentliche Details (beispielsweise die Haarfarbe / das Geschlecht der Schüler*innen oder die räumliche Anordnung des Klassenzimmers) an (Bromme, 1992, S. 53), bei erfahrenen Lehrpersonen standen eher Beschreibungen zu den Schüler*innen und deren Arbeitsaktivitäten im Mittelpunkt (Bromme, 1992, S. 53). Darüber hinaus unterteilten die erfahrenen Lehrpersonen (Experten) die Situation zusätzlich in typische und untypische Situationen, wobei die Letzteren genauestens beschrieben und mit den eigenen Erfahrungen verknüpft wurden (Bromme, 1992, S. 53). «Und sie bezogen diese Vermutungen häufig auf ihre eigenen Erfahrungen und auf vermutete Wenndann-Beziehungen von Situationen, Ereignissen und Maßnahmen. Die Autoren deuten die Ergebnisse als Hinweis auf eine Organisation des Erfahrungswissens um typische Ereignisse des Unterrichts» (Bromme, 1992, S. 53). Ebenfalls kommentierten die Experten, gegenüber den unerfahrenen Lehr­ personen, für den Unterricht typische Ereignisse wie kleine Störungen, unaufmerksame Schüler*innen oder Gruppenarbeit mit grossen Gruppen – und auch die Aussagen innerhalb dieser Expertengruppe stimmten besser überein als in der Novizengruppe. Dabei verweist Bromme aber auch auf eine Untersuchung von Berliner und Carter (Berliner & Carter, 1986, S. 9), «dass es neben den Unterschieden zwischen den Gruppen von Experten, Anfängern und Anwärtern große interindividuelle Variationen innerhalb der Gruppen gab» (Bromme, 1992, S. 54). Gemäss Berliner verfügen Expertenlehrpersonen grundlegend über eine qualitativ andere Wahrnehmung von Situationen als Novizenlehrpersonen. Diese qualitativ andere Wahrnehmung sei charakterisiert durch ein tieferes Verständnis für problemorientiertes Handeln, welches sich durch eine höhere Sensitivität gegenüber «Situations- und Aufgaben-

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forderung» zeigt (vgl. Berliner, 1992, S. 235 – 236). Expertenlehrpersonen nutzen Umgebungsinformationen (visuelle Informationen, filtern Informationen zu Sozialformen und Arbeitsprozessen besser und haben den Überblick über die gesamte Lerngruppe) viel stärker als Novizen. Berliner beschreibt in diesem Zusammenhang auch, dass Expertenlehrpersonen Unterrichtssituationen in typisch und untypisch einteilen und dass Novizen bei der Analyse von bestimmten Situationen auf der Ebene der Beschreibung verweilen oder sich gar auf einzelne Schüler*innen fokussieren. Deshalb nehmen die Autor*innen an, dass der Blick von Novizen weniger holistisch und weniger auf Arbeitsprozesse gerichtet ist als bei Expertenlehrpersonen (vgl. Carter, Cushing, Sabers, Stein & Berliner, 1988; Lindmeier, 2013, S. 48 – 49). Interessant scheint auch die Ausführung zu sein, dass Novizenlehrpersonen sich anscheinend eher unwichtigen Details im Unterricht zuwenden, als dies Expertenlehrpersonen tun (Paseka & Hinzke, 2014b, S. 16 – 17). Es lässt sich aber zusammenfassend feststellen, dass bisher wenig Forschungsbemühungen zum Bereich der professionellen Wahrnehmung im Bereich der Lehrerexpertise gemacht wurden (Lindmeier, 2013, S. 50). Erkennen von bedeutungsvollen Mustern Darüber hinaus hat man festgestellt, dass Expertenlehrpersonen gegenüber Novizen in Routinesituationen bedeutungsvolle Muster schneller erkennen. In den genannten Situationen ist die Anzahl der erfassten Muster bei den Experten ebenfalls viel höher als bei den Novizen (vgl. Berliner, 1992, S. 240 – 241). In seinen Beispielen bezieht sich Berliner nicht nur auf Lehrpersonen im Unterricht, sondern auch auf Schachspieler und deren antizipierten Spielzüge. Die grundsätzlichen Aussagen lassen sich dennoch mehrheitlich auf den Sportunterricht übertragen, wenn es um die Antizipation von Lösungen in kritischen Situationen geht. Auch Schachspieler haben nicht unendlich viel Zeit zur Verfügung, um die Spielzüge in einem Spiel zu planen und zu realisieren. Wenn jedoch eine Situation als kritisch eingeschätzt wird, dann benötigen Experten länger, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen, wie Paseka und Hinzke beschreiben (2014b, S. 16 – 17). Auch John Hattie skizziert einige Grundzüge auf, wie Expertenlehrpersonen im Unterricht handeln:

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– Expertenlehrpersonen können die wichtigsten Möglichkeiten identifizieren, mit denen sie das Fach, das sie unterrichten, präsentieren. – Expertenlehrpersonen sind versiert in der Schaffung eines für das Lernen optimalen Klassenklimas. – Expertenlehrpersonen kontrollieren das Lernen und geben Feedback. – Expertenlehrpersonen glauben, dass alle Schüler*innen die Erfolgskriterien erreichen können. – Expertenlehrpersonen beeinflussen die Outcomes der Lernenden auf der Oberflächen- und Tiefenebene (Hattie, 2016, S. 27 –  31). Wenn es darum ging, dass angehende und erfahrene Lehrpersonen eine Klasse von einer vorhergehenden Lehrperson übernehmen sollten, dann hatten die Experten eine klare Vorstellung von den ihnen übertragenen Aufgaben und legten den Fokus auf die bisher unterrichteten Fachinhalte. Auch Probleme wurden anders wahrgenommen, woraus Bromme schliesst, dass Experten über anderes qualitatives Wissen über die Notwendigkeit der Klassenführung und Stoffvermittlung verfügen als ihre Vergleichsgruppen. Darüber hinaus verfügte das Wissen von erfahrenen Lehrpersonen gegenüber den unerfahrenen Lehrpersonen über «mehr Teilziele und Schritte, die zur Erfüllung der Aufgabe des Unterrichtens erforderlich sind» (Bromme, 1992, S. 57). Verarbeitung schriftlicher Informationen über Schüler*innen, Klasse und Unterrichtsverlauf Bromme berichtet über eine Untersuchung, in der den unterschiedlichen Probandengruppen von Lehrpersonen schriftliche Informationen über eine Klasse gegeben wurden, die sie auf eine spätere Übernahme dieser Klasse vorbereiten sollten. Beginner wie auch Experten lehnten es dabei ab, in der vorgegebenen Zeit Detailinformationen zu einzelnen Schüler*innen zu lernen. Die Begründungen dieses Entscheids waren jedoch unterschiedlich. Während die unerfahrenen Lehrpersonen (Novizen) verlauten liessen, dass sie sich lieber ihr eigenes Urteil über die Schüler*innen machen wollten, gaben die erfahrenen Lehrpersonen zur Antwort, «dass sie in der ersten Stunde eine ganz andere Aufgabe hätten, als sich mit einzelnen Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] zu beschäftigen» (Bromme, 1992, S. 55). Für die Experten war es wichtig, sich ein

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Bild über die Klasse als Ganzes zu machen, statt einzelne Schüler*innen in den Fokus der Vorbereitung zu rücken. «Die Anwärter ordneten dagegen die Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] in Gruppen, z. B. bildeten sie Gruppen von Schüler*innen [Hervorhebung J. V.], die Disziplinprobleme erwarten liessen und deshalb beachtet werden sollten» (Bromme, 1992, S. 55). Bromme beschreibt zusammenfassend, dass Experten den Fokus stärker auf Fachinhalte legen. Dies beinhaltet ein besonderes Augenmerk auf den erreichten Lernstoff, auf die Hausaufgaben und die Tests der Schüler*innen. Darüber hinaus befassten sie sich auch eher mit den in der Klasse vorherrschenden fachdidaktischen Techniken des Unterrichtens. Bromme verweist bei den Novizen, im Kontrast zu den Experten, auf Vergleichsergebnisse von Berliner und Carter (1986): Von den Anwärtern berichten Berliner und Carter (1986) dem­ gegenüber, dass sie am wenigsten die Aufgabe der Unterrichts­ gestaltung als Ganzes im Blick hatten; sie sahen den weiteren Unterricht viel stärker in Bezug darauf, wie sie sich gegenüber den einzelnen Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] verhalten soll­ ten. (Bromme, 1992, S. 55) Demgegenüber können sich aber Novizen viel besser an Details erinnern. Beispielsweise an Fakten über einzelne Schüler*innen (Bromme, 1992, S. 55). Ganz allgemein seien die Novizen darum bemüht gewesen, möglichst alle Informationen aufzunehmen – unabhängig der Wichtigkeit der Information (Bromme, 1992, S. 56). Die Experten konnten sich wiederum nur schlecht an solche Details erinnern. Eine Expertenlehrperson begründete dies damit, dass sie solche Fakten gar nicht verwende. Lediglich bei Fragen zur Klassenstärke und zu einem spezifischen Schüler mit Lernbehinderung konnten die meisten Experten die Fragen beantworten (Bromme, 1992, S. 55 – 56). Novizen nannten auch häufiger die Befürchtung, dass sie die Komplexität des Unterrichts nicht bewältigen könnten. Experten hingegen drücken mehr Sicherheit aus, mit der zu übernehmenden Klasse adäquat umgehen zu können. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Novizen resp. Beginner zwar mehr Informationen aufnehmen, speichern und wiedergeben können, jedoch können diese – im Gegensatz zu den

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erfahrenen Lehrpersonen, den Experten – weniger zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen unterscheiden, wie es Bromme beschreibt (Bromme, 1992, S. 56). Situationsspezifische Organisation des Expertenwissens In einem separaten Kapitel widmet sich Bromme der fallspezifischen Organisation des Expertenwissens im Allgemeinen. Darin skizziert er auf, dass einige Befunde darauf hinweisen, dass es qualitative Unterschiede zwischen dem Wissen von Experten gegenüber dem Wissen von Nichtexperten in der «situations- und anforderungsspezifischen Umorganisation des Lehrbuchwissens» gibt (Bromme, 1992, S. 30). Dabei zeigt er auf, dass beispielsweise das Wissen und die fallorientierte Vorgehensweise bei Medizinern dem Durchstöbern von verschiedenen Zügen eines Schachspielers ähnelt: Wollte ein Arzt die Taxonomie der Infektionskrankheiten syste­ matisch durchsuchen, um vorliegende Befunde zu interpretie­ ren, so käme dies dem Durchmustern aller möglichen Züge bei dem Schachspiel gleich. Es muss vielmehr bereits fallbezoge­ ne Abstraktionen geben, die zwischen dem Grundlagenwissen über Krankheiten und den aktuellen Daten liegen. (Bromme, 1992, S. 30) Dasselbe könnte man hier auf das situationsspezifische Wissen von Sportlehrpersonen anwenden. Es müssten demnach auch bei den Sportlehrpersonen fallbezogene Abstraktionen existieren, welche zwischen dem in der Lehrerausbildung generierten fachlichen und dem fachdidaktischen Grundlagenwissen und dem in der Situation beschriebenen Problem liegen. In weiteren Untersuchungen verweist Bromme auch auf Untersuchungen mit erfahrenen Medizinern und Studierenden der Medizin.13 Den Proband*innen wurden verschiedene medizinische Befundberichte vor-

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Dabei verweist Bromme (1992) auf zahlreiche weitere Forschungsarbeiten, auf die aber hier nicht genauer eingegangen wird (vgl. Chase & Simon, 1973; Norman, Jacoby, Feightner & Campbell, 1979; Muzzin et al., 1982; Schmidt, Boshuizen & Hobus, 1988, sowie Schmidt & Boshuizen, 1990).

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gelegt, wobei man um eine möglichst genaue Wiedergabe des Falles und eine anschliessende Diagnose bat. Die Diagnosegüte wurde gemäss der Erwartung mit zunehmender Erfahrung besser, weshalb Experten gegenüber den Medizinstudierenden besser abschnitten. In derselben Studie wurde zusätzlich auch die Erinnerungsleistung von Details abgefragt. Dabei wurde ersichtlich, dass sich Experten wie auch Studierende Details zu vorgelegten Fällen in der Medizin in etwa gleich gut merken konnten. Liess man ein wenig Zeit vergehen, so konnten sich aber die Studierenden noch besser an die in den Fällen geschilderten Details erinnern als die Experten, was Bromme (1992) mit dem Begriff des «U-förmigen» Zusammenhangs erklärt. Die Erinnerungsleistungen an Details und die einzelnen Fälle waren bei den älteren Medizinstudierenden am besten. Studienbeginner und erfahrene Mediziner schlossen demgegenüber schlechter ab. Diese Resultate lassen sich zum Teil unter Vorbehalt auf die Lehrerexpertise übertragen, da es im Sportunterricht weniger um das Erinnern an Details geht als um das schnelle situationsspezifische Handeln in einer kritischen Situation des Sportunterrichts. Ähnlich dieser Hierarchie kann jedoch die situationsspezifische Ordnung von Expertenwissen sein. Gemäss all diesen Ausführungen wird jedoch davon ausgegangen, dass ebenfalls erfahrene Sportlehrpersonen wohl die genannten kritischen Situationen adäquater einschätzen als unerfahrenere Lehrpersonen. Aufgrund der Ausführung im letzten Abschnitt – der fallbezogenen Organisation von Wissen, welche der situationsbezogenen Organisation des Wissens begrifflich sehr nahekommt – wird versucht, die Determinanten des Wissens herauszuarbeiten, welche situationsspezifisch geprägt sind. 2.4 Experten- und Novizenforschung – Situationsspezifische Determinanten 2.4.1 Unterrichtliches Handeln als Akt der Ungewissheit Was ist Unterricht? Vielleicht sollte an dieser Stelle ganz grundsätzlich beschrieben werden, was Unterricht ist und welche Aufgaben mit Unterricht überhaupt verfolgt werden müssen. Hierzu gibt es unterschiedliche Definitionen.

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Geier und Pollmanns (2016) gehen in einer ganzen Publikation zur Schulund Unterrichtsforschung auf die Frage ein, was Unterricht denn sei. Die zahlreichen Beiträge von unterschiedlichen Autor*innen zeigen auf, dass je nach Blickwinkel die Begrifflichkeiten von Unterricht ganz anders definiert werden. Folgende Beispiele sollen einen kurzen Eindruck geben, anhand welcher Bedingungen Unterricht definiert werden kann. Andreas Gruschka geht bei der Frage nach Unterricht zunächst einmal so vor, dass er versucht, zu verstehen, was alles nicht Unterricht ist. Für ihn ist letztlich ein zentrales Merkmal von Unterricht der gegebene Rahmen und die Art und Weise, wie Lehrpersonen mit ihren Schüler*innen interagieren und sie zum Lernen anweisen. Das heisst, dass Unterricht am objektiven Handeln der Lehrperson festgemacht wird (Geier & Pollmanns, 2016, S. 226). Dabei beschreiben Oliver Hollstein, Wolfgang Meseth und Matthias Proske Unterricht ebenfalls als Interaktionssystem. Unterricht unterscheidet sich bei Gruschka von anderen Interaktionssystemen dadurch, dass es «darauf spezialisiert ist, Lernen und Bildung wahrscheinlich zu machen». So sehen sie Unterricht nicht wie bei Gruschka ausgehend von der Lehrperson, sondern ausgehend vom Interaktionssystem (Geier & Pollmanns, 2016, S. 227). Auch Tanja Tyagunova und Georg Breidenstein sehen Unterricht anhand bestimmter konstitutiver Merkmale. Der Unterricht wird bei diesen Autor*innen von einem situativen Moment aus bestimmt, der jedoch nicht verallgemeinert werden kann, da sie sich lediglich auf die dargelegte Situation beziehen (Geier & Pollmanns, 2016, S. 228). Im Gegensatz dazu definieren Sabine Reh und Denise Wilde den Unterricht ähnlich Scherlers didaktischem Stern, nämlich durch den Gegenstand der Vermittlung und die dadurch interagierenden Subjekte (Geier & Pollmanns, 2016, S. 228). Zusammenfassend können konstitutive Merkmale wie einerseits die agierenden Subjekte Lehrpersonen und Schüler*innen herausgearbeitet werden. Nebst diesen eher statischen Merkmalen werden in den Definitionen auch die Interaktionen des Systems Unterricht hervorgehoben. Auch Terhart hat sich in seiner Publikation «Didaktik – eine Einführung» Gedanken über die Wesensmerkmale von Unterricht gemacht. Er bezeichnet das Unterrichten als einen Vorgang,

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… in dessen Verlauf von Seiten des Unterrichtenden aus der Versuch unternommen wird, eine Erweiterung des gegebenen Wissens-, Kenntnis- und Fähigkeitsstandes auf Seiten des bzw. der Unterrichteten hervorzurufen. Damit dieser Vorgang zustan­ de kommt, ist also zumindest das Vorhandensein einer unter­ richtenden sowie einer unterrichteten Seite notwendig. (Terhart, 2009, S. 102). Wahrscheinlich ist auch diese Definition nach Terhart diejenige Form, welche sich am besten für die vorliegende Arbeit eignet, auch wenn die oben erwähnten Merkmale von Unterricht ebenfalls von Bedeutung sind. Trotz dieser zahlreichen Definitionen und Mutmassungen rund um den Unterrichtsbegriff gibt es ein konstitutives Merkmal, welches wahrscheinlich all diesen Versuchen, Unterricht zu definieren, zugrunde liegt. Nämlich das konstitutive Merkmal von Ungewissheit. Kein Ausgang von Unterricht ist vorhersehbar, auch wenn der Rahmen der Planung, der Subjekte und der Sache noch so gut geplant wird. Interaktionen können nie ganz vorhersehbar sein (vgl. Kap. 2.4.1). Ungewissheit als konstitutives Merkmal von pädagogischem Handeln So beschreibt auch Košinàr, dass das Lehrerhandeln im Unterricht von Ungewissheiten geprägt ist. «Pädagogische Handlung ist weder reglementierbar noch standardisierbar, weil sie in der sinnhaften Annäherung an den Unterrichtsgegenstand einem dynamischen Interaktionsprozess unterliegt, dessen Ausgang offen ist» (Košinàr, 2014, S. 24). Auch Baumgartner (2017b) verweist auf die Komplexität von unterrichtlichem Handeln hin. Baumgartner geht weiter und beschreibt, dass Lehrpersonen einer ständigen «unterrichtlichen Verlaufsunsicherheit» ausgesetzt seien. Diese Verlaufsunsicherheit sei aufgrund der Struktur des Sportunterrichts sogar besonders hoch, im Gegensatz zu anderen Fächern. Der Sportunterricht grenzt sich nämlich durch seine hohe «raumzeitlich» geprägte Dynamik von den anderen Fächern ab. «Sportlehrer sind gefordert, die bewegungsbezogene Dynamik der Schüler*innen in grösseren Bewegungsräumen (z. B. Sporthalle, Schwimmbad etc.) auf die unterschiedlichen Zielsetzungen hin zu koordinieren, was eines zu-

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sätzlichen Engagements seitens der Sportlehrer bedarf» (Baumgartner, 2017b, S. 32 – 33). Dieses unterrichtliche Handeln beschreiben Paseka, Keller-Schneider und Combe wie folgt: Kein Begriff der Handlung und keine gesellschaftliche Praxis kann ohne Kontingenz, d. h. ohne die Erfahrung von Offenheit und Ungewissheit gedacht werden. Man weiss nie, wie die Er­ fahrungen von Offenheit und Ungewissheit gedacht werden. Man weiss nie, wie die Sache ausgeht. Die Frage ist, wie Gesell­ schaften in ihren Objektbereichen, so auch im Falle von Erzie­ hung, Bildung und Lernen, mit Kontingenz, also mit Situationen und Problemlagen der Ungewissheit und Unbestimmbarkeit, umgehen. (Paseka, Keller-Schneider & Combe, 2018, S. 1) Die Ausführungen zeigen auf, dass diese Offenheit und Ungewissheit ein konstitutives Merkmal von Unterricht zu sein scheint und dass Unterricht ohne dieses konstitutive Merkmal gar nicht existieren könnte. Der Schwerpunkt, welcher hier ins Zentrum gesetzt wird, geht vielmehr der Frage nach, wie Lehrpersonen mit dieser Kontingenz umgehen. Die Autor*innen schreiben ebenfalls, dass sich damit eine lineare Planbarkeit geradezu verabschiede. Trotz jeglicher Planung und Vorausschau bestehe eine Ungewissheit des Verlaufs. Und dennoch sind Lehrpersonen stets darauf bedacht, möglichst eine allgemeine Struktur zu finden, anhand derer sie den Unterricht bestreiten können. Ein sogenanntes Gerüst, dass in den meisten nicht planbaren und unvorhersehbaren Situationen als Grundpfeiler für Handlungsabläufe gilt. Paseka, KellerSchneider und Combe (2018, S. 2 – 3) nennen aber genau diese Art von Struktur als eine Einengung der Handlung selbst. Denn «Ungewissheit ist konstitutiver Bestandteil von Unterricht: einerseits bei der Suche nach passenden Anschlüssen, um das Unterrichtsgeschehen aufrechtzu­ erhalten, andererseits beim situativ-flexiblen Eingehen auf sich zeigende Lernprozesse. Dennoch wird Unterricht vielfach von Schliessungen dominiert» (Paseka & Schrittesser, 2018, S. 31). Wie Paseka und Schritt­ esser schreiben, bringen Ungewissheiten bei den Lehrpersonen meist

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ein Gefühl von Unbehagen mit sich und der Wunsch nach Schliessung drängt sich auf, um auf der «sicheren» Seite zu sein. Das Moment von kritischen Situationen Das konstitutive Merkmal der Ungewissheit kommt besonders bei kritischen Unterrichtssituationen zum Vorschein. Kritische Situationen werden als unstrukturiert beschrieben, für die es kein objektiv definiertes Set von Tatsachen und Faktoren gibt (vgl. Neuweg, 2004, S. 297), wie dies bereits in der Einleitung (vgl. Kap. 1.1) beschrieben und definiert wurde. Diese Situationen enthalten zahlreiche Faktoren und Muster, die es schwierig machen, den Ausgang genau zu bestimmen. Kurzum heisst dies, dass weder die Folgen von Entscheidungen genau bekannt sind noch die Informationen, die es braucht, um dieses kritische Moment erfolgreich zu lösen. Wie diese Situation überhaupt eingeschätzt wird, hängt ebenfalls vom Interpreten ab, der entscheidet, ob eine sofortige Massnahme eingeleitet werden muss oder nicht (Neuweg, 2004). Aus diesen Ausführungen lässt sich ein wichtiges konstitutives Merkmal definieren, dass nämlich unterrichtliches Handeln ungewiss und auch nicht vollends planbar ist. Das nächste Kapitel soll deshalb auf dieser Grundlage weitere situationsspezifische Determinanten des unterrichtlichen Handelns von Lehrpersonen aufzeigen. 2.4.2 Situationsspezifische Anforderungen – Erfahrung, Einstellung und Bewertung von Situationen Rosenberger (2013) fasst die theoretische Diskussion der Modelle über das Handeln von Lehrpersonen pragmatisch zusammen. «Konzepte des situativen, kontextbezogenen und situativ-improvisierenden Handelns lösen zunehmend klassische Modelle des planmässigen, hierarchischsequenziellen Handelns ab» (2013, S. 159 –160). Auch sie beschreibt, dass nicht mehr planmässig im Sinne eines Rezeptbuches vorgegangen werden könne, sondern dass das Wissen und Können von Lehrpersonen eher situativ und kontextbezogen angewendet werde. In der Grundlage zu ihrer Untersuchung zur Differenzfähigkeit bei Lehramtsstudierenden beschreibt sie das professionelle Handeln von Lehrpersonen. Das Handeln von Lehrpersonen sei nämlich keine Realisierung von zuvor explizit

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getroffenen Entscheidungen oder ein routinemässiges Wiederholen von bereits bekannten Handlungsmustern. Sie beschreibt diese Kompetenz als vielschichtiger. Es geht also auch bei Rosenberger (2013) nicht um die Erfassung eines statischen Wissens und Könnens, sondern es geht um ein prozesshaftes, ein prozedurales Wissen und Können. Dabei geht es bei ihren Begrifflichkeiten darum, was Lehrpersonen denken, wenn sie mit einer bestimmten Situation konfrontiert werden. Was nehmen diese wahr, und wie kon­struieren und beurteilen sie das Geschehen? Diese Abwägungen, welche Lehrpersonen in diesem Moment machen, haben Auswirkungen auf das weitere Tun oder allenfalls Lassen in der jeweiligen und darauffolgenden Situation. Dabei fokussiert Rosenberger die Differenzfähigkeit von Lehrpersonen. Für sie ist jedoch klar, dass das Wissen, welches Lehrpersonen in solchen Situationen mitbringen und zeigen, aus formellem und informellem, aus abrufbarem und implizitem Wissen zusammengesetzt ist (Rosenberger, 2013, S. 159 –160). «Es hat biografische Anteile und spiegelt aber auch individuelle Werte der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft wider» (2013, S. 159 –160). Auch Brommes Beschreibungen über professionelles Wissen gehen über bewusst gelernte Fakten, Theorien und Regeln hinaus. Sie werden ebenfalls von den gemachten Erfahrungen – die auch Rosenberger (2013) beschreibt – und der Einstellung der Lehrperson beeinflusst. Seine Begriffsbildung beinhaltet deshalb auch Wertvorstellungen, zusätzlich zum deskriptiven und erklärenden Wissen (Bromme, 1992, S. 10). In seinem 1992 erschienenen Buch beschreibt er einige Experimente mit Versuchspersonen aus den Bereichen des Schachspielens, der Techniken für elektronische Anlagen, der Physik und der Medizin. Bei Schachspielern fiel zwischen den guten Spielern und den Profispielern auf, dass die Profispieler eher über starke Spielzüge nachdachten, währenddessen bei den guten Spielern – den Schwächeren – viel Zeit für das Überlegen von weniger geeigneten Spielzügen draufging (Bromme, 1992, S. 15). «Aus diesen Ergebnissen wird meist die Schlussfolgerung gezogen, der Experte habe vor allem eine grosse Menge bereichsspezifischen Wissens über Schachpartien. Die blosse Menge des überdauernd gespeicherten Wissens erklärt jedoch nicht ausreichend die Höchstleistungen» (Bromme, 1992, S. 17). Bromme beschreibt, dass das Wissen von Schachex-

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perten nicht nur reines Wissen um gute Spielzüge ist, sondern es enthält auch Strategien und Bewertungen, die es erlauben, mögliche Spielzüge auszuwählen und auch die Antizipation dieser Spielzüge zu begrenzen. Bei Expertenlehrpersonen ist ebenfalls die Wahrnehmung in Form von sogenannten «Ereignisschemata» organisiert (Bromme, 1992). Sie beruht auf den eigenen Erfahrungen, die im Unterricht gemacht wurden (vgl. Kap. 2.4). Wie durch die Ausführungen von Bromme bereits beschrieben wurde (vgl. Kap. 2.3.1), scheint die Wahrnehmung von Experten und Novizen ganz grundsätzlich zu differieren. Wyss schreibt, dass die Wahrnehmung von Expertenlehrpersonen «kategorial» organisiert ist. Das heisst, es werden nicht einzelne Ereignisse aneinandergereiht, sondern das Ereignis wird in seiner komplexen «Situation begrifflich [erfasst]» (Wyss, 2013, S. 27). Die Fachinhalte und die Beziehungen zwischen den Subjekten werden in Bezug zueinander gesetzt. Wyss führt aus, dass diese Wahrnehmung auf persönlichen Erfahrungen aufgebaut und untrennbar mit dem eigenen Können verbunden ist. Für die Autorin ist dieses Wissen auch nicht akademisch erlernbar, da es nur in konkreten Praxissituationen angeeignet werden kann (Wyss, 2013). All diesen Ausführungen nach scheinen ergo Expertenlehrpersonen in der Situation auf gemachte Erfahrungen zurückzugreifen. Ebenfalls beeinflusst die Einstellung der Lehrperson das jeweilige Handeln, welches wiederum biografisch geprägt ist. Lüsebrink, Messmer und Volkmann (2014) beschreiben, dass dieses Wissen anhand biografischer Erfahrung neu geordnet werden kann. Die Vergangenheit wird durch das biografische Wissen struktu­ riert und geordnet. In Bezug auf die Zukunft dient es zur Planung des weiteren biografischen Projekts und hat großen Einfluss da­ rauf, welche Erfahrungsräume überhaupt aufgesucht werden. Es handelt sich also um ein prozesshaftes, dynamisches Wis­ sen, das auf lebensgeschichtlichen Erfahrungen basiert und exemplarisch erworben wird. Im Laufe des Lebens wird dieses Wissen aktualisiert, überformt und neu geordnet. Es bildet die Grundlage zur Orientierung im sozialen Raum. (Lüsebrink et al., 2014, S. 25) (vgl. Kap. 2.5)

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Wohl auch diese Ausführungen lassen erahnen, dass Expertenlehrpersonen auf einen grösseren Wissenskorpus dieser Wissensanteile zurückgreifen können als Novizen. 2.4.3  Kommunikation in der Situation Sprache und Kommunikation generell scheinen im Sportunterricht einen wichtigen Bereich einzunehmen. In keinem anderen Schulfach ist beispielsweise der Zeitpunkt einer sprachlichen Äusserung, ausgehend von der Lehrperson, so zentral wie im Fach Sport. Verpasst eine Lehrperson eine wichtige Instruktion und entlässt sie die Schüler*innen bereits in das spielerische oder übende Moment, dann muss durch einen erneuten verbalen Hinweis das Tun der Schüler*innen unterbrochen werden. Dies kann aufgrund der gesteigerten Lautstärke in einer Sporthalle zu einem Unterbruch des Übens oder Lernens für alle Schüler*innen führen. Friedrich schreibt zudem, dass «Erklärungen der Sportlehrer dabei nachweisbare Bestandteile der Kompetenzförderung bei Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] im Schulsport sind [sic]», was ein zweites Motiv zu sein scheint, wieso der Sprache im Sportunterricht ein Augenmerk zugesprochen werden soll (Friedrich, 2013, S. 11). Wie deshalb Frei (2012) betont, hat der Begriff der Kommunikation in der Pädagogik eine Tradition. Er liegt quer zu den unterschiedlichsten pädagogischen The­ orien und Vorstellungen. Nicht selten sind hohe Erwartungen an ihn gebunden. Erzieherisches Handeln ist ohne einen Ver­ weis auf die Bedeutung von Kommunikation, z. B. im Sinne ei­ nes durch Lehrer*innen [Hervorhebung J. V.] und Schüler*innen [Hervorhebung J. V.] gemeinsamen Herstellens von Situationen des Lernens und Lehrens, kaum vorstellbar. (Frei, 2012, S. 17) Bereits Mitte der 70er-Jahre wurden die ersten Systeme für die qualitative und quantitative Analyse von Sportlehrersprache entwickelt (2012, S. 20). Frei bezieht sich in seinen Ausführungen auf Ungerer (Ungerer, 1973), der einer der Ersten war, der «sich im Kontext von Schule und Unterricht mit der Sprache des Sportlehrers beschäftigte» (Frei, 2012, S. 20).

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Er [Ungerer] begriff Sprache als verbale Information innerhalb eines sensomotorischen Lernprozesses, in dessen Verlauf Lehrer*innen [Hervorhebung J. V.] und Schüler*innen [Hervor­ hebung J. V.] die Rollen von Sender und Empfänger einnehmen. Danach erteilt in der Regel der Lehrende lnstruktionen, die der Lernende über seine Sinnesorgane aufnimmt und in motori­ sche Prozesse überführt. Die verbale Information wirkt somit als Steuerung. Auch wenn dieses Verständnis von Sprache stark behaviouralen und kybernetischen Charakters war, so wurde dennoch die Diskussion darüber, welche Bedeutung der Spra­ che im Rahmen sportwissenschaftlicher Kontexte zukommt und zukommen könnte, angekurbelt. (Frei, 2012, S. 20) Auch Drexel beschreibt in seinen Ausführungen etwas ganz Zentrales für die Sprache im Unterricht. Er geht davon aus, dass Handlungen (oder die Unterlassung einer Handlung) nur dann erziehungswirksam sind, wenn die Schüler*innen diese auch wahrnehmen können. Deshalb sei es naheliegend, dass die Sprache der Sportlehrperson nicht nur eine generelle Beachtung erhält, sondern dass auf «das Sprechen als Handlung in konkreten Situationen des Sportunterrichts» geachtet wird (Drexel, 1975, S. 174). Mit Sprechen als Handlung meint auch Frei (2012) all jene sprachlichen Äusserungen von Lehrer*innen, die in der Situation an die Schüler*innen gerichtet sind. Hierunter fallen auch situationsspezifische Dialoge zwischen den Lehrer*innen und ihren Schüler*innen. Auch Reichertz (2014) setzt sich in seinem Artikel über «Die Fallanalyse als soziale Praxis der Lehrerbildung» ganz allgemein mit der Bedeutung von Kommunikation in der Lehrerbildung auseinander. Er schreibt, dass menschliche Kommunikation immer eine pragmatische Funktion hat. Für ihn geht es in der Kommunikation immer um eine Koordination der Sprache. ­­«… dazu gehört immer und unhintergehbar die Darstellung und Feststellung der eigenen Identität, der des Gegenübers, des Verhältnisses zueinander und dessen, was die Wirklichkeit sein soll» (Reichertz, 2014, S. 23).

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Was Reichertz damit sagen will, ist, dass der sprachliche Inhalt nicht losgelöst von der eigenen Person, vom Gesprächspartner, von der Beziehung zwischen den beiden Gesprächspartnern und letztlich auch von der Situation (der Wirklichkeit) zu beurteilen ist. In solchen Momenten ist die Kommunikation mehr als nur ein Mittel zur Verständigung, was sie durchaus auch sein kann, aber nicht nur. «… sondern Kommunikation ist immer auch die menschliche Praktik, mit der zugleich Identität, Beziehung, Gesellschaft und Wirklichkeit festgestellt werden» (Reichertz, 2014, S. 23). Dabei schreibt Reichertz auch, dass Kommunikation nicht nur der Übermittlung von Informationen dient, sondern vor allem der Vermittlung von sozialer Identität und damit einhergehend der Vermittlung von sozialer Ordnung. Aus diesem Grund kommt es dabei regelmässig zu Konflik­ ten. Die Annahme, der andere habe ein Interesse daran, sich vom Kommunizierenden steuern, auf eine bestimmte Identität festlegen zu lassen und sich deshalb an diesem Steuerungs­ prozess bereitwillig zu beteiligen, und dies auch noch im Sinne des Steuernden, ist ziemlich weltfremd – obwohl es empirisch durchaus vorkommen kann. (Reichertz, 2014, S. 24) Und deshalb sei schulische Kommunikation auch immer Sozialerziehung oder wie es in der Soziologie genannt wird, schulische Kommunikation ist Sozialisation. «Aber in der Schule findet sie auch gewollt und systematisch statt – manche Werte und Normen werden dabei explizit benannt, andere nicht (hidden curriculum)» (Reichertz, 2014, S. 24). Dabei meint Reichertz auch, dass man diese Art von Sozialisation gar nicht umgehen könne, sie finde einfach statt – immer und überall. Er stellt sich hier die Frage, ob sie teilweise geplant ist oder ob diese Sozialisation eher implizit bestimmt wird. Für Bohnsack ist deshalb wichtig, dass der Sprecher und der Hörer über eine gemeinsame kulturelle Grundlage (kulturelle Erfahrung, kultureller Hintergrund, Erfahrungshintergrund) verfügen. Eine Interpretation des Gesagten sei erst möglich, wenn ein gemeinsamer Erfahrungshintergrund der beiden Parteien bestehe. Weil der Hörer immerzu Interpreta­tionen

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des Gehörten erbringen muss, so ist dieser beschriebene gemeinsame Erfahrungshintergrund von höchster Bedeutung (Bohnsack, 2014, S. 21). Zur Frage, wie sich die Sprache im Unterricht zwischen Novizen und Experten unterscheidet, gibt es nur einige wenige Erkenntnisse. Kleinschmidt beschreibt die noch nicht empirisch gesicherte Beobachtung, dass vor allem Studierende in den niedrigeren Klassen Schwierigkeiten aufzeigen, ihr Sprachniveau dem der Schüler*innen anzupassen. Eine zweite Beobachtung ist jene, dass Lehrpersonen mit niedriger Berufserfahrung (Novizen) weniger Erklärungen und damit auch einen geringeren Redeanteil aufweisen als erfahrene Lehrpersonen (Experten) (Kleinschmidt, 2016, S. 107). Wie sich jedoch die gesprochene oder geschriebene Sprache zwischen Novizen und Experten im Detail unterscheidet, ist ungeklärt. Falls davon ausgegangen wird (vgl. Kap. 2.2.2), dass die zu unterrichtenden Themen von Novizen und Experten kognitiv unterschiedlich strukturiert werden, muss diese Differenz ebenfalls im Sprach- und Schriftverhalten von Novizen und Experten zu finden sein. All die Ausführungen beschreiben, dass die wechselseitige sprachliche Kommunikation in der Situation wichtig ist, wenn es darum geht, eine Situation zu beurteilen. Es wird damit aufgezeigt, dass generell der Sprache im Unterricht ein hoher Stellenwert zukommt und dass die jeweilige Situation im Sportunterricht massgeblich geprägt ist von dieser Kommunikation. Wenn auf der einen Seite der Kommunikation die Sprache steht, so verstecken sich dahinter auch zahlreiche Absichten und Gedanken von Lehrpersonen. Deshalb soll in einem nächsten Kapitel die Reflexionsfähigkeit und die damit verbundene Wahrnehmung betrachtet werden. 2.4.4  Professionelle Wahrnehmung und Reflexionsfähigkeit Reflexionsfähigkeit und wissensbasierte Gedanken und Begründungen sind komplexe Handlungsbündel, die das Handeln einer Lehrperson wahrscheinlich massgeblich mitbeeinflussen. Das Handeln der Lehrperson ist damit nicht bloss ein gewohn­ heitsmässiges Tun, sondern ein intelligentes Handeln, das

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durch explizites und implizites Wissen gesteuert ist und sich auf vielfältige Reflexionen abstützt. Hinter diesem Konzept steht ein Menschenbild, das die Lehrperson nicht als Reiz-ReaktionsObjekt 14, sondern als urteils- und entscheidungsfähiges, reflexi­ ves Subjekt betrachtet, welches ihr berufliches Handeln in der Auseinandersetzung mit konkreten Anforderungen und mit an­ deren Personen selber entwickelt. (Wyss, 2013, S. 17) Vorgänger dieser Überlegung sei Dewey, «der in den 1930er-Jahren das Bild vom ‹reflexiven practitioner› eingeführt hat». In den 80er-Jahren wurde die Idee des reflective practitioner von Donald Schön (1983) wieder aufgegriffen (Wyss, 2013, S. 17 – 18). Schön unterscheidet drei Wissensformen: Knowing in action, reflec­ tion in action, reflection on action. Unter knowing in action wird ein stillschweigendes und spontanes Wissen verstanden, welches in der Situation implizit zur Verfügung steht. Das Urteilen und das Handeln in der Situation wird demgemäss ohne bewusste Aufmerksamkeit darauf und ohne bewusste Überlegung ausgeführt. Neuweg beschreibt, dass dabei Sequenzen von Aktivität, Erkenntnis, Entscheidung und Anpassung durchlaufen werden, ohne dass die Akteure darüber nachdenken müssen (Neuweg, 2004, S. 356 – 357). Demgegenüber ist reflection in ac­ tion «ein fallweises Heraustreten aus dem natürlichen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmodus des knowing in action in Fällen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, weil sie außerhalb der Grenzen dessen liegen, was das Subjekt als Normalfall zu handhaben gelernt hat» (Neuweg, 2004, S. 357). Neuweg schreibt aber auch, dass das reflection in action zwar immer eine Bewusstseinsbeteiligung erfordere, jedoch nicht notwendigerweise sprachgebunden sei (2004, S. 360). Reflection on action hingegen ist gemäss den Ausführungen von Neuweg «das Denken abseits des Tuns» (2004, S. 360). Einerseits kann innerhalb einer Situation reflection in action übergehen in reflection on ac­ tion. Andererseits kann mit einer «Distanz zum Fluss des Wahrnehmens und Handelns» knowing in action zu reflection in action und schliesslich 14

Dies lässt die in Kapitel 1.2 aufgeworfenen Forschungsfragen bereits eingrenzen, in dem die Lehrperson nicht als reines Reiz-Reaktions-Objekt im Sinne von Reaktionsmustern verstanden wird, sondern als «urteils- und entscheidungsfähiges Subjekt» (ebd.).

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zu reflection on action übergehen, ohne dass die Grenzen trennscharf gezogen werden können, und dieses kann die eigentliche Handlung in der Situation auch unterbrechen (2004, S. 361). Für van Es und Sherin (2008) ist dabei aber nicht nur der Begriff der Reflexion zentral, sondern auch der Begriff professional vision – der profes­ sionelle Blick von Lehrpersonen. Dies beschreibt einerseits den Vorgang, dass Lehrpersonen in ihrem Handeln wichtige von unwichtigen Informationen trennen müssen (selective attention, auch noticing genannt). Und andererseits zieht diese wahrgenommene Situation auch eine Bewertung oder Schlussfolgerung mit sich (knowledge-based reasoning). Knowledge-based reasoning heisst, dass Unterrichtssituationen beschrieben, bewertet und interpretiert werden. Die in diesem Kapitel beschriebene Reflexion würde die Bewertung und die Interpretation miteinbeziehen (van Es & Sherin, 2008). Auch Wyss hat sich in der Publikation «Unterricht und Reflexion» dem Thema der Reflexionsfähigkeit von Lehrpersonen gewidmet. In den Resultaten dieser Untersuchung beschreibt sie, dass bei den befragten Lehrpersonen vor allem allgemeine Erklärungen und Erläuterungen im Rahmen der Reflexion des eigenen Unterrichts erwähnt wurden (Wyss, 2013). «Die Aspekte von Unterrichtsqualität, welche in der Reflexion der vorliegenden Stichprobe angesprochen wurden, beziehen sich hauptsächlich auf die Qualität der Organisation, die Motivierungsfähigkeit sowie die Klassenführung» (Wyss, 2013, S. 192). Dabei wurde die Mo­ tivierungsfähigkeit eher von erfahrenen Lehrpersonen angesprochen, wohingegen die Klassenführung eher bei Junglehrpersonen angesprochen wurde. Weiter beschreibt Wyss die Ergebnisse ihrer Untersuchung dahingehend, dass tendenziell (quantitativ) weniger erfahrene Lehrpersonen (Experten) ihren Unterricht negativ bewerten, als dies unerfahrene Lehrpersonen (Novizen) tun. Die allermeisten reflektierenden Aussagen würden sich insgesamt auf die eigene Person beziehen. Aussagen zu Drittpersonen wurden mehrheitlich bei Junglehrpersonen (Novizen) gefunden. Wenn es um die Erfragung von alternativen Handlungsmöglichkeiten geht, dann erwähnen Novizen mehr alternative Handlungsmöglichkeiten, als Experten dies taten (Wyss, 2013).

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Auch wenn dies nur einige wenige Resultate über die Reflexionsfähigkeit von Lehrpersonen sind, zeigen sie dennoch die Wichtigkeit im Prozess des Handelns auf und dürfen nicht minder gewertet werden. Dass eine Situation durch die eigene (bewusste oder unbewusste) Reflexion bewertet werden kann, führt schliesslich zu einer (bewussten oder unbewussten) Entscheidung über ein Handeln oder Nichthandeln in der Situation. Dies wird im nächsten Kapitel genauer thematisiert. 2.4.5  Die Entscheidungsfindung von Lehrpersonen Seit Ende der 1960er-Jahre haben zunehmend Denkprozesse und Wissensstrukturen von Lehrpersonen an Interesse gewonnen (vgl. Kap. 2.1), nicht nur für die Forschung, zunehmend auch für die Unterrichtspraxis. Gemäss Dann und Haag setzte sich im Zuge der kognitiven Wende die Erkenntnis durch «… dass Unterschiede im Lehrerhandeln und im Lehrerfolg nicht allein über Beobachtung des Lehrerverhaltens und seiner Kontextbedingungen aufklärbar sind, sondern dass bestimmten Überlegungen einer Lehrkraft vor, während und nach der Handlung und Entscheidung dabei eine wichtige Rolle zukommt» (Dann & Haag, 2017, S. 90). Doch zu Beginn gilt es zu klären, was überhaupt eine Entscheidung ist. Glatzmeier und Hilgert (2015) haben dafür folgende begriffliche Bestimmung: Bei einer Entscheidung handelt es sich nach gängiger Defini­ tion um die präferentielle Wahl zwischen verschiedenen Opti­ onen. Das setzt ein bestimmtes Maß an Information über den Entscheidungskontext und die Entscheidungsalternativen vo­ raus; aber auch, dass einer Entscheidung bereits vorgelagerte Entscheidungen über Wertvorstellungen und / oder andere Prä­ ferenzen und deren Gewichtung vorausgehen müssen, um eine Bewertung der vorhandenen Wahlalternativen vornehmen und das vermutete Resultat mit Blick auf die eigenen Zielvorstellun­ gen abschätzen zu können. (Glatzmeier & Hilgert, 2015, S. 11) Wenn es um die Entscheidungsfindung im allgemeinen Unterricht – und im Spezifischen im Sportunterricht – geht, müssen sich die Lehrpersonen

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in kurzer Zeit für eine oder mehrere nachfolgende Lösungen der Situation entscheiden. In diesen komplexen Situationen muss im Arbeitsalltag häufig schnell und angepasst entschieden werden. Bereits 1977 machte sich der Wirtschaftswissenschaftler Kirsch ganz allgemein folgende Überlegung zur Art der Selektion in Entscheidungsprozessen: Die Art dieser Selektion hängt zum einen von der Art der Inten­ sität der Signale ab. Zum anderen wird sie wesentlich dadurch bestimmt, ob der Organismus aufgrund seiner Erfahrung mit ähnlichen Situationen der Vergangenheit eine Wahrnehmung erwartet. Schliesslich wirken sich die jeweils unbefriedigten Be­ dürfnisse des Individuums und einige andere motivationale Fak­ toren auf die Art der Selektion innerhalb des Wahrnehmungs­ prozesses aus. (Kirsch, 1977, S. 81) Übertragen auf den Unterricht – und im Spezifischen auf den Sportunterricht – würde das heissen, dass Sportlehrpersonen in ihrer Entscheidungsfindung durch vorangehende Erfahrungen geprägt und beeinflusst werden (vgl. Kap. 2.5.2), aber auch von der Stärke des Reizes, durch den sie herausgefordert werden, sich zu entscheiden. Ein weiterer Punkt, den Kirsch in diesem Zitat anfügt, ist, dass die Lehrpersonen auch von der eigenen Motivation angetrieben werden, sich für eine Lösung zu entscheiden. Das würde heissen, dass die Entscheidung auch von den beliefs (vgl. Leder, Pehkonen & Törner, 2002; Thompson, 1992) der Lehrpersonen abhängig ist. Dies würde aber noch nicht bedeuten, dass erfahrene Lehrpersonen durchwegs bessere 15 Entscheidungen machen, da vorherige Erfahrungen nicht durchwegs positiv sein müssen. Bei Hofer (1986) wird die Lehrperson ganz allgemein «als zielgerichtet Handelnder begriffen, der einschlägige Informationen aufsucht und gezielt verarbeitet, und der sich nach dem Mittel-Zweck-Prinzip aus mehreren Handlungsalternativen für eine entscheidet» (Hofer, 1986, S. 20). Diese aktive Entscheidungsfähigkeit thematisiert auch Dann (1994) in seinen Arbeiten. Dabei formuliert er ganz allgemein fünf handlungslei15

In Bezug auf die Aufgabe gibt es richtige und falsche Lösungen, aber auch bessere und schlechtere Lösungen.

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tende Muster für Lehrpersonen, nach denen sie eine Situation bewerten, analysieren und gestalten: 1. Lehrpersonen werden als autonom Handelnde betrachtet, die nicht nur aufgrund eines äusseren Reizes handeln, sondern ihr Agieren aktiv gestalten können. 2. Lehrpersonen gehen bei diesem aktiven Handeln in der Regel auch zielgerichtet vor. Das heisst, sie verfolgen – kurzfristig oder langfristig – eine bestimmte Absicht oder einen Zweck bei den Schüler*innen. 3. Aufgrund dieser Zweckverfolgung planen und strukturieren Lehrpersonen ihren Handlungsraum auch «aktiv-kognitiv». Das heisst, sie analysieren die meist komplexen Situationen ziemlich schnell, interpretieren und bewerten sie fortlaufend, sodass sich letztlich eine Handlungslinie entwickelt, der sie folgen können. Dann (1994) beschreibt diese kognitiven Prozesse als ziemlich komplex. 4. Das Wissen von Lehrpersonen, aus dem sie sich bedienen, ist ein Konglomerat aus der Wissensaneignung zu Zeiten als Schüler*innen in ihrer eigenen Schulzeit, aus dem Wissenserwerb in der Ausbildung zur Lehrperson und aus der Reflexion der eigenen Praxis nach der Ausbildungszeit. Gemäss Dann sind dies «relativ überdauernde kognitive Strukturen» (Dann, 1994, S. 165), die als professionelles Wissen von Lehrpersonen bezeichnet werden können. 5. Das professionelle Wissen von Lehrpersonen hat zum Teil auch einen sozialen Ursprung. Es enthält gemäss Dann «überindividuelle gesellschaftliche Wissensbestände» (Dann, 1994, S. 165). Der Autor beschreibt, dass dieses Wissen durch sogenannte gemeinsame Wissenssysteme – die sich durch Normen und Konventionen herausgebildet haben – beeinflusst wird. Was Dann hier anmerkt, könnte man auch als Sozialisation bezeichnen, durch die jede Lehrperson in ihrem eigenen System beeinflusst wird (Dann, 1994, S. 165). Aufgrund dieser von Dann (1994) aufgeführten handlungsleitenden Inhalte erstaunt es doch zunehmends, dass auch bei komplexen Si-

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tuationen, die eine rasche Reaktion von den Lehrpersonen verlangt, trotzdem zahlreiche Lehrpersonen (auch in Bezug zu verschiedenen Untersuchungsgruppen) identisch handeln, wenn man sich beispielsweise auch die etwas älteren, aber trotzdem einschlägigen Resultate von Housner und Griffey (1985) im folgenden Abschnitt betrachtet. In der Studie von Housner und Griffey (1985) geht es im Spezifischen um unterschiedliche Entscheidungsmerkmale von unerfahrenen und erfahrenen Lehrpersonen. Folgende Resultate erhielten die Autor*innen: Erfahrene Lehrpersonen: – Machen mehr Überlegungen zur Planung als unerfahrene Lehrpersonen. Diese Unterscheidung war vor allem bei praktischen Instruktionen («instructional strategy decisions», S. 51) für die SuS zu sehen, über die sich erfahrene Lehrpersonen deutlich häufiger Gedanken gemacht haben als beispielsweise über Entscheidungen der eigentlichen Aktivität in der Lektion (Housner & Griffey, 1985, S. 51). – Sie haben auch eine grössere Anzahl an Instruktionsanweisungen im Repertoire als unerfahrene Lehrpersonen (in Kontrast zu den Resultaten von Wyss, 2013) (vgl. Kap. 2.4.4). – Erfahrene Lehrpersonen machen auch wesentlich mehr Planungs­ ent­scheidungen­als­unerfahrene Lehrpersonen bezüglich Bewertung, Beobachtung der Schüler*innen­leis­tung,­Feedbackbereitstellung, um das Schüler*innenverhalten zu managen, über die Schüler*innen­ aufmerksamkeit und demonstrieren auch motorische Fähigkeiten. – Erfahrene Lehrpersonen sind besser imstande, mögliche Situationen im Unterricht zu antizipieren, und haben auch mehr unterschiedliche Lösungen bereit, um solche Situationen zu meistern. – Für erfahrene Lehrpersonen ist die Planung der Umsetzung der Lek­ tion auch viel wichtiger, als sie für unerfahrene Lehrpersonen ist. – Erfahrene Lehrpersonen machen auch zahlreiche Planungsentscheidungen, welche auf die motorischen Fähigkeiten der SuS ausgerichtet sind (beispielsweise auch «focusing student attention, assessing student performance, providing feedback and demonstrating» ebd.). – Erfahrene Lehrpersonen fokussierten ihre Aufmerksamkeit am häufigsten auf einzelne Schüler*innen statt auf die ganze Gruppe (wie

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dies unerfahrene Lehrpersonen eher tun). Sie setzten auch mehr instruktionale Veränderungen in Bezug auf diesen Beobachtungspunkt ein als auf andere Beobachtungspunkte. – Die Daten zeigen, dass es für erfahrene Lehrpersonen wichtig ist, dass sie den Erwerb von motorischen Fähigkeiten von individuellen SuS fördern und erleichtern (sie fokussieren nicht die ganze Gruppe). Dazu halten sie auch eine grosse Bandbreite an unterschiedlichen Instruk­tionen bereit, welche sie dann in der Situation anwenden können (Housner & Griffey, 1985, S. 52). Unerfahrene Lehrpersonen: – Für unerfahrene Lehrpersonen ist es am wichtigsten, dass die SuS beschäftigt waren und dass sie auch interessiert am Unterricht waren (Housner & Griffey, 1985, S. 49). Gemeinsamkeiten: – Beide Gruppen waren jedoch fähig, eine weite Breite an verschiedenen Unterrichtsaktivitäten (Unterrichtsgeschehen und Inhalte) zu entwickeln (Housner & Griffey, 1985, S. 52). Wahrscheinlich sind dies die Inhalte, die sich auch in der Ausbildung am besten lernen lassen, weshalb auch die Novizen und die erfahrenen Lehrpersonen sich in Bezug auf diese Fähigkeit sehr ähneln. Grenze des Forschungsprojekts von Housner und Griffey (1985, S. 52): – Die Unterrichtsklasse bestand gerade mal aus vier Schüler*innen. Es wird vermutet, dass auch die Anzahl an Entscheidungsüberlegungen bei den erfahrenen Lehrpersonen gesunken wäre, hätte man eine Klasse von 25 – 30 Schüler*innen gehabt. Dies indiziert den Sachverhalt, dass die Ergebnisse keinesfalls generalisiert werden können, obschon sie eine Tendenz aufzeigen können. Es könnte darüber hinaus auch sein, dass sich erfahrene Lehrpersonen und unerfahrene Lehrpersonen in einem natürlichen Setting bezüglich den Entscheidungen eher annähern, als dies bei einem solch theoretischen Laborsetting der Fall ist (Housner & Griffey, 1985, S. 52). Auch in der Studie von Westerman (1991) geht es um einen Vergleich der Entscheidungsfindung zwischen Experten- und Novizenlehrperso-

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nen. Die Experten verwendeten bei der Entscheidungsfindung viele unterschiedliche Arten von Informationen. Dabei wurden die Entscheidungen in drei Phasen eingeteilt: «Voraktiv, Interaktiv und Postaktiv» (1991, S. 298). Gemeint sind dabei die Phasen, die für eine Entscheidung wichtig sind. Bei den Expertenlehrpersonen werden diese drei Phasen gut miteinander verknüpft. Dies ermöglicht es beispielsweise, Themen und Interessen der Schüler*innen zu beachten und auf diese einzugehen. Da die Experten mögliche Probleme vorhersagen konnten, enthielten diese Problemanalysen ebenfalls Notfallpläne für den Fall, dass der Unterricht nicht wie geplant ablief, was eine Verknüpfung dieser drei Phasen aufzeigt. Sie machen sich also nicht nur um die gegenwärtige Situation Gedanken, sondern sie versuchen auch, zu antizipieren, was diese Situation ebenfalls auslösen könnte, um dann wiederum eine Lösung auf das nachfolgende Problem bereitzuhalten. Ein Expertenlehrer erklärt: «Ich bin mir nicht sicher, wie viele Informationen sie [die Schüler*innen] haben werden (zum Thema). Wenn sie schon viel wissen, dann wird die Stunde sehr schnell (ver)gehen. Wenn sie nicht viel wissen, dann werde ich ihnen Informationen aus Büchern und Bildern geben» (Westerman, 1991, S. 298) (eig. Übers.). Das heisst, dass Expertenlehrpersonen auch konkret auf den aktuellen Wissensstand der Schüler*innen eingehen können. Dabei haben die Expertenlehrpersonen auch einen genauen Plan im Kopf, was möglicherweise nicht funktionieren wird, und behalten mögliche Alternativen dafür im Hinterkopf, währenddessen die Novizen sich nicht ganz klar und sicher darüber waren, was passieren könnte. Die Experten waren in der Untersuchung auch flexibel in Bezug auf ihre Ziele, weil sie eben auch nicht genau wussten, wie viel Vorwissen die Schüler*innen mitbringen werden. Auffallend dabei ist auch eine Aussage einer Expertenlehrperson: «Ich denke, dass es wichtig ist, mit Kindern offen zu sein. Es ist mir egal, wenn der Unterricht nicht genau so verläuft, wie ich es geplant habe, solange ich weiß, wohin wir gehen» (1991, S. 298) (eig. Übers.). Die Novizenlehrpersonen hatten demgegenüber weder die umfassende Sicht auf den Unterricht wie die der Experten noch das Wissen darüber, was die Schüler*innen bereits kannten. Der enge Fokus ihrer Planung, der fast ausschliesslich auf den Zielen des Lehrplans beruhte, schien das, was im Klassenraum vor sich ging, zu begrenzen. Im Gegenzug zu den Experten hielten sich die Novizen

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auch eng an ihre Unterrichtspläne und ignorierten Diskussionspunkte von Schüler*innen. Die Begründung eines Novizen dafür war: «Ich wusste einfach nicht genug über das Thema, um es frei zu diskutieren. Ich wollte lediglich nah an meinem Unterrichtsplan bleiben und alles fertig machen» (1991, S. 299) (eig. Übers.). An diesen Beispielen lässt sich auch erkennen, dass die Entscheidungsprozesse von Novizenlehrpersonen gegenüber dem dynamischen Ablauf bei den Experten linearer miteinander verbunden waren. Sie planten, sie lehrten in der Lektion und am Ende haben sie die Lektion ausgewertet und reflektiert. Graham, Manross, Hopple und Sitzmann (1993) gingen in ihrer Untersuchung der Frage nach, ob Expertensportlehrpersonen – was man aufgrund der geschilderten Ergebnisse annehmen könnte – im Unterricht mehr improvisieren als Novizensportlehrpersonen. Tatsächlich konnte das Forschungsteam auch hier aufzeigen, dass Novizen die Lehrbücher als wichtige Planungsgrundlagen für den Unterricht verwendeten. Da­ rüber hinaus verwiesen sie auch direkt auf Kurse an der Universität, die sie als hilfreich empfanden (1993, S. 204). Auffallend war auch, dass alle Novizen viel mehr Aufgaben und Inhalte geplant hatten, als sie tatsächlich im Unterricht thematisierten. Auch im Unterricht konnte das Forscherteam beobachten, dass von den Novizen im Durchschnitt mehr Aufgaben gefordert wurden als von den Experten. Dieses Ergebnis ist dahingehend zu interpretieren, dass Expertensportlehrpersonen den Schüler*innen mehr Zeit für die Bearbeitung der einzelnen Aufgaben einräumen als dies Novizensportlehrpersonen tun würden. Insgesamt ist auch aus dieser Untersuchung zu entnehmen, dass Expertenlehrpersonen ihren Unterricht variabel den Gegebenheiten anpassen können und somit auch eher dazu fähig sind, gewisse Inhalte adaptiv (in Bezug auf die Improvisationsfähigkeit) auf das Wissen und Können der Schüler*innen situativ anzupassen. Auch wenn die Untersuchungen in diesem Kapitel etwas älter sind, verweisen sie dennoch auf einen Unterschied in der Entscheidungsfindung von Lehrpersonen, die sich durchaus auch auf Situationen im Sportunterricht übertragen lassen. Sie zeigen aber auch auf, dass es weitere Forschungsbemühungen zu diesem Themenbereich geben muss.

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Was bisher ausgelassen wurde, ist eine Definition von Wissen und Kön­ nen. Was gilt in einer spezifischen Situation als Wissen und was als Können? Sind diese zwei Facetten des Handelns überhaupt voneinander trennbar oder werden sie eher als Kontinuum gesehen, so wie es in Kapitel 2.4.4 Schön (1983) mit seiner Differenzierung um knowledge in action, reflection in action und reflection on action impliziert hat? In einem nächsten Kapitel wird deshalb versucht, eine definitorische Abgrenzung der in dieser Arbeit verwendeten Begriffe um Wissen und Kön­ nen zu machen. 2.5 Repräsentationen von Wissen und Können 2.5.1 Ausgangslage der Diskussion um Wissen und Können Lehrpersonen sind vielfältigen Anforderungen in ihrem Schulalltag ausgesetzt. Sie müssen planen, den Unterricht auf die nötigen Bedürfnisse aller Schüler*innen ausrichten, mit den Schüler*innen interagieren, mit dem Lehrerkollegium interagieren, die Normen und Werte der Institution mit den eigenen Normen und Werten vereinbaren und letztlich sollen sie aber stets guten Unterricht halten. Doch welche Kompetenzen müssen Lehrpersonen vorweisen, damit sie all diese unterschiedlichen Anforderungen bewältigen können? Um diese Kompetenzen zu beschreiben, soll zuerst einmal der zugrunde liegende Wissenskorpus beschrieben und erfasst werden, welcher diesen beschriebenen Kompetenzen zugrunde liegt. Dass eben Wissen als ein zentraler Kompetenzaspekt für das Unterrichten gilt, wurde bereits in zahlreichen Arbeiten ausgiebig erklärt (Krauss, 2011; Kunter et al., 2011, S. 135). «In vielen kognitiven Gebieten sind Experten vor allem deswegen besser, weil sie mehr wissen und dieses Wissen besser strukturiert» bereithalten können (Kunter et al., 2011, S. 135). Ausgehend von diesen Ausführungen, scheint es von Bedeutung zu sein, den Blick zu Beginn der Diskussion auf das Wissen und die unterschiedlichen Wissensfacetten als solches zu legen, um am Ende dieses Kapitels auf die Unterscheidung von Wissen und Können einzugehen. Wirft man einen Blick auf die aktuellen Forschungsschwerpunkte, dann lässt sich feststellen, dass der Diskurs um Wissen und Können stets sehr aktuell gehalten wird.

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In den bisherigen Kapiteln wurde betrachtet, wie sich das Wissen (in Form von Kompetenzen und Kompetenzbündeln [vgl. Oser et al., 2007]) der Experten von demjenigen der Novizen unterscheidet, jedoch nicht, wie Lehrpersonen ihr Wissen generieren und welcher Wissensquellen sie sich bedienen. Deshalb wird in den folgenden Unterkapiteln genauer darauf eingegangen, welche Wissensarten im Bereich der Lehrerprofessionsforschung generell unterschieden werden, in welchen Bereichen Wissen von Können unterschieden werden muss und in welchen Bereichen Wissen direkte Voraussetzung von Können sein kann. Das professionelle Wissen von Lehrpersonen oder das Wissen von Expertenlehrpersonen einerseits lässt sich – wie bereits angesprochen – nicht ganz einfach beschreiben. Das Wissen der Experten scheint offensichtlich auch anders aufgebaut zu sein als bei Novizen und ist durch ganz unterschiedliche Kompetenzen und Kompetenzbündel charakterisiert (vgl. Oser et al., 2007), weshalb eine genaue Betrachtung der Wissensarten und Wissensgenerierung offenbar Sinn macht. Bereits im 2015 erschienenen Artikel beschreiben Messmer und Brea, dass Wissen und Können zentrale Begriffe im Diskurs um Kompetenzen von Lehrpersonen sind (2015). Dies wurde im vorherigen Kapitel bereits angesprochen. Innerhalb der gesamten Diskussion um Professionskompetenzen war Shulman einer der ersten Autor*innen, welcher von der professionellen Kompetenz von Lehrer*innen gesprochen hat (Scheler, 1928; Shulman, 1987). Seine Unterscheidung in die sieben Wissensbereiche gilt heute noch als revolutionär und gleichermassen aktuell (vgl. Kapitel 1.2). Die generierten Wissensarten ins Deutsche übersetzt entsprechen zwar nicht ganz der Terminologie, «sie offenbaren aber dasselbe Problem, nämlich dass Wissen und Einsicht niemals Handeln garantieren und dass vielwissende Lehrpersonen nicht unbedingt gute oder erfolgreiche Lehrpersonen sind» (Oser, 1997, S. 27). Lehrpersonen scheinen offensichtlich über ein spezifisches Wissen zu verfügen, das sie anscheinend im Unterricht auch anwenden können. Deshalb scheint es naheliegend, erst einmal zu verstehen, was dieses praktische Wissen beinhaltet. Hierzu beschreiben Combe und Kolbe den Begriff des Praxiswissens und des Erfahrungswissens wie folgt:

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Die Wissensverwendungsforschung stellt den Zusammenhang zwischen den funktionalen Anforderungen im systemisch-or­ ganisatorischen Handlungskontext einerseits und der Struktur des Praxiswissens andererseits heraus. Wissen wird als sozia­ les Konstrukt der in der Geschichte der Profession kollektiv er­ wirtschafteten Lösungsmuster gefasst, das sich Professionelle aneignen – und nicht als allein individuelle Aneignungsleistung, wie es dem Alltagsverständnis entspräche. (Combe & Kolbe, 2008, S. 865) Für Combe und Kolbe ist dieses Wissen ein kollektiv erarbeitetes Wissen, was von den Lehrpersonen durch die Ausübung in ihrem beruflichen Umfeld und durch ihren Berufshabitus ebenfalls verändert und beeinflusst wird. Daraus entsteht ein Können, welches mehr als lediglich routiniertes Handeln ist. Es verlangt von den Lehrpersonen, dass sie ihre vergangenen Erfahrungen interpretieren, mit der bestehenden Situation vergleichen und miteinander in Beziehung setzen, womit Combe und Kolbe (Combe & Kolbe, 2008) davon ausgehen, dass dieses professionelle Wissen ein Können darstellt. Combe und Kolbe (2008) beschreiben aber auch, dass es Studien gibt, in denen das berufsbiografische Wissen ins Zentrum der Arbeit gestellt wird: Sie zeigen, wie stark das Lehrerhandeln in biografisch aufge­ schichteten Deutungsbeständen wurzelt. Biografische Reflexio­ nen und überhaupt Reflexivität als Bewusstheit über das eigene Tun wird hier oft als Schlüsselkompetenz von Professionalität aufgefasst, sollen die Lehrpersonen nicht einer unwägbaren Praxis ausgeliefert sein. (Combe & Kolbe, 2008, S. 859) Neuweg spricht demgegenüber vom impliziten und expliziten Wissen: Schreibt man einem Lerner den Erwerb einer Disposition zu, wenn sein Verhalten, insbesondere in Anpassung an bestimmte Struktureigenschaften der Lernumgebung, einer neuen, zuvor nicht gezeigten Regelmäßigkeit folgt, dann kann ein Lernpro­

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zess als implizit bezeichnet werden, wenn der Lerner weder durch einen Lehrenden explizit (verbal) über diese Regelmäßig­ keiten bzw. Struktureigenschaften informiert wird noch sich bewusst-reflexiv um deren gedankliche Vergegenwärtigung be­ müht oder zu einem solchen Bemühen durch einen Lehrenden aufgefordert wird, deren «Kenntnis» jedoch nach Abschluss der Lernphase in seinem Verhalten zu zeigen in der Lage ist. (Neu­ weg, 2000, S. 198) Das implizite Wissen ist für Neuweg dementsprechend nicht verbal explizierbar, analog zur Wissensgenerierung. Wenn eine Person einen Inhalt gelernt hat, ohne dass eine andere Person jemals diesen Inhalt explizit erwähnt und gelehrt hat, und dieser Inhalt dann von derjenigen Person wieder in ihrem Verhalten gezeigt wird, sobald man diejenige dazu auffordert, dann kann man ebenfalls von einem impliziten Wissenserwerb sprechen. Nach diesen kurzen Beschrieben gibt es offensichtlich unterschiedliche Arten von Wissen. Dementsprechend soll im nächsten Kapitel eine Ausdifferenzierung von unterschiedlichen Wissensarten gemacht werden, die für diese vorliegende Untersuchung von zentraler Bedeutung scheinen. 2.5.2 Verschiedene Ausdifferenzierungen von Wissen und Können Als Grundlage der Ausdifferenzierung von Wissen und Können werden die Erklärungen von Hans-Georg Neuweg in seinem (2011) erschienenen Artikel über «Das Wissen der Wissensvermittler» ins Zentrum gesetzt. Darin differenziert er äusserst genau aus, welches Wissen Lehrpersonen gebrauchen und in welcher Form es vorliegen sollte. Bonnet und Hericks (2019, S. 101) stellen die Frage nach der «Funktion differenter Wissensformen für die Lehrerprofessionalität und nach dem Verhältnis dieser Wissensformen zueinander als eine Kernfrage der Professionsforschung und Lehrerbildung» sogar ins Zentrum ihrer Arbeit. So nimmt sich auch Neuweg der Frage an, wie das zu interessierende Wissen von Lehrpersonen erworben wird.

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Neuweg (2011) deckt in seiner Arbeit drei unterschiedliche Arten von Wissen auf. Einerseits das Wissen, welches durch Aneignung in der Ausbildung gelernt wird. Darunter ist jenes Wissen zu verstehen, welches in einem universitären Rahmen generiert wird. Dieses Wissen ist abgrenzbar vom Lernen durch Erfahrung, kann aber im Austausch damit sein (Wissen 1). Die zweite Art von Wissen beruht auf der Annahme, dass die erste Art von Wissen die kognitiven Strukturen von angehenden Lehrpersonen in wünschenswerter Weise beeinflusst (Wissen 2). «Diese wiederum gelten – neben anderen Einflussfaktoren, bspw. motivationalen Orientierungen, Emotionen und Selbstregulationsfähigkeiten – als Erzeugungsgrundlage für kompetentes Handeln» (Neuweg, 2011, S. 453). Gemeint sind hier deshalb auch die kognitiven Strukturen (mit ihren impliziten und expliziten Anteilen), welche eine Lehrperson im Kopf hat. Für Wissen 1 und Wissen 2 besteht die Annahme, dass über die explizite Vermittlung von Professionswissen (Wissen 1) an Universitäten und Hochschulen die kognitiven Strukturen (Wissen 2) der angehenden Lehrpersonen «in einer wünschenswerten Weise beeinflusst werden» (Neuweg, 2011, S. 453). Die dritte Art von Wissen lässt sich aus einer konkreten Handlungssituation heraus beobachten und rekonstruieren. Sie wird zudem auch durch Handlungsepisoden der Lehrperson sichtbar (Wissen 3) (vgl. Abb. 2) (Neuweg, 2011, S. 453). «Die Grenze zum Können wird hier nicht bloss unscharf, sondern aufgegeben (Neuweg, 2011, S. 452 – 453). Auch hier spricht Neuweg auf den Begriff des knowing in action nach Schön (1983) an, bei dem es unklar bleibt, wie viele Anteile dem Wissen oder dem eigentlichen Können (hier bezogen auf die deutsche Sprache) zugesprochen werden können. Neuweg merkt deshalb explizit an, dass die Grenzen dieser drei unterschiedlichen Wissensarten – wie er sie nennt – nicht ganz trennscharf voneinander sind. Seinen Beschreibungen nach könnte man die drei Wissensarten auch als Kontinuum sehen (wie dies bereits in Kap. 2.4.5 bei der Unterscheidung von knowledge in action, reflection in action und reflection on action nach Schön [1983] beschrieben wurde). In der Grafik (vgl. Abb. 2) lässt sich auch erkennen, dass für Neuweg eben auch Lernen und Handeln grundlegende Wissenskomponenten beinhalten und nicht nur die mentalen Strukturen in der Mitte

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der Abbildung. Dabei verweise der Übergang von Wissen 1 zu Wissen 2 beispielsweise auch auf die persönlichen Transformationsprozesse von Ausbildungswissen. Und der Übergang von Wissen 1 zu Wissen 3 auf das «traditionelle Theorie-Praxis Problem» (Neuweg, 2011, S. 453 – 454) und der Übergang von Wissen 2 zu Wissen 3 auf das breit diskutierte «Wissen – Können»-Paradigma verweise (Neuweg, 2011, S. 454).

(Ausbildungswissen, Wissen im objektiven Sinne)

HANDELN

Wissen 2

Wissen 3

(mentale Strukturen, Wissen im subjektiven Sinne)

(Können, von aussen rekonstruierte Logik des Handelns)

Explizites Wissen

Lernen

durch Erfahrung

Implizites Wissen

Rekonstruktion

Lernen durch Aneignung von

Wissen 1

WISSEN

Manifestation

LERNEN

….. Handlungsepisoden

Abbildung 2: Konzepte des «Lehrerwissens» (Neuweg, 2011, S. 453).

Im Folgenden wird nun versucht, die für diese Untersuchung wichtigen Wissensarten in dieses Modell einzuordnen. Beim Wissen 1 nennt Neuweg das Wissenskonglomerat Lernen durch Aneignung von Wissen und Lernen durch Erfahrung. Damit ist jenes Wissen gemeint, welches durch Aus- und Weiterbildung und durch Erfahrung erworben wird. Definitorisch ist dem Erfahrungswissen auch das biografische Wissen zuzuordnen. Das Wissen, welches durch die persönliche biografische Erfahrung geformt wird. Nebst diesem Wissen differenziert Neuweg beim Wissen 2 zwischen dem impliziten und expliziten Lehrerwissen, welches nicht ganz einfach voneinander abgrenzbar scheint (Neuweg, 2011, S. 454). Auch diese beiden Wissensanteile werden im Folgenden genauer betrachtet und diskutiert, welche offensichtlich als Übergang vom Wissen 1 zum Wissen 3 fun-

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gieren. Beim Wissen 1 und 3 lässt sich das narrative Wissen einordnen. Narratives Wissen kann einerseits durch konkrete Situationen im Unterricht geformt werden, es kann aber auch bereits in der Ausbildung und durch die Erfahrung ausgebildet werden. Neuweg unterscheidet jedoch nicht nur die sogenannte Entstehung des Lehrerwissens wie bis anhin beschrieben, sondern er differenziert auch zwischen unterschiedlichen Bereichen des Lehrerwissens. Dabei bezieht er sich auch auf die grundlegende Unterscheidung der Bereiche nach Abbildung 3 wobei er das Wissen um den Lerner – Knowledge of learners Shulman,

(KL) – auslässt. Zusätzlich unterscheidet Neuweg beim fachdidaktischen Wissen zwischen PCK und CK. Inhaltlich wird jedoch für die vorliegende Arbeit beim fachdidaktischen Wissen das curriculare Wissen ausgeschlossen und in einem separaten Bereich – entsprechend der Definition nach Shulman (1987) – dargestellt. Für die folgende Arbeit wird deshalb die Abbildung nach Neuweg (2011) modifiziert und nach den in Kapitel 1.1 beschriebenen theoretischen Inhalten angeglichen. Bereiche des Lehrer*innenwissens (adaptiert nach Neuweg 2011) nach Shulman, 1987 Fachbezogenes Wissen (subject matter knowledge) CK content knowledge

KEC

KEE

knowledge of educational context

knowlegde of educational ends, purposes and values

Fachübergreifendes Wissen PCK pedagogical content knowledge

CUK curriculum knowledge

GPK

KL

general pedagogical knowledge

knowledge of learners

Abbildung 3: Bereiche des Lehrerwissens, modifiziert nach Neuweg (2011).

Gegenüber Neuweg, der das general pedagogical knowledge als «fachindifferentes Wissen» (2011, S. 454) bezeichnet, wird in dieser Untersuchung das GPK als «fachübergreifendes Wissen» beschrieben, die übrigen Wissensbereiche werden dem fachbezogenen Wissen (subject matter knowledge) zugeordnet. Wahrscheinlich lassen sich aber weder bei Shulman (1987) noch bei Neuweg (2011) die Bereiche des Lehrer-

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wissens immer ganz trennscharf voneinander abgrenzen, weshalb auch die Diskussion der gegenseitigen Beeinflussung der Bereiche nicht ganz wegzudenken ist. «Die Fähigkeit, das eigene Wissen darzustellen – ein Kernbestandteil fachdidaktischen Wissens – lässt sich theoretisch wie praktisch kaum vom ‹reinen› Fachwissen unterscheiden» (2011, S. 459). Unbestritten ist wohl die Tatsache, dass sich die unterschiedlichen Wissensbereiche (vgl. Abb. 3) auch aus unterschiedlichem Lehrerwissen (vgl. Abb. 2) formieren. Die zentrale Frage ist, aus welchem Wissen sich der Wissensbereich des PCK vor allem speist. Es lässt sich erahnen, dass diese Frage nicht ganz einfach zu beantworten ist. Neuweg beschreibt eine Möglichkeit, dass beispielsweise das Wissen 2 «in abstrakter Form durch Befragung erfasst oder aber über situierte Aufgaben getestet werden» kann (2011, S. 455). Wenn darüber hinaus davon ausgegangen werden kann, dass sich das PCK als situativ (und kontextabhängig) beschreiben lässt, wie in Kapitel 1.1 beschrieben, so kann die Arbeit mit Fallvignetten und gleichsam diese situative Erhebungsform, explizite und implizite Anteile des Lehrerwissens aufzudecken (was Neuweg als Wissen 2 beschreibt), als zielgerichtet erachtet werden. Darüber hinaus beschreibt Neuweg (2011, S. 455), dass sich auch Wissen 3 anhand sehr unterrichtsnahen Aufgaben- und Problemstellungen erheben lässt, weshalb davon ausgegangen wird, dass mit der Erhebung der Daten zu dieser Untersuchung ebenfalls Anteile des Könnens miterhoben werden. «Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Ausbildung und Schlussfolgerungen für ihre Gestaltung werden aber schwieriger, weil unklar ist, wo und wie die betreffende Person sich das gemessene ‹Wissen› (eigentlich: Können) angeeignet hat» (Neuweg, 2011, S. 454). Bevor in einem Teil eine Unterscheidung von den für diese Arbeit zen­ tralen Wissensarten gemacht wird, ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass davon ausgegangen wird, dass sich das Wissen von Lehrpersonen ganz grundsätzlich aus einer Verzahnung von verschiedenen Wissensarten beschreiben lässt, wie dies auch einige andere Autor*innen in ihren Arbeiten diskutieren (Neuweg, 2011; Rosenberger, 2013).

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Biografisches Wissen und Erfahrungswissen Lüsebrink, Messmer und Volkmann (Lüsebrink et al., 2014) schreiben, dass das biografische Wissen von Lehrpersonen von grosser Bedeutung und sogar handlungsleitend für ihr berufliches Agieren scheint. Dabei betonen die Autor*innen auch, dass vor allem Sportlehrpersonen auf ihre umfangreichen biografischen Erfahrungen im Sport zurückgreifen können. Sie sehen es deshalb als naheliegend, dass die Reflexion von unterrichtlichen Situationen mit dem eigenen Erfahrungshintergrund der Sportlehrperson in Verbindung gebracht werden soll. Volkmann beschreibt, dass es in der Sportlehrerausbildung deshalb ein Ziel sein sollte, diesen eigenen sportlichen Habitus zu irritieren, indem explizit über die Verbindung der eigenen biografischen Erfahrung und die Erfahrung in der Ausbildung gesprochen wird. Unter Biografien versteht man alltagssprachlich die meist schrift­ lichen Nacherzählungen von Lebensgeschichten – der eigenen oder aber auch der einer anderen Person … Die Biografie ist aus diesem Grund in der erziehungswissenschaftlichen und soziolo­ gischen Forschung ein anerkanntes und theoretisch fundiertes Konzept, das gerade in der Erforschung von Bildungsprozessen höchst relevant ist. Diese Perspektive unterscheidet sich in ihrer theoretischen Grundlegung von der Lebensverlaufsforschung, da sie auf dem interpretativen Paradigma beruht und einen qua­ litativ-empirischen Zugang zu den Phänomenen der Sozialwelt wählt. (Lüsebrink et al., 2014, S. 23) Gemäss Lüsebrink, Messmer und Volkmann wird biografisches Wissen auch stetig verändert, da laufend neue – handlungsleitende – Erfahrungen dazukommen, welche das eigene Tun und Handeln beeinflussen: Dies ist jedoch nicht als additiver chronologischer Prozess zu verstehen; vielmehr sind die einzelnen Erfahrungsschichten mit­ einander verwoben und unterliegen Umstrukturierungs- und Um­ deutungsprozessen, die oftmals unbewusst oder zumindest un­ reflektiert ablaufen. Die Biografie enthält – unabhängig davon, ob sie auch expliziert wird – immer Konzepte der Selbst- und

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Weltdeutung, die wiederum das Alltagshandeln der Biografieträ­ ger / innen orientieren. (Lüsebrink et al., 2014, S. 24) Es wird beschrieben, dass über die Biografieforschung ein Zugang zu den Erfahrungen der Untersuchungspersonen geschehen könne. Die eigene Erfahrung als Sportlehrperson beginne nicht erst zum Zeitpunkt, an der die Lehrerbildung beginne, sondern habe bereits viel früher begonnen, nämlich zum Zeitpunkt der eigenen Schulzeit (vgl. Kap. 2.2.2). Die Autor*innen schreiben, dass dadurch das biografische Wissen über eine doppelte Wirksamkeit verfüge. Es sei nämlich vergangenheits- und zukunftsweisend. Die Vergangenheit könne durch dieses Wissen strukturiert und die Zukunft verändert werden. Das Handeln in der Zukunft ist demnach offensichtlich abhängig von den in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen und zeigt auf, welche Erfahrungsräume in der Zukunft aufgesucht werden. Sie beschreiben diese Art von Wissen als prozesshaft, dynamisch und auf lebensgeschichtlichen Erfahrungen basierend (Lüsebrink et al., 2014, S. 25). All diesen Ausführungen nach müsste das biografische Wissen, gemäss Definition nach Neuweg (2011), dem in der Abbildung skizzierten Erfahrungswissen zugeschrieben werden (vgl. Abb. 2). Die Autor*innen um Lüsebrink, Messmer und Volkmann (Lüsebrink et al., 2014) schreiben dem biografischen Wissen auch implizite Wissensanteile zu (Lüsebrink et al., 2014, S. 25). «Jede neue Erfahrung kann zur Umdeutung vorangegangener führen, aber auch jede neue Erfahrung findet vor dem Hintergrund bereits vorhandener Erfahrungen statt. Diese spielen u. a. eine zentrale Rolle hinsichtlich der Erwartungen, mit denen neuen Situationen begegnet wird» (Lüsebrink et al., 2014, S. 26). Das biografische Wissen scheint aber nicht nur dem Wissen 1 nach Neuweg (Neuweg, 2011, S. 454) einzuordnen zu sein, sondern auch das Wissen 3 hat Anteile an biografischem Wissen. Auch die dargestellten Handlungsepisoden werden gemäss der Definition von Lüsebrink, Messmer und Volkmann (2014) vom biografischen Wissen der Lehrperson beeinflusst. So konnte Lüsebrink zeigen, dass vor allem Studierende – im Rahmen der Fallarbeit – häufig auf biografische Erfahrungen und somit biografisches Wissen zurückgreifen (Lüsebrink, 2006; Lüsebrink et al., 2014).

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Diese Ausführungen sollen zeigen, dass biografische Erfahrungen (Lüsebrink et al., 2014) und damit auch das eigene biografische Wissen Sportlehrpersonen in ihren Planungen, ihrem Handeln und damit auch in ihren Entscheidungen mitbeeinflusst. Auch für die Autor*innen um Lüsebrink et al. (2014) scheint deshalb die eigene Biografie eine hohe Relevanz im Professionalisierungsdiskurs von Sportlehrpersonen einzunehmen. Implizites und explizites Wissen Neuweg nennt beim Wissen 2, dass dieses aus Anteilen des impliziten und expliziten Wissens bestehe. Im Folgenden wird versucht, diese beiden Anteile genauer zu beschreiben, voneinander abzugrenzen und deren Beeinflussung aufzuzeigen. Nach Susteck ist das explizite Wissen das bewusste Wissen, im Sinne «eines Bewusstseinsinhalts», welches sprachlich artikulierbar scheint (Susteck, 2015, S. 257). Das implizite Wissen hingegen scheint sprachlich nicht artikulierbar zu sein. Folgende Darstellung (vgl. Abb. 4) nach Susteck (2015, S. 257) soll dies deutlich aufzeigen: Zwei Bedeutungen von Explizitheit und Implizitheit Explizites Implizites Ausgesagtes Nicht Ausgesagtes, Nicht Aussagbares Als etwas Bewusstes, klar Sichtbares, Fokussiertes Nicht Bewusstes, Verschattetes, Nicht-Fokussiertes

Abbildung 4: Explizitheit und Implizitheit, modifiziert nach Susteck (2015, S. 257).

Neuweg spricht über das implizite Wissen wie folgt: Der Begriff des «impliziten Wissens» vereinigt in sich nahezu alle Eigenschaften, die man sich von einem Terminus in der wis­ senschaftlichen Diskussion gerade nicht wünscht. Er ist, sich gleichsam selbst bestätigend, ausgesprochen unscharf, wird keineswegs einheitlich und im Rahmen verschiedener Theorie­ kontexte verwendet, die paradigmatisch partiell oder vollständig unverträglich sind, verbindet sich mit unterschiedlich starken Annahmen und besitzt Konnotationen, die ihn für Mystifizierun­ gen anfällig machen. (Neuweg, 2004, S. 12)

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Die Erhebung des impliziten Wissens scheint also im wissenschaftlichen Bereich mehrdeutig zu sein. Einerseits lässt sich gemäss Susteck (2015) das implizite Wissen nur schwer erfassen, andererseits existiert zunächst keine einheitliche Definition darüber, was den Inhalt des impliziten Wissens ausmacht. Trotzdem scheinen zahlreiche Autor*innen den Begriff aufzunehmen, wenn es um die Erfassung von Wissen und dessen Aneignung im Professionsdiskurs geht. Bei der Beschreibung des impliziten Wissens geht ganz offensichtlich kein Weg an den damaligen Schriften und Theorien von Michael Polanyi (1985) und Gilbert Ryle (1969) vorbei. In der Aufarbeitung von Hans Georg Neuweg über das implizite Wissen nach Polanyi wird der Begriff und dessen Entwicklung genauestens beschrieben. Bei Polanyi wird das implizite Wissen auch als «tacit knowledge» beschrieben und beschreibt einen Modus des inneren und äusseren Tuns. Darüber hinaus wird der Begriff auch synonym mit «intuitivem Können» oder «knowing how» (Ryle, 1969) beschrieben (Neuweg, 2004, S. 12). In der Beschreibung des «tacit knowings» geht Polanyi von der Beobachtung aus, dass «we can know more than we can tell» 16. Seine Beispiele für ein Wissen, das man nicht sprachlich ver­ mitteln kann, sind vielfältig und schließen die Fähigkeit ein, un­ ter vielen Gesichtern das Gesicht eines Bekannten zu erkennen, ohne dass man sprachlich exakt sagen könnte, woran, aber auch die Fähigkeit, ein Klavierstück zu spielen, ohne verbalisieren zu können, wie dies genau funktioniert. (Susteck, 2015, S. 301) Unter «knowing how» beschreibt Ryle (1969) ein Wissen, welches mit dem deutschen Begriff Können am ehesten übersetzt werden kann. Ryle spricht dem knowing how aber eher ein theoretisches Flair zu. Währenddessen «knowing that» eher das Wissen meint, welches wir unter Wissen 17 verstehen. 16

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Was direkt an die in Kap. 3 beschriebenen Fragestellungen anschliesst. Es geht in dieser Forschungsarbeit darum, dass sich Entscheidungsmuster identifizieren lassen, welche nicht explizit vorhanden sein müssen im Sinne von «we can know more than we can tell». Diese Unterscheidung von Wissen und Können im Englischen macht es gerade im Deutschen so schwierig, eine adäquate Übersetzung zu finden, weshalb in dieser Arbeit Wissen in Anlehnung an Neuweg (2011) bestimmt wird, welches auch Anteile des Könnens miteinschliesst.

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«Es stimmt, dass wir oft nicht nur überlegen, bevor wir handeln, sondern überlegen, um richtig zu handeln. … Nichtsdestoweniger klingt die allgemeine Behauptung unglaubhaft, dass jedem intelligenten Handeln das Erwägen entsprechender Sätze vorangehen muss …» (Ryle, 1969, S. 32). Susteck (2015) wie auch Neuweg (2000) beschreiben deshalb, dass auch Polanyis implizites Wissen und folglich auch der implizite Lernmodus dort existiert, wo hochkomplexe Situationen auftreten und unter diesen Bedingungen auch erfolgreich sind. Wenn Polanyi also davon schreibt, dass implizites Wissen dort existiert, wo komplexe Vorgänge und Handlungen stattfinden, stellt sich die Frage, wo überall im Unterricht solche komplexen Handlungsmuster zu finden sind. Im Zusammenhang mit der Komplexität der Lernaufgabe verweist Neuweg auf die Autor*innen um Broadbent, Fitzgerald und Broadbent (1986), die den Begriff der Salienz einführen, der mit dem Begriff der Offensichtlichkeit gleichgesetzt wird. Von geringer Salienz in einem Prozess wird gesprochen, wenn viele Variablen in einem Ablauf zu kontrollieren sind. Dabei schreiben die Autor*innen, dass für saliente Aufgaben vermutet wird, dass durch Übung mehr verbalisiertes Wissen erworben wird (Neuweg, 2000, S. 203). Nach Neuweg (2004) bezieht sich das «tacit knowing» auf Gegebenheiten während des «Wahrnehmens, Urteilens oder Handelns» (2004, S. 13). Bei Schön (1983) wird dabei von «knowing in action» gesprochen. «Unser Wissen ist gewöhnlich stillschweigend, implizit in unseren Handlungsmustern und in unserem Gefühl für das Material, mit dem wir es zu tun haben, enthalten. Es scheint angemessen, zu sagen, dass unser Wissen in unserem Handeln liegt» (Neuweg, 2004, S. 14). Die Anteile des Wissens 2 nach Neuweg (2011) scheinen offensichtlich – nach all den Ausführungen – ebenfalls schwierig und nicht klar vonei­ nander trennbar zu sein. Tatsächlich hat für Polanyi «explizites», analytisch gewonnenes Wissen seine eigene Berechtigung. Besonderen Wert schreibt

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er ihm zu, wo es zu dem kommt, was er «explizite Integration» nennt. Während die «eigentliche», implizite Integration darin be­ steht, die einzelnen Teile eines proximalen Terms zusammen­ zuziehen und auf solche Weise den distalen Term entstehen zu lassen, geht es nun darum, den proximalen Term und seine Elemente – Subsidien – zu untersuchen sowie zu bestimmen, in welcher Beziehung sie stehen, womit sie von Implizitheit in Explizitheit überführt werden. (Susteck, 2015, S. 305) Diese Beschreibungen lassen aber auch einige zentrale Fragen offen. Beispielsweise scheint ungeklärt, ob das implizite Wissen dem expliziten Denken (Wissen) vorausgeht, wie dies auch Ryle (1969) anmerkt. Bonnet und Hericks würden diese Frage höchstwahrscheinlich verneinen. Denn sie räumen keinem der beiden Wissensanteile einen Vorrang ein und betonen sogar vielmehr die Wechselwirkung dieser beiden Wissen. Sie plädieren deshalb dafür, die Wechselwirkung und die Funktion dergleichen in der Professionsforschung vermehrt zu thematisieren (Bonnet & Hericks, 2019, S. 102). Deshalb ist auch beim theoretischen Modell nach Neuweg (2011) beim Wissen 2 zu erkennen, dass ein Austausch von implizitem und explizitem Wissen stattfindet. Narratives Wissen Narratives Wissen wird immer dann generiert, wenn aus narrativen Texten gelernt wird. «In jedem narrativen Text, in jedem didaktischen Text, sei er noch so kurz und eklektisch, ist etwas Wertvolles enthalten» (Messmer, 2011b, S. 1 – 2). Messmer beschreibt, dass (eigene oder fremde) Texte durch narrative Strukturen gebündelt werden, und verweist auf den Begriff der narrative grammar von Jerome Bruner (1997). Durch diese narrative Grammatik werden die Erzählungen und Beschreibungen in einem Text strukturiert. In der Theorie zur narrative grammar wird beschrieben, dass sich narrative Texte durch drei Merkmale (1997, S. 66) von normalen Texten abgrenzen lassen. Einerseits durch ihre inhärente Sequenti­ alität (1997, S. 60). Dabei strukturiert der Erzählende oder Schreibende seine Geschichte in einer Art und Weise, die der Geschichte selbst eine sogenannte Handlungsstruktur verleiht. Das zweite Merkmal ist die Re­

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gel der Sequenz, dass es «die Sequenz ihrer Sätze und nicht die Wahrheit oder Falschheit der Bedeutung irgendeines Satzes» ist, welche «die Gesamtkonfiguration bzw. Handlungsstruktur der Geschichte festlegt» (1997, S. 61). Dies meint den Umstand, dass eine Geschichte oder Erzählung nicht durch ihren Wahrheitsgehalt ausgezeichnet wird, sondern durch die einzelnen Sequenzen der Beschreibungen. Das dritte Merkmal ist das kanonische Element, das jeder Geschichte zugrunde liegt. «Es ist spezialisiert auf das Schaffen von Verbindungen zwischen dem Aus­ sergewöhnlichen und dem Gewöhnlichen» (1997, S. 64). Dieses Merkmal beschreibt daher die Existenz von Normen und Regeln innerhalb einer Erzählung oder Geschichte. Das ist so zu erklären, dass in jeder Kultur / Gesellschaft bestimmte Normen existieren, welche unausgesprochen für jedermann beziehungsweise jede Frau gelten. Anhand des Vergleichs eines solch alltäglichen Umstandes mit einer Aktion, welche nicht diesen (impliziten) Normen entspricht, wird das Spezielle sichtbar (Bruner, 1997). «Wenn es stimmt, dass die Form von Beschreibungen nicht nur eine ästhetische Bedeutung, sondern auch eine Bedeutung für Denk- und Lernprozesse hat, dann muss sich der Professionalisierungsdiskurs der Lehrerbildung auch mit Fragen der Form auseinandersetzen» (Messmer, 2011a, S. 53). Und weil auch die Strukturen einer (schriftlichen oder mündlichen) Beschreibung wichtig sind, soll auch das narrative Moment in die Betrachtung miteinbezogen werden. Unterscheidung von Wissen und Können Wie Neuweg haben sich auch andere Autor*innen bereits schon viel früher Gedanken über die Art und Weise von Wissen und Können gemacht und grenzen begrifflich das Wissen noch etwas expliziter vom Können ab, als dies Neuweg (2011) formuliert. Während Neuweg drei unterschiedliche Wissensarten ausdifferenziert und spezifisch beim Wissen 3 das beobachtbare Verhalten und Handeln und somit die Performanz (das Können) miteinschliesst, grenzen andere Autor*innen das Wissen explizit vom Können ab. Interessant scheint bei diesen Ausführungen zu sein, dass Polanyi (1985) – bereits viel früher – unter dem Begriff des «knowledge» Wissen sowie auch Können zusammenfasst, «both theoretical and practical knowledge» (Susteck, 2015, S. 301).

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Messmer (2014, S. 114) bezieht sich beispielsweise auf Dewe et al. (Dewe, Ferchhoff & Radtke, 1992, S. 83), welche «Können» als Form von Handeln bezeichnen, welches ohne vorausgehende Entscheidung stattfindet. Doch es wird betont, dass dieses Handeln bzw. Können auf Wissen beruht und keinesfalls willkürlich ist. Messmer vermutet, dass vielleicht gerade deshalb mit dem «Können» das Handeln von Experten gemeint ist. Das Können hingegen wird bei Voss et al. (2015, S. 193) zur Performanz des Klassenraums, ähnlich wie dies Neuweg (2011) formuliert. Bei den Autorinnen um Voss et al. (2015) sei dies das gezeigte Verhalten der Lehrperson innerhalb eines Klassenraumes. Sie beschreiben aber auch, dass es wichtig sei, konzeptuell zwischen Wissen und Überzeugungen zu unterscheiden. Wissen könne prinzipiell als falsch und richtig bewertet werden, wohingegen man dies bei (subjektiven) Überzeugungen nicht könne (Voss et al., 2015, S. 193). Auch nach den Ausführungen von Oser ist Wissen nicht gleich Handeln oder Können. Doch versteht sich Wissen durchaus als Grundlage des Handelns. Auch Bromme (1992, S. 126) hat sich diesem Diskurs angenommen. Seine Annahmen gehen auf Ryle (1977) zurück, der eine Unterscheidung zwischen Wissen als kognitiver Struktur und Wissen als Logik des Handelns machte. Oser sieht die Lösung des ganzen Diskurses um Wissen und Können in der Grundlage von Standards für den Lehrerberuf und deutet gleichzeitig auf die Unterscheidung von berufsrelevantem versus nicht berufsrelevantem Wissen hin (Oser, 1997, S. 27). Bei Messmer besteht das handlungsleitende Wissen – das man bei Oser als berufsrelevantes Wissen sehen könnte – «aus Gewissheiten, die als abgelagerte Erfahrungen oder in einem narrativen Skript (Messmer, 2012a) gleichsam am ‹bewussten› Wissen vorbei eine Handlung steuern» (Messmer, 2014, S. 114). So wird gemäss Messmers Definition zwar auf die Unterscheidung von Wissen und Können hingewiesen, doch die beiden Begriffe rücken bereits näher aufeinander zu. Dass Wissen und Können auch bei neueren Heuristiken zum Erwerb des pedagogical content knowledge massgeblich eine Rolle spielen, wird im nächsten Kapitel zum Thema gemacht. Darin wird aufgezeigt, welche Komponenten für die momentane Diskussion um das fachdidaktische Wissen unumgänglich und von Bedeutung sind.

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2.6  Neuere Heuristiken zum Erwerb des PCK Die Modellierung des pedagogical content knowledge (fachdidaktisches Wissen) scheint gegenwärtig etwas unübersichtlich zu sein. Dennoch gibt es einige Arbeiten, welche die Kompetenzaspekte von Shulman (1986, 1987) neu ausdifferenzieren und den Kompetenzbereich PCK – aufgrund des neusten Stands der Arbeiten – umfassend zu modellieren versuchen. In diesem Kapitel werden deshalb einige, für diese Arbeit wichtige Konzeptionen des PCK herausgearbeitet und diskutiert. Als Grundlage dieses Kapitels dienen die in Kapitel 1.1 gemachten Ausführungen zum Begriff des PCK – pedagogical content knowledge. In diesem vorliegenden Kapitel werden zu Beginn die Modellierungen von COACTIV (Kunter et al., 2011), Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) (welche auch in Blömeke und Kaiser [2017] aufgenommen werden) und diejenigen nach Santagata und Yeh (2015) aufgenommen und diskutiert. Abschliessend werden PCK-Modellierungen aus dem Sport dargestellt und diskutiert. 2.6.1 Das pedagogical content knowledge bei COACTIV Dass Lehrpersonen wichtige Akteure im Bildungswesen sind, scheint indiskutabel zu sein. Betrachtet man aber die Literatur im Bereich der Professionsforschung, werden wichtige Begriffe wie Qualifizierung, Pro­ fessionalität, Expertise oder auch Kompetenz teilweise gar nicht, teilweise nur sehr unscharf und häufig sogar konträr definiert (vgl. Kap. 2.2.1). Das generische Kompetenzmodell von COACTIV (Kunter et al., 2011, S. 29) ist ein Versuch, ein Modell zu erstellen, welches die bisherigen Forschungsbemühungen aufnimmt. Mit COACTIV wurde das Ziel verfolgt, einen theoretischen und empirischen Beitrag zur Diskussion über die Profes­sionalisierung von Lehrpersonen zu geben. Damit wurde ein Modell konzipiert, welches die ursprünglichen Arbeiten von Shulman (1986, 1987) und Bromme (1992, 1997, 2001) aufnimmt. Das Hauptanliegen von COACTIV war, «die individuellen Merkmale zu identifizieren, die Lehrkräfte für die erfolgreiche Bewältigung ihrer beruflichen Aufgaben benötigen. Dabei standen vor allem die Anforderungen des Unterrichtens im Vordergrund des Interesses» (Kunter et al., 2011, S. 29). Diese Kompetenzen sind prinzipiell erlern- und vermittelbar (Kunter, Klusmann

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& Baumert, 2009; Blömeke et al., 2015a). Im Rahmen von COACTIV beschreibt der Begriff Kompetenz aber lediglich den kognitiven Aspekt. Gemäss dieser Beschreibung wird profes­sionelles Handeln als Zusammenspiel von deklarativem und prozeduralem Wissen (Wissen und Können), den professionellen Kompetenzaspekten wie Überzeugungen, subjektive Theorien, normativen Präferenzen und Zielen, aber auch den motivationalen Orientierungen und den Fähigkeiten der professionellen Selbstregulation verstanden (Kunter et al., 2011, S. 33).

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Abbildung 5: Das Kompetenzmodell von COACTIV mit Spezifikationen für das Professions­ wissen (Kunter et al., 2011, S. 32).

Das nicht hierarchisch gemeinte Modell verdeutlicht damit verschiedene Aspekte der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen und will deren Zusammenspiel verdeutlichen. Die Performanz – das daraus resultierende eigentliche Handeln der Lehrpersonen – wird aber in diesem Kompetenzmodell vernachlässigt.

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2.6.2

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Das pedagogical content knowledge bei Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015)

Bei Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) wird die professionelle Kompetenz als ein Bündel berufsbezogener Merkmale konzeptualisiert, die funktionales Verhalten von Lehrpersonen begünstigen und demzufolge wichtig für das Können bzw. die Performanz von Lehrpersonen sind (2015a; Shavelson, 2010). Das Modell ist ebenfalls als generisches Kompetenzmodell zu verstehen und bezieht sich vor allem auf die Unterscheidung zwischen Personenmerkmalen und Verhalten, also Merkmalen der Lehrperson und Unterrichtsverhalten (vgl. Krauss et al., 2017) (vgl. Abb. 6).

Abbildung 6: Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785).

Blömeke, Shavelson und Gustafsson (2015a) nehmen die Perspektive der situativen Bezugseinnahme auf, indem auch sie die ursprüngliche Heuristik von Shulman ausdifferenzieren und sie stärker auf die situative Komplexität von Unterricht beziehen. Für die Autor*innen (2015a, S. 7) wird Kompetenz auf einer horizontalen Achse begrifflich gemacht. Der Kompetenzbegriff sei hier als ein Kontinuum von verschiedenen Faktoren zu verstehen. Einerseits sei Kompetenz von der Disposition der Lehrperson (Professional knowledge und Affect-motivation + generic attributes), andererseits von situationsspezifischen Fähigkeiten (Interpretation, Perception und Decision making), aber auch von der Performanz – der tat-

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sächlich gezeigten Leistung im Unterricht (Observable behaviour) – abhängig (vgl. Abb. 6). Der horizontalen Achse gegenüber kann der Kompetenzbegriff, unabhängig des Berufsfeldes oder der Berufsprofession, auch auf einer vertikalen Achse (Level) dargestellt werden. Hier wird ebenfalls nicht binär zwischen kompetent bzw. nicht kompetent unterschieden, sondern von mehr oder weniger kompetent sein (Blömeke, Shavelson & Gustafsson, 2015a, S. 3; Blömeke & Kaiser, 2017, S. 796). Etwas später wurde von Blömeke und Kaiser (2017) in der Professionsforschung ein wesentliches Desiderat festgestellt. Demnach wurde den Professionskompetenzen als Kontinuum bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Gemeinsam ist den beiden Modellen von COACTIV und Kompetenz als Kontinuum, dass von einem professionellen Wissen und Können von Lehrpersonen ausgegangen wird, welches sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt. Während im Modell von COACTIV die situationsspezifische Komponente weniger Beachtung findet, wird im Modell von Kompetenz als Kontinuum das Handeln der Lehrperson situa­ tionsspezifisch ins Zentrum gesetzt. 2.6.3 Das pedagogical content knowledge bei Santagata und Yeh (2015) In der Arbeit von Santagata und Yeh (2015) wurde die Kompetenz dreier Grundschullehrer und deren Entwicklung während der Lehrervorbereitung und in den ersten zwei Jahren des Vollzeitstudiums im Fach Mathematik untersucht (Längsschnittstudie). Im Fokus der Untersuchung lagen die Prozesse der Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidungsfindung, welche aus den Kommentaren und Reflexionen der Studienteilnehmer zu entnehmen waren. Sherin und Kollegen (Sherin, Jacobs & Philipp, 2011) definieren das Erkennen als professional vision (zu Deutsch: professioneller Blick) (vgl. Kap. 2.4.4). Diese professional vision ist eine sogenannte professionelle Linse, durch die Lehrer*innen den Unterricht betrachten. In dieser Arbeit wird der Schwerpunkt auf die Fähigkeiten der Lehrer*innen gelegt, die das Denken der Schüler*innen während des Unterrichts beachten und interpretieren (Sherin, Jacobs & Philipp,

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2011; Sherin & van Es, 2009). Es wird nämlich davon ausgegangen, dass wenn sich Lehrpersonen in die Sicht und das Denken der Schüler*innen hinein­versetzen können, sie ihren eigenen Unterricht den Gegebenheiten bestmöglich anpassen, wodurch der Unterricht schüler*innenorientiert ausgerichtet wird, sodass die Schüler*innen bestmöglich profitieren. Die Ergebnisse weisen auf die zentrale Rolle der Wahrnehmung der Lehrperson in der spezifischen Situation und deren gleichzeitige Entwicklung und Verbesserung der Lehrerkompetenzen hin. Zudem haben Santagata und Yeh (2015) herausgefunden, dass ebenfalls das Lehrerkollegium bei der Entwicklung dieser Kompetenzen eine wichtige Rolle spielt, was beispielsweise im Modell von COACTIV und Kompetenz als Kontinuum weniger im Fokus stand.

Abbildung 7: Überarbeitetes Modell der Lehrerkompetenz (Santagata & Yeh, 2015)

Abbildung 7 zeigt das aus diesen Beschreibungen resultierende Modell. Wissen und Überzeugungen (vgl. Fives & Buehl, 2012) überschneiden sich mit der Unterrichtspraxis und die Wahrnehmungs-, Interpretationsund Entscheidungsfähigkeiten stehen im Mittelpunkt des überlappenden Raums. Dieser Prozess wird als Zyklus dargestellt, in dem sich

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Schüler*innen, Werkzeuge der Vermittlung und Lehrergemeinschaften in einem wechselseitigen Verhältnis befinden. Während das Modell von Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) eher einen linearen Prozess der Lehrerkompetenz beschreibt, betonen die Autorinnen Santagata und Yeh (2015) den zyklischen Prozess, welcher die Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidungsfindung von Lehrpersonen ins Zentrum setzt, und betonen, dass diese professional vision stetig veränderbar ist. Den Modellen gemeinsam ist die klare situationsspezifische Erhebung der Lehrerkompetenz, was wie bereits erwähnt, bei COACTIV nicht im Zentrum der Untersuchung lag. 2.6.4 Das pedagogical content knowledge – Modellierungen im Sport Im deutschsprachigen Raum blickt die Sportdidaktik auf eine lange Tradition berufsbiografischer (Miethling & Giess-Stüber, 2007) und kasuistischer Forschung (Lüsebrink et al., 2014) zurück. Trotzdem gibt es nur wenig Modellierungen, die das professionsspezifische Wissen von Sportlehrpersonen bestimmen können (Vogler et al., 2018). Im Folgenden werden deshalb einige dieser Arbeiten skizziert. Meier (2015) hat ein Instrument für die Erhebung der professionellen Kompetenz von Sportlehrpersonen konzipiert, welches auf der Grundlage kriteriengeleiteter Dokumentenanalyse (Vergleich von sportdidaktischer Literatur, Modulhandbücher unterschiedlicher Hochschulen) eine Heuristik zur Itemkonstruktion erstellt hat. Die inhaltliche Ebene differenziert dabei zwei unterschiedliche Wissensdimensionen: 1. Wissen über Repräsentationsformen und Instruktionsstrategien, 2. Wissen über in­ haltsspezifische Lernschwierigkeiten und Schüler*innenkognition. Das daran anschliessende Expertenrating sollte die entwickelten Items, bezogen «auf ihre Relevanz für späteres berufliches Handeln sowie Inhalte sportdidaktischer Veranstaltungen in der Lehrerbildung, prüfen und absichern (z. B. bezogen auf korrekte / falsche Antwort bzw. einen Erwartungshorizont bei offenen Items), bevor ein Itemset an drei Standorten in Nordrhein-Westfalen zum Einsatz kam» (Vogler et al., 2018). Dieser eher

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analytisch geprägte Ansatz des PCK erfasst Wissen eher entkontextualisiert. Auch Baumgartner (2017b) versuchte in einem zweistufigen Verfahren, fachdidaktische Kompetenzen – in Bezug auf den spezifischen Aspekt Feedback – zu erheben. In einem ersten Schritt wurde eine intersubjektive Fremdbeurteilung durchgeführt, wobei zwei Experten die feedbackbezogene Performanz von Sportlehrpersonen beurteilten. Hierdurch konnten die Proband*innen in die Gruppen kompetent und inkompetent eingeteilt werden. Daraufhin wurden in einem zweiten Schritt Versuchspersonen beider Untersuchungsgruppen (kompetente und inkompetente) dazu aufgefordert, die Qualität ihrer feedbackbezogenen Performanzen anhand eines Selbstbeurteilungsverfahrens einzuschätzen, woraus ein outputorientiertes Interventionsprogramm entstand, welches sowohl bei einer situa­ tionsspezifischen Forschung als auch als Praxisinstrument eingesetzt werden kann (Baumgartner, 2017a). Mit dem Projekt KopS der Autor*innen Valkanover, Oswald, Blum und Conzelmann (Valkanover, Oswald, Blum & Conzelmann, 2014) wurde das Ziel verfolgt, Kompetenzen von Lehrpersonen für das Fach Sport auf Vorschul- und Primarschulstufe zu erheben, weiterzuentwickeln und zu bewerten. Diese Untersuchung wählte eher einen explorativen Zugang zum Gegenstand fernab einer situationsspezifischen Erfassung von Kompetenzen. Im Zentrum der Untersuchung ging es eher darum, wichtige Kompetenzprofile von Lehrpersonen gewichten zu lassen, als dass versucht wurde, vorhandene Kompetenzen bei diesen zu erfassen. Das Forschungsprojekt bestand aus einem dreistufigen Verfahren. Als Erstes stand eine Literatur- und Dokumentenanalyse im Zentrum. Diese verfolgte zwei Ziele. Einerseits die in der Literatur als wichtig empfundenen Grundlagen zu Kompetenzen von Sportlehrpersonen zu erfassen, und andererseits «die in der fachwissenschaftlichen und -didaktischen Ausbildung zur sportunterrichtenden Lehrperson angesteuerten Kompetenzbereiche an Pädagogischen Hochschulen der Deutschschweiz zu dokumentieren und zu analysieren» (Valkanover, Oswald, Blum & Conzelmann, 2014). Daran schloss eine Delphi-Befragung an, bei der

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es darum ging, Kompetenzen von sportunterrichtenden Lehrpersonen der Vorschul- und Primarschulstufe aus Sicht von Lehrpersonen und Fachdidaktik-Dozierenden zu erfassen. Mit der daran anschliessenden quantitativen Fragebogenerhebung wurde der Frage nachgegangen, ob die zuvor entwickelten Kompetenzen den Kompetenzanforderungen von sportunterrichtenden Lehrpersonen (mit unterschiedlichen Berufserfahrungen) entsprechen (Valkanover, Oswald, Blum & Conzelmann, 2014). Heemsoth (2016) stellt in seinem Artikel das fachspezifische Wissen von Sportlehrkräften ins Zentrum seines Versuchs, das PCK theoretisch zu modellieren. Dabei orientiert er sich insgesamt an den Wissensbereichen Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und allgemeines pädagogisches Wissen von Sportlehrpersonen. Der Autor stellt sich dabei die Frage, «über welches fachspezifische Wissen sollten Sportlehrkräfte aber genau verfügen, um einen erfolgreichen Sportunterricht anbieten zu können?» (2016, S. 46). In seinem Ansatz scheint sich das fachspezifische Wissen von Sportlehrpersonen einerseits in Fachwissen und andererseits in fachdidaktisches Wissen auszudifferenzieren. Ersteres kennzeichnet sich durch 1. Fakten und Konzepte, 2. Regeln der Wissensgenerierung, was eher einer deklarativen Wissensform entspricht. Fachdidaktisches Wissen hingegen unterteilt Heemsoth (2016, S. 51) in drei unterschiedliche Ausprägungen: 1. Repräsentations- und Erklärungsmöglichkeiten, 2. Sensibilität /Schwierigkeiten mit Fachinhalten und 3. Unterrichtliche He­ rangehensweisen, was eher einer situationsspezifischen Erfassung von Wissen (vgl. Santagata & Yeh, 2015) entsprechen würde als die Erfassung von Fachwissen. Die definitive Modellierung und empirische Überprüfung ist jedoch noch ausstehend.  Bei der theoretischen Entwicklung des Instruments zum PCK 1.0 (vgl. Kap. 4.1) bedienten sich Messmer und Brea (2015) des «didaktischen Sterns» nach Scherler (2004). Dabei standen die Lehrpersonenkompetenzen 1. Inhalte präsentieren, 2. Bedingungen organisieren und 3. mit Lernenden interagieren im Zentrum des kompetenztheoretischen Ansatzes von Lehrerprofessionalität. Dieser theoretischen Modellierung der Kompetenzen einer Sportlehrperson folgte anhand einer DelphiBefragung eine empirische Erweiterung der Modellierung des Modells.

Theoretische Einordnung

105

Den Experten in der Delphi-Befragung gelang es, die dafür wichtigen Indikatoren und Items den drei Dimensionen zuzuordnen. Mit diesem methodischen Verfahren konnte das Instrument nach mehreren Durchgängen verbessert und angepasst werden. Es entstand ein Modell mit sichtbaren Kategorien. Als Erweiterung dieses Kompetenzmodells wurden anschliessend Textvignetten den Kompetenzen hinzugefügt, sodass eine situative und kontextbetonte Erhebung des fachdidaktischen Wissens (vgl. Santagata & Yeh, 2015) möglich wurde (Vogler et al., 2018). Im Anschluss daran konnte mit dem konzipierten Textvignetten-Instrument das fachdidaktische Wissen von erfahrenen Sportlehrpersonen (Praxislehrpersonen) und weniger erfahrenen Sportlehrpersonen (Sek-I- und Sek-II-Studierende in Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen) erfasst werden. Auch wenn diese Untersuchung Aufschluss über die Wirkungen unterschiedlicher Ausbildungssysteme und divergierender Facetten des PCK von Sportlehrpersonen beschreibt, verlangt sie nach weiteren Untersuchungen mit anderen Ausbildungssystemen und -kohorten. All diese Ausführungen lassen erkennen, dass sich die Forscher*innen zum PCK im Sport auch nicht ganz einig über dessen Inhalte sind. Einigkeit herrscht offensichtlich vor allem darüber, dass sich die Entwicklung von fachdidaktischem Wissen und Können aus unterschiedlichem Wissen speist. «So liegt empirische Evidenz zum Anstieg des fachdidaktischen Wissens mit zunehmender eigener Lehrerfahrung vor» (Rutsch et al., 2017, S. 497). Demgegenüber steht aber auch die Deliberate-Practice-Hypothese, bei der das Lernen in einer Profession vor allem durch eine reflektierte Praxis in der Ausbildung geschehe und weniger durch Erfahrung (Ericsson, 2006, S. 696), was die Resultate aus dem Projekt PCK 1.0 (Vogler et al., 2018) stützt und sich ebenfalls gegen den berufsbiografischen Ansatz von Terhart (2011) stellt. 2.7  Synopse und Identifikation von Forschungslücken Diese bisherigen Ausführungen zur professionellen Kompetenz von Lehrpersonen sollen aufzeigen, dass im Bereich der Mathematik und allgemein naturwissenschaftlichen Fächern eine grosse Anzahl an For-

106

Theoretische Einordnung

schungstätigkeiten vorzuweisen sind. Leider lässt sich demgegenüber zum Fach Sport und zu den sportspezifischen Lehrerkompetenzen nur ein Bruchteil an Forschungen finden, welche tatsächlich die Untersuchung der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen zum Inhalt haben und ins Zentrum setzen. Die Forschungslücke besteht weiterhin darin, ob sich das fachdidaktische Wissen massgeblich durch die berufswissenschaftliche und -praktische Ausbildung oder entscheidend durch die anschliessende Praxiserfahrung, im Sinne des berufsbiografischen Ansatzes, verbessert. Insbesondere hat die Analyse der bestehenden Untersuchungen im Sport gezeigt, dass hier sowohl in Bezug auf die Empirie als auch auf die Ausdifferenzierungen der Modellierung des PCK grosse Forschungslücken bestehen. Bezogen auf die erwähnten Untersuchungen (vgl. Kap. 2.6) gibt es einerseits Forschungsarbeiten zum PCK im Fach Sport, welche sich lediglich auf theoretische Grundlagen stützen (welche sich eher auf deklaratives Wissen beziehen), andererseits dem situationalen Aspekt der Erhebung von fachdidaktischem Wissen zu wenig Rechnung tragen. Deshalb wird dem vorliegenden Forschungsansatz, der überdies als Erweiterung des Projekts PCK 1.0 gesehen wird, eine innovative Komponente beigemessen. Das Forschungsdesiderat in dieser Arbeit besteht deshalb in der situa­ tionsspezifischen Erfassung von Lehrerkompetenzen im Fach Sport. Dabei geht es insbesondere um professionelle Entscheidungen von Sportlehrpersonen in kritischen Situationen des Unterrichts, wie dies auch bereits in der Einleitung skizziert wurde. All diese Ausführungen in der Theorie zur Experten- und Novizenforschung und deren Vergleiche in Bezug auf eine konkrete didaktische Situation zeigen auf, dass situa­ tionale Entscheidungen abhängig sind von deren Kontext, der Kommunikation zwischen Lehrpersonen, der Wahrnehmung von Schüler*innen und deren Interpretation. Dies sind Inhalte, welche für das Fach Mathematik in Teilen bei COACTIV (Kunter et al., 2011), in Kompetenz als Kontinuum (Blömeke et al., 2015a) und in den Inhalten von Santagata und Yeh (2015) zwar zu finden sind, jedoch nicht spezifisch auf das Fach

Theoretische Einordnung

107

Sport und die damit verbundenen konstitutiven Merkmale, welche den Sportunterricht von anderen Schulfächern abhebt, untersucht wurden. Die Innovation dieser Forschungsarbeit liegt darin, dass die theoretischen Komponenten des PCK 1.0 (theoretische Modellierung der Dimensionen und Kompetenzen des Instruments) mit empirischen Komponenten (Delphi-Befragung als Erweiterung der Kompetenzmodellierung und Anpassung des Erhebungsinstruments) in einem situationsspezifischen Forschungsdesign miteinander verbunden werden. Dies legitimiert die Zielsetzung dieser Arbeit und misst zugleich dem Forschungsdesiderat einen hohen Stellenwert bei, um die fachdidaktische Forschung und Ausbildungspraxis im Fach Sport weiterzuentwickeln.

3. Präzisierung der Fragestellungen Dieser Arbeit liegen zwei unterschiedliche Forschungsschwerpunkte und Forschungslücken zugrunde. Bereits bei Shulman (1986, 1987) lassen sich Beschreibungen finden, in denen das PCK von Lehrpersonen eine relevante Bestimmungsgrösse für das Professionswissen und demzufolge für eine erfolgreiche Initiierung und Aufrechterhaltung von Lernprozessen notwendig ist, wie dies auch zahlreiche weitere Forschungsarbeiten belegen (vgl. Kap. 1.1 und 2.6). Dass es im Fach Sport im Gegensatz zu den naturwissenschaftlichen Fächern nur eine geringe Anzahl an Arbeiten gibt, die den Kompetenzbereich des fachdidaktischen Wissens zu kategorisieren und zu erfassen versuchen, sollte ebenfalls ausführlich beschrieben worden sein. Vor allem besteht die hauptsächliche Forschungslücke darin, dass das PCK immer noch vorherrschend getrennt von situationalen und kontextualen Begebenheiten erfasst wird, was auch in den neueren Arbeiten zur Heuristik des PCK kritisiert wird (vgl. Kap. 2.6). Diese zwei Desiderate stellen den Hauptbeweggrund für diese vorliegende Arbeit dar und führen bereits zur übergeordneten Fragestellung über: Welche Entscheidungsmuster lassen sich bei Sportlehrperso­ nen in kritischen Situationen im Unterricht identifizieren? Eine kritische Situation, gemäss der Definition nach Klumpp und Miethling (1998), ist weder negativ noch positiv konnotiert, sondern fasst all jene Situationen des unterrichtlichen Agierens zusammen, welche als herausfordernd gelten und ein professionelles Handeln in der Situa­ tion nach sich ziehen. In Anlehnung an die Mustererkennung von Neuweg (2011) wird hier vermutet, dass sich das professionelle Wissen von Sportlehrpersonen in Mustern von Entscheidungen identifizieren lässt. In Anlehnung an beispielsweise Helsper und Tippelt (Helsper & Tippelt, 2011; Hoyle, 1991; Paseka, Schratz & Schrittesser, 2011) (vgl. Kap. 2.2) ist gerade das nicht rezeptartige Wissen, um kritische Situationen zu lösen, ein Merkmal von professionellem Handeln, was begrifflich erklärt, weshalb von Mustern der Entscheidungen gesprochen werden kann. Es geht also vielmehr darum, herauszufinden, nach welchen Struktu© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_3

110

Präzisierung der Fragestellung

ren Sportlehrpersonen in kritischen Situationen sich entscheiden, als um eine konkrete, statische Lösung der Situation. Begrifflich geht es hier deshalb um ein Bündel an Entscheidungen, in Anlehnung an den Begriff des Kompetenzbündels (vgl. Oser, 2013b). Dies leitet zur Teilfrage 1 über: Teilfrage 1: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Situationen und Kontexten iden­ tifizieren? Diese Teilfrage schliesst direkt an das in der Einleitung erwähnte Pro­ blem an – der Situations- und Kontextspezifität eines Critical Incidents. Dabei wurde erwähnt, dass eine Situation nie kongruent zu anderen Situationen ist, auch wenn sie thematisch noch so ähnlich klingen mag. Dies macht es insbesondere für Berufsanfänger schwierig, sich auf diesen situationsspezifischen Faktor bestmöglich vorzubereiten. Einerseits wird hier versucht, miteinzubeziehen, aus welchem spezifischen Umfeld (in Form von Stimmung der Situation) die kritische Situa­ tion entstanden ist. Ist es eine gefährliche Begebenheit, die ein promptes Reagieren nach sich zieht, oder wird in der dargestellten Vignette ein Umstand beschrieben, der eher ein überlegtes und langsameres Eingreifen von Seiten der Lehrperson zulässt? Diese situationalen Hintergründe verlangen nach einem differenzierten fachdidaktischen Wissen. Andererseits enthält diese Teilfrage aber auch noch den Begriff des Kontextes. Im Sportunterricht gibt es beispielsweise zahlreiche unterschiedliche Sportarten, welche die Lehrpersonen unterrichten müssen, was mit Kontext zu beschreiben ist. Sie sind auch gezwungen, sich in diesen zahlreichen unterschiedlichen Sportarten zurechtzufinden. Dabei wird z. B. unterschieden zwischen Individual- und ästhetischen Sportarten und den Rückschlag- und Invasionsspielen. Auch diese verschiedenen Sportarten verlangen unterschiedliches und differenziertes fachdidaktisches Wissen über Themen und Modelle, anhand deren die Sportart vermittelt werden kann (Messmer, 2013). Darüber sind mir aber bisher

Präzisierung der Fragestellung

111

keine Forschungsbemühungen bekannt, weshalb sich auch keine fundierte theoretische Ausarbeitung dazu finden lässt. Deshalb wird mit dieser Teilfrage 1 das Ziel verfolgt, herauszufinden, ob es gewisse Situationen und Kontexte gibt, in denen Proband*innen eher zu einer Entscheidung tendieren als zu einer anderen. Die Teilfrage 2 schliesst an die erste Unterfrage an und stellt die Entscheidungen in Abhängigkeit unterschiedlicher Ausbildungsstrukturen und Kohortenzugehörigkeit ins Zentrum: Teilfrage 2: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Ausbildungsstrukturen und Be­ rufsbiografien identifizieren? Diese Teilfrage enthält zwei unterschiedliche Aspekte. Einerseits wird nach spezifischen Entscheidungen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Ausbildungsstrukturen gefragt und andererseits werden Entscheidungen in Abhängigkeit unterschiedlicher Berufsbiografien ins Zentrum der Analyse gestellt. Beim ersten Aspekt werden unterschiedliche Antworten zwischen Proband*innen mit unterschiedlichen Ausbildungsverläufen und -strukturen in den Fokus gestellt. Überlegungen, die sich hier stellen, sind beispielsweise, ob es bestimmte Kohortengruppen gibt, welche eher zu einer bestimmten Lösung in der jeweilig kritischen Situation tendieren als andere. Anhand dieser Teilfrage wird untersucht, ob sich diese Unterschiede auch bei Sportlehrpersonen unterschiedlicher Ausbildungsstrukturen finden lassen und wie sich allenfalls diese Unterschiede zeigen und identifizieren lassen. Dabei sollen auch Bezüge zu den jeweiligen Ausbildungstypen (Sek I integriert, Sek II konsekutiv) gemacht werden. Im Kapitel über die Bestimmungsansätze und insbesondere in Bezug auf den berufsbiografischen Bestimmungsansatz sind das Handeln und damit auch die Entscheidungen der Lehrperson ebenfalls abhängig von

112

Präzisierung der Fragestellung

der biografischen Erfahrung, was den zweiten Aspekt dieser Teilfrage darstellt. Hier wird auch auf die grundsätzliche Unterscheidung von Novizen- und Expertenlehrpersonen eingegangen. In der theoretischen Aufarbeitung zur Experten- und Novizenforschung wurde beschrieben, dass es offensichtlich Unterschiede zwischen Novizen und Experten im unterrichtlichen Agieren gibt. Bei diesem Aspekt wird erwartet, dass sich aus den situationsspezifischen Entscheidungen der Lehrpersonen ebenfalls konkrete Entscheidungsmuster für kritische Situationen feststellen lassen, welche sich aufgrund der Erfahrung (in dieser Arbeit anhand der Experten und Novizen feststellbar) der Proband*innen begründen lassen. Wie in Kapitel 2.2.2 formuliert, zeigt sich das berufsbiografische Wissen in Form von unterrichtsmethodischem Wissen. Da in dieser Arbeit das unterrichtsmethodisch-fachdidaktische Wissen in Form von Critical Incidents hervorgerufen werden möchte, kann davon ausgegangen werden, dass damit auch das berufsbiografische Wissen abgefragt wird. Das berufsbiografische Wissen entsteht durch einen Prozess des Unterrichtens, der handlungstheoretisch niemals abgeschlossen ist, wie in diesem erwähnten Kapitel erläutert wurde. Dieses berufsbiografische Wissen verändert auch den Berufshabitus einer Lehrperson. Um sich hier an Paseka und Hinzke (2014a, 2014b) zu lehnen, möchte insgesamt das Textmaterial dahingehend untersucht werden, wie die erfahrenen Sportlehrpersonen (Experten) die Vignetten beantworten und wie es angehende Sportlehrpersonen (Novizen) tun, um anschliessend die Kohortengruppen einander gegenüberstellen zu können. In beiden Teilfragen geht es um die Entscheidung in einer kritischen Situa­tion, welche geprägt ist von den situationalen und kontextualen Bedingungen, die ein Critical Incident mit sich bringt, und von dem jeweiligen Ausbildungsstand beziehungsweise der Ausbildungsstruktur und der Erfahrung der Lehrperson. Die beiden Teilfragen werfen die Frage auf, ob bei der Beantwortung der Critical Incidents unterschiedliche Entscheidungen zwischen den Proband*innen (unterschiedliche Kohortengruppen) sichtbar werden, oder ob es massgeblich die Situation und der Kontext (Sportart und Um-

Präzisierung der Fragestellung

113

feld) sind, welche die unterschiedlichen Entscheidungen beeinflussen. Diese Fragen werden vor dem Hintergrund aufgearbeiteter Theorien, Diskussionen und Modelle betrachtet und diskutiert (vgl. Kap. 6). Letztlich soll das Forschungsprojekt Wissensstrukturen identifizieren (vgl. Kap. 2.5), welche Lehrpersonen haben (müssen), um auf die jeweiligen kritischen Situationen bestmöglich reagieren zu können, indem sie ganz unterschiedliche und zahlreiche Entscheidungsmuster bereithalten.

4. Methodik Ausgehend von den in Kapitel 3 präzisierten Fragestellungen wendet sich dieses vorliegende Kapitel der Instrumentenentwicklung des Projekts PCK 1.0, der Datengrundlage und der Auswertungsmethode des PCK 2.0 zu. In einem ersten Kapitel (Kap. 4.1) werden das Erhebungsinstrument des Projekts PCK 1.0 und die Stichprobe – als Datengrundlage für das Projekt PCK 2.0 – thematisiert. Im Anschluss daran folgen innerhalb dieses Kapitels zwei die Methodik vertiefende Themen, um den spezifischen Zugang und das spezielle Design der vorliegenden Untersuchung zu erläutern und zu begründen. Diese Kapitel bilden gleichzeitig die Überleitung von der Erhebungsmethode zur Auswertungsmethode und dienen zugleich auch der Abrundung der Methodik für die beiden Projekte PCK 1.0 und PCK 2.0. Im nächsten Kapitel (Kap. 4.2) wird die Auswertungsmethode der vorliegenden Forschungsarbeit PCK 2.0 thematisiert. Dabei werden die Bedingungen für die Methode aufskizziert und die Wahl der Methode wird begründet. Es folgen weitere Kapitel, in denen die Inhalte der Methode (Dokumentarische Methode) genauestens beschrieben werden. Eine Abrundung dieses Kapitels geschieht mit den allgemeinen Erwartungen an diese Methode und Herausforderungen, welche die Methode stellt. 4.1 Instrumentenentwicklung PCK 1.0 4.1.1 Erhebungsinstrument PCK 1.0 Theoretische Modellierung Die Entwicklung des Testinstruments des Projekts PCK 1.0 kann in zwei Stufen beschrieben werden 18. Die dem Instrument zugrunde liegende theoretische Modellierung basiert auf dem Didaktischen Stern und dem Prozessmodell von Karlheinz Scherler (Scherler, 2004, S. 17 – 19), welche als Ergebnis langjähriger, fallbezogener Forschung in drei Dimensionen gebündelt wurden. Letztlich soll dieses Basismodell veranschaulichen, dass Sportlehrpersonen in ihrem Unterricht drei verschiedenen grund18

Die detaillierte theoretische Modellierung kann aus Messmer und Brea (2015) entnommen werden. Die empirische Modellierung und die spezifischen Resultate zum PCK 1.0 werden in Vogler et al. (2017) beschrieben.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_4

116 Methodik

sätzlichen Anforderungen ausgestellt sind: Sie müssen oder dürfen Inhalte präsentieren, Bedingungen organisieren und mit den Schüler*innen interagieren. Empirische Modellierung In einem weiteren Schritt wurden diese drei Dimensionen mit ihren zehn Unterscheidungen, respektive Kompetenzen (Scherler, 2004), in einer ersten Delphi-Runde «auf ihre sportdidaktische Relevanz hin überprüft, teilweise ausdifferenziert und auf 16 Kompetenzen ergänzt» (Vogler et al., 2017, S. 336) (vgl. Tab. 2). In einem weiteren Schritt wurde eine Auswahl von schriftlichen Fällen aus einem Fallarchiv der Sportdidaktik 19 entnommen. Diese Fälle – die sogenannten Critical Incidents – wurden in Vignetten umgeschrieben, sodass ein offensichtlich kritisches Ereignis innerhalb einer Unterrichtsstunde möglichst prägnant mit einem offenen Schluss den Proband*innen in schriftlicher Form präsentiert werden konnte. Die fünf Experten in der Delphi-Befragung hatten die Aufgabe, die Vignetten auf Verständlichkeit zu revidieren, die den Antworten zugeordneten Dimensionen und Kompetenzen zu validieren und letztlich zu überprüfen, ob weitere Lösungsmöglichkeiten für eine Situation möglich wären. Wie dies auch bei anderen Autor*innen zu finden ist, werden Textvignetten (erfolgreich) eingesetzt, um das fachdidaktische Wissen von Lehramtstudierenden (und hier bei erfahrenen Lehrpersonen) zu Beginn und am Ende ihrer Ausbildung zu erheben (Baer et al., 2011, S. 96; Friesen, Kuntze & Vogel, 2018; Paseka & Hinzke, 2014a, S. 48).

19

http://www.sportdidaktik.ch/uebersicht-fallarchiv. Das Fallarchiv ist ein gemeinsames Projekt der Pädagogischen Hochschule FHNW Basel (Professur Sport und Sportdidaktik im Jugendalter: Roland Messmer) und der Pädagogischen Hochschule Freiburg (Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit; Fachrichtung Sportwissenschaft und Sport: Ilka Lüsebrink).

Methodik 117 Tabelle 2: Dimensionen und Kompetenzen des PCK-Teilprojekts 1. Dimensionen

Kompetenzen PCK (Faktoren)

(Total)

Inhalte präsentieren

Spielprozesse initiieren und begleiten, Problemlöseprozesse initiieren und begleiten, Übungsprozesse auslösen und leiten, Trainingsprozesse auslösen und leiten, Verstehen anregen

6 4 3 6 4

Bedingungen organisieren

Klasse teilen Zeit einteilen Raum ordnen Material einsetzen

3 3 3 3

Mit Schüler*innen interagieren

Verständlich erklären Interessen beachten Auf Disziplin achten Leistungsfähigkeit beachten Beurteilen und evaluieren Körperlichkeit beachten Gender beachten

3 4 4 6 7 3 4 16

Anzahl Vignetten

66

In der Tabelle 2 ist in der rechten Spalte ersichtlich, in wie vielen Vignetten die angegebene Kompetenz auftaucht. Jede dieser sogenannten Textvignetten endet mit einer Frage an die Proband*innen, wie er /sie nun darauf reagieren würde.

118 Methodik

Kompetenz / Dimension

Vignetten code

– die Abwesenden – Ich versichere müssen den Lauf ihnen, dass die nachholen nicht anwesenden SuS den 12-Minuten-Lauf noch nachholen müssen.

Beurteilen und evaluieren /

20a

lauf_wieder

Es steht eine Leistungsüberprüfung im Bereich Ausdauer an. Die Schüler*innen machen den 12-Minuten-Lauf auf der 400 mBahn des Sportplatzes. Unter den Schüler*innen ist ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie startet mit den anderen zur Leistungsüberprüfung, schafft aber nur eine Strecke, die mit der Note 1 bewertet wird. Einige Mitschülerinnen sind empört und stellen den Lehrer zur Rede: «Warum bekommt sie eine 1, obwohl sie, im Gegensatz zu anderen aus unserer Klasse, anwesend war und nach ihren Möglichkeiten gelaufen ist?»

Code Indikator / Beispiel Beispiel

– Diskussion / Be– Dass die Sportgründung über note nicht ausschliesslich Beurteilung (langfristig, auch weiaufgrund der Ein- tere und andere zelnoten berechnet werden, sonNoten betreffend) dern dass man – Diskussion den Einsatz auch Semesternote berücksichtige. Sport: nicht nur Leistungs­ noten, auch Ästhetik

Beurteilen und evaluieren /

– Skala oder Mess- – Weil ich ganz besystem anpassen stimmt nie einer Schülerin die (kurzfristig nur Note 1 erteilen die aktuelle Note würde, die ihren betreffend) Möglichkeiten – Schülerin bekommt eine leicht entsprechend alles gegeben hat. bessere Note – zweite Chance

Beurteilen und evaluieren /

skala_anp

Vignette 20

semesternote

Die folgende Textvignette 20 soll einen Einblick in den Inhalt dieser Geschichten geben (vgl. Abb. 8):

Mit SuS interagieren 20b

Mit SuS interagieren

20c

Mit SuS interagieren

Was antworten Sie? Wie fahren Sie mit dem Unterricht fort?

Abbildung 8: Vignette 20 (vgl. Instrument im Anhang A).

Anhand des daraus entstandenen Arbeitsmodells konnten wiederum mögliche Lösungen im Hinblick auf die offenen Situationen innerhalb

Methodik 119

der Vignetten erarbeitet werden. Nach der Auswahl und Prüfung dieser 15 resp. 16 Textvignetten wurden erneut – zusammen mit den Experten – mögliche Antworten konzipiert, jeweils mit einer Präzisierung. Eine Präzisierung beinhaltet ein konkretes Beispiel zu einer möglichen Antwort. In einem nächsten Schritt wurden ebenfalls die Dimensionen und Kompetenzen dieses beschriebenen Modells, mit den einzelnen Antworten teilweise ergänzt, verdichtet und neu zugeordnet. In der Spalte der Kompetenz / Dimension ist ersichtlich, dass einer Vignette verschiedene Kompetenzen zugeordnet werden können (vgl. Abb. 8). Es gibt darüber hinaus aber auch Vignetten, bei denen unterschiedliche Dimensionen und Kompetenzen zugeteilt werden. Auf der Basis dieser drei erwähnten Dimensionen konnte damit ein Instrument entwickelt werden, um das PCK (pedagogical content knowledge nach Shulman) von angehenden (Novizen) und erfahrenen Sportlehrpersonen (Praxislehrpersonen) zu erfassen und dementsprechend miteinander zu vergleichen. Die darauffolgende schriftliche Erhebung wurde bereits im Frühjahrssemester 2012 durchgeführt. Anschliessend dauerte es einige Zeit, bis die definitive Rücklaufquote festgehalten werden konnte. Zu Beginn der Untersuchung bekamen die Proband*innen folgende In­ struktion: Die Erhebung besteht aus zwanzig 20 Situationen aus dem Sport­ unterricht. Am Schluss jeder Situation ist eine Frage an Sie ge­ richtet, welche Sie differenziert beantworten. Wir sind interes­ siert an möglichst verschiedenen Möglichkeiten, wie Sie auf die Situation reagieren. Es ist uns klar, dass viele dieser Situationen durch eine geeignete Planung hätten verhindert werden kön­ nen. Trotzdem sind wir der Meinung, dass Sportlehrpersonen immer wieder in unvorbereiteten Situationen bestehen müssen. Grundsätzlich gehen wir von Sportunterricht auf der Sekundar­ stufe I und II aus. Je nach Ihrem Ausbildungsziel stellen Sie sich das Schüleralter 12- bis 16-jährig (Abschluss Sek I) oder 16- bis 20

Zu Beginn der Untersuchung waren es 20 kritische Fallsituationen. Nach einer Reduktion der Textvignetten, welche das Instrument in der Praxis etwas anwendungsorientierter machte, waren es noch 15 resp. 16 Textvignetten, welche in der eigentlichen Untersuchung eingesetzt wurden.

120 Methodik

20-jährig vor (Abschluss Sek II). Die Situation, welche die Vi­ gnette vorgibt, ist gegeben. Bitte denken Sie sich Handlungs­ alternativen aus, welche in der Zukunft der geschilderten Si­ tuation liegen. Bitte antworten Sie kurz und prägnant, aber in ganzen Sätzen. (Messmer et al., 2017) An dieser Instruktion lässt sich erkennen, dass nach möglichst vielen verschiedenen prospektiven Antworten gefragt wurde. Wie die Erklärung zu Beginn auch erahnen lässt, geht es deshalb nicht um eine Bewertung der Antworten im Sinne von besser und schlechter, sondern es wird nach möglichst zahlreichen (Quantität) unterschiedlichen Antworten 21 gefragt (vgl. Bonß, 2001). Es geht insgesamt in der Untersuchung (PCK 1.0 und PCK 2.0) deshalb nicht um verpasste Planungsdetails – wie auch in der Instruktion geschrieben wird –, sondern lediglich darum, wie die Proband*innen in der jeweiligen Situation selber als Lehrperson – im Hier und Jetzt – reagieren würden. Zu präzisieren ist, dass hier im PCK 2.0 nach unterschiedlichen Typen von Entscheidungsmustern gefragt wird, so wie es in Kapitel 4.2.3.4 beschrieben wird. Nach dem Eingang der Antworten (im PCK 1.0) und für die Auswertung wurden die Codie­ rer*innen darin geschult, die Antworten der Proband*innen möglichst kongruent zu verwerten, damit die InterraterReliabilität möglichst hoch bestehen konnte. Deshalb wurde das existierende Instrument wiederum mittels Prä-Studie an 12 Proband*innen der PH FHNW getestet. In den nachfolgenden Ausarbeitungen wurde das Instrument ausgehend aus den Rückmeldungen der Prä-Studie erneut überarbeitet und vom Projektteam PCK 1.0 fertiggestellt. Den schriftlichen Antworten der Proband*innen zu den jeweiligen Fallvi­ gnetten wurde gemäss den Antworten im Instrument ein binärer Code von 0 und 1 zugewiesen. Falls die Proband*innen eine im Instrument dargelegte Antwortmöglichkeit und eine dazugehörige Präzisierung (beispielsweise ein Beispiel oder einen genauen Inhalt / präzise Lösung) an21

Es geht in dieser Forschungsarbeit nicht darum, welche Antworten als besser oder schlechter bewertet werden, in Anlehnung an Bonß (2001).

Methodik 121

gegeben haben, wurde diese Textstelle mit einer 1 codiert, andernfalls mit einer 0. So konnte diese qualitativ grosse Datenmenge so weit reduziert werden, dass letztlich eine quantitative Auswertung der Daten möglich war. «Die doppelt codierten Werte des PCK-Sports wurden in einem ersten Schritt pro Faktor (Kompetenz) über alle Untersuchungsgruppen hinweg auf ihre überdurchschnittlichen Unterschiede hin untersucht (Kruskal-Wallis-Test)» (Vogler et al., 2017, S. 337). Nach einem zweiten Coaching der Raterinnen war die Interrater-Reliabilität bei allen Items genügend hoch (Cohens Kappa > 0.6), sodass mittels konsensuellem Verfahren (Schmidt, 1997, S. 557 ff.) eine Lösung je Proband*in entschieden werden konnte (vgl. Vogler et al., 2017). Für das daraus entstandene Modell «PCK-Sport» (Messmer & Brea, 2015) wurde eine konfirmatorische Prüfung der angenommenen Faktorstruktur durchgeführt, um signifikante Korrelationen innerhalb der gleichen Dimension (p  0.05) und später auch Dimensionen übergreifend zu identifizieren. Inhaltlich wurde darauf geachtet, dass die neu zugeordneten Items kongruent zu den Kompetenzen blieben. Aufgrund der dadurch gefundenen Korrelationen konnte das Instrument angepasst und die Faktoren reduziert werden. Von den ursprünglich 16 Faktoren wurde das Instrument durch Kreuzkorrelationen empirisch auf neun Faktoren verringert, indem man Items, die inhaltlich zu mehreren Faktoren passten, entsprechend den gefundenen Korrelationen neu zuordnete (vgl. Tab. 3).

122 Methodik Tabelle 3: Dimensionen und Faktoren revidiert für PCK 1.0. Dimensionen

Faktor

Inhalte präsentieren

F1

Inhalte deuten

F2

Trainings- und Übungsprozesse auslösen und leiten

Bedingungen organisieren

F3

Mit Schüler*innen interagieren

Kompetenzen PCK

Beteiligte Vignetten /  Items

Anzahl Vig­netten (Summe)

4b 8a 12a

3

6b 6d 14a 16a

3

Zeit und Personen organisieren

13d 16c 18b

3

F4

Raum und Material organisieren

6c 18c 18d

2

F5

Anweisungen und Erklärungen geben

4a 13a 13b

2

F6

Interessen beachten

F7

Leistungsfähigkeit beurteilen und evaluieren

F8

Körperlichkeit beachten

F9

auf Unterschiede achten

3c 8b 14b

3

8c 16b 20a

3

3b 6a 8d

3

3d 18a 20b

3

28

(10)

Inhalte der Erhebung Vorgängig zur Vignettenbefragung wurden in einem ersten Teil Daten zur Person und zum soziobiografischen Hintergrund erhoben. Einerseits waren dies Fragen zu Geschlecht, Geburtstag, andererseits aber auch, ob das Studium und die Veranstaltungen der Berufswissenschaften inkl. Praktika bereits abgeschlossen wurden oder nicht. Weitere Fragen handelten davon, ob die fachwissenschaftliche Ausbildung bereits abgeschlossen ist, oder wie viele Veranstaltungen dahingehend noch besucht werden müssen. Die Berufserfahrung wurde im Rahmen der Fragen über Art, Dauer und Anteil des eigenorganisierten Sportunterrichts erhoben. Mit diesem unterschiedlichen Fragenkatalog konnte einerseits kontrolliert werden, wie repräsentativ die Stichprobe insgesamt ausfällt, und andererseits wurden damit zusätzliche – unter Umständen abhängige – Variablen erfasst. In einem zweiten Schritt konnte dann die Vignettenbefragung durchgeführt werden. Kritische Betrachtung Für die Erstellung des Instruments für das PCK 1.0 wurde versucht, das fachdidaktische Wissen und Können zu operationalisieren. Ein Nachteil,

Methodik 123

der sich bis zum Ende der Untersuchung als Herausforderung herausstellte, ist die Tatsache, dass aufgrund der Beurteilung der Critical Inci­ dents via schriftliche Befragung von Proband*in A beispielsweise noch nicht definitiv vorausgesagt werden kann, ob Proband*in A in einer vergleichbaren realen Unterrichtssituation genau so oder anders gehandelt hätte, wie diese/r in den schriftlichen Antworten angegeben hat. Wie bereits Messmer und Brea (2015) in ihrem Artikel erwähnt haben, kann die Beantwortung dieser Frage wahrscheinlich nur in der «Singularität des Einzelfalls» (Messmer & Brea, 2015, S. 91) eingelöst werden und bleibt einer empirischen Forschung vorenthalten. Im PCK 1.0 wird das Wissen und Können von angehenden und erfahrenen Lehrpersonen ins Zentrum gestellt. Es wird davon ausgegangen, dass mit der Provozierung von Antworten durch Textvignetten mehr als nur theoretisches Faktenwissen abgefragt wird (Radtke, 1992, S. 352), auch wenn es einige kritische Stimmen darüber gibt, dass mit dem Abfragen der Handlung einer fiktiven Situation noch lange nicht bewiesen ist, dass damit die Handlung selber sichergestellt sei (Paseka & Hinzke, 2014a, S. 49; Rosenberger, 2013). Die Proband*innen werden einerseits angehalten, möglichst zahlreiche Möglichkeiten zur Lösung der Situation und Handlungsantworten zu geben, die in der Zukunft der geschilderten Situation liegen, und andererseits auch, sich möglichst augenblicklich für solche Lösungen zu entscheiden, was dem Handeln (der Performanz) in der realen Situation schon ziemlich nahekommt. Für das Projekt PCK 1.0 und 2.0 wird das Können im Sinne Neuwegs (2011) gesehen, der Können als eine Art von Wissen (Wissen 3) beschrieben hat (vgl. Kap. 2.5). 4.1.2  Stichprobe (PCK 1.0 und PCK 2.0) Informationen zur Stichprobe Insgesamt wurden 246 Studienbeginner und Studienabschliessende an drei verschiedenen Deutschschweizer Hochschulen angeschrieben, um an dieser Untersuchung zum fachdidaktischen Wissen und Können von Sportlehrpersonen teilzunehmen (vgl. Tab. 4).

124 Methodik Tabelle 4: Stichprobenumfang PCK 1.0 und PCK 2.0. Sek I Beginn

Sek I Abschluss

Sek II Beginn

Sek II Abschluss

Praxislehr­ personen

ange­ schrieben / geplant

30

30

30

30

30

effektive Stichprobe

16

26

24

24

23

Summe

pro Studien­ gang

42

48

23 113

insgesamt Männlich

14

7

7

12

16

Weiblich

2

19

17

12

7

Missings total

13

Mit 113 verwertbaren Antwortfiles ergibt das eine gute Rücklaufquote von 46 %. Die Beteiligung der drei grössten pädagogischen Hochschulen der Schweiz (Basel, Zürich und Bern) weist auf eine repräsentative Stichprobe für die Schweiz hin. Befragt wurden die Proband*innen mit einem Online-Befragungsbogen via Unipark. Damit wurden für die Stufe Sek II zwei der drei bestehenden Ausbildungsorte erfasst, für die Sek I etwa ein Drittel der Aus­ bildungsorte in der Deutschschweiz. Pro Ausbildungsinstitution wurden jeweils alle Studierenden des entsprechenden Jahr­ gangs für die Untersuchung angeschrieben. (Vogler et al., 2017, S. 338) Deshalb geht das Forscherteam davon aus, dass die Population mit dieser Stichprobe repräsentativ abgedeckt wurde. Auch die Auswahl der Lehrpersonen auf den Sekundarstufen I und II scheint aufgrund einer inhaltlichen Definition des PCK ebenfalls angemessen, da angenommen wird, dass diese Fachpersonen über genügend spezifisches Wissen im Bereich des PCK verfügen. Eine Erhebung des PCK bei Primarlehrpersonen würde allenfalls diese Messung verfälschen, da die Ausbildung von Primarlehrpersonen – gemessen an der Breite der Fächerauswahl – mehr zur Erfassung des GPK (vgl. Abb. 1) tendieren würde als zur Erfas-

Methodik 125

sung des PCK. So wäre eine «Erhebung des fachdidaktischen Wissens durch zu viele Zufallsvariablen bestimmt» (Messmer, 2012b), weshalb die Zielstufe Primar weggelassen wurde. Die Gesamtstichprobe zeigt sich bezüglich Geschlecht, Alter, Hochschule und sportliche Aktivität pro Woche über die Kohorten ausgeglichen. Ebenso viele Frauen wie Männer haben die Umfrage abgeschlossen (vgl. Tab. 5). In Anbetracht der strukturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Studiengängen (mit Bezug auf die Zielstufe) sind hier in Bezug auf die Dimensionen und Faktoren des PCK-Sports Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungstypen zu erwarten. Tabelle 5: Männliche und weibliche Teilnehmer. Sek I Beginn

Sek I Abschluss

Sek II Beginn

Sek II Abschluss

Praxislehr­ personen 16

Männlich

14

7

7

12

Weiblich

2

19

17

12

7

Summe

16

26

24

24

23

4.1.3

Spezifikum 1: Die Vignettenbefragung als Forschungsgrundlage

Vor dem Hintergrund der Fragestellungen des Projekts PCK 2.0 (vgl. Kap. 3.), wie Lehrpersonen in kritischen Situationen agieren und welche Lösungsmöglichkeiten sie jeweils in der kritischen Situation bereithalten, stellt sich die Frage, ob eine Vignettenbefragung überhaupt situationsspezifisches Agieren zu erfassen vermag und damit eine Beobachtung im Feld ersetzen kann. Dieses erste Spezifikus thematisiert deshalb die Begrifflichkeiten der Vi­ gnette und Textvignette und soll deren Vor- und Nachteile aufzeigen. Im 18. Jahrhundert bezeichnet man die schmückende Verzie­ rung am Anfang oder am Ende eines Buches als Vignette. Sie stellt ein Weinrankenornament dar. Das Wort geht auf das fran­ zösische «vigne», also Weinrebe, zurück. Demnach sind Vignet­

126 Methodik

ten eigentlich Weinrebchen. (Schratz, Schwarz & Westfall-Grei­ ter, 2012, S. 11) In unserem Sprachgebrauch wird in unterschiedlichster Form von Vignette gesprochen, sei es von der Rebsorte, der Etiketten auf Weinflaschen, vom Buchstabenornament im Buchdruck über ein Miniaturgemälde im 19. Jahrhundert bis hin zu den Autobahnmautaufklebern in Österreich und der Schweiz oder eben den erfundenen Fallgeschichten in den Sozialwissenschaften (Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter, 2012, S. 34 – 35). In der vorliegenden Untersuchung sind Vignetten kurze, präg­nante (vgl. Rehm & Bölsterli, 2014) und authentische schriftliche Darstellungen einer Situation aus dem Sportunterricht. Sie beinhalten eine Beschreibung der Ausgangslage der Situation, im Hauptteil enthalten sie die Skizzierung eines kritischen Moments (Critical Incident), welche mit einer anschlies­ senden Frage an die Proband*innen abgerundet wird, wie sie im jeweiligen Fall und als unterrichtende Lehrperson in der Zukunft der Situation liegend antworten würden (vgl. Messmer & Brea, 2015). Letztere Information ist deshalb wichtig, da keine Überlegungen zur Planung der Lektion abgefragt werden, sondern es geht um das kontextualisierte, situationsspezifische (vgl. Blömeke & Kaiser, 2017) und praxisnahe Handeln (vgl. Shavelson, 2013) und Entscheiden in der Situation, anschliessend an einen kritischen Moment. Die Proband*innen werden auch dazu angehalten, möglichst zahlreiche und unterschiedliche Lösungen auf die beschriebenen Textvignetten zu nennen (vgl. Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter, 2012; Messmer & Brea, 2015; Rutsch et al., 2017). Messmer und Brea schreiben zudem, dass die Verkürzung des Textes zulassen sollte, «dass sich Proband*innen zu mehreren [fachdidaktischen; Anm. von J. V.] Kompetenzen in einer zumutbaren Zeit äussern können» (Messmer & Brea, 2015, S. 83). Rutsch et al. (2017) sprechen Vignetten eine dreiteilige Aufgabe zu. Einerseits können Vignetten als Testaufgaben zur Erfassung von profes­ sionellen Wissensinhalten beziehungsweise zur Erfassung des profes­ sionellen Wissens und Könnens eingesetzt werden. Des Weiteren kann damit auch die professionelle Unterrichtswahrnehmung von angehenden und Expertenlehrpersonen untersucht werden. Und drittens können

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Vignetten in Form von Lernaufgaben in der Hochschulbildung eingesetzt werden, um Aspekte von professioneller Kompetenz zu fördern (Rutsch et al., 2017, S. 490 – 491). Zu Beginn einer Vignettenerhebung sollte geklärt werden, welche Kompetenzbereiche damit erfasst werden sollen. Bei der Erhebung des fachdidaktischen Wissens orientieren sich einige Autor*innen beispielsweise an der Konzeptualisierung von Wissen und Können nach Shulman (1986, 1987) (vgl. Brovelli, Bölsterli, Rehm & Wilhelm, 2013; Rutsch et al., 2017, S. 493). Die Autor*innen um Rutsch et al. (2017) beschreiben in ihrem Artikel weitere Präsentationsformen von Unterrichtsvignetten. Hierbei differenzieren sie zwischen Text-, Video- und Comicvignetten. Die Autor*innen sprechen der Erstellung von Textvignetten einen ökonomischen Aufwand zu, da die Erstellung bei dieser Art von Vignetten weniger zeitaufwendig erscheint als bei anderen Vignettenarten. Auch sei der damit verbundene organisatorische Aufwand klein, im Gegensatz zu beispielsweise Videovignetten, im Hinblick auf das Einholen von Einverständniserklärungen der Eltern der Schüler*innen, die in den jeweiligen Videoausschnitten zu sehen sind. Wie Rutsch et al. (2017, S. 490) zusammenfassend beschreiben, können sich die situationsspezifischen Vignetten auf pädagogischpsychologische, fachliche oder fachdidaktische Problemstellungen beziehen (Rutsch et al., 2017, S. 490). Zur Beantwortung von solchen Vignetten sind spezifische Kompetenzen notwendig (Ollesch, Dörfler & Vogel, 2018, S. 130). Im vorliegenden Fall liegt der Schwerpunkt auf der Erfassung des fachdidaktischen Wissens und Könnens. Einige Autor*innen schätzen Vignetten als besonders geeignet ein, um berufsbezogene Kompetenzen von Lehrpersonen zu erfassen. Der konkrete Bezug zu einer spezifischen Situation ermögliche eine besonders unterrichtsnahe Erhebung dieses Wissens (u. a. Seidel et al., 2010; Rutsch et al., 2017; Rutsch, Vogel, Seidenfuss, Dörfler & Rehm, 2018). «Ebenso ist zu erwarten, dass die Testwerte, die bei der Bearbeitung von Unterrichtsvignetten erzielt werden, valide Indikatoren für Unterrichtsqualität, Unterrichtshandeln und Schüler*innenvariablen darstellen» (Rutsch, Vogel, Seidenfuss, Dörfler & Rehm, 2018, S. 18).

128 Methodik

Bei Rutsch et al. (2018) werden Vignetten unter anderem dazu eingesetzt, professionelle Kompetenzen von (angehenden) Lehrpersonen zu erfassen. Auch Oser, Curcio und Düggeli (2007) gehen auf die Kompetenzmessung mittels Videovignetten ein. Sie bezeichnen die Arbeit mit Videovignetten als advokatorischen Ansatz. Advokatorisch deshalb, weil die Messung von Lehrerkompetenzen nicht mehr nur anhand einer Selbstbeurteilung oder der direkten Beobachtung geschieht, sondern anhand eines dritten Mediums, der Videovignette, ausgemacht wird (Oser et al., 2007). Dieser Ansatz entstand aus der Kritik, dass man bisher kein verlässliches Testverfahren konzipiert hatte, um unter einigermassen kontrollierbaren und objektiven Umständen Kompetenzen zu erfassen (Oser et al., 2007, S. 17). Der advokatorische Ansatz beschreibt die Beurteilung von Situationen und den darin agierenden Lehrpersonen (den professionell Handelnden) durch (angehende) Lehrpersonen (den Proband*innen) zur jeweiligen Situation. Dieser Ansatz stellt deshalb eine Mischform zwischen der direkten Beobachtung des Unterrichtsgeschehens und der Selbstbeurteilung dar, indem der Unterricht einer anderen Lehrperson aufgrund eines Videos beobachtet und reflektiert wird (Oser et al., 2007). Oser und seine Kollegen vermuten nämlich, dass sich das Handeln von Novizenlehrpersonen und von denjenigen Lehrpersonen unterscheiden lasse, welche ihre Ausbildung bereits schon etwas länger abgeschlossen haben. «Wir nehmen also an, dass die Beurteilung eines bestimmten Kompetenzprofils bestimmte kognitive Strukturen voraussetzt, die sich abhängig vom Grad der Expertise qualitativ unterscheiden» (Oser et al., 2007, S. 18). Darüber hinaus fordern aber auch einige Autor*innen, dass – unabhängig von einem offenen oder geschlossenen Antwortformat – eine Referenznorm (Soll-Wert) nötig sei, mit der die Antworten beurteilt werden können. Sie schreiben aber auch, dass es zumeist bei fachdidaktischen Fragen überhaupt keine richtige oder falsche Antwort gäbe. Aus diesem Grund können auch Experten beigezogen werden. Insgesamt beurteilen sie aber die Arbeit mit Vignetten als gewinnbringend hinsichtlich der internen Konsistenz und der Validität (Oser et al., 2007; Rutsch et al., 2017; Ollesch, Dörfler & Vogel, 2018). Messmer und Brea werfen hierzu auch den Gedanken auf, dass die Proband*innen in der Situation mit der Tatsache umgehen müssen, dass

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es dabei stets mehrere Handlungsmöglichkeiten geben wird (Messmer & Brea, 2015, S. 76). Diesen Umstand beschreiben auch Combe und Kolbe, indem sie darlegen, dass es nicht eine dyadische LehrpersonenSchüler*innen-Beziehung gibt, sondern dass die Kommunikation systemisch vernetzt ist, welche als eine Art Eigendynamik der Kommunikation verstanden werden kann. Jeder Kommunikationsteilnehmer muss dabei mit der Tatsa­ che umgehen lernen, dass es zu jedem vollzogenen Handeln Alternativen gibt, sodass in einem solch komplexen System wie Unterricht stets in einem Möglichkeitsspielraum operiert wird. Somit sind Selektionen aus Handlungsmöglichkeiten erforder­ lich, die mit dem Risiko des Verfehlens der angemessenen An­ schlusshandlung behaftet sind. Dieses Problem der Auswahl­ spielräume, das als Grundproblem bearbeitet werden muss, wenn Handlungen zustande kommen sollen, wird in der Sys­ temtheorie als Kontingenz bezeichnet (Luhmann, 1986). Genau genommen ist von einer «doppelten Kontingenz» auszugehen, da auf allen Seiten Handlungsalternativen möglich sind. (Com­ be & Kolbe, 2008, S. 858) Interessant wird nach diesen Ausführungen die Frage sein, für welche Lösungen sich Lehrpersonen in der ausgewählten Situation auch wirklich entscheiden. Mehr dazu lässt sich in Kapitel 5 und Kapitel 6 entnehmen. Chancen von Vignettenstudien Um verschiedene Vignettenformate (Text-, Video- und Comicvignetten) zu unterscheiden, schlagen Friesen, Kuntze und Vogel (2018, S. 160) die Einteilung nach Herbst und Kosko (2013) vor. Dabei werden die Vignettenformate über die Kategorien Temporalität und Individualität beurteilt. Die Autor*innen schreiben, dass der reale zeitliche Ablauf der Situation bei Videovignetten am ehesten wiedergegeben wird. Dabei schreiben sie aber auch, dass der Grad der Individualität in Textvignetten geringer ist, wenn beispielsweise pauschal von Schülern gesprochen wird statt von Schüler*innen. Ein weiteres Merkmal beschreiben die Autor*innen

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anhand des Gehalts der Kontextinformation einer Vignette. Während Videovignetten zahlreiche Details beispielsweise zur Ausstattung des Klassenzimmers, zur Umgebung und Stimme der Lehrperson verlauten lassen, erhält man bei Textvignetten eine reduzierte Angabe dieser Kontextinformationen (Friesen, Kuntze & Vogel, 2018, S. 161). In der Studie von Friesen, Kuntze und Vogel (2018) wurden drei unterschiedliche Vignettenformate in Bezug zur fachdidaktischen Analysekompetenz von Lehramtsstudierenden erfasst. Letztlich fielen die Resultate für alle drei Vignettenformate, mit kleinen Unterschieden, durchwegs positiv aus (Text, Video und Comic), was durchaus für das Arbeiten mit Textvignetten in der Forschung spricht. Textvignetten stellen aber auch in sich geschlossene, kurze Erzählungen und persönliche Geschichten dar. Wenn in der Forschung mit Geschichten gearbeitet wird, dann wird häufig von der Arbeit mit Fällen, von der Fallarbeit oder von der Narrative Inquiry gesprochen. Die Fallarbeit steht hier als Verbindungsglied zwischen der Erhebungsmethode mit Fall­ vignetten und der Auswertungsmethode anhand der Dokumentarischen Methode (vgl. Kap. 4.2). Was dabei die Fallarbeit / Narrative Inquiry in der Forschung zu leisten vermag, wird im nächsten Kapitel skizziert. 4.1.4  Spezifikum 2: Fallarbeit / Narrative Inquiry als Methode Die Fallarbeit / Narrative Inquiry versteht sich hier in dieser vorliegenden Forschungsarbeit als Bindeglied zwischen der Erhebungsmethode (der Erhebung anhand von Textvignetten) und der qualitativen Auswertungsmethode (im Projekt PCK 2.0) der Dokumentarischen Methode. Es soll mit diesem Kapitel veranschaulicht werden, dass die Inhalte der Proband*innenantworten mehr als nur Fakten beinhalten. Die Struktur des geschriebenen Textes und die Art und Weise, wie eine Person eine Schilderung darlegt, enthält nämlich noch sehr viel mehr Informationen über deren Wissen und Können. Dieses Kapitel soll deshalb den momentan parallel laufenden angelsächsischen und den deutschsprachigen Diskurs aufzeigen und charakterisiert deren Inhalte und Kriterien. «Alltägliches Denken und Reden über die Praxis von Erziehung und Unterricht geschieht vorwiegend in anschaulichen Beispielen. Im wissen-

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schaftlichen Denken und Schreiben aber haben solche praktische Beispiele einen zweifelhaften Ruf» (Scherler, 1983, S. 52). Diese Präzisierung versucht deshalb, beide Teile – die Theorie und die Praxis – miteinander zu verbinden. Nach einer allgemeinen Einführung wird zuerst die angelsächsische Diskussion dargestellt (Begrifflichkeit: Narrative Inquiry) und in einem zweiten Teil wird die deutschsprachige Diskussion thematisiert (Begrifflichkeit: Fallarbeit / Kasuistik). Scherler beschreibt mit diesem anfangs erwähnten Zitat, dass der Arbeit mit Geschichten in der Wissenschaft lange Zeit im deutschsprachigen (Scherler, 1983, S. 52) wie auch im englischsprachigen Raum (McLean, 1993, S. 265) ein untergeordneter, gar zweitrangiger Stellenwert zugesprochen wurde. Die beiden Forschungstätigkeiten von McLean und auch von Scherler liegen gegenwärtig mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Mit diesem Kapitel wird der anfängliche Diskurs über die Fallarbeit / Narrative Inquiry aufgenommen und versucht, die angelsächsische und deutschsprachige Diskussion miteinander zu verbinden, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Speziell in der Sportpädagogik sind die Publikationen von Scherler (1983), Scherler und Schierz (1993), Schierz (1997), Messmer (2001, 2011b), Lüsebrink (2006) und Wolters (2008, 2015) zu nennen. Aber auch die allgemein-pädagogischen Arbeiten von Fatke (1995a) und Ohlhaver und Wernet (1999) schienen die Idee der Fallarbeit grundlegend in der Pädagogik im deutschen Raum voranzutreiben. Nicht zu vergessen sind hier die neuere Publikation von Pieper, Frei, Hauenschild und Schmidt-Thieme (2014) in der deutschsprachigen Diskussion, aber auch die Arbeiten von Conle (2000), Clandinin (2007), Craig (2011) sowie Pinnegar und Daynes (2007) im angelsächsischen Raum und Dowling, Garrett, Lisahunter und Wrench (2013) unter anderem im nordeuropäischen und ozeanischem Raum, um damit nur einige Arbeiten zu nennen. Die deutschen Begriffe Kasuistik und kasuistisch leiten sich vom Wortstamm Kasus: casus ab, was mit der Fall übersetzt werden kann (Dudenredaktion, 2018). In der Pädagogik wird damit die Arbeit mit Fällen – mit Einzelfällen – in der Praxis charakterisiert und beschrieben (Scherler [1983] gebraucht dabei für den Begriff des Falles den Terminus «Unterrichtsereignisse»).

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Grundsätzlich versucht man mit der Analyse von Fällen an neue Erkenntnisse zu gelangen, die sich direkt aus der Praxis ableiten lassen. Wahrscheinlich sind dabei die Arbeiten von Sigmund Freud im Bereich der Psychoanalyse die bekanntesten, wenn es um die Darstellung und Aufarbeitung von Fällen geht (vgl. auch Larcher, 1996). Denkweise der Narrative Inquiry in der Lehrerbildung (angelsächsische Diskussion) Im Englischen wird narrative folgendermassen definiert: «the act, process or skill of telling a story.» Ergänzend dazu wird narration wie folgt erklärt: «a description of events that is spoken during a film/movie, a play etc. of with music» (Hornby, 2005, S. 1013). Narrative Inquiry in der Lehrerbildung scheint im angelsächsischen Raum ein Medium zu sein, welches sich immer weiterentwickelt und stetig verändert. Von Connelly und Clandinin (1990) wird die Idee einer Unterscheidung zwischen Narrative Inquiry als Phänomen (Inhalt einer Beschreibung) und Narrative Inquiry als Forschungsmethode (die Art und Weise, über einen Fall nachzudenken) übernommen, welche sich durchaus an einigen Stellen auch zu verwischen vermögen. Für Craig (2011) ist die Narrative Inquiry damit aber weniger eine Methode im Sinne einer Forschungsmethode als viel mehr eine Art und Weise, über das Unterrichtsgeschehen nachzudenken. Die Autor*innen um Connelly und Clandinin (1988) formulieren deshalb fünf Grundsätze, die man bei einer Unterrichtsgeschichte beachten sollte: – «A situation is composed of persons, in an immediate environment of things, interacting according to certain processes.» (Schüler*innen wie auch Lehrpersonen) – «At any point in time there is a dynamic interaction among persons, things, and processes.» – «Every classroom situation grows out of some preceding classroom situation.»

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– «Situations have a future», was so viel heisst, dass jede Situation die unmittelbar darauffolgende Situation im Klassenzimmer beeinflusst. – «Situations are directional», was damit begründet wird, dass jede Handlung, die von der Lehrperson unternommen wird, ein Ziel verfolgt. Dies können sehr spezifische Ziele wie auch ganz allgemeine Ziele sein (Connelly & Clandinin, 1988, S. 6) (vgl. Abb. 9).

Past Situations

Things

Future Situations

Persons Processes

Abbildung 9: Erfahrungen in einer Klassenraumsituation (modifiziert nach Connelly & Clan­ dinin, 1988, S. 6).

Kurzum zeigt die Darstellung auf, dass aus einer noch so einfachen Situation des Alltags viele Mechanismen nebenherlaufen, die das eigentliche Geschehen beeinflussen oder sogar bestimmen. Nach den Bemühungen von Connelly und Clandinin um die inhaltliche Definition von Curriculum wird ersichtlich, dass diese beiden Autor*innen den Lehrplan als ein dynamisches Medium begreifen, welches von den Lehrpersonen, den Schüler*innen und der Sache selbst beeinflusst wird (vgl. Connelly & Clandinin, 1988; Clandinin & Connelly, 1995; Conle, 2000; Clandinin, 2007; Elbaz-Luwisch, 2007; Craig, 2011, u. a.), wie dies ebenfalls in der deutschsprachigen Diskussion von Scherler (2004) und Messmer (2011a) aufgenommen wird. In diesem narrativen Verständnis geht es weniger um das exakt real Existierende als vielmehr um die Art und Weise dieser (Re-)Konstruktion vom Realen – vom Beobachteten. Das Wissen und Können von Lehrperso-

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nen verändert sich dabei aber stetig über persönliche und soziale Beziehungen (vgl. Kap. 2.5; Biografisches Wissen). Und genau durch dieses Verständnis – und nicht etwa durch äussere Injektion des Wissens – werden Lehrpersonen als aktive Vertreter des Erziehungswesens betrachtet, welche durch persönliche und soziale gesellschaftliche Vorgänge inspiriert werden (Craig, 2011; Connelly & Clandinin, 1988). Entsprechend dieser narrativen Auffassung wird das Wissen von Lehrpersonen laufend von Neuem konstruiert. Auch das eigene Vorwissen wird durch spezielle Situationen geformt und verändert und wird zum aktuellen Wissen. Dieses wiederum wird lediglich konstruiert und scheint unmittelbar veränderlich, da dieses neu generierte Wissen ebenfalls von der momentanen Situation geprägt werde. Durch die bewusste Reflexion dieses Wissens gelangt man erneut zu weiterem Wissen, welches wiederum das eigene momentane Wissen beeinflusst, verändert und dementsprechend erweitert. Craig bezieht sich mit diesem hermeneutisch nie endenden Kreislauf auf die gesamten Arbeiten von Connelly und Clandinin. Aus ihrem Artikel kristallisieren sich letztlich drei wichtige Begriffe heraus, die als «three major second-generation narrative terms» benannt werden, welchen im Prozess der narrativen Forschung stets Beachtung geschenkt werden sollte (Craig, 2011, S. 28): – Narrative resonance – Narrative authority – Knowledge communities Der erste Begriff beim narrativen Arbeiten ist die Resonanz. Nur wer eine Resonanz auf sein Verhalten und Handeln erhält, kann dieses gezielt überdenken und hinterfragen. Craig beschreibt, dass durch diesen Vorgang eine «Lens» (= Linse; im deutschsprachigen Raum wird meistens von einer Forscherbrille gesprochen [vgl. Bortz & Döring, 2016]) aufgesetzt wird, durch die das (narrative) Handeln erst von aussen beobachtet und beurteilt werden kann. Bei der narrative authority geht es darum, dass eine narrative Autorität durch Erfahrung entwickelt wird, die sich durch Beziehungen mit anderen manifestiert. Da die narrative Version der Wissenskonstruktion transaktional ist, kommt die Autorität aus der Erfahrung und ist integral, da jede Person ihr eigenes Wissen formt, und geprägt vom Wissen anderer. Die narrative Autorität wird so zum Ausdruck gebracht und zur Umset-

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zung des persönlichen praktischen Wissens einer Person geformt, das sich entwickelt, wenn Individuen lernen, Bedeutung in Beziehung zu anderen zu autorisieren (Craig, 2011, S. 26 – 27). Unter knowledge communities sind sichere und geschlossene Plätze oder Räume zu verstehen, an denen über Erfahrungen, Interpretationen und Eindrücke berichtet und diskutiert wird. Solche Räume werden explizit von den Beteiligten erstellt oder sie werden implizit konstruiert, indem die Situation selber zur Reflexion oder Interpretation der Erfahrung aufruft (Craig, 2011, S. 27). Mit dieser Arbeitsweise sind Prinzipien der Narrative Inquiry als Forschungsmethode genannt, was auch als narrative Sichtweise bezeichnet werden könnte. Was ist Narrative Inquiry im angloamerikanischen Sinne? Was genau unter einer narrativen Sichtweise zu verstehen ist, versucht u. a. Craig (2011) zu verdeutlichen. Sie bezieht sich bei der Beantwortung dieser Frage auf die «narrative landscape» Metapher, welche ebenfalls von Clandinin und Connelly (Clandinin & Connelly, 1995, 2007) konzipiert wurde: A landscape metaphor is particularly well suited to our purpose. It allows us to talk about space, place, and time. Furthermore, it has a sense of expansiveness and the possibility of being filled with diverse people, things, and events in different relationships … Because we see the professional knowledge landscape as composed of relationships among people, places, and things, we see it as both an intellectual and moral landscape. (Clandinin & Connelly, 1995, S. 4 – 5) Craig nimmt diese Metapher auf und erklärt, dass sich dabei die Lehrpersonen jeweils an zwei unterschiedlichen Plätzen aufhalten. Einerseits innerhalb des sogenannten Klassenzimmers der Schule («the in-classroom place») und andererseits ausserhalb des sogenannten Klassenzimmers («the out-classroom place»). Dabei ist das Klassenzimmer ein sicherer und mehrheitlich abgeschlossener Ort, wo Lehrpersonen neben ihren Schüler*innen agieren. Das Klassenzimmer steht deshalb metaphorisch für jegliche Plätze und Räume innerhalb des Schulsettings. Wohingegen

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«the out-classrom» all das kennzeichnet, was ausserhalb der Schule ist. Clandinin und Connelly (1995) deuten hier auch an, dass die Lehrperson auch ausserhalb des Klassenzimmers eine Lehrperson bleibt und von verschiedenen Erwartungen und Mandaten berieselt wird (Craig, 2011, S. 23), weshalb keiner dieser beiden Schauplätze als eigenständig gedacht werden kann. Dabei verändern die ständigen Erfahrungen und das Sprechen über diese Erfahrungen das Wissen der Lehrpersonen. Und gerade diese unterschiedlichen Erfahrungen, welche Lehrpersonen innerhalb und ausserhalb der Schule machen, können eine Diskrepanz aufweisen: «… between the in-classroom and out-classroom places creates dilemmas in teachers’ personal and professional lives» (Craig, 2011, S. 24). Diese dichotome Sichtweise widerspiegelt sich direkt in einer Erfahrungsbeschreibung einer Person an ihre Zuhörer. Diejenigen Personen, welche die Erfahrung beschreiben, werden nie dieselben Gefühle und Bilder vor Augen haben wie diejenigen Personen, die der Geschichte als Hörer zu folgen vermögen. Ziele und Kriterien der Narrative Inquiry Für Conle (2000) – die eine Schülerin von Connelly war und bei zahlreichen Untersuchungen von Connelly und Clandinin mitgeholfen hat – liegt ein Ziel darin, dass die Handlungen und Intentionen der Subjekte durch die Narrative Inquiry zum Vorschein gebracht werden. «This emphasis is in stark contrast to researchers approaching ‹subjects› with instruments, such as checklists and scales, followed by statistical manipulations and comparisons» (Conle, 2000, S. 52). Für McLean beispielsweise ist Hauptziel der Narrative Inquiry, dass die Studierenden mit Fallgeschichten ganz nahe an die Unterrichtspraxis herangebracht werden: «… faculty members believed that the use of concrete examples helps students develop a deeper understanding of abstract concepts or principles» (McLean, 1993, S. 265). Ihre Auffassung von Narrative Inquiry könnte deshalb mit der Auffassung von Fallarbeit im deutschsprachigen Raum am ehesten einhergehen (vgl. Unterscheidung im zweiten Teil). Unterrichts- oder Fallgeschichten, wie sie im deutsch-

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sprachigen Raum genannt werden, werden im englischsprachigen Raum von McLean auch als horror stories benannt. These horror stories were powerful because they related kinds of events the students hoped they would never encounter. Also, the students appreciated the paradox that, at least in retro­spect, some negative events in life are also very amusing. Most stu­ dents valued horror stories because they perceived them to be a window on the sometimes difficult realities of teachers’ lives. Students felt they could learn from such stories without having undergo the trauma personally. The student teller also benefi­ ted; by sharing one’s own horror story, a degree of posi­tive rein­ terpretation occured. Students were able to say: «I’m not the only one who has worked through the difficulties of teaching. It was pretty tough at the time, but I coped. I’m doing okay.» (McLean, 1993, S. 266) So schreibt auch McLean, dass Unterrichten per se eine ziemlich komplexe Aufgabe ist, die durch Paradoxien und Unsicherheiten charakterisiert sei. Deshalb sei es gewinnbringend, wenn erfahrene Lehrpersonen über Geschichten ihre persönlichen Erfahrungen der Dilemmas und Fehlentscheidungen, aber auch über erfolgreiche Situationen berichten. McLean berichtet darüber, dass mit dieser neueren Form von Lehren und Lernen über die Narrative Inquiry auch die Schwierigkeiten den Studierenden nähergebracht werden können, mit denen sie letztlich als Lehrpersonen im täglichen Unterricht später umzugehen hätten (McLean, 1993, S. 266). Diese Story-Phasen, von denen McLean erzählt, wurden teilweise in sehr kleinen Gruppen abgehalten, aber auch in Räumen mit bis zu 100 Teilnehmer*innen. Ein positiver Effekt dieser Diskussionsrunden war ebenfalls, dass der Storyteller und der Zuhörer näher zueinander rückten, wodurch ein persönlicheres Verhältnis zwischen Erzähler und Hörer ausgelöst wurde (McLean, 1993, S. 266). McLean ist davon überzeugt, dass durch diese tiefere und persönliche Beziehung mit den Studierenden auch eine lernfördernde Atmosphäre ausgelöst werden kann.

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Es geht hier auch nicht um die Vermittlung von abstrakten Konzepten, sondern um die Diskussion von in der Realität stattfindenden Szenen, wodurch alle Studierenden angesprochen werden. «Stories allowed the students to imagine themselves in the situation and enabled them to make connection between the ideas in the story and their own experience» (McLean, 1993, S. 266). Herausforderungen im Umgang mit der Narrative Inquiry Eine Gefahr, welche Conle (2000, S. 56) bei der Methodologie der Narrative Inquiry nennt, ist, dass eine erzählte Geschichte nie ganz mit der Wahrheit gleichzusetzen ist. Denn je nach inhaltlichen und zeitlichen Informationen, nach den biografischen Hintergründen des Erzählers und nach den zuvor gemachten Erfahrungen verändert sich diese erzählte «Wahrheit» ständig. Darüber hinaus soll das spezifisch Dargelegte einer Situation immer auch mit dem Generellen verbunden und in Beziehung dazu gesetzt werden. Andernfalls würde die Geschichte den Status des Einmaligen erhalten (2000, S. 56). Darüber hinaus fordert Conle auch, dass der Erzähler seine Darlegungen nicht sachlich, sondern in einer empathischen Weise beschreiben soll, was sich wiederum mit den Erfahrungen desjenigen verbinden lässt. Sie skizziert dabei auch die Schwierigkeit, dass ein offenes Ende einer solchen Geschichte oder Erzählung akzeptiert werden muss. Denn eine narrative Erzählung sei nie abschlies­send (2000, S. 56). Die Autorin steht deshalb dafür ein, dass eine Geschichte nicht kontextfrei erzählt werden soll, sodass die Erzählung auch unabhängig eines kulturellen Hintergrundes verstanden werden könne, was sie bei einigen Arbeiten von Studierenden als Fehler kritisiere (2000, S. 57 – 59). Dabei fordert Conle vier Grundsätze an narrativen Geschichten (in Anlehnung an Habermas, 1981): – They truthfully represent their feelings, intentions etc; – their stories are socially acceptable; – the contents of the narratives are true with regard to what – they describe; – the language is comprehensible (Conle, 2000, S. 57 – 59), was die Geschichten in sich lebendig wirken lässt.

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Es gibt aber nicht nur Forderungen an narrative Geschichten, wie diese dargestellt und beschrieben werden sollen, sondern die Autor*innen erheben ebenfalls Anspruch an den Umgang mit narrativen Geschichten und mit dem narrativen Arbeiten insgesamt. Für Pinnegar und Daynes (2007) gibt es deshalb vier Kriterien, welche beim narrativen Arbeiten beachtet werden sollen, die im Folgenden zusammenfassend erklärt werden. «Relationship of Researcher and Researched»: Forscher und Beforschte stehen in einer Beziehung zueinander. Durch die Begegnung lernen beide Parteien voneinander und entwickeln sich stetig weiter. Ein wesentliches Merkmal dieser Untersuchungshaltung besteht darin, dass Dinge (Subjekte, Personen), die untersucht werden, real sind und dass sie unabhängig von der Untersuchung existieren und nicht erst von dem Punkt an zu existieren beginnen, an dem sie untersucht werden (Pinnegar & Daynes, 2007, S. 9 – 15). «From Numbers to Words as Data»: Die quantitative Forschung hat den Vorteil, dass Zahlen in nahezu alle unterschiedlichen Sprachen und Kulturen übersetzt werden und anhand einer Tabelle gelesen werden können. Demgegenüber ist es in der qualitativen Forschung und gerade in der Narrative Inquiry eine grosse He­ rausforderung, die Resultate in Wort und Schrift darzustellen, was (redundant) verlangt, dass möglichst viele zusätzliche Informationen zu diesen verschrifteten Interpretationen angehängt werden. Genau diese Tatsache benennen Pinnegar und Daynes als Nachteil bei der quantitativen Forschung, deren Zahlen keine Nuancen und Erfahrungen am und mit dem Material wiedergeben können. Die Autor*innen wenden sich zwar nicht gänzlich von sterilen Zahlen ab, doch sehen sie darin nicht all die Informationen, die sie wiedergeben wollen (Pinnegar & Daynes, 2007, S. 15 – 21). «From the General to the Particular»: Wenn Forscher den Fokus auf das Besondere richten, signalisiert dies das Verständnis für den Wert einer bestimmten Erfahrung in einer bestimmten Umgebung, in die bestimmte Menschen involviert sind. Die Autor*innen benennen die Stärke der quantitativen Forschung in der Ge-

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neralisierbarkeit der Daten. So viel Aufmerksamkeit, wie das Generalisierbare in der quantitativen Forschung lange Zeit genossen hat, wird nun in der qualitativen Forschung das Besondere der Erfahrung und der Erkenntnis der gewonnenen Daten ins Zentrum gesetzt (Pinnegar & Daynes, 2007, S. 21 – 24). «Blurring Knowing»: Das vierte Kriterium zeigt auf, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, die menschlichen Erfahrungen zu verstehen. Es geht darum, dass es nicht das Wissen gibt, sondern dass mehrere Formen von Wissen existieren. Dabei sind auch Erzähler und Zuhörer von Geschichten aktive Teilnehmer und bestimmen selber, welchen Inhalten sie mehr oder weniger Wert beimessen. Deshalb scheint der zu untersuchende Gegenstand auch nicht objektiv zu sein, weshalb auch die Untersuchungsinstrumente der Narrative Inquiry flexibel sein müssen (Pinnegar & Daynes, 2007, S. 25 – 28). Denkweise der Fallarbeit in der Lehrerbildung (deutschsprachige Diskussion) Auch im deutschsprachigen Raum setzen sich eine Reihe unterschiedlicher Autor*innen mit der Fallarbeit respektive mit der Kasuistik in der Lehrerbildung auseinander (Fatke, 1995a; Fatke, 1995b; Larcher, 1996; Schierz, 1997; Scherler, 2004; Lüsebrink, 2010; Lüsebrink et al., 2014; Messmer, 2001, 2011b, 2011a; Pieper, 2014; Reichertz, 2014; Wolters, 2015). Dabei muss zuerst definiert werden, was unter Kasuistik respektive Fallarbeit im deutschsprachigen Raum zu verstehen ist. Gemäss Wolters (2015) ist die Kasuistik die Lehre von den Fällen, «… in denen das Handeln Normen folgt und nicht eindeutig festgelegt ist, zur Reflexivität und Urteilskraft beizutragen» (Wolters, 2015, S. 13). Überall, wo es darum geht, konkrete Fälle unter eine Norm zu fassen, zu ordnen oder sie abzugrenzen, hat die Kasuistik als Methode ihren Platz (Wolters, 2015). Bei der Theorie um die Fallarbeit und Kasuistik stösst man immer wieder auf eine ganz bestimmte Zielsetzung, nämlich die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis (Fatke, 1995b; Lüsebrink, 2006; Messmer, 2011a; Pieper, 2014; Wolters, 2015).

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Mit Blick auf das Lehramtstudium werden Möglichkeiten iden­ tifiziert, die notorische Spannung zwischen Theorie (Studium) und Praxis (Beruf) in eine fruchtbare Beziehung zwischen uni­ versitärem Wissen und beruflichem Können verwandeln. Ziel ist die Entwicklung eines forschenden Habitus, der die Praxis be­ reichert. (Pieper, 2014, S. 9) Auch Messmer geht in seinem 2011 publizierten Buch der Diskussion um die Theorie-Praxis-Relation nach. Er beschreibt darin, dass keine unmittelbare Verbindung zwischen Narrationen und dem Theorie-PraxisDiskurs gegeben sei. Wohl aber würden zahlreiche Versuche, die Praxis anhand von Erzählungen darzustellen, auf eine Beziehung dieser beiden – relativ flexiblen – Pole hinweisen (2011a, S. 39 – 40). Bei der inhaltlichen Darstellung von Fallarbeit unterscheidet Messmer die Form und den Inhalt einer Beschreibung analog zur Unterscheidung von Connelly und Clandinin (1990). Während die Form eines Textes eher als Fall benannt werden kann, werden deren Inhalte und deren «dichte Beschreibung» (in Anlehnung an Geertz, 1997) als narrative Texte und die Arbeit damit als narratives Arbeiten beschrieben (Messmer, 2011a). Messmer (2011a) beschreibt die Arbeit mit narrativen Texten in einem dreidimensionalen Raum «vergleichbar mit einer Landkarte, auf der die Geschichte eingetragen wird» (2011a, S. 76) (ähnlich der Beschreibung von Clandinin und Connelly [Clandinin & Connelly, 1995] im angelsächsischen Raum). Gemäss dieser Beschreibung wird eine Geschichte nicht losgelöst von ihrem Rahmen dargestellt, sondern in einen sozialen und personalen Kontext eingebettet. Eine Zeitdimension soll zusätzlich die Erzählung in Bezug zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen, sodass die Ereignisse in einem Handlungsablauf dargestellt werden können. Des Weiteren benutzt Messmer den Begriff der Signatur, wonach die Geschichte aus Sicht des Erzählers wiedergegeben wird und der Erzählung einen persönlichen Charakter gibt. Der didaktische Text selbst soll die Informationen über Kontext, Personen, Handlung und Folgen beinhalten. «Der Leser soll sich gedanklich mitten in die Situation, in die Geschichte versetzen können» (2011a, S. 77). Die folgende Abbildung (Abb. 10) soll auch hier den Inhalt verdeutlichen:

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aussen

Kontext rückwärts

Personen

vorwärts

Handlung Folgen

innen

Abbildung 10: 3-D-Modell narrativer didaktischer Texte (Messmer, 2011a, S. 77; Messmer, 2011b, S. 84).

Trotz dieser sehr pragmatischen Sichtweise auf die Darstellung von narrativen Texten beschreibt Lüsebrink, dass die Arbeit mit Fällen eine theo­ retische Arbeit bleibt, da es lediglich um die forschende Auseinandersetzung mit dem praktischen Handeln geht (Lüsebrink, 2006, S. 46 – 47). Doch was kann die theoretische Konzipierung eines Falles gegenüber der Praxis, der Realität besser leisten? Darauf schreibt Pieper, dass die theoretische Arbeit mit Fällen dort zum Zuge kommen kann, wo die Erprobung in der Praxis zunächst brenzlig erscheint. Wobei die Ansicht auch je nach Disziplin verschieden sein kann, was als gefährlich gelten kann (Pieper, 2014, S. 10). Man könnte hier durchaus auch sagen, dass es im alltäglichen Unterrichten von Lehrpersonen wahrscheinlich nicht in jener Weise zu gefährlichen Situationen kommen mag, wie beispielsweise in der Medizin bei der Erprobung einer neuen chirurgischen Methode. Dennoch kann es als Medium in der Lehrerausbildung sehr gut genutzt werden, um angehende Lehrpersonen in Realsituationen zu versetzen. Wobei auch die kasuistische Praxis in der realen Unterrichtspraxis keineswegs einfach zu sein scheint, wie dies auch Messmer (2011a) beschreibt. Auch Wolters (2015) beschreibt, dass Fälle als Mittel zur Verständigung sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft herangezogen werden

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können. Der Mechanismus sei derselbe. Durch die Bearbeitung der Fälle erhalte man Erfahrung, durch welche die eigene Erkenntnis immerzu grösser werde (Wolters, 2015, S. 13 – 14). Auch bei ihrer Definition von Kasuistik geht es darum, dass die alltägliche Handlungspraxis anhand von Fallarbeit mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise aus Sicht des forschenden Lernens untersucht wird (Wolters, 2015, S. 13). Wolters beschreibt deshalb sehr zutreffend den Fall als «Kreuzungspunkt zwischen Theorie und Praxis», da mit einem Fall lediglich die Realität konstruiert werden kann und diejenige niemals allumfassend dargestellt werden kann. Eine Konstruktion beinhalte nämlich bereits Interpretation über die Realität. An dieser Stelle verweist Wolters auf den Konstruktivismus (vgl. auch Watzlawick, 1995), wonach unsere soziale Wirklichkeit stetig konstruiert und verändert wird (Wolters, 2015, S. 13). Dabei beschreibt die Autorin ebenfalls, dass durch den Fall «eine Beziehung zwischen Besonderem und Allgemeinem hergestellt» wird (Wolters, 2008, S. 138). Deshalb kann am Allgemeinen – beispielsweise an Normen und Regeln – das Besondere, das zu Interessierende gezeigt werden. Für Wolters ist die Konstruktion eines Falles auch von der subjektiven Interpretation des Forschenden abhängig, da das Material und die zugrunde liegenden theoretischen Konzeptionen ebenfalls von den jeweils Forschenden ausgesucht werden (Wolters, 2008, S. 138). Deshalb wird die These unterstützt, dass die Antworten der Proband*innen auf die vorgelegten Textvignetten in schriftlicher Form auch bereits als Interpretation von dem gelten, was sie im eigentlichen Sinne denken und wie sie den Fall interpretieren. Es wird angenommen, dass auch hier lediglich die wesentlichen Informationen von den Proband*innen verschriftlicht werden. Was ist ein Fall? In Anlehnung an die Publikation «Was der Fall ist» von Pieper, Frei, Hauenschild und Schmid-Thieme (2014) sollte auch an dieser Stelle überlegt werden, mit welcher Art von Fällen die Kasuistik in der Erziehungswissenschaft konfrontiert ist. Wolters beschreibt anschaulich, dass ein Fall erst durch einen Beobachter – einen Rezipienten – konstruiert wird.

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Denn erst der Beobachter nimmt eine Situation in der Wirklichkeit auf und schreibt ihr eine Bedeutung zu. Pieper beschreibt überdies, dass die Spannbreite dessen, was als Fall gelten kann, ziemlich breit gefächert ist, wobei sie einen Bezug zu den Paradedisziplinen der Medizin und der Jurisprudenz wagt, die der Arbeit mit Fallstudien bereits seit längerer Zeit einen grossen Stellenwert beimessen (Pieper, 2014, S. 9). Unabhängig davon, welche Disziplin ins Zentrum gesetzt wird, in ein und demselben Fall soll das Besondere und Allgemeine, das Individuelle und das Gesellschaftliche, aber auch das Subjektive und Objektive durch die eigene Interpretation ergänzt werden (Larcher, 1996, S. 13; Wolters, 2015, S. 20). Wolters verweist aber auch darauf, dass die Interpretationen subjektiv und keinesfalls objektiv sind. Dabei ist es wichtig, dass diejenigen Personen, welche den Fall beobachten, auch wissen, worum es geht. Sie geht dabei auf das viel zitierte Beispiel der Marsmenschen ein, welche im überspitzten Sinne als Metapher für all jene Personen gelten, welche die Sache des Unterrichts nur als Laien kennen. Solche Personen würden eine Sportlektion ganz anders beobachten, und ihnen würden höchstwahrscheinlich andere Dinge auffallen als den Sportlehrpersonen, die das Unterrichten im Gegenzug zu diesen Marsmenschen als Experten beherrschen. Darüber hinaus würden diese Marsmenschen die Beobachtungen auch nicht mit dem Hintergrundwissen des Sportunterrichts verknüpfen, das es braucht, damit die Einschätzungen einen Sinn ergeben (Wolters, 2015, S. 20). Wolters will mit dem Beispiel erläutern, dass es in der Kasuistik immer bereits ein Vorwissen (implizit oder explizit) braucht, um den Fall zu interpretieren und ihn in das bestehende Wissen und in die Erfahrungen einzuordnen (Wolters, 2015, S. 24). Doch von welch spezifischen Fällen kann hier gesprochen werden? Für Wolters sind besonders solche Fälle für die Fallarbeit interessant, in denen beschrieben wird, dass der Unterricht nicht gelingt oder «nicht den Idealen von Bildung» entspricht. Für die Autorin werden in solchen Fällen Widersprüche, die zum Gegenstand der Diskussion werden können, ersichtlich. Sie stehen im Widerspruch zu pädagogischen Normen (Wolters, 2015, S. 15). Dabei schreibt Wolters, dass Wahrnehmung eines pädagogisch-didaktischen Problems immer auch erfahrungsbezogen ist. Diese erwähnten

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Marsmännchen würden ein kritisches Ereignis im Sportunterricht allenfalls nicht als kritisch bezeichnen, weil ihnen der entsprechende Erfahrungshintergrund dazu fehlt. Trotzdem würde mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Feld Schule vielleicht sogar jene Sensibilität geschärft, die das Wahrnehmen von solchen und ähnlichen Problemen möglich machen würde. Wolters spricht hierbei von einem sogenannten Übungseffekt (Wolters, 2015, S. 23). Ziele und Kriterien der Fallarbeit Doch was sind eigentlich das Ziel und die Kriterien der Fallarbeit beziehungsweise Kasuistik? Zum Ziel der Fallarbeit in der Erziehung schreibt Reichertz, dass es bei Fallanalysen «entweder um die Ermittlung der jeweiligen Besonderheit der Schüler-Lehrer-Kommunikation bzw. der Schüler-Lehrer-Interaktion oder aber um die jeweilige Strategie, ein bestimmtes Lernziel zu erreichen», geht (Reichertz, 2014, S. 25). Nicht zu vergessen sei aber auch die habitusbildende Funktion, die der Arbeit mit Fällen zugewiesen wird. Denn die Durchführung von Fallanalysen in der Lehrerbildung – so der Grundtenor der Beiträge dieses Bandes – erlaubt nicht nur eine praxisnahe, problem- und handlungsorientierte Refle­ xion von Schule und Unterricht, sondern kann dabei auch einen direkten Beitrag zur Verbesserung des Lehrerhandelns im Sinne der Bildung eines berufsadäquaten Habitus leisten. (Ohlhaver & Wernet, 1999, S. 15). Für Ohlhaver und Wernet (1999, S. 16) ergeben sich daraus vier Ziele: – Fallgeschichten ermöglichen «eine anschauliche und sachbezogene Einführung der Forschungsergebnisse aus dem Bereich der qualitativen bzw. interpretativen Schul- und Unterrichtsforschung» (1999, S. 16). – Durch die Arbeit mit Fallgeschichten können ebenfalls Theorien generiert werden und dienen nicht nur zur Überprüfung von existierenden Forschungsergebnissen. Dadurch wird das Verständnis zwischen Schule, Unterricht und den agierenden Personen gefördert.

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– Durch die Arbeit mit Fällen in der Lehrerbildung werden Irritationen bei den angehenden Lehrpersonen ausgelöst, welche eine verstärkte Reflexion bereits internalisierter Handlungsmuster auslöst. – Ebenfalls wird durch die Fallarbeit eine erhöhte Sensibilisierung für komplexe schulische Interaktionsprozesse bei den Beteiligten ausgelöst. Was wiederum zur Entwicklung eines «professionsadäquaten Lehrerhabitus» beiträgt. Dabei sei die Diskussion über alternative Handlungsund Interaktionsmöglichkeiten innerhalb von Fallgeschichten – welche eine Erhöhung des zukünftigen Handlungsrepertoires zur Folge habe – von grosser Bedeutung (Ohlhaver & Wernet, 1999, S. 16). Zusammengefasst sehen Ohlhaver und Wernet durch die Arbeit mit Fallgeschichten deshalb nicht nur eine Reflexionsmöglichkeit innerhalb der Schulpraxis, sondern auch eine Möglichkeit, die Fragen und Diskussionen zu Innovationsproblemen im Schulwesen aufzuwerfen. So beschreibt auch Wolters, dass die Kasuistik vor allem zum Nachdenken über Unterricht anregen soll. Die Fähigkeit, einen solch beschriebenen Fall pädagogisch-didaktisch interpretieren und analysieren zu können, könne als wichtige Qualifikation von Lehrpersonen gelten. Auch sei es dabei wichtig, dass sich Lehrpersonen nicht auf vorgefertigte Antwortschemas und Lösungen fokussieren und verlassen, sondern dass sie auf die jeweilige Situation angepasste Lösungsansätze spontan antizipieren können (Wolters, 2015, S. 15). «Im Rahmen der universitären Lehrerbildung ist es ihr Ziel, einen wissenschaftlichen Habitus anzubahnen, der als Grundlage für eine professionelle Ausbildung des Lehrerberufs gilt» (Wolters, 2015, S. 15). Für Wolters ergeben sich mit der Kasuistik demnach zwei unterschiedliche Ziele. Einerseits soll die Fallarbeit ein Instrument sein, um den Unterricht auszuwerten – wie dies auch Ohlhaver und Wernet (1999) beschreiben –, und andererseits soll die Arbeit mit Fallgeschichten auch eine Möglichkeit zur Habitusbildung im Lehramtstudium für angehende Sportlehrpersonen bieten (Wolters, 2006; Wolters, 2015, S. 15). Messmer (Messmer, 2011a, S. 29) zeigt dagegen die Ziele und Kriterien der Fallarbeit im deutschsprachigen Raum sehr pragmatisch auf:

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– Fallarbeit bietet eine höhere Anschaulichkeit der pädagogischen Theorien. – Die Kasuistik führt – auch in anderen Wissenschaften – zu einer Verschiebung der Interessen und einer Verlagerung der Aspekte. – Fallarbeit und Kasuistik bewirken eine stärkere Hinwendung zum Alltag und zur Lebenswelt. – Fallarbeit bewirkt eine narrative Orientierung. – Fallarbeit verlangt eine zunehmende Betonung qualitativer Verfahren (Fatke, 1995b, S. 676; Messmer, 2011a, S. 29). Verbindung des angelsächsischen und des deutschsprachigen Diskurses Vor allem Craig steht insgesamt dafür ein, dass die Narrative Inquiry einen grossen Beitrag in der Lehrerausbildung zu leisten vermag, vor allem auch dann, wenn es um die Reflexion des eigenen Handelns und um das Lernen von anderen Lehrpersonen geht. Denn durch die Narrative Inquiry und deren Betrachtung von Fällen kann versucht werden, das eigene Empfinden einer Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Mit der Narrative Inquiry haben gemäss Craig (2011), Connelly und Clandinin (1988 u. a.) eine Sprache gefunden, um über das Unterrichtsgeschehen zu sprechen. In einer Weise, in der einerseits über den Unterricht gesprochen werden kann, aber auch, um direkt den eigenen Unterricht von Studierenden zu besprechen, damit ihr unterrichtliches Handeln entwickelt und verbessert werden kann. So hat die Narrative Inquiry eine doppelte Aufgabe. Einerseits, die Qualität der Lehrerausbildung zu verbessern, und andererseits, dass die Studierenden ihr fragiles Wissen mit in den Unterrichtsprozess nehmen und diesen aktiv und explizit formen und reflektieren können (Craig, 2011, S. 25). Messmer (2011a) spricht hierbei nicht von einer doppelten Aufgabe, sondern eher von der Überwindung eines Theorie- und Praxisdilemmas, indem er das forschende Lernen in der Lehrerausbildung und in der empirischen Schulsportforschung unterstreicht: «Der Fall aus der Unterrichtspraxis soll die Rolle des Vermittlers übernehmen und damit die Kluft zwischen Ausbildungspraxis und Berufspraxis zu füllen versuchen (Messmer, 2011a, S. 27). Mit einer solchen Arbeitsweise ist auch Messmer – wie auch die

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amerikanischen Autor*innen – überzeugt, die aufgezeigten dichotomen Differenzen bestmöglich zu überwinden. Wolters beschreibt in ihrem Buch vier unterschiedliche Zugänge zu Fallarbeit. Einerseits sei Fallarbeit vom biografischen Zugang der Interpretierenden abhängig. Was bereits in Erfahrung gebracht wurde, das werde man für die zukünftigen Interpretationen und Bewertungen von Fällen auch berücksichtigen. Ein zweiter Zugang stellt die ethnografische Bearbeitung dar. Das Berufsfeld Schule wird ins Zentrum gerückt. Dabei analysieren die Interpreten den jeweiligen Fall vor dem Hintergrund schulisch-pädagogischer Begebenheiten. Der dritte Zugang beschreibt einen unterrichtsanalytischen Zugang. Hierbei wird davon ausgegangen, dass Lehrpersonen ihren Unterricht stets analysieren. Wieso ein Mädchen sich inmitten einer Bewegungssequenz plötzlich seitlich neben dem Spielfeld hinsetzt, kann unterschiedlich interpretiert werden. Entweder deutet die Lehrperson das Verhalten des Mädchens dahingehend, dass sie weiss, dass das Mädchen wahrscheinlich körperlich überfordert sein wird, oder aber es könnte auch sein, dass sie diese Handlung des Mädchens als Desinteresse einschätzt. Lehrpersonen analysieren in diesem Ansatz das Geschehen stets in antinomischen Polen, wodurch sich auch der gesamte schulische Unterricht auszeichnen lässt. Der vierte und letzte Zugang ist der entwicklungsbezogene Zugang. Hier geht es darum, dass jeder Fall eine Entwicklungsaufgabe für den jeweiligen Interpreten darstellt, den es zu lösen gilt und aus dem neue Erkenntnisse für die eigene Unterrichtsarbeit folgen (Wolters, 2015, S. 15 – 19). Wolters beschreibt in ihren Ausführungen, dass demnach für die Kasuistik ein Wissen des Themas oder des jeweiligen Berufsfelds vorausgesetzt wird, ansonsten können keine interessanten Fälle ausfindig gemacht werden. Ein Fall wird demnach aus der sozialen Wirklichkeit heraus konstruiert, er ist nicht bereits da, wie dies auch die amerikanischen Autor*innen äusserst genau beschrieben haben. Er wird durch die Interpret*innen und seine Umgebung erst zum Fall gemacht, welche dem Fall eine bestimmte Brisanz verleihen oder eben gerade eine dieser viel zitierten Antinomien (Terhart, 2011; Košinàr, 2014; Wolters, 2015). Der Fall kann also nie die Wirklichkeit sein, er kann die Wirklichkeit höchstens abzubilden versuchen (Messmer, 2011a; Wolters, 2015, S. 19).

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Während sich die Diskussionen der Fallarbeit im deutschsprachigen Raum um die Etablierung dieser Art der Forschung an sich drehen, so werden im englischsprachigen Raum auch die Art und Weise dieser Forschung diskutiert. Nichtsdestotrotz scheinen beide Diskurse in der Fallarbeit und der Narrative Inquiry ein grosses Potenzial für die Lehrerbildung und deren Qualitätssteigerung zu sehen, falls einige minimale Kriterien für die Arbeit mit Fällen eingehalten werden (vgl. Abb. 9 und 10). Nach diesen Ausführungen zur Fallarbeit und zur Narrative Inquiry scheint offensichtlich, dass sich die Diskurse im angelsächsischen sowie im deutschsprachigen Raum gar nicht allzu sehr voneinander unterscheiden. Es geht in beiden Diskursen darum, wie die Fallarbeit in der Lehrerbildung eingesetzt werden kann, damit die angehenden Lehrpersonen einen Mehrwert daraus ziehen können. In beiden Diskursen werden dabei ähnliche Kriterien und Bedingungen formuliert, welche für das Arbeiten mit narrativen Texten eingehalten werden müssen. Wohl liegt auch beiden Diskursen zugrunde, dass vermehrt versucht wird, die Legitimation dieser noch eher jungen Forschungsmethode voranzutreiben. Dabei thematisieren ebenfalls beide Diskurse die Art und Weise, wie die Fallarbeit in der Forschung zur Theoriegenerierung eingesetzt werden kann. Auch hier gibt es gemäss den Beschreibungen Kriterien, welche eingehalten werden müssen. Vor dem Hintergrund dieses Wissens aus diesem Kapitel und den beiden vertieften Diskursen wird im nächsten Kapitel die Auswertungsmethode für das vorliegende Projekt PCK 2.0 beschrieben. 4.2 Auswertungsmethode des PCK 2.0 4.2.1 Begründung der Methode Warum ein spezifisch qualitativer Ansatz zur Bearbeitung der in Kapitel 3 dargelegten Fragestellungen gewählt wird, sollen die nachstehenden Ausführungen erklären. Es geht in dieser Arbeit darum, dass die verschiedenen Strukturen (Entscheidungsmuster) erfasst werden, wie angehende und erfahrene Lehrpersonen in kritischen Situationen agieren. Nach Vogd (2004) ist die qualitative Herangehensweise dessen, was man (noch) nicht weiss, als Rekonstruktion der Wirklichkeit – als ein «schöpfe-

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rischer Prozess» – zu verstehen. In der rekonstruktiven Sozialforschung geht es um die Erforschung, wie sich Prozesse reproduzieren und in welcher «funktionalen Beziehung» diese Prozesse zueinanderstehen (Vogd, 2004, S. 61). Begründung des qualitativen Zugangs Wie in Kapitel 1.1 erwähnt, basiert das folgende Projekt PCK 2.0 auf den Daten des Projekts PCK 1.0. Grundsätzlich verweist die Fragestellung und deren Formulierung darauf, in welcher Weise die Daten ausgewertet werden sollen (Flick, von Kardorff & Steinke, 2012). «Während in der qualitativen Forschung Erfahrungsrealität zunächst verbalisiert wird (qualitative, verbale Daten), wird sie im quantitativen Ansatz numerisch beschrieben» (Bortz & Döring, 2006, S. 296). Der empirisch-analytische, quantitative Ansatz verfolgt das Ziel, Musterläufigkeiten im Erleben und Verhalten von Menschen zu ermitteln. Dass solche Gesetzmäßigkeiten existieren, wird dabei vorausgesetzt. Kritiker vermuten, dass im quantitativen Ansatz ein mechanistisches Menschenbild zugrunde gelegt wird, nach dem der Mensch nur eine «Marionette» ist und von äußeren Ursachen gesteuert wird. Demgegenüber treten dann die Anhänger einer interpretativen Sozialwissenschaft für ein Bild des selbstbestimm­ ten, sinnvoll handelnden Menschen ein, dessen Erleben und Ver­ halten man nicht durch Benennen äußerer, objektiv beobachtba­ rer Wirkfaktoren «erklären», sondern nur durch kommunikatives Nachvollziehen der subjektiven Weltsicht und der inneren Gründe der Akteure ‹verstehen› könne. (Bortz & Döring, 2006, S. 301) Anhand des Kapitels 4.1.4 Fallarbeit / Narrative Inquiry, welches als Spezifikum der methodischen Herangehensweise beschrieben wurde, kann gezeigt werden, dass der qualitativen Auswertungsmethode ein grosser Stellenwert beigemessen wird. Nicht, weil der qualitativen Sozialforschung mehr Tiefe zugesprochen wird, sondern vor allem aus dem Grund, aufzuzeigen, dass ein und dieselben Daten unterschiedlich ausgewertet werden können und sich daraus als Erweiterung, Ergänzung und Kon­ trastierung andere differenzierte Resultate aufzeigen lassen.

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Die Auswertungen der Erhebungen im PCK 1.0 von 2012 / 2013 beschreiben einige vorab angenommene Resultate. Interessant sind die Ergebnisse auf den ersten Blick dahingehend, dass die zu erwartenden Resultate nur bedingt eingetroffen sind. Beispielsweise konnte mit der quantitativen Auswertung (PCK 1.0) nur teilweise gezeigt werden, dass eine Ausbildung ganz grundlegend zu einer Verbesserung des fachdidaktischen Wissens von Sportlehrpersonen führt. Auch musste die Annahme, dass erfahrene Sportlehrpersonen ein ausdifferenzierteres und kompetenteres fachdidaktisches Wissen aufweisen, relativiert werden. Bereits diese Ergebnisse lassen darauf schliessen, dass diesen Resultaten mit einer qualitativen Auswertung differenziert Rechnung getragen werden könnte. Gerade deshalb bietet es sich an, die Daten mit einer anderen Forscherbrille (vgl. Bortz & Döring, 2016) – der qualitativen Forscherbrille – zu betrachten. Die Intention des qualitativen Schritts ist es somit, die Resultate aus der quantitativen Studie besser zu verstehen. Es reicht hierfür nicht aus, lediglich allgemeine Unterschiede oder Gemeinsamkeiten festzustellen, sondern es soll damit versucht werden, allenfalls einige Erklärungslücken, welche beim PCK 1.0 offenblieben, mit den Auswertungen des PCK 2.0 zu beschreiben (vgl. Kuckartz, 2014, S. 78). Begründung der Dokumentarischen Methode Richtungsweisend für die Auswahl der Methode zu dieser Forschungsarbeit und deren Hauptfragestellung (vgl. Kap. 3) ist ein Zitat von Paseka und Hinzke: Rückschlüsse auf das explizit zugängliche Wissen der Befragten können durch die inhaltliche Zusammenfassung des Gesam­ ten gezogen werden (Leitfrage: Was sagen sie?). Rückschlüs­ se auf das praktische Wissen ergeben sich durch die Analyse des «Modus Operandi», der sprachlichen Praxis der Herstellung dieses Wissens (Leitfrage: Wie sagen sie es?). (Paseka & Hinz­ ke, 2014a, S. 53)

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Beide von Paseka und Hinzke (2014a) formulierten Fragen können mit folgender übergeordneter Fragestellung beantwortet werden: Welche Entscheidungsmuster lassen sich bei Sportlehrperso­ nen in kritischen Situationen im Unterricht identifizieren? Mit dieser Formulierung wird nach Entscheidungsmustern gefragt, an denen sich Sportlehrpersonen in kritischen Situationen orientieren. Implizit wird dadurch und im Spezifischen durch die unten aufgeführten Teilfragen mit erhoben, wie sich diese entsprechenden Entscheidungsmuster voneinander differieren lassen, was auf die Leitfragen von Paseka und Hinzke (2014a) anspricht. Teilfrage 1: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Situationen und Kontexten iden­ tifizieren? Teilfrage 2: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Ausbildungsstrukturen und Be­ rufsbiografien identifizieren? Auch wenn sich nicht eindeutige Rückschlüsse ziehen lassen, welche Entscheidungen nun eher implizit oder explizit entstehen, wird mit dieser Forschungsarbeit versucht, solche Entscheidungsmuster aus dem Material zu generieren, welche den Modus Operandi bestmöglich zu beschreiben versuchen. Implizite Entscheidungen anhand des Modus Operandi aufdecken Reichertz (2015) gebraucht für die Beschreibung des Modus Operandi den Vergleich von Modus Operandi und Handschrift. Ursprünglich gebraucht Reichertz diese beiden Begriffe, um die Forscher*innen-Subjektivität zu erklären. Seine Ausführungen lassen sich aber ebenfalls mit der allgemeinen Unterscheidung des Modus Operandi und mit dem Vergleich der Handschrift (des Handelns) von Sportlehrpersonen beschreiben. Für die Beschreibung dieser beiden Begriffe zieht Reichertz das Begriffsvokabular der operativen Fallanalytiker*innen der Kriminalpolizei

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heran – welche auch Profiler genannt werden –, die sich mit dem Handeln von Schwerverbrechern beschäftigen. Die Art und Weise, wie die Täter handeln würden und wie sie sich am Ort des Geschehens verhalten, beschreiben diese Profiler als Täterhandschrift und diese sei relativ stabil und unveränderbar. «Während der Modus Operandi gelernt ist und das adressiert, was Täter*innen typischerweise tun, um die Tat erfolgreich zu begehen, meint die Handschrift das, was sie tun, um emotionale Befriedigung zu erfahren» (Reichertz, 2015, Abs. 4). Interessant ist hierbei auch, dass Reichertz beschreibt, dass beim Modus Operandi in bestimmter typischer – sozial typisierter – Weise gehandelt wird (Reichertz, 2015, Abs. 8). In diesem Sinne beschreibt Bohnsack in Anlehnung an Mannheim (1964), dass sich der Modus Operandi an die Herstellung eines kollektiven und individuellen «Habitus» anlehnt (Bohnsack, 2014, S. 61). Anhand der Täterhandschrift erkennen die Profiler nämlich auch, um welchen Täter es sich gehandelt haben könnte. Denn die «Handschrift ergibt sich aus dem Verlauf des Lebens der Straftäter / innen» (Reichertz, 2015, Abs. 4). Im ersten Augenblick mag dieser Vergleich zwischen Lehrpersonen und Tätern absurd klingen. Doch bei näherer Betrachtung des Wissens und Könnens von Lehrpersonen scheint dieser Vergleich durchaus angebracht zu sein. Lehrpersonen erwerben in ihrer Ausbildung Wissen und Können, welches wiederum von ihrem eigenen Erfahrungshintergrund – der eigenen Biografie (vgl. Kap. 2.5) – abhängig ist und sich von anderen Lehrpersonen zu unterscheiden vermag. Dies wäre mit der Handschrift des Täters gleichzusetzen. Diese Handschrift ist relativ stabil über die ganze Berufsausübung hinweg. Jede Sportlehrperson hat beispielsweise gewisse Rituale, an denen sie sich in der Sporthalle festhält. Demgegenüber lässt sich der Modus Operandi aus den gelernten Inhalten in der Ausbildung ableiten. Eine Unterscheidung von Modus Operandi und Handschrift lässt sich nur ausfindig machen, wenn man die Antworten ein und derselben Kohortengruppe miteinander vergleicht. Gibt es dort bestimmte Muster, die sich einander ähneln, dann könnte dies ein Indiz auf den Modus Operandi sein. Unterscheiden sich die Antworten der Proband*innen innerhalb einer Kohorte jedoch massgeblich voneinander, könnte dies auf die individuelle Handschrift einer Sportlehrperson (und deshalb auch auf den Berufshabitus) hindeuten. Da diese Unterscheidung anhand einer Erhebung mit Textvignetten

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dennoch relativ schwierig zu sein scheint, ist bei der Analyse des Modus Operandi auch die Handschrift miteingeschlossen. Das heisst, der Modus Operandi enthält auch Aussagen über die Handschrift einer Sportlehrperson. Letztlich und vordergründig geht es in dieser Forschungsarbeit darum, anhand der Dokumentarischen Methode das Agieren der Lehrpersonen in kritischen Situationen zu rekonstruieren. Für Bohnsack ist dies ein Grund für den Wechsel der Analyseeinstellung vom Was im Text zum Wie im Text (vgl. Bohnsack, 2003). 4.2.2 Ausgangslage für die Dokumentarische Methode 4.2.2.1 Bedingungen für die Dokumentarische Methode Wie im ersten Spezifikum über Textvignetten (vgl. Kap. 4.1.3) beschrieben wurde, bietet sich mit der Arbeit von Fallvignetten eine Vorgehensweise an, mit der das fachdidaktische Wissen situationsspezifisch erhoben werden kann. Dennoch gibt es mit dieser Erhebungsform einiges zu beachten, wie auch Bohnsack beschreibt. Gemeinsamer Erfahrungsraum Vonseiten der Phänomenologie, des Symbolischen Interak­ tionismus und der Ethnowissenschaften wird nun grundlegend problematisiert, ob sich Beobachter und Beobachteter, Inter­ viewer und Befragter überhaupt so ohne Weiteres verstehen, zumal sie häufig unterschiedlichen sozialen Welten, unter­ schiedlichen Subkulturen oder Milieus angehören, unterschied­ lich sozialisiert sind und somit in unterschiedlichen Sprachen reden. (Bohnsack, 2014, S. 20) Das Problem, welches Bohnsack hier anzusprechen vermag, weist auf einen bekannten Umstand hin, dass der mit den sprachlichen Äusserungen verbundene Sinngehalt einer Nachricht von Person zu Person differieren kann, auch wenn alle am Gespräch beteiligten Personen sich derselben Grammatik und desselben Wortschatzes bedienen. Garfinkel (1973) weist darauf hin, wie zerbrechlich und schwierig die Kommunika-

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tion bereits im Alltag sei, auch ohne dass ein Interviewer – ein Fremder – das Gespräch beeinflusst (Bohnsack, 2014, S. 20). Bohnsack bezeichnet deshalb prägnant die Forschungspraxis, respektive die interpretative Methodologie der Dokumentarischen Methode, auch als «ein methodisch kontrolliertes Fremdverstehen» (Bohnsack, 2014, S. 21). Jedoch setzt auch dieses Verstehen voraus, dass die Forscher die Alltagspraxis und den Erfahrungsraum respektive den Erlebniszusammenhang ihrer Akteure kennen, um sich letztlich in die Perspektiven der Beforschten hineinzuversetzen (Bohnsack, 2014, S. 60 – 61). Der Interpret muss also einerseits in der Lage sein, die Erlebnis­ prozesse derjenigen, die Gegenstand der Forschung sind, er­ lebnismäßig nachzuvollziehen, er muss diese aber andererseits zugleich objektivieren, zum Gegenstand begrifflich-theoreti­ scher Explikation nehmen und – damit zusammenhängend – zu einer spezifischen, von der des Teilnehmers unterschiedlichen «Einstellung» gelangen können. (Bohnsack, 2014, S. 133) Wenn bei solchen Alltagssituationen auf Alltagswissen des Gegenübers zurückgegriffen wird, so begegnen sich die beiden Parteien auf derselben Ebene mit denselben sozialen Bedingungen. Garfinkel (1967) nennt diesen Umstand «common sense knowledge of social structures» (Garfinkel, 1967, S. 76). Dieses Umstands bedienen sich Sozialwissenschaftler bei der Untersuchung von unterschiedlichen typischen Denk- und Handlungsmustern innerhalb der Dokumentarischen Methode (Kleemann, Krähnke & Matuschek, 2009, S. 152). Deshalb ist es von grösster Bedeutung, dass auch der Forscher sich im gleichen Milieu der Beforschten bewegt und dieses ebenfalls genauestens kennt, was in dieser vorliegenden Forschungsarbeit tatsächlich der Fall ist. 22 Unter einem «gemeinsamen Erfahrungsraum» (vgl. Asbrand, 2011) respektive einer gemeinsamen Erfahrungsdimension ist hier, bezogen auf die vorliegende Forschungsarbeit, beispielsweise der Erfahrungsraum 22

Als Auswertungsleiterin kann ich einen berufsbiografischen Erfahrungshintergund vorweisen, der den meisten der Untersuchungspersonen sehr ähnlich ist. Durch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Fällen und den theoretischen Hintergründen dieser Forschungsarbeit kann ich mich als äusserst milieunah bezeichnen.

156 Methodik

von unterschiedlichen Probandengruppen zu verstehen, oder aber auch, dass ein und dieselbe Vignette einen gemeinsamen Erfahrungsraum provoziert, in dem die Proband*innen sich in die jeweilige Situation versetzen und Hintergründe mit Lösungsstrategien zu antizipieren versuchen. «Die Suche nach gemeinsamen Orientierungsrahmen führt so in den Vergleich mehrerer Fälle, mit dem erst die Orientierungsrahmen in ihren Verknüpfungen mit unterschiedlichen Erfahrungsdimensionen (z. B. solchen des Alters, der Bildung oder der Migration) herausgearbeitet werden können» (Nohl, 2013, S. 277). Nach Bohnsack soll diese Forderung am ehesten erfüllt werden, wenn die Originaltexte zwar in ihrer ursprünglichen Form, jedoch losgelöst von den situativen Bedingungen und Begebenheiten betrachtet und vor dem Gegenhorizont unterschiedlicher Vergleichsbezüge verglichen werden (Bohnsack, 2014, S. 133). Interpretation von Alltagserfahrungen als Grundlage Bohnsack verweist mit dem unten aufgeführten Zitat darauf, dass uninterpretierte Erfahrungen, wie sie im Alltag häufig zu finden sind, wissenschaftlich (im empirischen Sinne) keine Relevanz gewinnen und sich so vom Alltag unterscheiden: Die Sozialwissenschaften sind empirische Wissenschaften, also Erfahrungswissenschaften. Empirische Wissenschaften unter­ scheiden sich von nicht-empirischen Wissenschaften dadurch, dass in ihnen lediglich solche theoretischen Aussagen Anerken­ nung finden, die einer Nachprüfung durch die Erfahrung prinzi­ piell fähig sind. Das ist das sogenannte Abgrenzungskriterium, welches die empirische Wissenschaft abgrenzt vom Alltag, aber auch von der Mathematik und Logik. (Bohnsack, 2014, S. 15) Wenn man sich auf die Ebene der Wissenschaft begibt, dann werden solche Erfahrungen und Sachverhalte sprachlich fassbar gemacht und ausformuliert. Durch diese aktive Reflexion von Erfahrungen und Beobachtungen als solches können diese wissenschaftlich fassbar gemacht und in Verbindung mit einer oder mehreren Theorien gebracht werden (Bohnsack, 2014, S. 15).

Methodik 157

Die Auswertung von Textvignetten stellt an dieser Stelle deshalb zwei Herausforderungen dar. Einerseits sollen die Forscher*innen das Untersuchungsfeld kennen, damit dieses «common sense knowledge of social structures» (nach Garfinkel) der Forscher*innen bestmöglich mit demjenigen der Proband*innen übereinstimmt, und andererseits sollen die für diese Untersuchung konkret kommentierten Lösungsantworten zu den kritischen Situationen bestmöglich und umfassend beantwortet werden im Hinblick auf die Zielsetzung, dass nicht nur Unterschiede zwischen den Antworten fassbar gemacht werden können, sondern auch die Art und Weise der Unterschiede in den Antworten aufgedeckt werden können. Offenheit der Textvignetten So erklärt Bohnsack, dass die Interviewfragen (hier die Textvignetten) möglichst so offen formuliert sein sollen, dass die Interviewpartner*innen oder die Proband*innen die Antworten auf die Fragen bzw. Fallvignetten weitgehend selber strukturieren können. Dabei können die Proband*innen auch ausdrücken, ob sie die Frage interessiere und ob sie ganz allgemein in ihrem Relevanzsystem überhaupt Beachtung findet. Daraus lässt sich erkennen, inwiefern die formulierte Frage bzw. Fallvignette überhaupt Bedeutung hat und welche Bedeutung sie bei den jeweiligen Proband*innen überhaupt einnimmt. Die Art und Weise, wie die Proband*innen auf die Fragen oder die offenen Situationen antworten, wird mit einem solchen Design möglichst offen gelassen. Was eine genaue Analyse der Antwortstruktur interessanter macht (Bohnsack, 2014). Aufgrund all dieser Ausführungen und insbesondere aufgrund der spezifischen Anlage dieses Forschungsprojekts wird zur Auswertung der Daten die Dokumentarische Methode herangezogen. Im nächsten Kapitel wird deshalb die Methode in ihren Grundzügen beschrieben. Wenig Eingriff schafft mehr Kontrolle Ebenfalls bedeutsam ist bei Bohnsacks Ausführungen, dass der Untersuchungsgegenstand mit dem Erhebungsverfahren und der Auswertungsmethode eng miteinander gekoppelt ist und diese vonei­ nander abhängig zu betrachten sind. Dabei grenzen sich rekonstruktive Forschungsmethoden von Hypothesen prüfenden Verfahren in jenem Sinne ab, dass bei den rekonstruktiven Verfahren möglichst wenig äussere

158 Methodik

Einflüsse getätigt werden sollen. «Weniger Eingriff schafft mehr Kon­ trollmöglichkeiten. Durch weniger Eingriffe des Forschers soll mehr methodische Kontrolle erreicht werden» (Bohnsack, 2014, S. 22). Während sich Bohnsack in dieser Hinsicht vor allem auf das Erhebungsverfahren des Interviews bezieht, lässt sich dieser Gedanke auch auf die vorliegende Forschungsarbeit mit der Vignettenbefragung übertragen. 4.2.2.2  Dokumentarische Methode in ihren Grundzügen Die Grundzüge der Dokumentarischen Methode lassen sich bereits bei Mannheim finden, der sich wiederum auf die Ethnomethodologie des Begründers Harold Garfinkel (1967) bezieht (Bohnsack, 2014, S. 11). Die der Dokumentarischen Methode zugrunde liegende Ethnowissenschaft untersucht in den Grundzügen, «über welches Wissen schriftlose Kulturen verfügen, wie sie ihre Welt deuten und wie sie ihr Handeln im Alltag in eine sinnvolle Ordnung bringen» (Abels, 2009, S. 87). In der Ethnomethodologie werden ähnlich dazu die formal structures of practical actions (Garfinkel & Sacks, 1970) im Alltag ins Zentrum gesetzt.  Er ist der kulturelle Ethnos, den wir als gemeinsame, sinnhaf­ te Welt erfahren, und dessen Ordnung wir uns wechselseitig durch unser Handeln anzeigen. Damit kommt der zweite Teil des Kunstwortes ins Spiel. Garfinkel geht davon aus, dass es in der Welt des Alltags als selbstverständlich empfundene, typi­ sche Methoden des Denkens und Handelns gibt. «Methoden» darf man nicht gleichsetzen mit rationalen Strategien, sondern der Begriff bezeichnet ganz generell die Art und Weise, wie wir unsere gemeinsame Welt und unser Handeln darin interpretieren und strukturieren. Diese Methoden dienen dazu, das Alltagshan­ deln als rational und sinnvoll, kurz als erklärbar («accountable») darzustellen. (Garfinkel, 1967, S. VII; zit. n. Abels, 2009, S. 87) 23 Bedeutend ist für die Dokumentarische Methode zudem, dass sie einer praxeologischen Methodologie folgt. Praxeologisch meint in diesem Sin23

Was hier Garfinkel beschreibt, kann auch mit dem Begriff der dichten Beschreibung erklärt werden, der ursprünglich bei Ryle zu finden ist und bei Geertz (1997) aufgenommen wurde.

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ne, dass Theorie und Beobachtung (Empirie) in einem reflexiven Verhältnis stehen (Bohnsack, 2014; Bohnsack, 2017; Bonnet, 2009, S. 223). Die Dokumentarische Methode als Auswertungsmethode bietet deshalb dahingehend das Potenzial, dass implizites Wissen und damit auch milieu-, generations-, geschlechts- und entwicklungsspezifische Orientierungen aus dem Alltag rekonstruiert und begrifflich gemacht werden können. Damit ist jenes Wissen gemeint, welches im Alltag nicht explizit erklärt werden kann und in der jeweiligen Situation für die Akteure auch nicht reflexiv zugänglich ist (Bohnsack, 2014, S. 215; Asbrand, 2011, S. 1). Gemäss Bohnsack wird hier die Behandlung einer Erscheinung zu einem «Dokument» verdichtet und gilt als Hinweis eines zugrunde liegenden Musters einer Handlung (Bohnsack, 2014, S. 58). Es geht dementsprechend um die Interpretation von Daten, welche in sich eine bestimmte – nicht offensichtliche – Systematisierung aufweisen. Diese Systematisierung oder Muster, wie es Bohnsack nennt, gilt es aufzudecken und zusammenzufassen. Das Analyseverfahren der Dokumentarischen Methode stützt sich indes aber nicht nur auf das reflexive oder theoretische Wissen, sondern gibt auch Aufschluss über das handlungsleitende Wissen und somit auch die Handlungspraxis der Akteure. Das dadurch rekonstruierte handlungsleitende Wissen soll gemäss Bohnsack aber auch unabhängig vom Subjekt gemeinten Sinn der Akteure analysiert werden, was aber nicht ausschliesst, dass nicht auch die Erfahrungshintergründe der Akteure beachtet werden müssen. Deshalb ist die Reflexion eines sogenannten blinden Flecks (das, was bisher nicht explizit von den Akteuren wahrgenommen wurde) umso wichtiger, je besser die Handlungspraxis rekonstruiert werden soll. Dies scheint gerade für Bohnsack einer der Unterscheidungspunkte zu den objektivistischen Zugängen zu sein, «die nach Handlungsstrukturen ‹hinter dem Rücken der Akteure› suchen, wie u. a. die objektive Hermeneutik» (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 40), bei der der Forschende mehr weiss als die Beforschten. Dabei wird in der Dokumentarischen Methode einerseits ein Schwerpunkt auf die Differenz der Sinnstruktur «des beobachteten Handelns vom Subjekt gemeinten Sinn der Akteure» gelegt, andererseits auch das eigentliche Wissen der Akteure berücksichtigt. Bohnsack fügt hier die Voraussetzung an, dass für diese Analyse die Unterscheidung zwischen dem reflexiven und theoretischen Wissen der Akteure eine wichtige Rolle

160 Methodik

spielt, aber auch das handlungsleitende – respektive inkorporierte – Wissen der Akteure von Bedeutung ist (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 41). Dabei ist festzuhalten, dass der Forscher selbst, nicht wie bei den objektivistischen Ansätzen, mehr weiss als die Akteure, sondern dass die Akteure selbst nicht explizit erkennen, was sie wissen und können. Für den Forscher gilt es deshalb, diese nicht explizit repräsentiert erkennbaren Wissens- und Könnensmuster aufzudecken. So ist die Aufgabe des «sozialwissenschaftlichen Beobachtens», das beschriebene implizite (und atheoretische; vgl. Kap. 4.2.2.3) Wissen abduktiv begrifflich zu machen (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 41). Um zu erklären, was abduktiv respektive die Abduktion meint, wird vorerst die Induktion und die Deduktion beschrieben, um in einem nachfolgenden Schritt die Abduktion zu erläutern.  Die qualitative Induktion schliesst von der Existenz des Einzelfalls auf das Gesamte, ausgehend von der vorhandenen Stichprobe. Demnach werden die am Einzelfall erprobten Merkmale auf die Gesamtheit der existierenden Fälle übertragen. «Die qualitative Induktion schließt also, und das ist entscheidend, von zwei bekannten Größen, nämlich dem Resultat und der bereits bekannten Regel, auf den Fall. Der beobachtete Fall (token) ist ein Exemplar einer bekannten Ordnung (type)» (Reichertz, 2013a, S. 36). Wohingegen die qualitative Deduktion von einer allgemein gültigen Regel ausgeht und diese auf ausgewählte Einzelfälle anwendet und versucht, diese Zusammenhänge in den vorliegenden Daten zu finden. Dagegen kommt die Abduktion gemäss Reichertz zum Zuge, wenn sich durch das vorhandene, innewohnende Wissen scheinbar keine Lösung mehr finden lässt. Infolgedessen muss etwas Neues gefunden werden (vgl. Scherler & Schierz, 1993, S. 109), welches das Unverständliche, noch Unerklärliche explizieren kann. Gemäss dem Autor sind Abduk­ tionen Blitze der Erkenntnisse, die verrückt sein können, «weil sie massiv unserer Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt widersprechen» (Reichertz, 2013b, S. 19 – 20). Deshalb wird in der Abduktion gemäss Bohnsack eine methodische Fremdheitshaltung vorausgesetzt. «Oftmals wird dabei das Konzept der Abduktion als ein Verfahren der interpretativen Forschung reklamiert, wobei übersehen wird, dass Abduktion

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zuerst einmal gar keine Methode der Forschung beschreibt, sondern nur eine Form des Schlussfolgerns» (Reichertz, 2013a, S. 36). Die methodische Analyse der Dokumentarischen Methode vereint infolgedessen alle drei Regelwerke (Induktion, Deduktion und Abduktion), um die Realität bestmöglich zu rekonstruieren. Zusammenfassend darzulegen ist, dass es in der dokumentarischen Interpretation weniger um die Bewertung von Alltagskommunikationen geht als um das Erkennen von sichtbaren Kategorien, um das Verstehen von Orientierungsmustern innerhalb des Datenmaterials und um die Bildung von Typen, welche versucht werden, aufzudecken. Übertragen auf die Unterrichtsforschung im Bereich der Fachdidaktik Sport heisst dies, dass nicht versucht wird, die Antworten der Proband*innen zu bewerten und zu klassifizieren im Sinne einer Niveaueinteilung, sondern es wird versucht, den Inhalt der geschriebenen Antworttexte zu verstehen und deren Sinn zu rekonstruieren. 4.2.2.3

Die Wissensbestände innerhalb der Dokumentarischen Methode

Aus zahlreichen Arbeiten, und wie im einleitenden Kapitel und in der Theorie bereits angesprochen, lässt sich erkennen, dass das Wissen, welches die Akteure besitzen, in unterschiedliche Dimensionen einzuordnen ist: Einerseits in ein zugängliches Wissen und andererseits in ein unbewusstes, nicht explizit zugängliches Wissen. Ersteres wird auch als das explizit zugängliche bewusste Wissen bezeichnet, während das Zweite in das implizit unbewusste Wissen eingeordnet wird (Bohnsack, 2007; Bohnsack, 2014; Bohnsack, 2017; Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006; Paseka & Hinzke, 2014a; Przyborsky & Wohlrab-Sahr, 2014).

162 Methodik

Kommunikativgeneralisierendes Wissen

Konjunktives Wissen

(Theoretisches Wissen, reflexiv

(Atheoretisches Wissen,

verfügbares Wissen)

implizites Wissen)

Immanenter Sinngehalt

Dokumentsinn

Intentionaler Ausdruckssinn (Absichten, Motive)

Objektsinn (Allg. Bedeutung des Textinhalts)

Abbildung 11: Wissensbestände der Dokumentarischen Methode.

Mannheim (1980) selbst unterscheidet zwischen dem kommunikativ-ge­ neralisierenden und dem konjunktiven Wissen. Das kommunikativ-generalisierende Wissen beschreibt Mannheim als das theoretische Wissen, welches reflexiv und explizit zur Verfügung steht (vgl. Abb. 11). Kommunikativ-generalisierendes Wissen Bei dieser Wissensart geht es vorwiegend um das explizit-verfügbare Wissen. «Es wird begrifflich expliziert und beinhaltet theoretische, bewertende, normative Aussagen über die Handlungspraxis oder das Selbstbild und ist mit Intentionalität und Zweckrationalität verbunden» (Asbrand, 2011, S. 2 – 3). Folgendes Beispiel nennt Bonnet zum intentionalen Sinn (Intentionalität) einer Handlung: Wenn eine Lehrperson beispielsweise Schüler*innen vor die Tür stellt, nachdem diese eine /n ihrer Mitschüler*innen verbal attackiert haben, dann kann angenommen werden, dass die Handlung «vor die Tür stellen» eine Strafe darstellt, da es im Sportunterricht nicht üblich ist, einzelne Schüler*innen vor der Tür arbeiten zu lassen, was wiederum nicht auf

Methodik 163

alle Schulfächer zutreffen würde (Bonnet, 2009, S. 223). Der in diesem Beispiel abgeleitete Objektsinn wird mit der Handlung ausgedrückt «jemanden vor die Türe stellen». Konjunktives Wissen Wohingegen bei Mannheim das konjunktive Wissen ein implizites, nicht direkt verfügbares Wissen darstellt. Bei ihm ist das implizite Wissen handlungsleitend, um das Denken und das praktische Wissen zu ordnen und zu bestimmen. Gemäss Mannheim werde diese Art von Wissen in der Sozialisation auf der Grundlage von geteilten Erfahrungen erworben. Deshalb nennt Mannheim dies auch ein erfahrungsbasiertes und damit auch zugleich habitualisiertes Wissen (Mannheim, 1980). Asbrand (2011, S. 3) fasst die Ausführungen Bohnsacks (Bohnsack, 2003; Bohnsack, 2007) über den konjunktiven Erfahrungsraum deshalb wie folgt zusammen: Dieser gemeinsame Erfahrungsraum verbindet Individuen miteinander, ohne dass sie sich im alltäglichen Leben überhaupt kennen oder zusammenleben müssen. Dieser beschriebene gemeinsame Erfahrungsraum wird lediglich durch einen gemeinsamen Erfahrungshorizont seiner Mitglieder bestimmt. Die Mitglieder dieses Erfahrungsraums teilen aber dieselben Ansichten, Erfahrungen und Überzeugungen. Konjunktive Erfahrungen sind demnach Erfahrungen, welche die Mitglieder eines gemeinsamen Raums teilen. Asbrand (2011) nennt hier das Beispiel der Geschlechtszugehörigkeit der Männer und Frauen. Dabei haben Schüler denselben Erfahrungsraum, den sie mit anderen Männern teilen, Schülerinnen denselben, den sie mit anderen Frauen teilen.  «Darüber hinaus ist zu beachten, dass der / die Einzelne bzw. die gesamte Diskursgruppe in ihrer alltäglichen kommunikativen Praxis immer im Schnittpunkt unterschiedlicher Erfahrungsräume stehen» (Bohnsack, 2014, S. 130). Ein Fall – eine Person – kann demnach an unterschiedlichen Erfahrungsräumen partizipieren, ohne dass dies als Widerspruch gedeutet werden muss. Für die folgende empirische Untersuchung wird angenommen, dass sich die einzelnen Proband*innen innerhalb ihrer Kohorte in Bezug auf ihre Ausbildung in einem gemeinsamen konjunktiven Erfahrungsraum wie-

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derfinden oder dass durch die einzelnen Textvignetten gemeinsame Erfahrungsräume, ausgehend von unterschiedlichen Kohorten, produziert werden, worüber sich die Proband*innen unabhängig voneinander in die jeweilige szenische Darstellung des Unterrichts hineindenken und ihre Lösungsmuster zur Situation sinnieren.  Da in diesem Forschungsprojekt eine Vermischung von verschiedenen Wissensformen stattfindet, welche versucht werden, voneinander zu separieren, eignet sich auch hier die dokumentarische Auswertungsmethode sehr gut, um den Forschungsfragen bestmöglich Rechnung zu tragen und um möglichst kontrastierende Ergebnisse zu erhalten. Auch Paseka und Hinzke schreiben, dass den unterschiedlichen Arten von Wissen Rechnung getragen werden muss.  Ganz allgemein wird erwartet, dass in der vorliegenden Studie in Bezug auf unterschiedliche Probandengruppen unterschiedliche Wissensarten vorliegen, die es gilt, differenziert zu erfassen und miteinander zu vergleichen. 4.2.2.4 Die komparative Analyse in der Dokumentarischen Methode Die komparative Analyse stellt eines der Grundwerkzeuge der Dokumentarischen Methode dar. Arnd-Michael Nohl (2013) widmet deshalb ein ganzes Buchkapitel dieser methodischen Vorgehensweise. «Alle neueren Verfahren der rekonstruktiven Sozialforschung sind untrennbar an die Praxis des Vergleichens gebunden, denn die interpretative Fallre­ konstruktion vollzieht sich immer vor dem Hintergrund der Vergleichshorizonte, mit denen Forschende an einen Text herantreten» (Nohl, 2013, S. 271 – 272).  Unabhängig davon, welcher Analyseschritt der Dokumentarischen Methode ins Zentrum gesetzt wird, die komparative Analyse – das stetige Vergleichen von Textfragmenten und Auswertungsresultaten – stellt das Hauptinstrument dieser Auswertungsform dar. Dabei rät Nohl – wie auch Bohnsack – davon ab, das Gefundene im Textmaterial mit den eigenen Erfahrungen und beispielsweise eigenen früheren Forschungsergebnis-

Methodik 165

sen zu vergleichen, damit die Gefahr einer Nostrifizierung minimiert werden kann. Deshalb sollte nach Bohnsack, wenn immer möglich, eine Nostrifizierung vermieden werden. Mit Nostrifizierung wird ein Vorgehen beschrieben, bei dem das zu Erforschende und die Resultate daraus mit den eigenen persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlichen Tätigkeiten verglichen werden statt mit den Erkenntnissen und Resultaten des Datenmaterials, welche durchaus mit anderen Theorien und Studien in Vergleich gesetzt werden dürfen. Das Tertium Comparationis – «das den Vergleich strukturierende Dritte» (Bohnsack, 2014, S. 222) – stellt dabei ein zentrales Medium im Umgang mit dem komparativen Vergleich dar. Das Tertium Comparationis fasst zwei (oder mehrere) Kategorien oder Orientierungsmuster zusammen. Das Tertium Comparationis wird umso valider, je genauer es definiert und rekonstruiert werden kann, was wiederum einer Nostrifizierung entgegenwirkt. Bohnsack verweist hier auf Matthes (1992), der das Tertium Comparationis als Denkraum benennt. Doch auch dieser Denkraum könne nicht unendlich gross werden, weil es an die konkret untersuchten Fälle und «deren Aspekthaftigkeit gebunden» sei, weshalb Bohnsack auch von «konjunktiver Abstraktion» spricht (Nohl, 2013, S. 280). Nohl beschreibt infolgedessen auch, dass dem Tertium Comparationis in jedem einzelnen Analyseschritt von Beginn weg eine zentrale Bedeutung geschenkt werden muss. Ob dies nun während der komparativen Analyse im fortwährenden Prozess des fall­ internen oder des eigentlichen Fallvergleichs ist oder auch bei der Typenbildung am Ende der Dokumentarischen Methode, für Nohl nimmt dieses Vergleichswerkzeug einen wichtigen Stellenwert bei der Auswertung ein (Nohl, 2013, S. 279 – 291). Dabei darf bei Nohl aber auch nie die Perspektive des Forschers aus­ ser Acht gelassen werden, die massgeblich für die Auswahl, die Rekon­ struktion und letztlich für die Interpretation der Textteile verantwortlich und mitbestimmend ist. Bohnsack vermerkt dazu: «Empirische Methoden zu entwickeln, bedeutet also u. a., diesen Prozess des Fremdverstehens methodisch zu kontrollieren. Man spricht deshalb auch im Rahmen der interpretativen Methodologie von methodisch kontrolliertem Fremdverstehen» (Bohnsack, 2014, S. 21).

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Im Prozess der Dokumentarischen Methode beschreibt Nohl (Nohl, 2013, S. 274 – 279), dass es drei unterschiedliche Arten des Vergleichs von komparativen Fällen gibt. Erstens der fallimmanente Vergleichshorizont, zweitens die themenbezogene Suchebene und drittens die Suchebene des Orientierungsrahmens.  Die Suche nach dem fallimmanenten Vergleichshorizont wird beim ersten Schritt der Dokumentarischen Methode, der formulierenden Interpretation, herausgearbeitet. Dabei grenzen sich verschiedene Fälle von anderen Fällen ab. Ein Fall kann dabei eine Person sein, durch einen Fall können sich aber auch Personengruppen, also dementsprechend eine Kohorte (in der vorliegenden Untersuchung beispielsweise die Kohorte der Sek-I-Beginner oder Sek-II-Abschliessenden etc.) zusammenfügen, welche wiederum als Fall bezeichnet werden können. Diese Fälle weisen untereinander Gemeinsamkeiten auf, die es demgemäss zu finden und herauszuarbeiten gilt. Zentral ist das gemeinsame Thema, welches einzelne Fälle miteinander verbindet. Obschon in diesem Analyseschritt Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden müssen, ist es von grosser Relevanz, dass nicht nur fallimmanente Vergleiche, sondern fallübergreifende Vergleiche für die Konstruierung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden herangezogen werden. Ersteres darf zwar zur Sichtung des Materials und für die Kategorien als Orientierung herangezogen werden, soll dann aber nicht zur Findung von sichtbaren Kategorien und Überschriften benutzt werden. Bei der themenbezogenen Suchebene wird zielgerichtet nach einem Überthema gesucht, welches zwei oder mehreren Fällen gemein ist. Die Suchstrategie, um themenbezogene Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden, liegt in der Technik, dass fallübergreifend nach gemeinsamen Themen gesucht und gefunden wird. Ob nun das gefundene Thema letztlich für das Fungieren eines Typus (innerhalb der Typenbildung, vgl. Kap. 4.2.3.4) herangezogen wird, ist noch kein Garant. Der Schritt der themenbezogenen Sachebene lässt sich bei der formulierenden Interpretation finden, da es hier darum geht, fallübergreifende Oberthemen zu finden (Nohl, 2013, S. 274 – 275).

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In der reflektierenden Interpretation (vgl. Kap. 4.2.3.2) wird die Suche nach einem gemeinsamen Orientierungsrahmen ins Zentrum gesetzt. Hierbei beschreibt Nohl, dass dieser Schritt aus zwei Gründen zeitintensiv und komplex ist. Einerseits baut dieser Schritt auf der formulierenden Interpretation auf und andererseits ist das Suchen von einem gemeinsamen Orientierungsrahmen sowohl eine Voraussetzung als auch das Produkt der komparativen Analyse. Diese komplexe Vernetzung von Voraussetzung und methodischem Vorgehen kann je nach Datenmaterial sehr zeitaufwendig sein. Insgesamt hält Nohl den Umstand pointiert fest, dass bei der Herausarbeitung dieses Orientierungsrahmens wichtig ist, dass die gefundenen Orientierungsrahmen respektive «Orientierungsmuster» (vgl. Bohnsack, 2014; Bohnsack, 2017) des ersten Falles auch in den nächsten Fällen herausgearbeitet werden können. Wenn ein Thema sich nur in einem Fall herausarbeiten lässt, dann wäre der gefundene Orientierungsrahmen noch nicht valide. Letztlich lassen sich innerhalb eines Falles mehrere Orientierungsrahmen finden, was durchaus auch als reversibel zu betrachten ist, sodass ein gefundener Orientierungsrahmen keinen ganzen Fall abdeckt. Oder um es in den Worten Nohls zu schreiben: «Die Gemeinsamkeiten des Orientierungsrahmens, die sich in zwei Fällen etablieren lassen, beziehen sich also nie auf den ganzen Fall, sondern immer nur auf eine spezifische Erfahrungsdimension beziehungsweise auf einen spezifischen Erfahrungsraum» (Nohl, 2013, S. 276). Beim letzten Schritt der Dokumentarischen Methode, der Bildung von Typen (vgl. Kap. 4.2.3.4), werden demgemäss aus den komparativen Vergleichen der reflektierenden Interpretation Typen gebildet, welche sich durch einen übergreifenden Vergleich aus verschiedenen Erfahrungsräumen und Fällen zusammensetzen. Würde sich ein Typus nur auf einen bestimmten Erfahrungsraum beziehen, dann wäre dieser Typus nicht valide.  Dabei betont Nohl, dass erst durch eine Zunahme der Variationen einzelner Typen die Typologie dichter, valider und präziser wird. Es muss nicht der Theorie widersprechen, dass mit zunehmender Quantität die Qualität leidet, doch das Verfahren wird zeitaufwendiger, je mehr Typiken auf hohem Niveau herausgearbeitet werden. Wann die empirische Sättigung dabei erreicht ist, lässt sich nicht pauschal beschreiben, vielmehr geht es darum, dass sich an einem Punkt der Auswertung keine weiteren

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Typiken finden lassen, die durch die oben genannten Kriterien charakterisiert werden 24 (Nohl, 2013). … dass die Generierung einer Typik in valider Weise nur dann gelingt, wenn sie zugleich mit den anderen, auch möglichen – d. h. an der Totalität des Falles mit seinen unterschiedlichen Di­ mensionen oder Erfahrungsräumen gleichermassen ablesbaren – Typiken herausgearbeitet wird, so dass sich am jeweiligen Fall unterschiedliche Typiken überlagern. (Nohl, 2013, S. 292) 4.2.3  Die Analyseschritte der Dokumentarischen Methode In den bisherigen Kapiteln wurde erläutert, welche Merkmale und Bedingungen die Dokumentarische Methode auszeichnen und wie innerhalb dieser Methodologie mit dem Textmaterial umgegangen werden kann. In diesem Kapitel und den dazugehörigen Unterkapiteln werden die einzelnen Arbeitsschritte innerhalb der Dokumentarischen Methode beschrieben.  Gemäss Bonnet (2009, S. 223) gibt es zahlreiche unterschiedliche Vorgehensweisen innerhalb der Dokumentarischen Methode. Genau dies ist die Offenheit, die Bonnet anspricht, welche diese Methodologie besonders geeignet für die Unterrichtsforschung macht. Gerade der Unterricht, und vor allem der Sportunterricht, scheint von unterschiedlichen Begebenheiten beeinflusst zu werden. Der Autor verweist darauf, dass diese Methode einige Schnittstellen bietet, an denen mit anderen Auswertungsmethoden angeknüpft werden kann (vgl. Kap. 4.1.4 Fallar­ beit / Narrative Inquiry). Überblick der Arbeitsschritte der Dokumentarischen Methode Wo es im ersten Analyseschritt der formulierenden Interpretation (1.) darum geht, herauszufinden, was wirklich wörtlich und thematisch gesagt oder geschrieben wird, geht es im zweiten Schritt der reflektierenden Interpretation (2.) darum, einen Orientierungsrahmen ausfindig zu machen, wie sich die einzelnen Antworten systematisieren lassen und in welchen 24

Dies bestätigen auch Glaser & Strauss (1967, S. 61) auf Grundlage der Grounded Theory.

Methodik 169

Bezugsrahmen sie einzuordnen sind (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 43). Gleichzeitig ist bei der Analyse des Textmaterials nicht nur wichtig, was gesagt wird, sondern auch, wie etwas gesagt wird. Bohnsack beschreibt hier, dass Bezeichnungen einerseits eine öffentliche oder gesellschaftliche und andererseits eine nicht öffentliche oder milieuspezifische Bedeutung haben. Er beschreibt den Unterschied mit dem Wort der «Familie». Einerseits sei in der definierten Gesellschaft bekannt, was darunter im Allgemeinen zu verstehen ist und wie sie definiert wird. Demgegenüber sei es um einiges schwieriger, im individuell-fallspezifischen oder milieuspezifischen Umfeld herauszufinden, was unter diesem Wort verstanden wird, da einem Begriff auch immer eine subjektive Bedeutung beige­messen werden kann (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 42 – 43). Das heisst, dass man gemäss dieser sozialwissenschaftlichen Theorie davon ausgeht, dass die zu untersuchenden Proband*innen einerseits ein Theoriewissen haben, welches auch ihre Handlung leitet. Aber andererseits verfügen sie auch über implizites Wissen («tacit knowledge» nach Polanyi [1985]), welches zusätzlich die Handlung steuert, was aber von den Proband*innen nicht bewusst wahrgenommen wird. Auf die Unterrichtsmodellierung in der vorliegenden Untersuchung übertragen, beschreiben die Studierenden einerseits die «Critical-Incident-Fälle» aufgrund ihres in der Ausbildung erworbenen Wissens, werden aber durchaus von ihrem impliziten Wissen geleitet. Im dritten Schritt (3.), der sogenannten Diskursbeschreibung, geht es darum, dass die aus der reflektierenden Interpretation gefundenen Zusammenhänge anhand von Fokussierungsmetaphern beschrieben werden.  Der Abschluss der Arbeitsschritte bildet die sogenannte Typenbildung (4.), bei der es darum geht, durch kontrastierende Vergleiche aus dem zweiten und dritten Schritt mögliche Typen zu bilden. Resultierend daraus ergibt sich eine Typologie, in der die einzelnen Typen komparativ aufeinander bezogen werden können.  Abschliessend betrachtet geht es darum, dass der sozialwissenschaftliche Betrachter das implizite und atheoretische, dem Untersuchten nicht zugänglichen, aber dennoch bekannte Wissen versucht, begrifflich (ab-

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duktiv) zu fassen und begrifflich zur Explikation zu bringen (Bohnsack, Marotzki & Meuser, 2006, S. 41 – 42). Hier ist es demnach wichtig, dass der Interpretierende selbst Erfahrung im Unterrichten hat und auch weiss, dass es in verschiedenen Situationen zu Critical Incidents im Sportunterricht kommen kann.  In den folgenden Ausführungen werden die kurz angedeuteten Arbeitsschritte 1 – 4 voneinander abgegrenzt und genauestens erläutert (Bohnsack, 2007, S. 135 – 144). – Formulierende Interpretation – Reflektierende Interpretation – Diskursbeschreibung – Typenbildung 4.2.3.1  Die formulierende Interpretation Die vier aufeinander aufbauenden unterschiedlichen Auswertungsschritte sind auf dem Wege der Rekonstruktion forschungspraktisch erprobter Verfahrensweisen entstanden (Bohnsack, 2014, S. 136). Beim ersten Auswertungsschritt, der Dokumentarischen Methode, wird das Datenmaterial dahingehend untersucht, dass betrachtet wird, was explizit geschrieben wird. Der Interpretant versucht, die Inhalte des Geschriebenen zusammenfassend zu formulieren. Der Interpret bleibt hier im Bereich des immanenten Sinngehalts, des Orientierungsrahmens, respektive auf der Ebene des Inhalts. Er versucht lediglich, das Geschriebene zu erfassen, ohne dabei auf einen weiteren Sinn des Geschriebenen einzugehen, indem Oberbegriffe, Überschriften oder Themen herausgearbeitet werden (Bohnsack, 2014, S. 126). Gemäss dem Interpretations- und Verstehensdiskurs nach Mannheim (aufgenommen durch Bohnsack, 2007) versucht der Interpret, das Material begrifflich, expliziert und sprachlich zu erfassen (vgl. Bohnsack, 2007, S. 130). Bohnsack (2017, S. 79) hebt hierbei hervor, dass der propositionale Gehalt des Textes ins Zentrum gesetzt wird. Dabei wird der Inhalt weder auf der performativen Ebene 25 noch auf der Explikation dieser Ebene analysiert – wie es in der reflektie25

Vgl. beispielsweise: Austin, J. L. (1986). Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Bibliogr. ergänzte Aufl. Stuttgart.

Methodik 171

renden Interpretation geschieht. Bohnsack scheint der propositionalen Struktur einen zentralen Stellenwert in der formulierenden Interpretation zuzuschreiben, welcher zur Explikation gebracht wird.  «Die formulierende Interpretation beschränkt sich ausschliesslich auf das, was wörtlich oder referentiell in einem Text mitgeteilt wird beziehungsweise – im Fall der Bildinterpretation – auf den Abbildcharakter des Bildes» (Bohnsack, 2017, S. 79) . Bohnsack hält die Bedingung fest, dass hier gerade das Auslassen dieser Analyse des Performativen eine Voraussetzung dafür ist, die Auswertung der formulierenden Interpretation methodisch kontrollierbar durchzuführen. Er hält dabei fest, dass die Grenzen dieser beiden Analyseschritte aufrechterhalten werden müssen, damit in einem nächsten Schritt, in der reflektierenden Interpretation, die performative Struktur, das performative Wissen oder die Vermutung über performative Vorgänge miteinbezogen werden können (Bohnsack, 2017, S. 79). Die Stufe der formulierenden Interpretation ist indes wiederum in drei Schritte eingeteilt: a) Zu Beginn wird ein Überblick über das gesamte Datenmaterial geschaffen. b) In einem nächsten Schritt werden einerseits die relevanten – aber auch die auf den ersten Augenblick sekundär bedeutsamen – Passagen des Textmaterials ausgesucht, welche es später genauer zu analysieren gilt (Bohnsack, 2007, S. 135). c) Als dritter Schritt werden nun diejenigen Passagen, welche in ihrer Dichte in Bezug auf das Thema bedeutsam sind, herausgearbeitet. Dabei werden die einzelnen Sätze, Textabschnitte und Absätze nacheinander nach markanten Inhalts- und Themenwechseln durchsucht. Für ein gefundenes Oberthema (Orientierungsmuster) werden eigene thematische Zusammenfassungen angefertigt, die den Inhalt der zusammengefassten Textteile beschreiben und charakterisieren. Dieser Schritt der Formulierung und Zusammenfassung des Inhalts dieser thematisch ähnlichen Textteile dient dem Forscher dazu, das gesamte Textmaterial aus einer distanzierteren Perspektive zu betrachten (Nohl, 2017, S. 31). 4.2.3.2  Die reflektierende Interpretation Während bei der formulierenden Interpretation nach Oberbegriffen, Überthemen (Orientierungsmustern) und nach dem Was im Text gesucht

172 Methodik

wird, geht es in der reflektierenden Interpretation um die Rekonstruktion und Explikation des Rahmens des Themas (um das Wie des Textes), innerhalb dessen die zu interessierenden Inhalte untersucht werden. Es geht dabei um die Art und Weise, wie das Thema innerhalb der Orientierungsmuster (Nohl [2013] spricht von Orientierungsrahmen) behandelt wird (Bohnsack, 2014, S. 137). Dabei gilt es, ausgehend von den Oberbegriffen (herausgearbeitet in der formulierenden Interpretation), differenzierte Gegenhorizonte herauszuarbeiten, welche sich in verschiedenen Fällen auffinden lassen. Die reflektierende Interpretation zielt deshalb darauf ab, das Datenmaterial unter Bezugnahme von Gegenhorizonten aufzuarbeiten.  Die Gegenhorizonte gewinnen jedoch erst an Relevanz, wenn sie in Form von Beschreibungen und Zusammenhängen mit metaphorischer Dichte aufgezeigt werden können (Gegenhorizonte und deren Ausdifferenzierungen). Diese verschiedenen gefundenen Gegenhorizonte lassen sich in Bezug zueinander oder in Kontrast zueinander setzen. Passende Passagen werden den Beschreibungen des Orientierungsrahmens angefügt (Bohnsack, 2007; Bohnsack, 2014, S. 137; Nohl, 2013, S. 31). Gemäss Nohl werden hier die formalen Aspekte wie auch die Semantik des Textmaterials analysiert. «Die Semantik des Textes ist von seiner formalen Konstruktion nicht zu trennen, geht es hier doch darum, wie eine Praxis oder eine praktische Erfahrung geschildert wird» (Nohl, 2017, S. 31). Die Gemeinsamkeiten der Gegenhorizonte innerhalb eines Orientierungsmusters beziehen sich aber nie auf die Gesamtheit eines Falles, sondern lassen sich an unterschiedlichen Stellen des Datenmaterials bei anderen Fällen wiederfinden und beziehen sich nur auf einen spezifischen Erfahrungsraum (Nohl, 2013, S. 276). In der reflektierenden Interpretation korrespondieren gemäss Nohl die gewonnenen Orientierungsmuster eines Falles mit dem Dokumentsinn (Nohl, 2013, S. 275). Nohl weist hier auch auf den Umstand hin, dass das Textmaterial vorwiegend vor dem Hintergrund des Wissens der Interpreten und Interpretinnen reflektiert und interpretiert wird, was darauf hinweist, dass wissenschaftliche und alltägliche Theorien und somit auch das Erfahrungswissen der Forschenden in deren Reflexion Einzug finden. Erst durch die Hinzunahme von weiteren Fällen können die gefundenen Orientierungsmuster gefestigt werden (Nohl, 2013, S. 276). Falls die dargestellten Gegenhorizonte sich

Methodik 173

nur in einem einzigen Fall abbilden lassen, wäre der Gegenhorizont für die reflektierende Interpretation nicht genug valide und würde aus der Analyse wegfallen.  Bohnsack betont hier stark, dass sich der Interpret oder die Interpretin nicht nur auf den Fallvergleich, sondern auch auf den fallinternen Vergleich stützen soll, «vor allem auf den Vergleich thematisch unterschiedlicher Passagen derselben Diskussion» (Bohnsack, 2014, S. 139). So wird das Charakteristische eines Textes eines Individuums herausgearbeitet und dessen thematisch unterschiedliche Äusserungen auf unterschiedlichen Ebenen zusammengefasst. Die Dichte der Analyse, der Interpretation und des Gehalts nimmt deshalb von der formulierenden zur reflektierenden Interpretation massgeblich zu, so lange, bis ein dramaturgischer Höhepunkt für das Orientierungsmuster erreicht wird, dessen Überthema sich durch die einzelnen Passagen definieren und beschreiben lässt. Den dramaturgischen Höhepunkten kommt, wie gesagt, eine Schlüsselfunktion für die Analyse des Rahmens zu, da hier der Rahmen in seinen zentralen Komponenten besonders dicht zum Ausdruck gebracht wird. Wir tragen dem dadurch Rech­ nung, dass wir aus dem gesamten Diskursverlauf nicht nur und auch gar nicht in erster Linie die für uns thematisch relevante Passage zum Zwecke der Interpretation auswählen, sondern diejenige Passage, die unserem ersten – und anschließend zu überprüfenden – Eindruck nach hinsichtlich der interaktiven und metaphorischen Dichte den Höhepunkt bildet. (Bohnsack, 2014, S. 140) Die Passage, welche das Thema des Gegenhorizonts bestmöglich abbildet, wird Fokussierungsmetapher genannt. In dieser sogenannten Fokussierungsmetapher kommen das übergeordnete Orientierungsmuster und der Gegenhorizont verdichtet zum Ausdruck (Bohnsack, 2014, S. 140). Die Art und Weise, wie eine solche Fokussierungsmetapher gefunden wird, verläuft zirkelhaft. Dabei wird von der einen Passage zur anderen gegriffen, um so einen existenziellen sozialen Zusammenhang herzustellen, wodurch die soziale Praxis des Handelns – der Modus Operandi –

174 Methodik

bestmöglich aufgedeckt wird. Bohnsack verweist dabei aber darauf, dass der Interpret, der Forscher an dieser Stelle einen Schritt weg vom Datenmaterial nehmen soll. Demnach gelinge dieser Schritt der reflektierenden Interpretation besser, wenn damit versucht wird, das Vorwissen des Interpreten in kontrollierter Weise auszuklammern. Zugleich legt der Autor dar, dass eine vollständige Ausblendung des eigenen Erfahrungshintergrunds innerhalb dieses Schrittes wohl nicht möglich sei, weshalb im Gegenzug dazu auch gerade ein spezifisches Kontextwissen verlangt werde (Bohnsack, 2017, S. 80). 4.2.3.3  Die Diskursbeschreibung In diesem Schritt geht es um die Darstellung der zentralen Orientierungen, welche in der formulierenden und reflektierenden Interpretation herausgearbeitet wurden, aber auch um die Beschreibung der dramaturgischen Entwicklung der interpretierenden Passagen, wie es Bohnsack nennt (Bohnsack, 2007). Gemäss Bohnsack wird in der Fallbeschreibung – wie die Diskursbeschreibung auch genannt werden kann – die Gesamtheit des Falles zusammenfassend beschrieben und charakterisiert. Dabei nimmt dieser Schritt die Rolle der Zusammenfassung und Verdichtung der Ergebnisse aus der reflektierenden Interpretation ein (Bohnsack, 2007, S. 139). Bohnsack schreibt auch, dass in diesem Schritt Zitate ausgewählter Textpassagen miteinbezogen werden. So werden die prägnantesten Textpassagen zur vorherigen Phase und Sequenzen der reflektierenden Interpretation hinzugefügt. Bohnsack stellt dar, dass die Beschreibungen umso dichter werden, je mehr Beispiele und Textpassagen herangezogen werden können (Bohnsack, 2007, S. 140). «In der Fallbeschreibung wird die Gesamtgestalt des Falles zusammenfassend charakterisiert. Die Fallbeschreibung hat primär die Aufgabe der vermittelnden Darstellung, Zusammenfassung und Verdichtung der Ergebnisse im Zuge ihrer Veröffentlichung» (Bohnsack, 2014, S. 141). Es geht daher nicht nur um die Darstellung der zentralen Orientierungen, sondern auch um die Rahmenkomponenten der dramaturgischen Entwicklung der interpretierten Passage, wie Bohnsack beschreibt (Bohnsack, 2014, S. 141). Falls möglich soll das Spannungsverhältnis zwi-

Methodik 175

schen Forscher*innen und denjenigen, die beforscht werden, erkennbar und «pointiert herausgearbeitet werden» (Bohnsack, 2014, S. 143). 4.2.3.4  Die Typenbildung Im letzten Schritt der Dokumentarischen Methode – bei der Typenbildung – geht es darum, dass unterschiedliche Bezüge und Abhängigkeiten aus dem Material herausgearbeitet werden, aus denen ein oder mehrere Typen (Singular = Typus) generiert werden können. Bohnsack spricht hierbei zwei Dingen eine besondere Bedeutung zu, nämlich dass die Ausarbeitung zwischen einerseits «Orientierungen und dem Erlebnishintergrund oder existenziellen Hintergrund» geschehen soll und andererseits «in der Genese der Orientierungen zu suchen ist». Demnach sollen die dem Material zugrunde liegenden Unterschiede herausgearbeitet werden, welche sich dennoch in gewisser Weise in Bezug zuei­ nander setzen lassen (Bohnsack, 2014, S. 143). Bohnsacks Forderungen nach der Verbindung der gefundenen Orientierungsmuster und Gegenhorizonte (in der reflektierenden Interpretation) und der zugrunde liegenden Orientierungen dieser selbst setzt voraus, dass das Textmaterial in Bezug zum Erfahrungshintergrund gesetzt und differenziert betrachtet wird. Das Wissen des Erfahrungsraums oder Erlebnishintergrunds, wie es Bohnsack nennt, ist unabdingbar, um das Forschungsmaterial grundlegend zu verstehen. Um einen gemeinsamen Erfahrungsraum – den Erlebnishintergrund – zu schaffen, braucht es von Seiten der Forschenden eine genaue Analyse des Milieus, in dem die Proband*innen leben und agieren. Es geht hier einerseits um das kommunikativ-generalisierende Wissen, das nötig ist, um einen Sachverhalt im übergeordneten generalisierenden Sinne zu verstehen. Je nach Milieu wird dieser Sachverhalt minim differenziert. Hier gilt es andererseits deshalb auch, milieuspezifisches Wissen zu haben, um den konjunktiven – den gemeinsamen – Erfahrungsraum zu verstehen (Bohnsack, NentwigGesemann & Nohl, 2013; Bohnsack, 2014; Bohnsack, 2017). Bohnsack verlangt hier auch nach dem spezifisch begrifflich-theoretischen Wissen dieses Milieus. Erst durch dieses Konglomerat an Wissen, ausgehend vom Forscher, gelange man zur Typenbildung (Vorgang, um einen Typus oder mehrere

176 Methodik

Typiken zu generieren). Dieses fundierte Wissen lasse auch zu, das Untersuchungsmaterial aus verschiedenen Perspektiven, ergo aus unterschiedlichen Dimensionen zu betrachten. Welche Dimensionen betrachtet werden, sei von der Perspektive abhängig, die der Betrachter – der Forscher – einnehme. Hier ist es von Bedeutung, dass der Prozess der Analyse hinsichtlich der methodischen Kontrolle möglichst nachvollziehbar und überprüfbar sei. Je subjektiver die Sichtweisen auf das Datenmaterial und die Erfahrungsräume, desto detaillierter müsse auch letztlich die empirische Fundierung sein (Bohnsack, 2014, S. 144).  Wichtig erscheint hierbei auch die Bedingung, dass innerhalb eines Falles sich unterschiedliche Typiken überlagern sollen (Bohnsack, 2014, S. 144). Die milieutypischen Unterschiede werden gerade dort konstruiert, wo sie vor dem Hintergrund von Gemeinsamkeiten innerhalb eines Falles beobachtet werden können. So können die Unterschiede eben gerade im offensichtlich Gemeinsamen gefunden und als Kontraste herausgearbeitet werden (Bohnsack, 2014, S. 145). Es können aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen konstruiert werden, die sich wiederum als Gemeinsamkeiten bezogen auf eine andere Thematik ergeben (Bohnsack, 2014, S. 144 – 145). Dieser Vergleich scheint ein «fundamentales Prinzip der Generierung einzelner Typiken» zu sein und ist zugleich «die Klammer, die eine ganze Typologie zusammenhält» (Bohnsack, 2014, S. 145). Mithin müssen diese Typiken aber auch voneinander unterscheidbar sein. Je eindeutiger eine Typik (ein Typus) von einer anderen Typik (Typus) unterschieden werden kann, desto umfassender kann der Fall dargestellt werden. Typiken, welche sich klar voneinander unterscheiden, beziehen sich auch auf unterschiedliche Erfahrungsräume und zeigen somit auch die differenzierte Ausarbeitung des Falles (Bohnsack, 2014, S. 145). Was dieser sogenannte Fall ist, definiert Pieper (2014) wie folgt: Eine Situation hebt sich aus dem Fluss des alltäglichen Berufs­ handelns heraus, eine Differenz wird erfahren, eine Krise erlebt. Was zunächst mitunter noch diffus ist, kann im Rahmen der sys­ tematischen Fallanalyse klarer werden, die Klärung wiederum dem praktisch-professionellen Handeln zuträglich sein. (Pieper, 2014, S. 10)

Methodik 177

Entsprechend dieser Erklärung von Pieper – was der Fall ist – sind es in dieser vorliegenden Arbeit die fünfzehn (resp. sechzehn) Critical Inci­ dents, die jeweils einen solchen Fall beschreiben. Die in diesem Schritt ausgearbeiteten Typiken von Entscheidungsmustern sollen deshalb versuchen, die Eigenschaften der Antworten zu den fünfzehn (resp. sechzehn) verschiedenen Fällen umfassend darzustellen. Gemäss der Theorie der Typenbildung werden zu Beginn Gemeinsamkeiten innerhalb eines Orientierungsmusters und später auch über alle Orientierungsmuster und Gegenhorizonte hinweg herausgearbeitet. Letztlich werden in diesen herausgearbeiteten Antworten auch Differenzen gesucht, die es darzustellen gilt. Um dieses Verfahren noch näher an der Datengrundlage zu erklären, werden die ähnlichen Nennungen, welche in der formulierenden und reflektierenden Interpretation herausgearbeitet und in der Fallbeschreibung dargestellt wurden, miteinander verglichen. Im Vergleich wird auf immer neuen Ebenen Differenz erzeugt. Auch wenn am Ende der komparativen Analyse ein rekursives Netz von Typiken entstanden ist, lässt sich diese Typologie nicht in die Einheit eines empirisch generierten Begriffs überführen. Allerdings kann man, statt nach einer Einheit zu suchen, die Fälle und Typiken zueinander in Beziehung setzen. (Nohl, 2013, S. 292) Anhand des Netzes der Typologie lassen sich die verschiedenen generierten Typen in Bezug zueinander darstellen. Dabei konstatiert Nohl, dass es gerade in der Dokumentarischen Methode wichtig ist, dass nicht nur die Typiken zueinander in Beziehung gesetzt werden, sondern auch die einzelnen Fälle (Nohl, 2013, S. 292). So können die einzelnen Typiken auch anhand eines Falles aufgezeigt werden. Deshalb wird in dieser Arbeit versucht, die Handschrift / den Modus Ope­ randi anhand verschiedener Typen von Entscheidungsmustern darzustellen. Anders könnte man auch sagen, dass der Modus Operandi sich darin zeigt, dass sich die Lehrperson hauptsächlich davon leiten lässt, was in der Ausbildung gelehrt und gelernt wird (vgl. Reichertz, 2015). Um verschiedene Typen von Entscheidungsmustern ausfindig zu machen, stützt sich die vorliegende Arbeit auf den Modus Operandi / die Hand­

178 Methodik

schrift der Lehrpersonen, welche Informationen über die Entscheidungsmuster liefern können. Nach der Erklärung der Methode in diesem gegenwärtigen Kapitel wird in einem nächsten Kapitel auf die Erwartungen und die Herausforderungen des Projekts PCK 2.0 eingegangen. 4.3  Erwartungen und Herausforderungen des Projekts PCK 2.0 Erwartungen an das Forschungsprojekt Es wird erwartet, dass in der vorliegenden Studie in Bezug auf die Proband*innen und in Bezug auf unterschiedliche Ausbildungssysteme verschiedene Entscheidungs- und Antwortmuster vorliegen, die es differenziert zu erfassen und miteinander zu vergleichen gilt. Eine Herausforderung im Projekt wird es sein, den Dokumentsinn (den Modus Operandi) des Datenmaterials zu identifizieren und gleichzeitig eine objektivierbare Darstellung der Daten zu behalten. Was das Projekt aber zu leisten vermag, sind die Ausarbeitungen von verschiedenen Antwort- und Entscheidungsmustern. Das Entscheidungselement ist ebenfalls in der Praxis ein zentrales Element. Die Lehrpersonen sind – wie in der Vignettenbefragung so auch im realen Handeln – in der Sporthalle gezwungen, unter Zeitdruck konstruktive Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungsfindung in der Vignettenbefragung kommt deshalb dem Entscheiden in der realen Unterrichtssituation ziemlich nahe (vgl. Einleitung). Es geht deshalb im vorgelegten Forschungsvorhaben nicht primär da­ rum, den Unterricht auszuwerten, sondern vordergründig herauszufinden, wie Lehrpersonen in verschiedenen kritischen Situationen handeln würden und welche unterschiedlichen Entscheidungsmuster sich aufgrund der Antworten herauskristallisieren und wie sich diese charakterisieren und voneinander unterscheiden lassen. Kritische Überlegungen und Herausforderungen der Forschungsarbeit Kritisch zu diskutieren sind in diesem Forschungsvorhaben sicherlich die konfundierenden Effekte der persönlichen Disposition, Überzeugungen

Methodik 179

und der Haltung der angehenden und erfahrenen Sportlehrpersonen, wie dies auch der Autor Schwippert am Rande thematisiert (Schwippert, 2015, S. 10). Diese Effekte können auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden. Auch wenn die Vertreter der Dokumentarischen Methode den Wechsel der Analysemethoden stark betonen, so wird es eine Herausforderung sein, den ursprünglich immanenten Sinngehalt des Geschriebenen auch wirklich zu erfassen. Obwohl versucht wird, die impliziten Entscheidungsmuster der Proband*innen sichtbar zu machen, wird es erschwerend sein, ob diese impliziten Entscheidungsmuster auch deckungsgleich mit dem immanenten Sinngehalt des Senders sein werden (vgl. Kap. 4.2.2.3). Bei schriftlichen Befragungen kann dies ein Nachteil sein, im Gegensatz zu einem Stimulated-Recall-Interview, bei dem explizit nach dem immanenten Sinngehalt der Äusserung nachgefragt werden könnte. Ein weiterer kritisch zu diskutierender Punkt könnte sein, dass – wie auch bei der quantitativen Auswertung – die Daten lediglich interpretiert werden können. Ob die geschriebenen Daten auch wirklich so verstanden werden, wie es ursprünglich von den Proband*innen angedacht war, kann gemäss der Definition nach Bohnsack nicht abschliessend beantwortet werden. Interpretationen unterscheidet Mannheim (1980) vom Verstehenspro­ zess. Gemäss seiner Definition ist das Verstehen ein geistiges, vorreflexives Erfassen des Gebildes. Interpretationen dagegen seien eine sich niemals «erschöpfende theoretisch-reflexive Explikation des Verstandenen» (Bohnsack, 2007, S. 129). So gesehen beziehen sich die Interpretationen immer wieder zurück auf das Verstehen. Deshalb wird das Verstehen hierarchisch über die Interpretation gesetzt, da Verstehensprozesse komplexer als Interpretationen sind. Bohnsack verweist aber darauf, dass auch Verstehensleistungen erst empirisch-methodisch relevant werden, wenn sie begrifflich expliziert werden. So schreibt der Autor, dass diese Verstehensleistungen erst relevant in Form von Protokollen und Texten werden (Bohnsack, 2007). Wenn Texte vorliegen, könne man daraus auch den Erlebniszusammenhang erschliessen. Wenn beispielsweise Beobachtungen protokolliert

180 Methodik

werden, wird dadurch dieser Erlebniszusammenhang erschlossen. Im vorliegenden Forschungsprojekt werden die Texte von Proband*innen selber verfasst, aber auch daraus lässt sich der Erlebniszusammenhang erschliessen. «Verstehen heisst, eine ‹performative› Einstellung, d. h. die Einstellung eines Teilnehmers, einzunehmen – wenn auch nur ‹virtuell›, also in der Vorstellung, gedanken-experimentell oder imaginativ» (Bohnsack, 2007, S. 130). Bohnsack beschreibt, dass der Beobachter oder derjenige, der versuche, das Textmaterial zu verstehen, bei erfolgreichem Gelingen zum virtuellen Teilnehmer werde. Den Interpreten trifft hier in zweierlei Hinsicht eine schwierige Aufgabe. Einerseits muss sich bei der Dokumentarischen Methode der Interpret möglichst nahe an den Erlebnisprozess des Beforschten heranwagen, diesen aber zugleich aus einer objektiven Distanz beurteilen respektive interpretieren können. Dies gelingt am ehesten, wenn ich – in Form von Originaltexten – die Kommunikationsverläufe zwar in ihrer originären Form, aber losgelöst von den situativen Bezügen und dem Handlungsdruck, dem die Interaktionsteilnehmer und der Beobachter ausgesetzt sind, immer wieder zu vergegenwärtigen vermag, um (vor dem Gegenhorizont unterschiedlicher Vergleichsgruppen) unterschiedliche Lesarten an den Text he­ rantragen und in der Forschergruppe diskutieren zu können (Bohnsack, 2007, S. 131). Eine weitere Herausforderung dieses Projekts wird ebenfalls sein, die grosse Datenmenge in einer qualitativ guten Arbeitsweise zu bearbeiten. Ein damit verbundenes Problem wird sicherlich auch die Darstellung von wichtigem Textmaterial und dessen Ankerbeispielen sein. Für die Auswertung soll dabei weder ein bereits bestehendes theoretisches Modell zu Hilfe genommen werden noch wird versucht, mit der Auswertung eine bestehende Modellierung zu überprüfen. Die schriftlichen Antworten der Proband*innen sollen ins Zentrum der Analyse gestellt werden.

5. Resultate 5.1  Vorbereitung der Auswertung Wie bereits eingehend in Kap. 4.1.1 beschrieben, wurden die Proband*in­ nen (in Kap. 4.1.2 beschrieben) mit fünfzehn resp. sechzehn Textvignetten dazu angehalten, möglichst zahlreiche konkrete Lösungen auf die beschriebene Situation zu geben, wie sie nun in der genannten Situation als Sportlehrerin oder Sportlehrer weiter vorgehen würden. Jede Handlungsbeschreibung unterliegt bestimmten kommuni­ kativen Zwecken, steht in einem speziellen Kontext, den es zu präzisieren gilt, d. h. wir müssen festlegen, auf welchen Zweck und Kontext wir uns beziehen wollen. Da wir in erster Linie an der Möglichkeit des Vergleichs von verschiedenen Handlungs­ beschreibungen unter dem Gesichtspunkt ihrer «Normalität» interessiert sind und nicht an einer Bestimmung von Kommu­ nikationssituationen, in denen Handlungsbeschreibungen vor­ kommen (können), scheint es sinnvoll, den Zweck der Beschrei­ bung auf die Information, die ein Sprecher (S) einem Hörer (H) geben will, einzuschränken. (Harras, 2004, S. 18) Übertragen auf das Datenmaterial heisst das, dass zuerst analysiert werden muss, wie das Datenmaterial vorliegt und ob sich das Datenmaterial allenfalls in eine offensichtliche Struktur – in einerseits sogenannte Orientierungsmuster (formulierende Interpretation) (Bohnsack, 2012, 2014) – strukturieren lässt, damit das Untersuchungsmaterial genauer betrachtet und verglichen werden kann. Andererseits geht es im zweiten Schritt darum, innerhalb dieser Orientierungsmuster Gegenhorizonte herauszuarbeiten (reflektierende Interpretation). Das sind Themen, welche sich innerhalb eines Orientierungsmusters voneinander unterscheiden lassen. Es geht dabei darum, die Art und Weise der Antworten miteinander zu vergleichen. Wie Harras (Harras, 2004) schreibt, wird davon ausgegangen, dass jede Antwort aus einer Absicht entstanden ist, die es wertvoll macht, zu untersuchen und deren Ziel eine Interaktion ist, sei es eine Interaktion, die zu einer Lösung in der dargelegten kritischen Situation führt oder aber zu einer Interaktion mit dem Forschungsteam. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_5

182 Resultate

5.2

Die praktische Umsetzung der formulierenden Interpretation

Bei der Zielsetzung des PCK 2.0, bei der grundsätzlich die Frage aufgeworfen wird, welche Entscheidungsmuster sich bei Sportlehrpersonen in kritischen Situationen im Unterricht zeigen, muss inhaltlich näher an das Datenmaterial herangetreten werden, als dies beim PCK 1.0 gemacht werden konnte. Die Auswertungen des PCK 1.0 liefern Erkenntnisse da­ rüber, welche Antworten die Proband*innen zu den jeweils schriftlich präsentierten Textvignetten nannten, nicht aber zur Art und Weise der Antworten und deren genauen Ausdifferenzierungen und Unterscheidungen zueinander. Bei der Sichtung des gesamten Datenmaterials und der Auswertungen im PCK 1.0 wurde offensichtlich, dass zahlreiche schriftlich verfasste Antworten von Proband*innen nicht – oder nur bedingt, aufgrund des Designs und der Fragestellung dieses Projekts – in die Auswertung miteinbezogen wurden. Das Projekt PCK 2.0 hat deshalb zum Ziel, alle verfassten schriftlichen Antworten und Antwortteile aller Proband*innen in die Auswertung miteinzubeziehen und zu berücksichtigen. Bei einer genauen Sichtung des Datenmaterials konnten drei unterschiedliche Orientierungsmuster aufgedeckt werden, mit denen die Antwortmuster der Proband*innen strukturiert und systematisiert werden konnten (vgl. Abb. 12.). Die Orientierungsmuster der formulierenden Interpretation 1. Gedankliche Auseinandersetzungen 2. Verbale Massnahmen 3. Antizipierte Handlungen Abbildung 12: Die drei Orientierungsmuster in der formulierenden Textinterpretation.

Resultate 183

Im Folgenden werden exemplarisch anhand einer Antwort von Proband*in 174 die drei Orientierungsmuster aus Abbildung 12 beschrieben. Die Textvignette 20 bildet dabei die Ausgangslage dieser exemplarischen Analyse: Vignette 20: «Es steht eine Leistungsüberprüfung im Bereich Ausdauer an. Die Schüler*innen machen den 12­Minuten­Lauf auf der 400 m­Bahn des Sportplatzes. Unter den Schüler*innen ist ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie startet mit den anderen zur Leistungsüberprüfung, schafft aber nur eine Strecke, die mit der Note 1 bewertet wird. Einige Mitschülerinnen sind empört und stellen den Lehrer zur Rede: ‹Warum bekommt sie eine 1, obwohl sie, im Gegensatz zu anderen aus unserer Klasse, anwesend war und nach ihren Möglichkeiten gelaufen ist?› Was antworten Sie? Wie fahren Sie mit dem Unterricht fort?» (vgl. Instrument im Anhang A)

Antwort von Proband 174; Vignette 20 «Das ist eine blöde Frage, weil ich ganz bestimmt nie einer Schülerin die Note 1 erteilen würde, die ihren Möglichkeiten entsprechend alles gegeben hat. Würde die Schule, an der ich unterrichte, dies von mir verlangen, dann würde ich das Gespräch suchen, um dies um­ gehen zu können. Ein wichtiges Ziel ist meiner Meinung nach, durch den Sportunterricht die Lernenden zum Sporttreiben ausserhalb der Schule zu animieren. Dies passiert nicht, wenn eine übergewichtige Schülerin mit viel Einsatz die Note 1 bekommt. Das heisst also, wenn die Situation tatsächlich wie beschrieben ist: – Ich erkläre den Mitschülerinnen, dass dies nur die Note der Leistung, nicht aber die für den Einsatz ist. Die schlussendliche Note setzt sich aus mehreren Leistungsnoten und Einsatznoten zu­ sammen und die übergewichtige Mitschülerin hat eine ganz klar hohe Einsatznote, im Gegensatz zu den Schülerinnen, die sich von der Leistungsüberprüfung drücken. – Normale Fortsetzung des Unterrichts.»

Abbildung 13: Antwort von Proband*in 174 zur Vignette 20.

Wird das Textmaterial etwas genauer betrachtet, dann beginnt die Antwort von Proband*in 174 mit einer längeren Sequenz, in der Proband*in 174 ganz allgemein beschreibt, wie er / sie mit einer solchen Situation im Allgemeinen umgehen würde und wie er / sie versucht, darzulegen, dass er / sie es genauso handhaben würde wie an derjenigen Schule, an der

184 Resultate

Proband*in 174 unterrichtet (vgl. Abb. 13). Proband 174 versucht, die Antwort zu legitimieren, indem allgemeine Normen und Werte beschrieben werden, nach denen Proband*in 174 handeln würde. Eine konkrete Lösung hat Proband*in 174 bis zu diesem Abschnitt noch nicht formuliert. Dieser Abschnitt wird deshalb dem Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen» zugeordnet: «Das ist eine blöde Frage, weil ich ganz bestimmt nie einer Schülerin die Note 1 erteilen würde, die ihren Möglichkeiten entsprechend alles gegeben hat. Würde die Schule, an der ich unterrichte, dies von mir verlangen, dann würde ich das Ge­ spräch suchen, um dies umgehen zu können. Ein wichtiges Ziel ist meiner Meinung nach, durch den Sportunterricht die Ler­ nenden zum Sporttreiben ausserhalb der Schule zu animieren. Dies passiert nicht, wenn eine übergewichtige Schülerin mit viel Einsatz die Note 1 bekommt.» Dann folgt ein erster Abschnitt, in dem Proband*in 174 eine Lösungsmöglichkeit darlegt: «Ich erkläre den Mitschülerinnen, dass dies nur die Note der Leistung, nicht aber die für den Einsatz ist.» Der Ankerbegriff «erkläre» weist hier darauf hin, dass Proband*in 174 eine verbale Massnahme antizipiert. Auf dieses Antwortmuster folgt eine zweite konkrete Antwort: «Die schlussendliche Note setzt sich aus mehreren Leistungs­ noten und Einsatznoten zusammen und die übergewichtige Mitschülerin hat eine ganz klar hohe Einsatznote, im Gegensatz zu den Schülerinnen, die sich von der Leistungsüberprüfung drücken.» Dieses Antwortmuster zeigt die eigentliche Handlung auf, welche Proband*in 174 in dieser Situation antizipiert. Diese Antwort wird des-

Resultate 185

halb dem Orientierungsmuster «Antizipierte Handlungen» zugeordnet, wie auch die folgende Lösung: «Normale Fortsetzung des Unterrichts.» Bezogen auf das oben genannte Beispiel (vgl. Abb. 13 zur Textvignette 20) lässt sich erkennen, dass darin erst ziemlich spät eine eigentliche Handlung vorgeschlagen wird, wenn man bedenkt, dass in dieser Textvignette danach gefragt wurde: «Was antworten Sie? Wie fahren Sie mit dem Unterricht fort?» Bei der ersten Frage wird nach einer sprachlichen Antwort gefragt, wohingegen bei der zweiten Frage nach einer Handlung gefragt wird, wie Proband*in 174 im genannten Beispiel mit der Lektion fortfahren würde, was er / sie machen würde. Seine / ihre ersten Antworten beziehen sich weder auf die erste Frage noch auf die zweite Frage. Er / sie beginnt das in der Fallvignette Geschilderte mit der eigenen Erfahrung zu vergleichen, indem er / sie an seinen / ihren Unterricht denkt, wenn er / sie an der Stelle dieser Sportlehrperson gewesen wäre. Damit beginnt Proband*in 174, das Geschehene in der gelesenen Situation erst einmal zu reflektieren, und versucht, die Situation in sein / ihr bestehendes Wissen (in seinen / ihren Habitus 26) einzuordnen, und macht eine gedankliche Ausei­ nandersetzung zur beschriebenen Situation. Nach dieser gedanklichen Auseinandersetzung folgt ein Abschnitt, in dem Proband*in 174 in der Rolle der Sportlehrperson mit den Schüler*innen verbal in Kontakt tritt und somit «verbale Massnahmen» vorschlägt. Er / sie erklärt ihnen die Situation. Am Ende verweist Proband*in 174 darauf, dass er / sie nun die Lektion wie geplant «normal» fortsetzen würde. Was der / die Proband*in unter «normal» versteht, bleibt aber offen. Zusammengefasst kann man in dieser Antwort drei unterschiedliche Antwortmuster definieren: 1. «Gedankliche Auseinandersetzungen», 2. «Verbale Massnahmen», 3. «Antizipierte Handlungen». Beim dritten Punkt un-

26

In seinen / ihren Erfahrungshabitus.

186 Resultate

ter «Antizipierte Handlungen» werden alle jene Passagen miteinbezogen, welche keine Konkretisierung der eigentlichen Handlung beinhalten 27. Im weiteren Verlauf werden die Antworten von einzelnen Proband*innen durchgesehen und es wird versucht, zu analysieren, ob sich das dreiteilige Orientierungsmuster wirklich überall und bei allen Antworten bestimmen lässt, unabhängig von den Vignetten und auch unabhängig davon, aus welcher Probandengruppe die Antworten stammen. So kann das Datenmaterial dahingehend strukturiert und systematisiert werden, sodass es sich später besser vergleichen lässt, wie dies ebenfalls bei Rosenberger (2013) und Paseka und Hinzke (2014a, 2014b) in einer ähnlichen Weise zu finden ist. Orientierungsmanual für die Systematisierung der Textstellen Die Zuordnungen zu den Orientierungsmustern erfolgt einerseits aufgrund inhaltlicher Beschreibungen, andererseits aber auch aufgrund spezifischer Begriffe, welche aufgrund einer begrifflichen Definition zugeordnet werden. Im folgenden Abschnitt werden die Inhalte dieser drei Orientierungsmuster anhand eines Manuals erklärt. 1. Orientierungsmuster: «Gedankliche Auseinandersetzungen» Anhand der Darstellung in der nachfolgenden Tabelle (vgl. Tab. 6) wird ersichtlich, dass diesem Orientierungsmuster Aussagen zugeordnet werden, die eine Reflexion oder Begründung der eigenen Handlung als Lehrperson gegenüber dem Leser darlegen – es werden Gedanken dazu gemacht. Ebenfalls können es Antworten sein, in denen die Lehrperson versucht, das zukünftige Handeln zu antizipieren, obwohl sie im Moment des Geschehens in der Textvignette noch nicht genau weiss, ob ihre Antizipationen auch wirklich stattfinden werden.

27

Deshalb wurden solche Passagen auch nicht beim PCK 1.0 kodiert, was aber für die gegenwärtige Forschungsarbeit dennoch von Bedeutung sein könnte.

Resultate 187 Tabelle 6: Manual für das Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen». Gedankliche Auseinandersetzungen Erklärung des Orientierungsmusters Inhalt und Schlüsselbegriffe – Reflexion oder Begründung gegenüber der eigenen Handlung, der Handlung als Lehrpersonen allgemein oder gegenüber dem Leser. – Auch wenn die Lehrperson Lösungen versucht zu antizipieren, welche auf der Grundlage der vorherigen Lösung basieren, und sie dann diese erste Lösung mit der zweiten Lösung legitimiert (Wenndann-Beziehung). – Die Lehrperson macht einen Bezug zu ihrem eigenen Unterricht. – Reflexion der Entscheidung in der Situation, woraus eine andere Entscheidung resultiert. – Niveau der Schüler*innen wird ange­sprochen. Davon abhängig wird die Auswahl der Übungen auf der Grundlage der Niveaus der Schüler*innen reflektiert. – Auf den Anreizmechanismus zu sprechen kommen (Motivation der Lehrperson wie auch Motivation der Schüler*innen). – Lehrperson setzt ihre eigenen Absichten durch (z. B. Proband 317, Vignette 1). – Verweis auf weitere Lektionen, die in der Zukunft liegen, die aber nicht unmittelbar mit dem eigentlichen / momentanen (situationalen) Unterrichtsgeschehen in Verbindung stehen.

Begründungen / Erklärungen: – Allgemeine Statements – Ziele ansprechen – Die eigene Meinung kundtun («Ich finde es gut, dass …») – Das Thema Benotung wird erwähnt, falls es keine sprachliche Interaktion mit den Schüler*innen gibt – «…, sodass …» – «Weil …» – «So …» – «Sich vorstellen, dass …» – «… merken, dass …» – «… ich würde nicht …, weil …» (hier folgt eine Begründung; ohne Begründung ist es eine «antizipierte Handlung») Antizipationen: Wenn-dann-Beziehung – Klassenführung wird thematisiert – Antizipation, wenn aufgrund des eigenen Handelns eine andere Situation eintritt – «… dies könnte zur Folge haben, dass …» – «Wenns nicht klappt, dann …» – «Falls es nicht möglich ist …» – «… wenn das auch nicht funktioniert, müssten wir …» … etc.

Ankerbeispiele Proband*in 317, Vignette 1: «Klares Durchsetzen meines Vorhabens.» (Allgemeines State­ ment / Ziele ansprechen) Proband*in 351, Vignette 1: «Wenn man als LP predigt, man solle faire Teams machen, kann man anschliessend die Teambildung nicht dem Zufall überlassen.» (Wenn-dann-Beziehung) … etc.

188 Resultate

2. Orientierungsmuster: «Verbale Massnahmen» Das Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen» ist vom Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen» dahingehend abzugrenzen, dass diese Orientierung Lösungsvorschläge beinhaltet, die sich auf sprachliche Interaktionen mit den Schüler*innen bezieht. Wie in der Tabelle 7 ersichtlich, fallen darunter auch explizit geschriebene Hinweise in direkter Rede. Antworttexte zu diesem Orientierungsmuster lassen sich einerseits durch eine formale Vorgehensweise zuordnen, indem auf bestimmte Begriffe – welche sprachlich konnotiert sind –­­­­geachtet wird. Folgende zwei Beispiele sollen die Zuordnung zu diesem Orientierungsmuster verdeutlichen: Proband*in 352, Vignette 18: «Den SuS sagen, dass sie sich nicht so haben sollen und du erwartest, dass jetzt zusammen getanzt wird!» Hier lässt das Wort «sagen» vermuten, dass diese Antwort den verbalen Massnahmen zugeteilt werden kann. Proband*in 166, Vignette 16: «Das Spiel findet am Ende der Lektion statt, sofern ihr euch be­ müht beim Aufwärmen mit Hip-Hop.» Dass dieser Satz dem Orientierungsmuster der verbalen Massnahmen zugeteilt werden kann, wird aufgrund des zweiten Teils des Satzes ersichtlich. Hier scheint sich die Lehrperson in direkter Rede an ihre Schüler*innen zu wenden. Bei der formalen Analyse lässt sich zwar kein Wort erkennen, welches sprachlich konnotiert ist, jedoch lässt sich dieser Satz aufgrund einer inhaltlichen Analyse diesem Orientierungsmuster zuweisen.

Resultate 189 Tabelle 7: Manual für das Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen». Verbale Massnahmen Erklärung des Orientierungs­ musters

Inhalt und Schlüsselbegriffe

Ankerbeispiele

– Jegliche sprachliche Interak­tionen, sprachliche Mitteilungen an die SuS oder eine mündliche Aufforderung, dass sich die SuS in ihrem Verhalten oder Tun sprachlich artikulieren (oder erklären) müssen.

Direkte Rede: – Wo immer die direkte Rede («…») verwendet wird, werden die Textpassagen dem Orientierungsmuster der verbalen Massnah­ men zugeordnet. – Manchmal schreibt der /die Proband*in auch, dass eine Begrüssung stattfindet und diese vorgenommen wird. Dann wird diese «Begrüssung» auch zum sprachlichen Orientierungsmuster hinzugefügt.

Proband*in 171, Vignette 1: «Zuerst kurze Predigt, dass sie das lernen müssen. Sie hatten die Chance gehabt, Gruppen zu bilden, und waren noch nicht fähig, deshalb müsse nun die Lehrperson das übernehmen.» (Moralpredigt)

Die folgende Liste von Begriffen deutet auf eine verbale Antwort hin: – etwas anbieten, bestimmen, predigen (Moralpredigt), erklären, sagen, fragen, bemerken, auffordern, verwarnen, mitteilen, Zeit ansprechen, entgegnen, ansagen, den Schüler*innen ein Angebot machen, entschuldigen, ansagen, bekannt geben, besprechen, erläutern, auf etwas hindeuten … … etc.

Proband*in 216, Vignette 20: «Ich muss mich bestimmt nicht vor euch rechtfertigen. Es ist nun mal so. Allerdings überdenke ich diese Angelegenheit nochmals, ihr seid nicht im Unrecht.» (direkte Rede) … etc.

190 Resultate

3. Orientierungsmuster: «Antizipierte Handlungen» Beim letzten Orientierungsmuster werden alle Beschreibungen aufgenommen, welche bisher beim PCK 1.0 noch nicht kodiert worden waren, da der jeweilige Lösungsvorschlag wahrscheinlich zu wenig konkret war, aber trotzdem eine Lösungsmöglichkeit beinhaltet, die weder dem Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen» noch dem Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen» zugeteilt werden kann (vgl. Tab. 8). Tabelle 8: Manual für das Orientierungsmuster «Antizipierte Handlungen». Antizipierte Handlungen Erklärung des Orientierungs­ musters

Inhalt und Schlüsselbegriffe

– Alle Lösungen, welche nicht – Jegliche Lösungen, welche aber nicht eine Reflexion des ­innerhalb des PCK-Teilproeigenen Handelns sind, oder jekts 1 kodiert wurden, die eine Begründung. Vielfach weder als Reflexion noch sind es auch konkrete als sprachliche Lösung gelLösungsantworten mit einem ten. Beispiel, die aber noch nicht kodiert wurden. – Nur ganze Sätze werden … etc. kodiert (oder «Zwischen­ sätze»).

Ankerbeispiele Proband*in 267, Vignette 1: «Zudem würde ich nicht die ganze Klasse beauftragen, faire Gruppen zu bilden, sondern nur zwei ausgewählte SuS sollen zwei faire Gruppen bilden.» Proband*in 349, Vignette 20: «Dann könnte man mit der Schülerin einen Trainingsplan erstellen, nach dem sie trainieren könnte.» … etc.

5.3 Die praktische Umsetzung der reflektierenden Interpretation – Gegenhorizonte … wählen wir jene Passagen aus, die zum Gegenstand reflek­ tierender Interpretation werden sollen und orientieren uns dabei zum einen an der thematischen Relevanz dieser Passage für un­ sere Ausgangsfragestellung (z. B. «berufliche Zukunft») und zum anderen an der thematischen Vergleichbarkeit mit Passagen

Resultate 191

aus anderen Diskussionen, mit jenen, die in den Vergleich, in die «komparative Analyse» eingezogen werden, wie sie sowohl der reflektierenden Interpretation als auch der späteren Erstellung der Typologie zugrunde liegt. (Bohnsack, 2014, S. 137) Während bei der formulierenden Interpretation eine Beschränkung auf übergeordnete Orientierungsmuster im Blickpunkt der Analyse liegt, werden in der reflektierenden Interpretation die Antworten der Proband*innen miteinander verglichen, um die Antwortmuster in Verbindung und als Abgrenzung zu anderen Antwortmustern zu setzen. Dabei werden Gegenhorizonte ausgearbeitet, welche innerhalb eines Orientierungsmusters (formulierende Interpretation) konträre und ergänzende Antwortmuster aufdecken. Bei der reflektierenden Interpretation geht es zusammengefasst da­ rum, induktiv eine Struktur aus dem Text heraus zu erarbeiten. In einem nächsten Schritt werden deshalb alle Textpassagen der drei Orientierungsmuster einzeln betrachtet. Deshalb werden im Folgenden die Auswertungsschritte der reflektierenden Interpretation Schritt für Schritt aufgezeigt. Als Grundlage für die Textarbeit in der reflektierenden Interpretation dienen die Auswertungen auf der Ebene der formulierenden Interpretation nach Bohnsack (2014). Hier wurden die drei aus dem Textmaterial extrahierten Orientierungsmuster («Gedankliche Auseinandersetzungen», «Verbale Massnahmen», «Antizipierte Handlungen») erneut in den Vordergrund gesetzt. Dabei werden die einem Orientierungsmuster zugeordneten Sequenzen im gegenwärtigen Schritt weder in Abhängigkeit zu den Proband*innen noch in Bezug zu den verschiedenen Vignetten untersucht. Losgelöst davon kann damit der Schwerpunkt der Analyse auf die eigentliche inhaltliche Betrachtung gelegt werden. Alle zugeordneten Textstellen eines Orientierungsmusters werden mit dieser Vorgehensweise erneut und losgelöst von einzelnen Proband*innen betrachtet und analysiert. Dabei wird versucht, aus dem gegebenen Textmaterial heraus eine innere Logik zu entwickeln. So werden all jene Textstellen zusammengefasst, welche einen ähnlichen inhaltlichen und

192 Resultate

thematischen Gehalt verfolgen. So kann nach und nach eine Sortierung des Datenmaterials geschehen, welches im nächsten Kapitel auszugsweise dargelegt wird. 5.3.1  Gedankliche Auseinandersetzungen Beim zweiten Analyseschritt innerhalb der reflektierenden Interpretation wird das Datenmaterial in sechs unterschiedliche Gegenhorizonte eingeteilt. Dies sind Implizite Normen und Regeln, Begründung der Un­ terrichtsgestaltung, Unterrichtsplanung, Unterrichtsauswertung, Lehrper­ sonenhandeln und als sechster Gegenhorizont Schüler*innenhandeln. Im Folgenden werden diese sechs Gegenhorizonte beschrieben und mit Beispielen aus dem Datenmaterial verdeutlicht (vgl. Abb. 14).

Abbildung 14: Übersicht der Zuordnungen (Gegenhorizonte) zum Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen».

Implizite Normen und Regeln Dieser Gegenhorizont wird unterteilt in a) Normative Rollen und Aufgabenteilung und b) Implizite Normen und Regeln. Die Paraphrasierung «Normative Rollen und Aufgabenteilung» zeichnet sich dadurch aus, dass Proband*innen begründen, warum die Rollen und Arbeiten im Sportunterricht genauestens erfasst und aufgeteilt werden müssen.

Resultate 193

Normative Rollen und Aufgabenteilung Implizite Normen und Regeln

Abbildung 15: Ausdifferenzierung der impliziten Normen und Regeln.

Unter der Paraphrase «Implizite Normen» werden all jene Aussagen zusammengefasst, welche darauf hindeuten, dass auf eine implizite Norm – auf eine unausgesprochene und sozial anerkannte Regel – hingewiesen wird. Die Proband*innen suggerieren damit, dass etwas existiert, was sie nicht erklären müssen, weil es klar zu sein scheint, weil es in diesem sozialen Milieu (des Lehrer- und Sportlehrerberufs) so üblich ist. Anhand der folgenden Tabelle – mit ausgewählten Ankerbeispielen – sollen die Inhalte dieser Ausdifferenzierung verdeutlicht werden: Normative Rollen und Aufgaben Proband*in 340, Vignette 1

Es soll von Anfang an klar sein, was die SuS zu tun haben.

Proband*in 287, Vignette 9

Es muss für alle klar sein, dass hier miteinander gespielt wird.

Implizite Normen und Regeln Proband*in 176, Vignette 3

Allgemein finde ich es wichtig, dass die Aktivitäten ausgeglichen sind, also in der nächsten Stunde etwas Vernünftiges machen, z. B. spielen.

Proband*in 278, Vignette 5

Ich würde sie darauf sensibilisieren, dass der Schiedsrichter immer recht hat, obwohl dies manchmal schwer nachzuvollziehen ist. Jedoch gehört dies zum Sport dazu. Als Experiment kann das Spiel auch mal ohne Schiri gespielt werden, um so zu eruieren, welche Form das Spiel fördert und nicht hemmt. Braucht es einen Schiri, so werden immer andere Schüler für diese Aufgabe zugeteilt, damit alle diese Erfahrung gemacht haben.

Proband*in 257, Vignette 14 Wir sind hier in einer Sportstunde, d. h. die SuS sind hier, um etwas zu lernen. Solches Verhalten kann nicht toleriert werden, da die SuS offensichtlich die Autorität der LP untergräbt.

194 Resultate

Begründung der Unterrichtsgestaltung Aufgrund der Analyse und der vorliegenden Daten kann dieser Gegenhorizont nochmals ausdifferenziert werden: a) Fachliche Reflexionen, b) Normative Reflexionen (Lehrplan / Schulinterne Regeln), c) Fachdidaktische Reflexionen und d) Inhaltlich-organisatorische Refle­xionen. Grundsätzlich geht es im Gegenhorizont Begründung der U-Gestaltung darum, dass die Proband*innen Begründungen und Argumentationen nennen, um die in den Antworten dargelegten Lösungen zur U-Gestaltung zu begründen und zu reflektieren. Fachliche Reflexionen Normative Reflexionen (Lehrplan/ Schulinterne Regeln) Fachdidaktische Reflexionen Reflexion über Disziplin und Sanktionen

Abbildung 16: Ausdifferenzierungen der Begründungen über die Unterrichtsgestaltung.

a) Fachliche Reflexionen Bei diesen Antwortmustern bringen die Proband*innen fachliche Reflexionen in ihre Argumentationsschleifen ein. Sie reflektieren ihre Lösungsvorschläge dahingehend, dass sie versuchen, diese mit fachlichen Hintergrundinformationen zu erklären und zu konkretisieren. Die aufgeführten Ankerbeispiele verdeutlichen diese Ausdifferenzierung: Fachliche Reflexionen Proband*in 237, Vignette 11

Ich versuche ihnen die Wirkungen eines Sprungs vom Minitramp auf den Boden zu erklären, will aber nicht zu viel Zeit damit verschwenden.

Proband*in 358, Vignette 12

Damit die SuS für das anschliessende Geräteturnen sicher aufgewärmt sind.

Proband*in 362, Vignette 14

Eine Vielzahl von Stafettenformen sind im Wasser möglich, sodass nicht nur die Schnelligkeit, sondern auch das Geschick mit dem Element Wasser, in Bezug Ausdauer, intensiv geübt werden kann.

Resultate 195

b) Normative Reflexionen In der Ausdifferenzierung der Normativen Reflexionen werden alle Antworten zusammengefasst, welche sich auf normative Vorgaben beziehen: Normative Reflexionen Proband*in 296, Vignette 3

Denn Bodenturnen steht nunmal auf dem Programm, aber als Lehrperson kann ich die Unterrichtseinheit gestalten und wenn nötig anpassen.

Proband*in 270, Vignette 5

Da sie Tatsachenentscheide sind.

c) Fachdidaktische Reflexionen Die Ausdifferenzierung innerhalb der fachdidaktischen Reflexionen wird wie folgt vorgenommen: 1. Reflexionen zum LP-Verhalten, 2. Reflexionen zum Aufbau der Übung, 3. Reflexionen zum Schüler*innen-Verhalten, 4. Reflexionen zu Gruppeneinteilungen, 5. Reflexionen zur Aufgabenschwie­ rigkeit, 6. Reflexionen des Ziels, 7. Reflexionen des Inhalts, 8. Leistungsund Neigungsdifferenzierungen, 9. Reflexion bezüglich Motivation / An­ reiz, 10. Reflexionen zur Zeit, 11. Reflexionen zur Organisation des Inhalts (Ablauf / Anweisungen), 12. Reflexionen zur Organisation des Raums. Einige ausgewählte Ankerbeispiele der genannten Ausdifferenzierungen werden im Folgenden aufgelistet: 1. Reflexionen zum Lehrpersonen-Verhalten: Proband*in 157, Vignette 1

Ausgewogene Teams sollten von Anfang an vom Lehrer bestimmt werden.

Proband*in 326, Vignette 6

Ich zeige nie etwas vor, das ich selber nicht kann, ansonsten gute Schüler vorzeigen lassen. Was ich mache, kann ich auch.

2. Reflexionen zum Aufbau der Übung: Proband*in 180, Vignette 6

Damit sich die Schülerinnen der Endübung annähern können.

Proband*in 166, Vignette 12

Somit lernen die SuS eine Bewegungsvielfalt der vorgezeigten Übungen durch Nachahmen.

196 Resultate

3. Reflexionen zum Schüler*innen-Verhalten: Proband*in 204, Vignette 5

Jede S muss die gleichen Regeln im Kopf haben, sonst fühlt sich bald mal jemand unfair behandelt.

Proband*in 203, Vignette 16

Nur wenn die SuS einen grossen Bewegungsdrang verspüren und deshalb so unruhig sind; damit die SuS sich austoben können und danach etwas ruhiger sind.

4. Reflexionen zu Gruppeneinteilungen: Proband*in 227, Vignette 9

Evtl. sind die Teams ungleich verteilt, ist für den Moment jedoch nebensächlich, da alle ins Spiel integriert werden sollen.

Proband*in 186, Vignette 18

Dabei soll darauf geachtet werden, dass nicht getauscht wird, damit niemand blossgestellt wird.

5. Reflexionen zur Aufgabenschwierigkeit: Proband*in 192, Vignette 14

So gewinnt nicht unbedingt die Schnellste, sondern auch langsamere Schülerinnen haben die Chance auf den Preis.

Proband*in 278, Vignette 17

Die Aufgabenstellung ist zu offen und evtl. zu einfach.

6. Reflexionen des Ziels: Proband*in 174, Vignette 4

Das ist egal. Ziel / Lernziel der Lektion ist es, Pässe zu spielen und Passannahmen zu üben. Die Schüler sind konzentriert auf die Pässe und die Annahme, führen die Übung korrekt aus und sind meines Erachtens so fest in ihr Spiel vertieft, dass sie es vergessen, die Punkte zu zählen. Spielt ja auch keine Rolle, wer am Schluss gewonnen hat, wenn es den Schülern selbst nicht wichtig ist …

Proband*in 186, Vignette 16

Ziel ist es nicht, die Schritte zu können bei der schnellen Musik, sondern dass die SuS eingewärmt sind.

Resultate 197

7. Reflexionen des Inhalts: Proband*in 278, Vignette 9

Kreativere Lösungen bringen neue Inputs und eine neue Spielinterpre­tation. Dies wird dann experimenteller und spannender.

Proband*in 222, Vignette 14

Das Ausdauertraining kann auch auf eine andere Art geschehen, und zwar eher implizit, so dass die Schülerinnen gar nicht merken, dass sie die aerobe Ausdauer trainieren.

8. Leistungs- und Neigungsdifferenzierung: Proband*in 182, Vignette 1

Von Amateur zu Profi, einfach immer positiv formuliert, nicht dass die Amateure das Gefühl haben, sie seien Flaschen.

Proband*in 192, Vignette 3

Es ist einfach wichtig, dass der Unterricht auf beide Geschlechter anpasst wird, mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen etc.

9. Reflexionen bezüglich Motivation und Anreiz: Proband*in 178, Vignette 8

Da sie zu zweit sind, können sie sich gegenseitig motivieren. Je nachdem, wie die beiden Schüler darauf reagieren, sehen die weiteren Strategien aus.

Proband*in 278, Vignette 12

Es ist immer wichtig, dass die LP am Aufwärmen teilnimmt, um die Motivation und die Leistungsbereitschaft hoch zu halten.

10. Reflexionen zur Zeit: Proband*in 182, Vignette 13

Ich möchte ja schliesslich den motivierten Schülern die Bewegungszeit geben, die sie verdienen.

Proband*in 287, Vignette 16

Um glaubhaft zu bleiben, sollte wirklich Zeit für das Spiel eingeplant werden.

11. Reflexionen zur Organisation des Inhalts (Ablauf und Anweisungen): Proband*in 278, Vignette 11

Meiner Meinung nach sind zu viele Geräte zum Üben aufgebaut, sodass es kaum möglich ist, einen Überblick zu haben (nur 2 aufbauen, die anderen in einer anderen Lektion).

Proband*in 278, Vignette 15

Die Überlegungen sind nicht sehr präzise. Organisatorisch wird dies sehr schwierig, weil die Posten nicht mit der Anzahl der Schüler aufgehen.

198 Resultate

12. Reflexionen zur Organisation des Raums: Proband*in 270, Vignette 12

Da ich in die falsche Richtung laufe, habe ich die SuS gut im Blickfeld und kann sie auffordern, mehr zu machen, falls sie nicht richtig mitmachen.

Proband*in 192, Vignette 15

Der Vorteil, wenn die Wechsel organisiert sind, ist weiter, dass nicht plötzlich viel zu viele Schülerinnen sich an einem Posten befinden (das könnte zu Unruhen führen). Plus: Wir wollen die SuS ja vielseitig bewegen, koordinativ fördern etc. … Daher sollten auch alle Posten ausprobiert und geübt werden, ansonsten bleibt man nur an dem Posten, an dem man alles schon kann.

d) Reflexion über Disziplin und Sanktionen In dieser Ausdifferenzierung werden all jene Aussagen zusammengefasst, welche auf 1. Reflexionen zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit abzielen, aber auch Aussagen zu 2. Reflexion über Sanktionen beinhalten. 1. Reflexionen zu Disziplin, Ordnung und Sicherheit: Proband*in 345, Vignette 11

Trampolin weg und nur noch hervornehmen, wenn der Lehrer dabei sein kann, sonst zu gefährlich. Zu viele Geräte sind aufgestellt.

Proband*in 165, Vignette 11

Wichtig ist, die Regeln und Konsequenzen schon im Voraus abzumachen und diese in der ersten Phase der Aneinandergewöhnung klar durchzusetzen.

Proband*in 157, Vignette 12

Hauptaufgabe der Lehrperson im Sportunterricht ist es, Disziplin und Ruhe in der Halle zu bewahren.

Proband*in 344, Vignette 17

Sie müssen näher geführt werden.

2. Reflexionen über Sanktionen: Proband*in 237, Vignette 13

Vielleicht bringt das eine Diskussion über anderes Fehlverhalten oder Disziplinprobleme der Klasse an den Tag und ermöglicht, fächerübergreifend zu intervenieren.

Proband*in 344, Vignette 11

Die Bestrafung sollte so gewählt werden, dass sie zugunsten der intensiv trainierten Mädchen ausfällt.

Proband*in 182, Vignette 3

Da die Äusserung sexistisch ist, würde ich die Jungs zuerst einmal klar massregeln und sie verwarnen.

Proband*in 192, Vignette 1

Dies könnte zur Folge haben, dass sie in Zukunft nicht mehr zu schummeln versuchen.

Resultate 199

Unterrichtsplanung Die Paraphrasierung U-Planung fasst Antwortmuster zusammen, welche die Planung der jeweiligen Sportlektion in den Fokus stellen. Hier geht es zudem darum, dass Wenn-dann-Beziehungen beschrieben werden. Das heisst, die Proband*innen verfassen ihre Antworten, indem sie sich explizit auf gewisse Umstände oder Abläufe beziehen. Nur wenn gewisse Abläufe oder Umstände vorhanden sind, erst dann wird eine entsprechende Lösung in Betracht gezogen. Dieser Gegenhorizont lässt sich deshalb unter dem Thema Entscheidungsketten ausdifferenzieren. Diese Paraphrasierung der Entscheidungsketten lässt sich in sieben weitere Themen unterteilen: 1. Lernzielabhängigkeit, 2. RahmenbedingungenAbhängigkeit, 3. Erfolgs-Misserfolgs-Abhängigkeit, 4. LP-Abhängigkeit, 5. Kontext-Abhängigkeit, 6. SuS-Abhängigkeit, 7. Zeitliche Abhängig­ keit (vgl. Abb. 17).

Lernziel Abhängigkeit Rahmenbedingungen Abhängigkeit Erfolgs-Misserfolgs-Abhängigkeit LP Abhängigkeit

Entscheidungsketten

Inhaltlicher Kontext Abhängigkeit SuS Abhängigkeit Zeitliche Abhängigkeit

Abbildung 17: Ausdifferenzierungen der Unterrichtsplanung.

Im Folgenden sollen diese sieben erwähnten Ausdifferenzierungen anhand von einigen Ankerbeispielen beschrieben werden.

200 Resultate

1. Lernzielabhängigkeit Hier werden Antworten dargestellt, welche einen Bezug zum Lernziel herstellen. Proband*in 354, Vignette 1

Wenn die Lehrperson das Ziel hat, gleich starke Teams zu bilden, dann soll sie das selbst tun (nicht durch Abzählen, sondern durch Bestimmen). Wenn die Lehrperson das Ziel hat, dass die SuS selbst lernen, gleich starke Teams zu bilden und sie das nicht können, dann soll er sie den Fehler machen lassen, damit die SuS an ihrem eigenen Spiel sehen, dass sie die Gruppen nicht gut gemacht haben.

Proband*in 287, Vignette 6

Sollte das nicht helfen, würde ich das Stundenziel ändern.

Proband*in 301, Vignette 15

Wäre das Ziel, dass alle alle Posten machen, dann würde ich einen geeigneten Ablauf planen und vorschreiben.

2. Rahmenbedingungen-Abhängigkeit Hier geht es darum, dass die Proband*innen beschreiben, dass die Antwort abhängig ist von den allgemeinen Rahmenbedingungen der Sportlektion. Unter Rahmenbedingungen kann das Vorhandensein von bestimmtem Material, vom Raum oder von weiteren Bedingungen, die aus dem Unterricht hervorgehen, zusammengefasst werden. Proband*in 154, Vignette 15

Falls genügend Material vorhanden ist, muss jeder 3 von 4 Posten machen, es darf frei gewechselt werden.

Proband*in 279, Vignette 15

Je nach Anzahl der Materialien.

Proband*in 178, Vignette 17

Falls keine Kärtchen vorhanden sind: Jede Schülerin muss in den nächsten 10 Minuten eine Choreografie mit mind. 3 Hüpfformen einstudiert haben.

3. Erfolgs-Misserfolgs-Abhängigkeit In dieser Ausdifferenzierung zeigen die Proband*innen, dass auch sie den Ausgang der Lektion nicht vollumfänglich einschätzen können. Deshalb beschreiben sie auch hier, falls es funktioniert resp. falls es nicht funktioniert. Die ausgewählten Ankerbeispiele sollen den Inhalt dieser Ausdifferenzierung verdeutlichen. Proband*in 240, Vignette 4

Solange intensiv geübt wurde, ist mir das egal.

Proband*in 278, Vignette 12

Gelingt dies, kann die LP weiter aufstellen. Falls nicht und es ist nötig, die Präsenz zu zeigen, wird erst nachher zusammen fertig aufgestellt.

Resultate 201 Proband*in 358, Vignette 16

Funktioniert es wirklich nicht, würde ich den Hip-Hop sein lassen und ein anderes Aufwärmen machen. Für die nächste Hip-Hop-Einheit würde ich mir dann ein anderes Konzept überlegen.

4. Lehrpersonen-Abhängigkeit Die nächsten Entscheidungen hängen von der unterrichtenden Lehrperson selber ab, ob und wie die Antworten auf die Textvignetten ausfallen. Proband*in 330, Vignette 6

Wenn ich thematisch zu wenig sicher bin, die Übung weglassen und die Schülerinnen an anderen Elementen üben lassen.

Proband*in 251, Vignette 6

Wenn LP selber unfit oder gesundheitliche Probleme hat, dann SuS vorzeigen lassen.

Proband*in 213, Vignette 16

Kommt ein wenig auf das Verhältnis zwischen LP und Schüler an. Je nachdem kann man einen Spruch anbringen oder auf sachlicher Ebene bleiben. Ich denke, dass der Reiz des Spiels beibehalten werden soll und daher dem Schüler versichert wird, dass am Schluss gespielt wird (muss aber unbedingt eingehalten werden).

5. Inhaltliche Kontext-Abhängigkeit Die folgenden Antworten bringen zum Ausdruck, dass Lösungsmöglichkeiten nur in Abhängigkeit eines spezifischen inhaltlichen Kontextes in Betracht gezogen werden. Proband*in 207, Vignette 4

Falls aus irgendeinem Grund die Punktzahl für den weiteren Verlauf der Stunde wichtig ist, dann sollen die Schüler nochmals eine kurze Partie spielen und diesmal wirklich zählen.

Proband*in 237, Vignette 16

Ist meine Aufgabenstellung zu schwierig und die Musik zu schnell (falls möglich, nehme ich eine langsamere Musik), breche ich, nachdem der Zweck des Warm-ups erfüllt ist, ab.

Proband*in 192, Vignette 16

Wenn die LP merkt, dass der Rhythmus zu schnell gewählt wurde, dann muss er / sie reagieren und die Musik anpassen (Wählen eines langsameren Tracks oder ohne Musik, nur mit Zählen, oder Schüler, die nicht mitturnen können, benutzen das Tambourin, um den Takt zu schlagen …). Es scheint, dass die SuS anfangs vom Tanzen angetan waren, vielleicht müsste die LP reagieren und vom etwas langweiligeren Frontalunterricht auf Partnerarbeit switchen?! In diesem Falle dient Hip-Hop dem Aufwärmen des Körpers, da gebe es viele andere Möglichkeiten, wie die SuS heiss bekommen könnten (mit den bereits erlernten Schritten …)

202 Resultate

6. Schüler*innen-Abhängigkeit Nachstehende Lösungsmöglichkeiten werden aufgrund von verschiedenen Schüler*innen-Verhalten in Erwägung gezogen. Proband*in 350, Vignette 15

Je nach Klasse bräuchte es mehr Führung.

Proband*in 176, Vignette 15

Ich finde, das kommt sehr auf die Disziplin und Arbeits­ weise der Schülerinnen an. Optimalerweise würde ich sagen, sie sollen jeden Posten mindestens einmal ausprobiert haben (mind. 5 Minuten), dürfen aber bei einem Posten längere Zeit verbringen.

Proband*in 203, Vignette 16

Je nach Klasse und Störungssituation kann diese Situation als kleines Druckmittel verwendet werden, damit die SuS sich wieder anstrengen. Strengen sie sich zwar wieder an, kommen aber weiter nicht vorwärts, könnte man die Lektion so anpassen, […].

7. Zeitliche Abhängigkeit Die nachstehenden Proband*innen geben Antwortmuster an, welche in Beziehung zu einer zeitlichen Abhängigkeit stehen. Proband*in 237, Vignette 12

Hätte ich etwas mehr Zeit zur Verfügung.

Proband*in 199, Vignette 12

Falls genug Zeit ist, würde ich den Schülerinnen einige Tipps geben und nochmals ein, zwei Musikstücke laufen lassen.

Proband*in 148, Vignette 15

Wenn genügend Zeit bleibt, können einzelne SuS am Schluss zeigen, was sie gelernt haben.

Unterrichtsauswertung Der Gegenhorizont der Unterrichtsauswertung fasst jene Antwortmuster zusammen, welche auf eine Auswertung der Sportlektion abzielen. Die unterschiedlichen Antworten werden auch hier systematisch in drei weitere Ausdifferenzierungen eingeteilt: a) Kontrolle der Übung, b) Alternati­ ve Beurteilung, c) Beurteilung strikt via Leistungstabelle. Kontrolle der Übung Alternative Beurteilung Beurteilung strikt via Leistungstabelle

Abbildung 18: Ausdifferenzierungen der Unterrichtsauswertung.

Resultate 203

Im Folgenden werden erneut einige ausgewählte passende Ankerbeispiele für die jeweilige Ausdifferenzierung präsentiert. a) Kontrolle der Übung In dieser Ausdifferenzierung werden all jene Antworten zusammengefasst, die darauf abzielen, dass eine Leistung der Schüler*innen überprüft wird. Proband*in 239, Vignette 14

Kontrollieren würde ich die Hausaufgabe, indem die Schülerinnen mir die geschwommene Distanz mitteilen müssten, die ich mir notiere und mit der Prüfungsdistanz vergleichen kann.

Proband*in 205, Vignette 12

So hat man auch gerade die Ergebnissicherung.

Proband*in 326, Vignette 20

Leistungsprüfungen müssen nachgeholt werden.

b) Alternative Beurteilung Den folgenden Lösungsvarianten ist gemeinsam, dass hier die Proband*in­ nen auf eine alternative Beurteilung Wert legen, die sich keinesfalls an einer vorgegebenen Leistungstabelle orientiert. Proband*in 360, Vignette 3

Ich passe meine Geräteturnlektionen immer den verschiedenen Niveaus an. Passe auch dementsprechend die Leistungsüberprüfungen an, lasse sie ein Niveau wählen.

Proband*in 239, Vignette 20

Ich würde generell beim 12-Minuten-Lauf nicht nur eine Leistungsnote nach einer festgelegten Leistungstabelle geben, sondern auch eine Note, die eine persönliche Leistungssteigerung widerspiegelt. Insofern könnte die zweite Note, die Leistungssteigerung der Schülerin, die schwache Leistungsnote kompensieren.

Proband*in 356, Vignette 20

Ich würde ein solches Mädchen gar nicht so bewerten. Es gibt andere Möglichkeiten, eine Schülerin mit Übergewicht zu bewerten. Wie die anderen Schüler sagen, hat sie schliesslich alles getan, das für sie möglich war, was auch bewertet werden muss. Ihre Motivation war vorhanden und ihr Einsatz ebenfalls, was gerade bei stark übergewichtigen Schülern nicht selbstverständlich ist.

c) Beurteilung strikt via Leistungstabelle Im Gegensatz zu denen bei b) genannten Antworten schlagen hier die Proband*innen Lösungsvarianten vor, die sich strikt nach einer vorgegebenen Leistungstabelle richten. Eine Eigenheit dieser Antworten, die in

204 Resultate

dieser Ausdifferenzierung gefasst werden, ist, dass sich alle Zuordnungen für diese Ausdifferenzierung aus den Texten der Vignette 20 ergeben. Der Inhalt der Vignette 20 provoziert Antworten zur Leistungsbeurteilung, wie es bei keiner anderen Vignette zu erkennen ist. Proband*in 267, Vignette 20

Die Notenvergabe ist nach Lernzielen gerichtet und dementsprechend fällt diese Note so aus. Ich würde mich auf weitere Diskussionen nicht einlassen, da es Sache der Lehrperson ist und nicht deren der SuS, und mit dem Unterricht normal weiterfahren.

Proband*in 272, Vignette 20

Da es sich um eine Leistungsnote handelt, muss ich in diesem Fall alle gleich behandeln.

Proband*in 197, Vignette 20

In diesem normierten Test gilt für einmal für alle SuS dieselbe Leistungsskala.

Handeln der Lehrpersonen In diesem Gegenhorizont wird das Handeln der Lehrperson in den Fokus gestellt. Dabei werden die Antworten ebenfalls in drei Themen ausdifferenziert. a) Bezug zu eigenem Unterricht / eigene Meinung, b) Lehrperson soll motivieren, c) Fehler der Lehrperson thematisieren.

Bezug zu eigenem Unterricht/eigene Meinung LP soll motivieren Fehler der LP thematisieren

Abbildung 19: Ausdifferenzierungen des Handelns der Lehrpersonen.

a) Bezug zum eigenen Unterricht / zur eigenen Meinung In dieser Ausdifferenzierung nehmen die Proband*innen ganz bewusst Bezug zum eigenen Unterricht, indem sie persönliche Erfahrungen preisgeben. Es können aber auch persönliche Meinungen sein, welche die Proband*innen darlegen, indem sie die «Ich-Form» verwenden und ihre persönliche Empfindung zum genannten Fall erläutern. Die folgenden ausgewählten Ankerbeispiele sollen dieses Antwortmuster verdeutlichen. Proband*in 346, Vignette 1

Die Jasskarten hervornehmen, die ich immer in meiner Hosentasche habe. ;-)

Resultate 205 Proband*in 174, Vignette 13

An meiner Schule gibt es ein System: Die Schüler bekommen für Fehlverhalten Einträge, welche sie von den Eltern unterschreiben lassen müssen und die einen Einfluss aufs Zeugnis haben. – Ohne Eintrag-System: Die Verspäteten müssen am Schluss der Stunde aufräumen, Warnung, dass es das nächste Mal Konsequenzen hat und Strafaufgaben ausgeführt werden müssen.

Proband*in 180, Vignette 14

Ich bin eine LP, welche sich ohne Probleme anpassen und Kompromisse eingehen kann. Mitbestimmung von den SuS finde ich sehr wichtig.

Proband*in 279, Vignette 20

Ich hätte wohl von Anfang an ein anderes Benotungssystem gewählt, da diese Situation voraussehbar ist!

b) Lehrperson soll motivieren In den nachstehenden Ankerbeispielen lässt sich erkennen, dass die Lehrperson anhand der unterschiedlichen Antwortmuster versucht, die Schüler*innen zu motivieren: Proband*in 365, Vignette 3

Die Jungs etwas anderes machen lassen, das sie sehr stark fordert, zum Beispiel Burpees, die Kraft UND Kondition fordern.

Proband*in 304, Vignette 9

Ich motiviere die Jungs noch mehr. Ich lasse den sozialen Gedanken noch einfliessen.

Proband*in 260, Vignette 14

Dann würde ich die Schülerinnen mithilfe der ganzen Klasse dazu motivieren, das 15-Minuten-Ausdauerschwimmen zu machen, da sie nicht ihre Mitschüler im Stich lassen können. Falls es ein zweites Becken hat, können die Schülerinnen auch getrennt von den Schülern das Ausdauerschwimmen machen, sofern beide Becken in meinem Blickfeld sind.

Proband*in 174, Vignette 17

Schülerinnen das Gefühl geben, dass sie nicht einfach alleine gelassen werden bzw. Aufgaben stellen, welche die Autonomie, Verbundenheit resp. Kompetenz fördern ––> grössere intrinsische Motivation, grössere Beteiligung.

c) Fehler der Lehrperson thematisieren Die folgende Ausdifferenzierung fasst Antworten zusammen, in denen die Proband*innen auf die Fehler seitens der Lehrpersonen verweisen: Proband*in 213, Vignette 6

Eingestehen, dass die Übung vielleicht nicht so gut ist.

Proband*in 217, Vignette 6

Andererseits darf man als Lehrer auch Fehler eingestehen und eine andere Übung wählen.

206 Resultate Proband*in 224, Vignette 6

Da der Fehler bei mir lag und ich die Übung falsch vorgezeigt habe und die Landung zu wenig mit Matten gepolstert habe.

Proband*in 157, Vignette 16

Der Lehrer hätte die Schüler*innen nicht über den Ablauf informieren sollen, sondern ihn einfach durchmachen. Hier sollte der Schüler motiviert werden, sich für diese Übung anzustrengen, um später noch Zeit zum Spielen zu haben.

Schüler*innenhandeln Der Gegenhorizont der SuS-Handlung fasst Antwortmuster zusammen, in denen die Proband*innen eben gerade auf die eigentliche Schüler*innenhandlung eingehen. Sie wird ebenfalls in zwei Themen eingeteilt: a) Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen, b) Verantwortung den SuS abgeben.

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen Verantwortung den SuS abgeben

Abbildung 20: Ausdifferenzierungen des Schüler*innenhandelns.

a) Antizipieren und Einfühlen, was Schüler*innen wollen, denken, fühlen In dieser Ausdifferenzierung antizipieren die Proband*innen, was die Schüler*innen in der jeweilgen kritischen Situation wollen, denken oder fühlen, oder nehmen Bezug zum allgemeinen Verhalten der jeweiligen Schüler*innen. Proband*in 174, Vignette 6

Schülerinnen scheinen durch die misslungene Vorstellung des Lehrers Angst zu haben, was man verstehen kann. – Übung entschärfen, Angst der Schülerinnen ernst nehmen.

Proband*in 173, Vignette 17

Anscheinend haben die Schülerinnen zu wenig eigene Ideen. Also braucht es Input von mir als Lehrperson.

Proband*in 153, Vignette 18

Offenbar sind da grosse Hemmungen vorhanden, sodass man davon ausgehen muss, dass die SuS nicht gut an die Situation Paartanz herangeführt wurden.

Resultate 207

b) Verantwortung den Schüler*innen abgeben In dieser Ausdifferenzierung wird beschrieben, dass die Proband*innen sich nicht nur als Lehrpersonen mit der alleinigen Verantwortung sehen, sondern dass auch die Schüler*innen Verantwortung für ihr Handeln tragen müssen. Deshalb geben die Lehrpersonen in diesen Situationen die Verantwortung den Schüler*innen ab. Folgende ausgewählte Ankerbeispiele beschreiben dies: Proband*in 216, Vignette 1

Ich finde es grundsätzlich gut, Schüler selbstständig gleich starke Gruppen bilden zu lassen, was allerdings zeitaufwendig ist. Aber sie sehen die Schwierigkeit dabei!

Proband*in 213, Vignette 12

Verantwortung übergeben, sodass eine Schülerin die Aufgabe erhält, die anderen aufzuwärmen.

Proband*in 232, Vignette 16

Schüler haben es also selber in der Hand, wie lange der Spielteil am Schluss dauern kann.

5.3.2  Verbale Massnahmen Das Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen» unterteilt sich in drei unterschiedliche Gegenhorizonte. Einerseits den Gegenhorizont der Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktion (LP-SuS-Interaktion), bei welcher die Lehrperson mit den Schüler*innen in eine verbale Interaktion treten möchte. Daneben werden zwei weitere Gegenhorizonte unterschieden. Einerseits sind das die (impliziten) Normen und Annahmen. Hier geht es darum, dass sich die Lehrperson in verbaler Weise auf normativ-implizite Annahmen bezieht, die für die jeweilige Lehrperson normativ geltend ist. Andererseits wird aber auch der Gegenhorizont der einseitigen Lehrpersonen-Intervention (LP-Intervention) unterschieden, bei der die Lehrperson einseitig von sich aus eine verbale Antwort den Schüler*innen in der jeweiligen kritischen Situation gibt.

Abbildung 21: Übersicht der Zuordnungen zum Orientierungsmuster «Verbale Massnahmen».

208 Resultate

Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktion Dieser Gegenhorizont wird wiederum ausdifferenziert in das Thema a) Rückmeldungen und das Thema b) Gespräch mit den Schüler*innen. Rückmeldungen Kompromiss/ Deal aushandeln SuS herausfordern Nicht diskutieren

Gespräch mit den SuS

Diskutieren/ Besprechen/ Erklären lassen

Abbildung 22: Ausdifferenzierungen der Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktion.

a) Rückmeldung Hier geht es darum, dass die Lehrperson auf eine bestimmte Aktion oder Handlung von den Schüler*innen eine verbale Rückmeldung gibt. Folgende ausgewählte Ankerbeispiele verdeutlichen diese Ausdifferenzierung: Proband*in 204, Vignette 1

Verbal Rückmeldung geben, dass das Wechseln bemerkt und nicht erwünscht ist. Evtl. könnte der Lehrer damit drohen, nicht zu spielen und etwas anderes in der Lektion zu machen.

Proband*in 233, Vignette 12

Nach dem Aufwärmen (vor dem Turnen an den Geräten) würde ich der Klasse ein Feedback geben, dass ich von ihrer Bewegungsvielfalt enttäuscht sei. Ich würde in die Runde fragen, ob in der nächsten Lektion 2 Schülerinnen das Aufwärmen übernehmen würden, die evtl. in einem Verein sind.

Proband*in 196, Vignette 17

Ich gebe ihnen verschiedene Tipps, was für Aufgaben sie machen könnten.

b) Gespräch mit den Schüler*innen Bei dieser Ausdifferenzierung schreiben die Proband*innen, dass sie auf die genannte Fall­situation aktiv das Gespräch mit den Schüler*innen suchen wollen (ausgenommen die unter 3. genannten Fälle; hier wollen die Proband*innen aktiv nicht mehr mit den Schüler*innen diskutieren). 1. Kompromiss und Deal aushandeln In dieser Ausdifferenzierung versuchen Proband*innen, einen Deal oder einen Kompromiss mit den jeweiligen Schüler*innen auszuhandeln. Proband*in 354, Vignette 8

Ich vereinbare einen Deal mit diesen S. Ich frage sie, welche Strecke sie sich zutrauen.

Resultate 209 Proband*in 239, Vignette 14

Ich würde es den Schülerinnen aufgrund der vielen Schwimmer im Schwimmbecken freistellen, ob sie heute die 15 Minuten schwimmen wollen oder als Hausaufgabe an einem anderen Tag.

Proband*in 272, Vignette 16

Zudem würde ich den Schülern ein Ziel in Aussicht stellen: z. B. wenn alle die ersten 6 × 8 Zeiten können, gehen wir zum Bodenturnen über und danach auch noch zum Spiel.

2. Schüler*innen herausfordern Den nachfolgenden Ausdifferenzierungen ist gemeinsam, dass sie Antwortmuster beschreiben, dass die Lehrperson ihre Schüler*innen auf eine Art und Weise herausfordern möchte. Einerseits kann das eine He­ rausforderung sein, bei der die Lehrperson eine verbale Aktion vonseiten der Schüler*innen antizipiert. Es können aber auch andere aktive Handlungen auf diese Herausforderungen erwartet werden. Die Ausdifferenzierungen dieses Themas sind aus den Vignetten 3 und 11 entstanden. Proband*in 219, Vignette 3

Nur wer wirklich Kraft und Ausdauer hat, hat Erfolg im Bodenturnen. Hast du das nicht? Schau, Maria kann sogar das Rad, das kannst du nicht. Lass es dir von ihr beibringen.

Proband*in 201, Vignette 11

Jungs, ich weiss, dass es furchtbar lustig ist, aus der Reihe zu tanzen. Was ihr aber macht, ist gefährlich. Ich nehme an, euch ist langweilig? Gut, dann versuchen wir jetzt Sprung X-Y, dabei müsst ihr auf Folgendes achten … Blabla (Hauptsache, ich gebe den Schülern eine Aufgabe, die sie herausfordert).

Proband*in 360, Vignette 11

Jungs, seid ihr unterfordert? Dann stell ich euch noch eine etwas schwierigere Aufgabe ––> Überschlag über Kasten, Rondat etc. …

3. Nicht diskutieren Im Gegensatz zu den anderen drei Ausdifferenzierungen schreiben hier die Proband*innen, dass sie sich keinesfalls auf eine Diskussion einlassen werden und somit jegliche verbale Interaktion verweigern würden. Proband*in 259, Vignette 3

Ich würde nicht mit den SuS diskutieren, weil ich weiss, dass wir am Ende der Lektion noch spielen werden und ihnen das auch mitteile.

210 Resultate Proband*in 287, Vignette 8

Auf die Diskussion, ob die beiden Schüler mitlaufen oder nicht, würde ich mich nicht einlassen. Der einzige Deal, den ich mir vorstellen könnte, wäre das Festlegen von kurzen Abschnitten, in denen sie gehen / spazieren dürfen, sofern sie überfordert sind. Das gilt dann aber für alle anderen SuS auch.

Proband*in 198, Vignette 14

Über die 15 Minuten schwimmen lasse ich grundsätzlich aber nicht mit mir diskutieren.

4. Diskutieren, besprechen, erklären lassen Diese Ausdifferenzierung ist von allen Ausdifferenzierungen innerhalb der «verbalen Massnahmen» die meistgenannte innerhalb des Orientierungsrahmens. Es zeigt sich, dass ganz viele Proband*innen mit den Schüler*innen diskutieren, das Problem mit ihnen besprechen oder die Schüler*innen dazu auffordern würden, sich zu erklären. Die folgenden Ausschnitte sollen diese Beschreibungen verdeutlichen. Proband*in 204, Vignette 11

Ich gehe zu den S und frage sie, wieso es wohl nicht so schlau ist, so auf das Trampolin zu springen (Sicherheits­ aspekt). Man könnte sie auffordern, auf nächstes Mal aus­ zurechnen, herauszufinden, wie viel Gewicht auf die Knochen kommt, wenn man von dieser Höhe auf den harten Boden springt.

Proband*in 150, Vignette 13

Ich würde sie auf die Verspätung ansprechen und fragen, warum sie zu spät sind.

Proband*in 153, Vignette 20

Finde ich eine berechtigte Kritik und eine gute Gelegenheit, die Problematik am Notengeben im Sport zu diskutieren. Evtl. mit Schülern nach einer Lösung suchen.

(Implizite) Normen und Annahmen Grundsätzlich geht es in diesem Gegenhorizont darum, dass einige Proband*innen Antworten nennen, die sie nicht begründen müssen, wie es scheint, weil sie sich auf Fakten beziehen, die normativ geltend sind. Folgende Ankerbeispiele sollen einen Ausschnitt dieses Gegen­horizonts geben.

Resultate 211

Abbildung 23: Ausdifferenzierungen der (impliziten) Normen und Annahmen. Proband*in 205, Vignette 3

Erklären, dass es nicht Frauen- oder Männersport gibt, sondern einfach Sport. Und dass wir auch Fussball spielen, was ja dann nach ihm Jungssport wäre.

Proband*in 263, Vignette 3

Dass Bodenturnen sehr anspruchsvoll und vernünftig sein kann. Und es auch sehr viele Männer gibt, die Bodenturnen auf hohem Niveau ausführen.

Proband*in 290, Vignette 5

Ich würde den Schülern klarmachen, dass das gemacht wird, was der Schiedsrichter sagt, und dass es keine Diskussionen gibt. Ich selbst schaue auch zu und interveniere, wenn eine Entscheidung keineswegs zu akzeptieren bzw. total falsch ist.

212 Resultate

Lehrpersonen-Intervention Der dritte Gegenhorizont innerhalb des Orientierungsmusters der verbalen Massnahmen wird Lehrpersonen-Intervention (LP-Intervention) genannt. Damit sind all jene Antworten gemeint, in denen die Proband*innen – als Lehrperson in der fiktiven Situation – verbale Massnahmen geben, die eine Interaktion mit den Schüler*innen, ausgehend von der Lehrperson, beschreiben. Erklären Fehler dementieren Kritisieren Auflockerung/ Humor Eigene Fehler eingestehen Motivieren/ Loben/ ermutigen Eigenes Unverständnis/ Enttäuschung ausdrücken Anweisung Tadeln/ Bestrafung Appellieren/ Ermahnen/ Moralpredigt

Abbildung 24: Ausdifferenzierung der Lehrpersonen-Intervention.

a) Erklären In dieser Ausdifferenzierung werden grundsätzlich all jene Antworten zusammengefasst, in denen die Proband*innen versuchen, etwas zu erklären oder eine Begründung abzugeben. Die Ausdifferenzierung wird in vier verschiedene Themen eingeteilt: 1. Sicherheitsaspekte klären, 2. Kausale Begründungen (mit weiteren Ausdifferenzierungen), 3. Absicht / Ziel of­ fenlegen, 4. Inhalte erklären. 1. Sicherheitsaspekte klären Hier werden Antwortmuster zusammengefasst, in denen die Proband*innen Bezug zu den im Sportunterricht herrschenden Sicherheitsaspekten nehmen. Diese Ausdifferenzierungen kommen bei jenen Vignetten vor, bei denen ein kritisches Moment hinsichtlich der Sicherheit besteht (Vignette 6 und 11).

Resultate 213 Proband*in 96, Vignette 6

Ihnen erklären, dass die Übung eigentlich nicht gefährlich ist, und anbieten, Hilfe zu stehen.

Proband*in 303, Vignette 11

Ich würde sie zusammennehmen und ihnen erklären, dass es sicherheitstechnisch schwierig ist, wenn das Ganze nicht geordnet abläuft. Ich würde ihnen vorschlagen, ein Spiel zu machen, das ihnen zusagt, und damit die Stunde zu beenden. Am Ende der Stunde würde ich ihnen mitteilen, dass wir nächste Stunde das Thema Geräteturnen nochmals aufgreifen werden, aber in einer Form mit mehr Vorgaben.

Proband*in 350, Vignette 11

Ich würde die drei Knaben nochmals zusammennehmen und ihnen erklären, dass es gefährlich ist, vom Trampolin direkt auf den Boden zu springen. Dies ist wegen Verletzungsgefahr nie erlaubt. Ich würde sie zudem noch fragen, ob sie die Station langweilig finden.

2. Kausale 28 Begründungen Diese Ausdifferenzierung wird erneut in vier weitere Themen unterteilt: Fachdidaktische Begründungen, inhaltlich-organisatorische Begründun­ gen, normative Begründungen (Lehrplan / Schulinterne Regeln), fachliche Begründung. Eine ausgewählte Sammlung von Ankerbeispielen soll auch diese Themen genauer erklären. Fachdidaktische Begründung Proband*in 315, Vignette 1

Erklären, dass ich ab und zu gemischte Teams verlange, da auch das Miteinanderspielen / Rücksichtnehmen ein Ziel des Sportunterrichts ist.

Proband*in 172, Vignette 3

Ich würde ihm aufzeigen, wehalb wir diese Übungen machen. Was das Ziel dahinter ist und dass es eben auch zur Bewegungserfahrung gehört.

Proband*in 198, Vignette 9

Langfristig: – Sinn und Zweck des Sportunterrichts thematisieren. Besprechen, dass dazu auch Zusammenarbeit in der Gruppe und Lernen voneinander gehört. – In anderen Sportarten bewusst die Mädchen auffordern, den Jungs zu helfen.

28

Kausal meint in diesem Sinne, dass nach einer ursächlichen Ausdifferenzierung der Begründung gesucht wird.

214 Resultate Inhaltlich-organisatorische Begründung Proband*in 273, Vignette 3

Ganz klar und transparent aufzeigen, welche Inhalte vorgesehen sind und dass Sport halt mehr ist als nur Fussballspielen.

Proband*in 267, Vignette 16

Deswegen müssen wir jetzt üben, damit wir bei der nächsten Hip-Hop-Aufwärmphase die Schritte bereits beherrschen und die Aufwärmphase auf die normale Zeit beschränkt ist.

Proband*in 347, Vignette 20

Ich würde den Mädchen erklären, dass ich neben den Leistungsnoten auch Noten für den Einsatz geben werde.

Normative Begründung Proband*in 287, Vignette 3

Ich würde mich wahrscheinlich auf den Lehrplan beziehen. Dass hierbei wenig Spielraum besteht in der Gestaltung.

Proband*in 361, Vignette 13

Bei dieser Besprechung weise ich noch einmal auf die Regeln hin, auf die Konsequenzen im Bereich der Fairness und der Selbstkompetenz und reagiere weiter so, wie es schulhausintern geregelt ist.

Proband*in 315, Vignette 20

Es gibt offizielle Leistungstabellen, die ihr alle vorgängig eingesehen habt. An diese halte ich mich. Wir werden später über Möglichkeiten der Kompensation diskutieren.

Fachliche Begründung Proband*in 270, Vignette 8

Ich erkläre den SuS, woran es gelegen hat, dass meine Arme zu stark gestreckt waren und ich so einen Schlag erhalten habe.

Proband*in 263, Vignette 8

Ich erkläre ihnen, dass Laufen gut für sie ist.

Proband*in 287, Vignette 12

Die Schülerinnen kurz über den Sinn des Aufwärmens informieren.

3. Absicht und Ziel offenlegen Für einige Proband*innen scheint es wichtig zu sein, die Absicht und das Ziel ihrer Planung oder Handlung darzulegen. Folgende ausgewählte Ankerbeispiele sollen diese Inhalte aufzeigen: Proband*in 260, Vignette 9

Ich würde das Spiel beenden und den Schülern erklären, dass ich dies gemacht habe, weil ich es nicht akzeptiere, dass wir ein Spiel spielen, welches ihnen gut gefällt, sie aber die Mädchen ausschliessen.

Resultate 215 Proband*in 268, Vignette 11

Ich würde den SuS klarmachen, warum ich was und wie durchführen will (Aspekt der Sicherheit).

Proband*in 330, Vignette 11

Die Schüler zusammennehmen und ihnen die Gefahren ihres Handelns erklären und begründen, weshalb ich diese Anordnung nicht akzeptiere.

4. Inhalte erklären Hier scheint wichtig zu sein, dass die Proband*innen in der Rolle der Lehrperson die Inhalte und das Programm der jeweiligen Sportlektion erklären können. Proband*in 227, Vignette 8

Kurze Erklärung zum Trainingsaufbau, Betonung auch auf individuelles Tempo, nicht die Zeit steht im Vordergrund, sondern das Bewältigen des Stadtlaufes. – Bei tatsächlichem Übergewicht Trainingsaufbau mit ihnen besprechen und Ziele festlegen.

Proband*in 186, Vignette 11

Lösung 4: Direkt Hilfestellungen an den einzelnen Geräten erklären, damit die SuS selber helfen und sichern können.

Proband*in 300, Vignette 13

Nach dem Aufwärmen sind nun alle SuS in der Halle und ich erkläre die Postenblätter.

b) Fehler dementieren und c) Kritisieren Diese zwei Ausdifferenzierungen bestehen jeweils nur aus einer Nennung, die aber nichtsdesto­trotz ebenfalls genannt werden muss. Dementieren Proband*in 347, Vignette 6

Wenn sie sagen, dass sie an meinem Gesicht gesehen haben, dass ich Schmerzen habe, würde ich dies dementieren, weil das eigentlich gar nicht wehtut. Ich würde sie bitten, es einmal auszuprobieren und mir dann im Anschluss hoffentlich zu bestätigen, dass die ganze Übung nicht schmerzhaft ist.

Kritisieren Proband*in 239, Vignette 12

Ich würde ihre Fantasielosigkeit kritisieren.

216 Resultate

d) Auflockerung und Humor Mit dieser folgenden Ausdifferenzierung scheint es, als möchten die Proband*innen eine Auflockerung in die genannte Sportlektion bringen oder die Situation mit Humor etwas aufheitern. Proband*in 279, Vignette 1

Ich nehme die Reaktion mit Humor, reagiere verbal dementsprechend.

Proband*in 348, Vignette 15

Nein, ihr dürft natürlich nicht frei wechseln, sonst sinkt mein Herrschergefühl hier in der Halle. Ich gebe einen Pfiff und dann wechselt ihr im Kreis herum.

Proband*in 242, Vignette 18

Die SuS sollen die Arme ausstrecken und sich einmal umdrehen, dabei dürfen sie niemanden berühren. Evt. noch einen Witz machen: Ich beisse nicht.

e) Eigene Fehler eingestehen Bei diesen Aussagen steht im Zentrum, dass die Lehrperson versucht, die eigenen gemachten Fehler vor den Schüler*innen einzugestehen. Vor allem die Vignette 6 – mit wenigen Ausnahmen von Lösungen in anderen Vignetten – provoziert Antworten, in denen die Proband*innen ihr Fehlverhalten eingestehen wollen. Proband*in 346, Vignette 1

Am Ende würde ich mich aber bei den SuS noch entschuldigen und sagen, dass es mir um die Zeitverzögerung leidtut.

Proband*in 232, Vignette 6

Eingestehen, dass auch die Lehrperson nicht perfekt ist.

Proband*in 313, Vignette 6

Ich sage, die Schmerzen kommen von meinem Alter. :-) Ich erkläre, was bei mir nicht zu 100 % gut gelaufen ist, und sage aber auch, dass es beim Kunstturnen leichte Schmerzen geben kann, welche aber auszuhalten sind (nicht heftige Schmerzen). Weiter weise ich auf die Wichtigkeit der Hilfestellung hin, welche die Schmerzen verringern kann!

Proband*in 201, Vignette 12

Ich würde auch zugeben, dass ich keine genauen Anweisungen gegeben habe.

Resultate 217

f) Motivieren, loben und ermutigen Die folgenden Aussagen sind charakterisiert durch positive Bekräftigungen, Ermunterungen und Motivationen, damit die Schüler*innen in ihrem Tun und Handeln unterstützt werden. Proband*in 357, Vignette 3

Ich versuche, die Jungs zu motivieren, indem ich ihnen beispielsweise sage: Wer die Grundelemente beherrscht, darf mit mir zusammen schwierigere Elemente anschauen.

Proband*in 365, Vignette 6

Mut zusprechen und auf die nicht ganz korrekte Landung hinweisen, wie man das besser machen kann.

Proband*in 231, Vignette 4

Loben, dass die Übung in einem ersten Durchgang gut gemacht wurde.

g) Eigenes Unverständnis und Enttäuschung ausdrücken In den folgenden Aussagen lässt sich eine Enttäuschung, ausgehend von den Lehrpersonen, ausmachen. Proband*in 148, Vignette 1

Ich erkläre allen SuS, dass sie alt genug sein sollten, selbstständig gleich starke Mannschaften machen zu können. Ich erkläre ihnen, dass ich sie gerne spielen lasse und bei der Mannschaftsbildung immer so viel Zeit draufgeht. Dies finde ich schade.

Proband*in 232, Vignette 3

Deutlich machen, dass Wörter wie Weibersport unangebracht sind. In einem Gespräch versuchen, Einsicht bei den Schülern zu erlangen; erklären, dass es einen Lehrplan gibt und Sportunterricht kein Wunschkonzert ist.

h) Anweisung Bei einem grossen Teil der sprachlichen Antworten geben die Proband*innen an, dass sie verbale Anweisungen geben würden. Die nachfolgenden Ankerbeispiele sollen auch hier einen Einblick in diese Antwortmuster geben. Proband*in 263, Vignette 14

Klare und bestimmte Aufzählung, wie geschwommen wird.

Proband*in 186, Vignette 15

Namentliche Aufforderung, wer direkt nach vorne kommen sollte, Jungs und Mädchen.

Proband*in 268, Vignette 18

Die Linien in der Halle nutzen und gezielt sagen, wie viele SuS auf einer Linie stehen, und so verteilen.

Proband*in 296, Vignette 18

Den Schülerinnen und Schülern klare Anweisungen geben oder Ansagen machen, wo sie sich aufstellen können.

218 Resultate

i) Tadeln und bestrafen Bei den folgenden Antworten geben die Proband*innen an, dass sie eine Bestrafung aussprechen würden. Proband*in 211, Vignette 11

Die fehlerhaften Jungen sofort stoppen und ihnen das weitere Mitturnen in dieser Turnstunde verbieten. Sie sollen an der Seite auf eine Bank sitzen und sich ruhig verhalten. Nach der Stunde würde ich die Jungen zur Rede stellen und ihnen die Aufgabe geben, auf einer A4-Seite handschriftlich festzuhalten, welche Risiken man eingeht und welche Verletzungen man erleiden kann, wenn so eine Aktion schiefgeht. Die A4Seite soll bis in zwei Tagen bei mir abgegeben werden.

Proband*in 216, Vignette 13

Begrüssung, Strafe für jene, die zu spät kommen, oder Aufforderung, pünktlich zu erscheinen!

Proband*in 354, Vignette 13

Ich sage den SuS, dass ich von ihnen erwarte, dass sie pünktlich sind. Danach erkläre ich ihnen, dass ich die Lektionen nun so umstellen werde, dass ich das von ihnen geliebte Fussballspiel (oder halt einfach das Lieblingsspiel der Klasse) jeweils am Anfang der Stunde spielen lassen werde.

Proband*in 304, Vignette 14

Ich werde den Schülern mitteilen, dass ich als nächste disziplinarische Massnahme nicht mehr mit ihnen ins Schwimmbad gehen werde.

j) Appellieren, ermahnen und Moralpredigt halten In diesen Antwortmustern ist zu erkennen, dass die Schüler*innen etwas gemacht haben, was sie nicht tun sollten. Dennoch wird im Unterschied zu den in i) genannten Antworten noch keine definitive Bestrafung ausgesprochen, sondern es werden lediglich Ermahnungen abgegeben. Proband*in 173, Vignette 9

Zuerst würde ich an die Sozialkompetenz appellieren. Zusätzlich würde ich die Regel vorgeben, dass vor einem Torschuss alle Teammitglieder den Ball mindestens einmal berührt haben müssen.

Proband*in 287, Vignette 9

Ich würde alle zusammenholen und auf die Problematik hinweisen und unterstreichen, dass das so nicht gehen kann.

Proband*in 357, Vignette 11

Darauf hinweisen, dass es extrem ungesund ist. Sie machen sich so die Knie kaputt. Sie ein weiteres Mal ermahnen und erklären, dass sie fair sein sollen, weil die anderen auch meine Hilfe brauchen.

Proband*in 217, Vignette 14

Ich würde sie darauf hinweisen, dass es für sie ein tolles Erlebnis sein sollte, das Ausdauertraining im Freibad zu absolvieren, und ermahne sie, dass sie mind. so und so viele Längen in den 15 Minuten schaffen müssen, ansonsten wird das nächste Mal auf der Rennbahn Ausdauer trainiert.

Resultate 219

5.3.3  Antizipierte Handlungen Innerhalb dieses Orientierungsmusters wurde das Datenmaterial erneut in zwei unterschiedliche Gegenhorizonte eingeteilt. Einerseits in den Prozess beibehalten und in den Prozess ändern.

Abbildung 25: Übersicht der Zuordnungen zum Orientierungsmuster «Antizipierte Hand­ lungen».

Prozess beibehalten Beim Gegenhorizont Prozess beibehalten werden die Antworten erneut in vier unterschiedliche Bereiche ausdifferenziert. a) Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv) b) Prospektive Planung c) Retrospektive Planung d) Nichthandeln / Ignorieren Massgebend für diesen Gegenhorizont ist die Tatsache, dass an die eigentlich geschilderten Situationen in der Fallvignette keine Massnahme in Form einer (konkreten und allgemeinen) Handlung folgt. Vielmehr nennen die Proband*innen Antworten, in denen sie schildern, dass der Unterricht wie von der Lehrperson in der Vignette geplant fortgesetzt werden soll, a) Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv). Die Proband*innen beschreiben in ihren Antworten aber auch, was die Lehrperson zuvor hätte beachten müssen oder worauf sie in naher Zukunft achten muss, b) Prospektive Planung. Oder dann gibt es Antworten, welche auf die vorherige Planung Bezug nehmen mit den Ausdifferenzierungen unter c) Retrospektive Planung. Des Weiteren und als vierte Ausdifferenzierung zu nennen sind all jene Antworten, die ausdrücklich darlegen, dass die Lehrperson in der genannten kritischen Situation keine Handlung vornehmen würde, d) Nichthandeln / Ignorieren.

220 Resultate

a) Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv) In dieser Ausdifferenzierung des Orientierungsmusters der «Antizipierten Handlungen» nehmen die Proband*innen indirekt Bezug zur Planung des Lektionsinhalts. Sie schreiben, dass die stattfindende Lektion gleichbleibend weitergeführt werden soll. Folgende Beispiele verdeutlichen diese Ausdifferenzierung. Proband*in 205, Vignette 3

Unbeirrt mit dem Durchzählen fortfahren.

Proband*in 257, Vignette 9

Die Mannschaften spielen so lange, bis es ein Tor gibt.

Proband*in 287, Vignette 12

Ich würde die Geräte weiter aufstellen und die Mädchen weiter allein aufwärmen lassen. Sicherlich würde ich die Bewegungsvariation weiterhin beobachten und die Gruppe versammeln, sobald ich die Geräte aufgebaut habe.

b) Prospektive Planung Demgegenüber zählen die Proband*innen aber auch zahlreiche Antworten auf, welche auf eine Handlungsalternative in Zukunft Bezug nehmen. Darin beschreiben sie beispielsweise, wie sie in der nächsten Lektion im Unterricht handeln würden, wie sie grundsätzlich die gesamte Unterrichtseinheit gestalten wollen oder dass sie den Schüler*innen Hausaufgaben geben wollen. Proband*in 273, Vignette 12

In der nächsten Lektion ein Musteraufwärmen durchführen.

Proband*in 227, Vignette 18

Hausaufgabe geben: Auf nächstes Mal Paare bilden, falls dies nicht klappt, beim nächsten Mal diejenigen, die keinen Partner haben, mit gleichgeschlechtlichen Partnern tanzen lassen.

Proband*in 203, Vignette 20

In der nächsten Lektion wird allen SuS ein Beispiel für ein Training übergeben, welches jeweils auf die gelaufene 12-Minuten-Distanz abgestimmt ist (oder das Beispiel-Training wird von den SuS erarbeitet).

Resultate 221

c) Retrospektive Planung In der vorliegenden Vignettenuntersuchung werden die Proband*innen dazu aufgefordert, Antworten zu formulieren, welche in der Zukunft der geschilderten Situation liegen (vgl. Instrument im Anhang A). Dennoch gibt es einige Proband*innen, die in ihrer Antwort auf die bereits vergangene Zeit Bezug nehmen und auf die vorangehende (fehlerhafte) Planung im Unterrichtsablauf hinweisen. Proband*in 278, Vignette 12

Den früh gekommenen Schülerinnen hätte man auch schon Aufträge erteilen können.

Proband*in 180, Vignette 20

Ich hätte die Schülerin erst gar nicht laufen lassen, sondern mit ihr eine individuelle, angepasste Prüfung durchgeführt.

Proband*in 362, Vignette 20

Ich würde am Anfang des Schuljahres alle SuS einen 12-Minuten-Lauf auf der 400 m-Bahn laufen lassen und dabei von allen SuS die Runden zählen.

d) Nichthandeln Wenn es in der Logik der Einteilung darum geht, dass Bezug genommen wird zu retrospektiven Planungsdetails, zur Weiterführung des Unterrichts, aber auch Lösungsvarianten in Zukunft vorgeschlagen werden, dann gibt es auch die Lösungsvariante, in der einige Proband*innen darlegen, dass sie eine auftretende Situation explizit ignorieren und in der jeweiligen Situation eben gerade nicht handeln würden. Diese Lösungsvariante kommt nicht häufig vor, dennoch gibt es Proband*innen, welche sich dieser Lösung bedienen. In der folgenden Tabelle werden Beispiele für diese Ausdifferenzierung aufgezeigt. Proband*in 232, Vignette 1

Warten, bis die Schüler die Aufgabe selbstständig gelöst haben.

Proband*in 296, Vignette 2

Ich würde die Aussage zur Kenntnis nehmen, aber die Sache mit dem Weibersport nicht grösser thematisieren.

Proband*in 174, Vignette 3

Gar nicht zu gross auf diese Aussage eingehen.

222 Resultate

Prozess ändern Im Gegenhorizont Prozess ändern werden all jene Änderungsvorschläge zusammengefasst, welche die Proband*innen in den jeweils kritischen Situationen antizipieren und vorschlagen. Es geht darum, welche Handlungsänderungen sie in der genannten kritischen Situation, der Fallvignette, unternehmen würden. Organisatorische Planung des Unterrichts Inhalte anpassen Kompromisse/Belohnung Disziplinarische Massnahmen Gruppeneinteilung anpassen Partizipationsformen Ergebnissicherung/ Ziel Differenzierungen

Klasse/ Gruppe versammeln

Abbildung 26: Ausdifferenzierungen der Antworten zur Änderung des Prozesses.

a) Organisatorische Planung des Unterrichts Bei den Antworten in dieser Ausdifferenzierung geht es darum, dass die Proband*innen versuchen, die jeweilige Situation durch verschiedene Planungsgrundsätze zu organisieren. Dabei werden die Antworten erneut in vier Themen eingeteilt: 1. Organisation der SuS, 2. Organisation des In­ halts, 3. Organisation des Raums, 4. Organisation der Zeit. 1. Organisation der Schüler*innen Hier geht es darum, dass die Proband*innen die Schüler*innen anders organisieren würden. Die aufgeführten Beispiele sollen den Inhalt dieser Antworten verdeutlichen. Proband*in 257, Vignette 11

Trampolin wegräumen. Klasse in drei Gruppen aufteilen (durchmischt) und einem Gerät zuweisen (Barren, Stufenbarren, Reck).

Proband*in 340, Vignette 15

Ich würde die 17 SuS auf die vier Posten verteilen, d. h. drei 4er-Gruppen und eine 5er-Gruppe. Nach vorgegebener Zeit wird gewechselt.

Resultate 223

2. Organisation des Inhalts In dieser Ausdifferenzierung versuchen die Proband*innen, den Prozess in Bezug auf den Inhalt zu verändern. Proband*in 268, Vignette 11

Ich würde die Auswahl der Posten verringern.

Proband*in 237, Vignette 15

Ich würde die Abenteuerstunde möglichst frei gestalten, evtl. mit der Vorgabe, dass mindestens 2 oder 3 der 4 verschiedenen Posten besucht werden sollen (d. h. ich würde von Zeit zu Zeit einen Wechsel des Postens beliebt machen).

3. Organisation des Raums Bei der Ausdifferenzierung Organisation des Raums gibt es lediglich ein Ankerbeispiel. Proband*in 233, Vignette 18

Je nachdem (falls die Halle eine Festerfront hat) würde ich grosse Matten als Sichtschutz aufstellen.

4. Organisation der Zeit Die Proband*innen machen sich aber auch Gedanken über den zeitlichen Verlauf der Unterrichtslektion und über die Nutzung der Zeit. Proband*in 172, Vignette 13

Damit die 5 Minuten nicht fehlen, würde ich sie am Ende der Stunde anhängen. So wissen die Schüler, dass sie das nächste Mal pünktlich sein sollen.

Proband*in 357, Vignette 15

Man sollte eine gewisse Zeit am Anfang festlegen, die in Relation zu den verschiedenen Aufträgen steht. Diese Zeit wird dann auch am jeweiligen Posten verbracht.

b) Inhalte anpassen Bei der folgenden Ausdifferenzierung geht es grundlegend darum, dass die in den Critical Incidents beschriebenen Inhalte von den Proband*innen angepasst werden, indem 1. entweder eine Regeländerung eingeführt wird, 2. eine bestimmte Übung wiederholt wird, 3. die Übung unterbro­ chen oder abgebrochen wird, 4. anhand von Filmen oder Bildern die Inhalte verdeutlicht werden oder damit 5. die Übung so gestaltet wird, dass Variation ermöglicht werden kann. Folgende Ankerbeispiele erläutern diese Art von Differenzierungen im Bereich Inhalte anpassen.

224 Resultate

1. Regeländerungen Die Antworten innerhalb der Ausdifferenzierung Regeländerungen treten hauptsächlich in der Vignette 9 auf, in der es darum geht, dass die Mädchen in einem Handballspiel von den Jungen gänzlich aussen vor gelassen werden. Zahlreiche Proband*innen versuchen daraufhin, mit einer Regeländerung den kritischen Moment aufzulösen. Proband*in 154, Vignette 1

Möglichkeiten: Die Spielregeln so anpassen, dass die Vorteile der schwächeren Schüler mehr zum Tragen kommen.

Proband*in 360, Vignette 9

Bevor auf ein Tor geschossen wird, müssen alle den Ball einmal berührt haben / ODER homogene Gruppen machen.

Proband*in 357, Vignette 9

Mädchentore zählen nicht doppelt, sondern es müssen immer alle drei Mädchen auf dem Feld sein. Bevor ein Tor erzielt werden kann, müssen alle vom Team einmal am Ball gewesen sein.

2. Übung wiederholen In dieser Ausdifferenzierung werden all jene Antworten zusammengefasst, welche darauf abzielen, dass eine Übung oder eine Bewegungsfolge wiederholt wird. Proband*in 365, Vignette 1

Nochmal von vorne, und dann ohne abzuzählen gleich die Mannschaften in zwei verschiedene Hälften aufteilen.

Proband*in 346, Vignette 3

Für die heutige Stunde würde ich mit den Schülern die bereits gelernten Elemente repetieren.

Proband*in 354, Vignette 4

Wir machen einen neuen Durchgang.

3. Abbruch und Unterbruch der Übung Diese Ausdifferenzierung wird erneut in zwei weitere Themenbereiche eingeteilt: 1. Unterbruch, wenn eine Übung oder eine Unterrichtssequenz lediglich unterbrochen wird und 2. Abbruch, wenn eine Übung oder eine Unterrichtssequenz vollumfänglich abgebrochen wird. Proband*in 197, Vignette 1

Ich würde kurzfristig auf eine andere Aktivität ausweichen, bei welcher die SuS nicht in Teams spielen, sondern jeder alleine etwas ausführen muss.

Proband*in 348, Vignette 6

Ich würde das Thema kurzfristig auf Hochsprung wechseln.

Proband*in 347, Vignette 11

Übung aus Sicherheitsgründen sofort abbrechen.

Proband*in 260, Vignette 14

Falls sie das Schwimmen immer noch verweigern, würde ich den Schwimmunterricht für sie abbrechen.

Resultate 225

4. Aufgabe und Bewegung aufzeigen Diese Ausdifferenzierung wird ebenfalls in zwei weitere Themen unterteilt, 1. Vorzeigen / Vorzeigen lassen und 2. Filme / Bilder zeigen. Hier geht es darum, dass die Proband*innen in den Critical Incidents vorschlagen, dass sie die Übung ihren Schüler*innen vorzeigen oder vorzeigen lassen würden, oder aber, dass sie einen Film oder einige Bilder darüber zeigen würden, um den Inhalt zu verdeutlichen. Vorzeigen / Vorzeigen lassen Proband*in 352, Vignette 3

Falls ich ein sportliches Mädchen in der Klasse habe, würde ich sie einige schwierige Elemente zeigen lassen.

Proband*in 207, Vignette 6

Ich demonstriere es erneut und für den Fall, dass es wie erwartet diesmal ohne Schmerzen geht, frage ich eine gute Sportschülerin, es doch auch zu versuchen.

Filme / Bilder Proband*in 231, Vignette 3

Als Einstieg ein Video vom Männerkunstturnen zeigen.

Proband*in 349, Vignette 17

Deswegen unbedingt Beispiele vorzeigen oder Bilder / Filme etc. mitbringen.

5. Übung und Variation ermöglichen Auch diese Ausdifferenzierung wird in zwei spezifische weitere Themen unterteilt. Unter 1. Üben ermöglichen werden alle jene Antworten zusammengefasst, welche das Ziel haben, dass die Schüler*innen möglichst gut üben können. Das zweite Thema 2. Übung ändern / variieren beschreibt all jene Lösungsvarianten, welche eine Änderung oder Variation der Übung beinhalten. Üben ermöglichen Proband*in 233, Vignette 16

Ich stelle verschiedene Übungsposten auf (mit jeweils nur wenig Material, um langes Aufstellen zu vermeiden), wo die SuS anschliessend in Kleingruppen üben können.

Proband*in 361, Vignette 17

Ich würde kurz die Turnerinnen am Stufenbarren alleine üben lassen (mit Auftrag), dann würde ich mich den Schwebebalken-Frauen widmen, mir mal anschauen, was bereits vorhanden ist.

226 Resultate Übung ändern / variieren Proband*in 299, Vignette 15

Musik verlangsamen und Sus in Gruppen selber Schritte auf ihrem Niveau erfinden und vortanzen lassen und stattdessen ein Fangis machen, dann Turnen und schliesslich ein Spiel.

c) Kompromisse und Belohnung In dieser Ausdifferenzierung beschreiben Proband*innen, dass sie in der jeweiligen Situation auf die Schüler*innen eingehen und ihnen einen Kompromiss oder eine Belohnung in Aussicht stellen würden. Die nachstehend ausgewählten Ankerbeispiele zeigen in Grundzügen die Art der Antwortmuster. Proband*in 331, Vignette 3

Bodenturnen weiterführen und evtl. am Schluss bei guter Arbeit dann alle Fussball oder Unihockey spielen lassen!

Proband*in 287, Vignette 14

Einen weiteren Anreiz zum Schwimmen geben (z. B. bei Mädchen die positiven Effekte vom Sport auf den Körper) und vielleicht am Stundenende auch noch ein bisschen Zeit zum Chillen im Bad zugestehen. Die 15 Minuten schwimmen würde ich aber kompromisslos von jeder verlangen, gegebenenfalls würde ich die Mädchen zwischen verschiedenen Schwimmtechniken aussuchen lassen. Dann aber sollten alle wieder zum Start in die Bahnen und erneut 15 Minuten schwimmen.

Proband*in 221, Vignette 14

Den Anreiz schaffen, 15 Minuten durchzuhalten ––> beispielsweise dass sie nachher noch ein wenig planschen dürfen oder 5 Minuten «sünnala» oder was auch immer …

d) Disziplinarische Massnahmen Es gibt ebenfalls Lösungsvarianten, welche auf eine Änderung des Inhalts abzielen, in denen die Proband*innen schreiben, dass sie in dieser Situation disziplinarische Massnahmen in Betracht ziehen. Das sind Lösungsvarianten, die konkret mit einer Bestrafung gleichzusetzen sind, wie im folgenden Beispiel. Proband*in 157, Vignette 1

Wollen die Schüler dies nicht akzeptieren, würde ich persönlich Ausdauerübungen ansetzen.

Proband*in 229, Vignette 3

Bei weiteren Kommentaren würde ich die Schüler vom Unterricht verweisen.

Resultate 227 Proband*in 356, Vignette 13

Vielleicht könnte man jene, die zu spät waren, länger da behalten, sie müssten die Geräte aufräumen oder so …

Proband*in 362, Vignette 13

Oder nach fünf Strichen muss zum vorgegebenen Thema ein Aufsatz abgegeben werden, wobei nur der Inhalt (keine grammatikalischen Finessen werden berücksichtigt) bewertet wird.

e) Gruppeneinteilung anpassen In dieser Ausdifferenzierung geht es darum, dass die Proband*innen Lösungsansätze formulieren, die auf eine Änderung der Gruppeneinteilung abzielen. Anhand unterschiedlicher Methoden wollen sie die Gruppeneinteilung anpassen und es scheint, dass sie eine Lösung des Problems in der Änderung der Gruppen sehen. Einige nachfolgende Ankerbeispiele sollen dies verdeutlichen. Proband*in 348, Vignette 1

Ich würde die SuS sich umsetzen lassen. Nachdem die Gruppen gebildet wurden, jede Gruppe noch einmal durchnummerieren. Dann von jeder Gruppe alle 1 in eine neue usw.

Proband*in 166, Vignette 15

Es gibt ein Gruppenpuzzle, d. h. jede Gruppe wählt einen Posten und bildet sich gegenseitig zum Experten aus. Zusätzlich lautet der Auftrag, mind. eine neue Übung zu erfinden. Nach ca. 15 Minuten wird die Klasse neu gruppiert. In jeder neuen Gruppe gibt es einen Experten, der den Mitschülern die Sportart vermittelt und eine neue Bewegungsaufgabe, z. B. einen Trick auf dem Skateboard, erklärt und vorzeigt. Die Reihenfolge der Posten findet im Uhrzeigersinn statt und nach jeweils ca. 10 Minuten wird zum nächsten Posten gewechselt.

Proband*in 349, Vignette 16

Vielleicht auch in Gruppen, wo SuS anderen SuS helfen, die es natürlich bereits etwas besser können.

Proband*in 149, Vignette 18

Mädchen auf einer Seite, Knaben auf der anderen Seite. Anschliessend wird nur eine kurze Sequenz mit demselben Partner getanzt und dann verschieben sich die Knaben um eine Position nach links.

228 Resultate

f) Partizipationsformen In einer weiteren Ausdifferenzierung nennen die Untersuchungspersonen auch Änderungen in Bezug auf die Partizipationsformen. Diese Ausdifferenzierung wird wiederum in sechs weitere Themen unterteilt. Diese sind: 1. LP unterstützt die SuS, 2. SuS machen selbstständig (treffen selbstständig eine Entscheidung), 3. SuS bestimmen mit, 4. LP bestimmt Ablauf / Inhalt, 5. Wir – gemeinsames Handeln, 6. SuS unterstützen sich gegenseitig. 1. LP unterstützt die Schüler*innen Folgende Ankerbeispiele werden von Proband*innen beim ersten Unterthema Lehrperson unterstützt die Schüler*innen genannt: Proband*in 346, Vignette 17

Ich werde abwechslungsweise bei den Langbänken und bei den Stufenbarren Unterstützung bieten.

Proband*in 180, Vignette 17

Dann würde ich mich der Schwebebalkengruppe widmen.

2. Schüler*innen machen selbstständig Beim zweiten Unterthema Schüler*innen machen selbstständig werden Antworten zusammengefasst, die inhaltlich beschreiben, dass die Schüler*innen selbstständig eine Entscheidung treffen oder selbstständig eine Handlung ausführen können. Die folgenden Ankerbeispiele geben einen Auszug aus den Antworten dieser Themen. Proband*in 287, Vignette 15

Geübt wird an jedem Gerät, aber mit welchem Gerät präsentiert wird, kann frei gewählt werden. Damit die Gruppen aktiv üben, würde ich während der Übungsphase Feedback geben und motivieren – gegebenenfalls ideengebend eingreifen.

Proband*in 217, Vignette 16

Für die nächste Lektion lasse ich die Schüler selber Schritte einstudieren, damit sie sich evtl. weniger langweilen.

Proband*in 358, Vignette 17

Ich würde die Stufenbarrengruppe kurz selbstständig üben lassen (indem sie sich gegenseitig anleiten und Hilfe stehen).

Resultate 229

3. Schüler*innen bestimmen mit Beim dritten Unterthema Schüler*innen bestimmen mit werden Antworten zusammengefasst, welche besagen, dass die Schüler*innen im Unterricht mitbestimmen können. Nachfolgende Ankerbeispiele verdeutlichen diese Inhalte. Proband*in 215, Vignette 1

Danach könnten die SuS selber sagen, wie man wechseln soll, damit die Teams fair sind.

Proband*in 213, Vignette 9

Die Vorschläge werden dann durchgeführt und gegenseitig auf ihre Tauglichkeit geprüft. Die beste Idee wird dann weiter ausgeübt.

Proband*in 165, Vignette 20

Ihr Wunschprogramm nach einer Prüfung mit anschliessender Ballmassage.

4. Lehrperson bestimmt Ablauf und Inhalt Auch hier wird bereits aus dem Titel der Ausdifferenzierung deutlich, dass die Inhalte fremdbestimmt aufbereitet werden. Die Lehrperson bestimmt alleine den weiteren Verlauf des Unterrichts. Proband*in 308, Vignette 17

Ich gebe der Stufenbarrengruppe vor, was sie zu turnen hat, und wende mich der Schwebebalkengruppe zu.

Proband*in 217, Vignette 6

Einerseits würde ich auf der Übung beharren und noch einen Versuch wagen, um zu zeigen, wie es ohne Schmerzen geht, und dann die Schüler nochmals motivieren.

Proband*in 270, Vignette 5

Zudem bestimme ich zwei neue Schiedsrichterinnen.

5. Wir – gemeinsames Handeln In diesem Unterthema wird das gemeinsame Handeln betont. Die Lehrperson schlägt hier deshalb nicht lediglich Antworten vor, was die Schüler*innen tun und machen sollen, sondern sie erwähnt in ihren Ausführungen ganz spezifisch das WIR in der Handlung, dass sie gemeinsam mit den Schüler*innen etwas ausführen würde. Es geht hier nicht um die Mitbestimmung, wie bei der Ausdifferenzierung 3. SuS bestimmen mit, sondern es wird hier betont, dass die Lehrperson mit den Schüler*innen zusammen eine Handlung ausführt.

230 Resultate Proband*in 216, Vignette 12

Gemeinsam anschliessend die fehlenden Geräte aufstellen.

Proband*in 308, Vignette 14

Ich schwimme mit den Schülerinnen, die Schülerinnen schwimmen mit.

Proband*in 279, Vignette 18

Wir repetieren zusammen.

6. Schüler*innen unterstützen sich gegenseitig In diesen Antwortmustern wird betont, dass sich die Schüler*innen auch gegenseitig in ihrem Tun und Handeln unterstützen können. Die gegenseitige Unterstützung der Schüler*innen wird hier betont und ist ein Hauptaugenmerk dieser Antwortmuster. Proband*in 350, Vignette 6

Evtl. können auch die SuS sich gegenseitig stützen.

Proband*in 278, Vignette 17

Anfang – Mittelteil – Schlussposition / Abgang, wobei die Schüler auch dazu aufgefordert werden, sich gegenseitig zu helfen.

Proband*in 224, Vignette 17

Am Stufenbarren können die Schülerinnen auch alleine oder in Kleingruppen ihre Übungen turnen und sich selbst Feedback geben.

g) Ergebnissicherung In dieser Ausdifferenzierung werden Bezüge zur Ergebnissicherung gemacht. Ergebnissicherung kann heissen, dass ein Bezug zur Leistungsüberprüfung gemacht wird. Es kann aber auch heissen, dass die Lehrperson auf die Zielerreichung eingeht oder dass die Lehrperson betont, dass sie schauen wolle, ob die Schüler*innen in der genannten Sportlektion auch wirklich das Ziel der Lektion erfüllt haben. Proband*in 205, Vignette 12

Am Schluss der Stunde würde ich eine Repetition machen von den Übungen, d. h. sie müssen mir aufzählen, welche Übungen man warum macht und welche zu gebrauchen sind.

Proband*in 239, Vignette 17

Besonders originelle oder technisch schwierige [Übungen; Anm. von J. V.] sollen dann vor allen Schülerinnen vorgezeigt werden.

Proband*in 205, Vignette 20

Die Leistungsnote ist die härteste und benotet nur die Leistung. Bei den anderen zwei schaue ich auch den Fortschritt an, wo sie eine gute Note machen können.

Resultate 231

h) Differenzierungen Eine weitere Unterscheidung heisst Differenzierungen. Unterteilt wird sie in 1. Inhaltsebene, 2. Lehrpersonen / Schüler*innen geben Hilfestellung (LP / SuS gibt Hilfestellung), 3. Schüler*innenebene. Bei der Inhaltsebene schreiben die Proband*innen, dass sie auf einer inhaltlichen Ebene differenzieren würden. Sie würden also die Inhalte (dazu gehört auch das Material) anpassen. Unter 2. LP / SuS gibt Hilfestellung schreiben die Proband*innen, dass die Lehrperson oder die Schüler*innen Hilfestellung geben sollen. Es wird also antizipiert, dass auf einer äusseren Ebene differenziert weden kann, indem Hilfestellung von aussen angeboten wird. Als drittes Unterthema wird bei der Schüler*innenebene genannt, dass hier Anpassungen und Differenzierungen bei den Schüler*innen gemacht werden sollen. Dies kann einerseits eine veränderte Gruppeneinteilung sein, aber auch Anpassungen, welche direkt eine bestimmte Schüler*innengruppe fokussieren. Im Folgenden werden auch hier einige Beispiele dieser Unterteilungen genannt. 1. Inhaltsebene Proband*in 266, Vignette 6

Ich vereinfache die Übung eine Stufe zurück, c) ich stelle bessere Hilfsmittel zur Verfügung.

Proband*in 242, Vignette 8

Z. B. Hindernisbrennball. Und darauffolgend biete ich an, dass jene, die wollen, üben gehen können. Runden joggen. Parallel läuft dann noch etwas anderes.

Proband*in 327, Vignette 16

Timer einbauen und den Rhythmus verlangsamen.

2. Lehrperson und Schüler*innen geben Hilfestellung Proband*in 203, Vignette 6

Oder mit zwei Hilfspersonen.

Proband*in 196, Vignette 17

Danach wechsle ich immer wieder das Gerät, damit ich beiden Gruppen etwa gleich viel helfen kann.

Proband*in 157, Vignette 17

Die Lehrerin kann die Klassenhälfte wechseln und den anderen Schülerinnen Hilfestellungen geben.

232 Resultate

3. Schüler*innenebene Proband*in 315, Vignette 1

Aber auch immer wieder in getrennten Leistungsniveaus (Champions League – Regionalliga) spielen lassen, damit alle auf ihre Rechnung kommen.

Proband*in 361, Vignette 8

Ich würde drei Leistungsgruppen machen, zu denen sich die SuS selber zuteilen können. Die Schnelleren würde ich alleine auf die Strecke lassen (mit einem Chef), die Mittleren ebenso, bei den Langsameren würde ich mitgehen.

Proband*in 345, Vignette 9

Geschlechtergetrennter Unterricht.

i) Klasse und Gruppe versammeln In dieser Ausdifferenzierung beschreiben die Proband*innen, dass sie die Klasse / Gruppe ganz explizit versammeln wollen, damit sie den weiteren Unterrichtsverlauf besprechen oder eine Zäsur einschieben können. Folgende ausgewählte Ankerbeispiele verdeutlichen die Inhalte der Ausdifferenzierung: Proband*in 340, Vignette 11

Ich würde die ganze Klasse zusammennehmen.

Proband*in 358, Vignette 13

Versammlung im Kreis.

Proband*in 149, Vignette 17

Ich gehe zur Balkengruppe, nehme sie zusammen.

5.4  Die praktische Umsetzung der Diskursbeschreibung Wie im Kapitel der Diskursbeschreibung (vgl. Kap. 4.2.3.3) erwähnt, geht es hier einerseits um die Darstellung der zentralen Orientierungen der Ausarbeitungen aus der formulierenden und der reflektierenden Interpretation. Andererseits geht es in diesem Kapitel auch ansatzweise um «die Beschreibung der Form des Diskurses» (Bohnsack, 2014, S. 141). 5.4.1 Die Diskursbeschreibung bei den gedanklichen Auseinandersetzungen Es lässt sich festhalten, dass das Orientierungsmuster der «gedanklichen Auseinandersetzungen» dasjenige Orientierungsmuster mit den meisten Ausdifferenzierungen und Antwortzuordnungen ist.

Resultate 233

Tritt man aus den zahlreichen Ausdifferenzierungen und Ankerbeispielen im Kapitel der reflektierenden Interpretation (Kap. 5.3) nochmals einen Schritt zurück, dann treten die folgenden sechs Ausdifferenzierungen wieder in den Vordergrund: «Gedankliche Auseinandersetzungen» 1. Implizite Normen und Regeln 2. Begründung der U-Gestaltung 3. U-Planung 4. U-Auswertung 5. LP-Handeln 6. SuS-Handeln Die Proband*innen reflektieren ihre Antworten einerseits aufgrund von Normen und Regeln, die im Sportunterricht oder in der jeweiligen spezifischen Klasse (anscheinend) gelten. Sie machen sich aber auch Gedanken über die Unterrichtsgestaltung und zur Planung und Auswertung der beschriebenen Lektion. Eine wichtige Komponente stellt nicht nur die Sache, die unterrichtet wird, dar, sondern das Lehrpersonen- und Schüler*innenhandeln wird ebenfalls (kritisch) reflektiert. Nachfolgend wird versucht, die sechs Gegenhorizonte der «gedanklichen Auseinandersetzungen» in das Modell von Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) und Blömeke und Kaiser (2017) zu integrieren und einzuordnen, um diese Gegenhorizonte anhand eines in der Theorie etablierten Modells (vgl. Kap. 2.6) besser zu verstehen. Unter Dispositions (engl.) (vgl. Abb. 27) sind demnach einerseits die impliziten Normen und Regeln, die Unterrichtsplanung, aber auch das Lehrpersonenhandeln zu verstehen, wie dies bereits Scherler in seinem didaktischen Stern (Scherler, 2004) impliziert hat. Es scheint offensichtlich zu sein, dass impli­zite Normen und Regeln als Disposition von Unterricht gelten, da sie implizit das nachfolgende Tun und Handeln beinflussen. In der Textvignettenstudie ist aber auch die vorangehende Unterrichtsplanung als Disposition von Unterricht aufzufassen, da die Proband*innen gebeten wurden, Antworten zu nennen, die in der Zukunft der beschriebenen Situation liegen,

234 Resultate

weshalb sie sich auf die Unterrichtsplanung der in der Vignette beschriebenen Lehrpersonen beziehen, die sie nicht verändern können. Das Handeln der Lehrperson kann in Bezug auf das vorliegende generische Kompetenzmodell (vgl. Abb. 27) dichotom verstanden werden. Einerseits ist das Handeln der Lehrperson in der Textvignette (aufgrund des Designs der vorliegenden Forschungsarbeit) schlecht veränderbar, weshalb das Lehrpersonenhandeln als Bedingung aufgefasst werden muss, mit der sich die Proband*innen gezwungen sehen, sich auseinanderzusetzen. Andererseits wird gerade am Ende jeder Vignette versucht, eine Antwort oder Lösung zu provozieren, wie die Proband*innen als in der Situation handelnde Lehrperson agieren würden (vgl. Abb. 27). Überdies kann die Begründung der Unterrichtsgestaltung als situationsspezifisch erachtet werden. Je nach Situation (Situation und Kontext; vgl. Kap. 3), welche in der Vignette geschildert wird, ist auch die Begründung der Proband*innen eine etwas andere. Etwas schwieriger ist das Schüler*innenhandeln einzuordnen. Das in der Textvignette beschriebene Tun und Handeln der Schüler*innen ist unveränderbar. Dennoch gibt es Probandenantworten zu den einzelnen Textvignetten, die darauf schliessen lassen, dass je nach provoziertem Schüler*innenverhalten verschiedenartig gehandelt werden soll. Deshalb wurde das SuS-Handeln zwischen den situationsspezifischen Anforderungen und der Performanz angeordnet. Die Unterrichtsauswertung kann letztlich nur abschliessend analysiert werden, wenn der Unterricht bereits durchgeführt wurde. Deshalb wurde diese Ausdifferenzierung aus­serhalb des Modells angeordnet.

Abbildung 27: Einordnung des Orientierungsmusters «Gedankliche Auseinandersetzun­ gen» in die Modellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785).

Resultate 235

Im Folgenden werden auszugsweise einige wichtige Gegenhorizonte, welche charakterisierend für das Orientierungsmuster «Gedankliche Auseinandersetzungen» sind, zusammenfassend mit einigen Ankerbeispielen nochmals spezifischer erklärt. Implizite Normen und Regeln Auffällig beim Gegenhorizont Implizite Normen und Regeln ist, dass die Sek-I-Beginner als einzige Kohorte keine Antworten im Bereich der normativen Rollen und Aufgabenteilung nennt. Offensichtlich orientieren sich Sek-I-Beginner eher noch an ihrem Schüler*innenhabitus (vgl. Hels­ per, 2018). Die Proband*innen nennen bei diesem Gegenhorizont beispielsweise fachliche Inhalte, die sie gänzlich streichen würden. Implizite Normen und Regeln Proband*in 326, Vignette 18; Praxislehrperson

«Abblasen, ich würde niemals Walzer tanzen mit einer Schulklasse.» Offen bleibt, ob diese Lehrperson diesen Inhalt gänzlich vom Lehrplan streichen würde, oder ob sie es nur aufgrund der situativen Begebenheit so begründet hat. Besonders ist in diesem Ankerbeispiel auch der Begriff niemals, der ebenfalls auf eine implizite Norm hinweist. Ebenfalls gibt es Lehrpersonen, die weniger auf die speziellen Inhalte eingehen, sondern die Rahmenbedingungen – beispielsweise die Gruppengrösse – als fix erachten. Implizite Normen und Regeln Proband*in 299, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Allgemein würde ich nicht mehr als fünf Schüler in einem Team spielen lassen. Schüler, die nicht am Spielen sind, werden anderweitig beschäftigt (Seilspringen am Rand, Kraftübungen am Hallenrand).» Implizit wird hier ersichtlich, dass dieser Lehrperson die aktive Bewegungszeit oder die Beschäftigung der Schüler*innen wichtig ist, was durchaus kein Einzelfall in den verschiedenen Antworten darstellt.

236 Resultate

Hinsichtlich dieser impliziten Normen und Regeln werden in den Vignettensituationen auch pragmatische Aussagen gemacht, beispielsweise dass der Schiedsrichter in einem Spiel immer recht hat oder dass nach einigen (offensichtlich uninteressanten) Inhalten (beispielsweise Bodenturnen) auch mal wieder etwas «Vernünftiges» wie etwa Spielen gemacht werden soll. Auch wenn diese auspointierten Beispiele zwar nicht nochmals vorkommen, gibt es Pro­band*innen, welche die Vignetten mit solchen Gedanken kommentiert haben. Darüber hinaus gibt es auch Aussprüche wie: Man könne es sowieso nie allen Schüler*innen recht machen oder aber der Sportunterricht soll inhaltlich vielseitig gestaltet werden. Begründung der Unterrichtsgestaltung Einen weiteren wichtigen Gegenhorizont stellt die Begründung der Unterrichtsgestaltung dar. Er wird in vier Bereiche unterteilt: 1. Fachliche Reflexionen 2. Normative Reflexionen (Lehrplan / Schulinterne Regeln) 3. Fachdidaktische Reflexionen 4. Reflexion über Disziplin und Sanktionen Zu beachten ist, dass die fachdidaktischen Reflexionen einen grossen Teil der Begründungen ausmachen. Die Proband*innen scheinen sich demnach in die aufgezeigte Situation hineinzuversetzen und argumentieren mit fachdidaktischen Massnahmen (vgl. Kap. 5.3.1). Begründungen, die sich auf die im Lehrplan aufgeführten Inhalte beziehen (normative Reflexionen), werden nur am Rande und ausschliesslich von Sek-I- und Sek-II-Beginnern gemacht. Normative Reflexionen (Lehrplan / Schulinterne Regeln) Proband*in 269, Vignette 3, Sek II Beginner

«Denn Bodenturnen steht nunmal auf dem Programm, aber als Lehrperson kann ich die Unterrichtseinheit gestalten und wenn nötig anpassen.»

Resultate 237 Proband*in 224, Vignette 8; Sek I Beginner

«Letztlich kann man die Schüler allerdings nicht zum Teilnehmen des Stadtlaufs zwingen, da ein solcher Ausdauerlauf nicht im Lehrplan vorgesehen ist. Trotzdem müssen die beiden Schüler am Sportunterricht teilnehmen und das Programm mit den anderen Schülern ihrer Klasse absolvieren.» Offensichtlich machen sich die Proband*innen auch einige Gedanken zur Disziplin, Ordnung und Sicherheit im Sportunterricht. Dabei gibt es Situationen, in denen die Probanden häufiger über Sanktionen oder ganz allgemein über die Disziplin nachdenken. Es sind dies vor allem die Vignetten 11 und 14 (vgl. Instrument im Anhang A), in denen sie sich Gedanken darüber machen. In der Vignette 11 handelt es sich um eine Situation, welche gefährlich werden könnte. Dies erkennen die Proband*innen auch und reagieren strikt mit verschiedenen Sanktionen oder disziplinarischen Massnahmen auf die Umstellung des Minitrampolins. Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit und Sanktionen Proband*in 361, Vignette 11; Praxislehrperson

«Ich würde meine volle Aufmerksamkeit der Minitrampgruppe widmen. Mein Sicherheitsdenken verlangt das, dort wird es sonst gefährlich. Die anderen Gruppen scheinen relativ intensiv und geordnet zu üben.» Proband*in 240, Vignette 11; Sek II Beginner

«Ganze Übung abbrechen, auch wenn es Gruppen gibt, die intensiv üben.» Demgegenüber ist die Situation, die in Vignette 14 beschrieben wird, eine etwas andere. Es wird hier grundsätzlich keine gefährliche Situation beschrieben, sondern es geht darum, dass es den Schüler*innen an Ideen und Motivation für das weitere Ausüben der Aufgaben fehlt. Auch wenn sich die Vignette 14 im Wasser resp. im Schwimmunterricht abspielt, lässt nichts dabei vermuten, dass es ohne den Eingriff der Lehrperson gefährlich werden könnte, da die Schüler*innen schwimmen können.

238 Resultate

Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit und Sanktionen Proband*in 242, Vignette 14; Sek I Beginner

«Was ist das Problem? Wer nicht schwimmt, wird bestraft.» Nebst diesen Beschreibungen zum Bereich Disziplin, Ordnung und Sicherheit in den genannten Vignetten gibt es in der Vignette 1 und 3 eine noch etwas andere Differenzierung. Hier geht es weniger um inhaltliche Ideen oder Motivationsprobleme, sondern es geht darum, dass die Schüler*innen die Lehrperson mit einer Frage oder einem Verhalten he­ rausfordern, wodurch die Lehrperson gezwungen wird, irgendeine Art von Handlung zu vollziehen. Die Vignette 1 treibt die Lehrperson implizit zum Handeln an, damit ihre Autorität nicht infrage gestellt wird. Hier geht es der Lehrperson darum, dass Ordnung in den vorübergehend chaotischen Gruppeneinteilungsprozess gebracht wird, wohingegen auch in der Vignette 1 suggeriert wird, dass die Sportlehrperson für ihr Fach und das Bodenturnen einstehen und Position einnehmen soll. In der Vignette 3 scheinen die Jungen eine verbale Antwort zu erwarten, wann denn ihr Lieblingsspiel wieder gespielt wird. Inhalte Vignetten 1 und 3 Proband*in 351, Vignette 1; Sek I Beginner

«Überhaupt nicht mit Abzählen beginnen. Wenn man als LP predigt, man solle faire Teams machen, kann man anschliessend die Teambildung nicht dem Zufall überlassen.» Proband*in 348, Vignette 1; Sek I Beginner

«So werden sie wieder getrennt und merken bald, dass umsetzen nicht viel bringt. Im Stil von «don’t mess with a teacher». :) Proband*in 216, Vignette 3; Sek I Abschluss

«Ich bestimme, was wir machen.» Unterrichtsplanung (U-Planung) und Unterrichtsauswertung (U-Auswertung) Bei der Unterrichtsplanung verweisen die Proband*innen darauf, dass sie einen bestimmten Lösungsweg gehen würden, falls die Bedingungen dafür erfüllt sind. Ersichtlich ist dies da­raus, dass die Antwortsätze der Proband*innen als sogenannte «Entscheidungsketten» formuliert

Resultate 239

werden. Aufgrund dieser Antworten lässt sich erschliessen, dass die Proband*innen vor allem aufgrund von Schüler*innen-Dispositionen entscheiden würden. Hierunter fallen beispielsweise auch das Niveau, auf dem die Schüler*innen sich befinden, und das Verhalten resp. die Motivation der Schüler*innen. Nebst der Disposition der Schüler*innen ist den Proband*innen auch wichtig, ob ihre vorhergehende Lösungsstrategie gefruchtet hat. In der Ausdifferenzierung wird dies Erfolgs-Miss­ erfolgs-Abhängigkeit genannt. Dementsprechend argumentieren die Proband*innen bei einem Misserfolg anders als bei einem Erfolg ihres Lösungsansatzes, worauf in den Lösungsantworten häufig Bezug genommen wird. Nebst diesen zwei wichtigen Abhängigkeiten ist es für einige Proband*innen auch wichtig, je nach Inhalt der Lektion oder nach dem eigenen Können der Lehrperson selbst zu handeln. Schüler*innen-Abhängigkeit Proband*in 176, Vignette 15; Sek I Abschluss

«Ich finde, das kommt sehr auf die Disziplin und Arbeitsweise der Schülerinnen an. Optimalerweise würde ich sagen, sie sollen jeden Posten mindestens einmal ausprobiert haben (mind. 5 Minuten), dürfen aber bei einem Posten längere Zeit verbringen.» Proband*in 207, Vignette 3; Sek II Abschluss

«Finden sie Bodenturnen dennoch doof, …» Erfolgs-Misserfolgs-Abhängigkeit Proband*in 272, Vignette 18; Sek II Beginner

«Wenn das Eis etwas gebrochen ist, kann man die SuS auffordern, die Tanzhaltung einzunehmen.» Proband*in 233, Vignette 1; Sek II Abschluss

«Wenn es gar nicht funktioniert, würde ich die Einteilung nach einem Zufallsfaktor vornehmen (z. B. T-Shirt-Farbe).» Lehrpersonen-Abhängigkeit Proband*in 327, Vignette 9; Praxislehrperson

«Falls es mir sehr wichtig wäre, dass die Gruppen koedukativ bleiben, würde ich in diesem 4er-Team eine einfachere Form (nicht so kraftvoll und auf Schnelligkeit basierend) wählen und allenfalls […].»

240 Resultate Proband*in 330, Vignette 9; Praxislehrperson

«Wenn mir aber die soziale Komponente in dieser Lektion wichtig ist, unterbreche ich das Spiel, erkläre meine Ziele der Lektion nochmals.» Inhaltliche Kontex-Abhängigkeit Proband*in 207, Vignette 4; Sek II Abschluss

«Falls aus irgendeinem Grund die Punktzahl für den weiteren Verlauf der Stunde wichtig ist, dann sollen die Schüler nochmals eine kurze Partie spielen und diesmal wirklich zählen.» Proband*in 237, Vignette 16; Praxislehrperson

«Ist meine Aufgabenstellung zu schwierig und die Musik zu schnell (falls möglich nehme ich eine langsamere Musik), breche ich, nachdem der Zweck des Warm-ups erfüllt ist, ab.» Auch bei der Unterrichtsauswertung scheinen die Proband*innen verschiedene Lösungen bereitzuhalten. Einerseits möchten sie die im Unterricht aufgetragenen Aufgaben am Ende der Unterrichtseinheit oder am Ende der Lektion kontrollieren, oder aber sie nehmen Bezug zur Leistungsbewertung, die entweder strikt per Leistungstabelle geschehen oder auf die Si­tuation angepasst werden soll. Auffällig sind hier zwei verschiedene Sachverhalte. Einerseits nennt niemand der Sek-I-Beginner eine Antwort, die auf die Kontrolle der gestellten Aufgabe abzielt. Diese Probandengruppe gibt zwar einen Auftrag an ihre Schüler*innen, kon­ trolliert oder beobachtet aber letztlich nicht, ob der Auftrag auch wirklich erfüllt wurde. Entweder scheinen sie diese Kontrolle des Arbeitsauftrages in ihren Beschreibungen vergessen zu haben, oder aber sie vertrauen den Schüler*innen blind, sodass sie annehmen, dass der Auftrag nach den selbst erdachten Zielvorstellungen ausgeführt wird. Zweitens ist bei den Beurteilungen zu nennen, dass lediglich bei der Leichtathletikvignette 20 (vgl. Instrument im Anhang A) die Proband*innen beschreiben, dass sie sich strikt an vorgegebene Leistungstabellen halten würden, was in keiner anderen Vignette oder Situation zum Vorschein kommt. Für die in dieser Vignette beschriebene Situation (Leichtathletikvignette) gibt es überdies auch alternative Beurteilungsformen. Diese alternativen Beurteilungsformen lassen sich jedoch auch in anderen Vignetten erkennen.

Resultate 241

Beurteilung strikt per Leistungstabelle Proband*in 224, Vignette 20; Sek I Beginner

«Leider ist es so, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gleich sportlich sind. In anderen Fächern (z. B. Mathematik) werden auch alle Schülerinnen und Schüler gleich behandelt, obwohl nicht alle dieselben mathematischen Fähigkeiten haben.» Proband*in 189, Vignette 20; Sek II Beginner

«Die Notenskala ist schweizweit einheitlich geregelt. Da habe ich nur sehr wenig Einfluss.» Proband*in 193, Vignette 20; Sek I Abschluss

«Leider kann ich den Notenmassstab nicht individuell anpassen und muss die erbrachten Leistungen objektiv bewerten, obwohl die Voraussetzungen einzelner Schüler*innen unterschiedlich sind. In anderen Unterrichtsfächern wie beispielsweise Mathe werden auch nur die Leistungen, die tatsächlich erbracht werden, bewertet.» Proband*in 215, Vignette 20; Sek II Abschluss

«Im Hinblick auf diese Problematik ist immer der Hintergrund wichtig, wie das Schulfach Sport sich im Zeugnis niederschlägt. In Anbetracht, dass eine schlechte Leistung in anderen Fächern auch eine 1 gibt, kann auch eine schlechte Leistung im Sport eine 1 geben, ob jemand antritt oder nicht. In Mathematik kann man auch nicht einfach eine Mindestnote von z. B. einer 2 erhalten, nur wenn man an der Prüfung erscheint.» Proband*in 238, Vignette 20; Praxislehrperson

«Eine 1 ist eine (Leistungs)note und zeigt, wie gut man / frau in der Ausdauer ist, egal ob er / sie sich angestrengt hat oder nicht, ob er / sie übergewichtig ist oder nicht!» Lehrpersonenhandeln (LP-Handeln) In diesem Gegenhorizont machen die Proband*innen einerseits Bezüge zum eigenen unterrichtlichen Handeln. Andererseits geben einige Proband*innen an, dass sich die Lehrperson in der jeweiligen Situation bei ausgewählten Vignetten als Motivator einschalten sollte oder sie kritisieren gar das Verhalten der Lehrperson im beschriebenen Critical Inci­ dent (dies häufig in der Vignette 6 und 16, vgl. Instrument im Anhang A).

242 Resultate

Bezug zu eigenem Unterricht (zu eigener Meinung) machen Proband*in 227, Vignette 4; Praxislehrperson

«Diese Situation kenne ich grundsätzlich gut. Meine Beobachtung bei den Mädchen ist, dass sie nicht unbedingt diese Competition brauchen, damit eine Übung funktioniert. – Ich lasse es darum so stehen und gehe nicht weiter auf die Punkte ein. Es ist mir wichtiger, dass die Schüler*innen die Übung intensiv und gemäss den Regeln richtig machen.» Die Lehrperson soll motivieren Proband*in 174, Vignette 17; Sek II Beginner

«Schülerinnen das Gefühl geben, dass sie nicht einfach alleine gelassen werden, bzw. Aufgaben stellen, welche die Autonomie, Verbundenheit resp. Kompetenz fördern ––> grössere intrinsische Motivation, grössere Beteiligung.» Eigene Fehler der Lehrperson im Beispiel thematisieren Proband*in 217, Vignette 6; Sek II Abschluss

«Andererseits darf man als Lehrer auch Fehler eingestehen und eine andere Übung wählen.» Schüler*innenhandeln Dieser Gegenhorizont charakterisiert sich dadurch, dass die Proband*in­ nen einerseits nennen, wie sie sich in der jeweilig beschriebenen Situa­ tion in die Schüler*innen hineinversetzen können, und andererseits, dass sie in vielen Bereichen die Verantwortung auch ihren Schüler*innen abgeben möchten. Wenn sich die Proband*innen in ihre Schüler*innen hineinversetzen (Ausdifferenzierung Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen), dann sind das nicht spezifische Vignetten resp. ausgewählte Situationen. Die Gedanken der Proband*innen sind in den unterschiedlichsten Si­ tuationen auf das Befinden und auf das gerichtet, was die Schüler*innen (wohl) denken, fühlen oder wollen. Demgegenüber ist das Thema Verantwortung den SuS abgeben weniger häufig zu finden, jedoch ebenfalls in unterschiedlichen Critical Incidents und nicht in Abhängigkeit einer spezifischen Sportart oder Situation anzutreffen.

Resultate 243

5.4.2  Die Diskursbeschreibung bei den verbalen Massnahmen Als zentrale Orientierung lässt sich festhalten, dass das Orientierungsmuster der verbalen Massnahmen – wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt – nicht so stark ausdifferenziert ist. Grundsätzlich gibt es zwei zentral zu unterscheidende Gegenhorizonte. Einerseits, wenn die Proband*innen auf die zweiseitige (verbale) Lehrpersonen-Schüler*innenInteraktion eingehen, und andererseits, wenn beschrieben wird, wie die einseitige (verbale) Lehrpersonen-Interaktion zu erfolgen hat. Die (impliziten) Normen und Annahmen nehmen innerhalb dieses Orientierungsmusters der verbalen Massnahmen einen sekundären Stellenwert ein. «Verbale Massnahmen» 1. LP-SuS-Interaktion (zweiseitige Interaktion) 2. (Implizite) Normen und Annahmen 3. LP-Intervention (einseitige Interaktion) Das Orientierungsmuster der verbalen Massnahmen ordnet sich sehr gut in den didaktischen Stern nach Scherler (2004) ein. Unter Bedingungen lassen sich die (impliziten) Normen und Annahmen zuordnen. Die Inter­ ventionen der Lehrperson (LP-Intervention) lassen sich zu den Inhalten und die Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktionen (LP-SuS-Interaktion) in den Bereich der Schüler*innen nach Scherler einordnen. Bei Letzterem geht es in den einzelnen Ausdifferenzierungen mehrheitlich nicht nur um die Schüler*innen selbst, sondern um die Interaktion der Schüler*innen mit der jeweilig unterrichtenden Lehrperson. Die drei Gegenhorizonte können aber auch in Bezugnahme des generischen Kompetenzmodells nach Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) und Blömeke und Kaiser (2017) diskutiert werden (vgl. Abb. 28). Wie auch bereits innerhalb des Orientierungsmusters der gedanklichen Auseinandersetzung lassen sich die Aussagen zu den (impliziten) Normen und Annahmen zum Bereich der Dispositions einordnen.

244 Resultate

Abbildung 28: Einordnung des Orientierungsmusters «Verbale Massnahmen» in die Model­ lierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785).

Weniger klar scheint die Einordnung bei der Lehrpersonen-Schüler*innenInteraktion und der Lehrpersonen-Intervention zu sein. Einerseits sind das situationsspezifische Anforderungen, die bei den Lehrpersonen gefragt sind, andererseits ist es auch das beobachtbare Verhalten, das gezeigt wird. Im Beispiel der Textvignetten werden die zwei Gegenhorizonte unter den situationsspezifischen Anforderungen betrachtet, wie einige nachstehende konkrete Beispiele zeigen werden. Wird die Gesamtheit dieses Orientierungsmusters der verbalen Massnahmen betrachtet, lässt sich feststellen, dass sich die Proband*innen viele Gedanken dazu gemacht haben, wie die Lehrperson im jeweiligen Critical Incident verbal hätte reagieren müssen. Denn diese Antworten der Lehrpersonen werden sehr stark ausdifferenziert. Demgegenüber stehen die Antworten zu den Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktionen, welche weit weniger ausdifferenziert sind als die erstgenannten Antworten. Ein Grund dafür könnte sein, dass zu wenig Hintergrundinforma­ tionen zu den Schüler*innen vorhanden sind. Die Lehrpersonen können sich demzufolge kein genaues Bild über das Agieren und die Dynamik der Schüler*innen machen, was auch das folglich antizipierte interaktive Handeln mit den Schüler*innen nicht vorhersehbar macht. Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktion (LP-SuS-Interaktion) Die Antworten bei den Lehrpersonen-Schüler*innen-Interaktionen lassen sich in zwei Gegenhorizonte einteilen. 1. Entweder gibt die Lehrperson

Resultate 245

einseitig den Schüler*innen eine verbale Rückmeldung, oder sie sucht 2. aktiv das Gespräch mit den Schüler*innen und erwartet eine zweiseitige Interaktion mit der Schüler*innenschaft, welche insbesondere bei der Ausdifferenzierung Diskutieren / Besprechen / Erklären lassen zu finden sind. Interessant ist hierbei auch, dass es keine Vignette gibt, in der keine Diskussionen stattfinden, so wie es die Proband*innen in ihren Antworten antizipieren. Das kann einerseits sehr positiv interpretiert werden, dass die Lehrpersonen in den Critical Incidents auch das Gespräch mit den Schüler*innen suchen, andererseits könnte es auch heissen, dass durch diese Diskussionen der eigentliche Inhalt zu fest in den Hintergrund gesetzt wird – worauf ein Augenmerk gelegt werden müsste. Im Pendant dazu gibt es aber auch Lehrpersonen, die sich konkret dafür entscheiden, in gewissen Situationen nicht zu diskutieren und somit nicht mit ihren Schüler*innen über den jeweiligen Sachverhalt oder Inhalt zu diskutieren. Nicht diskutieren Proband*in 287, Vignette 8; Sek II Beginner

«Auf die Diskussion, ob die beiden Schüler mitlaufen oder nicht, würde ich mich nicht einlassen. Der einzige Deal, den ich mir vorstellen könnte, wäre das Festlegen von kurzen Abschnitten, in denen sie gehen / spazieren dürfen, sofern sie überfordert sind. Das gilt dann aber für alle anderen SuS auch.» Proband*in 259, Vignette 3; Sek I Abschluss

«Ich würde nicht mit den SuS diskutieren, weil ich weiss, dass wir am Ende der Lektion noch spielen werden und ihnen das auch mitteile.» Proband*in 198, Vignette 14; Sek I Abschluss

«Über die 15 Minuten schwimmen lasse ich grundsätzlich aber nicht mit mir diskutieren.»

246 Resultate

Andere Proband*innen wiederum wollen ihre Schüler*innen herausfordern. SuS herausfordern Proband*in 360, Vignette 11; Sek II Beginner

«Jungs, seid ihr unterfordert? Dann stell ich euch noch eine etwas schwierigere Aufgabe. ––> Überschlag über Kasten, Rondat etc. …» Proband*in 262, Vignette 3; Sek I Beginner

«Warum ist das Mädchensport? Man trainiert Körperspannung und Körperkontrolle. Wenn das die Jungs bereits können, kann man ja was anderes machen. Beweist mir, dass ihr das denn könnt.» Proband*in 257, Vignette 3; Sek I Beginner

«Nur weil du es nicht kannst, ist es noch lange kein Weibersport. ;) Beispiele von bekannten, guten Bodenturnern bringen.» Auffallend bei all diesen Beispielen ist zudem, dass diese Antworten zu SuS herausfordern fast ausschliesslich von Sek-I- und Sek-II-Beginnern stammen. Eine Vermutung darüber könnte sein, dass sich diese Proband*innen aufgrund ihres eher geringeren Alters und der wenigen Berufserfahrung näher bei den Schüler*innen fühlen, sodass sie diese im Sinne eines Kräftemessens herausfordern wollen, wohingegen die berufsälteren Kolleg*innen sich nicht gezwungen fühlen, ihre Position gegenüber den Schüler*innen zu verteidigen. Geltende Normen und Annahmen ([Implizite] Normen und Annahmen) Dieser Gegenhorizont ist bei den verbalen Massnahmen etwas in den Hintergrund zu rücken. Themen, welche hier angesprochen werden, sind beispielsweise, dass der Schiedsrichter zwar immer recht hat, aber auch mal eine Fehlentscheidung treffen kann. Oder auch, dass es keine Mädchen- und Jungensportarten gibt, sodass die Proband*innen erklären, dass alle Sportarten genderneutral sind, aber auch, dass alle Sportarten von allen Schüler*innen ausgeführt werden können. Einige Schüler*innen seien halt besser als andere und hätten vielleicht auch ein anderes Leistungsvermögen.

Resultate 247

Lehrpersonen-Intervention (LP-Intervention) Dieser Gegenhorizont wird sehr stark ausdifferenziert. Vor allem geben hier die Proband*innen sehr häufig Erklärungen, Anweisungen oder appellieren an die Schüler*innen. Erklärungen fallen überall dort an, wo einerseits etwas unklar (Inhalte, Ziele) oder unsicher (in Bezug auf die Sicherheit) ist, oder an denjenigen Stellen, an denen die Lehrpersonen ihr Handeln den Schüler*innen erklären möchten. Hier greifen die Lehrpersonen auf vier unterschiedliche Erklärungsansätze zurück. Sie wollen ihr Handeln begründen durch 1. fachdidaktische Ansätze, 2. inhaltlich-organisatorische Ansätze, 3. nor­ mative Ansätze oder 4. fachliche Ansätze. Auch wenn für die vorliegende Untersuchung die fachdidaktischen Begründungen von höchstem Interesse sind, nehmen sie bei den Erklärungen der Lehrpersonen an ihre Schüler*innen einen geringen Stellenwert ein. Wahrscheinlich deshalb, weil die Schüler*innen fachdidaktische Erklärungen nicht optimal einschätzen können. Einen weit wichtigeren Stellenwert nehmen die fachlichen und inhaltlich-organisatorischen Be­ gründungen ein. Diese sind auch für die Schüler*innen nachvollziehbar und begründen das Handeln der Lehrperson meist sachlich und einfach. Beispielsweise würden die Proband*innen den Schüler*innen die Wichtigkeit des Aufwärmens vor einer Geräteturnsequenz erläutern oder ihnen erklären, wie der biologische Vorgang im Körper mit den Energiereserven, mit Fettstoffwechsel und Ausdauertraining zusammenhängt. Bei den inhaltlich-organisatorischen Begründungen sind es Erklärungen zum Aufbau der Stunde oder des Lektionenziels. Anweisungen werden wiederum vor allem dann gemacht, wenn die Situation nicht ganz klar zu sein scheint, oder wenn die Lehrperson die Schüler*innen zu mehr Bewegung und Aktivität animieren möchte. Ein Element, das bei Anweisungen geben häufig vorkommt, ist der Umstand, dass die Proband*innen schreiben, dass sie klare Anweisungen und klare Arbeitsaufträge den Schüler*innen geben würden. Dies lässt vermuten, dass sie den Grund der Irritation darin sehen, dass die Aufträge für die Schüler*innen in den jeweiligen Beispielen nicht ganz klar sind. Solche

248 Resultate

Formulierungen mit dem Begriff «klar» werden fast ausschliesslich von solchen Proband*innen gemacht, welche eher Unterrichtserfahrung mitbringen. Einige Beispiele daraus lassen sich der folgenden Aufstellung entnehmen: Anweisungen Proband*in 316, Vignette 4; Praxislehrperson

«Die Zählweise klar definieren.» Proband*in 251, Vignette 3; Sek II Beginner

«Klare Anweisungen am Anfang, in welchem Rahmen man turnen wird, wie lange die Unterrichtseinheit dauert.» Proband*in 351, Vignette 18; Sek I Abschluss

«Klar die SuS mit Namen ansprechen und ihnen Positionen zuteilen.» Proband*in 330, Vignette 18; Praxislehrperson

«Der Lehrer soll klare Anweisungen geben, auf welche Linie der Halle sich die SuS stellen sollen.» Proband*in 216, Vignette 14; Sek I Abschluss

«Klare Anweisungen geben und eine Abmachung treffen: Jetzt 15 Minuten schwimmen, dann Vergnügen!» Als Ergänzung zu den (klaren) Anweisungen kann die Ausdifferenzierung des Appellierens / Ermahnens und der Moralpredigt gesehen werden. Vor allem wenn es um die Uhrzeit des Beginns der Lektion geht, weisen die Lehrpersonen häufig darauf hin, dass die Schüler*innen wissen sollten, dass der Unterricht pünktlich beginnt und dass alle pünktlich in der Halle zu erscheinen haben. Es scheint, dass die Proband*innen hier alle ihre eigene Meinung vertreten, unabhängig ihrer Ausbildungsstufe oder unabhängig ihrer Erfahrung.

Resultate 249

Appellieren / Ermahnen Proband*in 349, Vignette 13; Sek I Beginner

«Man müsste sie darauf hinweisen, dass man pünktlich zum Unterricht zu erscheinen hat. Besonders effektiv ist immer, zu sagen (auch zu machen), dass man am Ende der Stunde die verlorene Zeit noch dranhängt.» Proband*in 346, Vignette 13; Sek I Abschluss

«Jedoch werde ich betonen, dass es der anderen Hälfte der Klasse möglich war, pünktlich zu sein. Was zeigt, dass ich das von allen SuS erwarten kann bzw. darf.» Proband*in 341, Vignette 13; Sek II Beginner

«Erst am Ende der Stunde nehme ich diejenigen SuS noch kurz zu mir und erkläre ihnen, dass wir pünktlich beginnen. Versuche, ihnen klarzumachen, dass die ganze Klasse darunter leidet und nicht pünktlich aus hat, wenn immer die Gleichen zu spät kommen. Ich versuche, mit ihnen eine Abmachung zu treffen, was es für Konsequenzen hat, wenn sie weiterhin zu spät kommen.» Proband*in 167, Vignette 13; Sek II Abschluss

«Warten, bis sie da sind, und ihnen klarmachen, wie es sein muss mit der Pünktlichkeit.» Proband*in 312, Vignette 13; Praxislehrperson

«2. Mit einer Warnung, dass das nächste Mal die Tür nach Unterrichtsbeginn verschlossen ist und es eine unentschuldigte Absenz gibt.» Eine Begründung für das letzte Ankerbeispiel könnte sein, dass in den Schweizer Schulsystemen der Pünktlichkeit ein grosser Wert zugesprochen wird und dies alle Proband*innen am eigenen Leib gezwungenermassen erfahren haben und implizit auch daraufhin sozialisiert wurden. Dies verweist auf den Umstand, dass der Schülerhabitus (Sozialisation von Pünktlichkeit) noch weit in den Berufshabitus hineinwirkt. Auch in der Vignette 8 (vgl. Instrument im Anhang A) geben die Proband*innen an, dass sie die Schüler*innen loben und ermutigen wollen. In dieser Vignette geht es darum, dass die Schüler*innen am alljährlichen Stadtlauf teilnehmen müssen, worauf ein Schüler sagt, dass sie das sowieso nicht schaffen, weil sie «viel zu fett» seien. Damit beschreibt

250 Resultate

die Vignette 8 sehr gut eine Situation, bei der Motivation und positive Bekräftigung angebracht und sogar sehr erwünscht ist. Eine weitere wichtige Ausdifferenzierung scheint diejenige der Eigene Fehler eingestehen zu sein. Vor allem zur Vignette 6 (vgl. Instrument im Anhang A) schreiben die Proband*innen, dass sie hier einen Fehler ihrerseits gegenüber den Schüler*innen eingestehen würden. In dieser Vignette wird beschrieben, dass die Lehrperson sich beim Vorzeigen Schmerzen zugefügt hat. Dies wird an der Beschreibung sichtbar, dass erklärt wird, dass die Lehrperson in der beschriebenen Sequenz das Gesicht voller Schmerzen verzieht. Darauf antworten die Proband*innen in unterschiedlicher Weise: Eigene Fehler eingestehen Proband*in 207, Vignette 6; Sek II Abschluss

«Ich würde versuchen, die Bedenken der Schülerinnen aus dem Weg zu räumen, indem ich zugebe, dass meine Demonstration wohl misslungen sei.» Proband*in 178, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Also setze ich mich zu ihnen und erkläre ihnen, was mir wehtut und wieso ich mich verletzt habe.» Proband*in 148, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Ich gebe zu, dass ich die Übung nicht ganz richtig vorgezeigt habe und wohl auch nicht vorzeigen kann. Angst muss aber niemand haben, weshalb vor der eigentlichen Übung die SuS sich ohne Sprung auf die Matte fallen lassen dürfen. Die Lehrperson steht nebendran und hilft.» Proband*in 173, Vignette 6; Sek II Beginner

«Der Klasse klarmachen, dass das Vorgezeigte nicht dem idealen Bewegungsablauf entsprochen hat. Also zugeben, dass man es nicht korrekt vorgezeigt hat. Diese Situation gleich als Fehlerbild nutzen (so sollte es nicht sein). Der Klasse muss weiter klargemacht werden, dass bei korrekter Ausführung der Übung kein Gesundheitsrisiko besteht.»

Resultate 251

5.4.3 Die Diskursbeschreibung bei den antizipierten Handlungen Das Orientierungsmuster der «antizipierten Handlungen» lässt sich grundsätzlich in zwei Bereiche aufteilen. Einerseits schreiben die Proband*innen, dass sie an der Situation etwas ändern möchten, respektive die Situa­ tion soll dementsprechend angepasst und verändert werden. Andererseits entscheiden sich in den Antworten auch einige Proband*innen aktiv dazu, dass sie vorerst nicht eingreifen und die Situation nicht anpassen würden. Quantitativ sind dies aber weniger Antwortbeiträge als bei denjenigen, welche versuchen, aktiv die Situation anhand einer adäquaten Antwort zu verändern. «Antizipierte Handlungen» 1. Prozess beibehalten 2. Prozess ändern Der erste Gegenhorizont wird mit Prozess beibehalten und der zweite Gegenhorizont mit Prozess ändern beschrieben. Wird erneut das generische Kompetenzmodell nach Blömeke, Gustafsson und Shavelson (2015a) und Blömeke und Kaiser (2017) betrachtet, so fällt auf, dass der Gegenhorizont Prozess ändern ganz klar in die situationsspezifischen Anforderungen eingeordnet werden kann, wogegen der Gegenhorizont Prozess beibehalten Aussagen zur allgemeinen Planung dieses beschriebenen Unterrichts beinhaltet, weshalb dieser Gegenhorizont auch in die Dispositionen eingeordnet werden kann (vgl. Abb. 29).

Abbildung 29: Einordnung des Orientierungsmusters «Antizipierte Handlungen» in die Mo­ dellierung der Kompetenz als ein Kontinuum nach Blömeke und Kaiser (2017, S. 785).

252 Resultate

Prozess beibehalten Diejenigen Proband*innen, welche sich dafür entscheiden, den Prozess beizubehalten, erklären, dass sie zuerst einmal noch nicht eingreifen würden und der jeweiligen Situation etwas Zeit geben möchten, bevor sie etwas ändern. Dies kann auch dahingehend interpretiert werden, dass sie versuchen, die Situation erst einmal zu ertragen, und selber einige Lösungsvarianten überdenken wollen, bevor sie die Situation ändern wollen. Einige Ankerbeispiele sollen diese Beschreibung verdeutlichen: Prozess beibehalten Proband*in 205, Vignette 1; Sek II Beginner

«Unbeirrt mit dem Durchzählen fortfahren.» Proband*in 224, Vignette 11; Sek I Beginner

«Danach lasse ich die Lektion weiterlaufen und habe ein spezielles Auge auf die Gruppe am Minitrampolin.» Proband*in 287, Vignette 12; Sek II Beginner

«Ich würde die Geräte weiter aufstellen und die Mädchen weiter allein aufwärmen lassen. Sicherlich würde ich die Bewegungsvariation weiterhin beobachten und, sobald ich die Geräte aufgebaut habe, die Gruppe versammeln.» Proband*in 360, Vignette 13; Sek II Beginner

«Ich beginne den Unterricht und lasse mich nicht gross von den zu Spätkommern stören.» Proband*in 346, Vignette 13; Sek I Abschluss

«Ich würde mir die Namen der SuS, die zu spät sind, notieren. Danach würde ich die Stunde gemeinsam mit der gesamten Klasse beginnen.» Proband*in 237, Vignette 16; Praxislehrperson

«Ich mache mit dem geplanten Stundenverlauf weiter … und benutze das nächste Mal eine einfachere Musik.»

Resultate 253

Prozess ändern Der Gegenhorizont Prozess ändern ist viel weiter ausdifferenziert als der Gegenhorizont Prozess beibehalten. Folgende Überthemen für Lösungsvarianten innerhalb dieses Gegenhorizonts haben die Proband*innen häufig genannt: Inhalte anpassen, Gruppeneinteilungen anpassen, dis­ ziplinarische Massnahmen ergreifen und auch zu den Partizipationsfor­ men haben sie sich häufig Überlegungen gemacht. Deshalb werden im folgenden Abschnitt diese Lösungsvarianten genauer thematisiert. Unter Inhalte anpassen werden unter anderem Regeländerungen, Übun­ gen wiederholen, Abbruch / Unterbruch der Übung, Aufgabe / Bewegung aufzeigen und Übung / Variation ermöglichen genannt. Dies sind alles Massnahmen, welche auf eine kurzzeitige Änderung der Situation fokussieren. Die Massnahme einer Regeländerung wurde insbesondere in der Vignette 9 genannt (vgl. Instrument im Anhang A), wobei es darum geht, dass die Jungen den Mädchen den Handball nicht abgeben wollen, sodass die Mädchen im Spiel aussen vor gelassen werden. In dieser Vignette wird deshalb häufig damit geantwortet, dass eine Anpassung der bestehenden Regeln geschehen muss. Regeländerung Proband*in 174, Vignette 9; Sek II Beginner

«Je nach Ziel der Stunde / Unterrichtseinheit würde ich die Regeln anpassen: Geht es um Fairness / Fairplay / Zusammenspiel etc., würde ich die Regeln verschärfen. Jeder zweite Pass an ein Mädchen, sonst wird abgepfiffen und der Ball wechselt ins andere Team. D. h. auch jedes Tor von einem Jungen muss durch einen Pass von einem Mädchen an einen Jungen erfolgen.» Proband*in 148, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Knabentore zählen gar nicht. – Alle müssen den Ball einmal bekommen und weiterpassen, bevor aufs Tor geschossen werden kann. – usw.»

254 Resultate Abbildung Seite 179: okay

Proband*in 351, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Zusatzregel: Tore zählen nur, wenn mindestens 2 Pässe an Mädchen gespielt wurden.»

Praxislehrpersonen

Sek I Beginn

Sek II Beginn

Summe

Antizipierte Handlungen Regeländerung

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Sieht man sich die Antworten der Praxislehrpersonen und der Sek-IIAbschliessenden in dieser Vignette an, so antworten sie nicht so häufig mit einer Regelanpassung wie die anderen Proband*innen.

6

15

8

14

24

134

Abbildung 30: Übersicht über die (Anzahl) der Regeländerungen, ausdifferenziert nach Ko­ horten. 29

Werden die Antworten betrachtet, welche die Sek-II-Abschliessenden (6 Nennungen) und die Praxislehrpersonen (8 Nennungen) geben, stellt man fest, dass die Antworten vorwiegend darauf abzielen, dass alle Schüler*innen vor einem Torwurf den Ball berührt haben müssen, und weniger darauf, dass beispielsweise Jungentore gar nicht zählen, so wie es beispielsweise von Proband*in 148 erwähnt wurde. Regeländerung Proband*in 150, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Ich würde die Regel einführen, dass jeder Spieler und jede Spielerin einmal den Ball berühren muss, damit das Tor zählt.» Proband*in 203, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Regel einführen, dass vor einem Abschluss jede Mitspielerin und jeder Mitspieler mindestens einmal in Ballbesitz gewesen sein muss. Alternativ können die Gruppen so geändert werden, dass jeweils zwei Leistungsniveaus vorhanden sind. Z. B. Amateure spielen gegen Amateure und Profis gegen Profis, die Einschätzung geschieht durch die SuS selbst.» 29

Auch wenn es in der Dokumentarischen Methode weniger um quantitative als um qualitative Angaben geht, scheint an einigen Stellen der Auswertung ein Blick auf die Anzahl der Nennungen interessant.

Resultate 255 Proband*in 204, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Anstatt Mädchentore doppelt zu zählen, könnte man eine Regel erfinden wie: Tore können nur erzielt werden, wenn vorher jeder der Mannschaft den Ball mindestens einmal berührt hat.» Proband*in 221, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Neue Regel einführen: Schüler müssen 5 × passen, bevor ein Tor erzielt werden darf (oder einfach so viel, dass jeder Schüler und jede Schülerin den Ball einmal passen kann). – Neue Regel: In jedem Spielzug soll ein Mädchen integriert werden.» Proband*in 337, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Nach zwei Toren oder nach drei Minuten Spielzeit wechseln die Mannschaftsmitglieder.» Proband*in 274, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Ich würde die Regeln so anpassen, dass jeder Spieler / jede Spielerin den Ball berührt haben muss, bevor ein Tor geworfen werden kann, ansonsten zählt es nicht.» Regeländerung Proband*in 229, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich würde wohl eine Zusatzaufgabe für die Hälfte der Klasse geben, z. B. jonglieren und dann wechseln, oder aber jeder Knabe muss einem Mädchen zuspielen und jedes Mädchen einem Jungen.» Proband*in 231, Vignette 9; Praxislehrperson

«Diese spielen für ihre ursprünglichen Teams (4 blaue Jungs – 4 weisse Jungs) und 4 blaue Mädchen – 4 weisse Mädchen. So sammeln die blauen Spieler*innen Punkte und die weissen auch. Wer gewinnt am Schluss?» Proband*in 232, Vignette 9; Praxislehrperson

«Neue Regel: Tore zählen nur, wenn ein Mädchen während der Angriffsauslösung beteiligt war. Oder nur Mädchentore zählen, oder immer wenn ein Junge ein Tor geschossen hat, muss das nächste Tor ein Mädchen erzielen, sonsts zählt es nicht etc. …»

256 Resultate Proband*in 238, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich ändere die Regeln. Jede Person muss vor dem Torschuss den Ball berührt haben.» Proband*in 313, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich stelle folgende Regel auf, dass nach einem Tor eines Jungen das nächste Tor von einem Mädchen erzielt werden muss.» Proband*in 330, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich mache weitere Vorgaben: z. B. jede Person hat bei jedem Angriff mindestens einmal den Ball in den Händen.» Proband*in 361, Vignette 9; Praxislehrperson

«Wie z. B. bei den Blauen hat x immer zwei Leben oder so; versuchen, ein Gleichgewicht herzustellen.» Proband*in 361, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich würde vorgeben, dass vor jedem Tor alle Spieler eines Teams den Ball mindestens einmal gepasst haben müssen, oder Doppelpässe Mädels – Jungs zählen doppelt etc.» Innerhalb der Ausdifferenzierung Inhalte anpassen ist es den Proband*innen nebst den Regel­änderungen ebenfalls wichtig, dass sie jeweils Übung und Variation ermöglichen und dass sie die Aufgabe oder die Bewegungssequenz aufzeigen können. Bei Ersterem ist wichtig, dass den Schüler*innen das Üben erst überhaupt ermöglicht wird und dass die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Aber dabei ist auch wichtig, dass sie die jeweilige Übung variieren und anpassen können. Folgende Zusammenstellung soll einen Einblick in diese Unterscheidung geben: Üben ermöglichen Proband*in 174, Vignette 11; Sek II Beginner

«Den intensiv übenden anderen würde ich noch einige Minuten geben. Am Schluss können alle zusammen die restlichen drei Geräte aufräumen.» Proband*in 362, Vignette 14; Sek I Beginner

«Dabei wird die Schwimmdauer von 15 Min. auf knapp 30 Min. erhöht.» Proband*in 208, Vignette 17; Sek II Beginner

«Ich lasse die Gruppe am Stufenbarren weiter üben und arbeite mit der Gruppe am Schwebebalken.»

Resultate 257

Übung ändern / variieren Proband*in 296, Vignette 3; Sek II Beginner

«Evtl. könnte man (wenn noch weitere Lektionen Bodenturnen oder Geräteturnen geplant sind) z. B. statt Geräteturnen auch Parcours einbinden lassen.» Proband*in 337, Vignette 5; Sek II Abschluss

«Dann würde ich einen erneuten Versuch, evtl. auch mit anderen Schiedsrichterinnen (wenn die alten nicht mehr möchten), starten.» Proband*in 358, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Ich würde die Übung auf später verschieben und mit ein paar Basicübungen beginnen (z. B. Rollen vw / rw über die dicke Matte / über orange Matten etc.).» Proband*in 347, Vignette 8; Sek I Abschluss

«Während dem Joggen würde ich zu Beginn vorauslaufen, um das Tempo anzugeben. Nach einiger Zeit würde ich dann einem schnellen Schüler den Zielort erklären, um mit den beiden dicken Kindern mitlaufen zu können.» Die Ankerbeispiele zeigen differenziert auf, dass es den Proband*innen nicht nur wichtig ist, dass die Schüler*innen genug und viele Übungsmöglichkeiten bekommen, sondern auch, dass sie variationsreiche Übungen den Schüler*innen aufzeigen können, damit diese ihre bestmögliche Leistung erbringen können. Eine weitere wichtige Ausdifferenzierung stellt das Thema Disziplinari­sche Massnahmen dar. So gibt es Situationen, bei denen die Proband*innen nicht eine inhaltliche Anpassung oder Änderung sehen, sondern sie reagieren mit einer Massnahme, welche auf die Disziplin gerichtet ist. Dabei gibt es Vignetten, bei denen diese Lösungsvarianten nie genannt wurden, und andere, welche sehr häufig eine disziplinarische Massnahme als Lösung heranziehen. Beispielhaft ist dafür die Vignette 11 (vgl. Instrument im Anhang A) zu betrachten.

258 Resultate

Disziplinarische Massnahmen Proband*in 287, Vignette 11; Sek II Beginner

«Ich würde wahrscheinlich mit einem Pfiff signalisieren, dass das nicht geht und den Jungs zeigen, dass ich alles im Blick habe. Sofern das nicht hilft, würde ich vermutlich den Jungs das Trampolin wegstellen und sie zum Abbauen der Station anweisen.» Proband*in 347, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Vielleicht würde ich sie zusätzlich noch bestrafen, indem sie alleine alle Geräte versorgen müssen, während die anderen schon gehen dürfen.» Proband*in 316, Vignette 11; Praxislehrperson

«Die betroffenen Knaben vor der Klasse das in dieser Stunde Erarbeitete vorturnen lassen.» Proband*in 276, Vignette 11; Sek I Beginner

«Ich würde die Anlagen aufräumen lassen, an den Rand der Halle stehen und die Schüler*innen für den Rest der Lektion im Kreis joggen lassen.» Proband*in 230, Vignette 11; Praxislehrperson

«Ich würde die Jungs aus der Halle stellen – diskussionslos!» Proband*in 232, Vignette 11; Praxislehrperson

«Ich verbanne die Jungs von der Trampolinanlage und verdonnere sie entweder zum Zuschauen oder lasse sie eine kurze Reflektion schreiben.» Proband*in 222, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Ich würde ihnen das weitere Trainieren am Trampolin für diese Lektion verbieten und sie stattdessen mit einer Strafaufgabe beschäftigen, die sie am Ende der Lektion vorstellen müssen, und zwar zum Thema Sicherheit im Sportunterricht, insbesondere im Geräteturnen, und allfällige Konsequenzen durch Nichtbefolgen.» All diese Ankerbeispiele zeigen auf, dass bei einer einzigen Vignette (hier die Vignette 11) im Bereich von disziplinarischen Massnahmen eine gros­ se Menge an unterschiedlichen Antwortmustern zu sehen ist. Dabei geht es den Proband*innen offensichtlich einerseits um Sicherheitsaspekte, worauf sie mit einer disziplinarischen Massnahme reagieren, damit den Schüler*innen gezeigt wird, dass es wirklich sehr gefährlich ist, andererseits geht es auch darum, dass mit dem Ausführen von disziplinarischen Massnahmen gezeigt wird, dass die Lehrperson in der

Resultate 259

Sporthalle das Sagen hat – somit geht es in all jenen Beispielen um einen Autoritätsbeweis. Dieser Autoritätsbeweis wird unterschwellig auch mit Lösungsmöglichkeiten hergestellt, indem diese Jungengruppe (eventuell beschämend) die gelernten Inhalte der Lektion am Ende der Stunde ihren Mitschüler*innen vorturnen muss. Ergänzend kommt hinzu, dass es einige Lösungsvarianten gibt, welche das Verhalten der auffälligen Jungengruppe mit einer Kollektivstrafe für die ganze Klasse bestrafen würden (vgl. Beispiel von Proband*in 276 in der Vignette 11). Eine weitere wichtige Ausdifferenzierung stellt diejenige der Gruppen­ einteilung anpassen dar. Solche Antworten werden in ganz unterschiedlichen Vignetten genannt. Gruppeneinteilung anpassen Proband*in 165, Vignette 1; Sek II Beginner

«Ein Spiel oder eine Aufgabe machen, woraus Gruppen gebildet werden.» Proband*in 149, Vignette 1; Sek II Abschluss

«Was ich aber von Beginn weg anders machen würde: Es werden zwei SuS bestimmt. Der eine macht zwei faire Teams und der andere darf sich das Team aussuchen. Derjenige, der die Teams gemacht hat, geht in das andere Team.» Proband*in 203, Vignette 5; Sek II Abschluss

«Oder man kann sogar nur zwei Teams machen, welche jeweils nochmals unterteilt werden in Amateure und Profis, wobei jeweils die gleich Starken eine Zeitspanne gegeneinander spielen, aber die Leistung des gesamten Teams zählt.» Proband*in 337, Vignette 9; Sek II Abschluss

«Ich würde zwei neue Teams machen, sodass in beiden gleich viele Mädchen wie Jungen sind (6 + 7).» Proband*in 316, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich würde die Teams in zwei Hälften (stark / schwach) unterteilen und die jeweiligen Hälften gegeneinander spielen lassen (evtl. Schlumpfball). Das Resultat zählt gemeinsam.» Proband*in 240, Vignette 14; Sek II Beginner

«Ich würde die Gruppe auseinandernehmen und die Schüler in kleineren Gruppen schwimmen lassen.»

260 Resultate Proband*in 297, Vignette 16; Sek II Abschluss

«Dann jedoch würde ich sie in kleinen Gruppen arbeiten lassen, mit je einem Schüler, der es im Griff hat.» Proband*in 337, Vignette 17; Sek II Abschluss

«Ich mische die Gruppe, so dass nicht nur Mädchen in einer Gruppe sind.» Proband*in 272, Vignette 18; Sek II Beginner

«Ich würde die Schüler*innen Paare bilden lassen.» Im Weiteren sind bei der Ausdifferenzierung Partizipationsformen inte­ ressante Ankerbeispiele zu sehen. Diese Ausdifferenzierung wird in sechs unterschiedliche Themen unterteilt: 1. LP unterstützt die SuS, 2. SuS machen (entscheiden) selbstständig, 3. SuS bestimmen mit, 4. LP bestimmt Ablauf / Inhalt, 5. Wir / gemeinsames Handeln, 6. SuS unterstüt­ zen sich gegenseitig. Auffallend dabei ist, dass Praxislehrpersonen – diejenigen Lehrpersonen mit dem grössten Erfahrungshintergrund – keine Antwort nennen, bei der die Schüler*innen mitbestimmen dürfen (vgl. 3. SuS bestimmen mit). Ganz allgemein werden in dieser Ausdifferenzierung der Partizipations­ formen nur sehr wenig Antworten ersichtlich, die von den Praxislehrpersonen kommen. Als Letztes in diesem Orientierungsmuster der antizipierten Hand­lungen wird ein Augenmerk auf die Differenzierung gelegt. Auch diese wird in drei unterschiedliche Themen eingeteilt: 1. Inhalts­ebene, 2. LP / SuS gibt Hilfestellung, 3. Schüler*innenebene. Damit ist gemeint, wie die Proband*innen in den jeweiligen Beispielen – beziehungsweise Fallvignetten – versuchen, zu differenzieren. Einerseits versuchen sie zu differenzieren, indem sie den Inhalt anpassen. Oder sie differenzieren, indem eine Hilfestellung von aussen angedacht wird, oder sie differenzieren, indem sie aus der heterogenen Schüler*innenschaft eine homogene Leistungsgruppe machen. Interessant ist hierbei, dass keine Antwort bei der letztgenannten Ausdifferenzierung von den Sek-I-Beginnern stammt.

Resultate 261

5.5  Die Typenbildung im sinngenetischen Kontext Betrachtet man die Schritte der Dokumentarischen Methode als Ganzes, so fallen drei zentrale Merkmale auf. Als Estes zeichnet sich die Dokumentarische Methode in der Unterscheidung zwischen der thematisch zusammenfassenden formulierenden Interpretation und der vertieft bearbeiteten reflektierenden Interpretation des Orientierungsrahmens aus. Als zweites Attribut wird die Dokumentarische Methode durch eine von Beginn an konsequente komparative Analyse des auszuwertenden Materials gekennzeichnet (vgl. Kap. 4.2.2.4). Als dritte Eigenheit generiert die Dokumentarische Methode als Ergebnis Typen, die sich – wenn man sie im Licht unterschiedlicher genetischer Interpretationen diskutieren kann – generalisieren lassen (Nohl, 2009, S. 45). Werden in der sinngenetischen Typenbildung zunächst unter­ schiedliche Orientierungsrahmen der Bearbeitung einer Problem­ stellung in verschiedenen Fällen herausgearbeitet und typisiert, geht es in der soziogenetischen Typenbildung darum, die spezi­ fischen Erfahrungshintergründe und die Soziogenese der Orien­ tierungsrahmen systematisch zu analysieren. (Nohl, 2009, S. 13) Gemäss dieser Beschreibung von Nohl (welche auch von Bohnsack [2014] in dieser Weise verwendet wird), mit Bezug zum Kapitel 4.2.3, werden die Typen aus einer sinngenetischen und soziogenetischen Weise gebildet. In diesem vorliegenden Kapitel wird die sinngenetische Typenbildung beschrieben, während im nächsten Kapitel (vgl. Kap. 5.6) die soziogenetische Typenbildung betrachtet wird. In der Entwicklungsgeschichte der Dokumentarischen Methode, respektive in ihren verschiedenen theoretischen Zugängen, wird der Typusbegriff unterschiedlich definiert. In Anlehnung an den Habitusbegriff (vgl. Kap. 2.2.2 und Kap. 2.5.1) nach Bourdieu (1982) ist allen Typen aber gemeinsam, dass ein Typus sowohl Erzeugungsprinzip als auch Klassifikationssystem beinhaltet (Bohnsack, 2014, S. 153). Bohnsack unterscheidet dabei zwischen einer sinngenetischen, soziogenetischen und kausal-genetischen Typenbildung (Bohnsack, 2014, S. 153).

262 Resultate

Die Inhalte der sinngenetischen Typenbildung Im folgenden Kapitel werden die Typen im Sinne Bohnsacks (2014) und Nohls (u. a. Nohl, 2009) mehrheitlich sinngenetisch entwickelt: Die sinngenetische Typenbildung zeigt, in welch unterschiedli­ chen Orientierungsrahmen die erforschten Personen jene The­ men und Problemstellungen bearbeiten, die im Zentrum der Forschung stehen. (Nohl, 2009, S. 58) Die folgend entwickelten Typen lassen sich in ihren soziogenetischen Bezügen darstellen, wenn auch nur sehr vage. Die soziogenetische Interpretation richtet sich in dieser Arbeit nicht explizit auf Geschlechtsund Generationsklassen – wie von Bohnsack (2014, S. 154) dargestellt –, aber in Bezug auf ihre unterschiedlichen Berufssozialisationen (beispielsweise Sek-I-, Sek-II-Studiengang und Erfahrungshintergrund von Praxislehrpersonen) lassen sich die Typen soziogenetisch interpretieren. Für Nohl (2009, 2012, 2013, 2017) stellt die Typenbildung im Licht der soziogenetischen Analyse die zweite und letzte Analysestufe der Dokumentarischen Methode dar, wohingegen Bohnsack noch eine dritte Analysekategorie unterscheidet, nämlich die kausal-genetischen Typenbildung. Nach Bohnsack (2014) bezieht sich die kausal-genetische Interpretation beispielsweise auf komplexe ursächliche Kapitalkonfigurationen in Bezug auf die Habitustheorie aus der Bildungssoziologie, was sich nicht auf die Typenbildung und in der vorliegenden Arbeit übertragen lässt und deshalb nicht weiter vertieft wird. In die sinngenetische (vgl. Kap. 5.5.1 bis 5.5.5) und soziogenetische Typenbildung (vgl. Kap. 5.6.1 bis 5.6.5) miteinbezogen werden einerseits die Auswertungsschritte des PCK 1.0, aber massgeblich die Auswertungsdaten des PCK 2.0. Dabei wird die Datenanalyse des Letzteren ins Zentrum gesetzt. An Stellen, an denen jedoch ein komparativer und inhaltlicher Vergleich mit Daten aus dem PCK 1.0 offensichtlich und legitim erscheint, werden diese Daten als Vergleich oder zur Untermauerung von inhaltlichen Beschreibungen herangezogen.

Resultate 263

5.5.1 Entscheidungsmuster 1: Die fächervergleichende Konstruktion Die Entstehung des ersten Entscheidungstypus lässt sich aus einem Vergleich der Gegenhorizonte des Orientierungsmusters der «verbalen Massnahmen», Normative Begründungen (Lehrplan  / Schulinterne Regeln), und des Gegenhorizonts der «situationsspezifischen Gedanken», Beurteilung strikt via Leistungstabelle und Implizite Normen und Regeln, entnehmen (vgl. Abb. 31). Fachdidaktische Begründungen Erklären

Kausale Begründungen

Inhaltlich-organisatorische Begründungen Normative Begründungen (Lehrplan/Schulinterne Regeln) Fachliche Begründungen/Erklärungen

Kontrolle der Übung Alternative Beurteilung Beurteilung strikt via Leistungstabelle

Normative Rollen und Aufgabenteilung Implizite Normen und Regeln

Abbildung 31: Übersicht über die Ausdifferenzierungen für den Typus 1: Die fächerverglei­ chende Konstruktion.

Die Antworten innerhalb der Gegenhorizonte Normative Begründungen (Lehrplan / Schulinterne Regeln), Beurteilung strikt via Leistungstabelle und Implizite Normen und Regeln scheinen nach einer genaueren Analyse einige Parallelen aufzuweisen. Einerseits geht es den Proband*innen bei ihren individuell gewählten Lösungsstrategien darum, dass sie die verbale Interaktion mit den Schüler*innen suchen, und versuchen, ihren Standpunkt sprachlich darzulegen, indem sie mit den Schüler*innen sprechen. Die Antworten, welche die Proband*innen hier antizipieren, werden alle mit der Ausdifferenzierung Normative Begründungen (Lehrplan / Schulinterne Regeln) versehen. Das heisst, die Proband*innen suchen die Lösung des Problems in den Gegebenheiten des Systems, indem sie begründen, dass die Inhalte einerseits zum Lehrplan gehören und dieser wiederum den

264 Resultate

Inhalt der Jahresplanung vorgibt, aber andererseits auch, dass sich die Lehrperson an schulinterne Regeln hält und diese umsetzen soll. 1. Begründungsschleife: Normative Begründung (Lehrplan / Schulinterne Regeln) – Gegebenheit des Systems gibt das Handeln der Lehrperson vor. 2. Begründungsschleife: Normative Begründung (Lehrplan / Schulinterne Regeln) – Hier wird das Handeln in den anderen Fächern in den Vordergrund geschoben, um damit zu erklären, dass im Sport genau gleich gehandelt werden muss. Beim Orientierungsmuster der «gedanklichen Auseinandersetzungen» wird die eigene geschriebene Antwort für den Leser legitimiert. Auch hier gibt es zwei unterschiedliche Begründungsschleifen. 1. Begründungsschleife: Implizite Normen und Regeln. Auch hier wird die eigene Antwort der Proband*innen so legitimiert, dass sie schreiben, dass man im Sportunterricht bezüglich Bewertung und Notenskala genau gleich handeln kann wie in anderen Fächern. Es scheint also eine implizite Norm zu sein, dass man sich hier bei der Begründung der Leistungstabelle auf andere Fächer bezieht. 2. Begründungsschleife: Beurteilung strikt via Leistungstabelle. Hier werden Antworten formuliert, die das Gemeinsame haben, dass die Beurteilung im Sportunterricht in der jeweiligen Sportart (hier 12-MinutenLauf) strikt via Leistungstabelle vorgenommen wird. Die Antwort wird auch hier wieder dadurch legitimiert, dass in anderen Fächern auch strikt via Leistungstabelle benotet wird. Zusammenfassend: Die Gemeinsamkeiten lassen sich grundsätzlich dadurch charakterisieren, dass es bei einer grossen Anzahl an Aussagen der Proband*innen um einen Vergleich und die Legitimation des Sportunterrichts mit ande-

Resultate 265

ren Fächern geht, was und wie im Sportunterricht gelehrt und gelernt werden soll. In zahlreichen Aussagen wenden sich die Lehrpersonen an ihre Schüler*innen, indem sie das Fach Sport mit anderen Fächern als Vergleichsreferenz heranziehen. Solche Vergleiche lassen sich aber auch bei den (geäusserten) Gedanken der Lehrpersonen finden, indem sie in ausgewählten Situa­tionen ihre antizipierten Antworten damit begründen, dass sie auf andere Fächer verweisen, bei denen genauso gehandelt wird, unabhängig der Fachinhalte. Bei den folgenden Ankerbeispielen geht es deshalb um den Vergleich mit einem anderen Fach, meistens um einen Notenmassstab zu legitimieren, und um das Festhalten an einer strikt vorgegebenen Leistungstabelle. Mithilfe der inhaltlichen – und als Ergänzung zusätzlichen lexikalischen – Suche nach anderen Fächern lassen sich folgende Textausschnitte finden: Französisch und Mathematik Proband*in 350, Vignette 20; Sek I Beginner

«Ich versichere ihnen, dass die nicht anwesenden SuS den 12-MinutenLauf noch nachholen müssen. Zudem mache ich sie darauf aufmerksam, dass dies eine Leistungsprüfung ist, und mache eine Analogie zu einer Leistungsprüfung in Französisch oder in Mathematik. Zudem versichere ich den SuS, dass ich den Einsatz des Mädchens anerkennend zur Kenntnis genommen habe und als guten Einsatz auch bei mir vermerkt habe.» («Verbale Massnahmen»: Normative Begründung [Lehrplan / Schulinterne Regeln]) Mathematik Proband*in 344, Vignette 20; Sek II Beginner

«Im Gegensatz zum Matheunterricht ist Sport sogar fairer, denn innerhalb einer Woche kann man zwar besser rechnen lernen, aber um seine Ausdauer zu verbessern, genügt es nicht. Es ist eine klare Tabelle vorgegeben, die man als LP beachten muss.» (Problemspezifische Gedanken: Beurteilung strikt via Leistungstabelle)

266 Resultate Proband*in 181, Vignette 3; Sek II Abschluss

«Ihnen auch beibringen, dass dies nun Pflicht sei in der Jahresplanung wie Algebra in der Mathematik.» (Wurde nicht weiter kodiert als PCK 1.0 «turnen_SpU») Proband*in 215, Vignette 20; Sek II Abschluss

«Im Hinblick auf diese Problematik ist immer der Hintergrund wichtig, wie das Schulfach Sport sich im Zeugnis niederschlägt. In Anbetracht, dass eine schlechte Leistung in anderen Fächern auch eine 1 gibt, kann auch eine schlechte Leistung im Sport eine 1 geben, ob jemand antritt oder nicht. In Mathematik kann man auch nicht einfach eine Mindestnote von z. B. einer 2 erhalten, nur wenn man an der Prüfung erscheint.» (Problemspezifische Gedanken: Beurteilung strikt via Leistungstabelle) Andere Fächer Proband*in 150, Vignette 20; Sek II Abschluss

«Ich würde mitteilen, dass ich ihre Gedanken verstehe, dennoch auch das Fach Sport mit anderen Fächern an der Schule vergleichen, um so zu relativieren.» Proband*in 224, Vignette 20; Sek I Beginner

«Leider ist es so, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gleich sportlich sind. In anderen Fächern (z. B. Mathematik) werden auch alle Schülerinnen und Schüler gleich behandelt, obwohl nicht alle dieselben mathematischen Fähigkeiten haben.» Proband*in 259, Vignette 20; Sek I Abschluss

«Wenn ich das aber in dieser Situation gemacht hätte, würde ich den SuS erklären, dass man, wenn man die Leistung nicht erbringt, dafür eine schlechte Note bekommt. In den anderen Fächern ist es das Gleiche. Ebenfalls erkläre ich das der Schülerin mit der 1.» Proband*in 201, Vignette 13; Sek I Beginner

«Turnen ist genauso wie die anderen Fächer ein Schulfach. Wer hier nicht pünktlich ist, erhält deshalb genauso einen Eintrag ins Kontaktheft (natürlich wird vorausgesetzt, dass die SuS genügend Zeit haben; d. h. die vorherige LP lässt sie pünktlich gehen). Ansonsten beginne ich den Unterricht, wie vorgehabt, mit entsprechender Verzögerung.»

Resultate 267

Analyse über die Fächerverteilung Während in den Ankerbeispielen vor allem konkret Bezüge zu den Fächern Mathematik und Französisch gemacht wurden, finden sich demgegenüber keine Verweise auf die Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte / Geografie, Biologie, Physik, Wirtschaft, BG oder Musik. Mögliche Gründe hierfür könnten die eigenen Fächerkombinationen der Proband*innen sein, bei denen sie einen direkten Vergleich mit dem Fach Sport haben, oder aber auch, dass unabhängig der eigenen Fächerkombination eher ein naturwissenschaftliches Fach wie Mathematik als Legitimationsgrundlage herangezogen wird, wenn es um die Begründung eines fest vorgelegten Notenmassstabes geht. Analyse zu den verwendeten Vignetten Aufgrund des Vergleichs der oben erwähnten Ankerbeispiele lässt sich erkennen, dass der Entscheidungstypus der fächervergleichenden Konstruktion aufgrund von Aussagen in drei unterschiedlichen Vignetten zu finden ist. Dies sind die Vignette 3, die Vignette 13 und die Vignette 20: Die Vignetten 3 und 20 haben in ihrer Geschichte gemeinsam, dass in beiden Beschreibungen die Lehrperson aktiv von ihren Schüler*innen herausgefordert wird. Sie kennzeichnen sich durch empörte und fassungslose Reaktionen vonseiten der Schüler*innen. Vignette 3: «Unterricht in einer gemischtgeschlechtlichen Klasse (13 Knaben, 8 Mädchen). Zum zwei­ ten Mal steht Bodenturnen auf dem Programm. Eine grosse Gruppe von Knaben ist unzu­ frieden mit diesem Thema und lässt den Lehrer dies auch deutlich wissen. ‹Schon wieder dieser blöde Weibersport! Können wir nicht mal wieder was Vernünftiges machen?› Wie würden Sie als Lehrer auf diese Aussagen reagieren?»

Vignette 13: «Der Lehrer ist zehn Minuten vor Lektionsbeginn in der Halle, stellt das Kleinmaterial bereit und hängt div. Postenblätter auf. Einige Schüler sind wie immer bereits in der Halle und spielen mit dem Fussball. Beim Lektionsbeginn fehlt – nicht zum ersten Mal – etwa die Hälf­ te der Klasse. Erst fünf Minuten nach Stundenbeginn sind alle Schüler in der Halle. Wie beginnen Sie jetzt den Unterricht?»

268 Resultate

Vignette 20: «Es steht eine Leistungsüberprüfung im Bereich Ausdauer an. Die Schüler*innen machen den 12­Minuten­Lauf auf der 400 m­Bahn des Sportplatzes. Unter den Schüler*innen ist ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie startet mit den anderen zur Leistungsüberprüfung, schafft aber nur eine Strecke, die mit der Note 1 bewertet wird. Einige Mitschülerinnen sind empört und stellen den Lehrer zur Rede: ‹Warum bekommt sie eine 1, obwohl sie, im Gegensatz zu anderen aus unserer Klasse, anwesend war und nach ihren Möglichkeiten gelaufen ist?› Was antworten Sie? Wie fahren Sie mit dem Unterricht fort?» (vgl. Instrument im Anhang A)

In der Vignette 3 wird die Lehrperson mit dem folgenden Ausspruch konfrontiert: «Schon wieder dieser blöde Weibersport! Können wir nicht mal wieder was Vernünftiges machen?» Die Lehrperson wird hier in dieser fiktiven Situation nicht nur stillschweigend gezwungen, eine Situation zu lösen oder zu verbessern, sondern sie wird aktiv von den Schülern herausgefordert, die offensichtlich eine Antwort auf die Inhalte der Sportlektion erwarten. Ähnlich scheint die Vignette 20 aufgebaut zu sein. In dieser Situation melden sich die Mitschülerinnen des übergewichtigen, eher leistungsschwachen Mädchens zu Wort: «Warum bekommt sie eine 1, obwohl sie, im Gegensatz zu anderen aus unserer Klasse, anwesend war und nach ihren Möglichkeiten gelaufen ist?» Auch hier werden die Proband*innen herausgefordert, eine direkte Antwort auf die Frage zu geben resp. zu schreiben. Diese zwei beschriebenen Vignetten unterscheiden sich in ihrer Art und Weise von der Vignette 13. Hier wird eine Situation beschrieben, die zwar für die Lehrperson lästig zu sein scheint, jedoch wird sie nicht mit einer direkten Aufforderung zur Lösung konfrontiert. Hier würde sich auch die Möglichkeit anbieten, die Situation stillschweigend zu ertragen, ohne vorzeitig eine direkte Reaktion gegenüber den Schüler*innen zu zeigen. Oder die Proband*innen nehmen sich Zeit und überlegen sich erst einmal eine Lösungsvariante bis zur nächsten Lektion. Falls die Situation dann nochmals auftaucht, dann hätten sie bereits eine Lösung bereit.

Resultate 269

5.5.2 Entscheidungsmuster 2: Empathie für Schüler*innen zeigen Der zweite Typus setzt sich aus der Analyse von vier Themen zusammen, die auf den ersten Blick sprachlich sehr nahe beieinanderliegen. Diese vier ausgewählten Ausdifferenzierungen werden den zwei Gegenhorizonten «verbale Massnahmen» und «gedankliche Auseinandersetzungen» entnommen. Es sind dies: 1. «Verbale Massnahmen»: Motivieren / loben / ermutigen 2. «Gedankliche Auseinandersetzungen»: Reflexionen: Reflexionen bezüglich Motivation /Anreiz 3. «Gedankliche Auseinandersetzungen»: LP soll motivieren 4. «Gedankliche Auseinandersetzungen»: Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen Erklären Fehler dementieren Kritisieren Auflockerung/Humor Eigene Fehler eingestehen Motivieren/Loben/ermutigen Eigenes Unverständnis/Enttäuschung ausdrücken Anweisung Tadeln/Bestrafung Appellieren/Ermahnen/Moralpredigt

Reflexionen für LP Verhalten Reflexionen zum Aufbau der Übung Reflexionen zu SuS Verhalten Reflexionen zur Gruppeneinteilung Reflexionen zur Aufgabenschwierigkeit Fachdidaktische Reflexionen

Reflexionen des Ziels Reflexionen des Inhalts

Leistungs- und Neigungsdifferenzierung Reflexionen bezüglich Motivation/ Anreiz Reflexionen zu Zeit Reflexionen zu Organisation des Inhalts (Ablauf/ Anweisungen) Reflexionen zu Organisation des Raums

270 Resultate

Bezug zu eigenem Unterricht/ eigene Meinung LP soll motivieren Fehler der LP thematisieren

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen Verantwortung den SuS abgeben

Abbildung 32: Übersicht der Ausdifferenzierungen des Typus 2: Empathie für Schüler*innen zeigen.

Allen vier Ausdifferenzierungen ist gemeinsam, dass sie entweder den Begriff Motivation oder motivieren beinhalten, oder dass die Proband*innen in den geschriebenen Inhalten ausdrücken, dass sie wissen, wie sich die Schüler*innen fühlen, auch wenn es nicht um motivationale Aspekte geht. Es geht also darum, dass die Lehrperson sich Gedanken über die Motivation der Schüler*innen in der Situation macht, aber auch, dass sie verbal auf die Motivation der Schüler*innen aufmerksam macht und diese verändern respektive verbessern möchte. Der motivationale Aspekt scheint für die Proband*innen wichtig zu sein, wenn es darum geht, dass sie bestmöglich auf die Voraussetzungen und die Bedürfnisse ihrer Schüler*innen eingehen können. Bei den Ausdifferenzierungen von Antizipieren / Einfühlen, was SuS wol­ len, denken, fühlen wird explizit erwähnt, dass ihnen das Bedürfnis und die Volition der Schüler*innen wichtig ist, wogegen bei den drei anderen Ausdifferenzierungen das Bedürfnis, auf die Motivation der Schüler*innen einzugehen – und damit auf ihre Bedürfnisse ausgehend von ihrer Motivation –, erst auf den zweiten Augenblick auffällt. All den Ankerbeispielen innerhalb dieser Ausdifferenzierungen ist gemeinsam, dass sie wohlwollende und positive Formulierungen beinhalten. Des Weiteren wird in der Ausdifferenzierung Antizipieren / Ein­ fühlen, was SuS wollen, denken, fühlen explizit ausgedrückt, dass die Proband*innen sich sehr gut in die Schüler*innen versetzen können und versuchen, auf die Sichtweisen ihrer Schüler*innen einzugehen.

Resultate 271

Verbale Massnahmen Motivieren/ loben/ ermutigen

71

Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion bezüglich Motivation/ Anreiz

26

Gedankliche Auseinandersetzungen Lehrperson soll motivieren

13

Gedankliche Auseinandersetzungen Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen Summe

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Aus der Abbildung 33 lässt sich entnehmen, welche Proband*innen die jeweiligen Antworten häufiger als andere gegeben haben.

133 47

67

32

33

64

243

Abbildung 33: Verteilungen der Antworten im Typus 2.

Aus der Abbildung 33 lässt sich erkennen, welche Inhalte bei den jeweiligen Proband*innen von Bedeutung sind. Zusätzlich lässt sich auch herauslesen, dass die Praxislehrpersonen und die Sek-I-Beginner – im Gegensatz zu den anderen Kohorten – weniger Lösungen in den genannten Ausdifferenzierungen zu verzeichnen haben. In den folgenden Beschreibungen und Darstellungen werden zu den einzelnen in der Abbildung dargestellten Ausdifferenzierungen einige Ankerbeispiele genannt:

Abbildung S. 195 (Nr. 2): okay

272 Resultate

Verbale Massnahmen Motivieren/ loben/ ermutigen Summe

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

1. Motivieren / loben / ermutigen In dieser Ausdifferenzierung ist deutlich zu erkennen, dass die Antworten zur Motivation häufig von den Sek-I-Abschliessenden oder von den SekII-Beginnern genannt werden.

71 4

23

14

10

20

71

Abbildung 34: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung: Motivieren /loben /ermu­ tigen.

2. Reflexion bezüglich Motivation / Anreiz Proband*in 278, Vignette 12; Sek II Beginner

«Es ist immer wichtig, dass die LP am Aufwärmen teilnimmt, um die Motivation und die Leistungsbereitschaft hoch zu halten.» Proband*in 246, Vignette 3; Sek I Abschluss

«Ziel ist es, dass möglichst die ganze Klasse einen Sinn erkennt und daraus die Motivation schöpfen kann, neue Bodenelemente zu erlernen.» Proband*in 246 geht es demnach darum, den Schüler*innen den Sinn der Lektion aufzuzeigen, um damit die Motivation zu steigern. 3. LP soll motivieren In diesen Ankerbeispielen widerspiegelt sich die Tendenz, dass es die Aufgabe der Lehrperson sei, dass sie von sich aus die Schüler*innen motivieren soll. Auch hier fällt auf, dass diese Nennungen sehr häufig von Sek-II-Abschlussstudierenden genannt wird. Etwas weniger, aber dennoch sehr häufig werden solche Antworten auch von den Sek-I-Abschliessenden und Sek-II-Beginnern genannt. Wobei zwischen diesen beiden letztgenannten Kohortengruppen die Gemeinsamkeit besteht, dass diese in etwa im selben Alter sind und sportspezifisch ähnliche Erfahrungen vorweisen können. Wohingegen die Sek-I-Abschlussstudie-

Resultate 273

renden ihr Wissen aus dem fach- und fachdidaktischen Studium der Pädagogischen Hochschule nehmen, währenddessen die Sek-II-Beginner ihr Wissen aus dem umfangreichen Fachstudium einspeisen können. Proband*in 199, Vignette 8; Sek II Abschluss

«Man muss die SuS motivieren und ihnen eine Möglichkeit geben, wie sie die Strecke trotzdem schaffen.» Proband*in 347, Vignette 8; Sek I Abschluss

«Diese würde ich dann versuchen, zu motivieren.» Aber auch zwei Ankerbeispiele von Praxislehrpersonen sollen dies verdeutlichen: Proband*in 304, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich motiviere die Jungs noch mehr. Ich lasse den sozialen Gedanken noch einfliessen.» Proband*in 365, Vignette 3; Praxislehrperson

«Die Jungs etwas anderes machen lassen, das sie sehr stark fordert, zum Beispiel Burpees, die Kraft UND Kondition fordern.» Beim ersten Beispiel der Praxislehrperson ist durch die Aussage «Ich motiviere die Jungs …» offensichtlich zu erkennen, dass die Lehrperson (im Beispiel Proband*in 304) die Schüler*innen motivieren will. Im zweiten Ankerbeispiel erkennt man den Willen zur Motivation erst in Verbindung mit dem Inhalt der Vignette. In der Vignette 3 geht es darum, dass sich die Jungen beklagen, dass sie mit dem Thema des Bodenturnens unzufrieden sind und sich nicht mehr aktiv am Unterricht zu beteiligen mögen. Die Jungen lassen im Beispiel anhand des verbalen Ausrufs deutlich erkennen, dass die Lehrperson eine Änderung vornehmen muss: «Schon wieder dieser blöde Weibersport! Können wir nicht mal wieder was Vernünftiges machen?» Und darauf reagiert die im Beispiel erwähnte Praxislehrperson mit einer Variation der Aufgabe, speziell für die Jungen, weshalb man annehmen kann, dass sie in dieser Art und Weise die Jungen motivieren möchte. Man erkennt auch, dass Proband*in 365 im

274 Resultate

Beispiel nicht vom Thema abweichen möchte, sondern die Jungen werden mit herausfordernden Aufgaben zum Mitmachen animiert. 4. Antizipieren / Einfühlen, was Schüler*innen wollen, denken, fühlen Wenn alle Nennungen von Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, den­ ken, fühlen betrachtet werden, dann lässt sich erkennen, dass aus jeder einzelnen Vignette (ausser Vignette 5) Antworten zu Antizipation zu finden sind. Lässt man die Anzahl der Antworten zu den einzelnen Kohortengruppen anzeigen, dann lässt sich auch hier erkennen, dass vor allem Sek-I- und Sek-II-Abschlussstudierende häufig Nennungen haben, die darauf anspielen, was die Schüler*innen in dieser Situation denken, fühlen oder wollen. Hier fällt frappant auf, dass die Praxislehrpersonen bei dieser Ausdifferenzierung sehr wenig Nennungen haben. Aber auch Sek-II-Beginner nennen häufig solche Antworten (vgl. Abb. 35).

Gedankliche Auseinandersetzungen Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen Summe

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Abbildung S. 197: okay

133 35

35

14

16

33

133

Abbildung 35: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung: Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen.

In diesen Ankerbeispielen ist weniger das Motivieren das Thema als der Perspektivenwechsel der Lehrperson auf die Seite der Schüler*innen. Die folgenden Ankerbeispiele sollen dies aufzeigen: Proband*in 270, Vignette 6; Sek I Beginner

«Ich habe also als Lehrer eine Übung vorgezeigt und die SuS haben bemerkt, dass ich dabei selber Schmerzen verspürt habe. Die Schüler haben nun Angst und wollen nicht turnen, da sie befürchten, selber Schmerzen zu verspüren.»

Resultate 275 Proband*in 349, Vignette 8; Sek I Beginner

«Aufbauend. Ein Kind, das eine solche Aussage macht, hat im Sport selten ein Erfolgserlebnis und bekommt sehr oft gesagt, dass es zu fett sei, um etwas zu erreichen. Es geht darum, dass sie die Strecke schaffen, was sie natürlich auch werden.» Proband*in 356, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Die Methode mit den Doppeltoren funktioniert nicht. Die Frage ist, ob die Jungen einmal einfach ihr Spiel spielen wollen und nie Gelegenheit dazu bekommen.» Proband*in 346, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Im Moment hat niemand wirklich Freude am Spiel.» Proband*in 230, Vignette 14; Praxislehrperson

«Offenbar fühlen sie sich wohl im Wasser, sicherlich keinen Notendruck ausüben.» Proband*in 221, Vignette 17; Sek II Abschluss

«Es kann sein, dass den Mädchen die Ideen für den Balken fehlen.» Analyse zu den verwendeten Vignetten Insgesamt wird dieser Entscheidungstypus dadurch charakterisiert, dass die Proband*innen durch eine Motivationsveränderung bei den Schüler*innen eine Handlung auszulösen versuchen. Entscheidend ist, dass nicht eine alleinige Vignette diesen Typus formiert, sondern dass diese Art von Antworten in unterschiedlichen Vignetten auffindbar ist. Des Weiteren gibt es aber auch Vignetten, welche sich (fast) gar nicht dieser Antworten bedienen. Wie bereits erwähnt, werden in der Vignette 8 sehr häufig Nennungen dazu gemacht, dass sich die Proband*innen in die im Beispiel genannten Schüler*innen versetzen und versuchen, motivationale Veränderungen bei den Schüler*innen zu erzielen. In der Vignette 8 geht es stark um den inhaltlichen Aspekt des Leistens in der Leichtathletik. Es ist zudem eine Sportart, die über eine längere Dauer viel Disziplin erfordert, da die Ausdauer­erst durch ein längerfristiges Training verbessert werden kann im Gegensatz zu anderen Inhalten im Sportunterricht. Dieser inhaltliche Aspekt wird auch in der Vignette 17 (vgl. Instru­ment im Anhang A) sichtbar, bei der das Thema Schwebebalken und die Übungen dazu thematisiert werden. Es geht darum, dass die

276 Resultate

Proband*innen hier ebenfalls erkennen, dass die Schüler*innen durch ein inhaltliches Coaching unterstützt werden müssen, auch auf der Ebene der Motivation. Ebenfalls in dieser Vignette wird sichtbar, dass diese Situation ein starkes Empathievermögen von den unterrichtenden Lehrpersonen verlangt, damit diese ihre Schüler*innen bestmöglich unterstützen können. Vignette 8: «Der Sportlehrer möchte auf Wunsch einiger Schüler mit der Klasse am alljährlichen Stadt­ lauf teilnehmen. Damit die Schüler die Strecke gut bewältigen können, hat er sich ent­ schlossen, im Sportunterricht die nächsten vier Wochen mit den Schülern regelmässig jog­ gen zu gehen. Am ersten Trainingstag wollen zwei Schüler jedoch nicht mitlaufen. Einer der beiden Schüler sagt: ‹Wir schaffen die Strecke sowieso nicht, dafür sind wir viel zu fett!› Wie reagieren Sie auf diese Aussage?»

Ebenfalls ein grosses Empathievermögen wird in Vignette 16 von den Proband*innen verlangt, wobei es um eine Verknüpfung von inhaltlichen und motivationalen Aspekten geht. Einerseits müssen die Schüler*innen komplexen koordinativ-tänzerischen Bewegungsaufgaben folgen, die sie sichtlich überfordern. Zum anderen lässt ein Schüler verlauten, dass, wenn sie das alles lernen müssen, die verbleibenden Minuten der Lektion nicht ausreichen, um anschliessend noch ein Spiel zu spielen. Diese Situation verlangt einerseits eine Einschätzung der Lehrperson, was sie im Bereich von koordinativ-tänzerischen Bewegungsaufgaben von ihren Schüler*innen verlangen kann, andererseits aber auch einen Bedacht auf die Motivation, damit die Balance von Herausforderung und Überforderung der Schüler*innen gekonnt im Gleichgewicht gehalten werden kann.

Resultate 277 Vignette 16: «8. Schuljahr, Sekundarschule. Die Mädchen und Knaben haben sich in der Mitte versam­ melt. Der Lehrer informiert kurz über die kommende Stunde: Aufwärmen mit Hip­Hop, Ge­ räteturnen und am Schluss – falls die Zeit reicht – ein Spiel. Kurz darauf haben sich die Schüler*innen an der Stirnseite aufgestellt, während der Lehrer die ersten Schritte des Tan­ zes vorzeigt. Nach anfänglicher Begeisterung für das Tanzen beginnen sich die Schüler*innen sehr schnell zu langweilen. Um weiterfahren zu können, muss der Lehrer immer öfters um Ruhe bitten. Nach der Einführung und dem Training verschiedener Teilelemente werden diese zusammengefügt: Hopserhüpfen, Posing, Bodenteile – Hopserhüpfen … Der Lehrer stellt die Musik an und alle ‹tanzen› gemeinsam auf die andere Hallenseite. Nur wenige kön­ nen dem schnellen Rhythmus folgen. Ein Schüler will lieber spielen als tanzen, worauf der Lehrer antwortet: ‹Wenn wir so weiterfahren, reicht es wohl nicht mehr zum Spiel.› Was würden Sie dem Lehrer raten, anders zu machen?»

Eine inhaltliche Orientierung der Situation ist in der Vignette 9 zu erkennen. Offensichtlich scheint das Handballspiel in Bezug auf die teilnehmenden Schüler*innen nicht ausgeglichen zu sein. Die meiste Zeit sind die Jungen in Ballbesitz und nur ganz wenig Pässe gelangen zu Schüler*innen, worauf diese auch ihren Unmut zum Ausdruck bringen, indem sie vermehrt das Spielfeld verlassen oder sich dem Verlauf des Spiels passiv hingeben. Auch diese Situation verlangt nach einer inhaltlichen Anpassung des Spiels, aber auch nach einer motivationalen Orientierung im Hinblick auf die resignierten Mädchen auf und neben dem Spielfeld. Diese Situation verlangt viel Fingerspitzengefühl und Empathie auf Seiten der Lehrperson, damit die Jungen in ihrem fliessenden Spiel nicht gehemmt werden, und es dennoch auch für die Mädchen eine Lösung gibt, dem Spielverlauf weiterhin folgen und daran teilnehmen zu können.

278 Resultate

Vignette 9: «Handball in einer 7. Klasse. Die Klasse besteht aus 12 Schülerinnen und 14 Schülern. Der Lehrer teilt die Klasse in 4 gemischte Teams. Aufgrund der Hallengrösse können jeweils nur 2 Teams spielen, die anderen Schüler*innen sowie die Auswechselspieler*innen sitzen auf Bänken am Hallenrand. Die Jungen spielen hauptsächlich untereinander, nur selten werden Mädchen angespielt. Diese sind nach einiger Zeit sauer und beschweren sich bei den Jungen. Peter lacht: ‹Wir wollen doch gewinnen, also spiel ich die an, die am besten spielen können. Und das sind die Jungs. Mädchen können nicht Handball spielen.› Daraufhin gehen einige Mädchen zum Lehrer und beschweren sich bei ihm über die Spielweise der Jungen. Der Lehrer redet mit den Jungen: ‹Bezieht auch die Mädchen mit ins Spiel ein. – Wir ma­ chen das jetzt so: Mädchentore zählen doppelt.› Die Jungen spielen jedoch nach wie vor nur untereinander. Mehr und mehr Mädchen lassen sich auswechseln oder verlassen ein­ fach das Spielfeld und setzen sich auf die Bank. Was würden Sie jetzt anstelle des Lehrers unternehmen?»

Im ersten Augenblick scheint die Vignette 9 inhaltlich ganz anders ausgerichtet zu sein. Es handelt sich nicht um eine Einzelsportart wie die Leichtathletik – beziehungsweise der Ausdauersport – in der Vignette 8, sondern um eine Mannschafts-Ballsportart. In dieser Vignette 9 lässt sich beispielsweise deutlich die Enttäuschung und die Aussichtslosigkeit in Bezug auf die Zielerreichung erkennen, wie dem Ausspruch des Schülers zu entnehmen ist: «Wir schaffen die Strecke sowieso nicht, dafür sind wir viel zu fett!» Deshalb sind Antworten offensichtlich, welche da­ rauf abzielen, die gefühlte Aussichtslosigkeit der Schüler*innen zu verändern. Die Proband*innen bedienen sich unter anderen Lösungen deshalb auch ganz konkret motivierender Antworten. Beispielsweise wollen die Proband*innen in dieser Situation auch klare Anweisungen geben, Diffe­ renzieren – je nach Leistungskönnen der Schüler*innen – oder sie lassen sich auf eine Diskussion mit den Schüler*innen ein. Zusätzlich gibt es auch Antworten, welche eine fachliche bzw. fachdidaktische Erklärung untermauern.

Resultate 279

Die Vignette 9 stellt darüber hinaus ein überaus komplexes koedukatives Problem 30 im Sportunterricht dar. Die provokante Aussage der Sportlehrperson im Beispiel – «Bezieht auch die Mädchen mit ins Spiel ein. Wir machen das jetzt so: Mädchentore zählen doppelt.» – soll die Proband*innen dazu anregen, diese Lösung des Sportlehrers zu beurteilen. Denn offensichtlich scheint diese Lösung der in dieser Vignette genannten Sportlehrperson nicht zu funktionieren, da sich die Jungen offensichtlich weigern, den Mädchen den Ball abzugeben. Ob gerade diese neue Regel dazu geführt hat, dass das Problem verstärkt wurde oder nicht, ist schwierig zu beurteilen. Diese Situation regt die Proband*innen jedoch aktiv dazu an, sich in die Sichtweisen der im Beispiel genannten Schüler*innen zu versetzen. Die Antworten hier beziehen sich in erster Linie eher auf den inhaltlichen Aspekt der Lösung als auf die konkrete Motivation der Schüler*innen. Die folgenden Ankerbeispiele sollen dies aufzeigen: Proband*in 178, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Oder es zählen nur noch Mädchentore, dann könnte die Stimmung jedoch auf die andere Seite kippen.» Proband*in 229, Vignette 9; Praxislehrperson

«Problem dabei: Die Spielfreuheit [Spielfreiheit; Anm. J. V.] leidet unter diesem Zwang.» Proband*in 356, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Die Methode mit den Doppeltoren funktioniert nicht. Die Frage ist, ob die Jungen einfach einmal ihr Spiel spielen wollen und nie Gelegenheit dazu bekommen.» 5.5.3  Entscheidungsmuster 3: Situation auflösen oder ertragen Einige Ausdifferenzierungen der Kompetenzbereiche des Projekts PCK 1.0 (vgl. Anhang B) überschneiden sich mit den Ausdifferenzierungen des Projekts PCK 2.0. Ein Inhalt, der sich beim PCK 1.0 mit den Inhalten in den nachfolgenden Auswertungen überschneidet, ist: Übung ab­ brechen 6d. Diese Ausdifferenzierung zeigt einige Interferenzen mit drei Ausdifferenzierungen des Projekts PCK 2.0. 30

Pfister & With-Nielson, 2010.

280 Resultate

Dies sind: 1. SuS-Abhängigkeit, 2. Fachliche Reflexionen und 3. Antizi­ pieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen (vgl. Abb. 36). Lernziel Abhängigkeit Rahmenbedingungen Abhängigkeit Erfolgs-Misserfolgs-Abhängigkeit

Entscheidungsketten

LP Abhängigkeit Inhaltlicher Kontext Abhängigkeit SuS Abhängigkeit Zeitliche Abhängigkeit

Fachliche Reflexionen Normative Reflexionen (Lehrplan/Schulinterne Regeln) Fachdidaktische Reflexionen Reflexion über Disziplin und Sanktionen

Antizipieren/Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen Verantwortung den SuS abgeben

Abbildung 36: Übersicht der Ausdifferenzierungen für den Typus 3: Situation auflösen oder ertragen.

Im Folgenden wurde deshalb versucht, den Kompetenzbereich (im PCK 1.0) Inhalte präsentieren durch die Auswertungen des PCK 2.0 noch etwas genauer zu erklären. In den folgenden zwei Darstellungen (vgl. Abb. 37 und Abb. 38) werden die drei Überschneidungen mit dem Inhalt Übung abbrechen 6d ersichtlich.

Summe

Ü_abbrechen 6d

SuS Abhängigkeit

Antizipieren/Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

Fachliche Reflexionen

Appellieren/ermahnen/ Moralpredigt

Anweisung

Motivieren/loben/ ermutigen

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Diskutieren/ Besprechen/erklären lassen

Resultate 281

Verbale Massnahmen

8

Gedankliche Auseinandersetzungen Fachliche Reflexionen

2

Gedankliche Auseinandersetzungen Schüler*innnen Abhängigkeit

8

1

1

3

2

5

8

9

32

Summe

3

Summe

Ü_abbrechen 6d

9

SuS Abhängigkeit

Kompetenzbereich PCK 1.0 okay Ü_abbrechen 6d

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

5

Fachliche Reflexionen

Gedankliche Auseinandersetzungen Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

2

4

Appellieren/ermahnen/ Moralpredigt

Verbale Massnahmen

Anweisung

Motivieren/loben/ ermutigen

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Diskutieren/ Besprechen/ erklären lassen

Abbildung 37: Verteilungen der Antworten zum Typus 3.

1

1

Gedankliche Auseinandersetzungen Fachliche Reflexionen Gedankliche Auseinandersetzungen Schüler*innnen Abhängigkeit

3

1

Gedankliche Auseinandersetzungen Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

2

Kompetenzbereich PCK 1.0 Ü_abbrechen 6d Summe

3

1

1

3

2

3

4

2

5

8

Abbildung 38: Verteilungen der Antworten zum Typus 3 (Anzahl Nennungen).

8

2

2

4

8

3

5

9 9

32

282 Resultate

Zu diesen drei Überschneidungen folgen Ankerbeispiele, welche diese Interferenzen aufzeigen: 1. Überschneidungen von Ü_abbrechen mit fachlichen Reflexionen Proband*in 237, Vignette 6; Praxislehrperson

«Damit könnte ich die Fallhöhe minimieren und die Landung dementsprechend angenehmer gestalten.» Proband*in 193, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Die LP soll den SuS die Angst nehmen und einige ungefährliche Vorübungen einbauen.» 2. Überschneidungen von Ü_abbrechen und Schüler*innen Abhängigkeit Proband*in 198, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Falls die Schüler allerdings immer noch nicht turnen möchten, würde ich die Aufgabenstellung vereinfachen oder verändern, so dass kein Grund mehr zur Angst besteht (z. B. bereits Bekanntes turnen lassen).» Proband*in 233, Vignette 6; Sek II Abschluss

«Sobald alle SuS die Vorübung gemacht haben.» Proband*in 351, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Falls sich jedoch niemand beteiligen will.» 3. Überschneidungen von Ü_abbrechen mit Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen Proband*in 176, Vignette 6; Sek I Abschluss

«Ich finde die Reaktion der SuS sehr verständlich und fände es unverantwortlich, die SuS eine Übung machen zu lassen, die sogar der LP Schmerzen bereitet.» Proband*in 273, Vignette 6; Sek II Abschluss

«Ich verstehe die Reaktion der Klasse.» Proband*in 304, Vignette 6; Praxislehrperson

«Zur Frage selbst: Ich verstehe die Schüler und versuche, die Übung anders aufzubauen, mit einfacheren, weniger schmerzhaften Vorübungen.» Aus diesen acht Ankerbeispielen ist ein Entscheidungsmuster zu deuten, welches eine Gegensätzlichkeit beinhaltet. Einerseits beziehen sich

Resultate 283

die Proband*innen auf die Schüler*innen, das heisst, ob die Übung abgebrochen wird oder nicht, hängt massgeblich von den Schüler*innen ab. Dies kann ganz allgemeine Gründe haben, die mit den Schüler*innen zu tun haben, beispielsweise, dass je nach Reaktion der gesamten Klasse gehandelt wird. Es kann aber auch sein, dass sich die Lehrperson ganz spezifisch in die Schüler*innen hineinversetzt und merkt, dass die Übung wahrscheinlich nicht so sehr auf das Niveau der Schüler*innen ausgerichtet ist. Mit solchen Antworten drücken die Proband*innen ein persönliches Mitgefühl für die in der Situation stattfindenden Vorgänge und ihre Schüler*innen aus. Des Weiteren kann es auch sein, dass eine Übung oder eine Aufgabe abgebrochen wird, worauf eine fachliche Begründung auf Seiten der Proband*innen folgt. Die Proband*innen versuchen, den Umstand des Übungsabbruchs damit zu begründen, dass dies aufgrund eines fachlichen Inhalts getan werden müsse und nicht etwa aufgrund von Schüler*innen, wie im obigen Beispiel erklärt. Übung abbrechen und die Vignette 6 Der Code Ü_abbrechen des Projekts PCK 1.0 wird lediglich in der Vignette 6 verwendet (vgl. Instrument im Anhang A). In dieser Vignette 6 hat sich offensichtlich die Lehrperson beim Vorzeigen des Flickflacks Schmerzen zugezogen, was man den Beschreibungen über den Gesichtsausdruck der Lehrperson in der Vignette entnehmen kann. Die Proband*innen werden nun gefragt, wie sie auf die nachfolgende Verweigerung der Aufgabe auf Seiten der Schüler*innen reagieren würden. Vignette 6: «12. Schuljahr, Gymnasium. Thema: Einführung Flickflack. Bei der ersten Übung soll der Absprung für den Flickflack geübt werden: Stand auf dem Boden und Sprung rückwärts auf die Weichmatte (40 cm) mit Landung auf dem Rücken (eine Art Fosbury­Flop, ohne aber die Beine nach der Landung nachzuziehen). Der Lehrer demonstriert die Übung. Er landet mit den gestreckten Armen zuerst auf der Matte, an seinem Gesichtsausdruck sieht man, dass die Landung nicht ganz ohne Schmerzen erfolgte. Als der Lehrer die Schülerinnen auffordert, zu üben, sitzen alle am Boden und weigern sich, zu turnen. Wie reagieren Sie als Lehrperson in dieser Situation?»

284 Resultate

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Sek II Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Vignette 6: Geräteturnen

Lediglich zwei Proband*innen würden den Unterricht wie geplant fortsetzen. Eine Person schreibt, dass sie den Unterricht unterbrechen würde, und viele beschreiben, dass sie den Unterricht abbrechen würden und nennen dafür eine fachliche Begründung (vgl. Abb. 39).

Antizipierte Handlungen

Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv)

63

Antizipierte Handlungen Unterbruch

14

Antizipierten Handlungen Abbruch

30

Gedankliche Auseinandersetzungen Fachliche Reflexionen

39

Gedankliche Auseinandersetzungen Schüler*innnen Abhängigkeit

100

Gedankliche Auseinandersetzungen

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

147

Kompetenzbereich PCK 1.0

Ü_abbrechen 6d Summe

92 84

91

90

58

55

107

485

Abbildung 39: Verteilungen der Antworten zur Vignette 6.

Vignette 13, 16 und 20: In der Vignette 13 (Aufgrund von später eintreffenden Schüler*innen kann der Unterricht nicht pünktlich begonnen werden), in der Vignette 16 (HipHop-Lektion, bei der die Schüler*innen sichtlich überfordert scheinen und sich nach dem anschliessenden Spiel erkundigen) und in der Vignette 20 (Leistungsüberprüfung im Bereich Ausdauer / Leichtathletik) (vgl. Instrument im Anhang A) wird häufig der Unterricht wie geplant fortgesetzt. Dies sind vor allem Textvignetten, in denen keine kritische oder gefährliche Situation vorliegt. Da dies alles ungefährliche Situationen sind, kann vermutet werden, dass sich die Proband*innen nicht unmittelbar ge-

okay

Resultate 285

zwungen sehen, sofort eine Lösung bereitzuhalten, wodurch die Übung oder die Lektion nicht unmittelbar abgebrochen werden muss. Zudem kann vermutet werden, dass sich die Proband*innen in der Situation bedeutungsvolle Zeit einräumen, um erst etwas später zu einer definitiven Entscheidung zu gelangen. Folgende Ankerbeispiele zeigen diese Entscheidungsprozesse in den genannten Vignetten auf: Vignette 13 – geplante Fortsetzung des Unterrichts Proband*in 187, Vignette 13; Sek I Beginner

«Ohne gross drum herumzuschwatzen, beginne ich, indem ich direkt den Auftrag bekannt gebe.» Proband*in 207, Vignette 13; Sek II Abschluss

«Danach würde ich die Lektion möglichst ohne negativen Unterton beginnen. 1. In den nächsten Lektionen kommen alle Schüler rechtzeitig, und das Problem ist gelöst.» Proband*in 360, Vignette 13; Sek II Beginner

«Ich beginne den Unterricht und lasse mich nicht gross von den zu spät Kommenden stören.» Vignette 16 – geplante Fortsetzung des Unterrichts Proband*in 174, Vignette 16; Sek II Beginner

«Ich würde (sofern die Lernenden schon genug aufgewärmt sind) mit Mobilisations- und Kräftigungsübungen weiterfahren und dann mit meinem geplanten Programm weiterfahren.» Proband*in 176, Vignette 16; Sek I Abschluss

«Wie geplant den Tanz nur als Aufwärmen nutzen. Wenn noch Zeit, würde ich die Elemente am Schluss der Stunde noch kurz repetieren.» Vignette 20 – geplante Fortsetzung des Unterrichts Proband*in 278, Vignette 20; Sek II Beginner

«Der Unterricht sollte dann ohne weitere Diskussionen fortgesetzt werden können (als Thema eher etwas Regeneratives anstreben [Gymnastik /Entspannungsübungen]).» Proband*in 196, Vignette 20; Sek I Beginner

«Den Unterricht führe ich nach der kurzen (!) Diskussion wie geplant fort.»

286 Resultate Proband*in 208, Vignette 20; Sek II Beginner

«Mit dem Unterricht würde ich ganz normal weitermachen. Evtl. gibt es eine Sportart, in der das Mädchen gut ist. Diese sollte dann auch berücksichtigt werden.» Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es Situationen gibt, die eher dazu veranlassen, den Unterricht zu unterbrechen oder abzubrechen, und andererseits gibt es auch zahlreiche Situationen, bei denen der Unterricht vorerst nicht unterbrochen und erst später eine Entscheidung getroffen wird. 5.5.4  Entscheidungsmuster 4: Der Anreizimpuls Bei der Entstehung dieses Typus werden jegliche Ausdifferenzierungen betrachtet, welche sich auf die Motivation beziehen. In der folgenden Darstellung (vgl. Abb. 40) werden diejenigen Themen dargestellt, die für die Entstehung dieses Typus entscheidend sind:

Bezug zu eigenem Unterricht/eigene Meinung LP soll motivieren Fehler der LP thematisieren

Reflexionen für LP Verhalten Reflexionen zum Aufbau der Übung Reflexionen zu SuS Verhalten Reflexionen zur Gruppeneinteilung Reflexionen zur Aufgabenschwierigkeit

Fachdidaktische Reflexionen

Reflexionen des Ziels Reflexionen des Inhalts

Leistungs- und Neigungsdifferenzierung Reflexionen bezüglich Motivation/Anreiz Reflexionen zu Zeit Reflexionen zu Organisation des Inhalts (Ablauf/Anweisungen) Reflexionen zu Organisation des Raums

Abbildung 40: Übersicht über die Ausdifferenzierungen zum Typus 5: Der Anreizimpuls.

Wenn alle Antworten dieser Ausdifferenzierung betrachtet werden, fällt auf, dass darin drei unterschiedliche Ziele verfolgt werden: 1. Beim ersten Antwortmuster werden Situationen beschrieben, in denen die Lehrperson ihre Schüler*innen motivieren will, indem sie an das Gemeinschaftsgefühl appelliert. Zentral bei diesen Formulierungen ist, dass das Soziale der Gruppe in den Vordergrund gestellt wird, womit legitimiert wird, wieso die Schüler*innen motivierter sein sollen. In dieser

Resultate 287

Art von Entscheidungssituationen scheint es für die Lehrpersonen offensichtlich zu sein, dass die gesamte Gruppe, einzelne Schüler*innen oder eine Gruppe von Schüler*innen motivieren kann. Die folgenden Ankerbeispiele sollen dies aufzeigen: Gemeinschafts- und Sozialgefühl als Motivator Proband*in 166, Vignette 8; Sek I Abschluss

«Wir trainieren gemeinsam und motivieren uns gegenseitig, den Stadtlauf zu bewältigen. Dazu nehmen wir uns vier Wochen Zeit und laufen in jeder Lektion eine Etappe weiter als zuvor.» Proband*in 176, Vignette 8; Sek I Abschluss

«Ich würde versuchen, die Schüler zu motivieren, indem ich Ihnen vom schönen Gruppenerlebnis berichte. Ausserdem würde ich versuchen, ihnen klarzumachen, dass es nicht darum geht, möglichst schnell zu laufen, sondern ein gutes Erlebnis zu haben. Das Training würde ich so aufbauen, dass die SuS am Anfang auch einfach schnell gehen können.» Proband*in 237, Vignette 8; Praxislehrperson

«Ich stelle das Mitmachen am Stadtlauf und das Miteinander der Klasse in den Vordergrund, die Leistung nach Zeit (durchgehendes Rennen, schnelles Rennen) in den Hintergrund. – Ich passe die Trainingslaufstrecke den körperlichen Voraussetzungen der beiden Schülern an. – Ich erkläre ihnen die Möglichkeiten der Verbesserung ihres Laufpotenzials und des Trainingseffektes und ermutige sie, mitzumachen … Ich gehe mit einer gewissen Diplomatie auf die Aussage, wir sind zu viel zu fett, ein und versuche, den Schülern aufzuzeigen, dass dies auch eine Chance sein kann, der Fettleibigkeit den Kampf anzusagen … Das Ziel und der Gewinn sind möglicherweise viel grösser als nur die Teilnahme und Absolvierung des Stadtlaufs». Proband*in 304, Vignette 9; Praxislehrperson

«Ich motiviere die Jungs noch mehr. Ich lasse den sozialen Gedanken noch einfliessen.» 2. Nebst diesem ersten Antwortmuster gibt es aber auch Situationen, in denen die Lehrperson die Schüler*innen motivieren will, indem sie ihnen den Sachverhalt erklärt und darauf hofft, dass die Schüler*innen motivierter sind und mehr Engagement in der Sportlektion zeigen. Die Beto-

288 Resultate

nung dieses Entscheidungsmusters liegt in der Erklärung als Motivationsgrund: Genaue Erklärung als Motivator Proband*in 172, Vignette 8; Sek II Beginner

«Ich würde ihnen dabei erklären, dass ihnen dies helfen wird, um fit zu werden, und dass sie sicherlich die Strecke zum Ende ohne Probleme meistern werden.» Proband*in 186, Vignette 14; Sek II Beginner

«Lösung 2: Die SuS aufklären, wieso sie die Übung machen sollen (Sporttag), den Nutzen aufzeigen. Die SuS motivieren (intrinsisch). Lösung 3: Aus der Übung ein Training für eine Schwimmnote machen (extrinsische Motivation), Druck machen. Eher nicht zu wählende Lösung.» Proband*in 196, Vignette 8; Sek I Beginner

«Ich ermuntere die beiden, indem ich ihnen erkläre, dass mit einem kleinen Trainingsaufwand (der, der in der Schule gemacht wird, soll ausreichend sein) der Stadtlauf von allen bewältigt werden kann.» Proband*in 207, Vignette 8; Sek II Abschluss

«Ich erkläre den anderen zwei Schülern, dass es eine Frage des Trainings und des Tempos ist, die entscheidet, ob man einen solchen Lauf schafft, und dass ich fest daran glaube. Danach versuche ich die Schüler dennoch in die Gruppe zu integrieren, indem sie das Tempo für die Gruppe machen sollen.» Proband*in 216, Vignette 8; Sek I Abschluss

«Ich versuche sie zu motivieren und erkläre, dass der Erfolg auch vom Training abhängt. Ich treffe mit ihnen eine Abmachung, um sie zusätzlich anzuspornen (dürfen das nächste Spiel auswählen in der Lektion oder Ähnliches).» 3. Beim dritten Antwortmuster wird deutlich, dass in der jeweiligen Situation auf motivationale Werkzeuge wie allgemeine Bekräftigung, Loben oder Ermutigen zurückgegriffen wird. Die Motivatoren innerhalb der Ausdifferenzierung Allgemeine positive Bekräftigung als Motivator beinhalten unterschiedliche Fokussierungen. Während die Proband*innen Begriffe

Resultate 289

wie Loben und Motivieren benennen, gibt es auch Lösungsvorschläge, die auf die Inhalte ausgerichtet sind, beispielsweise dass anhand eines bestimmten Inhalts die Schüler*innen motiviert werden sollen (beispielsweise Proband*in 365, erstes Beispiel bei den folgenden Ankerbeispielen). Aber auch hier liegt die Begründung darin, dass es etwas sein muss, was die Jungen «stark fordert». Allgemeine positive Bekräftigung als Motivator Proband*in 365, Vignette 3; Praxislehrperson

«Die Jungs etwas anderes machen lassen, das sie sehr stark fordert, zum Beispiel Burpees, die Kraft UND Kondition fordern.» Proband*in 199, Vignette 8; Sek II Abschluss

«Man muss die SuS motivieren und ihnen eine Möglichkeit geben, wie sie die Strecke trotzdem schaffen.» Proband*in 173, Vignette 8; Sek II Beginner

«Motivation, aufmuntern und gut zusprechen. Ihnen klarmachen, dass sie genügend Zeit bekommen und sich nicht am Tempo der anderen orientieren müssen.» Proband*in 344 , Vignette 8; Sek II Beginner

«Wir starten ganz langsam. Evtl. würde ich die SuS motivieren, indem sie entscheiden können, welche Länge der Strecke sie am Lauf zurücklegen wollen, und Teams mit ähnlichem Niveau und Interessen bilden.» Proband*in 198, Vignette 13; Sek I Abschluss

«Schüler loben, welche pünktlich waren.» Proband*in 279, Vignette 16; Sek II Beginner

«Ich versichere ihm, dass er sich auf die Spielsequenz freuen könne, da sie bestimmt nicht zu kurz kommen wird, und motiviere ihn für erneuten Einsatz.» Proband*in 346, Vignette 20; Sek I Abschluss

«Ich würde die SuS zuerst einmal für ihr Mitdenken loben.» Proband*in 217, Vignette 12; Sek II Abschluss

«Zusätzlich Inputs geben und Feedbacks, motivieren, um Neues auszuprobieren.»

290 Resultate Proband*in 205, Vignette 8; Sek II Beginner

«Motivieren, über das Problem sprechen. Es geht nicht darum, eine Spitzenzeit wie Topläufer zu erreichen, sondern sich selber ein Ziel zu setzen. Jeder Schüler soll sagen, was er laufen möchte, und dann wird auf das hin trainiert. Das gibt Erfolge, wenn die Zeit unterboten wird.»

Sek I Beginn

Sek II Beginn

8

Praxislehrpersonen

5

Sek I Abschluss

5

Sek II Abschluss

Vignette 16

6

Vignette 5

Vignette 14

104

Vignette 11

13

Vignette 9

Vignette 8

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Vignette 3

Weitere Vignetten: Wie in den Ankerbeispielen zu sehen ist, werden Antworten zur Motivation vor allem in der Vignette 8 (vgl. Instrument im Anhang A) genannt, etwas weniger häufig in Vignette 3, 9, 11, 14 und 16.

0

25

45

29

24

45

Verbale Massnahmen Gedankliche Auseinandersetzungen

Kompetenzbereich PCK 1.0 Summe

Abbildung 41: Verteilungen der Antworten im Bereich der positiven Bekräftigung und zum Anreizimpuls.

Vignette 8: Die Stadtlauf-Vignette 8 (vgl. Instrument im Anhang A) ist gerade dazu prädestiniert, dass hier bekräftigende Antworten gegeben werden, wie dies bereits bei der Beschreibung des Typus 2­erklärt wurde. Diese Resultate deuten darauf hin, dass sich Schüler*innen weniger gut für Ausdauerdisziplinen (im Beispiel die Leichtathletik) motivieren lassen, als dies beispielsweise bei den Spielsportarten der Fall ist. Es scheint, dass Schüler*innen im Bereich des Ausdauertrainings nicht so motiviert sind und sich deshalb darin auch nicht sehr hohe Leistungen zutrauen. Vignette 3: Etwas weniger häufig und dennoch zentral scheint das Thema Motiva­ tion und jenes des Anreizimpuls in der Vignette 3 (vgl. Instrument im Anhang A) zu sein. In dieser Vignette geht es um den inhaltlichen Themen-

Resultate 291

bereich des Bodenturnens. Die Jungen sind sichtlich unzufrieden mit dem für die Stunde ausgewählten Thema und beklagen sich lautstark: «Schon wieder dieser blöde Weibersport! Können wir nicht mal wieder was Vernünftiges machen?» Dass die Proband*innen hier eher mit einer allgemeinen positiven Bekräftigung antworten statt mit einer Erklärung als Motivator oder mit einem Motivationsausspruch hinsichtlich des Gemeinschaftsgefühls, scheint nachvollziehbar zu sein. Vignette 9 und 11: Die Vignetten 9 (Handball) und 11 (Änderung der Sprunganlage) (vgl. Instrument im Anhang A) sind sich insofern sehr ähnlich, als es eine klar beobachtbare Gruppe von Schüler*innen gibt, die sich nicht nach der Norm verhalten, wie es in diesem Sportunterricht wohl üblich zu sein scheint. Auch hier geben einige Proband*innen an, dass sie mit motivationalen Instrumenten die Situation verbessern würden. Vignette 14: Ebenfalls werden in der Schwimm-Vignette 14 (vgl. Instrument im Anhang A) Antworten zum Anreizimpuls gegeben. In dieser Situation im Freibad scheinen die Schüler*innen eher träge und antriebslos. Wahrscheinlich ist es für diese Klasse nicht alltäglich, dass sie im Sportunterricht ins Freibad gehen, und die Schüler*innen zeigen das Bedürfnis, eher im Schwimmbecken zu planschen und das schöne Wetter zu geniessen, als den Aufgaben der Lehrperson Folge zu leisten. Vignette 16: In der Hip-Hop-Vignette 16 (vgl. Instrument im Anhang A) geht es darum, dass motivationale Instrumente dazu benutzt werden, die Aufmerksamkeit der Schüler*innen auf den Inhalt zu projizieren, damit weiterhin in einem hohen Tempo gearbeitet werden kann, damit es letztlich noch für das versprochene Spiel reicht. In Bezug auf die Motivation dominieren Antworten, welche die Schüler*innen allgemein positiv bekräftigen.

292 Resultate

Sek I Beginn

Sek II Beginn

8

Praxislehrpersonen

5

Sek I Abschluss

5

Sek II Abschluss

Vignette 16

6

Vignette 5

Vignette 14

104

Vignette 11

13

Vignette 9

Vignette 8

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Vignette 3

Vignette 5: Bei der Vignette 5 (vgl. Instrument im Anhang A) (vgl. Abb. 42) gibt es überhaupt keine Aussagen, welche das Thema der positiven Bekräftigung aufgreift, was allenfalls mit der oben erwähnten Anreizfrage bei Ausdauersportarten und Spielsportarten zusammenhängen kann. Abbildung S. 208: okay In dieser Vignette 5 geht es darum, dass im Basketballspiel die Mitschülerinnen mit den Entscheidungen der beiden Schiedsrichterinnen nicht immer einverstanden sind. Nach einiger Zeit bricht die Lehrerin das Spiel ab. Darauf werden die Proband*innen gefragt, was sie nun in der Rolle der Lehrerin tun würden.

0

25

45

29

24

45

Verbale Massnahmen Motivieren/ loben/ ermutigen

Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexionen bezüglich Motivation

Gedankliche Auseinandersetzungen Lehrperson soll motivieren Kompetenzbereich PCK 1.0 Motivation_8c Summe

Abbildung 42: Verteilungen der Antworten im Bereich der positiven Bekräftigung und zum Anreizimpuls (Vignette 5 ohne Nennungen).

Resultate 293

5.5.5  Entscheidungsmuster 5: Disziplinarische Massnahmen Bei der Entwicklung dieses Typus wurden jegliche Ausdifferenzierungen ins Zentrum gestellt, bei denen es um eine Bestrafung, Disziplinierung und um allgemeine Sanktionen geht. Übersichtsartig soll die folgende Abbildung 43 zeigen, aus welchen Ausdifferenzierungen dieser Typus entstanden ist: Fachliche Reflexionen

Normative Reflexionen (Lehrplan/Schulinterne Regeln)

Fachdidaktische Reflexionen Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit Reflexion über Disziplin und Sanktionen

Reflexionen über Sanktionen

Organisatorische Planung des Unterrichts Inhalte anpassen Kompromisse/Belohnung Disziplinarische Massnahmen Gruppeneinteilung anpassen Partizipationsformen Ergebnissicherung/Ziel Differenzierungen

Klasse/Gruppe versammeln

Erklären Fehler dementieren Kritisieren Auflockerung/Humor Eigene Fehler eingestehen Motivieren/Loben/ermutigen Eigenes Unverständnis/Enttäuschung ausdrücken Anweisung Tadeln/Bestrafung Appellieren/Ermahnen/Moralpredigt

Abbildung 43: Übersicht über die Ausdifferenzierungen zum Typus 6: Disziplinarische Massnahmen.

294 Resultate

Entscheidungen, die Schüler*innen zu disziplinieren oder eine Sank­tion auszusprechen, werden dann getroffen, wenn die Schüler*innen sich den eigentlich geplanten Handlungen der Lehrperson widersetzen. Wenn disziplinarische Massnahmen vorgenommen werden, dann können die Antwortmuster in vier unterschiedliche Zusammenhänge eingeteilt werden: 1. Es gibt eine reine Bestrafung oder eine Sanktion für das Verhalten der Schüler*innen, damit die Lehrperson ihre Autorität unterstreichen kann: Disziplinarische Massnahmen als autoritäres Instrument. 2. Die Schüler*innen werden diszipliniert, indem sie beschreiben oder erklären müssen, wieso sie etwas falsch gemacht haben: Grund der Disziplinierung erklären / erklären lassen. 3. Es gibt eine Bestrafung oder eine Sanktion, damit das gezeigte Schüler*innen-Verhalten beim nächsten Mal nicht erneut auftritt, wenn uninteressante Inhalte eingeschoben werden: Einschub von uninte­ ressanten und ermüdenden Inhalten. 4. Es gibt Situationen, in denen sich die Proband*innen dazu entscheiden, die Schüler*innen aus dem Unterrichtsgeschehen zu nehmen. Es kann sein, dass die Schüler*innen an den Rand des Spielfelds gestellt werden, oder dass sie vom Unterricht verbannt werden: Disziplinarische Massnahmen als Instrument des Ausschlusses der Schüler*innen. Im Folgenden werden zu diesen vier Entscheidungsmustern Ankerbeispiele aus ganz unterschiedlichen Ausdifferenzierungen dargestellt, um diese Typisierungen zu erläutern.

Resultate 295

1. Disziplinarische Massnahmen als autoritäres Instrument Proband*in 176, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Ich überwache sie.» Proband*in 157, Vignette 12; Sek I Beginner

«Hauptaufgabe der Lehrperson im Sportunterricht ist es, Disziplin und Ruhe in der Halle zu bewahren.» Proband*in 242, Vignette 14; Sek I Beginner

«Was ist das Problem? Wer nicht schwimmt, wird bestraft.» 2. Grund der Disziplinierung erklären / erklären lassen Proband*in 178, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Ich gebe ihnen einen Zettel mit Bleistift und sie sollen mir die Gefahren beim Minitrampolin aufschreiben. Dazu setzen sie sich an die Turnhallenwand, weg von den Trampolinen. Die Lektion ist nach dieser Runde zu Ende und die SuS räumen das Material ihres letzten Postens auf. Ich behalte die drei Schüler noch kurz bei mir und schau mir ihre Antworten an.» Proband*in 218, Vignette 11; Sek I Beginner

«Abbrechen, Ziele definieren, Stunde verfrüht beenden und drei Querlingen nach Erklärung und kleiner Schelte und klarmachen, dass es das nicht mehr gibt.» Proband*in 150, Vignette 11; Sek II Abschluss

«Ich würde diese Gruppe zur Seite nehmen, kurz mit ihnen sprechen und die Gefahren erläutern. Zudem möchte ich auch wissen, warum sie sich gegen die Anweisungen sträuben.» Proband*in 180, Vignette 13; Sek II Beginner

«Ich würde nach dem Grund für die Verspätung fragen und darauf aufmerksam machen, dass beim nächsten Mal eine Verspätung als Eintrag geahndet werden kann.» Proband*in 237, Vignette 13; Praxislehrperson

«Vielleicht regt das eine Diskussion über anderes Fehlverhalten oder Disziplinprobleme der Klasse an den Tag und ermöglicht fächerübergreifend zu intervenieren.»

296 Resultate

3. Einschub von uninteressanten und ermüdenden Inhalten Proband*in 187, Vignette 1; Sek I Beginner

«Ich würde das Spiel ausfallen lassen und irgendein unangenehmes Thema beginnen, z. B. Bodenturnen oder Reck.» Proband*in 193, Vignette 14; Sek I Abschluss

«Die eine ist, das Gleiche nochmals richtig zu probieren, und die andere muss etwas sein, das die SuS im Grunde nicht machen wollen. So werden sie sich hoffentlich besser anstellen. Falls nicht, wird die Übung abgebrochen und die zweite Auswahlmöglichkeit gewählt.» Proband*in 276, Vignette 11; Sek I Beginner

«Ich würde die Anlagen aufräumen lassen, an den Rand der Halle stehen und die Schüler*innen für den Rest der Lektion im Kreis joggen lassen.» Proband*in 276, Vignette 14; Sek I Beginner

«Ich sage, dass das Spielprogramm gestrichen wird, wenn sie sich nicht anstrengen.» Proband*in 193, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Die störenden SuS müssen etwas machen, das sie nicht mögen.» 4. Disziplinarische Massnahmen als Instrument von Ruhigstellung der Schüler*innen Proband*in 187, Vignette 11; Sek I Beginner

«Diese Schüler schauen bis zum Ende der Lektion nur zu und verräumen das Material anschliessend ganz alleine.» Proband*in 192, Vignette 1; Sek II Beginner

«Auch könnte man jene, welche versucht haben, den Platz zu tauschen, kurz auf die Seite stellen und sie müssen die ersten 5 Min. dem Spiel zusehen; etwas, das ihnen viel ausmacht, da sie liebend gern spielen.» Proband*in 266, Vignette 9; Sek I Abschluss

«Ich mache zwei Mädchenmannschaften und die Jungs können zuschauen.» Proband*in 181, Vignette 11; Sek II Abschluss

«Sie würden sich nicht an meine Regeln halten, darum müssen sie nun für den Rest der Übungszeit ruhig zuschauen.» Proband*in 227, Vignette 11; Praxislehrperson

«Jungs zusammennehmen, auf die Seite sitzen und nicht mehr mitturnen lassen.»

Abbildung S. 212 (Nr. 1): okay

Resultate 297

6

6

Vignette 12

Vignette 8

1

Vignette 11

Vignette 6

11

Vignette 9

Vignette 4

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Vignette 3

Vignette 1

Analyse zu den verwendeten Vignetten Bei zwei Vignetten gibt es häufig Antworten, welche die Disziplin oder Sanktionen betreffen (vgl. Abb. 44). Es sind dies die Vignetten 11 und 13:

Verbale Massnahmen Tadeln/ Bestrafung

Verbale Massnahmen Appellieren/ ermahnen/ Moralpredigt

Antizipierte Handlungen

Disziplinarische Massnahmen

Abbildung S. 212 (Nr. 2): okay Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit im SpU

Gedankliche Auseinandersetzungen

1

3

15

Vignette 5

Vignette 20

17

124

Vignette 18

Vignette 16

1

9

Vignette 17

Vignette 15

Vignette 13

Vignette 12

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

19

Vignette 14

Reflexion über Sanktionen Summe

Verbale Massnahmen Tadeln/ Bestrafung

Verbale Massnahmen Appellieren/ ermahnen/ Moralpredigt

Antizipierte Handlungen Disziplinarische Massnahmen

Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit im SpU

Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion über Sanktionen Summe

15

71

16

7

3

Abbildung 44: Verteilung der Antworten zum Typus 5.

Vignette 11: Einerseits ist das die Sprung-Vignette 11 (vgl. Instrument im Anhang A), bei der einige Jungen das Trampolin rückwärts aufstellen und vom Trampolin auf den nicht federnden Boden springen. Allem Anschein nach gibt es zahlreiche Proband*innen, welche hier mit einer Sanktion oder einer allgemeinen disziplinarischen Massnahme reagieren würden. Viele Proband*innen begründen dann die gewählte disziplinarische Massnah-

298 Resultate

me damit, dass es bei Nichthandeln ihrerseits zu gefährlich werde und das Verletzungsrisiko steigen könnte. Vignette 13: Ebenfalls häufig würden die Proband*innen in der Vignette 13 (vgl. In­ strument im Anhang A) Sanktionen aussprechen. In dieser Situation wird beschrieben, dass bei Lektionsbeginn die Hälfte der Klasse noch nicht anwesend ist. Offensichtlich ist dies ein Ereignis, das die Proband*innen dazu veranlasst, disziplinarische Massnahmen zu ergreifen. Weitere Vignetten: In den oben erwähnten Ankerbeispielen werden aber auch disziplinarische Lösungen in der Vignette 1 (selbstständige Gruppenbildung), Vignette 9 (Handball nur unter Jungen) und Vignette 12 (eigenständiges Aufwärmen) angesprochen. All diesen drei Situationen ist gemeinsam, dass die Schüler*innen selbstständig eine Handlung ausführen. In der Vignette 1 und 12 werden sie aktiv darum gebeten, selbstständig etwas zu tun, während in der Vignette 9 eine Situation beschrieben wird, in der die Initiative ebenfalls selbstständig von den genannten Schüler*innen ausgeht. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass hier die Proband*innen eher zurückhaltend mit disziplinarischen Massnahmen und Sanktionen sind, da sie sich erst einen Überblick über die Situation beschaffen müssen, bevor sie die Schüler*innen bestrafen. 5.6  Die Typenbildung im soziogenetischen Kontext Gemäss Nohl geht es in der soziogenetischen Typenbildung darum, soziale Zusammenhänge aufzuklären, «innerhalb derer die sinngenetisch entwickelten Typen des Phasenablaufs stehen» (Nohl, 2009, S. 58). Dazu wird nicht mehr nach Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen gesucht, sondern systematisch nach den Unterschieden zwischen den Fällen. Das Sample ist so angelegt, dass es vor allen Dingen Vergleichs­ möglichkeiten hinsichtlich des Lebensalters ermöglicht. Zwar sind im Sample auch beide Geschlechter und unterschiedliche Schulabschlüsse vertreten, doch ließen sich die Lebensalter der

Resultate 299

befragten Personen noch am ehesten systematisch variieren. (Nohl, 2009, S. 118) Deshalb wird in der soziogenetischen Typenbildung – in Anbetracht der vorliegenden Daten – versucht, die Typenbildung in Bezug auf die unterschiedlichen Kohortengruppen zu diskutieren, was die sinngenetische Typenbildung nicht zu leisten vermag, da sie sich auf der Ebene des inhaltlichen Vergleichs bewegt. Was Nohl begrifflich als soziale Zusammenhänge definiert, ist in der vorliegenden Arbeit nicht explizit auf soziale Prozesse (im Nohl’schen Sinne) zwischen Kohortengruppen bezogen, sondern vielmehr auf die strukturelle Unterscheidung von verschiedenen Ausbildungsgängen, wie die der Sek-I- bzw. Sek-II-Studierenden. Darüber hinaus gibt es in den zwei genannten Gruppen auch die Unterscheidung in Studienbeginner und Studienabschliesser. Nebst diesen Kohorten werden hier auch die Praxislehrpersonen als eigene Kohortengruppe, die mit der längsten Unterrichtserfahrung, miteinbezogen. Hierzu wird die Überlappung und Überlagerung einer Typik durch andere Typiken, d. h. die Mehrdimensionalität der Typolo­ gie, herausgearbeitet. Insofern hier die Reichweite und Grenzen der Typiken sichtbar gemacht werden können, dient die mehr­ dimensionale, soziogenetische Typenbildung auch der Genera­ lisierung der empirischen Ergebnisse. (Nohl, 2009, S. 123) Im Folgenden werden die in Kapitel 5.5 sinngenetisch generierten Typen im Kontext einer soziogenetischen Betrachtung analysiert. 5.6.1 Entscheidungsmuster 1: Die fächervergleichende Konstruktion Analyse der Kohortengruppen Versucht man eine Systematisierung innerhalb der Probandengruppen zu finden, lässt sich feststellen, dass der Entscheidungstypus der fächervergleichenden Konstruktion bei der Kohorte der Praxislehrpersonen nicht zu finden ist. Offensichtlich bedienen sich vorwiegend angehende

300 Resultate

Sportlehrpersonen (Sek I und Sek II) einer Legitimierung der Inhalte und der Organisation des Sportunterrichts durch den Vergleich mit anderen Fächern. Dies legt die vage Vermutung nahe, dass sich eventuell die Praxislehrpersonen in ihrem Tun und Handeln derart sicher fühlen, dass sie diesen Fächervergleich nicht brauchen, um ihre Antworten und ihre Entscheidungen gegenüber den Schüler*innen zu legitimieren. Es könnte aber auch sein, dass Praxislehrpersonen die Sicht weniger auf andere Fächer legen, sondern sich auf den Inhalt des eigenen Fachs zu spezifizieren und zu konzentrieren vermögen. 5.6.2 Entscheidungsmuster 2: Empathie für Schüler*innen zeigen Analyse der Kohortengruppen Hier fällt auf, dass vor allem bei den Abschlussstudierenden (Sek II und Sek I; etwas weniger bei Sek-II-Beginnern) die Ausdifferenzierung An­ tizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen zu finden ist (vgl. Abb. 35, vgl. Kap. 5.5.2). In Gegenüberstellung scheint es, dass gerade diejenigen Lehrpersonen mit der grössten Praxiserfahrung (Praxislehrpersonen) und der geringsten Praxiserfahrung (Sek-I-Beginner) sich nicht in die Perspektive der Schüler*innen hineinversetzen. Werden alle Antworten betrachtet (vgl. auch Kap. 5.5.2), so lässt sich erkennen, dass die Praxislehrpersonen in diesen vier genannten Ausdifferenzierungen insgesamt sehr wenig Nennungen haben im Gegensatz zu den anderen Kohorten (vgl. Abb. 33, Kap. 5.5.2). 31 5.6.3 Entscheidungsmuster 3: Situation auflösen oder ertragen Analyse der Kohortengruppen Interessant sind die Textbeispiele auch, wenn man die den Aussagen zugrunde liegenden Kohortengruppen etwas genauer betrachtet. So sind

31

Hier gibt es eine Bestätigung zu den quantitativen Daten (vgl. Vogler et al., 2017). In der Dimension 3 «mit Schüler*innen interagieren» zeigt sich im Quasi-Längsschnitt ebenfalls diese Tendenz.

Abbildung S. 214: okay Resultate 301

dies bei den sich überschneidenden Beispielen ausschliesslich Studierende, die ihr Studium abschliessen, oder Praxislehrpersonen.

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

In der folgenden Abbildung (Abb. 45) ist auch zu erkennen, dass es bei den Sek-I-Beginnern am wenigsten Nennungen bei diesen Ausdifferenzierungen gibt.

Gedankliche Auseinandersetzungen Fachliche Reflexionen

28

Gedankliche Auseinandersetzungen

Schüler*innen Abhängigkeit

92

Gedankliche Auseinandersetzungen

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

133

Kompetenzbereich PCK 1.0 Ü_abbrechen 6d Summe

46 75

70

40

37

77

299

Abbildung 45: Verteilung der Antworten zum Typus 3, ausdifferenziert nach Kohorten.

Lässt man sich jedoch alle Antworten anzeigen, die bei Ü_abbrechen im PCK 1.0 gemacht worden sind, dann sind es insgesamt 46 Nennungen (vgl. Abb. 45). Falls es aber Überschneidungen gibt, sind diese drei genannten Inhalte (1. SuS-Abhängigkeit, 2. Fachliche Reflexionen und 3. Antizipieren / Einfühlen, was SuS wollen, denken, fühlen) des PCK 2.0 die meistgenannten Ausdifferenzierungen, die sich mit «Übung abbrechen» aus dem PCK 1.0 überschneiden. Wird lediglich die Typologie des Codes Ü_abbrechen betrachtet, so wird ersichtlich, dass auch hier bei den Sek-I-Beginnern und ebenfalls bei den Praxislehrpersonen mengenmässig wenig solcher Antworten genannt wurden. Es scheint, als ob für diese Berufsanfänger die Option zum Lösen eines Critical Incidents nicht so häufig in Betracht gezogen wird. Auch bei den Praxislehrpersonen scheint diese Option des Abbrechens einer Übung nicht von grosser Bedeutung zu sein. Im Gegensatz dazu bedienen sich die Sek-II-Beginner etwas mehr dieser Lösung, wel-

302 Resultate

che möglicherweise durch ihr vorangehend umfangreiches Fachstudium als Studierende solche Situationen erlebt haben und diese Erfahrung unmittelbar inokay die Situation einfliessen lassen können. Abbildung S. 215 (Nr. 1):

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Eine Übung abbrechen, unterbrechen oder den Unterricht wie geplant fortsetzen Werden die Antworten beim PCK 2.0 beim Orientierungsmuster der anti­ zipierten Handlungen unter Abbruch / Unterbruch der Übung betrachtet, ergibt sich in Bezug auf die Kohorten das folgende Bild (vgl. Abb. 46):

Antizipierte Handlungen Unterbruch

13

Antizipierte Handlungen Abbruch

28

Summe

4

12

9

6

10

41

Abbildung 46: Verteilungen der Antworten zum Typus 3, ausdifferenziert nach Kohorten.

Werden hier auch diejenigen Antworten betrachtet, bei denen die Proband*innen angeben, dass sie die Übung nicht unter- oder abbrechen würden, sondern den Unterricht wie geplant fortsetzen, ergibt sich folgende Darstellung (vgl. Abb. 47):

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Resultate 303

Antizipierte Handlungen (Prozess beibehalten)

Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv)

61

Antizipierte Handlungen (Prozess ändern) Unterbruch

13

Antizipierte Handlungen (Prozess ändern) Abbruch

28

Summe

16

20

18

18

30

102

Abbildung 47: Verteilung der Antworten zur Unterscheidung Prozess beibehalten und Pro­ zess ändern des Typus 3.

Bei dieser Verteilung (vgl. Abb. 46 und 47) lässt sich erkennen, dass die Sek-II-Beginner am häufigsten von allen Kohorten den Unterricht fortsetzen wollen (Prozess beibehalten), wohingegen die Sek-I-Abschliessenden eher dazu tendieren, einen Unterbruch einzufügen, falls eine Übung nicht funktioniert hat oder es Besprechungsbedarf gibt. Ob nun eine kritische Situation durch einen Abbruch aufgelöst wird oder durch eine geplante Fortsetzung des Unterrichts «ausgehalten» wird, hängt einerseits von der Art der Situation ab, und andererseits von inhaltlichen oder personalen (bezogen auf die Schüler*innen) Gründen.

304 Resultate

Vignette 11 und die Kohortengruppen: Demgegenüber gibt es in der Vignette 11 massgebliche Unterschiede in den Antworten der Proband*innen. Die Vignette 11 stellt eine Situation dar, bei der Vorsicht geboten ist, da die Umstellung des Trampolins Unfälle verursachen kann. Vignette 11: «Die Mädchen (5) und Knaben (10) sind bereits gut aufgewärmt. Nach einem turbulenten Aufstellen der Geräte versammelt der Lehrer die Schüler*innen in der Mitte der Halle. Er er­ klärt die Aufgabe für das folgende Geräteturnen: ‹Ihr habt verschiedene Geräte zur Auswahl: Reck, Barren, Stufenbarren und Kasten mit einem Minitrampolin. Ihr könnt nun in Zweier­ oder Dreiergruppen an diesen Geräten die euch von den letzten Stunden bekannten Ele­ mente üben und trainieren.› Die Schülerinnen und Schüler beginnen mit dem Üben, während der Lehrer von Gerät zu Gerät geht, Tipps gibt und hilft und sichert. Bis zum dritten Wechsel läuft der Übungsbe­ trieb geordnet und die Schülerinnen und Schüler üben intensiv. Während des letzten Wechsels muss er drei Schüler aus dem Geräteraum holen, weil sie sich dort versteckt haben. Dann entdeckt er drei Knaben, die die Minitrampolinanlage ver­ ändert haben. Er fordert sie aus Sicherheitsgründen auf, die Station wieder herzustellen. Nur kurz kann er sich anschliessend einer Mädchengruppe zuwenden (die Mädchen turnen sehr intensiv am Stufenbarren), weil die erwähnte Trampolingruppe seine Aufmerksamkeit erneut erfordert: Die Knaben haben die Laufrichtung gewechselt und springen nun vom Trampolin direkt auf den Boden (ohne Weichmatte). Wie würden Sie an Stelle des Lehrers reagieren und handeln?»

Antizipierte Handlungen Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv)

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Sek II Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Vignette 11

Resultate 305

65

Antizipierten Handlungen Abbruch/ Unterbruch der Übung

57

Gedankliche Auseinandersetzungen Fachliche Reflexionen

29

Gedankliche Auseinandersetzungen Schüler*innnen Abhängigkeit

99

Gedankliche Auseinandersetzungen

Antizipieren/ Einfühlen was SuS wollen, denken, fühlen

143

Kompetenzbereich PCK 1.0

Ü_abbrechen 6d Summe

46 38

91

90

58

55

107

439

Abbildung 48: Verteilungen der Antworten zur Ausdifferenzierung des Typus 3.

Nur gerade vier Proband*innen nennen, dass sie den Unterricht in dieser Situation wie geplant fortsetzen wollen, ohne dabei allzu fest die Problematik in derokay Klasse zu thematisieren. Geplante Fortsetzung des Unterrichts (aktiv) Proband*in 166, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Danach dürfen sie an einem weiteren Gerät trainieren.» Proband*in 224, Vignette 11; Sek I Beginner

«Danach lasse ich die Lektion weiterlaufen und habe ein spezielles Auge auf die Gruppe am Minitrampolin.» Proband*in 296, Vignette 11; Sek II Beginner

«Die Trampolinstation müsste wieder in die Anfangsposition gewechselt werden.» Proband*in 362, Vignette 11; Sek I Beginner

«Nach Wiederherstellen der Grundbedingungen (Weichmatte an richtige Stelle) können die SuS weiter üben.»

306 Resultate

Interessant ist hier, dass häufig Beginner antworten, dass sie den Unterricht unabhängig von den Umständen fortsetzen würden. Abbruch / Unterbruch der Übung Proband*in 182, Vignette 11; Sek II Beginner

«Ich würde die Jungs sofort unterbrechen.» Proband*in 270, Vignette 11; Sek I Beginner

«Ich unterbreche die gesamte Übung und sammle die Klasse.» Proband*in 166, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Die Knabengruppe soll das Trampolin in den Geräteraum verräumen.» Proband*in 205, Vignette 11; Sek II Beginner

«Die Übung abbrechen und die SuS zusammennehmen.» Proband*in 257, Vignette 11; Sek I Beginner

«Unterricht stoppen.» Proband*in 347, Vignette 11; Sek I Abschluss

«Die Übung aus Sicherheitsgründen sofort abbrechen.» Wie sich anhand dieser Ankerbeispiele erkennen lässt, gibt es nicht eine spezifische Kohorte, die sich eher zu einem Unterbruch oder Abbruch leiten lässt, sondern es gibt Proband*innen, die sich eher für die eine Lösung, und andere Proband*innen, die sich für die andere Lösung entscheiden.

Resultate 307

5.6.4  Entscheidungsmuster 4: Der Anreizimpuls Analyse der1):Kohortengruppen Abbildung S. 217 (Nr. okay

Summe

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

Betrachtet man die Verteilungen der Antworten in Bezug auf die Kohorten, so lassen sich hier keine stark divergierenden Aussagen machen. Die folgende Abbildung (vgl. Abb. 49) zeigt auf, dass in etwa gleich viele Beginner (Sek I und Sek II) wie Abschliessende (Sek I und Sek II) Antworten bezüglich des Anreizimpulses gemacht haben.

Verbale Massnahmen

Motivieren/ loben/ ermutigen

71

Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion bezüglich Motivation/ Anreiz

26

Gedankliche Auseinandersetzungen Lehrperson soll motivieren

13

Kompetenzbereich PCK 1.0 Mit SuS interagieren

58

Summe

25

45

29

24

45

168

Abbildung 49: Verteilungen der Antworten zum Typus 4: Anreizimpuls.

Dies spricht dafür, dass ein Anreizimpuls im Sportunterricht nicht in Abhängigkeit der jeweiligen Kohortengruppe und deren Erfahrung ausgesprochen wird, sondern die hier dargelegten Antworten tendieren dazu, dass aufgrund der Situation oder der jeweiligen Sportart entschieden wird, ob ein Anreizimpuls angedacht und ausgesprochen wird oder nicht.

308 Resultate

5.6.5  Entscheidungsmuster 5: Disziplinarische Massnahmen Analyse der Kohortengruppen man die Antworten hinsichtlich der Kohortenverteilung, dann lässt sich auch hier keine generelle Aussage machen, ob gewisse Kohorten eher disziplinarische Massnahmen ergreifen würden. Aus dieser unten aufgeführten Grafik (vgl. Abb. 50) lässt sich einzig erkennen, dass die SekII-Abschluss-Studierenden eher weniger disziplinarische Massnahmen und Sanktionen vergeben im Gegensatz zu den anderen Kohorten.

Sek II Beginn

Sek I Beginn

Praxislehrpersonen

Sek I Abschluss

Orientierungsmuster und deren Ausdifferenzierungen

Sek II Abschluss

AbbildungBetrachtet S. 217 (Nr. 2): okay

Verbale Massnahmen

Tadeln/ Bestrafung Verbale Massnahmen

Appellieren/ ermahnen/ Moralpredigt Antizipierte Handlungen Disziplinarische Massnahmen Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit im SpU Gedankliche Auseinandersetzungen Reflexionen über Sanktionen Summe

48

78

63

57

66

Abbildung 50: Verteilung der Nennungen zu disziplinarischen Massnahmen über die Ko­ horten hinweg.

In der Abbildung 50 fällt auch auf, dass es für Sek-I-Beginner von Bedeutung ist, dass sie ihren Unterricht in geordneter Weise durchführen können (vgl. Abb. 50) (Reflexion zu Disziplin, Ordnung, Sicherheit im Sportunter­ richt). Es geht ihnen weniger darum, dass sie Schüler*innen bei Fehlverhalten bestrafen oder ermahnen oder lediglich Sanktionen aussprechen. Bei ihnen wird offensichtlich, dass für sie der Überblick und die Ordnung höchste Priorität haben, auch in Bezug auf Sicherheitsaspekte im Sportunterricht. Sicherheit scheint für Beginner eher prioritär als eine logische Schlussfolgerung zu sein. Dass das Bestrafen weniger von Bedeutung ist, weist allenfalls auf einen noch dominierenden Schüler*innenhabitus hin.

Resultate 309

5.7  Unterstützende Resultate aus einer studentischen Arbeit Im Rahmen einer interdisziplinären Vertiefungsarbeit an der PH FHNW sind zwei Studentinnen (Dünki & Honegger, 2018) innerhalb derselben Daten- und Auswertungsgrundlage der Frage nachgegangen, welche spezifischen Entscheidungsmuster Lehrpersonen – in den zwei differierenden Sportarten Leichtathletik und Geräteturnen – untersuchen. Dabei standen folgende Fragestellungen im Zentrum der Arbeit: – Unterscheiden sich die gezeigten Kompetenzdimensionen (in Bezug auf das Projekt PCK 1.0) in den Sportarten Geräteturnen und Leichtathletik, und wenn ja, wie? – Welche Entscheidungsmuster gibt es bei den beiden Sportarten? – Welcher Zusammenhang besteht zwischen den gezeigten Kompetenzdimensionen (des PCK 1.0) und bestimmten Entscheidungsmustern und unterscheiden sich diese in den beiden Sportarten? Im Folgenden werden die wichtigsten Resultate und Zusammenhänge dieser Arbeit zusammengefasst. Kontext: Leichtathletik In der Leichtathletik spielen gemäss den Autorinnen (Dünki & Honegger, 2018, S. 75) vor allem Diskussionen über die Noten und die Leistungsbeurteilung eine etwas grössere Rolle, als dies bei der Sportart Geräteturnen erfasst werden kann. Dünki und Honegger merken aber ebenfalls an, dass dies auch der Spezifität der Textvignette zuzuschreiben sei. Denn in der einen Textvignette zum Thema Leichtathletik gehe es zentral um die Leistungsbewertung, während es bei der anderen Textvignette zum Geräteturnen vorwiegend um Sicherheitsaspekte und um Themen der Motivation und Schaffung von positiven Anreizen gehe (Dünki & Honegger, 2018, S. 75). Es werden in dieser Sportart häufig motivationale Werkzeuge benützt, wenn es darum gehe, die Schüler*innen beispielsweise für einen Ausdauerlauf zu motivieren. Zur Unterstützung dieses Resultats beziehen sich die Autorinnen auf eine Studie von Wydra (2000), in der ebenfalls ersichtlich sei, dass die Leichtathletik im Saarland bei Mädchen und Jungen nicht zu den Wunschsportarten gehört, wie ganz allgemein auch Lut-

310 Resultate

ter und Günzel (Lutter & Günzel, 2001) anmerken. Deshalb sehen Dünki und Honegger eine Begründung in der Beliebtheitsstatistik der Sportart, warum Lehrpersonen bei diesem Thema häufig auf unterstützende und motivationale Bekräftigung zurückgreifen (2018, S. 73). Kontext: Geräteturnen In den Textvignetten zum Geräteturnen scheinen sich die Proband*innen vor allem Gedanken zu motivationalen Aspekten ihrer Schüler*innen zu machen. Andererseits gehe es in diesem Fach auch eher darum, ein sicheres Üben zu gewährleisten (Dünki & Honegger, 2018, S. 71). Die Autorinnen sehen eine mögliche Interpretation im Wesensmerkmal der Sportart selber. Während es in der Leichtathletik eher um leistungsorientierte Erfahrungen geht (Outputorientierung), wird im Geräteturnen eher auf das Schaffen von Bewegungserfahrungen konzentriert (Prozessori­ entierung), was den Leistungsaspekt im Geräteturnen in den Hintergrund rücken lässt. Abschliessende Aussagen: In beiden Sportarten scheinen aber die Lehrpersonen das Interesse der Schüler*innen zu beachten, weshalb die Autorinnen die Ergebnisse auch auf COACTIV (Kunter et al., 2011) beziehen können. Dabei verweisen sie auch auf andere Autor*innen, welche diese Aussage unterstützen, dass die Motivation, positive Rückmeldung und den Schüler*innen Bestätigung zu geben, sehr wichtig sind und zugleich als eine der grössten Herausforderungen des Sportlehrerberufs aufgefasst werden (Lohmann, 2007; Miethling & Krieger, 2004). Gerlach et al. (2006) konnten zeigen, dass fehlende Motivation auf Seiten der Schüler*innen ein grosses Thema ist und demzufolge bei den Sportlehrpersonen dazu führe, dass die Entscheidungen häufig für motivationale und bekräftigende Strategien ausfallen (Gerlach, Kussin, Brandl-Bredenbeck & Brettschneider, 2006). Zusammenfassend ist aufgrund dieser Resultate zu erwähnen, dass es bei der Sportart Leichtathletik eher um die Beurteilung und Evaluation der Leistungsfähigkeit geht, wogegen beim Geräteturnen das Beachten von Unterschieden und der Körperlichkeit ins Zentrum der Entscheidungsfindung gelegt wird.

Resultate 311

Beachtung geschenkt werden sollte aber auch dem Umstand, dass diese beiden Spezifitäten damit zusammenhängen können, dass in der Leichtathletik die Bewegungsabläufe für beide Geschlechter identisch sind, während im Geräteturnen zahlreiche Übungen in den Turnvereinen geschlechtergetrennt geturnt werden. In beiden Sportarten scheint aber die Beachtung der Interessen (Neigungsdifferenzierung) der Schüler*innen zentral zu sein, weshalb Lehrpersonen differenzieren müssen (2018, S. 70).

6. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse In diesem Kapitel werden die in Kapitel 3 präzisierten Fragestellungen nochmals aufgenommen und in Bezug auf die Resultate diskutiert. Dabei werden die Resultate auch auf die theoretische Ausarbeitung in Kapitel 2 bezogen und zusammengefasst. In einem ersten Teil (Kap. 6.1) werden die Forschungsfragen abschliessend zusammengefasst und unter Berücksichtigung der Theorie diskutiert. In einem zweiten Teil (Kap. 6.2) wird das methodische Vorgehen kritisch reflektiert und in einem Ausblick werden Implikationen für nachfolgende Forschungsarbeiten formuliert. In einem dritten Teil (Kap. 6.3) werden in einem Fazit die Ergebnisse als Ganzes zusammengefasst, und es wird ein Ausblick für die Praxis und weitere Forschungstätigkeiten gegeben. In einem vierten und letzten Teil (Kap. 6.4) wird versucht, vor dem Hintergrund der generierten Resultate und deren Diskussion einen Ausblick für die Professionsforschung zu geben. 6.1 Einordnung und Zusammenfassung der generierten Resultate Kapitel 5 zeigt den Verlauf der Generierung der Resultate Schritt für Schritt auf. Die anfänglich sehr grosse Datenmenge (113 verwertbare Antwortfiles, vgl. Kap. 4.1.2) konnte mithilfe der Schritte der Dokumentarischen Methode so weit reduziert werden, dass bereits die Diskursbeschreibung (vgl. 5.4) Platz für einige Vermutungen der Ergebnisse offenliess. Ebenfalls wurde die Darlegung der Typen (vgl. Kap. 5.5 und 5.6) und deren Bildung beschrieben und sie beinhaltet bereits einige wenige Interpretationen. Aufgrund der Form der Darstellung der Resultate, welche bereits Interpretationen und Beschreibungen der Zusammenhänge enthält, wird die folgende Diskussion kurz gehalten. Die Zusammenfassung und Diskussion der Resultate soll sich an der übergeordneten Fragestellung der Arbeit ausrichten:

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0_6

314

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Welche Entscheidungsmuster lassen sich bei Sportlehrpersonen in kritischen Situationen im Unterricht identifizieren? Die Resultate zeigen in ihrer Komplexität auf, dass es selten nur eine «richtige» Lösung für eine kritische Situation gibt. Diese Komplexität zeigt also, dass es nicht die eine Lösung für eine Situation gibt, sondern dass es zahlreiche Möglichkeiten geben soll, die für die Lösung einer Situation funktionieren können. Die Resultate decken ebenfalls Entscheidungsmuster auf, die analog dem Begriff des «Kompetenzbündels» nach Oser (u. a. Oser et al., 2007, S. 14) definiert werden können. Dabei hat die Ausarbeitung der Typen fünf unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten ergeben, die anhand einer Einordnung in Entscheidungsmuster beschrieben werden konnten (vgl. Kap. 5.5 und 5.6). Die folgende Tabelle (vgl. Tab. 9) zeigt deshalb nochmals einen Überblick über die in der Auswertung generierten Entscheidungsmuster, welche keinesfalls als abschliessend gelten, aber richtungsweisend sein können, wenn es beispielsweise darum geht, inhaltliche Schwerpunkte in der Fachdidaktikausbildung an Pädagogischen Hochschulen zu setzen. Diese Entscheidungsmuster zeigen eine Richtung auf, in die künftige Fachdidaktikkurse ihre Inhalte und Strukturen ausrichten können. Diese (vgl. Tab. 9) und weitere Themen sollen aufzeigen, dass das unterrichtliche Handeln an situative Gegebenheiten angepasst werden muss. Denn die Ergebnisse lassen sich einerseits in Abhängigkeit von situationalen und kontextualen Begebenheiten interpretieren, unterscheiden sich aber andererseits auch aufgrund der Ausbildungsstrukturen und persönlichen Berufsbiografien der Lehrpersonen.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

315

Tabelle 9: Die als Resultate generierten Entscheidungsmuster des Projekts PCK 2.0. Beschreibung des Typus

Entscheidungshabitus in situ

Entscheidungsmuster 1: Die fächervergleichende Konstruktion

Rechtfertigen

Entscheidungsmuster 2: Empathie für Schüler*innen zeigen

Empathie zeigen

Entscheidungsmuster 3: Situation auflösen oder ertragen

Aushalten

Entscheidungsmuster 4: Der Anreizimpuls

Anreize schaffen

Entscheidungsmuster 5: Disziplinarische Massnahmen

Disziplinieren

Diese generierten Resultate deuten auf eine Tendenz der Entscheidungsmuster von Lehrpersonen in kritischen Situationen des Sportunterrichts hin. Die ermittelten Resultate stellen zwar eine Momentaufnahme an möglichen Resultaten der situationsspezifischen Entscheidungsmuster dar, die aber dennoch in einem repräsentativen Sampling stattgefunden haben. Die Resultate und die Typenbildung sind des Weiteren aus einem kritischen narrativen / kasuistischen Gesichtspunkt zu betrachten. Dabei gibt es nicht spezifische Situationen, auf die es eine konkrete Lösung gibt, da sich Lehrpersonen mit zahlreich ungewissen und sich verändernden Schwierigkeiten im Berufsalltag auseinandersetzen müssen, wie dies auch Paseka et al. (2011) beschrieben haben (vgl. Kap. 2.2). Zugleich verstehen sich Lehrpersonen, in Anlehnung an Paseka et al. (2011), in «einer widersprüchlichen Einheit von Rollenhandeln und Handeln als Person» (2011, S. 22). Damit ist gemeint, dass sich Lehrpersonen immerzu in einem Wechsel von Einfühlungsvermögen zeigen und der zugehörigen Antinomie der Wahrung der Distanz befinden. Sie müssen sich einerseits empathisch in die Entwicklung und das geistige Handeln der Schüler*innen hineinversetzen, und andererseits müssen sie aber auch professionell ihren fachlichen Inhalt vermitteln und damit eine Distanz zur subjektiven Einschätzung ihrer Schüler*innen zeigen, in Anlehnung an den strukturtheoretischen Ansatz nach Terhart (2011) (vgl. Kap. 1.2).

316

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Jede Lehrperson in der Untersuchung hat eine persönliche Vorerfahrung, viele haben eine andere Ausbildung genossen (vgl. Kap. 2.5). Dies nicht aufgrund anderer Fächerkombinationen (vor allem bei Sek-I-Lehrpersonen, welche nebst dem Fach Sport auch noch 2 – 3 andere Fächer unterrichten dürfen), sondern auch aufgrund anderer Lehrpersonen und Dozierenden, mit denen sie im Laufe ihrer Biografie in Kontakt kamen (vgl. Kap. 2.5.2). Gerade die Autor*innen um Lüsebrink (2014) beschreiben, dass das biografische Wissen von Lehrpersonen eine grosse Bedeutung hat und dass dieses sogar handlungsleitend für das berufliche Agieren zu sein scheint (vgl. 4.1.4). Diese Beschreibungen können die Resultate dieser Arbeit dahingehend unterstützen, dass sich in einigen Entscheidungsmustern unterschiedliche Lösungen zeigen, die sich ebenfalls aufgrund der beruflichen Erfahrung der Proband*innen herauskristallisiert haben. In Anlehnung an den berufsbiografischen Bestimmungsansatz von Professionalität nach Terhart (2011) (vgl. Kap. 1.2) und in Bezug auf die generierten Resultate in Tabelle 9 heisst dies, dass bestimmte Entscheidungsmuster sich erst aus der biografischen Entwicklung heraus bilden und zeigen, weshalb diese generierten Entscheidungsmuster in exemplarischer Weise gedeutet werden müssen. Diese fünf generierten Entscheidungsmuster zeigen auf, dass sich eine Ausbildung an der Art und Weise dieser fünf generierten Typen (und auch weiterer solcher Entscheidungsmuster) orientieren muss, um die Performanz der Studierenden zu entwickeln und zu verbessern. 6.1.1 Entscheidungsmuster in Abhängigkeit von Situationen und Kontexten Die in Kapitel 3 präzisierte erste Teilfrage geht den Entscheidungsmustern in Abhängigkeit von unterschiedlichen Situationen (Umfeld, in Form von Stimmung der beschriebenen Situation in der Textvignette) und Kontexten (Sportarten und inhaltliche Themen der Textvignette) nach. Teilfrage 1: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Situationen und Kontexten iden­ tifizieren?

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

317

1. Entscheidungstypus: Rechtfertigen Es gibt bezüglich dieses Typus offensichtlich Situationen im Sportunterricht, worauf die Lehrperson eine Erklärung für Inhalte oder für das Handeln gegenüber den Schüler*innen geben muss. Dabei geben die Lehrpersonen häufig Antworten, welche sich auf den Lehrplan oder schulinterne Regeln beziehen. Häufig sind es Situationen, bei denen es um eine Leistungsbeurteilung geht (vgl. Kap. 5.5.1), beispielsweise in der bereits bekannten Vignette 20 (vgl. Instrument im Anhang A). In dieser Textvignette wollen die Schüler*innen von der Lehrperson wissen, wieso die Leistung ihrer Mitschülerin mit einer 1 benotet wurde. Es hat sich durch die Analyse und Prüfung der Textantworten gezeigt, dass die Proband*innen häufig in solchen Situationen versucht haben, das Fach Sport mit anderen Fächern zu vergleichen, um ihre eigene Entscheidung zu legitimieren. Drei unterschiedliche Diskussionsgrundlagen haben sich aus dem 1. Entscheidungsmuster herauskristallisiert: a) Diskussionen zum Thema der Leistungsbewertung zeigen sich aufgrund der vorliegenden Datengrundlage eher in den Sportarten, wo ein klarer Notenmassstab für die Beurteilung herangezogen werden kann, beispielsweise in der Leichtathletik. b) Vergleichende Diskussionen, wenn es um die Legitimation von Inhalten geht, zeigen sich nebst Leichtathletik auch im Geräteturnen. c) Die dritte Sequenz, in denen der Sportunterricht mit anderen Fächern verglichen wird, kristallisiert sich zu Beginn einer Lektion heraus. Dann nämlich, wenn es um die Pünktlichkeit des Unterrichtsbeginns geht. Auch hier scheinen die Sportlehrpersonen sich auf andere Fächer zu beziehen, bei denen der Unterricht ebenfalls pünktlich beginnt. Der dritte Punkt unterscheidet sich dahingehend von den ersten beiden Punkten, da hier ein Vergleich mit anderen Fächern nur bedingt möglich ist. In vielen Schulen befindet sich die Sporthalle nicht im selben Gebäude wie der Unterricht der damit vergleichenden Fächer. Auch brau-

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

chen Schüler*innen andere Kleider für den Sportunterricht, was erneut Zeit braucht, diese zu wechseln. Diese beiden Umstände erhöhen das Risiko, dass Schüler*innen zu spät in den Unterricht kommen, was sich die Proband*innen in der Situation nicht abschliessend bewusst zu sein scheinen. Betrachtet man die konkrete Situation, worauf sie mit einem Fächervergleich antworten, dann sind es in der Untersuchung immer Situationen, in denen die Lehrpersonen aktiv von den Schüler*innen herausgefordert werden und nach einer Antwort oder nach einer Begründung verlangen. 2. Entscheidungstypus: Empathie zeigen Empathie auf Seiten der Lehrperson wird in ganz unterschiedlichen Situationen und Sportarten gezeigt. Empathie wird dadurch offensichtlich, dass sich die Lehrpersonen in die Sichtweise der Schüler*innen hineinversetzen und aus Schüler*innensicht prüfen, wie sich diese wohl dabei fühlen. In der Vignette 8 – Stadtlaufvignette – (vgl. Instrument im Anhang A; Kap. 5.5.2), in der es um den Leistungsaspekt in der Disziplin Ausdauer geht, wird sehr häufig beschrieben, dass die Lehrpersonen die Schüler*innen in ihrem Tun und Handeln positiv bekräftigen und damit unterstützen wollen, was ebenfalls als Empathie zeigen gedeutet werden kann. Auch in der Vignette 16 – Hip-Hop-Vignette – versuchen sich die Proband*innen empathisch in die Sichtweise der Schüler*innen hineinzuversetzen. Allem Anschein nach können die Lehrpersonen verstehen, dass wahrscheinlich der Rhythmus der Musik zu schnell ist und die Schüler*innen überfordert, was eine verminderte Lust, sich zu bewegen, bei den Schüler*innen nach sich zieht. Auch hier zeigt sich, dass Sportarten der Ausdauer und koordinativ geprägte Sportarten wie das Tanzen Lehrpersonen dazu veranlassen, sich vermehrt in die Sicht- und Denkweise der Schüler*innen hineinzuversetzen, was sich bezogen auf die Sportart Leichtathletik in Form von motivierenden Aussagen auch in der studentischen Vertiefungsarbeit von Dünki und Honegger herauskristallisierte (Dünki & Honegger, 2018).

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

319

3. Entscheidungstypus: Aushalten Wie die Resultate in Kap. 5.5.3 zeigen, sind es vor allem eher gefährliche Situationen (aufgrund derer sich die Schüler*innen verletzen könnten), in denen die Proband*innen zu einem Abbruch der Übung oder der Sequenz tendieren. Dies sind vor allem Situationen und Textvignetten, in denen keine kritische oder gefährliche Situation vorliegt. In Situationen, in denen kein promptes Handeln nötig ist, beispielsweise in der keine gefährliche Situation vorhanden ist, nehmen sich die Proband*innen mehr Zeit, um eine Entscheidung zu treffen, weil sich die Proband*innen offensichtlich nicht in einem Zeitdruck befinden. 4. Entscheidungstypus: Anreiz schaffen Durch die Analyse und Prüfung dieses Entscheidungsmusters hat sich ergeben, dass vor allem bei Ausdauersportarten und den kompositori­ schen Sportarten wie beispielsweise Geräteturnen und weniger in Ball­ sportarten solche Motivationsfragen aufgeworfen werden. Der Anreizimpuls wird in drei Themen eingeteilt: a) Einerseits wollen die Proband*innen den Schüler*innen eine positive Bekräftigung geben, indem sie an das Gemeinschafts- und Sozialgefühl der Gruppe appellieren. b) Oder sie geben eine genaue Erklärung für einen Sachverhalt ab und erwarten dadurch, dass die Schüler*innen sich eher begeistern können, weil sie nun über den genauen Sachverhalt Bescheid wissen. c) Und als dritten Ursprung geben die Proband*innen allgemein verbale positive Bekräftigungen als Anreizimpuls an. Situationen, in denen Lehrpersonen von aussen versuchen, positive Anreize und motivierende Aussagen zu geben, kommen in der Ausdauer­ vignette (Vignette 8), beim Bodenturnen (Vignette 3), bei der Hip-Hop­ Vignette (Vignette 16), bei der Handballvignette (Vignette 9) und bei der Schwimmvignette (Vignette 14) vor. Auch hier unterscheidet sich die Handballvignette von den anderen, da diese als Gruppensportart eine andere animierende Grundlage enthält als bei Einzelsportarten (wie dem

320

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Geräteturnen und der Leichtathletik in Anlehnung an die Ergebnisse von Dünki und Honegger (2018), in denen die Schüler*innen viel mehr individuell von der Sportlehrperson motiviert werden müssen. 5. Entscheidungstypus: Disziplinieren Auch hier gibt es vier unterschiedliche Bedingungen, wann disziplinarische Massnahmen angegeben werden: a) Disziplinarische Massnahmen als autoritäres Instrument b) Grund der Disziplinierung erklären / erklären lassen c) Einschub von uninteressanten und ermüdenden Inhalten d) Disziplinarische Massnahmen als Instrument von Ruhigstellung der Schüler*innen Es scheint, dass es Situationen und Sportarten gibt, bei denen die Proband*innen häufiger mit Sanktionen auf die Critical Incidents reagieren als in anderen Situationen. Das sind Momente, in denen die Situation als gefährlich eingestuft wird, weil Verletzungen drohen können. Hier reagieren die Proband*innen relativ strikt und ganz konkret mit disziplinarischen Massnahmen wie mit einem Abbruch der Übung oder mit anderen Sanktionen. Vor allem die Vignette 11 (in der drei Jungen die Trampolinstation umgestellt haben) (vgl. Instrument im Anhang A) scheint solche Lösungen zu provozieren. In der Vignette 13 werden ebenfalls disziplinarische Massnahmen ergriffen. Die Vignette 13 stellt demgegenüber eine etwas andere Ausgangslage dar. Einige Schüler*innen kommen zu spät in den Sportunterricht, sodass die Lehrperson den Unterricht nicht pünktlich beginnen kann. Auch hier versuchen einige Proband*innen, ihre Schüler*innen zu disziplinieren. Wenn dies auch keine gefährliche Situation ist, sind Sportlehrpersonen darauf angewiesen, dass zum Unterrichtsbeginn alle Schüler*innen in der Sporthalle anwesend sind. Diese Pünktlichkeit scheint sehr prägend und ein konstitutives Element für den Sportunterricht zu sein. Die Aufgabe oder das Spiel wird häufig mündlich von der Lehrperson zu Beginn der Stunde erklärt. Sind einige Schüler*innen nicht pünktlich bei Unterrichtsbeginn in der Halle, können sie diesen mündlichen Erklärun-

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

321

gen nicht folgen und können sich auch nicht aktiv an der Aufgabe beteiligen. Anhand der Typenbildung können überdies noch einige weitere wichtige Themen aufgegriffen werden, welche bei den Entscheidungen in einem konkreten Kontext (einer konkreten Sportart) eine Rolle spielen. Im Folgenden werden auch diese Entscheidungen nochmals kurz aufgegriffen und diskutiert. Weitere stichhaltige Resultate Kontext Leichtathletik – Beurteilung strikt anhand einer vorgegebenen Leistungstabelle Ausschliesslich bei der Leichtathletik-Vignette nennen die Proband*innen, dass sie hier strikt mithilfe einer vorgegebenen Leistungstabelle beurteilen würden. Leichtathletik scheint prädestiniert zu sein, um strikt nach einer Leistungstabelle zu bewerten und weniger nach Technik oder anderen Beurteilungsformen. Wie bereits von Dünki und Honegger (2018) angedeutet, könnte dies aufgrund des Wesensmerkmals der Sportart Leichtathletik begründet werden. In der Leichtathletik scheint das Thema des Leistens (im Sinne einer objektiven Leistungsbewertung) zentral zu sein. Es geht ebenfalls bei der Benotung viel mehr darum, die persönliche Leistung auf einer objektiv angelegten Skala mit anderen Schüler*innen zu vergleichen, als den Prozess der körperlich-physischen Entwicklung ins Zentrum zu stellen. Dies unterstützen zahlreiche Antworten der Proband*innen. Eine Interpretation darauf könnte sein, dass sich die Proband*innen gerade in der Leichtathletik – wo doch auch schweizweite Tabellen für Schüler*innen existieren – dazu verleiten lassen, die körperlichen und mentalen Dispositionen der Schüler*innen zu vernachlässigen und sich stattdessen nur auf die erreichten Zahlen zu fokussieren. Diese Antwortmuster werden unabhängig von einer bestimmten Kohortengruppe genannt. Dies lässt die Vermutung offen, dass diese Antworten auf die persönlichen Ansichten und Einstellungen (beliefs) (vgl. Santagata & Yeh, 2015) zurückzuführen sind, welche die jeweiligen Proband*innen im Fach Sport haben.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Bei der Entwicklung der beliefs im Zusammenhang mit den fachdidaktischen Kompetenzen von Lehrpersonen beschreiben jedoch Santagata und Yeh den Zusammenhang so, dass sich die beliefs während der Ausbildung als Lehrperson verändern. Fives und Buehl (2012) schreiben aber dennoch, dass beliefs nur implizit präsent seien und diese nicht expliziert werden können (vgl. Kap. 5.4.1). Eine andere Interpretation könnte sein, dass die «Zentimeter-Gramm-Sekunden-Sportarten» eine Sicherheit bei der Leistungsbeurteilung geben, da hier auf vorgefertigte Leistungstabellen zurückgegriffen werden kann. Kontext Ausdauersportarten (Leichtathletik) – Loben, ermutigen und motivieren Proband*innen greifen vor allem bei der Sportart Leichtathletik und darin vor allem bei der Ausdauer auf motivationale Werkzeuge zurück (vgl. Kap. 5.4.2). Am Beispiel dieser Ausdauervignette (vgl. Instrument im Anhang A) hat sich gezeigt, dass Lehrpersonen ihre Schüler*innen weder kritisieren, tadeln oder bestrafen, sondern sich hauptsächlich dafür entscheiden, diese zu motivieren, zu loben oder zu ermutigen. Demgegenüber scheint das Thema der Disziplin, Ordnung und Sicherheit in der Leichtathletik in den ausgewählten Textvignetten kein allzu grosses Thema zu sein, wie auch Dünki und Honegger beschreiben (2018, S. 71). Eine mögliche Interpretation darauf könnte sein, dass in den genannten Fallbeispielen offensichtlich keine Probleme der Sicherheit vorliegen, weshalb die Proband*innen auch nicht dahingehend Lösungsmöglichkeiten antizipierten. Kontext: Ballsportarten – Regeländerungen Regeländerungen werden vor allem in derjenigen Textvignette genannt, welche einen Genderaspekt thematisiert. Dies ist die Textvignette 9, in der Handball gespielt wird und die Mädchen von den Jungen nur sehr zögerlich angespielt werden. Hier verspüren zahlreiche Proband*innen, dass sie eine Regeländerung einführen würden. Eine Vermutung über diesen Umstand lässt sich dahingehend formulieren, dass sich Lehrpersonen vor allem in eher männlich konnotierten Sportarten (Ballsportarten) dazu verleiten lassen, die Geschlechterdifferenzen auf Kosten der Jungen auszugleichen (Kap. 5.4.3).

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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6.1.2 Entscheidungsmuster in Abhängigkeit von Ausbildungsstrukturen und Berufsbiografien Dieses Unterkapitel widmet sich der Beantwortung der zweiten Teilfrage aus der Präzisierung in Kapitel 3. Auch hier werden die Ergebnisse nochmals kurz aufgegriffen und vor dem Hintergrund der theoretischen Aufarbeitung (vgl. Kap. 2) diskutiert. Teilfrage 2: Welche Entscheidungsmuster lassen sich in Abhän­ gigkeit von unterschiedlichen Ausbildungsstrukturen und Be­ rufsbiografien identifizieren? 1. Entscheidungstypus: Rechtfertigen Der Entscheidungstypus Rechtfertigen lässt sich bei der Kohorte der Praxislehrpersonen nicht finden. Die Praxislehrpersonen verfügen im Vergleich zu allen anderen Proband*innen über die längste Unterrichtserfahrung. Es wird vermutet, dass diese Gruppe von Lehrpersonen zwar Legitimationen der Inhalte über das Fach Sport macht, für die Legitimation jedoch keine anderen Fächer als Vergleich heranzieht. Wie bereits in Kap. 5.6.1 könnte aber auch eine Vermutung dahingehend formuliert werden, dass Praxislehrpersonen mit ihrer langjährigen Erfahrung eine solch grosse Überzeugung innehaben, dass sie sich vor den Schüler*innen gar nicht erklären müssen oder wollen. Oder aber sie sehen den Sportunterricht dermassen losgelöst von den anderen Unterrichtsfächern, dass sie deshalb keinen Vergleich anstellen, da sich allenfalls das Fach Sport aufgrund seines eher physisch geprägten Inhalts zu sehr von den anderen Fächern abhebt und unterscheidet. Den Praxislehrpersonen gegenüber sind es vor allem Sek-I- und Sek-IIStudienbeginner, welche sich bei einer Rechtfertigung auf andere Schulfächer beziehen. Aufgrund der oben erwähnten Erklärungsversuche würde dies heissen, dass Berufsanfänger allenfalls ein weniger sicheres Auftreten besitzen und deshalb offensichtlich häufiger von den Schüler*innen zur Legitimation der Inhalte im Fach Sport herausgefordert werden. 2. Entscheidungstypus: Empathie zeigen Vor allem Studierende, welche ihr Studium abschliessen (Sek I und Sek II), neigen dazu, sich etwas besser in die Schüler*innen hineinzuversetzen.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Demgegenüber zeigt sich aus dem Datenmaterial, dass gerade diejenigen Lehrpersonen mit der grössten Praxiserfahrung (Praxislehrpersonen) am wenigsten Empathie für die Schüler*innen zeigen. Ein Grund dafür kann sein, dass die Proband*innen in der Untersuchung lediglich dazu aufgefordert wurden, Lösungsvorschläge zu präsentieren, und nicht, diese zu begründen. Die Argumentation könnte aber auch in jene Richtung gehen, dass sich Studierende (Sek II im Durchschnitt 28 Jahre alt zum Zeitpunkt der Erhebung; Sek-I-Beginner im Durchschnitt 27 Jahre alt) im Gegensatz zu den Praxislehrpersonen (im Durchschnitt 44 Jahre alt zum Zeitpunkt der Erhebung) aufgrund ihres eigenen Alters näher bei den Schüler*innen und dementsprechend auch näher an ihrer eigenen Schulzeit befinden. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass sich jene Lehrpersonen, gegenüber ihren dienstälteren Kolleg*innen, besser in die Schüler*innen – in Bezug auf die Gefühlslage und das Können im Sinne des Leistungsniveaus – hineinversetzen können. 3. Entscheidungstypus: Aushalten Bei diesem Entscheidungsmuster tendieren vor allem Sek-II-Beginner dazu, den Unterricht wie geplant fortzusetzen (auszuhalten), ohne in das Geschehen einzugreifen. Die Kohorte der Sek-I-Beginner tendiert demgegenüber am ehesten dazu, den Unterricht zu unterbrechen oder abzubrechen, wenn eine Übung offensichtlich nicht zu funktionieren scheint. Dies kann mit den Resultaten von Graham et al. (1993) verglichen werden. Diese beschreiben nämlich ebenfalls, dass Expertenlehrpersonen ihren Schüler*innen «mehr Zeit» für eine Sequenz lassen, als dies Novizen tun (vgl. Kap. 2.4.5). Erstes Resultat steht in Kontrast zu den Beschreibungen von Paseka et al. (2011), welche verdeutlichen, dass das Aushalten und das aktive Ertragen einer kritischen Situation ein konstitutives Element von professionellem Handeln sei, was die Autor*innen auch mit ihrem Ansatz der Differenzfähigkeit beschreiben (vgl. Bestimmungsansätze nach Paseka et al., 2011; Kap. 2.2.2). Wenn davon ausgegangen wird, dass das professionelle Handeln (im Sinne der Knowledgeable-Teacher-Hypothesis [Kunter et al., 2013, S. 806]) erst durch eine fundierte Ausbildung ausgebildet werden kann, dann würden auch Sek-II-Beginner eine solche Situa­tion eher unterbrechen, als diese auszuhalten.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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Andererseits unterstützen gerade die zweiten Ergebnisse der Sek-IBeginner diese Hypothese von Kunter et al. (2013). Die Sek-I-Beginner können als diejenige Kohortengruppe zusammengefasst werden, welche die geringste Erfahrung mitbringt und sich deshalb auch weniger professionelles Wissen angeeignet hat. Bei der Betrachtung aller Textvignetten und aller Situationen lässt sich jedoch nicht abschliessend und bestimmt sagen, dass eine Kohortengruppe vermehrt dazu tendiert, eine kritische Situation abzubrechen oder fortzusetzen, es werden höchste Tendenzen dazu sichtbar (vgl. Kap. 5.6.3). 4. Entscheidungstypus: Anreize schaffen Lehrpersonen scheinen in unterschiedlichsten Stadien ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit dazu tendieren, dass sie ihre Schüler*innen in der jeweiligen Situation unterstützen und für den Inhalt der Lektion begeistern wollen. Bei diesem Entscheidungsmuster fällt jedoch auf, dass zwischen den Kohortengruppen keine grossen Unterschiede bezüglich den motivierenden Impulsen feststellbar sind. Es scheint, dass dieses Thema unabhängig von der Erfahrung der Sportlehrpersonen situationsspezifisch zum Inhalt der Diskussionen im Schulsport gemacht wird, wie dies auch die Resultate von Dünki und Honegger (2018) bestätigen. 5. Entscheidungstypus: Disziplinieren Bei diesem Entscheidungsmuster lässt sich lediglich aussagen, dass Sek-II-Abschluss-Studierende die (quantitativ; vgl. Fussnote 29, Kap. 5.4.3) wenigsten Antworten in diesem Bereich gaben im Vergleich zu den anderen Kohorten. Eine vage und mögliche Interpretation darauf könnte sein, dass diese Kohorte allenfalls durch ihr umfangreiches Fachstudium an der Universität selber dermassen intrinsisch motiviert ist, dass sie die Möglichkeit, die Schüler*innen zu disziplinieren, aufgrund anderer fachlicher Lösungsvorschläge in den Hintergrund rückt. Aufgrund der Darstellungen in der Diskursbeschreibung (vgl. Kap. 5.4) gab es überdies noch weitere wichtige Themen, welche die Kohorten

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

voneinander unterscheiden. Im Folgenden werden auch hier einige dieser Themen nochmals deutlich ausformuliert. Weitere stichhaltige Resultate Implizite Normen und Regeln Aufgrund der Resultate lässt sich erkennen, dass die Sek-I-Beginner keine Antworten zu geltenden Normen und Regeln geben. Dies könnte daran liegen, dass bei dieser Kohorte mehrheitlich die praktische eigene Unterrichtserfahrung fehlt und daraus auch der Habitus als Lehrperson resp. der professionelle Habitus noch nicht in diesem Ausmass – wie es bei erfahreneren Lehrpersonen zu erkennen ist – gefestigt ist, sodass sich diese Proband*innen nicht auf vorherrschende Rollen und Aufgabenteilung im Lehrerberuf beziehen können (vgl. Kap. 5.4.1; Kap. 2.5.2 «kanonisches Element» nach Bruner [1997]). Sek-I-Beginner scheinen sich offensichtlich noch stark an ihrem Schüler*innenhabitus zu orientieren. Begründung der Unterrichtsgestaltung Die Resultate in der Diskursanalyse (vgl. Kap. 5.4.1) deuten darauf hin, dass eher Berufseinsteiger sich strikt an den Lehrplan halten. Lösungsansätze, bei welchen sich Proband*innen auf den Lehrplan beziehen und damit die Inhalte des Sportunterrichts bei den Schüler*innen begründen, werden ausschliesslich von Sek-I- und Sek-II-Beginnern skizziert. Eine Interpretation könnte sein, dass sie sich einerseits an die wenigen Vorgaben, welche in diesem Beruf gegeben sind, halten wollen, weil der Beruf sowieso sehr viele Unsicherheiten mit sich bringt. Andererseits dient bei Berufseinsteigern der Lehrplan auch viel häufiger als Legitimationsgrundlage, um die geplanten Inhalte vor den Schüler*innen zu legitimieren. Eine Begründung für das Verhalten der Berufseinsteiger wurde bereits von Graham, Manross, Hopple und Sitzmann (1993) genannt. In Anlehnung an die Resultate dieser Autor*innen können diese Ergebnisse dahingehend interpretiert werden, dass sich Berufseinsteiger eher an Vorgaben wie Lehrpläne oder gelernte Grundlagen aus dem eigenen Studium halten, während erfahrene Lehrpersonen gewisse Inhalte adaptiver auf das Wissen und Können der Schüler*innen situativ und kontextualisiert ausrichten können (vgl. Kap. 2.4.5).

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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Regeländerungen Erfahrene Lehrpersonen greifen offensichtlich weniger häufig in den Unterrichtsverlauf ein, um eine Regeländerung anzugeben, wie dies Berufseinsteiger machen. Eine Interpretation darauf könnte sein, dass die Berufsanfänger noch weniger gut mit allfälligen Unstimmigkeiten und unharmonischem Unterricht umgehen können und diese «Nichtharmonie» viel schneller verändern wollen, wohingegen die erfahrenen Lehrpersonen solche Situationen viel besser aushalten können (vgl. Kap. 5.4.3). Eine weitere Begründung wurde bereits beim Typus 3 genannt, bei dem es um das Aushalten von solch kritischen Situationen geht. Auch eine Regeländerung stellt einen Eingriff in einen solchen Prozess dar (vgl. «Aushalten» unter Kap. 6.1.2). SuS herausfordern («Verbale Massnahmen») Auffallend bei all diesen Beispielen ist zudem, dass diese Antworten zu «Schüler*innen herausfordern» fast ausschliesslich von Sek-I- und SekII-Beginnern stammen. Eine Vermutung darüber könnte sein, dass sich diese Proband*innen aufgrund ihres eher geringeren Alters und der wenigen Berufserfahrung näher bei den Schüler*innen fühlen, sodass sie diese im Sinne eines Kräftemessens herausfordern wollen, wohingegen die berufsälteren Kolleg*innen sich nicht gezwungen fühlen, ihre Position gegenüber den Schüler*innen zu verteidigen (vgl. 5.4.2). Partizipationsformen Die Resultate zeigen auf, dass Praxislehrpersonen keine Lösungen nennen, bei denen die Schüler*innen in ihrem Unterricht über den Inhalt mitbestimmen können. Wie im Kapitel 5.4.3 bereits erwähnt, wird das Thema Partizipationsfor­ men von derjenigen Kohorte mit dem grössten Erfahrungshintergrund (Praxislehrpersonen) am wenigsten genannt. Eine Interpretation hierfür könnte sein, dass die Praxislehrpersonen in ihrem alltäglichen Handeln so routiniert sind, dass sie eine genaue Vorstellung davon haben, wo und wann sie den Schüler*innen Mitspracherecht in der Gestaltung des Unterrichts geben und wo nicht. Deshalb wird dies

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

auch in den Antworten zu den Textvignetten von den Praxislehrpersonen zu keinem Thema gemacht. Andere Proband*innen nennen hier, dass sie nach erledigter und guter Arbeit die Schüler*innen ihr Wunschprogramm ausführen lassen oder dass sich die Proband*innen in der genannten Vignette nach einem Klassenentscheid richten würden (vgl. Kap. 5.4.3). Differenzierung im Unterricht Differenzierungen können gemäss den Antworten der Proband*innen auf drei unterschiedliche Arten geschehen: 1. Auf Seiten der Inhalts­ ebene, 2. dahingehend, dass die Lehrperson oder Mitschüler*innen eine Hilfestellung geben, oder 3. dass aufgrund des Leistungsniveaus der Schüler*innen differenziert wird. Sek-I-Beginner nennen keine Lösung, in der sie aufgrund des Leistungsniveaus der Schü­ler*innen differenzieren. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie auch hier wieder eine Lösung ausserhalb suchen und deshalb sich nur darauf fokussieren, den Inhalt anzupassen, oder dass sie als Lehrperson selber eine Hilfestellung geben oder die Mitschüler*innen dazu anleiten, zu helfen und eine Hilfestellung zu geben. Eine andere Interpretation kann mit den Ergebnissen von Housner und Griffey (1985) begründet werden (vgl. Kap. 2.4.4). Diese Autor*innen um Housner und Griffey haben bereits in den 80er-Jahren thematisiert, dass unerfahrene Lehrpersonen sich eher auf die ganze Gruppe fokussieren statt auf eine kleine Schüler*innengruppe oder gar einzelne Schüler*innen. Das Thema der Differenzierung stellt den grundlegenden Anspruch an Lehrpersonen, dass sie Niveau- oder Neigungsdifferenzierungen überhaupt erst wahrnehmen. Wenn Lehrpersonen aber lediglich die Schüler*innengruppe als Ganzes im Fokus behalten, wird diesen Lehrpersonen nicht auffallen, dass innerhalb der gesamten Gruppe Unterschiede bestehen, und sie werden demzufolge auch nicht auf einzelne Schüler*innen eingehen können. Ein weiterer Grund für die Nichtdifferenzierung könnte ebenfalls sein, dass unerfahrene Lehrpersonen viel eher noch mit dem Inhalt des Unterrichts, der Sportart beschäftigt sind, als dass sie differenzieren können. Wie auch

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Housner und Griffey (1985) schreiben, ist es für unerfahrene Lehrpersonen lediglich von Bedeutung, dass die Schüler*innen beschäftigt sind, was diesen Lehrpersonen offensichtlich ein gutes Gefühl vermittelt. Leistungsbewertung und Lernzielkontrolle In der Diskursbeschreibung (vgl. Kap. 5.4.1) hat sich ein weiteres Thema herauskristallisiert. Offensichtlich geben Sek-I-Beginner keine Lösungen an, die auf eine Lernzielkontrolle der gestellten Aufgabe abzielen, wie es im Gegensatz dazu bei anderen Kohorten gemacht wird. Diesen Umstand umschreibt Hattie (2016) damit, dass Expertenlehrpersonen im Gegensatz zu unerfahrenen Lehrpersonen das Lernen der Schüler*innen auch aktiv kontrollieren und Feedback dazu geben, was dieses vorliegende Resultat unterstützt. Klare und strikte Anweisungen Klare und strikte Anweisungen geben vor allem Proband*innen mit mehr Unterrichtserfahrung an, die gemäss Terhart (2011) über mehr biografisches Wissen verfügen. Anscheinend ist das etwas, das sich erst im Laufe des Unterrichtens herauskristallisiert (vgl. Kap. 5.4.2). Auf klare Anweisungen greifen diese Proband*innen dann zurück, wenn sie die Situation als unklar einschätzen. Sie sehen also als Grund der Irritation die Unklarheit der Situation, welche sie selber lösen können, indem sie den Umstand oder den Ablauf nochmals klar erklären. Meistens verweisen diese Lehrpersonen auch ganz klar darauf, dass der Fehler bei der Lehrperson liegt und die Schüler*innen nicht Schuld am Fehlverhalten haben. Diese Klarheit der Anweisungen kann anhand der unterschiedlichen Strukturierung von Wissen zwischen Experten und Novizen begründet werden. Auch Berliner (1992) schreibt (vgl. Kap. 2.3.2), dass Expertenlehrpersonen bedeutungsvolle Muster schneller erkennen, als dies Novizenlehrpersonen können. Dass Lehrpersonen klare Anweisungen geben können, ist eine wichtige Kompetenz, vor allem im Sportunterricht, der sich aufgrund seiner Eigenart von den anderen Fächern dahingehend unterscheidet, dass die Sporthalle oder der Outdoorbereich nur bedingt als abgeschlossener Raum gelten. Diesen meist grösseren und offene-

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

ren Raum gilt es von den Sportlehrpersonen auch klar zu organisieren, weil er mehr Freiheiten zulässt, als dies ein üblicher Unterrichtsraum tut. 6.1.3 Implikationen für die Praxis und weitere Forschungstätigkeiten Einordnung der Resultate In der Einleitung wurde Bezug auf die von Terhart (2011) konzipierten Bestimmungsansätze von Professionalität genommen. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungsansätze und aufgrund der Erkenntnisse aus den Resultaten des PCK 2.0 lässt sich die vorliegende Arbeit einerseits dem «berufsbiografischen Bestimmungsansatz» und andererseits auch dem «strukturtheoretischen Bestimmungsansatz» zuordnen. Die Resultate dieser vorliegenden Arbeit differenzieren und erklären teilweise die Resultate aus dem PCK 1.0. 32 In diesem Kapitel werden aufgrund der Resultate und deren Diskussion des Projekts PCK 2.0 einige Implikationen für die Praxis und weitere Forschungstätigkeiten formuliert. In Bezug auf den berufsbiografischen Bestimmungsansatz nach Terhart (2011) können die Resultate dahingehend verwendet werden, um bei Sportlehrpersonen mit eher wenig Erfahrung eine Übernahme des beruflichen Habitus zu fördern, wie dies auch von Terhart selber antizipiert wird (vgl. Kap. 1.2). Unerfahrene Lehrpersonen nähern sich dem Professionellen allmählich an, indem sie ihre Kompetenzen (nebst der Ausbildung) ebenfalls über die Spanne der biografischen Entwicklung verbessern (Terhart, 2011, S. 208). Dabei wird der private Lebenslauf mit dem beruflichen verknüpft und ständig erweitert. Kritische Situationen sind dabei äusserst wichtig und unabdingbar, wenn es um die Ausbildung und Verbesserung von professionellen Fähigkeiten geht. Diese sehr dynamisch geprägte Sichtweise der Lehrerprofessionalität wird in dieser Arbeit durch den eher statisch-strukturtheoretischen Bestimmungsansatz von Professionalität nach Terhart ergänzt. Die Entscheidungsmuster (vgl. Tab. 9) lassen sich in Anlehnung an Terhart (2011) in Form von Antinomien des beruflich-situationalen Handelns begreifen. 32

Die genauen Resultate werden aber hier nicht beschrieben, sondern können dem Artikel von Vogler et al. (2017) entnommen werden.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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Lehrpersonen sind dabei in kritischen Unterrichtssituationen gezwungen, sich für eine Lösung zu entscheiden. Je nach Situation, je nach Kontext und ebenfalls in einem gewissen Grad spielen dabei auch berufsbiografische Einflüsse mit ein (vgl. Kap. 3). Wie stehen diese Resultate aber zu neueren Heuristiken des fachdidaktischen Wissens, und wie können diese Resultate mit bestehenden Modellen zum PCK in Verbindung gebracht werden? Hierbei scheint das Modell von Santagata und Yeh (2015) (vgl. Abb. 7) ziemlich zutreffend zu sein. Santagata und Yeh verstehen Lehrerkompetenz und speziell das fachdidaktische Wissen (PCK) von Lehrpersonen als einen dynamischen Prozess innerhalb einer Schnittmenge von Wahrnehmung, Entscheidung und Interpretation. Diese drei Aspekte können sich in Bezug auf die Resultate dieser Arbeit strukturell und narrativ-biografisch entwickeln. Sie sind aber auch abhängig von den Überzeugungen der jeweiligen Lehrpersonen, was aber in dieser Forschungsarbeit nicht miterhoben wurde. Implikationen für die Praxis Die hier identifizierten Entscheidungsmuster weisen auf nötige Inhalte in der fachdidaktischen Ausbildung von Sportlehrpersonen hin, die das enge Korsett von PCK – wie es in den Professionstheorien in Bezug zur Kompetenzorientierung formuliert ist – auch verlassen. Beispielsweise könnte durch die konkrete Thematisierung von solchen Entscheidungsmustern im Fachdidaktikunterricht «träges» und statisches Wissen zu «knowledge in action» werden, indem anhand einer fallorientierten Arbeitsweise (in Anlehnung an die Narrativ Inquiry) das Wissen zu «situativ präsentem Wissen» geformt wird. Damit könnte mit den Studierenden ein sogenanntes «Wissensgerüst» – in Anlehnung an Paseka, Keller-Schneider und Combe (2018) – eingeübt werden, das in den meisten nicht planbaren und unvorhersehbaren Situationen als Grundpfeiler für Handlungsabläufe gilt. Offensichtlich werden, ausgehend von unterschiedlichen Phrasierungen von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, unterschiedliche Habitus ausgebildet. Auf den Sport übertragen kann dies gut an folgenden Beispie-

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

len erläutert werden, welche als Implementierung in die Praxis beschrieben werden: Beim Entscheidungsmuster Rechtfertigen (vgl. Tab.  9) könnte beim fachdidaktischen Themeninhalt des Beurteilens mit den Studierenden besprochen werden, in welchen Situationen und Kontexten das Fach Sport mit anderen Fächern verglichen werden könnte und wann allenfalls nicht. Gibt es Bewegungsfelder, die sich allenfalls mehr mit anderen Fächern vergleichen lassen? Wenn ja, welche? Welche eher weniger? Hierbei sollte grundlegend überlegt werden, aufgrund welcher Merkmale sich das Fach Sport von den anderen Fächern abgrenzt und welche Merkmale konstitutiv für das Fach Sport sind. Wenn davon ausgegangen wird, dass der Sport kein promotionsrelevantes Fach darstellt, ist es dann richtig, die Benotung wie in anderen Fächern zu gestalten? Würde dies allenfalls die Notengebung und Beurteilung im Sport beeinflussen? Würde man sich unter diesen Voraussetzungen auch mit den naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Fächern vergleichen? Oder müsste hier eine ganz neue Beurteilungsform konzipiert und überlegt werden, die für das eher körperbetonte Fach Sport gelten mag? Die Resultate deuten hier aber auch darauf hin, dass Berufsanfänger*innen sehr unsicher sind gegenüber herausfordernden Schüler*innen und Schüler*innengruppen. Hier gilt es, dass in den Fachdidaktiken vermehrt mit solch kritischen Fällen gearbeitet wird, um die Selbstsicherheit in der Praxis, vor allem von Studienbeginnern und Berufsanfängern, zu stärken. Auch das Entscheidungsmuster Empathie zeigen (vgl. Tab. 9) verweist auf den Beziehungs­aspekt zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen, dem allenfalls auch in der heute eher leistungs- und inhaltsfokussierten Ausbildung (Sek-I- und Sek-II-Studiengang) vermehrt Bedeutung geschenkt werden sollte. Fragen der Beziehung zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen könnten die fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Inhalte wie didaktisch-methodische Modelle, Leistungsdiagnostik, Sportbiologie oder allgemein bewegungs- und trainingswissenschaftliche Grundlagen entscheidend ergänzen. Allerdings müssten diese nicht von allgemeinen pädagogisch-psychologischen Modellen ausgehen,

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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sondern – wie die Erkenntnisse dieser Untersuchung zeigen – ebenfalls einen starken Fall- respektive Sportbezug ausweisen. Für die Fachdidaktik kann dieses Thema ebenfalls dahingehend aufgegriffen werden, dass mit den Studierenden in unterschiedlichen Kontexten die Sichtweise der Lehrpersonen, zugleich aber auch explizit die Sichtweise der Schüler*innen reflektiert werden muss. Aufgrund der Antworten aus den Textvignetten ist ersichtlich, dass dies ein Thema ist, welches häufig vergessen geht. Die Ergebnisse dieses Entscheidungsmusters verlangen aber auch danach, dass diese Erkenntnisse in Form von Weiterbildungen implementiert werden müssen. Ein Beispiel wären Weiterbildungen für erfahrene Lehrpersonen (welche weniger Empathie für ihre Schüler*innen aufgezeigt haben) mit den Inhalten, die Sicht auf aktuelle Anforderungen, welche die Gesellschaft an die Jugendlichen stellt, zu thematisieren. Dies könnte bei erfahrenen Lehrpersonen ein besseres Verständnis der jugendlichen Sichtweisen einbringen. Auch der Entscheidungstypus des Aushaltens sollte in den Fachdidaktiken thematisiert werden. Hier muss überlegt werden, in welchen Situationen und Kontexten ein Abbruch zu erfolgen hat und wann der Unterricht weitergeführt werden kann (vgl. Theorie der Antinomien, Kap. 1.2, Kap. 4.1.4). Dies scheinen wichtige Fragen für den Fachdidaktikunterricht Sport zu sein. Ein Kriterium dabei könnte sein, dass eine Situation unterbrochen oder abgebrochen werden muss, wenn die Situation gefährlich ist. Demgegenüber muss man aber auch mit den Studierenden besprechen, welche Chancen sich für die Schüler*innen ergeben, wenn sie gelegentlich die Probleme beispielsweise in einem Spiel selber und eigenständig lösen müssen, wenn davon abgesehen wird, dass die Lehrperson die Situation unterbricht oder die Leitung übernimmt. Unterstützen müsste man in den Fachdidaktiken vor allem Studienbeginner darin, sie zu ermuntern, den Prozess nicht allzu oft zu unterbrechen und den Schüler*innen ihrem Handeln mehr Verantwortung abzugeben. Unter dem Aspekt der Antinomien, welche in der theoretischen Aufarbeitung (vgl. Kap.1.2 und Kap. 4.1.4) beschrieben wurden, konkretisiert dieser Typus ein wichtiges Entscheidungsmerkmal. Lehrpersonen müssen sich in kritischen Situationen immer für die eine oder die andere

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Lösung entscheiden, unabhängig vom Wissen, welche Entscheidungen welche Folgen haben werden, da der Ausgang der Situation meistens ungewiss ist. Aktiv in eine Situation einzugreifen, verlangt zudem, dass die Entscheidung ausgehalten werden muss. Aufgrund der gesamten Datengrundlage ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen, ob eine bestimmte Kohorte sich in einer bestimmten Situation mehr zu einem Abbruch oder zu einer Weiterführung entscheidet. Dennoch scheinen die Resultate dieses Entscheidungsmusters ein Indiz dafür zu sein, dass auch im Unterricht Entscheidungen im Sinne von Antinomien betrachtet und thematisiert werden müssen. Wenn in der Fachdidaktik eine Lösung für eine ganz bestimmte Situation aufgezeigt wird, dann müsste gemäss der Theorie nach Terhart (2011) ebenfalls thematisiert werden, was die gegenteilige Entscheidung wäre und welche Auswirkungen diejenige Entscheidung auf das prospektive Geschehen wohl hätte. Das Entscheidungsmuster Anreizimpuls (vgl. Tab. 9) scheint im Sport biografisch bedingt aus dem Leistungssport geprägt («spring höher» vgl. im Fachbereich Leichtathletik) zu sein. Demnach scheint die curriculare (fachdidaktische) Setzung dieses Themas insbesondere für Ausbildungstypen und -gänge von Bedeutung, die einen hohen fachwissenschaftlichen Anteil in ihrer Berufsausbildung haben. Für Studiengänge – wie im Sek-I-Studiengang – mit einem hohen Anteil an Fachdidaktik und Berufswissenschaft scheint dieses Entscheidungsmuster demnach weniger bedeutsam zu sein. Übertragen auf die Zielstufen der Ausbildung könnte dieser Entscheidungstypus in der Fachdidaktikausbildung (von Sek I und Sek II) aber allenfalls auch die Frage aufwerfen, was den obligatorischen Schulsport vom freiwilligen, eher leistungsorientierten Freizeitsport abgrenzt. Dieses Entscheidungsmuster wirft jedoch auch die Frage auf, ob Einzelsportarten andere motivationale Werkzeuge verlangen als Gruppensportarten. Auch daran müsste sich die Ausbildung der Individual- und Gruppensportarten ausrichten. Dies scheint ebenfalls ein Thema zu sein, welches mit Bedacht gelehrt werden muss und abhängig von der jeweiligen Situation und Sportart ist.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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Auch der Entscheidungstypus des Disziplinierens scheint im Fachdidaktikunterricht eine klare Diskussionsgrundlage zu liefern. Vielleicht müssten auch hier der Beginn und das Ende einer Sportstunde vermehrt dynamisch organisiert werden, sodass Einzelne – zu spät kommende Schüler*innen – den Sportunterricht nicht aufhalten können und dass hier nicht Werkzeuge der Disziplinierung eingesetzt werden müssen (wo keine gefährliche Situation vorherrscht), sondern Werkzeuge, mit denen der Beginn und das Ende einer Unterrichtsstunde individuell gestaltet werden können. Diese beschriebenen, in der Methodologie der Dokumentarischen Methode identifizierten Entscheidungstypen (Entscheidungsmuster) lassen sich ebenfalls als sogenannte «Mustererkennungsprozesse» beschreiben, wie sie von Neuweg (2011) bezeichnet werden. Mit Rückgriff auf einerseits explizites, andererseits auch implizites und narrativ-biografisches Wissen entscheiden Lehrpersonen in einem Muster, das nicht nur auf biografisches, sondern auch auf strukturelles Wissen zurückgreift (Bonß, 2001). Dabei plädieren die Resultate dieser Forschungsarbeit für einen dynamischen Begriff von fachdidaktischem Wissen. Zugleich werden mit dieser Forderung aber auch die Resultate dahingehend relativiert, dass eine dynamische Modellierung sich auch stetig dem Zeitgeist und der gesellschaftlichen Entwicklung anpassen muss. In Anlehnung an Terhart (2011) scheint – aufgrund der situationalen Veränderungen – eine Standardisierung des Wissens (und daher auch die Modellierung einer Konzeption von Wissen) sowieso entgegen dem komplexen Gebilde von Wissen zu sein. 6.2 Methodenreflexion Für die Erfassung von Entscheidungen und Entscheidungsmustern bei Lehrpersonen in kritischen Situationen im Sportunterricht ist die Dokumentarische Methode (vgl. Kap 4.2) ein äusserst unterstützendes Auswertungswerkzeug, gerade weil die Erfassung von Entscheidungen an keine spezifische Auswertungsmethode gebunden ist. Ziel dieser Untersuchung war es, in den geschriebenen Antworttexten der Proband*innen unterschiedliche Entscheidungsmuster zu identifizieren. Das For-

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

schungsdesign war rekonstruktiv angelegt und zielte nicht auf die Überprüfung von bereits bestehendem Wissen und Zusammenhängen ab. Dennoch war ein übergeordnetes Ziel, die Ergebnisse aus dem Projekt PCK 1.0 allenfalls besser zu verstehen und diese Ergebnisse spezifischer zu erklären. Deshalb wird in diesem Kapitel das methodische Vorgehen kritisch beleuchtet und diskutiert. Bei quantitativen Analyseverfahren wird meist auf die drei Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität zurückgegriffen, um die Qualität des jeweiligen Forschungsprojekts zu bewerten oder deren Grundsätze zur methodischen Konzeption einzuhalten. Für dieses vorliegende qualitative Forschungsdesign scheinen diese drei Gütekriterien aber nicht zu genügen, weshalb auf die vier Kriterien der Glaubwürdigkeit nach Lincoln und Guba (1985) zurückgegriffen wird (Bortz & Döring, 2016, S. 108 –110). Diese Kriterien scheinen für ein qualitatives Forschungsprojekt wie das vorliegende besser geeignet zu sein. Das erste Kriterium heisst «Credibility» und beschreibt das Mass der Vertrauenswürdigkeit. Hier wird danach gefragt, ob die Ergebnisse und Interpretationen der Untersuchung überhaupt vertrauenswürdig sind. 33 Einerseits wurde die Auswertung der Daten vermehrt mit verschiedenen Wissenschaftler*innen und Forscher*innen in mehreren Etappen der Analyse und mit aussenstehenden Fachkolleg*innen besprochen (Peer Debriefing). Dabei wurden einerseits die drei Orientierungsmuster innerhalb der formulierenden Interpretation (vgl. Kap. 5.2) und deren Abgrenzungen zueinander überprüft und anschliessend auch die einzelnen Textzuordnungen und Ausdifferenzierungen in der reflektierenden Interpretation (vgl. Kap. 5.3) (Bortz & Döring, 2016, S. 109). Das zweite Kriterium heisst «Transferability» und beschreibt, ob die Ergebnisse des Forschungsprojekts auch auf andere Kontexte übertragbar sind (Bortz & Döring, 2016, S. 109). 34 Hier verweisen die Autor*innen von Lincoln und Guba (1985) auf den Begriff der «Thick Description», was mit «dichte Beschreibung» übersetzt werden kann. Dieses Kriterium ver33

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Ansatzweise könnte dieses Gütekriterium mit der Validität einer Untersuchung verglichen werden. Dies kann mit dem Gütekriterium der Objektivität gleichgesetzt werden.

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langt, dass der Kontext der Untersuchung beschrieben werden muss, sodass die Ergebnisse auch gut nachvollziehbar werden. In diesem Projekt war ebenfalls die Beschreibung der Ausgangslage des Projekts PCK 1.0 wichtig (vgl. Kap. 4.1), aber auch detaillierte Beschreibungen der Vorgehensweise der qualitativen Auswertung in diesem vorliegenden Projekt PCK 2.0 (vgl. Kap. 4.2 und Kap. 5.2 bis 5.7). Dabei wurden alle Auswertungsschritte genauestens beschrieben und mit Ankerbeispielen verdeutlicht, um einerseits nahe an den (narrativen) Texten der Proband*innen zu bleiben und andererseits, um die Auswertung stets nachvollziehbar darzustellen. Das dritte Kriterium heisst «Dependability» und stellt den Forschungsprozess und dessen Nachvollziehbarkeit ins Zentrum (Bortz & Döring, 2016, S. 109). 35 Dieses Kriterium hängt in besonderem Masse mit dem zweiten Kriterium zusammen. Hier ist entscheidend, dass die Auswertungsdaten in einem wissenschaftlichen Arbeitsteam auf eine Generalisierung der Zuordnungen zu den Orientierungsmustern und deren Ausdifferenzierungen (vgl. Kap. 5.3) überprüft wurden. Das Arbeitsteam bestand aus Personen von unterschiedlichen Schweizer Hochschulen und fand von Frühling 2016 bis Winter 2016 statt. Diese Forscher-Triangulation (vgl. Flick, 2011) legitimiert die Datenauswertung und objektiviert das Verständnis dieses Auswertungsschritts massgeblich. Dieser Schritt war unabdinglich für die sensitive und teilweise äusserst subjektive Analyse der qualitativen Datenstruktur dieser Forschungsarbeit. Das vierte Kriterium heisst «Confirmability», womit bestätigt werden soll, dass die Studienergebnisse nicht durch Vorurteile, Interessen oder Per­ spektiven einzelner Forschenden bestimmt wird (Bortz & Döring, 2016, S. 110). Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden immer wieder Etappen des Forschungsprojekts in einem nationalen und internationalen Rahmen präsentiert und diskutiert. Dadurch konnte stetig überprüft werden, dass das Vorgehen nachvollziehbar bleibt und die Ergebnisse dazu objektiv verständlich sind. Anmerkungen von Forscherkolleg*innen wurden erneut in Forschungskolloquien eingebracht und gezielt diskutiert. Darüber hinaus muss hier erwähnt werden, dass die geschriebenen 35

Dieses Gütekriterium kann mit dem Gütekriterium der Reliabilität gleichgesetzt werden.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Antworttexte stets unabhängig von bestimmten Proband*innen-Merkmalen (wie beispielsweise Geschlecht, Kohortengruppe etc.) betrachtet und ausgewertet wurden, weshalb keine eigenen Vorurteile in die Auswertung miteinflossen. Dies erkennt man bei der Darstellung der Ankerbeispiele in Kapitel 5.1, 5.2 und 5.3. Hier wurden zur Darstellung der Ankerbeispiele lediglich die Probandennummern erwähnt und keine Kohortenzugehörigkeiten. Erst in der Diskursbeschreibung (vgl. Kap. 5.4) können die Kohortenzugehörigkeiten den Ankerbeispielen entnommen werden. Zur «Bestätigbarkeit» kann auch die hier erwähnte Aufarbeitung der Methodenreflexion gezählt werden, wodurch die methodische Arbeitsweise mit all ihren Vor- und Nachteilen kritisch beleuchtet wird, was dazu beiträgt, dass durchaus auch die methodischen Herausforderungen explizit erfasst und abgewägt wurden. Weitere inhaltlich-methodische Aspekte des Forschungsprojekts Die bisher eher strukturell-übergeordneten Anmerkungen zu dieser Forschungsarbeit leiten über zu einem etwas eher strukturell-inhaltsorientierten kritischen Nachdenken der Arbeit. Aufgrund des methodischen Designs des Projeks PCK 1.0, dessen Instrumententwicklung und Erhebung der Daten anhand von Textvignettenbefragung (vgl. Kap. 4.1.3) geschah, lagen die geschriebenen Antworttexte der Proband*innen bereits in einer (narrativen) Form vor, was eine bedachte Auswahl der Auswertungsmethode dieser qualitativen Daten nach sich zog, um die Fragestellungen bestmöglich zu beantworten. Die Antworttexte der verschiedenen Proband*innen zu den Vignetten waren einerseits unterschiedlich lang und präzise formuliert und andererseits musste eine Auswertungsmethode herangezogen werden, die nicht nur explizite Strukturen im Textmaterial identifizieren, sondern auch implizite Strukturen aufdecken konnte. Da die Dokumentarische Methode einen Wechsel der Analyseeinstellung vorschlägt (vgl. 4.2.3), schien diese Methode deshalb sehr geeignet, um auf beiden Ebenen (explizit und implizit) Entscheidungsmuster zu generieren. Das Medium der schriftlichen Befragung könnte ein Grund dafür sein, dass die Antworten bei einigen Proband*innen eher kurz mit wenig zu-

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sätzlichen Beschreibungen ausfielen. Das zugrunde liegende Problem dafür könnte sein, dass diese Art der Erhebung unter einer geringeren (aber dennoch genügenden) Standardisierung stattgefunden hat als beispielsweise bei einem Face-to-Face-Interview. Unter welchen Umständen die Proband*innen zu Hause diese Textvignetten beantwortet haben, konnte deshalb nicht vollumfänglich kontrolliert werden (Kaufhold, 2006, S. 130). Dies muss aber nicht heissen, dass dadurch wichtige Inhalte verloren gehen, sondern dass die Antworten, ausgehend von den Proband*innen, deshalb kompakter beschrieben werden. Eine weitere Annahme dabei ist, dass wahrscheinlich das geschriebene Wort bei den Proband*innen mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als dies das gesprochene Wort hätte. Daraus ergibt sich jedoch auch der Vorteil, dass bei schriftlichen Antworten die Inhalte kompakter beschrieben werden als beispielsweise bei einer mündlichen Befragung. 36 Der Umstand, dass einige der Antworten eher knappe Formulierungen beinhalteten, könnte auch der etwas langen Bearbeitungszeit der Textvignetten und der Beantwortung der soziobiografischen Fragen zu Beginn der Untersuchung zugeschrieben werden. «Die Studienbeginner der Sekundarstufe I wendeten im Mittel 67 Min. zur Beantwortung des Fragebogens auf, Praxislehrpersonen und Abschlussstudierende der Sekundarstufe II kamen im Mittel auf kürzere Bearbeitungszeiten von 55 bzw. 54 Min.» (Vogler et al., 2017, S. 339). Durchaus positiv gewertet wird der Umstand, dass mit den realen Antworttexten der Proband*innen gearbeitet werden konnte. Es war keine Transkription oder Änderung des Datenmaterials vom Schritt der Erhebung bis zur Auswertung notwendig, womit eine Verfremdung des Datenmaterials vermieden werden konnte. Diese Nähe zum Datenmaterial fordert auch Bohnsack in den Beschreibungen über die Dokumentarische Methode (Bohnsack, 2014, S. 22). Wichtig erscheint hier, auch zu erwähnen, dass die Dokumentarische Methode ursprünglich zur Auswertung von Gruppendiskussionen gebraucht wurde, welche zumeist längere narrative Passagen enthalten. Weil in dieser Forschungsarbeit die schriftlichen Antworten der Proband*innen teil36

Dadurch ergibt sich auch ein Vorteil, dass mit einer schriftlichen Befragung eine grössere Anzahl von Stichproben untersucht werden kann.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

weise etwas kürzer ausfielen (wie oben erwähnt), lag die Herausforderung darin, die Textstellen und deren impliziter Gehalt trotzdem zu identifizieren, was teilweise verlangte, die Textauszüge in einen grösseren Kontext einzuordnen. Dies erforderte an gewissen Stellen eine geringe Anpassung der Dokumentarischen Methode an das Datenmaterial, was aber keinesfalls auf die Qualität der Auswertung Einfluss hatte, aber als sehr aufwendig und herausfordernd bewertet werden kann. Diese Offenheit, die Auswertung an der Art des Datenmaterials auszurichten, lässt auch Bohnsack zu, indem er beschreibt, dass sich erst durch diese Offenheit das Relevanzsystem des Materials entfalte (Bohnsack, 2014, S. 23). Ein weiterer zu überdenkender methodischer Aspekt, welcher wahrscheinlich unbedacht von Kritikern genannt werden könnte, spricht die Arbeit mit Text-, Film- und Comicvignetten an. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob solche Textvignetten, welche eine alltägliche kritische Situa­tion aus dem Sportunterricht beschreiben, zur Erhebung von prospektiven Entscheidungen in der Situation überhaupt gerecht werden. Oder hätten die Entscheidungen nicht eher aus einer realen Situation heraus erfragt werden müssen? Dieser eher kritisch formulierte Einwand kann jedoch gleichzeitig anhand der theoretischen Aufarbeitung (vgl. Kap. 2.5) relativiert werden, worin gezeigt wird, dass solche Entscheidungen in der Situation aus einem Konglomerat von mehreren unterschiedlichen Wissensarten besteht. Auch die Dokumentarische Methode ihrerseits differenziert zwischen unterschiedlichen Wissensarten (vgl. 4.2.2.3). Gemäss Bohnsack (Bohnsack, 2014) scheint es eines der Ziele der Dokumentarischen Methode zu sein, zwischen dem kommunikativgeneralisierenden Wissen und dem konjunktiven Wissen unterscheiden zu können. Ersteres ist eher ein theoretisches Wissen, welches reflexiv verfügbar zu sein scheint, Letzteres wird durch ein atheoretisches Wissen definiert, welches eher implizit in der Datenstruktur des zu untersuchenden Materials verfügbar ist. Mit der Auswertung des Datenmaterials anhand der Dokumentarischen Methode konnten somit implizite wie auch explizite Wissensanteile identifiziert werden. Das heisst, die Auswertung blieb nicht nur auf der Ebene des explizit Gesagten, sondern es konnten damit auch implizite Entscheidungen erfasst werden. Gerade dies scheint ein starkes Indiz dafür zu sein, dass Lehrpersonen auch in

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realen Situationen diese Entscheidungsstrukturen anwenden, weshalb diesem Kritikpunkt vehement widersprochen werden kann. Das standardisierte methodische Design einer Textvignettenbefragung ermöglicht, dass damit eine für qualitative Arbeiten sehr grosse Datenmenge bearbeitet werden kann. Die Stichprobe von 113 Probandenantworten und das den zugrunde liegende repräsentative Sampling ermöglichen eine gute Vergleichbarkeit der Antwortfiles. Alle Proband*innen hatten dieselben Bedingungen, dieselben zu kommentierenden Textvi­ gnetten vor sich liegen, was bei einer Erhebung im realen Setting schwierig gewesen wäre. 37 Zudem wurde überprüft, wie lange die Proband*innen für die Beantwortung der Befragung benötigten. Probandendateien, welche eine ausserordentlich kurze Bearbeitungszeit vorwiesen, hat man aufgrund der damit einhergehenden geringen Qualität der Antworten gestrichen (missing files) (vgl. Vogler et al., 2017, S. 338 – 339). Das Problem einer Standardisierung der Datenerhebung kann deshalb aufgrund des Erhebungsverfahrens fast gänzlich ignoriert werden (auch wenn die Standardisierung minimal geringer eingeschätzt wird als bei einer mündlichen Befragung, wie zuvor erklärt wurde). Die ausgewählten Textvi­ gnetten boten des Weiteren dahingehend Unterstützung, als dass die kritischen Situationen vorab von den Untersuchungsleiter*innen definiert und somit einheitlich den Proband*innen vorgelegt werden konnten. Die Heterogenität der maximal kontrastierenden Kohortengruppe zwischen Sek-I-Beginnern und den Praxislehrpersonen sollte ebenfalls reflektiert werden. In dieser Forschungsarbeit liegt der Schwerpunkt in der Erfassung professioneller Kompetenzen von Sportlehrpersonen. Ob Sek-I-Beginner nach dem Abschluss der Matura bereits professionelle Kompetenzen als Sportlehrpersonen aufweisen können, sei dahingestellt (vgl. Vogler et al., 2017), was jedoch keineswegs die Resultate dieser Arbeit infrage stellt. Die Entscheidungen der Sek-I-Beginner liegen lediglich näher an einem Schüler*innenhabitus als an einem Lehrpersonenhabitus, worauf in der Diskussion eingegangen wurde. Für eine Folgearbeit

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Was durchaus auch für Berufsanfänger positiv gewertet werden kann, die sich bei fachdidaktischen Entscheidungen im Unterricht noch nicht so sicher sind wie ihre erfahrenen Berufskolleg*innen. Eine Fehlentscheidung in einem realen Setting hätte deshalb mehr Konsequenzen nach sich gezogen.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

müsste überlegt werden, ob diese Kohorte der Sek-I-Beginner aufgrund der Nähe zum Schüler*innenhabitus nicht weggelassen werden könnte. Durch die darüber hinaus sehr situativ angelegte übergeordnete Fragestellung wurde nach Entscheidungsmustern gesucht, welche sich bei Sportlehrpersonen in kritischen Situationen (anhand der Textvignetten) identifizieren lassen. Da diese in den Textvignetten kritischen Situationen bei den Sportlehrpersonen darauf angelegt waren, fachdidaktische Antworten zu geben, lassen sich die Ergebnisse generell nur auf den Sportunterricht übertragen und generalisieren, im Wissen darum, dass es noch unzählige weitere differierende Entscheidungsmuster in solch genannten kritischen Situationen gegeben hätte. Abschliessend kann daraus resultiert werden, dass die Dokumentarische Methode in Bezug auf das Textmaterial und in Bezug auf ihren Nutzen mit ihren Vor- und Nachteilen durchdacht werden kann, aber durchaus auch Erweiterungspotenzial weit über ihre Ursprünge in der Soziologie aufweist. Die Dokumentarische Methode hat damit in positivem Sinne dazu beigetragen, den zu Beginn dieser Arbeit aufgeworfenen Forschungsfragen nachzugehen und die daraus resultierende übergeordnete Fragestellung und deren zwei Teilfragen zu beantworten. 6.3 Fazit und Ausblick für die Fachdidaktik Sport als Disziplin und Praxis Mit dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, Entscheidungsmuster von Sportlehrpersonen in kritischen Situationen zu identifizieren. Mit den Resultaten daraus konnte aufgezeigt werden, dass situationsspezifische Entscheidungen und damit das fachdidaktische Wissen einerseits abhängig sind von deren spezifischen Situation und Kontext und andererseits auch von der berufsbiografischen Entwicklung der Lehrperson und der Ausbildungsstruktur, welche die Sportlehrer*innen durchlaufen haben. Deshalb leistet diese Forschungsarbeit unterschiedliche Beiträge an die Fachdidaktik Sport als Disziplin und an die Fachdidaktik Sport als Praxis. Nachfolgend werden einige Implementationen für die Fachdidaktik an Hochschulen aufgezeigt.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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1. Da die Ergebnisse aufzeigen, dass Entscheidungsmuster von Sportlehrpersonen einen zentralen Aspekt des professionellen Handelns darstellen, sollen solche und eventuell weitere Entscheidungsmuster gezielt in die Unterrichtsgestaltung der Fachdidaktiken Einzug finden und im Unterricht diskutiert werden. Diese generierten Entscheidungsmuster sollen deshalb curriculare Bestandteile der sportdidaktischen Lehre sein, welche Dozierende an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen reflektieren und fortwährend in den Unterricht einbauen. Mit diesen Entscheidungsmustern werden fachdidaktisch relevante Inhalte und Themen angesprochen, welche über eine reine Planungsund Auswertungsdidaktik hinaus gehen und deshalb in der Fachdidaktikausbildung thematisiert werden müssen. Die Ergebnisse weisen hier insbesondere darauf hin, dass die theoretischen Inhalte in den Fachdidaktiken gezielt auf Denk- und Entscheidungsmuster überdacht und angepasst werden müssen. So können die hier entwickelten Entscheidungsmuster in der Reflexion von eigenem und fremdem Unterricht als Vorlage dienen, um fachdidaktische Kompetenz zu entwickeln. 2. In Bezug auf den ersten Punkt können Arbeitsweisen der Narrative Inquiry als Instrument der Wissensgenerierung, -festigung und Reflexion von eigenem Unterricht genutzt werden. Dabei sollte die Narrative Inquiry als interne Weiterbildung vorangetrieben werden, vom informellen Austausch bis hin zur internen Weiterbildung, wie dies auch Paseka et al. (2011) einfordern. Für die Lösung von kritischen Situationen sehen die Autor*innen eben gerade die Möglichkeit von «Professional Communities», in denen eine kritische Situation auch gezielt innerhalb des Lehrerkollegiums (pädagogischen Korporationen) diskutiert und besprochen werden kann. Diese Methode bietet den Vorteil einer persönlichen Distanzeinnahme zum erlebten Problem, in dem das Problem mit anderen Lehrpersonen (desselben konjunktiven Erfahrungsraums; vgl. Kap. 4.2.2.3) besprochen werden kann, welche ebenfalls die Schüler*innen und das Umfeld kennen. Dabei kann auch das widersprüchliche Rollenhandeln (vgl. Kap. 2.2) geübt und einverleibt werden, was gemäss Terhart (2011) dem strukturtheoretischen Bestimmungsansatz zugesprochen werden kann.

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3. Der dritten Implementation gebe ich den Überbegriff «Umgekehrtes Mentoring». Aus den Resultaten ist ersichtlich, dass vielfach nicht die erfahrenen Lehrpersonen (Praxislehrpersonen) mehr Lösungsmöglichkeiten bereithalten, sondern die berufsbiografisch «jüngeren» Lehrpersonen und Studierenden aus den beiden unterschiedlichen Ausbildungsstrukturen, wie dies auch die theoretische Aufarbeitung in dieser Arbeit aufgezeigt hat (vgl. Wyss, 2013; Kap. 2.4.2). Dies könnte einerseits daran liegen, dass erfahrene Lehrpersonen solche Entscheidungsmuster nennen, welche bisher in ihrer eigenen individuellen (biografischen) Praxis zu funktionieren schienen, und andererseits könnte dies auch mit dem (starren) automatisierten Abrufen von gelernten Lösungsmöglichkeiten zusammenhängen. Übertragen auf pädagogisches Handeln könnte man diese Ergebnisse dazu nutzen, dass erfahrene Lehrpersonen von Lehrpersonen profitieren, welche ihr Studium soeben abgeschlossen haben und in die Berufspraxis eintreten. Das Wissen der Berufseinsteiger wird dahingehend genutzt, dass sie den erfahrenen Lehrpersonen in der Arbeit mit (echten oder fiktiven) Fällen weit offenere und breitere Ergebnisse aufzeigen können, was bei erfahrenen Lehrpersonen ihr eher eingeschränktes Repertoire von Entscheidungsmöglichkeiten erweitern und ergänzen könnte. Dass erfahrene Lehrpersonen von ihren Dienstjüngeren Lehrerkolleg*innen profitieren könnten, hat bereits Bromme (1992) mit dem «U-förmigen Zusammenhang» aufgedeckt (vgl. Kap. 2.3.2). 4. Die vierte Implementation in die Praxis soll die Resultate aus einem anderen Standpunkt aus betrachten. Die Ergebnisse der Entscheidungsmuster deuten darauf hin, dass die Lehrerausbildung nicht mehr als konsequent linearer Prozess von Ausbildungsjahr 1 bis Ausbildungsjahr xy mit fixen konsekutiven Inhalten betrachtet werden soll, sondern die Lehrerausbildung (mit deren berufspraktischen Anteilen) soll als ein dynamischer integrierter Prozess gestaltet werden, in dem angehende Lehrpersonen die Zeit und die individuelle Unterstützung zur Entwicklung der professionellen Fähigkeiten bekommen. Dies stellt in vielerlei Hinsicht das momentan eher lineare Ausbildungskonzept (in der Schweiz im Sek-I-Studiengang als integriert und im Sek-II-Studiengang als konsekutiv) an Pädagogischen Hochschulen infrage und verweist aber auch auf dessen Schwierigkeiten und

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Herausforderungen, die Ausbildungsstrukturen aufzubrechen, damit eine dynamische Entwicklung und Verbesserung der fachlichen und fachdidaktischen Inhalte möglich ist. Mit dieser Erkenntnis sollte aber nicht nur das Ausbildungssystem in der Schweiz, sondern auch das zweiphasige Ausbildungssystem in Deutschland überdacht werden, welches die Fach- und pädagogisch-didaktische Ausbildung als zwei komplett voneinander getrennte Phasen betrachtet. Dies verlangt aufgrund der vorliegenden Resultate eine Überarbeitung des Ausbildungssystems in Richtung einer (allenfalls individuellen) Integration von pädagogisch-didaktischen und berufspraktischen Ausbildungselementen in das Grund- und Hauptstudium. 6.4

Ausblick für die Professionsforschung

Wie in der Einleitung beschrieben, nimmt die Professionalisierung bei Lehrpersonen einen grossen Stellenwert bei der allgemeinen Verbesserung von schulischen Bildungsprozessen ein. Dabei scheint die Professionalisierung auch im Bildungsbereich ein strukturelles Erfordernis zu sein (Helsper & Tippelt, 2011, S. 271), da gesellschaftliche Veränderungen und die Modernisierung vermehrt höhere Ansprüche an einzelne Individuen stellen, weshalb vermehrt individuelle Lösungen auch in pädagogischen Berufen verlangt werden, was eine gezielte Professionalisierung des Berufs nach sich zieht. Wenn von Modernisierung gesprochen wird, dann fällt meistens auch das Thema der zunehmenden Digitalisierung, mit dem man sich wahrscheinlich bisher immer noch zu wenig auseinandergesetzt hat und deren Folgen für die Bildungsforschung noch nicht abschliessend überdacht wurden. E-Learning-Programme haben auf höheren Stufen, höheren Fachschulen und Hochschulen in verschiedensten Fächern bereits Einzug gehalten und lösen dahingehend bereits einige Probleme des Lehrpersonenmangels oder auch der räumlichen Einschränkungen. Doch auch diese Modernisierung zieht einige Herausforderungen nach sich und stellt Fragen an die Bildung der Zukunft. Wenn vermehrt digitale Lernprogramme im Unterricht zum Einsatz kommen, werden dann nicht auch Lehrpersonen vor grundlegend neue Anforderungen und Entscheidungen über die Art und Weise des Unterrichts gestellt? Und welche

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Inhalte und Themen müssten diejenigen Lehrpersonen in der Aus- und Weiterbildung lernen? Wenn der Unterricht «smarter» wird, welche Inhalte müssten in den Fachdidaktiken thematisiert werden, und wie würde beispielsweise ein «smarter Sportunterricht» aussehen? Weg von diesem digitalen Feld lassen diese Denkanstösse aber vermuten, dass die Herausforderungen auch in Zukunft im schulischen Umfeld aufgrund der allgemeinen Modernisierung, des gesellschaftlichen Wandels und aufgrund der Individualisierung der Bevölkerung vielseitiger und komplexer werden. Dies scheint ein Grund dafür zu sein, weshalb rezeptartiges Wissen nur noch bedingt angewendet und gelehrt werden kann. Darum scheinen gerade solche Forschungsarbeiten, welche sich auf situations- und kontextspezifische Inhalte konzentrieren, zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Mit dem PCK 1.0 wie auch mit dem PCK 2.0 wurde der Versuch unternommen, solch spezifisches Wissen bei Lehrpersonen herauszukristallisieren und zu identifizieren. Im Hinblick auf die Lehrerprofessionsforschung müsste man sich ebenfalls in jene Richtung bewegen, die Wirkung des Lehrerhandelns auf Schüler*innenprozesse zu überprüfen. Die Lehrerprofessionsforschung im Fach Sport scheint aber noch davon entfernt zu sein, von der Erhebung des fachdidaktischen Wissens auf die Wirkung bei den Schüler*innen zu schliessen. Hier bleiben immer noch Forschungsdesiderate übrig. Ein daran anschliessendes Forschungsprojekt (PCK 3.1 38 ) soll aber genau diesen Aspekt thematisieren und dessen Wirkung erfassen. Vorerst möchte ich aber mit den hier generierten Ergebnissen als Ausblick zwei Gedankengänge aufskizzieren. Auch wenn in dieser Forschungsarbeit die Bestimmungsansätze nach Terhart (2011) eher als Einordnungslogik verstanden werden, beschreiben sie in Verbindung mit den Resultaten doch einige konträre Gesichtspunkte. a) Gemäss dem strukturtheoretischen Ansatz müssen sich Lehrpersonen fortwährend und in jeder Situation zwischen zwei Polen von Lösungsmöglichkeiten entscheiden. Doch müssen sich Individuen im 38

Dieses Projekt lässt sich unter folgender Internetseite abrufen: https://forsbase.unil.ch/ project/study-public-overview/15677/0/.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

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täglichen Leben nicht auch in jeder erdenklichen Situation für oder gegen eine Lösungsmöglichkeit entscheiden? Offensichtlich scheinen die Entscheidungen in unserem täglichen Leben aber weit weniger gegensätzlich und deren Folgen weniger einschneidend für das weitere Handeln zu sein. Dies somit als einen professionellen Bestimmungsansatz von Lehrpersonenhandeln zu beschreiben, könnte im ersten Augenblick mit diesem Vergleich als bedeutungslos interpretiert werden. Doch auch wenn dieser strukturtheoretische Ansatz noch so nahe beim Alltagshandeln liegt, so ist dessen Diskussion für die professionelle Entscheidungsfähigkeit von Lehrpersonen eben gerade sehr bedeutungsvoll. Ob wir uns im Unterricht für eine dicke oder dünne Matte entscheiden, wird für einen Laien wahrscheinlich keinen Unterschied machen. Doch für einen Experten des Fachs scheint diese Entscheidung zwischen einer dicken oder dünnen Matte sehr wohl von Bedeutung und von verschiedenen Bedingungen abhängig zu sein. Deshalb sehe ich diesen Zugang, der nahe bei alltäglichen Entscheidungsprozessen liegt, als enorme Bereicherung für den Professionsdiskurs, der das Fach in seinem Selbstbewusstsein und in seiner Eigenständigkeit verstärkt. Gerade auch die Sportdidaktik weist mit der Hamburger Schule 39 auf diese Alltagsorientierung hin. b) Auch die Deliberate-Practice-Hypothese kann aufgrund des berufsbiografischen Ansatzes nochmals überdacht werden, weil die Resultate dieser Untersuchung darauf hindeuten, dass professionelles Wissen auch berufsbiografisch generiert wird, was die DeliberatePractice-Hypothese als Alleinstellungsmerkmal von Ausbildung infrage stellt. Wenn die Deliberate-Practice-Hypothese davon ausgeht, dass professionelle Fähigkeiten massgeblich in der Ausbildung erworben werden, muss hier ein weiterer – strukturell noch nicht – identifizierbarer Mechanismus gelten, weshalb erfahrene Lehrpersonen in vielen Bereichen über mehr und beständigeres fachdidaktisches Wissen verfügen (in Widerspruch zu Brommes U-förmigem Zusammenhang, vgl. 39

Als «Hamburger Schule» wird in der Sportdidaktik die von Karlheinz Scherler und Matthias Schierz begründete «interpretative Unterrichtsforschung» bezeichnet, der unterdessen auch zahlreiche «Schüler*innen» folgen: Wolters, Messmer, Lüsebrink etc.

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Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Kap. 2.3.2). Einen Erklärungsgrund dafür könnten die «Professional Communities» (vgl. Kap. 2.2) liefern, wie sie zur Arbeit in der Narrative Inquiry vorgeschlagen werden. Wie auch Messmer (2011b) beschrieben hat, kann die Arbeit mit narrativen Texten einen Zugang bilden, pädagogischen Problemen im Schulsetting im kollegialen Rahmen von «Professional Communities» (vgl. Kap. 2.2) zu begegnen. Deshalb glaube ich, dass diese Art und Weise des Austausches in päda­ gogischen Korporationen 40 – in unterschiedlichen Formen – bereits stattfindet und aufgrund dessen ebenfalls massgeblich zur professio­ nellen Entwicklung des fachdidaktischen Wissens und zur Bildung eines professionellen Habitus beiträgt. Deshalb sollten «Professional Communities» explizit implementiert werden, damit sie Einfluss auf die Ausbildungspraxis nehmen können. Mit diesen abschliessenden Gedanken hoffe ich, dass ich mit dieser Forschungsarbeit – im Sinne Peter Bichsels – ebenfalls einen Einblick in eine fachdidaktische Geschichtswelt aufzeigen konnte, die an zahlreichen Stellen ihren eigenen subjektiven Inhalt darzustellen versucht, sich jedoch auch mit dem momentanen (objektiven) Zeitgeist verknüpfen lässt. Denn auch hier gilt: diese Forschungsgeschichte stellt nicht die absolute Wahrheit dar, doch sie beschäftigt sich mit verschiedenen Möglichkeiten, diese Wahrheit abzubilden.

40

Z. B. in Lehrer*innenkollegien, Unterrichtsteams und Fachschaften etc.

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Entspricht die Aussage eines Probanden dem Indikator nicht, wird kein Code gesetzt (= 0, Kompetenz nicht vorhanden). Der Code kann gesetzt werden (1 = Kompetenz vorhanden), wenn der Inhalt sinngemäss einem Alinea der Indikatoren oder dem Beispiel der entsprechenden Kompetenz entspricht. Der Sinn der Vignettenantwort muss demnach zuerst verstanden und interpretiert werden. Pro Vignette können demnach 3 – 5 Codes gem. der unten stehenden Liste gesetzt werden, so viele, wie Kompetenzen pro Vignette vorhanden sind. Zudem wird ein Code, z. B. «Vignette 1», gesetzt, wenn die Vignette beantwortet wurde, also wenn Text da steht. Ein Proband, der nichts geschrieben hat, bekommt dann gemäss diesem Code einen Missing-Wert.

Anleitung Rater*innen:

Die Erhebung besteht aus zwanzig Situationen aus dem Sportunterricht. Am Schluss jeder Situation ist eine Frage an Sie gerichtet, welche Sie differenziert beantworten. Wir sind interessiert an möglichst verschiedenen Möglichkeiten, wie Sie auf die Situation reagieren. Es ist uns klar, dass viele dieser Situationen durch eine geeignete Planung hätten verhindert werden können. Trotzdem sind wir der Meinung, dass Sportlehrpersonen immer wieder in unvorbereiteten Situationen bestehen müssen. Grundsätzlich gehen wir von Sportunterricht auf der Sekundarstufe I und II aus. Je nach Ihrem Ausbildungsziel stellen Sie sich das Schüleralter 12- bis 16-jährig (Abschluss Sek I) oder 16- bis 20-jährig vor (Abschluss Sek II). Die Situation, welche die Vignette vorgibt, ist gegeben. Bitte denken Sie sich Handlungsalternativen aus, welche in der Zukunft der geschilderten Situation liegen. Bitte antworten Sie kurz und prägnant, aber in ganzen Sätzen.

Anleitung Proband*innen:

Erhebung fachdidaktisches Können von Sportlehrpersonen: Das Erhebungsinstrument enthält noch alle sechzehn Textvignetten (inkl. Vignette 5, welche nur von den Studierenden der PH FHNW ausgefüllt wurde)

Erhebungsinstrument und Ratermanual (PCK 1.0)

A Anhang

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Vogler, Professionelle Entscheidungen im Sportunterricht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28691-0











Was würden Sie anstelle des Lehrers jetzt unternehmen?

Die Schüler*innen erhalten vom Lehrer A. die Anweisung, sich selbstständig in zwei gleich starke Teams einzuteilen. Nach ca. 5 Minuten haben die Schüler*innen die Teams gebildet. Doch Herr A. meint: «Setzt euch bitte alle auf die Bank, denn ihr habt keine gleich starken Gruppen gebildet. Wenn alle leistungsstarken Spieler in einer Mannschaft sind und die schwächeren in der anderen, dann kann kein gutes Spiel zustande kommen.» Die Schüler setzen sich in einer Reihe auf die Bank und der Lehrer beginnt durch Abzählen, Mannschaften zu bilden. Bereits als er beim/bei der vierten Schüler*in angekommen ist, beginnen die nachfolgenden Schüler*innen, sich umzusetzen.



Vignette 1

Es wird mindestens eine Möglichkeit der zufälligen, externen Gruppenbildung aufgezeigt. Beispiele: – Farbige Bändeli unregelmässig verteilen – Zahlen unregelmässig zuordnen, z.B.: 1-21-2-1-1-2-2-1-2 – Gruppenbildung nach Geburtstagen im Januar bis Mai etc. – Gruppenbildung nach Farbe der Turnschuhe, T-Shirts etc. – Gruppenbildung nach Ziehen von Jasskarten o.Ä. …

– Wird das Spielen in diesen Gruppen als ausgeglichen empfunden? – Diskussion: Was braucht es für ein gutes Spiel?

– Die Schüler in den selbst gebildeten Gruppen spielen lassen. – Die Schüler in den selbst gebildeten Gruppen spielen lassen, nach Nachfragen evtl. zwei starke Spieler zur schwächeren Mannschaft wechseln.

Indikator

Nicht: – Ich würde die Gruppe selber einteilen.

– Die LP stellt am besten die Schüler*innen nach ihrem Geburtstagsmonat auf und bildet die Gruppen so.

Nicht: – Den Schüler*innen klarmachen, dass bei zwei unterschiedlich starken Teams kein gutes Spiel zustande kommt.

– Den Sinn von fairen Gruppen erläutern. – Erklären, warum es Sinn macht, gleich starke Gruppen zu bilden.

Bemerkung: Egal, ob in den von den Schüler*innen oder in den durch Abzählen gebildeten Mannschaften gespielt wird.

– Die Teams von den Schüler*innen bilden lassen. – Ich würde sie in ihrem Wunschteam spielen lassen.

Beispiel

Klasse teilen Bedingungen organisieren

Verstehen anregen Inhalte präsentieren

Klasse teilen Bedingungen organisieren

Kompetenz/Dimension

1c

1b

1a

Vignettencode

366 Anhang





Wie würden Sie als Lehrer auf diese Aussagen reagieren?

– Für die nächste Stunde plane ich eine Diskussion, bei der ich versuche, ihnen verschiedene Werte zu vermitteln und ihnen klarzumachen, dass man Sportarten nicht nur auf das Geschlecht zurückführen kann.

Aus Perspektive der Sache: – Begründung: Warum soll im Sportunterricht geturnt werden? – Zeigen, dass Sportunterricht dazu da ist, verschiedene Sportarten kennenzulernen. – Lehrgespräch / Diskussion zum Thema Frauen- und Männersport.

Unterricht in einer gemischtgeschlechtlichen Klasse (13 Knaben, 8 Mädchen). Zum zweiten Mal steht Bodenturnen auf dem Programm. Eine grosse Gruppe von Knaben ist unzufrieden mit diesem Thema und lässt den Lehrer dies auch deutlich wissen: «Schon wieder dieser blöde Weibersport! Können wir nicht mal wieder was Vernünftiges machen?»

– Ich würde die Gegenfrage stellen, was sie sich dann darunter vorstellen. – Mit den Schüler*innen eine Lösung aushandeln. Z. B. jetzt machen wir Bodenturnen, und dafür gibt es nächste Woche ein anderes Thema. Sie sollen sich Gedanken dazu machen und in der nächsten Lektion einige Vorschläge für das nächste Thema bringen.

Ich versuche, Bodenelemente zu zeigen, die die Jungs ansprechen (z. B. Kraftteile, die sie herausfordern). Bodenturnen soll interessant gemacht werden. Zudem sollen sie lernen, dass solche Aussagen in der Turnhalle keinen Platz haben.

Aus Perspektive der Schüler*innen: – Lehrgespräch / Diskussion über fehlendes Interesse am Turnen. – Vorlieben / Interessen von verschiedenen Gruppen ausdiskutieren. – Vorschläge für Veränderung von Turnen im SpU für Knaben (z. B. Stichwort: Partizipation).

– Den Schülern eine «attraktive» turnerische Aufgabe geben, die eben nicht «Weibersport» ist. – Le Parkour – Keine frauenfeindlichen Äusserungen

Nicht: – Ich würde ihm klarmachen, dass es kein Weibersport ist. In der nächsten Stunde würde ich ihnen Filmbeispiele von guten Bodenturnern mitbringen. – Ich würde mit ihnen einen Deal machen, dass wenn sie sich bemühen, sie am Schluss noch Fussball spielen dürfen. – Ihr kommt schon noch auf eure Rechnung, nur nicht heute.

Beispiele

Indikator

Vignette 3

Auf Disziplin achten Mit SuS interagieren

Interessen beachten Mit SuS interagieren

Gender beachten Mit SuS interagieren

Gender beachten Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

3d

3c

3b

3a

Vignettencode

Anhang 367





– Die Übung hat auch ohne den Wettkampfcharakter funktioniert, sprich die Schüler haben auch so intensiv gespielt, was ja auch das Ziel der Übung war. Somit finde ich es nicht schlimm, dass sie nicht gezählt haben. – Ich würde ausserdem aus jeder Gruppe einen Zähler bestimmen und die SuS jeden Punkt laut ausrufen lassen, also z. B. Punkt grün, so dass der Zähler weiss, wann es einen Punkt gegeben hat. – Solange intensiv gespielt wurde, würde ich nicht weiter nach der Punktezahl nachfragen.

– Je nach angestrebten Lernzielen ist das Zählen der Punkte auch nicht unbedingt nötig. – Die Schüler*innen sind ja schon engagiert dabei. Evtl. geschätztes Resultat bekannt geben – und weiter! – Möglichkeiten, wie in dieser Situation einfacher gezählt werden kann: Eine Person pro Team zählt / laut zählen / Verletzte zählen auf Linie etc.

– Keine Zeit mehr verlieren mit noch einmal Zählen üben. Die SuS waren ja schon engagiert dabei.

Der Lehrer erklärt das Spiel: «Immer zwei Gruppen sind zusammen. Sie stehen jeweils in einer der Volleyballspielfeldzonen. Abwechslungsweise Team A, B, A, B. Das Ziel des Spiels ist, sich trotz des Gegners, der immer in der Zone dazwischen steht, Pässe zuzuspielen. Nur wenn der Ball direkt von einem Spieler zu einem Spieler des gleichen Teams kommt, zählt der Punkt. Die Gruppe, welche am meisten Punkte erreicht, gewinnt. Pro Team ein Ball.» Dann erklärt er noch die verschiedenen Spielzonen, welche das Volleyballfeld durch die 3Meter-Linien und Mittellinie vorgibt. Die Übung beginnt und die Schüler passen sich intensiv Bälle zu. Als er allerdings die genaue Punktezahl nachfragt, kann kein Schüler ein genaues Resultat sagen.

Was machen Sie als Lehrer jetzt?

– Dann werde ich vielleicht das Spiel nochmals erklären müssen (wenn die Schüler*innen die Übung nicht ganz begriffen haben).

– Anscheinend waren die Anweisungen nicht genug verständlich. Den Auftrag, wie gezählt werden soll, nochmals deutlich machen (oder auch vorzeigen!).

Klasse 16 Schüler*innen; Thema Unihockey, Pass und die Passannahme. Die erste Übung, sich quer in der Halle Pässe zuzuspielen, verläuft reibungslos. Die zweite Übung ist in vier Gruppen organisiert.

Beispiele

Indikator



Vignette 4

Zeit einteilen Bedingungen organisieren

Spielprozesse initiieren und begleiten Inhalte präsentieren

Spielprozesse initiieren und begleiten Inhalte präsentieren

Verständlich erklären Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

4d

4c

4b

4a

Vignettencode

368 Anhang





– Ich würde im Plenum nochmals die wichtigsten Regeln wiederholen lassen. Diese Regeln sind nun zu beachten.

– Diejenigen, die reklamieren, selber zum Schiedsrichter machen. Selber pfeifen.

– Die Schiedsrichter*innen aus dem Spiel nehmen. Fairplay-Regeln erklären und je einen Teamverantwortlichen bestimmen, welche bei Uneinigkeiten miteinander eine Lösung finden.

– Spielregeln Basketball repetieren mit der ganzen Klasse.

– Shadowing bei den Schiedsrichtern oder Schirirollen abwechseln (eines der beiden Stichworte).

– Spiel ohne Schiedsrichter oder gleich Streetball spielen lassen.

Was würden Sie in der Rolle der Lehrerin jetzt sagen oder machen?

Gegen Ende der Doppelstunde gibt es ein Basketballturnier. Die Lehrerin bildet vier ausgeglichene Gruppen. Auf zwei Spielfeldern können alle Teams gleichzeitig spielen. Als Schiedsrichterinnen stellen sich zwei Schülerinnen zur Verfügung. Schon bald stellt sich heraus, dass die Spieler*innen mit den Entscheidungen der Schiedsrichter*innen nicht immer einverstanden sind. Sie beschweren sich bei ihnen und wollen die Entscheidungen der Schiedsrichter*innen nicht akzeptieren. Die Schüler*innen protestieren bei jeder Gelegenheit. Die Lehrerin bricht das Spiel nach mehreren Protesten in beiden Spielfeldern ab.

– Der Schiedsrichter hat immer recht! – Jetzt würde ich die Klasse versammeln und mit ihnen die Stellung eines Schiedsrichters thematisieren. Auch dass Schiedsrichter nicht allmächtig sind und nicht alles sehen.

– Schiedsrichterrolle klären und definieren.

18 Schüler*innen, Thema: Basketball. Die Regeln sind den Schüler*innen bekannt.

Beispiele

Indikator

Vignette 5 (nur PH fhnw)

Problemlöseprozesse Inhalte präsentieren

Spielprozesse Inhalte präsentieren

Spielprozesse Inhalte präsentieren

Spielprozesse Inhalte präsentieren

Kompetenz Dimension

5d

5c

5b

5a

Vignettencode

Anhang 369





– Man könnte zum Beispiel jeweils zwei Schüler*innen als Hilfestellung auf die Matte stellen, welche den / die Schüler*in, der / die den Sprung macht, abfedern. Eine solch kleine Anpassung könnte grosse Wirkung zeigen, da die Schüler*innen nun glauben, dass es weniger weh tun könnte. – Ich bestimme 3 Schüler, die mit mir noch eine dicke Matte holen (oder 4 Bänke, um dann dort die 40 cm-Matte draufzustellen), zeige die Übung nochmals vor. Die SuS sehen, dass es nun sicher ist und machen wieder mit. – Man könnte aber auch die Übung weglassen und direkt zur nächsten Übung gehen. – Man könnte zum Beispiel jeweils zwei Schüler*innen als Hilfestellung auf die Matte stellen, welche den / die Schüler*in, der / die den Sprung macht, abfedern. Eine solch kleine Anpassung könnte grosse Wirkung zeigen, da die Schüler*innen nun glauben, dass es weniger weh tun könnte.

– Mit Schüler*in vorzeigen und Hilfestellung leisten (nur mit Vereinfachung!).

– Material besser einsetzen. Übung auf einer dünnen Matte mit 2 Hilfestellungen oder auf schräger Anlage mit Bänkli und 40er-Matte turnen.

– Übung abbrechen und zur nächsten wechseln oder alternative Form, sodass die Landung angenehmer ist.

Wie reagieren Sie als Lehrperson in dieser Situation?

– SuS fragen, was das Problem ist und es so gut wie möglich aufnehmen und eine Lösung suchen.

– Den Grund der Weigerung erfragen, Gespräch suchen.

12. Schuljahr, Gymnasium. Thema: Einführung Flickflack. Bei der ersten Übung soll der Absprung für den Flickflack geübt werden: Stand auf dem Boden und Sprung rückwär ts auf die Weichmatte (40 cm) mit Landung auf dem Rücken (eine Art Fosbury-Flop, ohne aber die Beine nach der Landung nachzuziehen). Der Lehrer demonstriert die Übung. Er landet mit den gestreckten Armen zuerst auf der Matte, an seinem Gesichtsausdruck sieht man, dass die Landung nicht ganz ohne Schmerzen erfolgte. Als der Lehrer die Schüler*innen auffordert, zu üben, sitzen alle am Boden und weigern sich, zu turnen.

Beispiele

Indikator

Vignette 6

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

Material einsetzen Bedingungen organisieren

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

Körperlichkeit beachten Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

6d

6c

6b

6a

Vignettencode

370 Anhang





– Ich würde ihnen anbieten, mit ihnen einen Trainings- und Ernährungsplan zu erstellen.

– Ich würde ihnen Beispiele vorlegen, wo auch etwas dickliche Menschen viel erreicht haben und dass ihr Ziel im Gegensatz zu den anderen Schülern sein könnte, die Strecke zu bewältigen … ohne die Zeit zu beachten. – Zwingen, am Stadtlauf teilzunehmen, kann man niemanden, denn der ist meistens nicht während der Schulzeit. Doch während dem Unterricht sollen alle SuS dem Unterricht Folge leisten.

– Übergewicht thematisieren, an- und besprechen. – Frage, was die Schüler*innen machen gegen dieses «Fettsein». – Thema Ernährung thematisieren

– Motivation für Stadtlauf (Laufstrecke) fördern – Klarmachen, dass die Stadtlauf-Strecke auch für sie zu bewältigen ist (evtl. mit anderem Ziel: z. B. Intervall).

– Stadtlauf als freiwilliges Angebot ausserhalb des Sportunterrichtes und Training dafür aber innerhalb Sportunterricht, sodass alle teilnehmen müssen.

Wie reagieren Sie auf diese Aussage?

– Das Training würde ich so aufbauen, dass die SuS am Anfang auch einfach schnell gehen können.

– Eine alternative Trainingsmöglichkeit aufzeigen, diese konkret nennen. – 1 mögliche Trainingsform erwähnen von der Liste: Walking / Intervall / Tempo rausnehmen / Atmung / Inlines

Der Sportlehrer möchte auf Wunsch einiger Schüler*innen mit der Klasse am alljährlichen Stadtlauf teilnehmen. Damit die Schüler*innen die Strecke gut bewältigen können, hat er sich entschlossen, im Sportunterricht die nächsten vier Wochen mit den Schüler*innen regelmässig joggen zu gehen. Am ersten Trainingstag wollen zwei Schüler jedoch nicht mitlaufen. Einer der beiden Schüler sagt: «Wir schaffen die Strecke sowieso nicht, dafür sind wir viel zu fett!»

Beispiel

Indikator

Vignette 8

Körperlichkeit beachten Mit SuS interagieren

Leistungsfähigkeit berücksichtigen Mit SuS interagieren

Leistungsfähigkeit berücksichtigen Mit SuS interagieren

Trainingsprozesse initiieren und begleiten Inhalte präsentieren

Dimension

8d

8c

8b

8a

Vignettencode

Anhang 371





– Die Organisation in der Halle ändern, kleinere Spielfelder und kleinere Teams machen.

Spielprozess spielgerecht verändern (nur regulative Regeln ändern). Beispiele: – Md bewusst in Schlüsselpositionen stellen – Querfeld – Kleine Mannschaften

– Ausserdem würde ich bewusst Überzahlsituationen kreieren und auch z. B. Mädchen gegen weniger Jungs spielen lassen.

– Ich denke aber, die effektivste Art, die Mädchen in das Handballspiel zu integrieren, ist, ihre Handballgrundtechnik und ihr Taktikwissen über längere Zeit zu verbessern.

Spezifisches Training für Mädchen und für Knaben.

Was würden Sie jetzt anstelle des Lehrers unternehmen?

– Den Jungen auch Zeit geben, unter sich zu spielen, sowie den Mädchen Zeit geben, unter sich zu spielen (anstatt genderorientierte können es auch leistungsorientierte Gruppen sein, einzelne Mädchen spielen ja vielleicht sehr gut Handball).

– Gendergetrennte Teams, die nicht gegeneinander spielen. – Möglichkeit, zu wechseln (selber einschätzen!).

Thema Handball. Die Klasse besteht aus 12 Schülerinnen und 14 Schülern. Der Lehrer teilt die Klasse in 4 gemischte Teams. Aufgrund der Hallengrösse können jeweils nur 2 Teams spielen, die anderen Schüler*innen sowie die Auswechselspieler*innen sitzen auf Bänken am Hallenrand. Die Jungen spielen hauptsächlich untereinander, nur selten werden Mädchen angespielt. Diese sind nach einiger Zeit sauer und beschweren sich bei den Jungen. Daraufhin gehen einige Mädchen zum Lehrer und beschweren sich bei ihm über die Spielweise der Jungen. Der Lehrer redet mit den Jungen: «Bezieht auch die Mädchen mit ins Spiel ein. Wir machen das jetzt so: Mädchentore zählen doppelt.» Die Jungen spielen jedoch nach wie vor nur untereinander. Mehr und mehr Mädchen lassen sich auswechseln oder verlassen einfach das Spielfeld und setzen sich auf die Bank.

Beispiele

Indikator

Vignette 9

Spielprozesse Inhalte präsentieren

Körperlichkeit beachten Mit SuS interagieren

Gender beachten Mit SuS interagieren

Dimension

9c

9b

9a

Vignettencode

372 Anhang





– … gebe ich ihnen eine letzte Chance, alleine zu üben … machen sie wieder Unfug, lasse ich sie nicht mehr springen. Evtl. mache ich gerade Postenwechsel oder lasse sie am Ende der Stunde die Turngeräte alleine ohne Mithilfe der anderen Schüler*innen verräumen. – Danach den Mädchen zuwenden, die intensiv am Üben sind.

– Den Auftrag im Vorfeld besser gestalten (verbindlich machen): Tragt eure Resultate in das Postenblatt ein.

– Knaben warnen, dass bei weiterem sicherheitstechnisch bedenklichem Verhalten bestraft wird; z. B.: «Beim nächsten Mal gibt es eine Strafe!».

– Auch bei den anderen Gruppen vorbeigehen und Rückmeldungen geben.

– Klare Aufgaben stellen. – Zeit für das Erarbeiten der Aufgabe definieren. – Zwischenziele definieren. – Sichere Organisation festlegen.

Wie würden Sie anstelle des Lehrers reagieren und handeln?

– Ich zeige ihnen Aufgaben, die sie mehr herausfordern, falls sie das andere schon können, oder gebe ihnen weitere Inputs zum Üben. Es muss spannend genug sein, dass sie selbst weiter üben können.

– Neue Aufgabe (alternierend zum Geräteturnen auch andere Sportarten) an Knaben stellen, die punkto Sicherheit unbedenklich ist, die aber anspruchsvoll / attraktiv ist. – Die Schüler eine sicherheitstechnisch bedenkenlose Aufgabe entwickeln lassen.

Die Mädchen (5) und Knaben (10) sind bereits gut aufgewärmt. Nach einem turbulenten Aufstellen der Geräte versammelt der Lehrer die Schüler*innen in der Mitte der Halle. Er erklärt die Aufgabe für das folgende Geräteturnen: «Ihr habt verschiedene Geräte zur Auswahl: Reck, Barren, Stufenbarren und Kasten mit einem Minitrampolin. Ihr könnt nun in Zweier- oder Dreiergruppen an diesen Geräten die euch von den letzten Stunden bekannten Elemente üben und trainieren.» Die Schüler*innen beginnen mit dem Üben, während der Lehrer von Gerät zu Gerät geht, Tipps gibt und hilft und sichert. Bis zum dritten Wechsel läuft der Übungsbetrieb geordnet und die Schüler*innen üben intensiv. Während des letzten Wechsels muss er drei Schüler aus dem Geräteraum holen, weil sie sich dort versteckt haben. Dann entdeckt er drei Knaben, die die Minitrampolinanlage verändert haben. Er fordert sie aus Sicherheitsgründen auf, die Station wiederherzustellen. Nur kurz kann er sich anschliessend einer Mädchengruppe zuwenden (die Mädchen turnen sehr intensiv am Stufenbarren), weil die erwähnte Trampolingruppe seine Aufmerksamkeit erneut erfordert: Die Knaben haben die Laufrichtung gewechselt und springen nun vom Trampolin direkt auf den Boden (ohne Weichmatte).

Beispiele

Indikator

Vignette 11

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

Beurteilen und Evaluieren Mit SuS interagieren

Auf Disziplin achten Mit SuS interagieren

Interessen beachten Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

11d

11c

11b

11a

Vignettencode

Anhang 373







– Schülerinnen daran erinnern, dass einwärmen sehr wichtig ist, und nochmals erklären, auf was alles geachtet werden muss (Mobilisation und Kräftigung der fürs Ringturnen gebrauchten Gelenke und Muskeln, Dehnen der Schultern und Arme etc.). – Hätte ich etwas mehr Zeit zur Verfügung, würde ich einige Bewegungsvarianten in Auftrag geben, welche die Schülerinnen einzeln oder in Gruppen mit den anderen Schülerinnen durchführen würden. Ich würde auch mitmachen und könnte Einfluss nehmen.

Diskussion zum Thema Aufwärmen: – Warum wärmen wir auf? – Wie kann ich meinen Körper fürs Geräteturnen vorbereiten?

– Als (Haus-)Aufgabe Einwärmübungen vorbereiten lassen. – In der nächsten Stunde bekommen die Schülerinnen wieder dieselbe Aufgabe!

Was würden Sie anstelle der Lehrerin jetzt unternehmen?

– Ich würde genauer vorgeben, was sie zu tun haben, allenfalls auch selber mitmachen und vorzeigen, damit die Schülerinnen auch wirklich aufgewärmt und auf die Belastung vorbereitet sind.

Aufwärmen unterbrechen und wiederholen mit Ideen der Lehrerin oder der Schülerinnen (dann Kontrolle LP).

16 Schülerinnen, Thema der Stunde: Geräteturnen. Nachdem alle Schülerinnen in der Halle eingetroffen sind (einige turnen bereits an den Ringen), erklärt die Lehrerin das weitere Vorgehen: «Für das Aufwärmen habe ich euch ein Plakat vorbereitet (sie zeigt auf das Plakat): 1. Laufen, 2. Gymnastik, 3. Hüpfen. Mit den Ziffern sind die Musikstücke gemeint.» Die Schülerinnen sollen sich selbstständig zur Musik aufwärmen, d. h. selbstständig Variationen zu den betreffenden Formen finden. Während die Schülerinnen zur Musik laufen, stellt die Lehrerin noch fehlende Geräte auf. Die Bewegungsvariationen der Schülerinnen sind sehr dürftig, die meisten laufen in einem grossen Kreis, vereinzelt sieht man ein Armkreisen. Erst spät bemerkt die Lehrerin die fehlende Bewegungsvielfalt der Übungen.

Beispiele

Indikator

Vignette 12

Problemlöseprozesse Inhalte präsentieren

Verstehen anregen Inhalte präsentieren

Problemlöseprozesse Inhalte präsentieren

Kompetenz/Dimension

12c

12b

12a

Vignettencode

374 Anhang





– Vorschläge einsammeln, wie wir die Situation verbessern könnten.

– Ich lasse die Fussballspieler auf einer Hallenhälfte weiterspielen, weil sie ja schon warm sind.

– Diskussion über Sinn und Unsinn von Pünktlichkeit im Sport. – Mitteilen: Verhaltenscodex im Sportunterricht / in der Schule: Pünktlichkeit ist für eine gute Lektion wichtig.

– Zeitpunkt des Gesprächs mit den Unpünktlichen so wählen, dass die Pünktlichen nicht benachteiligt werden. • z. B. 5 Minuten vor Schluss abbrechen und Gespräch führen. • z. B. pünktliche Schüler weiter Fussball spielen lassen und die Unpünktlichkeit zu Beginn ansprechen. • z. B. Besprechung in der Klassenlehrerstunde.

– Und ihnen klarmachen, dass dies beim nächsten Mal Konsequenzen hat.

– Mögliche Lösungen / Konsequenzen besprechen und / oder fixieren (bereits im Vorfeld festgelegte Konsequenzen zählen ebenfalls).

Wie beginnen Sie jetzt den Unterricht?

– Ich frage sie, ob es einen Grund gibt, wieso sie zu spät kommen, weil es ja die anderen Schüler pünktlich schaffen.

– Unpünktlichkeit mit «Unpünktlichen» ansprechen und den Grund der Unpünktlichkeit erfragen.

Der Lehrer ist zehn Minuten vor Lektionsbeginn in der Halle, stellt das Kleinmaterial bereit und hängt div. Postenblätter auf. Einige Schüler sind wie immer bereits in der Halle und spielen mit dem Fussball. Beim Lektionsbeginn fehlt – nicht zum ersten Mal – etwa die Hälfte der Klasse. Erst fünf Minuten nach Stundenbeginn sind alle Schüler in der Halle.

Beispiele

Indikator

Vignette 13

Zeit einteilen Bedingungen organisieren

Problemlöseprozesse Inhalte präsentieren

Auf Disziplin achten Mit SuS interagieren

Auf Disziplin achten Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

13d

13c

13b

13a

Vignettencode

Anhang 375





– Ich frage die Schüler, warum sie heute nicht motiviert sind. – Da es heute ein wunderschöner Tag ist, könnt ihr nach dem Ausdauertraining frei schwimmen oder Volleyball spielen. Zuerst müssen wir jetzt aber den Ausdauerteil hinter uns bringen.

– Den Grund erfragen, warum die Schüler nicht schwimmen möchten. – Schwimmtraining durchführen, aber mit den Schülern aushandeln, was sie anschliessend sportlich machen möchten. Z. B. 15 Minuten schwimmen (jeder in seinem Tempo, aber ohne anzuhalten), und danach dürfen alle noch auf den Sprungturm.

Was würden Sie jetzt tun?

– Ich würde aus den zwei Gruppen 2er-Teams bilden, die sich während der 15 Minuten gegenseitig die Längen zählen und motivieren. – Zu zweit einen Kilometer schwimmen. Längenaufteilung zwischen den Schwimmerinnen ist egal.

– Die Aufgabe umformulieren (evtl. zusammen mit Schülerinnen!), z. B. zählen, wie viele Längen in 5 Minuten geschwommen werden. – Anzahl Längen vorgeben – Gruppenwettkampf

Schwimmunterricht im Freibad. Es ist strahlend schönes Wetter und das Bad ist gut gefüllt. Für den bevorstehenden Sporttag möchte die Lehrerin 15 Minuten Ausdauerschwimmen üben. Die erste Gruppe startet, kommt aber nicht weit, weil die Schülerinnen offenbar nicht schwimmen wollen. Die Lehrerin geht zu dieser Gruppe, die Schülerinnen lachen und grinsen, beklagen sich aber auch nicht wegen dem Schwimmen. Die Lehrerin weist sie an, aus dem Wasser zu steigen und versammelt die ganze Klasse am Beckenrand. Diese Anweisung befolgen sie anstandslos.

Beispiele

Indikator

Vignette 14

Trainingsprozesse Inhalte präsentieren

Interessen beachten Mit SuS interagieren

Trainingsprozesse Inhalte präsentieren

Kompetenz Dimension

14c

14b

14a

Vignettencode

376 Anhang





– Am Ende des Rundgangs dürfen Freiwillige der Klasse einen Trick und / oder eine neue Bewegungsform präsentieren. – Nach jeder Einheit können dann die SuS zeigen, was sie für neue Übungen erfunden haben, welche dann wiederum von der nächsten Gruppe weiterentwickelt oder als Idee genutzt werden kann. Oder: Am Ende der Stunde 20 – 30 Minuten einplanen, wo jedes Team einige neue Übungen vorzeigt, die von der Klasse ausprobiert werden können. – An den meisten Posten werden zwei Gruppen unterwegs sein, es sollte also genügend Material vorhanden sein, sonst muss das noch aufgestockt werden.

– Von Schüler*innen erfundene Übungen aufnehmen und vorzeigen lassen – Kreativität honorieren

– Mehr Posten / Material anbieten (zusätzliches und / oder bereits vorhandenes Material)

Was würden Sie antworten und wie würden Sie den Ablauf der Stunde organisieren?

– Ich würde die Schüler*innen frei die Posten wählen lassen, damit ihre Bewegungsfreiheit in dieser Abenteuerstunde nicht eingeschränkt wird.

Freie Wechsel (auch mit Einschränkung) zulassen – bspw. Zeit variabel pro Station – max. Anzahl Personen pro Posten

Geplant ist eine «Abenteuerstunde» an vier verschiedenen Posten (Jonglieren, Diabolo, Teppichresten, Skateboard). Die Schüler*innen (17) sind bereits gut aufgewärmt. Der Lehrer erklärt die Aufgaben an den verschiedenen Posten: «Ihr könnt nun in Zweier- oder Dreiergruppen an diesen Posten üben und auch neue Übungen erfinden, aber immer mit dem euch zur Verfügung stehenden Material.» Er beschreibt kurz für jeden Posten die Aufgabe und legt A4-Blätter mit Postenbeschreibungen zu jeder der vier Stationen. Die Schüler*innen verteilen sich nach kurzer Diskussion auf die verschiedenen Posten. Eine Schülerin fragt den Lehrer, ob sie die Posten frei wechseln dürfen.

Beispiele

Indikator

Vignette 15

Material einsetzen Bedingungen organisieren

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

Dimension

15c

15b

15a

Vignettencode

Anhang 377





Zeit einteilen Bedingungen organisieren

Verstehen anregen Inhalte präsentieren

– Ich werde den Rhythmus des Tanzes runterschrauben und die Elemente eins nach dem anderen zusammenfügen. Wenn ich zwei Elemente zusammen habe, dann versuche ich es mit der Musik und immer wieder ein Element dazu, bis am Schluss der ganze Tanz zusammen ist. – Ich erkläre dem Schüler, dass wir sicher noch genug spielen werden. Wenn nicht heute, dann das nächste Mal.

Dieses Item kommt in der Datenbasis nicht vor.

– Tanz attraktiver gestalten – Langsamere Musik – Einfacher

– Tanz auf mehrere Lektionen verteilen – Kürzere Sequenz Tanz – Geräteturnen oder Spiel weglassen – Bewusstes Kürzen von Inhalten zugunsten anderer Inhalte

– Bedeutung Hip-Hop erläutern (woher kommt Hip-Hop, warum machen wir Hip-Hop im Sportunterricht?)

Wie reagieren Sie auf diese Aussage und wie fahren Sie mit der Lektion fort?

Für das Aufwärmen stellen sich die Schüler*innen an der Stirnseite der Halle auf, während der Lehrer die ersten Schritte des Tanzes vorzeigt. Nach anfänglicher Begeisterung für das Tanzen beginnen sich die Schüler*innen sehr schnell zu langweilen. Um weiterfahren zu können, muss der Lehrer immer öfters um Ruhe bitten. Nach der Einführung und dem Training verschiedener Teilelemente werden diese zusammengefügt: Hopserhüpfen, Posing, Bodenteile – Hopserhüpfen … Der Lehrer stellt die Musik an und alle «tanzen» gemeinsam auf die andere Hallenseite. Nur wenige können dem schnellen Rhythmus folgen. Ein ungeduldiger Schüler meint sodann: «Wenn wir so weiterfahren, reicht es wohl nicht mehr zum Spiel.»

Leistungsfähigkeit beachten Mit SuS interagieren

Übungsprozesse Inhalte präsentieren

– Sich nicht beirren lassen. Obwohl ich das Programm aber so angekündigt habe, möchte ich folgendes Ziel [Anm. Tanz] erreichen. – Ich erkläre dem Schüler, dass wir sicher noch genug spielen werden. Wenn nicht heute, dann das nächste Mal.

– Eine Wertung von Spiel und Tanz nicht dulden – Wertung Spiel / Tanz thematisieren – Aktives Eingreifen oder bewusstes Ignorieren

Kompetenz Dimension

Diese Lektion dauert 90 Minuten. Die Mädchen und Knaben haben sich in der Mitte der Halle versammelt. Der Lehrer informiert kurz über die kommende Stunde: Aufwärmen mit HipHop, Geräteturnen und am Schluss ein Spiel.

Beispiele

Indikator

Vignette 16

16d

16c

16b

16a

Vignettencode

378 Anhang





– Wenn Angst im Spiel ist, gebe ich ihnen den Input, dass sie die Kunststücke auch auf einer Hallenlinie am Boden versuchen können.

– Dann der anderen Gruppe präsentieren.

– Langbank normal nehmen, dann ist sie viel breiter und die Schülerinnen können schwierigere Elemente darauf turnen.

– Am Ende Leistungsüberprüfung anhand von Vorführung.

Raum ordnen Bedingungen organisieren

Dieses Item kommt in der Datenbasis nicht vor.

– Lehrerin steht jetzt so am Stufenbarren, dass sie den Balken auch im Blick hat.

Wie reagieren Sie und wie fahren Sie mit der Lektion fort?

Verständlich erklären Mit SuS interagieren

– Ich zeige allen als Beispiel die vorbereitete Videosequenz und gebe konkrete Übungsformen vor, die auf dem vorbereiteten Blatt stehen und verteilt werden.

– Arbeitshilfe mit Bildern – Illustration ––> Medien einsetzen – Elemente vorzeigen, die geübt werden sollen – Visuell

Beurteilen und evaluieren Mit SuS interagieren

Material einsetzen Bedingungen organisieren

Verständlich erklären Mit SuS interagieren

– Ich zeige allen als Beispiel die vorbereitete Videosequenz und gebe konkrete Übungsformen vor, die auf dem vorbereiteten Blatt stehen und verteilt werden.

– Aufgabe konkreter formulieren – Beispiel-Elemente erwähnen – Klarere Aufgaben erteilen – Mehrere Aufgaben nötig! – Verbal / schriftlich

Kompetenz Dimension

20 Schülerinnen. Nach einem intensiven Aufwärmen versammelt die Lehrerin die Klasse in der Mitte der Halle. Sie erklärt den weiteren Verlauf der Stunde. Die eine Klassenhälfte übt eine Viertelstunde mit der Lehrerin am Stufenbarren, während sie der anderen Klassenhälfte eine Aufgabe stellt: «Vielleicht habt ihr mal im Fernsehen Kunstturnerinnen auf dem Schwebebalken gesehen, wie sie verschiedene Kunststücke vorgezeigt haben. Die Turnerinnen gehen schön, drehen sich oder setzen sich auch mal auf den Balken. Nun, was ich von euch will, ist, dass ihr jetzt gleich anschliessend mal probiert, was ihr auf diesem Balken (umgedrehte Langbank) alles machen könnt.» Die Mädchen (im Rücken der Lehrerin) gehen auf den Langbänken hin und her und zeigen wenige Hüpfformen. Nach fünf Minuten merkt die Lehrerin, dass am Schwebebalken kaum geübt wird.

Beispiele

Indikator

Vignette 17

17e

17d

17c

17b

17a

Vignettencode

Anhang 379





– Mädchen sollen in den einen Hallenviertel, die Jungen in den anderen.

– Er kann so mehrere Reihen machen, welche er mit der Zeit in ihrer Position verschieben kann (vorderste Reihe geht nach hinten, alle andern rücken auf). – Damit nicht immer die gleichen SuS in der vordersten Reihe sind, werden alle 3 bis 4 Minuten die Reihen durchrotiert.

– Paare bilden, die nun schon nebeneinanderstehen.

– Mit Hilfen (z. B. Bodenmarkierungen) arbeiten – Feld eingrenzen – Standorte zuweisen – Eintanzen oder Spiel (z. B. Raumwahrnehmung / Partnerwechsel fördern) – Starten mit einem Schritt, der alle nach vorne bringt – Organisationsform, dass immer «Frau» nach links wechselt, «Herr» stehen bleibt à häufige Wechsel!! (z. B. Rueda)

– LP teilt Paare zu oder Spiel, das bereits Paare erfordert, oder Los

Was würden Sie dem Lehrer raten, jetzt zu machen?

– In dieser Situation könnte man nun auch Mädchen mit Mädchen und Jungen mit Jungen tanzen lassen.

– Keine Mischung der Klassen / Geschlechter beim Paartanz aufzwingen. – Abbrechen und nächstes Mal in Kleidern in Tanzstudio /Aula tanzen.

12 Schüler. Thema der Lektion: Tanz, Rhythmus, Walzer. Zum Abschluss der Stunde will der Lehrer die Schüler mit den Schülerinnen der gleichen Klasse (diese hatten die gleiche Einführung eine Woche zuvor) gemeinsam tanzen lassen. Die Schüler*innen strömen in die Halle und verteilen sich dicht an den Wänden entlang. Der Lehrer lässt einen Walzer laufen und fordert die Lernenden auf, Paare zu bilden. Die einzige Reaktion auf seine Aufforderung ist Gekicher. Also will er mit ihnen nochmals den Grundschritt repetieren. Dazu bittet er die Schüler*innen, sich in der Halle zu verteilen, was dazu führt, dass sich alle ca. 50 cm von der Hallenwand entfernen. Nochmals bittet er sie, sich Raum zu verschaffen und den Hallenplatz ein wenig auszunützen. Wieder hat er 50 cm Erfolg.

Beispiele

Indikator

Vignette 18

Klasse teilen Bedingungen organisieren

Raum ordnen Bedingungen organisieren

Raum ordnen Bedingungen organisieren

Gender beachten Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

18d

18c

18b

18a

Vignettencode

380 Anhang





– Skala oder Messsystem anpassen (kurzfristig nur die aktuelle Note betreffend) – Schülerin bekommt eine leicht bessere Note – Zweite Chance

– Weil ich ganz bestimmt nie einer Schülerin die Note 1 erteilen würde, die ihren Möglichkeiten entsprechend alles gegeben hat.

– Dass die Sportnote nicht ausschliesslich aufgrund der Einzelnoten berechnet werden, sondern dass man den Einsatz auch berücksichtige. – Ich sage ihnen, dass sie recht haben und ich das nächste Mal den Prozess bewerten werde.

– Diskussion / Begründung über Beurteilung (langfristig, auch weitere und andere Noten betreffend) – Diskussion Semesternote Sport: nicht nur Leistungsnoten, auch Ästhetik

Was antworten Sie? Wie fahren Sie mit dem Unterricht fort?

– Ich versichere ihnen, dass die nicht anwesenden SuS den 12-Minuten-Lauf noch nachholen müssen.

– Die Abwesenden müssen den Lauf nachholen.

Es steht eine Leistungsüberprüfung im Bereich Ausdauer an. Die Schüler*innen machen den 12Minuten-Lauf auf der 400 m-Bahn des Sportplatzes. Unter den Schüler*innen ist ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie startet mit den anderen zur Leistungsüberprüfung, schafft aber nur eine Strecke, die mit der Note 1 bewertet wird. Einige Mitschülerinnen sind empört und stellen den Lehrer zur Rede: «Warum bekommt sie eine 1, obwohl sie, im Gegensatz zu anderen aus unserer Klasse, anwesend war und nach ihren Möglichkeiten gelaufen ist?»

Beispiele

Indikator

Vignette 20

Beurteilen und evaluieren Mit SuS interagieren

Beurteilen und evaluieren Mit SuS interagieren

Beurteilen und evaluieren Mit SuS interagieren

Kompetenz Dimension

20c

20b

20a

Vignettencode

Anhang 381

382 Anhang

B Zuordnungen und Ankerbeispiele des PCK 1.0

Was nicht vergessen werden darf, sind die konkreten Handlungsantworten der Proband*innen des PCK 1.0. Die nachstehende Tabelle gibt als Erstes einen Überblick über die Antwortmöglichkeiten zu den im Instrument (vgl. Anhang A) erwähnten Vignetten, ausdifferenziert nach Dimensionen, Kompetenzen und Vignettencode. Diese Ausdifferenzierungen beziehen sich auf das reduzierte Instrument mit 9 Faktoren (Kompetenzen) der Textvignetten 3, 4, 6, 8, 12, 13, 14, 16, 18 und 20 (Anhang A zeigt das Instrument vor der Reduzierung der Vignetten). Dimension

Kompetenz

Vignettencode

Inhalte präsentieren

1.) Inhalte deuten

i) auf_wiederholen ii) alternatives_training iii) weiter

2.) Trainings- und Übungsprozesse

i) nicht_werten ii) aufg_umform iii) ü_abbrechen iv) s_vorzeigen

Bedingungen organisieren

1.) Zeit und Personen organisieren

i) zeit_knapp ii) bodenmarkierung iii) s_beschäftigen

2.) Raum und Material organisieren

i) paareeinzeln_aufrufen

1.) Klare Anweisungen und

i) konsequenzen

Erklärungen

ii) ansprechen

ii) org_form iii) anlage_ändern

Mit SuS interagieren

iii) deutlich_erklären 2.) Interessen beachten

i) warum ii) übergew_thema iii) turnen_attrakt

3.) Leistungsfähigkeit beurteilen

i) lauf_wieder

und evaluieren

ii) tanz_attrakt

4.) Körperlichkeit beachten

i) freiwillig

iii) motivation ii) grund iii) turnen_gestalten

5.) Auf Unterschiede achten

i) semesternote ii) genderhomogen iii) frauenfeindlich

Anhang 383 Inhalte präsentieren Die Dimension Inhalte präsentieren (vgl. Messmer & Brea, 2015) wird in die Kompetenzen 1.) Inhalte deuten und in 2.) Trainings-und Übungsprozesse unterteilt. Kompetenz

Vignettencode

1.) Inhalte deuten

i) auf_wiederholen ii) alternatives_training iii) weiter

2.) Trainings- und Übungsprozesse

i) nicht_werten ii) aufg_umform iii) ü_abbrechen iv) s_vorzeigen

Die Kompetenz 1.) Inhalte deuten wird erneut in drei weitere Vignettencodes unterteilt: i) auf_wiederholen, ii) alternatives_training und iii) weiter. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über den jeweiligen Vignettencode, den dazugehörigen Indikator, welcher den Code erklärt, und jeweils ein Ankerbeispiel. Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

auf_ wiederholen (Vignette 12)

– Aufwärmen unterbrechen und wiederholen mit Ideen der Lehrerin oder der Schülerinnen (dann Kontrolle LP)

Gemeinsam wird nochmals ein Einwärmen gemacht, um die Muskeln aufzuwärmen und die Gelenke zu schmieren. (Proband*in 148) Ich würde sagen: «Gut, wir laufen nochmals gemeinsam ein, da ihr anscheinend noch nicht fähig seid, alleine verantwortungsvoll euch aufzuwärmen. Ich mache klassisch vor, ihr macht nach!» (Proband*in 171)

alternatives_ training (Vignette 8)

– Eine alternative Trainingsmög- Dazu nehmen wir uns vier Wochen Zeit lichkeit aufzeigen, diese konkret und laufen in jeder Lektion eine Etappe nennen weiter als zuvor. Zudem ist die Laufstrecke abgesteckt, d.h. wir laufen ei– 1 mögliche Trainingsform erwäh- nen vorgegebenen Crosslauf in 3 nen der Liste: Gruppen. Ein gemütliches Team, ein Walking / Intervall / Tempo raus- mittleres Team und ein Profi-Team. Sonehmen / Atmung / Inlines mit kann die LP mit der langsamsten Gruppe mitlaufen und sieht, wenn die schnellste Gruppe wieder eine Runde überholt. Nach jeder Trainingseinheit wird die Ausdauer/Leistung besser ausfallen. Schliesslich wollen wir als Klasse den Stadtlauf bewältigen, und da gehört auch das gemütliche Team dazu. (Proband*in 166) Am Anfang nur ein Teilziel stecken: 5 Minuten laufen ohne Pause. Nächstes Ziel: 7 Minuten usw. (Proband*in 219)

-2-

384 Anhang weiter (Vignette 4)

– Je nach angestrebten Lernzielen ist das Zählen der Punkte auch nicht unbedingt nötig – die Schüler sind ja schon engagiert dabei. Evtl. geschätztes Resultat bekannt geben – und weiter!

1. Ziel erfüllt: möglichst viele Pässe zuspielen, auch wenn ein Hindernis im Weg ist. Nächste Übung. (Proband*in 301) Ich lobe die Klasse, da sie offenbar mehr Spass am Spiel und der Gemeinschaft hat als an den Punkten! (Proband*in 345)

Die zweite Kompetenz 2.) Trainings- und Übungsprozesse wird in vier weitere KompetenzCodes unterteilt: i.) nicht _werten, ii.) aufg_umform, iii.) ü_abbrechen, iv.) s_vorzeigen. Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

nicht_werten (Vignette 16)

– Eine Wertung von Spiel und Tanz nicht dulden – Wertung Spiel / Tanz thematisieren – Aktives Eingreifen oder bewusstes Ignorieren

Nicht auf die Aussage (Proband*in 186)

aufg_umform (Vignette 14)

reagieren.

Die Aussage des Schülers muss auf jeden Fall aufgenommen werden. (Proband*in 197)

– Die Aufgabe umformulieren (evtl. Einen Wettkampf daraus machen: Wer zusammen mit Schülerinnen)! Z.B. hat zuerst xy Längen? Der darf sich zählen, wie viele Längen in 5 Mi- was am Kiosk holen. (Proband*in 176) nuten geschwommen werden. – Anzahl Längen vorgeben – Gruppenwettkampf Ermahnen, dass ein solches Verhalten (nicht mitmachen und verweigern) Konsequenzen haben kann. Mit einer neuen attraktiveren Übung aufkommen, denn die SuS haben ja grundsätzlich nichts gegen das Schwimmen. Man muss sie nur oft auf der richtigen Ebene abholen und motivieren, damit der Einsatz besser ist. (Proband*in 215)

ü_abbrechen (Vignette 6)

s_vorzeigen (Vignette 6)

– Übung abbrechen und zur nächsten wechseln oder alternative Form, sodass die Landung angenehmer ist.

Ich würde die Übung durch eine andere ersetzen. (Proband*in 182) Falls die Schüler allerdings immer noch nicht turnen möchten, würde ich die Aufgabenstellung vereinfachen oder verändern, sodass kein Grund mehr zur Angst besteht (z.B. bereits Bekanntes turnen lassen). (Proband*in 198)

– Mit Schüler*in vorzeigen und Hil- Danach Hilfestellung leisten und die festellung leisten (nur mit Vereinfa- Schülerinnen ermutigen, es so einmal chung!) zu probieren, mithilfe der Lehrperson und einer anderen Schülerin. (Proband*in 174) Ich zeige ihnen, wie sie sich vernünftig sichern können. (Proband*in 268)

Anhang 385 Bedingungen organisieren Die zweite Dimension Bedingungen organisieren wird ebenfalls in mehrere unterschiedliche Kompetenzen unterteilt. Einerseits in 1.) Zeit und Personen organisieren, andererseits in 2. Raum und Material organisieren. 1.) Zeit und Personen organisieren i) zeit_knapp ii) bodenmarkierung iii) s_beschäftigen 2.) Raum und Material organisieren i) paareeinzeln_aufrufen ii) org_form iii) anlage_ändern

Die Kompetenz 1.) Zeit und Personen organisieren wird in drei weitere Kompetenzen-Codes unterteilt: i) zeit_knapp, ii) bodenmarkierung, iii) s_beschäftigen. Die folgende Tabelle zeigt den dazugehörigen Indikator mit jeweils zwei Beispielen. Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

zeit_knapp (Vignette 16)

– Tanz auf mehrere Lektionen verteilen – Kürzere Sequenz Tanz – Geräteturnen oder Spiel weglassen – Bewusstes Kürzen von Inhalten zugunsten anderer Inhalte

Danach passen wir die Lektion an und spielen noch, solange die Zeit reicht. (Proband*in 171)

bodenmarkierung (Vignette 18)

s_beschäftigen (Vignette 13)

Falls das Spiel nur kurz durchführbar wird oder ganz weggelassen werden muss, soll das auch kommuniziert werden. (Proband*in 186)

– Mit Hilfen (z.B. Bodenmarkierungen) arbeiten – Feld eingrenzen – Standorte zuweisen

Zum Beispiel vorgeben, in welchem Feld alle Schüler stehen müssen. (Proband*in 173)

– Zeitpunkt des Gesprächs mit den Unpünktlichen so wählen, dass die Pünktlichen nicht benachteiligt werden. Z.B. 5 Minuten vor Schluss abbrechen und Gespräch führen.

Ich lasse die zu spät gekommenen Schüler ein paar Strafrunden laufen, während ich die anderen begrüsse und ihnen bereits die Lektionsziele erläutere. (Proband*in 196)

Klare Angaben machen, z.B. 5 Reihen bilden und jeweils 2 Meter Abstand voneinander haben. (Proband*in 193)

Ich lasse die Pünktlichen ein kleines Spiel spielen – mit den Verspäteten Z.B. pünktliche Schüler weiter mache ich ein der versäumten Zeit Fussball spielen lassen und die entsprechendes intensives Einlaufen. Unpünktlichkeit zu Beginn anspre- (Proband*in 237) chen. Z.B. Besprechung in der Klassenlehrerstunde

386 Anhang Die Kompetenz 2.) Raum und Material organisieren wird ebenfalls in drei weitere Kompetenzen-Codes unterteilt: i.) paareeinzeln_aufrufen, ii.) org_form, iii.) anlage_ändern. Vignettencode

Indikator

paareeinzeln_aufrufen

– LP teilt Paare zu oder Spiel, das Paare zu bilden und nicht bilden zu bereits Paare erfordert, oder Los lassen. (Proband*in 166)

Ankerbeispiel

Vielleicht muss der Lehrer zu Beginn die Paare auch bilden (Zufallsprinzip – anhand der Klassenliste zum Beispiel). (Proband*in 192) org_form

anlage_ändern

– Eintanzen oder Spiel (z.B. Raumwahrnehmung / Partnerwechsel fördern) – Starten mit einem Schritt, der alle nach vorne bringt – Organisationsform, dass immer «Frau» nach links wechselt, «Herr» stehen bleibt ––> häufige Wechsel!! (z.B. Rueda)

Die Mädchen bilden einen inneren Kreis, die Jungs einen äusseren drum herum. Jeder hat nun einen Partner und die werden alle paar Schritte durch Signal vom Lehrer gewechselt. (Proband*in 178)

– Material besser einsetzen. Übung auf einer dünnen Matte mit 2 Hilfestellungen oder auf schräger Anlage mit Bänkli und 40er-Matte ausüben.

Ich bestimme 3 Schüler, die mit mir noch eine dicke Matte holen (oder 4 Bänke, um dann dort die 40cm-Matte draufzustellen), zeige die Übung nochmals vor. Die SuS sehen, dass es nun sicher ist und machen wieder mit. (Proband*in 204)

Die Repetition des Grundschrittes kann ja dann auch schon in den Pärchen stattfinden. (Proband*in 204)

Das heisst eine zweite dicke Matte darauf. (Proband*in 153)

-5-

Anhang 387 Mit Schüler*innen interagieren 1.) Klare Anweisungen und Erklärungen

i) konsequenzen ii) ansprechen iii) deutlich erklären

2.) Interessen beachten

i) warum ii) übergew_thema iii) turnen_attrakt

3.) Leistungsfähigkeit beurteilen und evaluieren

i) lauf_wieder ii) tanz_attrakt iii) motivation

4.) Körperlichkeit beachten

i) freiwillig ii) grund iii) turnen_gestalten

5.) Auf Unterschiede achten

i) semesternote ii) genderhomogen iii) frauenfeindlich

1.) Klare Anweisungen und Erklärungen: Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

konsequenzen (Vignette 13)

– Mögliche Lösungen/Konsequenzen besprechen und/oder fixieren (bereits im Vorfeld festgelegte Konsequenzen zählen ebenfalls)

Falls sich die Schüler nicht an diese Abmachung halten oder grundlos zu spät kommen, sollten Strafen (Stunde verlängern oder Arrest) verhängt werden. (Proband*in 157) Welche Konsequenzen hat ein nächstes Zuspätkommen? Mit den Schülern eine Regelung treffen. (Proband*in 178)

ansprechen (Vignette 13)

– Unpünktlichkeit mit «Unpünktli- Verspätung thematisieren. Fragen: chen» ansprechen und den Grund Wieso ward ihr zu spät, was kann ich der Unpünktlichkeit erfragen machen, dass das nicht mehr so ist? (Proband*in 176) Die Klasse zusammennehmen und nach dem Grund der Verspätung fragen (evtl. überzieht der andere Lehrer immer, dann muss man das Gespräch mit dem anderen Lehrer suchen [wahrscheinlich wird aber nicht das das Problem sein]). (Proband*in 204)

deutlich_erklären (Vignette 4)

– Anscheinend waren die Anweisungen nicht genug verständlich. Den Auftrag, wie gezählt werden soll, nochmals deutlich machen (oder auch vorzeigen!).

Dann werde ich vielleicht das Spiel nochmals erklären müssen (wenn die SuS die Übung nicht ganz begriffen haben). (Proband*in 313) Zweite Runde noch einmal genau die Regeln des Zählens aufsagen, dann klappt das. (Proband*in 365)

388 Anhang 2.) Interessen beachten: Vignettencode

Indikator

warum (Vignette 14)

– Den Grund erfragen, warum die Frage: Was ist los? Kommt immer Schüler nicht schwimmen noch nur Gekicher, gehe ich davon möchten aus, dass es den Schülerinnen gut geht. (Proband*in 178)

Ankerbeispiel

Ich frage die Schüler, warum sie heute nicht motiviert sind. (Proband*in 300) übergew_thema (Vignette 8)

turnen_attrakt (Vignette 3)

– Übergewicht thematisieren, anund besprechen – Frage, was die Schüler machen gegen dieses «Fettsein». – Thema Ernährung thematisieren

– Den Schülern eine attraktive turnerische Aufgabe geben, die eben nicht «Weibersport» ist. – Le Parkour

Intensiv Gespräch mit den Schülern suchen, über ihr Gewichtsproblem sprechen. (Proband*in 213) Das Thema Fettleibigkeit soll dabei im Biologieunterricht angesprochen werden. Den SuS soll klargemacht werden, dass man durch gesunde Ernährung und Sport gegen die Fettleibigkeit etwas machen kann. (Proband*in 362) Dann würde ich ihnen schwierige Sachen am Boden zeigen. Streuli, Handstand, vielleicht Salto mit Hilfe etc.! (Proband*in 171) Dann würde ich das Bodenturnen auf die Knaben anpassen: Zum Beispiel könnte es verbunden werden mit HipHop und Breakdance… Moves, welche die Knaben aus Musikvideos kennen und auf dem Boden anwenden/ ausprobieren könnten. Auch könnten etwas akrobatische Teile eingebaut werden, mit Hilfestellungen etc. Es ist einfach wichtig, dass der Unterricht auf beide Geschlechter anpasst wird, mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen etc. (Proband*in 192)

3.) Leistungsfähigkeit beurteilen und evaluieren: Vignettencode

Indikator

lauf_wieder (Vignette 20)

– Die Abwesenden müssen den Natürlich würde ich ihnen auch sagen, Lauf nachholen dass die Mädchen, die nicht anwesend waren, die Prüfung nachholen müssen. (Proband*in 172)

Ankerbeispiel

Die, die nicht anwesend waren, müssen die Prüfung auf jeden Fall nachholen. (Proband*in 336) tanz_attrakt (Vignette 16)

– Tanz attraktiver gestalten – Langsamere Musik – Einfacher

Falls ich so gut vorbereitet bin, dass ich die Schritte vereinfachen oder die Übungsform umstellen kann, werde ich das tun. (Proband*in 178) Für ein nächstes Mal überarbeiten und etwas spannender gestalten und vielleicht etwas langsamer, da ein zu schneller Rhythmus für ein Aufwärmen nicht unbedingt passend ist. (Proband*in 174)

Anhang 389

motivation (Vignette 8)

– Motivation für Stadtlauf (Laufstrecke) fördern – Klarmachen, dass die StadtlaufStrecke auch für sie zu bewältigen ist (evtl. mit anderem Ziel: z.B. Intervall)

Wichtig ist, dass sie sich nicht mit den Läufern messen wollen, sondern eine individuelle BNO haben und eine eigene, realistische Zielsetzung verfolgen. (Proband*in 153) Ich erkläre ihnen, wie viel man in vier Wochen Training erreichen kann, und dass es mir nicht darum geht, dass sie die Strecke in einer bestimmten Zeit schaffen, sondern dass sie mitmachen. Ich möchte sie motivieren, mind. ihr Alter in ihrem Tempo zu laufen. (Proband*in 187)

4.) Körperlichkeit beachten: Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

freiwillig (Vignette 8)

– Stadtlauf als freiwilliges Angebot ausserhalb des Sportunterrichts und Training dafür aber innerhalb Sportunterricht, sodass alle teilnehmen müssen

Ihnen aber auch die Möglichkeit zu geben, nur an den Trainings und nicht am Stadtlauf teilzunehmen, damit ihre Trainingsleistung unter der Klasse bleibt und sie sich nicht vor fremden Leuten beweisen müssen. (Proband*in 260) Ich würde sie aber nicht zwingen, am Stadtlauf teilzunehmen. (Proband*in 330)

grund (Vignette 6)

– Den Grund der Weigerung er- Fragen, wo das fragen, Gespräch suchen (Proband*in 238)

Problem

liegt!

Frage bei allfälligem fortlaufendem Verweigern nach dem Grund der Verweigerung. (Proband*in 316) turnen_gestalten (Vignette 3)

Aus Perspektive der Schüler: – Lehrgespräch/Diskussion über fehlendes Interesse am Turnen – Vorlieben/Interessen von verschiedenen Gruppen ausdiskutieren – Vorschläge für Veränderung von Turnen im SpU für Knaben (z.B. Stichwort: Partizipation)

Erstens: Definiert mal Weibersport? Und was wäre Ihrer Ansicht nach etwas Vernünftiges? (Proband*in 181) Ich würde die Schüler erst mal fragen, was sie für vernünftig halten. Es ist anzunehmen, dass dann v.a. Spiele genannt werden. Sie sind damit aber gezwungen, näher auf ihre Aussage einzugehen und Vorschläge zu bringen. (Proband*in 197)

390 Anhang 5.) Auf Unterschiede achten: Vignettencode

Indikator

Ankerbeispiel

semesternote (Vignette 20)

– Diskussion/Begründung über Beurteilung (langfristig, auch weitere und andere Noten betreffend) – Diskussion Semesternote Sport: nicht nur Leistungsnoten, auch Ästhetik

Z.B. als Eingangstest werten lassen und nach einem halben Jahr bewerten, wie viel sie sich verbessern konnte. (Proband*in 153)

– Keine Mischung der Klassen/ Geschlechter beim Paartanz aufzwingen – Abbrechen und nächstes Mal in Kleidern in Tanzstudio/Aula tanzen

Auch Junge–Junge oder Mädchen– Mädchen ist möglich! (Proband*in 176)

genderhomogen (Vignette 18)

frauenfeindlich (Vignette 3)

– Keine Äusserungen

Die Note wird eingetragen und im nächsten Semester findet wieder der 12-Minuten-Lauf statt. Der Notendurchschnitt wird berechnet. Ich schaue mir dann den Prozess genau an und gebe dafür nochmals eine Note. Hat die Schülerin die Note 1 und dann noch eine 4, sehe ich, dass die Schülerin einen Trainingsprozess durchlaufen hat, welchen ich durch eine gute Note bewerte. Somit kann jeder einzelne SuS eine gute Note durch den individuellen Einsatz erzielen und somit den Schnitt der Bewertung erhöhen. Ich zeige zudem den SuS meine Wertungstabelle, um die Bewertung besser zu verstehen. (Proband*in 166)

Der Klasse erlauben, auch gleichgeschlechtliche Paare zu bilden. (Proband*in 266)

frauenfeindlichen Erstens würde ich darauf hinweisen, dass es, wenn überhaupt, dann Frauen heisst und nicht Weiber. (Proband*in 203) Zudem die Vulgärsprache nicht tolerieren und wenn nötig Sanktionen aussprechen. (Proband*in 266)